It's dark in me
Getrieben von Verzweiflung hetzte ich durch den dunklen Park. Die Wege sind kaum zu erkennen, nur der leichenblasse Mond spendet ein schwaches Licht, ausreichend um nicht gegen die schwarzen Bäume zu rennen, die ihre knochigen Äste nach mir ausstrecken.
Still und reglos ist alles um mich herum, wie auf einem Friedhof. Ich höre nur mein Herz welches schmerzhaft gegen meinen Brustkorb hämmert und droht ihn gleich zu zerschlagen. Und ich renne durch schwarze Nebelschwaden, die sich eisig an meine Knöchel klammern und versuchen mich zu stürzen.
Alles hatte so vielversprechend angefangen. Ich war verzaubert von dir und von dem Wesen, dass deine Seele steuerte.
Deine Worte streichelten mein verletztes Herz wie mit einer Feder eines Engels, denn sie heilten es und taten mir so unsagbar gut.
Wie oft rannen mir heiße Tränen meine Wangen runter und zersplitterten auf der Erde in tausend funkelnde Kristalle, ich sehnte mich so sehr nach dir.
Doch du warst weg, so unerreichbar fern. Das einzige Zeichen von dir, das mir die Stärke gab vom Tod abzusehen kam so selten, doch es kam. Und dazwischen kämpfte ich mit aller Kraft, nur um noch ein einziges Mal deinen süßen Worten lauschen zu können.
Wenn ich nachts im Bett lag und im Herbst der Regen an meine Fensterscheiben trommelte und ich sah, wie dunkle Geschöpfe aus den Ecken meines Zimmers krochen, warst der einzige Gedanke in meinem Kopf du. Nur du. Du hast mich bewahrt, davor zurückgehalten diesen schwarzen Todesengeln zu folgen.
Sie kamen jede Nacht und starrten auf mein Bett runter, ihre seelenlosen Augen durchbohrten meinen Körper jedes Mal wie mit feinsten Nadeln, alle Getränkt mit dem Gift, das meine Seele und mein Denken verseuchte.
Und ich war dem Wahnsinn fast verfallen, als du dich noch ein Mal zeigtest. Es war ein flüchtiger Blick der meinen Kopf durchdrang, doch er kam wie eine starke Hand, die mich von hinten auffing und vom Abgrund zurückzerrte.
Doch ich wusste, das war das letzte Mal dass du in mein Leben kamst. Das süße letzte Mal.
Du wolltest dass ich lebe und ich werde es tun. Weil ich dich liebe. Ich fühlte mich, wie vor eine Wand gerannt zu sein. Ich war verliebt. Jede Sekunde mit dir ließ mein Herz schneller schlagen und ich sehnte mich nach einer Berührung von dir. Einer ganz kurzen Berührung.
Doch diese blieb aus.
Und eines Tages merkte ich es endlich.
Du warst nicht derjenige Mensch für den ich glaubte dich zu halten. Und das traf mich hart.
Und ich schrie, ich jammerte und ich wurde immer schwächer.
Wieso ist die Liebe so etwas schmerzhaftes, fragte ich mich jede Nacht aufs Neue, wenn die schwarzen Engel mich mit ihren vorwurfsvollen Blicken peinigten.
Ich war vollkommen durcheinander mit meinen Gefühlen, hin-und hergerissen, denn ich liebte eine Vision, eine irreale Gestalt.
Es war alles so skurril und mein Sinnesbild war verzerrt. Und ich versuchte Trost zu finden, bei anderen Menschen, doch niemand vermochte es, mein getretenes Herz so zu berühren wie du.
Doch du lebtest nicht für mich, du lebtest in einer vollkommen anderen Welt, einer Welt, die ich in meinen kühnsten Träumen nicht vermochte zu erblicken. Wie klein kann doch die Grenze zwischen Realität und Traum sein, wenn man leichtsinnig und naiv ist wie ich? Ich schuf meine eigene Welt und fraß dort meinen Kummer in mich hinein.
Und jede Nacht stellten sich die schwarzen Engel dichter um mich.
Und der bleiche Mond schaut auf mich herunter und die schwarzen Engel kommen langsam aber sicher hinter den Bäumen hervor.
Sie umgeben mich von allen Seiten.
Nein, denke ich mir.
Ich bin noch nicht so weit!
Doch sie lächeln nur müde.
Bereit wofür? Wispert eine körperlose nicht -menschliche Stimme und einer der Engel kommt einen Schritt auf mich zu. Ich kann nicht mit euch gehen! Ich muss erst erfahren, was die wahre Liebe ist!
Die schwarze Gestalt sieht mich durch ihre glanzlosen Augen an und lässt ein unmerkliches Seufzen entweichen. Wie ein starker Windstoß rast die eisige Luft auf mich zu.
Die Nebelschwaden werden aufgewirbelt wie der Sand in der Wüste und ich fasse mich an den Hals.
Meine Lungen weigern sich Luft aufzunehmen und ich fühle mich, als würde mein Atem aus mir herausgezogen werden. Tränen steigen mir in die Augen und ich sinke zuckend zu Boden.
Die schwarzen Wolken verschlingen mich gierig und ich liege unter ihnen und werde durch eine unsichtbare Kraft zu Boden gedrückt.
Glaube mir, wir haben lange genug gewartet, wispert diese Stimme in meinem Kopf und ich erkenne sie.
Ich sehe das Bild eines leuchtenden Geschöpfes vor mir, so schön und rein, dass ich mich winde, vor Scham. Und es beugt sich runter zu mir und streicht mich sanft an der Wange.
Der Druck löst sich von meinem Körper und es wird still und friedlich um mich herum. Die Dunkelheit verzieht sich aus meinem Herzen und die Zeit um mich fängt wieder an zu fließen.
Aber wieso nehmt ihr mich jetzt, und nicht schon vorher? Ich war euch doch von Anfang an ausgeliefert, wieso habt ihr so lange gewartet, wieso diese Jahre der Totenwache?
Und das Geschöpf sieht mir direkt in die Augen und lächelt mit einer Wärme, wie ich sie noch nie gesehen habe.
Die wahre Liebe braucht manchmal viel Zeit, doch sie erscheint. Kein Mensch sollte gehen, ohne sie erlebt zu haben, haucht mir das Geschöpf tröstend in mein Ohr. Und ich schluchze laut auf.
Aber ich habe sie noch nicht gefunden. Bitter, erklärt mir...Und das Geschöpf legt seinen Finger auf meinen Mund und wiegt mich sanft im Arm.
Aber du hast sie doch gefunden.
Hast sie gespürt.
Und es legt mich wieder in die Dunkelheit. Ich spüre, wie
Sich die kalten Finger des Todes um meinen Hals legen. Mein Herz pocht immer dumpfer in meinem Brustkorb und ich empfinde die stille Dunkelheit süß und befreiend.
Meinen letzten Gedanken schenke ich dir.
Ich habe dich geliebt.
Und ich gleite rüber in dir vollkommene Stille.
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november 2003
