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Der Falkenclan

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Spuren im Schnee (Teil I)

Hm, bringt es was, euch zu versichern, dass es mir so unendlich Leid tut, für diese unmenschlich lange Wartezeit? Nein? Hab ich mir gedacht...
 

Der Falkenclan
 

Kapitel 10 - Spuren im Schnee (Teil I)
 

Frankreich 1873
 

Der erste richtige Schnee in diesem Jahr war über Nacht gefallen. Eigentlich viel zu früh. Aber schon der Sommer war zu kurz und kalt geraten und hatte sich zum Schluss in ein Regiment aus Sturm und Regengüssen verwandelt. Da kam auch dieser frühe Wintereinbruch nicht mehr überraschend.
 

Ein paar kleine Kinder tobten draußen auf dem kleinen Dorfplatz freudestrahlend im Schnee herum. Was für die Erwachsenen eine zusätzliche Last und für die Bauern eine schiere Katastrophe bedeutete, das war für sie einfach nur ein Geschenk des Himmels und eine riesige Freude. Zu lange hatte der heftige Regen sie in den Häusern eingesperrt. Da kümmerte es sie gar nicht, wenn sich ihre Lippen nach Stunden draußen in der Kälte schon leicht blau verfärbten.
 

In diesem Moment krachte ein Schneeball an die Schaufensterscheibe eines kleinen Bücherladens und zwar so heftig, dass das Glas anfing zu vibrieren. Einen Moment lang standen die Kinder starr vor Schreck. Aber das Glück war ihnen hold, es schien gerade niemand im Laden zu sein, der das kleine Missgeschick bemerken konnte.
 

Sie täuschten sich. Tatsächlich war der Besitzer des Ladens, ein gewisser Monsieur Marceau gerade hinten im Wohnbereich seines Hauses, aber sein Sohn saß auf einem kleinen ungemütlich aussehenden Hocker zwischen zwei Bücherregalen und las ein Buch. Als der Schneeball das Glas traf, fuhr er so sehr zusammen, dass ihm das Buch aus den Händen rutschte. Es landete mit dem ausgestreckten Buchrücken nach oben auf dem staubigen Boden. "Jules Verne - Le tour du monde en quatre-vingts jours"(*) hieß es auf dem noch sehr neu aussehenden, ledernen Einband.
 

Leise fluchend hob der junge Mann das Buch vom Boden auf und überprüfte, ob die Seiten im Innern Knicke oder sonstige Schäden aufwiesen. Das fehlte gerade noch. Das Buch war gerade neu erschienen, jetzt hatte er so lange drauf gewartet, dass es mit einer der Bestellungen für den Laden ankam und dann passte er nicht richtig darauf auf. Sein Vater würde rasend werden vor Wut. Es beschädigtes Buch konnte er nicht mehr verkaufen. Sowieso - wer mit Büchern nicht umging wie mit einem Neugeborenen, der war in den Augen seines Vaters ein Verräter an die Kunst der Buchbinder und Autoren.
 

Kaufen würde sein Vater es auch nicht, dafür war es viel zu teuer. Hinzu kam noch die Tatsache, dass Monsieur Marceau, den in den letzten Jahren durch seine Spannenden Romane bekannt gewordenen Jules Verne mit der gleichen Hingabe verabscheute, mit der sein Sohn ihn abgöttisch verehrte. Er hatte das Buch nur bestellt, weil es sicherlich ein weiterer Erfolg des Autors werden, und sich gut verkaufen würde.
 

Liebevoll strich der siebzehnjährige Raphael Marceau, Sohn des Buchhändlers Jean Piere Marceau, der das schwarze Haar seines Vaters geerbt hatte über den Buchrücken. Schon jetzt wusste er, dass auch der neue Roman des Monsieurs Verne eine faszinierende, großartige Geschichte war. Obwohl es schon Mittag war und er bereits seit dem Morgen hier saß und in dem Buch las wusste er noch immer nicht, welches Land die Hauptperson des Buches, der englische Gentleman Phileas Fogg als erstes auf seiner Reise um die Welt aufsuchen würde. Er platzte zwar fast vor Ungeduld und Neugier, aber er zwang sich trotzdem das Buch langsam zu lesen.
 

Einmal, weil er das Buch genießen wollte, aber der wichtigere Grund war, dass er sich jede Seite, jede Zeile, jedes Wort genau einprägen wollte. Denn er durfte das Buch nur so lange halten und lesen, bis es verkauft würde. Wie es bei allen anderen Abenteuerromanen des Jules Verne auch war. Bis auf eine Ausnahme.
 

Es war jetzt drei Jahre her, da im Buchladen eines Nachts ein Feuer ausgebrochen war. Raphael, damals vierzehn Jahre alt, hatte seinem Vater und seiner Mutter zuerst geholfen, die vielen wertvollen Bücher zu bergen, als er plötzlich bemerkt hatte, dass sich das Feuer auch einen Weg in das Wohnhaus gebahnt hatte. Als nächstes fiel ihm auf, dass seine kleine Schwester Joelle, die noch ihre Jacke hatte holen wollen immer noch nicht zurück war.
 

Der Junge dachte nicht mehr nach, sondern rannte einfach geradewegs in das Flammenmeer hinein. Nach einiger Zeit hörte er das erstickte Wimmern, welches vom Prasseln des Feuers fast übertönt wurde. Er wusste bis heute nicht genau, wie er es in jener Nacht geschafft hatte, aber Raphael gelang es irgendwie mitsamt seiner Schwester aus dem brennenden Haus zu entkommen.
 

Sein Vater, der seinem Sohn ein Leben lang nicht mit mehr als Härte und Strenge begegnet war, war so froh über die Rettung seiner kleinen Tochter, die sein ein und alles war, dass er Raphael die originale Ausgabe des damals neusten Roman von Jules Verne schenkte. "Vingt mille lieues sous les mers"(**) in zwei Bänden. Sie waren Raphaels größter Schatz. Es war sein absolutes Lieblingswerk des Verne, die unendliche Tiefe der Meere übte eine nie zuvor gefühlte Faszination auf ihn aus.
 

Ein Jahr später starb Joelle. Eine Lungenkrankheit. Sie litt furchtbar in ihren letzten Wochen. Nach ihrem Tod wurde sein Vater noch verschlossener und härter als vorher. Selbst seine Mutter konnte nicht mehr zu ihm vordringen. Raphael las jeden Abend ein paar Seiten. Egal wie müde und erschöpft er war, egal wann er am nächsten Morgen aufzustehen hatte. Und er ging vorsichtig mit ihnen um, sie sahen noch so aus wie an dem Tag, an dem er sie bekommen hatte. Sein Vater wäre stolz auf ihn. Wenn er sich überhaupt noch für ihn interessieren würde.
 

Auch wenn er mittlerweile jede Seite auswendig konnte; der Roman war sein größter Schatz, nicht zuletzt deshalb, weil er die einzige Verbindung zu einer Zeit war, in der er seinem Vater etwas bedeutet hatte.
 

Mit einer Hand spielte er nervös mit dem kurzen Pferdeschwanz herum, zu dem er seine glatten, schulterlangen Haare gebunden hatte. Mit der anderen blätterte er nach der Seite, auf der er zuletzt gewesen war. Endlich hatte er sie gefunden. Gerade war er dabei zu erfahren, dass die Reise Mr. Fogg und seinen Diener Passepartout zuerst nach Ägypten führen sollte, da schallte die Stimme seiner Mutter aus der Küche.
 

"Raphael? Raphael! Es ist Besuch für dich gekommen!"
 

Seufzend legte er das Buch aus den Händen. Behutsam stellte er es zurück in das Regal. Dicht gedrängt zwischen den anderen Büchern stand es da und sah aus, als hätte es schon ewig an genau dieser Stelle verharrt. Etwas wehmütig lächelte er.
 

Aber er würde ja hier auf ihn warten. Sein neuer, geliehener Schatz. Man konnte Raphael Marceau beim besten Willen nicht als naiv bezeichnen, trotzdem konnte er in diesem Augenblick auch nicht ansatzweise erahnen, dass er den größten aller Romane von Jules Verne nie zuende lesen sollte.
 

Nochmals hörte er seine Mutter rufen. "Raphael? Bist du da? Hast du gehört?" Er richtete sich auf. "Ja, Mutter! Ich komme!"
 

In der Küche war Madame Marceau gerade dabei einen duftenden Brotlaib aus der Backröhre zu holen, und stattdessen einen noch rohen Apfelkuchen hinein zu schieben. Als er eintrat drehte sie sich zu ihm um und sagte lächelnd: "Sieh nur Schatz, wer uns besuchen kommt!"
 

Mit dem Rücken zur Hintertür, die auf den Hof hinausführte, stand dort ein Mädchen. Sie mochte vielleicht ein Jahr jünger sein als Raphael. Lange, rotbraune Haare flossen ihr in Locken über die Schultern, die braun-grünen Augen funkelten. Ein Schwanenhals, eine gerade Nase mit feinen Sommersprossen - sie war zweifellos eine Schönheit geworden und im ersten Augenblick hatte er Mühe, sie wieder zu erkennen.
 

Aber als sie ihn lächelnd mit "Guten Tag, Raphael" begrüßte, wusste er, wer vor ihm stand. Er lächelte zurück. "Cecile! Das muss ja schon Jahre her sein!" "In Wirklichkeit waren's knapp zweieinhalb Monate. Auf dem Sommerfest, weißt du nicht mehr?"
 

Sie hatte Recht. Das Sommerfest hatte am wirklich letzten schönen Tag des Sommers stattgefunden. Sie hatten sich dort kurz gesehen. Er hatte sie aber dort nicht weiter beachtet, weil er sich zuvor wieder einmal fürchterlich mit seinem Vater gestritten hatte.
 

"Kind. Was führt dich her? Oder wolltest du uns einfach so mal wieder besuchen? Der Kuchen ist allerdings noch nicht fertig, du hast ja gesehen, dass ich ihn gerade erst in die Röhre geschoben habe." Das war Madame Marceau. Cecile die bis zu diesem Augenblick immer noch mehr oder weniger verlegen zu Raphael gesehen hatte, was diesen übrigens ziemlich verwirrte, lächelte nun fast erleichtert. "Ich bin auf Marie-Antoinette hergekommen. Sie brauchte dringend wieder mal einen gescheiten Ausritt nach diesem scheußlichen Wetter - ich übrigens auch! Und mein Vater schickte mich her, um das hier abzugeben."
 

Cecile zog ein altes Buch mit verschlissenem Umschlag aus dem Mantel. "Das ist unsere Familienbibel. Ein paar Seiten haben sich gelöst und Vater meinte, dass sollte am besten von einem Fachmann wieder gerichtet werden. Er lässt fragen, ob Monsieur Marceau vielleicht Zeit dafür hätte."
 

Raphaels Mutter nickte. "Da bin ich mir sicher. Sag, Cecile, willst du nicht noch etwas hier bleiben? Du könntest dann nachher noch etwas heißes hier trinken und den Kuchen probieren. Mein Mann wird die Bibel bis dahin gewiss ausgebessert haben. Dann brauchst du den weiten Weg nicht ein zweites Mal zu kommen."
 

"Oh, das wäre wunderbar, vielen Dank!" "Dann vertreibt euch die Zeit ihr beiden. Ihr werdet euch viel zu erzählen haben, so selten wie ihr euch jetzt nur noch seht!" und damit wandte sich Raphaels Mutter wieder ihrer Arbeit zu.
 

"Wo hast du Marie-Antoinette gelassen?", fragte Raphael. "Ich habe sie hinten im Hof angebunden. Meinst du, ich könnte ihr noch einen Eimer Wasser geben, sie wird bestimmt durstig sein." "Aber auf jeden Fall!"
 

Der junge Mann legte sich einen Schal um den Hals und warf seinen Wintermantel über. Dann folgte er Cecile nach draußen. Er ging rüber zu dem kleinen Nebengebäude das als Pferdestall und Geräteschuppen genutzt wurde um einen Eimer zu holen. Da fiel sein Blick auf etwas, dass im Halbdunkeln der Scheune stand und ihm kam eine Idee.
 

Nachdem sie die Stute getränkt hatten erzählte er Cecile davon. "Sag mal, was hälst du davon, wenn wir ihren Gatten vor den Pferdeschlitten spannen und einen kleinen Ausflug machen bis der Kuchen fertig ist?", fragte er und klopfte Marie-Antoinette auf den schlanken Hals.
 

"Ludwig?", fragte Cecile lachend. "Das ist ein wunderbarer Einfall! Das ihr ihn immer noch habt! Die Felder habt ihr doch schon lange verkauft, oder?" "Ja, nach dem Feuer damals um die Reparaturen zu bezahlen. Aber mein Vater hat es nicht übers Herz gebracht Ludwig wegzugeben. Wir haben ihn schon so lange...."
 

"Weißt du noch, als unsere Väter die Pferde kauften? Meiner die feurige Vollblutstute als Reitpferd und deiner den schwerfälligen Kaltblüter für die Arbeit auf dem Feld. Wir dachten damals die beiden würden doch so außergewöhnlich gut zusammenpassen!"
 

"...und nannten sie nach einem französischen Königspaar, weil wir das Thema gerade im Geschichtsunterricht behandelten, ja", ergänzte Raphael lachend.
 

Einige Zeit später zog der schwerfällige Ludwig den kleinen Pferdeschlitten über verschneite Felder außerhalb des Dorfes. Da der Schlitten keinen großen Innenraum mit Sitzplätzen hatte, saß Cecile vorne neben Raphael auf dem Bock und sah zu wie das Pferd geduldig durch die weiße Landschaft trabte.
 

Außerdem Schnauben des Pferdes und dem schleifenden Geräusch, das die Kufen auf dem Schnee verursachten war die Umgebung in vollkommene Stille getaucht. Raphael hatte nichts dagegen, still neben ihr zu sitzen, ganz im Gegenteil. Er liebte die vollkommene Ruhe im Einklang mit der Natur. Und wenn er sie mit einem lieben Menschen teilen konnte - umso besser.
 

Trotzdem hatte er das Gefühl, irgendetwas sagen zu müssen. Als Kinder hatten sie schließlich fast jeden Tag zusammen gesessen und auch später, bis zu der Zeit als Cecile mit ihrer Familie weggezogen war, hatten sie sich oft gesehen. Anscheinend hatte sie sich gefreut, ihn wieder zu sehen... kurzum - irgendetwas musste er ja jetzt wohl sagen.
 

Er warf ihr einen Seitenblick zu und sagte einfach das erstbeste, was ihm in den Sinn kam: "Du hast dich ganz schön verändert..." Sie grinste. "Nett, dass du das auch mal bemerkst. Dachtest du, ich bleibe auf ewig die süße Kleine mit einem runden Gesicht voller Sommersprossen?"
 

"Ich - nein! Aber du... Ich hab dich eben lange nicht gesehen", antwortete er und setzte hinzu: "Jedenfalls nicht richtig bewusst". Dann sah er sie noch einmal an und grinste. "Aber du kannst so erwachsen und hübsch werden wie du willst: Die Sommersprossen auf deiner Nase wirst du nicht los!"
 

War sie bei den Worten "erwachsen und hübsch" schon im Begriff gewesen, leicht zu erröten, wandte sie nun wütend das Gesicht ab und rieb mit dem Handrücken über ihre Nase, als könne sie feinen Sommersprossen mit einer Bewegung wegwischen. "Ach Mensch...", klagte sie unglücklich.
 

Raphael lächelte. "So war das nicht gemeint. Sie machen dich in keiner Weise unattraktiver. Sie gehören einfach zu dir. Und du bist eine wunderschöne junge Mademoiselle, da beißt keine Maus einen Faden ab. Du kannst stolz darauf sein.", beschwichtigte er seine alte Freundin.
 

Das Mädchen mit den roten Haaren sah auf. Raphael sah ein verzaubertes Glänzen, welches sich in ihren Augen widerspiegelte. Sie strahlte ihn an. So hell wie die Nachmittagsonne, die in diesem Moment durch die Wolkendecke brach und auf den weißen Schnee fiel. Sie ließ die verschneite Landschaft glitzern wie einen endlosen Kristallpalast.
 

Etwas verwirrt lächelte Raphael leicht zurück. Dann fiel ihm etwas ein. "Ach - ich hab dich auf dem Sommerfest mit Joseph Sandoz tanzen sehen. Ich habe gehört, er ist dein Freund. Ein wirklich netter Kerl, ich muss die wirklich gratulieren. Ihr passt toll zusammen!"
 

Und das stimmt im wahrsten Sinne des Wortes. Mochte man Cecile als begehrtes junges Mädchen im Umkreis bezeichnen, so war Joseph gewiss das passende Gegenstück. Er war ein sehr gut aussehender junger Mann, ein Jahr älter als Raphael, der Sohn des Hufschmieds und hatte einen netten und unkomplizierten Charakter.
 

Raphael richtete seinen Blick wieder auf Ludwig und bemerkte nicht, wie Cecile neben ihm den Kopf hängen ließ. Dann vernahm er ihre leise Stimme. "Raphael, könntest du kurz halten?", bat sie ihn, "Ich möchte eben aussteigen".
 

Er tat wie ihm geheißen und hielt das alte Pferd langsam an. Schließlich kam der Schlitten zum Stehen. Raphael sprang leichtfüßig vom Bock und landete mit einem dumpfen Geräusch mit den Füßen im Schnee. Er sank fast bis zu den Knöcheln ein. Dann ging er um den Schlitten herum und reichte Cecile die Hand, um ihr zum Bock hinunter zu helfen. Er wollte nicht, dass sie sich mit ihrem langen, dicken Winterrock verhedderte und womöglich noch mit der Nase im Schnee landete.
 

Sie kam ebenfalls auf dem weichen, weißen Untergrund zum Stehen und ging geradewegs ein paar Schritte an ihm vorbei. Mitten auf der weitläufigen Wiese, auf der sie sich gerade befanden blieb sie stehen. Neugierig folgte Raphael ihr.
 

Sie neigte den Kopf, schloss die Augen und legte ihn dann langsam wieder in den Nacken. Sie atmete tief durch, öffnete schließlich die Augen wieder und starrte in den grauen Himmel hinauf. Er wollte sie gerade fragen, was sie da tat, da kam sie ihm zuvor. "Schließ die Augen".
 

Halb verwundert, halb argwöhnisch zog Raphael eine Augenbraue hoch. Er starrte auf ihren Rücken und fragte sich, was zum Teufel sie damit bezwecken wollte. Als sie sich aber nicht umdrehte um Weiteres zu erklären seufzte er und schloss die Augen.
 

Wie lange er so stand wusste er nicht. Er wartete und wartete und begann mit seinen Fußspitzen in den dicken Winterstiefeln herumzuwackeln, damit sie nicht steif wurden. Schließlich vernahm er mit gespitzten Ohren, dass sie sich umgedreht hatte. Das Knacken ihrer Schritte im Schnee und das Schleifen ihres langen Rockes verrieten ihm, dass sie auf ihn zukam.
 

Sie musste, so schätzte er, jetzt direkt vor ihm stehen. Und noch immer hatte er keine Ahnung, worauf dies alles hinauslaufen sollte. Plötzlich verspürte er ein eigenartiges Gefühl. Er wollte gerade die Augen wieder öffnen, da war alles was er noch spüren konnte, ihr warmer Atem der nah - viel zu nah an seinem Gesicht entlangstrich. Dann spürte er weiche Lippen, die sich sanft auf seine eigenen drückten.
 

Erschrocken riss Raphael die Augen auf. Cecile löste sich von ihm, nur um einen Wimpernschlag später mit zitternder Hand über seine Wange zu streichen. In ihren Augen standen Tränen. "Du hast nichts verstanden, nicht wahr? Nein, gar nichts hast du verstanden..."
 

Fassungslos starrte er sie an. Nein, sie hatte vollkommen Recht. Er verstand nichts, aber auch wirklich gar nichts in diesem Moment! Die zierliche Person aber, war schon dabei ihm seine Fragen zu beantworten. Sie schlang die Arme um seinen Rücken und drückte sich fest an seine Brust.
 

Erstickt schluchzte sie auf. "Ich liebe dich Raphael! Dich! Dich! Nur dich! Dich ganz allein! Und sonst niemanden. Du bist für mich der wichtigste Mensch auf der Welt!!! Ich würde alles tun, ich würde sterben für dich! Warum kannst das denn nicht verstehen..." Ihre Stimme wurde schwächer. Kraftlos krallte sie sich in seinem Mantel fest.
 

In Raphaels Ohren rauschte es. Er stand einfach da und konnte sich nicht rühren. Er konnte es schlichtweg nicht begreifen. Sie war Cecile. Sie was seine alte Freundin Cecile, die er kannte, seit er sich selbst kannte. Sie war das hübscheste Mädchen im ganzen Umkreis. Es gab nahezu keinen Jungen, der sie nicht gerne eingeladen hatte. Warum dann gerade er? Warum gerade er?
 

Er war ihr alter Freund aus Kindertagen, ein guter Freund, aber - Liebe? Das war doch absurd! Wie konnte sie ihn lieben? Wie konnte sie auf die Idee kommen, dass er sie lieben würde? Raphael hatte viel über die Liebe gehört und gelesen. Er war zwar noch nie richtig verliebt gewesen und wusste nicht, was die Liebe wirklich war, aber er wusste, was sie nicht war.
 

Und das hier, das war sie nicht. Das konnte sie einfach nicht sein. Mit dieser Erkenntnis nahm er Cecile sanft aber bestimmt an den Oberarmen und schob sie von sich weg. Er wandte sich wieder dem Schlitten zu. "Komm, steig auf. Ich bringe dich wieder zurück."
 

Es waren die letzten Worte, die für lange Zeit in der Luft hingen. Auf dem Bock versuchte Raphael, sich nur auf das Pferd und die Lenkung des Schlittens zu konzentrieren. Er schenkte der Landschaft keinerlei Beachtung mehr, suchte einfach nur den kürzesten Weg zurück nach Haus.
 

Cecile verneinte die Frage nach einem Stück Kuchen und nahm nur still und leise die restauriere Familienbibel an sich. Verwirrt sah Madame Marceau zwischen ihrem Sohn und dem jungen Mädchen hin und her.
 

Cecile ging mit schnellen Schritten auf ihr Pferd zu, dass Raphael hielt und schwang sich in den Sattel. Er sah sie ein letztes Mal an. "Es tut mir leid", sagte er leise, mit einer Stimme, die nicht zu ihm zu gehören schien.
 

Ein trauriges Lächeln huschte über ihr Gesicht. "Leb wohl, Raphael..." Sie wendete die Stute und ritt davon. Das Klappern der Hufe im Galopp wurde durch den Schnee gedämpft und war bald nicht mehr zu hören.
 

Er sah ihr nach. Lange, nachdem sie verschwunden war. Er wusste, dass ihre Freundschaft zerbrochen war. Und das sich in seinem Leben dadurch etwas ändern würde. Aber das an diesem Tag noch soviel mehr zerbrechen würde als eine Freundschaft und dass sich an diesem Tag sein ganzes Leben ändern würde, dass wusste er nicht...
 

°°°
 

"RAPHAEL?!"
 

Er schrak zusammen. Kopfschüttelnd sah ich ihn an. Wo der nur mit seinen Gedanken war... Jetzt sah er mich an. Dann wieder das Buch in seiner Hand. Und im nächsten Augenblick ließ er es mit einem wütenden blick zurück auf die restlichen Bücher fallen. Dann drehte er sich um, und stapfte davon.
 

Verwundert sah ich ihm nach. Dann schenkte ich dem alten Mann an dem Stand mit den vielen alten Büchern ein entschuldigendes Lächeln. Nachsichtig lächelte der zurück. Ich nahm das Buch in die Hand, auf das Raphael so lange Zeit wie in Trance gestarrt hatte und betrachtete es neugierig. "Jules Verne - Le tour du monde en quatre-vingts jours" stand auf dem alten Einband. Ich klappte es auf. Uwrgh! Schnell klappte ich es wieder zu und legte es zurück. In feinstem, fließendem Französisch geschrieben, ne, nichts für mich! Da würde ich wahrscheinlich noch Alpträume von bekommen!
 

Ich wandte mich von dem kleinen Stand auf dem Weihnachtsmarkt ab und folgte Raphael. Weiß der Geier, was dem wieder für eine Laus über die Leber gelaufen war!
 

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* "Le tour du monde en quatre-vingts jours" = "In 80 Tagen um die Welt", erfolgreichster Roman von Jules Verne (franz. Sciencefiction Schriftsteller, 1828-1905), Erstausgabe erschienen im Jahre 1873
 

** "Vingt mille lieues sous les mers" = "20.000 Meilen unter den Meeren", Roman von Jules Verne (s. oben), Erstausgabe erschienen im Jahre 1870
 

Irgendwie bin ich tierisch gemein, ich weiß. Da wartet und wartet (und wartet in diesem Fall) man darauf, dass die Story weitergeht und dann kommt irgend so ein komisches dazwischen geschobenes Chapter. In diesem Fall gibt es sogar noch einen zweiten Teil dazu, es sei mir verziehen. Aber der ganze Schmarrn passte beim besten Willen nicht in ein Chap. Schon allein diese Passage ist ungefähr dreimal so lang ausgefallen, wie ich gedacht hatte ô.o
 

Gott, wo ich mir gerade eure ganzen Namen zur Danksagung rausschreibe und eure Kommies noch mal alle lese, komme ich mir immer schäbiger vor T.T
 

Ihr wart alle so furchtbar doll lieb und habt soooo tolle und oft auch ausführliche Feedbacks zum letzten Chap gegeben und was mache ich? Ich lasse mir fast 5 (!) Monate Zeit mit dem Update. Oh Gott, oh Gott, oh Gott.
 

Ein riesen großes Dankeschön an:

Deedochan, aqualight, capricious, Sedio, Tasumi, Shadowgirl, Ming-Ling, Mirumy, Pitri-chan, Azaya, Gummybaerchen88, Inulein, LaChouchoute, Cathleen, Moonwolve und an Ran09 & yumata die das 10 Chap als Anlass genommen haben, mir den ersten Kommentar zu schreiben.
 

Ich liebe euch alle <3 Und vielen, vielen Dank!!! Und ich hoffe ihr könnt mir noch mal irgendwie verzeihen und bestraft mich nicht mit "der-schreibe-ich-keine-Kommentare-mehr" ...
 

Lg, eure Renako



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Kommentare zu diesem Kapitel (17)
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Von: abgemeldet
2006-08-24T11:43:49+00:00 24.08.2006 13:43
Schon wieder ich =)
Oh komm schon SCHREIB SCHREIB SCHREIB SCHREIB
ich werde ansonsten einen Terror vernstalten ;)
mfg
Von: abgemeldet
2006-08-23T18:20:17+00:00 23.08.2006 20:20
Also echt!! Ich stimme Divinity voll und ganz zu! Jetzt warten wir schon alle sooo lange! Schreib doch bitte bitte endich mal weiter. Deine FF ist der totale Wahnsinn. Großartig! Ich hab noch nicht viele so tolle FFs gelesen wie deine. Es wäre echt schade wenn du nicht mehr weiter schreiben würdest. Also tu deinen treuen lesern doch einen Gefallen und SCHREIB!! ;)
Von:  Divinity
2006-08-21T20:40:31+00:00 21.08.2006 22:40
Also nun hab ich mich hier nur deinetwegen angemeldet um dir zu sagen das, das was du hier mit uns allesn veranstalltest echt SCH**** ist! Du hast echt Talent und die Story ist echt der totale Wahnsin. Wieso schreibst du nur nicht weiter? Ich meine an zu wenig Motivation kann es dir ja wohl kaum fehlen, denn es gibt hier bereits eine Menge an ungeduldigen Lesern die auch hin und weg von deiner Geschichte sind und auch sehnlichst darauf warten das es weiter geht. Mach doch endlich weiter oder gib wenigstens OFFIZIELL an das die Geschichte auf Eis liegt oder Komplett weg fällt. Dann wissen wenigstens alle woran sie sind und schauen nicht ständig sehnsüchtig nach ob du endlich von den Toten auferstanden bis. So...das wollte ich einfach mal loswerden und ich hoffe du liest das und denkst vieleicht auch mal über meine Worte nach. Es ist nicht böse gemeint, nicht das du mich jetzt falsch verstehst. Ich ziehe echt den Hut davor was du geschaffen hast und fände es einfach nur unheimlich schade wenn das jetzt alles für die Katz war. Also denk mal darüber nach. Bis denn dann!

LG
Divinity
Von: abgemeldet
2006-06-12T17:43:19+00:00 12.06.2006 19:43
wieder nihcts neues... buu das ist ja zum Haare raufen =(
Von: abgemeldet
2006-05-10T20:51:32+00:00 10.05.2006 22:51
Das bin wieder ich ^^
Aaaalso.. ich schaue jeden Tag nach ob du was reingepostet hast.. und muss ich mich von neuen immer wieder enttäuschen. Du hast mich mit deiner Geschichte soo süchtig gemacht.. echt -.-
Darkimpression hat volkommen recht.. wenn du das nicht freiwillig machen willst, dann zwingen wir dich dazu ;)
Naa.. Spaß bei Seite ..
Aber das wäre ur, ur , ur fies wenn du uns nioch lange warten lässt.

bussal deine _Chiyo
Von:  Asketenherz
2006-05-09T14:01:21+00:00 09.05.2006 16:01
Es schockt mich zu sehen, dass du schon Ewigkeiten nichts mehr on geladen hast. Du trägst das Schicksal der Welt in deinen Händen! Ist dir das denn nicht klar? Nun, zumindest meins. Oder noch genauer meinem Glauben an das gute in Autoren, die so geile Geschichten schreiben und plötzlich Abstinenzler werden. Das kannst du uns nicht antun! Nicht nach einer so komplexen und wundervollen Geschichte mit Abmurcks-Raphaels und Hyperaktiv-Romys. Ich habe nun endlich mal gelesen, denn die Geschichte ist mir vor längerem schon aufgefallen und nun stelle ich fest, dass es nicht weiter geht! *ist fassungslos*
BITTE MACH DAS NICHT!!! Nimm Tastatur und Word wieder in die Hand und rette die Menschheit samt armer Leser!

Schreib! *hält dir ne Knarre an den Kopf*

SCHREIB schreib, schreib.

Das wars, Grüße Darkimpression.

p.s. (I.) Oh ach so, das letzte Kap hat mir gut gefallen, hab fast vergessen das du ja eigentlich Amateurschriftstellerin bist. (* kann kein größeres Lob aufbringen *)
>.< XD

p.s. (II)

Nun fang schon an zu schreiben!
Von: abgemeldet
2006-05-06T20:05:55+00:00 06.05.2006 22:05
Hallo ^^
Ich will dich zuerst ein mal WARNEN: du hast gerade womöglich einen Fehler begangen --> du hast diese ff geschrieben und somit hast du einen Fan wie mich für immer und ewig gewonnen..
Manno ich liebe deinen Schreibstil und die Genre der Geschichte... Du gestaltest das vollkommen spannend
Übrigens ich finde die Chara von Romy total süß und niedlich
halt war das eine gute Idee mit dies Chara.. nicht immer wieder das selbe Schema ^^
Ich flehe dich an schreib schnell weiter , wie du bereits erwähnt hast es war totaaaal fies von dir gerade jetzt einen Flashback zu machen und überhaupt aufzuhören.. ehh bitte, bitte schreibe so schnell du kannst.

Uhhh ich hoffe ich habe jetzt nicht zu viel geschrieben -.-
Für immer und ewig, dein neuer Fan
_Chiyo
Von: abgemeldet
2005-05-10T13:38:26+00:00 10.05.2005 15:38
you are back !!! yehy holt den Champanger ^-------^
*anflausch* schreib weiter ^--^
ciao , ne
blackblade
Von: abgemeldet
2005-05-06T17:32:35+00:00 06.05.2005 19:32
yaahhh... endlich!!!
hat mir wirklich gut gefallen, hoffe du schreibst schnell weiter!!
lg Ran 09
Von:  Ming-Ling
2005-04-29T13:19:53+00:00 29.04.2005 15:19
Oh, das ist aber wieder ein geiles Kapitel geworden!! Ehrlich!! Zuerst war ich ja ein wenig verwirrt, weil obern drüber stand 18.. und irgendwas, aber als dan Raphael aufgetaucht ist wusste ichs...
Ich freu mich schon auf den zeiten Teil!! Also ran an die Tasten!!
Deine Ming


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