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Familienbande

"Geliebter Dämon" geht weiter
von

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Ein langer Weg

Hallo mal wieder,
 

also wie bereits geschildet basiert diese Fanfic auf den Ereignissen in Geliebter Dämon, jedoch versuche ich durch kleinere Zusammenfassungen die Story so zu schreiben, dass auch Nichtkenner von "GD" mitlesen können. Ich hoffe, dass die Fortsetzung dem ein oder anderen gefällt und freu mich wie immer über Kommis jeglicher Art.
 

So, here we go:

Rijan keuchte erschrocken auf und griff sich an den Hals. Luft, sie bekam keine Luft. Alles um sie herum war dunkel. Stickige Luft, die in ihren Lungen brannte. Ihre Augen fingen an zu tränen, weil sie nicht atmen konnte. Sie würgte heftig und versuchte krampfhaft Sauerstoff in ihre Lungen zu pressen. Beinahe glaubte sie jemand würde sie würgen. Waren es nicht Hände, die sie um ihren Hals herum fühlte? Sie versuchte in der Dunkelheit etwas zu sehen, eine Gestalt zu erkennen. Tatsächlich schienen ihre Augen sich and das Dunkel zu gewöhnen, denn ein Umriss zeichnete sich gegen die Finsternis ab. Sie kniff die Augen zusammen um genauer hinsehen zu können. Der Umriss wurde schärfer und bekam schließlich ein Gesicht. Rijans Augen wurden groß und ein Schrei wollte aus ihrer Kehle hervordringen.

Heftig fuhr sie zusammen und blinzelte verwirrt in die Dunkelheit der Nacht. Sie griff sich an den Hals nur um festzustellen, dass niemand sie am Atmen hinderte.

Verdammt, ein Traum. Nur ein fürchterlicher Traum. Unbewusst strich sie sich über die pochende Wunde an ihrem Oberschenkel. Nicht genug, dass dieser idiotische Dämon sie vergiftet und schwer verwundet hatte, nein, nun suchte er sie auch noch in ihrem Träumen heim.

Rijan fuhr sich über die schweißnasse Stirn. Hatte sie etwa Fieber? Fein, das konnte sie gerade noch gebrauchen. Mit fahrigen Bewegungen stand sie mühsam auf, ignorierte dabei, dass jeder einzelne Muskel schmerzte und sie viel zu schwach zum Stehen war. Sie schaffte es irgendwie sich auf den Beinen zu halten. Suchend glitt ihr Blick umehr. Sie hatte vergessen wo sie war. So viele Meilen hatte sie hinter sich gelegt, dass sie nicht einmal ansatzweise sagen konnte, wo sie war. Nun, es war auch egal. Sie kannte das Ziel ihrer Wanderungen nicht. Sie folge nur einfach.

Ihr Blick schweifte weiter, ehe er an seinem eigentlichen Ziel hängen blieb. Sie folgte ihm. Sesshoumaru, diesem großen mächtigen Dämon. Er war es, der sie führte, sicher führte wie sie zugeben musste. Ohne Rücksicht darauf zu nehmen, dass sie verwundet war, dass sie ihr Bein vor Schmerzen kaum noch bewegen konnte, hatte er sie vorangetrieben. Ihr keine Pause gegönnt. Wenn sie dann doch zusammengebrochen war, hatte er sich in seine dämonische Gestalt verwandelt. Ein mächtiges, Furcht einflößendes Raubtier mit fletschenden Zähnen und blutroten Augen. Sein weises Fell ließ ihn manchmal wie eine Erscheinung wirken. Als wäre er nur ein Gespenst, nicht wirklich hier. Rijan hatte versucht zu definieren, was genau er eigentlich als Dämon darstellte. Sie wusste, dass er zur Rasse der Hundedämonen gehörte, doch er war mehr Raubtier denn einfacher Hund. Doch letztendlich war es ihr auch egal gewesen. Sie hatte benommen von ihren Schmerzen und vor Müdigkeit fast tot kaum bewusst mitbekommen, dass sie auf seinem Rücken einen gewaltigen Anteil ihres Weges zurückgelegt hatte. Kein Wunder, dass er jetzt erschöpft war. Er selbst war nicht weniger verwundet als sie. Sogar noch schlimmer, wenn sie darüber nachdachte.

Rijans Blick schweifte in die Ferne. Nichts war mehr von dem Ort zusehen, der ihr einen Wirklichkeit gewordenen Albtraum beschert hatte. Die Flammen hatte man noch weit in der Ferne gesehen, doch jetzt war nicht einmal mehr ein leichtes Flimmern zu erkennen. Kein Feuer, das den Himmel erhellte,. Sie blickte zu Boden. Kein Blut, das die Erde tränkte. So viele Dämonen waren in jener Schlacht gefallen. Nicht gerade wenig Menschen hatten ihr Schicksal geteilt. Eine Schlacht von unvorstellbaren Ausmaßen. Und alles nur zu einem einzigen Zweck: jenen Dämon, der hier gerade schlief, zu vernichten. Sie fragte sich wirklich, ob ihm das vollkommen bewusst war. Er sprach nicht darüber. Seit sie die Schlacht verlassen hatten, sprach er kaum mit ihr. Konnte es ihm so egal sein, dass man versucht hatte, ihn zu töten? Und nicht nur jemand, nein, beinahe jeder hatte das versucht. Es grenzte an ein Wunder, dass er das überlebt hatte.

Lautlos seufzte Rijan. Ihr Blick fiel auf den Dämon zurück, der zusammengekauert im Schatten eines Baumes saß. Er sah plötzlich gar nicht mehr so mächtig aus. Beinahe wirkte er verletzlich.

Sie bewegte sich unruhig und rechnete beinahe damit, dass ihn das aufwecken würde. Es dauerte bis ihr bewusst wurde, dass dem nicht so war. Seltsam eigentlich. Sie hatte Sesshoumaru nie zuvor schlafen sehen. Beinahe bezweifelte sie, dass er überhaupt Schlaf brauchte. Hinzukam, dass er stets sehr aufmerksam war. Er hätte längst bemerken müssen, dass sie wach war. Und doch war in diesen seltsamen Tagen nichts wirklich verwunderlich. Er hatte nicht nur seinen verletzten Körper meilenweit geschleppt. Nein, er hatte auch noch ihr Gewicht aushalten müssen. Sie war wirklich furchtbar egoistisch. Sie hätte sich zwingen müssen weiterzugehen. Und doch wusste sie, dass sie das nie geschafft hätte. Ein müdes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht.

"Doch nur ein Mensch.", murmelte sie.

Sie wandte Sesshoumaru ihren Rücken zu und ging probehalber ein paar Schritte. Es war schwierig. Ihre Beine fühlten sich schwer an.

Schließlich blieb sie schwer atmend wieder stehen. Verdammt, so konnte das ja nichts werden. Sie ging vorsichitg zurück und setzte sich auf den umgefallenen Baumstamm, auf dem sie versucht hatte zu schlafen. Sie löste leicht den Gürtel ihres Kimonos und zog ihn sich über die rechte Schulter. Ein blutdurchtränkter Verband kam darunter zum Vorschein. Sie betastete ihn vorsichtig und zuckte augenblicklich zusammen. Vermutlich hatte sich die Wunde entzündet. Wunderbar, das hatte ihr gerade noch gefehlt.

"Wir sollten weitergehen." Die tiefe Stimme, die an ihr Ohr drang, ließ sie schreckhaft zusammenzucken. Tief atmete sie durch, ehe sie ihren Kopf zu Sesshoumaru wandte. Er saß immer noch auf dem gleichen Platz, blickte sie aber aus hellwachen goldenen Augen an. Sein Blick war auf ihren verfärbten Verband gerichtet. Hastig zog sie den Ärmel ihres Gewandes wieder nach oben.

"Ich werde schon nicht verbluten.", entgegnete sie lächelnd.

"Das nicht. Aber deine Wunden haben sich entzündet." Sie sah zu wie er etwas schwerfällig aufstand. Wieder wurde sie daran erinnert, wie schlecht es ihm gehen musste. Sie senkte den Blick.

"Nicht weiter schlimm.", log sie und ignorierte den brennenden Schmerz auf ihrer Haut.

Ein verächtlicher Laut drang zu ihr herüber. "Ich kann es riechen, Rin." Richtig, das hatte sie vergessen. Tiefe Röte überzog ihr geschundenes Gesicht.

"Gomen nasai.", entschuldigte sie sich leise. Er schnaubte kurz, dann wurde es still. Unsicher blickte sie wieder auf. Er harte sich nicht bewegt. Schweigsam wie eh und je stand er da und starrte in die Dunkelheit.

"Ist es noch weit?", frage sie bedrückt und stand wieder auf. Sofort trat ein stechender Schmerz in ihr Bein.

"Spielt das eine Rolle?" Er blickte sie an, als sie neben ihm zu stehen kam. Nein, natürlich spielte es keine Rolle. Sie würden den Weg so oder so zurücklegen müssen. Wie weit das war, war wirklich vollkommen egal. Ein seltsames Gefühl erwachte in Rijan als sie versuchte sich diesen Ort vorzustellen.

Sein Zuhause hatte er es genannt. Oder besser er hatte gesagt, dass sie das so sehen würde. Wie aber stellte sie sich sein Zuhause vor? Sesshoumaru hatte gesagt, dass sein Vater dieses Haus für die Mutter seines Halbbruders hatte bauen lassen. Es war also für einen Menschen bestimmt gewesen. Jetzt jedoch lebten dort sein Sohn und seine Frau. Nun ja, seine Frau war sie eigentlich nicht. Oder doch? Was wusste Rijan schon von Dämonenehen. Vielleicht reichte dafür schon die bloße Vereinigung zweier Dämonen aus. Automatisch ballte sich ihre Hand zu einer Faust. Nein, sie wollte nicht daran denken wie Sesshoumaru mit dieser Frau ...

Mühsam verdrängte sie die Bilder, die sich ihr aufzwangen.

"Sag, wie ist dein Sohn so?"

Sesshoumarus Blick glitt wieder in die Ferne. Musste er darüber etwa erst einmal nachdenken? Zu spät viel Rijan ein, dass Jaken, Sesshoumarus einstiger kleiner Helfer, ihr erzählt hatte, dass Sesshoumaru und sein Sohn keinen Kontakt zu einander hatten. Sie mussten sich an verschiedenen Orten aufhalten, um sicherzustellen, dass wenigstens einer aus dieser Familie überlebte. Ein wenig stimmte sie das traurig, doch dann fiel ihr auf, dass Sesshoumaru das gerade änderte. Indem er sie an jenen Ort brachte, kreuzte sich auch sein Weg mit dem seines Sohnes. Sie hatte nie zuvor daran gedacht, dass er dadurch ein großes Risiko einging. Nachdenklich blickte sie ihn an.

"Sein Name ist Akiko." Dieses Geständnis überraschte sie im ersten Moment etwas. Sie hatte eigentlich mit keiner Antwort gerechnet. Andererseits würde sie ihn sowieso bald kennen lernen.

"Akiko!", wiederholte sie. Ihr gefiel der Klang des Namens. Sie versuchte sich vorzustellen wie der Junge wohl aussah.

"Er ist sehr stark. Beherrscht meine dämonische Kraft sowie die Magie seiner Mutter." Magie? Das war ihr neu. Bisher war sie davon ausgegangen, dass diese Frau ein Dämon war. Eine Zauberin hatte sie nicht erwartet.

"Sie ist also eine Magierin." Sesshoumaru warf ihr einen Blick zu, der deutlich besagte, für wie verrückte er sie gerade hielt.

"Sie ist selbstverständlich ein Dämon. Ich zeuge keine Halbdämonen." Verachtung schwang in seiner Stimme mit und Rijan wurde einen Moment lang sehr schwer ums Herz.

"Aber du sagtest, dass sie die Magie beherrscht." Er nickte nach kurzer Zeit.

"Du solltest nach den neueren Geschehnissen wissen, wie verschieden Dämonen sein können." Nun, das wusste sie in der Tat, aber sie hatte noch nie davon gehört, dass Dämonen auch magisch veranlagt sein konnten.

"Was für eine Art Magie beherrscht sie?"

Auch darüber schien Sesshoumaru erst einmal nachdenken zu müssen.

"Ich denke so ziemlich jede Art, die du dir vorstellen kannst." Das brachte Rijan auch nicht wirklich weiter. Jede Art, die sie sich vorstellen konnte? Nun, Rijan verfügte über eine große Phantasie. Sie konnte sich sehr viel vorstellen. Angefangen von fliegenden Besen bis hin zur Beeinflussung des Wetters.

"Dann ist sie gefährlich.", schlussfolgerte Rijan und blickte unruhig zum Himmel. Beinahe rechnete sie damit dort ein großes Auge zu erblicken.

Sesshoumaru nickte nur, was Rijan einmal mehr zum Seufzen brachte.

"Sehen wir uns ähnlich?"

"Nein!" Die Antwort kam überraschend schnell. Keinen Moment lang hatte er darüber nachdenken müssen. Seltsamerweise ärgerte das Rijan. Fein, dann konnte sie sich ja wohl vorstellen, wie diese ominöse Frau aussah. Rijan selbst hatte schwarze Haare und war eher knabenhaft gebaut. Momentan sorgten die vielen Verletzungen dafür, dass sie wirklich kein bisschen vorzeigbar aussah. Wut erwachte in Rijan. Sie wollte dieser Superfrau so nicht gegenüber treten. Ohne zu wissen, warum dem so war, nahm sie seine Frau als Gegnerin war. Und das hätte sie eigentlich zum Lachen bringen sollen. Sesshoumaru war schließlich nur ihr Begleiter. Obwohl sie ihn liebte, wusste sie, dass das nicht auf Gegenseitigkeit beruhte.

"Hast du sie geliebt?" Die Frage war ausgesprochen, ehe Rijan darüber hatte nachdenken können. Sesshoumaru warf ihr einen missmutigen Blick zu. Er schien verärgert zu sein.

"Nein!", lautete die knappe Antwort. Richtig, er hatte ihr erst neulich erklärt, dass er nicht in der Lage war solch ein Gefühl zu verspüren. Er hielt sich unfähig zu lieben.

"Aber du mochtest sie?", hackte sie trotz der warnenden Stimme in ihrem Kopf nach.

Sesshoumaru sagte daraufhin nichts mehr. Er bedeutete Rijan lediglich ihm zu folgen. Am liebsten hätte sie sich selbst geohrfeigt. Das ging sie schließlich überhaupt nichts an. Und vermutlich war die Antwort auf ihre Frage sowieso ja. Sonst hätte er kaum ausgerechnet sie auserkoren, seinen Sohn zu gebären. Mit schlechter Laune folgte Rijan Sesshoumaru. Er war schneller als sie. Das war nichts Neues für sie. Für gewöhnlich zügelte er sich aber, damit sie mithalten konnte. Dieses Mal jedoch musste sie einiges an Tempo zulegen, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Sie hatte ihn also wirklich wütend gemacht. Fein, daran konnte sie nun auch nichts mehr ändern. Wenn es ihm dadurch besser ging, sollte er sie eben zu diesem schnellen Tempo zwingen.

Doch irgendwann war Rijan erneut am Ende ihrer Kräfte. Diese Verletzungen würden sie noch umbringen, wenn sie nicht bald da waren. Sie blieb stehen und atmete schwer. Ein Baum diente ihr als Stütze. Sie versuchte ihr verletztes Bein zu belasten, doch augenblicklich schoss eine heftige Schmerzwelle durch ihren Körper. Verdammt, das hatte ihr noch gefehlt.

"Ihr Menschen seid wirklich lästig." Seine Stimme drang drohend an ihr Ohr. Sie konnte hören, wie er sich ihr näherte. Das wiederum ließ fiele Rückschlüsse zu. Normalerweise wandelte er nämlich absolut geräuschlos auf dieser Erde.

"Ich hab dich nicht gezwungen mich mitzunehmen.", keifte sie verärgert zurück. Sie war jetzt wirklich nicht in der Stimmung für seine Verachtung. Er sagte darauf hin natürlich nichts mehr. Wie auch? Sie wussten beide, dass sie Recht hatte. Der Himmel mochte wissen, warum er sie trotzdem bei sich duldete.

"Leg deine Arme um mich." Diese Aussage überraschte sie dann doch derartig, dass sie ihn verblüfft ansah.

"Nani?", fragte sie nach, weil sie glaubte sich verhört zu haben.

"Bist du neuerdings auch noch taub?" Rijan schenkte ihm einen genervten Blick, was ihn jedoch nicht weiter zu kümmern schien. Sie tat also was er sagte und wartete auf weitere Anweisungen. Doch die gab er natürlich nicht. Ehe Rijan weiter über seine Beweggründe nachdenken konnte, fühlte sie wie eine gewaltige Macht aus dem Boden zu strömen schien. Es dauerte bis sie begriff, dass diese Macht nicht aus dem Boden kam, sondern von Sesshoumaru. Er schickte sie nach unten, damit sie dann wie ein Katapult wirkte, dass sie beide in die Luft beförderte. Rijan wollte gerade sagen, dass sie da auf keinen Fall mitmachen würde, da fühlte sie auch schon wie er mit rasender Geschwindigkeit abhob. Sie klammerte sich mit einem Aufschrei fester an den Dämon und schloss gequält die Augen. Es fühlte sich an, als würden ihre Gedärme jederzeit ihren Körper verlassen. Übelkeit stieg in ihr auf, doch sie versuchte sich zu beherrschen. Und dann als sie sich langsam daran gewöhnte, dass die Umgebung in sekundenschnelle an ihr vorbei zog, bemerkte sie, dass etwas nicht stimmte. Sie konnte es deutlich fühlen. Und noch deutlicher fühlte sie, dass diese Gefühle von Sesshoumaru ausgingen. Durch eine seltsame Macht, hatte Sesshoumaru ihr einen Teil von sich selbst gegeben. Damals hatte er eigentlich gedacht, sie dadurch an Tensaigas Magie zu binden, damit sie dadurch gerettet würde, doch was er nicht beabsichtigt hatte, war, dass sie auch seine Gefühle von nun an spüren konnte. Jene Gefühle, die er ja immer so tapfer leugnete. Sie konnte fühlen, dass etwas mit ihm nicht stimmte, doch waren diese Gefühle noch so neu für sie, dass sie nicht in der Lage war das näher zu bestimmen. Eigentlich war das auch unnötig. Sesshoumaru war noch stärker verwundet als sie selbst. Solche Kraft aufzuwenden konnte ihn vermutlich momentan umbringen. Sie fühlte Wärme an ihren Fingern und hätte beinahe vor Schreck geschrieen als ihr klar wurde, dass das sein Blut war. Seine Wunden hielten dem hohen Druck seiner Macht nicht stand. Er brachte sich noch um. Sie begann sich zu bewegen, was ihr jedoch nur ein verärgertes Knurren einbrachte. Doch davon ließ sie sich nicht abbringen. Sie würde niemals zulassen, dass er sich selbst umbrachte, nur um sie schneller an einen sicheren Ort zu bringen. Mit aller Macht versuchte sie sich von ihm zu lösen, sich dabei jedoch deutlich der Gefahr bewusst, dass sie dabei abstürzen könnte. Dennoch vertraute sie darauf, dass er eher landen würde, als ihren Absturz zu gefährden.

Dem war dann auch so. Deutliche Wut strömte von ihm aus, als er sie sicher auf dem Boden absetzte. Rijan wollte gerade anfangen, ihn zu beschimpfen, als sie bemerkte, wie Blut seine Arme hinabfloss. Sie schlug sich die Hand vor den Mund und sah ihn aus großen Augen an, ehe dann doch die Angst in ihr in Wut umschlug.

"Bist du denn wahnsinnig geworden. Sieh nur was du angerichtet hast." Sie ging auf ihn zu, doch er wich gleichzeitig zurück.

"Und da behauptet man, Menschen wären verrückt. Du bist mit Abstand der Wahnsinnigste, den ich kenne. Bringst dich fast um, nur um mich hierher zu bringen. Das darf doch einfach nicht wahr sein. Du verfluchter, idiotischer, unvernünftiger ..."

Sie suchte nach einer passenden Beleidigung, fand jedoch nicht das richtige Wort.

"Dämon.", half er ihr gelassen aus.

Rijan funkelte ihn böse an.

"Mach dich nicht über mich lustig. Momentan bin ich in der Lage, dich mit eigenen Händen zu erwürgen."

"Menschen.", entgegnete er und ging einfach an ihr vorbei. Sie fuhr herum und wäre vor Schreck beinahe rückwärts umgefallen. Nicht allzu weit von ihr entfernt, sah sie nämlich ein Haus. Was dachte sie da? Das war kein Haus, das war das größte Haus, das sie je gesehen hatte. Etwas weiter oben, direkt von einigen Bergen eingerahmt, befand es sich. Majestätisch schön. Mit vielen Winkeln und kleinen Dächern. Ein König konnte nicht besser hausen. Herrscher über die westlichen Ländereien. Sie erinnerte sich dunkel, das über Sesshoumaru zu wissen. Ungläubig blickte sie hinauf.

"Ich muss verrückt geworden sein.", murmelte sie.

"Schön, dass du das endlich einsieht."

Sie blickte zu Sesshoumaru, der offenbar darauf wartete, dass sie ihm folgte. Mit unsicheren Schritten tat sie das schließlich auch. Dichte Wälder säumten den Hang der Berge. Ein kleiner Weg schlängelte sich hindurch.

"Ich kann das einfach nicht glauben."

Sesshoumaru blickte über seine Schulter zurück.

"Ich habe nie daran gedacht, dass das Anwesen so groß und prächtig sein würde."

"Nun, für dieses Menschenweib war es das offenbar auch nicht." Sprach er etwa von der Frau seines Vaters. Sie war schließlich ein Mensch gewesen.

"Sie wird ihre Gründe gehabt haben."

Sesshoumaru schnaubte kurz.

"Hai, sie hatte bei ihresgleichen bleiben wollen. Bei Menschen, die sie verachtet und schließlich verbannt hatten."

Rijan sagte dazu nichts mehr. Einem Dämon konnte man das wohl nicht begreiflich machen. Einsamkeit war etwas, dass nur sehr schwer auszuhalten war. Sesshoumaru jedoch schien darin ein wahrer Meister zu sein.

Der Weg wurde dunkler und war weniger gut zu besteigen. Dennoch führte Sesshoumaru sie sehr sicher den engen Pass hinaus. Vermutlich sollte dieser Weg etwaige Besucher abwehren. Der Weg führte weiter hinter einem Wasserfall hindurch. Rijan blieb einen Moment stehen und blickte voller Ehrfurcht auf die Wassermassen, die vor ihr hinabflossen. Ein Knurren brachte sie jedoch dazu weiterzugehen. Ihr Bein schmerzte nach wie vor, doch so kurz vor dem Ziel wollte sie nicht aufgeben. Sesshoumaru konnte sie nicht mehr tragen. Als sie das Ende des Weges erreichten blieb Rijan erneut stehen. Das Anwesen sah nun noch viel mächtiger aus. Wenige Stufen musste man noch erklimmen, dann stand man auf einer riesigen Veranda, die das ganze Haus umfasste. Kleine Figuren, Wasserspeier, verwinkelte Dächer, Blumen, so weit das Auge reichte. Es war kaum zu fassen, welche eine schlichte Schönheit sich hier oben verbarg. Hinter dem Haus ragte eine riesige Steilwand auf, die somit vor unliebsamen Eindringlingen schützte. Das Haus war eigentlich sehr gut abgesichert, wenn sie darüber nachdachte. Man konnte höchstens aus der Luft oder eben von jenem Pfad aus angreifen, den man jedoch erst einmal finden musste. Sie hatte mehrere Abzweigungen unterwegs gesehen. Vermutlich führten die Angreifer in die Irre.

Sie hörte wie Sesshoumaru tief durchatmete. Kurz verzog sich sein Gesicht dabei und Rijan runzelte besorgt die Stirn. Ein verärgerter Blick war die Antwort. Er wollte offenbar nicht, dass sie sich Sorgen machte. Sesshoumaru ging die Stufen hinauf und Rijan folgte ihm schweigend. Stumm nahm sie diese unglaubliche Landschaft in sich auf. Sie drehte sich auf der Veranda herum und überblickte eine wahnsinnige Aussicht. Meilenweit konnte man blicken. Sie entdeckte saftige Wiesen, dunkle Wälder, selbst Dörfer konnte man von hier aus erblicken. Ein nahe gelegenes Gebirge, ein breiter Fluss, kleinere Seen. Rijan verschlug es schlicht die Sprache. Ein leises Quietschen sagte ihr, dass Sesshoumaru eine Tür aufgeschoben hatte Sie drehte sich wieder um und sah ihn unsicher an.

"Sollten wir nicht erst einmal Klopfen oder so was?" Er verdrehte leicht die Augen, was Rijan zum Lachen brachte. Normalerweise hatte er sich besser unter Kontrolle.

"Warum sollte ich so etwas bei meinem eigenen Haus tun?"

Das war eine berechtigte Frage. Dennoch waren doch sie hier die Eindringlinge, oder?

"Komm endlich." Sie nickte, konnte das ungute Gefühl in ihrem Magen aber nicht unterdrücken.

"Ich würde mich gestört fühlen, wenn jemand einfach mein Zuhause betritt."

Sesshoumarus Gesicht lag im Dunkel, als Rijan das Haus betrat. Sie schämte sich etwas, mit dreckigen Füßen dieses Haus betreten zu müssen. Ihre Schuhe waren bei der Schlacht draufgegangen.

"Wenn es jemanden stört, kann er gerne gehen." Ohne weiter etwas zu sagen, folgte sie Sesshoumaru durch die vielen Gänge. Wie es aussah, war das Haus aus zwei Etagen gebaut. Viele Türen passierten sie und Rijans Neugier wuchs. Sie würde sich gerne genauer umsehen. Ein stechender Schmerz in ihrem Bein ließ sie leise aufstöhnen. Sesshoumaru drehte sich um und sah sie abwartend an. Sie schüttelte nur ihren Kopf und zog fortan ihr Bein lieber nach. Müdigkeit beschlich sie plötzlich. Sie wollte einfach nur noch schlafen.

Sesshoumaru blieb schließlich stehen. Sie tat es ihm gleich und blickte auf seinen steifen Rücken. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass er nicht gerne hier war.

"Tadaima.", murmelte er undeutlich, ehe er energisch die Tür aufschob und schließlich das Zimmer betrat.
 

Forsetzung folgt ...
 

Man, ich kann ja noch gar nicht glauben, dass ich echt an der Fortsetzung arbeite. Eigentlich hatte ich ja eine etwas länger Pause eingeplant. So eine lange Story zu schreiben ist schließlich auch Stress und kann bei mir mitunter für echte Krisen sorgen. Na ja, ich hoffe jedenfalls jemand liest das hier und lässt sich dazu hinreisen, mir ein Kommi zu schreiben.
 

Ach ja, die Charabeschreibungen hab ich ja schon hochgeladen. An Bildern zeichne ich momentan sehr eifrig, kann aber noch etwas dauern. Gomen nasai
 

Knuffelige Grüße von Rogue

Begegnungen der anderen Art

So, meine Lieben,
 

freut mich, dass sich einige von euch wieder hier eingefunden haben und es bisher auch noch recht gut finden. ICh weiß der nächste Teil hat auf sich warten lassen, dafür lad ich zur Abwechslung auch gleich einen längeren Part hoch. DAs waren eigentlich zwei nur hab ich es verpeilt den ersten letzte Woche hochzuladen. Schande über mein Haupt ich weiß.
 

So here we go:

Rijan betrat eine Höhle, zumindest kam es ihr so vor. Tiefschwarz waren die Wände. Ein Feuer brannte in einem großen Kamin und ließ goldene Flammen an den Wänden tanzen. Der Raum war spärlich eingerichtet. Nur wenige Möbel. Sie hatte gedacht ein solcher Raum müsste anders aussehen. Ihr Blick glitt weiter umher. Sie suchte ein Fenster, konnte aber keines entdecken. Vermutlich war es mit schwarzem Stoff überzogen worden. Sie vermutete, dass die Steilwand direkt zu sehen wäre. Zumindest würde das erklären, warum man nicht einmal ansatzweise ein Fenster vermuten konnte. In der Mitte des Raumes befand sich wohl die Schlafstätte, die jedoch nach allen Seiten von schweren dunklen Vorhängen umgeben wurde. Neugier erwachte trotz Rijans Müdigkeit in ihr. Sie hätte gerne nachgesehen wie genau es dahinter aussah. Sie selbst war es gewohnt im Freien zu schlafen, höchstens vielleicht auf etwas Heu, das in einem Haus als Unterlage diente. Mehr Luxus hatte sie nie gekannt. Hier jedoch erschien ihr das undenkbar.

Ein Laut erfüllte plötzlich das Zimmer. Ein Laut so ursprünglich und intim, dass Rijan augenblicklich das Blut ins Gesicht schoss. Sie blickte hektisch zu Sesshoumaru, doch dieser machte keine Anstalten diesen Raum wieder zu verlassen. Unsicher blieb sie stehen und versuchte dieses intime überaus private Geräusch zu überhören. Das war jedoch schwieriger als sie erwartet hatte. Die Laute kamen offenbar von einer Frau. Sie klangen sehr sinnlich und heißer und doch konnte Rijan ohne Zweifel sagen, dass dies eine sehr schöne Stimme war. Eine Stimme, die einen wohl leicht in ihren Bann ziehen konnte. Einmal mehr versuchte sie sich diese fremde Frau vorzustellen. Allmählich gewöhnten sich ihre Ohren an die Stille und sie konnte auch noch eine andere Person wahrnehmen. Männlich wie sie vermutete. Das Atmen klang gepresst.

Einen Augenblick später öffnete sich der Vorhang ein wenig. Einen Spalt breit vielleicht. Die Flammen beleuchteten den Innenraum nur sehr spärlich. Rijan glaubte Umrisse erkennen zu können und wurde sich dabei gleichzeitig bewusst, dass sie dort eigentlich nicht hinsehen sollte. Dann wurde es still. Rijan blickte zu Sesshoumaru, der etwas zu fixieren schien. Sie ohne Zweifel. Offenbar erwiderte sie seinen Blick. Dennoch konnte sie nicht sagen, ob dieses Schauspiel dem Dämon wirklich egal war. Sicher, es musste lange her sein, dass die beiden sich gekannt hatten, dennoch musste sie für ihn etwas besonderes sein.

"Sieh einer an!" Die Stimme klang noch etwas heißer, hatte aber die Intensität verloren. Eine angenehme Stimmlage - nicht zu hoch und nicht zu tief. Der Vorhang wurde weiter aufgezogen. Eine Frau kam zum Vorschein. Rijan konnte das Lager jetzt auch deutlich erkennen. Viele weiche Kissen und Laken türmten sich auf dem Boden. Darin vergraben: eine Frau. Zumindest sah sie auf den ersten Blick so aus. Das Gesicht war kaum zu erkennen. Langes, rotes Haar übergoss ihren schlanken Körper. Sie winkelte ein Bein an. Schlank und formvollendet. Nun, Rijan hatte nichts anderes erwartet. Sesshoumaru selbst war auch vollkommen perfekt. Offenbar gehörte das dazu, wenn ein Dämon ein menschliches Aussehen annahm. Kein einziger Makel befleckte solch einen Körper. Dennoch traf es Rijan unvorbereitet. Sie hatte wohl tief im Inneren doch gehofft, dass dem nicht so war. Sie senkte den Kopf und starrte auf den Boden. Stoff raschelte als sie sich bewegte.

"Hilf mir auf!" Rijan schielte zu der Frau hinüber. Ein junger Mann, kaum älter als Rijan stand halbbekleidet vor auf und half dieser Frau äußerst vorsichtig und sanft auf. Der Blick, den er ihr zuwarf, war verschleiert. Er schien wahrlich in ihrem Bann zu stehen. Rijans Augen wurden groß, als sie bemerkte, dass die Frau gänzlich unbekleidet war. Sie blickte ängstlich zu Sesshoumaru, doch wenigstens darauf konnte sie sich verlassen. Ihm war das natürlich reichlich egal. Sie streifte sich einen Kimono über, machte sich aber nicht die Mühe, diesen ordentlich zu binden. Fast schon majestätisch schritt sie auf Sesshoumaru zu. Rijan konnte sehen, dass ihr Haar die Farbe von leuchtend roten Kirschen hatte. In leichten Wellen fiel es auf ihre Hüften. Sie war etwas größer als Rijan selbst und strahlte eine Anmut aus, die Rijan fast in die Knie zwang. Sie war schön, bildschön, selbst Rijan musste das anerkennen. Ihre Augen leuchteten rot in der matten Beleuchtung. Doch anders als bei Sesshoumaru schien das ihre normale Augenfarbe zu sein. Kleine Goldfunken zauberte der Glanz des Feuers hinein. Augen, die einen wahrlich gefangen nahmen. Sie hob eine zarte Hand und strich sich die Haare hinter ein Ohr. Spitz wie das von Sesshoumaru. Sie blickte ihn an. Dieselbe Überheblichkeit.

"Mein Gemahl stattet mir einen Besuch ab.", spottete sie und strich ihm spielerisch sanft über die verwundete Wange. Sein Blut befleckte ihre dünnen Finger und sie legte es genüsslich ab. Dann jedoch rümpfte sie die Nase.

"Nun, du hast auch schon einmal besser ausgesehen." Sie musterte ihn weiter. Unverfroren betrachtete sie ihn ausgiebig von oben bis unten und lächelte schließlich verheißungsvoll.

"Aber da ein wenig Wasser und einige Tage Ruhe das wieder beheben werden, darfst du trotzdem gerne mein Lager teilen."

Sesshoumaru gab ein tiefes Knurren von sich und packte grob ihre Hand.

"Als ob es auch nur etwas an dir gäbe, was mich interessieren könnte."

Sie lächelte wenig beeindruckt.

"Ich kann mich daran erinnern, dass es da tatsächlich etwas gab." Sie lachte leise und blickte schließlich Rijan an.

"Menschen knien in meiner Gegenwart nieder.", verkündete sie überheblich. Rijan war von ihrer Ausstrahlung so verwirrt, dass sie nicht sicher war, was sie tun sollte. Beinahe schon automatisch ging sie langsam in die Knie. Sesshoumaru jedoch umfasste grob ihr Gesicht und zwang sie somit, stehen zu bleiben.

"Sie kniet vor niemandem."

Die unbekannte Frau blitzte Sesshoumaru an. Offenbar beherrschte sie die kühle Miene doch nicht so gut wie Sesshoumaru.

"Du wirst ihr ein Zimmer zuteilen und dich um sie kümmern.", setzte Sesshoumaru unbeeindruckt hinzu.

"Das werde ich ganz bestimmt nicht tun.", fuhr sie auf. "Sie kann wenn überhaupt bei dem anderen Personal schlafen."

Sesshoumaru fletschte drohend mit den Zähnen. Seine ausgeprägten Eckzähne kamen dabei zum Vorschein.

"Ich werde unter keinen Umständen mit einem Menschen unter diesem Dach leben."

Die Gleichgültigkeit kehrte in sein Gesicht zurück.

"Dies ist mein Haus. Keiner zwingt dich zu bleiben."

Das hatte gesessen. Ihr schönes Gesicht sah nun nicht mehr ganz so anmutig aus. Mit offenem Mund sah sie ihn an. Wut loderte in ihren Augen.

"Sie bekommt kein eigenes Zimmer.", beharrte sie mit einem letzten Anflug von Würde.

"Ich bestimme was hier passiert. Wenn du nicht endlich Ruhe gibst, bekommt sie dein Zimmer." Deutliche Worte, die ihr allen Wind aus den Segeln nahmen.

Sie öffnete den Mund, wollte sich wohl mit ihrer Niederlage nicht abfinden.

"Chidori!" Ein einziger Name, aber mit soviel Autorität ausgesprochen, dass Chidori keinen Ton mehr von sich gab. Sie blickte Rijan an, Hass funkelte deutlich in ihren Augen und presste dann zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: "Ich werde ihr eines der besten Zimmer geben."

Sesshoumaru nickte und drehte den beiden den Rücken zu. Während Chidori jedoch Sesshoumarus Abgang beobachtete, blickte Rijan in Chidoris Gesicht und entdeckte dort den gleichen Blick, mit dem auch Rijan selbst Sesshoumaru oft nachgesehen hatte. Das Gefühl von Verzweiflung.

Sesshoumaru hatte den Raum noch nicht ganz verlassen, als sich eine Tür öffnete, die Rijan zuvor nicht wahrgenommen hatte. Eigentlich hatte sie für heute genug Überraschungen und Eindrücke erlebt, doch was sie nun entdeckte, zwang sie beinahe endgültig in die Knie. Ein junger Mann, groß gewachsen und unverkennbar mit Sesshoumaru verwandt, stand halbbekleidet in der Tür. Seine breite Brust war unverhüllt. Das Laken, das er sich umgeschwungen hatte, hing lässig über seine Schultern und wurde dann um immerhin etwas Anstand zu bewahren über dem Schoß ineinander geschlagen. In dichten Falten reichte es dann noch bis knapp über die Knie. Rijan wurde von dieser Ausstrahlung erst einmal zurückgestoßen. Auf unsicheren Schritten wich sie zurück. Es dauerte bis Rijan ihren Blick von den mehr als nur durchtrainierten Baummuskeln abwenden konnte. Das nächste was sie wahrnahm, waren goldene Augen. Doch der Blick war nicht so kalt wie der seines Vaters, sondern warm und im Moment durchaus belustigt. Dichte Fransen fielen ihm tief in die Stirn. Auf seinen Wangen zeichnete sich nur ein violetter Streifen ab. Rijan wusste mittlerweile, dass diese Zeichen Aufschluss über die Macht eines Dämons gaben.

Sein Gesicht war dem seines Vaters sehr ähnlich nur etwas weicher geschnitten, was er wohl seiner Mutter zu verdanken hatte. Seine Haare waren beinahe so lang wie die seiner Mutter. Sie glänzten in schönstem Silber durchzogen von leuchtend roten Strähnen.

"Mach den Mund wieder zu." Das war jedoch deutlich Sesshoumarus Stimme, die gelangweilt an ihr Ohr drang. Sie schüttelte benommen ihren Kopf, konnte jedoch ein erneutes Erröten nicht verhindern. Flüchtig blickte sie zu Sesshoumaru, um zu sehen, ob er irgendwie verärgert war. Doch dem war natürlich nicht so.

Ein tiefes Lachen drang an ihr Ohr. Dieses Geräusch war im ersten Moment mehr als nur befremdlich. Es dauerte bis ihr klar wurde, dass Sesshoumarus Sohn lachte. Seine Stimme war tief, doch nicht ganz so tief wie die seines Vaters. Dennoch erinnerte sie sehr an Sesshoumaru und dass dann verbunden mit einem Lachen, verwirrte Rijan wirklich.

"Warum informiert mich niemand, wenn wir einen Gast haben?" Er blickte seine Mutter an, lächelte jedoch wissend, als diese ihm einen giftigen Blick zuwarf.

Langsam stieß er sich von dem Türrahmen ab und kam zu Rijan herüber. Automatisch glaubte sie schwerer atmen zu können. Himmel, noch mal. Es gehörte verboten, derartig gut auszusehen. Allerdings hätte sie sich das ja vorstellen können. Bei dem Vater und der Mutter. Trotzdem, in Rijans Vorstellungen war er ein kleiner Junge gewesen, mit dem hier hatte sie nicht gerechnet.

"Mein Name ist Akiko." Sie nickte und kam sich dabei absolut lächerlich vor. Warum fiel es ihr so schwer etwas zu sagen?

"Und deiner?", fragte er liebenswert nach. Erneut sagte sie darauf nichts. Sie wartete eigentlich darauf, dass Sesshoumaru etwas sagte, doch dieser schwieg hartnäckig.

"Rijan.", erklärte sie schließlich etwas atemlos.

"Du bist verletzt.", erklärte er weiterhin und strich ihr dabei die Haare aus dem Gesicht. Aus großen Augen sah sie ihn an. Er lächelte leicht, ließ dann jedoch wieder von ihr ab.

Sie sah wie er sich seinem Vater zuwandte. Erleichtert nicht mehr Ziel seiner Aufmerksamkeit zu sein, atmete sie aus und betrachtete neugierig die Begegnung von Vater und Sohn. Einen Moment glaubte sie etwas wie Unsicherheit in Akikos Blick zu erkennen, war sich jedoch nicht sicher, ob dem wirklich so war.

Er ging zu seinem Vater und zog ohne etwas zu sagen den Kragen dessen Gewandes etwas beiseite. Die rechte Schulter wurde dabei leicht entblößt. Sesshoumaru ließ es wortlos geschehen. Akiko strich vorsichtig über die Wunde, die Tetsu Sesshoumaru mit einem Dolch zugefügt hatte. Tief hatte er in die Schulter gestochen.

"Dachte ich mir.", murmelte Akiko und entblößte daraufhin seine rechte Schulter. An der gleichen Stelle, an der Sesshoumaru seine Wunde hatte, zeichnete sich bei Akiko eine bläuliche Verfärbung ab.

"Seltsam.", murmelte er und blickte seinen Vater dann schweigend an. Keiner von beiden sagte etwas. Man hätte sie für Brüder halten können, keinesfalls für Vater und Sohn.

Rijan stöhnte leise auf, als sie vollkommen in diesen Anblick versunken, ihr Bein beschwerte. Beide Blicke wandten sich ihr zu.

"Verzeih, du möchtest dich sicher ausruhen." Akiko war in sekundenschnelle bei ihr und stützte sie leicht.

Sie hörte Chidori etwas, dass wie "Männer" klang, schnauben und warf schließlich anmutig ihre Haare zurück.

"Tsaimi kann sich um sie kümmern." Damit verließ sie den Raum.

Eine junge Frau betrat nun den Raum. Doch Rijan hatte zu große Schmerzen als dass sie ihr eine genauere Beachtung hätte schenken können. Vermutlich war das jene Tsaimi, von der Chidori gesprochen hatte.

Rijan wurde langsam schwarz vor Augen. Kurzerhand hob Akiko sie auf seine Arme und trug sie sicheren Griffes durch die langen Korridore. Wo sie ankam, bekam sie schon nicht mehr mit. Das Letzte woran sie dachte bevor sie sich der Dunkelheit hingab, war, dass sie viel lieber in Sesshoumarus Armen gelegen hätte.
 


 

Rijan öffnete langsam die Augen. Die Helligkeit, die ihr entgegenströmte, schmerzte in ihren Augen. Wie lange hatte sie geschlafen? Sie kam sich auf jeden Fall viel erholter vor. Sie bewegte sich leicht, wurde jedoch sogleich von einer Hand daran gehindert.

Verwirrt blickte sie in ein ihr unbekanntes Gesicht. Eine junge Frau, die ihr einen Moment lang vage bekannt vorkam, trug gerade eine nicht wirklich angenehm riechende Salbe auf ihre vielen Wunden auf. Momentan beschäftigte sie sich mit der Verletzung ihres Bauches. Ein erschrockener Schrei kam über Rijans Lippen, als sie bemerkte, dass man sie entkleidet hatte. Augenblicklich schlug sie die Arme über der Brust zusammen. Dabei stellte sie erstaunt fest, dass ihr Arm nicht mehr schmerzte. Sie vergaß ihre Nacktheit und betrachtete fasziniert ihren eigentlich verwundeten Arm. Die Wunde war mit einer festen Kruste überzogen. Sie musste länger geschlafen haben, als sie vermutet hatte.

"Wie lange ist meine Ankunft her?", fragte sie die junge Frau. Diese blickte auf und Rijan wäre am liebsten zurückgewichen. Sie hatte nie zuvor solch einen leeren Blick gesehen.

"Heute ist der siebte Tag." 7 Tage? Abrupt setzte sie sich auf, doch ihre Pflegerin brachte sie unsanft wieder zum Liegen.

"Das ist nicht sehr hilfreich." Erst jetzt bemerkte Rijan den seltsamen Akzent, den die junge Frau hatte. Sie hatte so einen Akzent nie zuvor gehört. Sie betrachtete ihre Besucherin weiter. Überhaupt sah sie ganz anders aus, als die Menschen, denen sie bisher begegnet war. Sie hatte große moosgrüne Augen umrahmt von dichten fast blonden Wimpern. Das hing wohl mit ihrer rotblonden Haarfarbe zusammen. In dichten Locken reichte es ihr bis zu den Schultern. Momentan hatte sie die dichte Haarmaße jedoch mit einem Band im Nacken befestigt. Allerdings lösten sich viele kleine Löckchen daraus und hingen ihr wirr ins Gesicht.

"Du kommst nicht von hier.", stellte Rijan fasziniert fest. Sie hatte noch nie jemanden getroffen, der von außerhalb kam. Die junge Frau schüttelte ihren Kopf, war aber offenbar nicht gewillt, darauf näher einzugehen. Doch Rijans Neugier war längst geweckt. Wie war sie hierher gekommen? Und warum lebte sie offenbar in diesem Haus? Oder hatte man sie von einem Dorf kommen lassen?

"Hast du einen Namen?", hackte Rijan nach.

Die junge Frau blickte sie kurz an, ehe sie schließlich antwortete:

"Jamie." Rijan hatte noch nie einen solch lustigen Namen gehört und musste deshalb erst einmal lachen. Sogleich verkniff sie es sich aber wieder. Sie wollte ja nicht unhöflich erscheinen.

"Gomen nasai!", entschuldigte sie sich. Jamie blickte sie an, doch keine einzige Regung zeigte sich in ihren Augen. Das waren wirklich seltsame Augen.

"Woher kommst du? Jamie ist ein sehr ungewöhnlicher Name."

"Ich weiß nicht.", erklärte Jamie und befand offenbar, dass die Unterhaltung beendet war. Sie versorgte noch die verbliebenen Wunden, verband diese dann und räumte all ihre Sachen in einen großen Korb.

"Ähm, Jamie?"

Jamie, die bereits die Tür erreicht hatte, drehte sich noch einmal um.

"Bitte?"

"Habe ich dich mit meiner Neugierde verärgert?"

Sie schüttelte nur ihren Kopf und ging dann. Eine seltsame Frau. Rijan seufzte und richtete sich vorsichtig auf. Ein Kimono lag am unteren Ende des Bettes. Vorsichtig schlüpfte sie hinein, musste jedoch feststellen, dass sie kaum noch Schmerzen hatte.

"Welch ein Segen."

Sie betrachtete den Raum genauer. Er war sehr seltsam eingerichtet. Sie hatte noch nie eine solche Einrichtung gesehen. Das ging schon mit dem äußerst seltsamen Bett los. Es war offenbar ein Bett, denn sie hatte ja darauf geschlafen, trotzdem war es Rijan mehr als nur suspekt. Es war offenbar aus Holz gebaut. Es ähnelte der Form eines Tisches, denn es hatte vier Beine. Ein Bett mit Beinen. Rijan kicherte leise. Sehr seltsam. Eine riesige Matratze lag darauf. Viele Kissen und Laken. Spontan beschloss Rijan heute Nacht lieber auf dem Boden zu schlafen. Das alles war ihr einfach viel zu weich. Seltsam, wer baute denn solch komische Dinge. Und wer schlief darin schon?

Ihre Bestandsaufnahme zeigte ihr noch eine Art Schrank, vor den man sich jedoch setzen konnte. Man blickte dann in einen Spiegel. Seltsam, seltsam. Rijan ging hinüber und blickte hinein. Ihr Gesicht war fast vollständig verheilt. Das war ja mal eine gute Nachricht. Jetzt konnte man sie wieder vorzeigen. Ihr Haar jedoch. Sie verzog angewidert das Gesicht. Seit diesem verfluchten Kampf konnte man das nicht einmal mehr als Frisur bezeichnen. Sie hatte einst langes Haar gehabt, jetzt jedoch reichte es gerade mal noch bis zu den Schultern und auch das würde wohl nicht lange so bleiben. Die Haare waren nämlich unterschiedlich lang. Damals hatte sie einen geflochtenen Zopf gehabt, den man ihr im Kampf abgeschnitten hatte. Infolge dessen konnte das ja nur nach nichts aussehen. Sie nahm einen kleinen Dolch, der auf der Kommode lag und begann die Haare auf die gleiche Länge zu kürzen.

"Verdammt!", fluchte sie, als sie das Ergebnis betrachtete. Jetzt reichten sie gerade noch bis knapp unter das Kinn. Einen Moment lang gestattete sie sich ihre Haare zu betrauern. Mochte dieser Dämon in den ewigen Abgründen der Hölle schmoren.

Nach dieser Verfluchung fühlte sie sich schon wieder viel besser. Außerdem waren es ja nur Haare. Und Sesshoumaru war es vermutlich reichlich egal, ob sie nun lange oder kurze Haare hatte. Nun, manchmal war so ein Dämon, dem Äußerlichkeiten egal waren, doch ganz praktisch.

Sie wurde nachdenklich. Sesshoumaru? Wo er wohl war? Ging es ihm wieder besser? Er war schlimmer verletzt gewesen als sie, doch regenerierte sich sein Körper auch wieder sehr schnell. Vielleicht ging es ihm ja bereits wieder glänzend. Oder war er etwa längst wieder aufgebrochen? Panik erwachte in ihr. Er hatte gesagt, dass sich diese Chidori um sie kümmern sollte. Das konnte doch aber nicht bedeuten, dass er sie hier allein gelassen hatte. Diese Frau mochte sie nicht, was nebenbei bemerkt ganz klar auf Gegenseitigkeit beruhte.

Eilig verließ sie das Zimmer. Unschlüssig blieb sie dann jedoch auf dem dunklen Korridor stehen. Nun, das brachte sie auch nicht weiter. Es war helllichter Tag. Dieses Haus musste größer sein als angenommen, wenn es sogar Flure gab, die nicht beleuchtet wurden. Wunderbar, so würde sie sich nie zurecht finden. Sie seufzte ergeben und ging zurück in ihr Zimmer, nur um dann in schallendes Gelächter auszubrechen. "Nachdenken, Rijan, nachdenken." Offenbar grenzte ihr Zimmer geradewegs an die Veranda, die das Haus umgab. Kopfschüttelnd, schob sie die Tür auf und ging hinaus. Tief atmete sie erst einmal durch. Die Luft war sehr frisch hier oben, doch tat ihr das auch sehr gut. Sofort fühlte sie sich hellwach. Beinahe hätte sie sich dazu hinreißen lassen, sich mit etwas Training zu beschäftigen. Doch waren ihre Wunden noch nicht so weit verheilt. Also ließ sie es lieber bleiben.

Neugierig schritt sie die Veranda ab und nahm die Umgebung wahr. Man hatte ihr eines der Zimmer zugewiesen, dass an der einzig offenen Seite des Hauses lag. Nun, vermutlich hoffte Chidori, dass man sie dann bei einem Überfall zuerst aus dem Weg räumte. Giftiges Miststück. Kaum zu glauben, dass Sesshoumaru etwas mit dieser falschen Schlange gehabt hatte. Gut, sie sah umwerfend aus, aber sollte die Mutter seines Sohnes nicht auch etwas Charakter haben?

Geräusche drangen an ihr Ohr. Geräusche eines Kampfes. Sofort rannte sie los, folgte den Geräuschen. Ihr Bein schmerzte dabei noch etwas, doch konnte sie es immerhin belasten. Wurden sie etwa wirklich angegriffen? Sie hätte ihr Schwert mitnehmen sollen. Aber natürlich wusste sie nicht einmal, wo genau sich das momentan befand. Im Zimmer hatte sie es jedenfalls nicht entdeckt. Wohl wieder ein Werk Chidoris. Sollte man sie angreifen, könnte sie sich nicht einmal verteidigen.

"Wenn ich dich in Finger kriege.", schimpfte sie und riss ohne weiter darüber nachzudenken, dass sie unbewaffnet war, eine Tür auf, hinter der sich offenbar der Kampf abspielte. Verblüfft blieb sie stehen und starrte in den hellen Raum, der komplett mit Matten ausgelegt war. Sie begegnete Akikos überraschtem Blick, ehe sich der Ausdruck seiner Augen mit Schmerz füllte.

"Autsch!", rief Rijan mitfühlend aus. Zu deutlich erinnerte sie sich daran, wie es sich anfühlte eine Faust in den Magen gerammt zu bekommen.

"Dir geht es also wieder besser.", stellte Sesshoumaru ruhig fest und zog seine Faust aus Akikos Magen zurück. Akiko stieß zischend die Luft aus und ging erst einmal in die Knie.

"Hai!", nickte Rijan und blickte Akiko immer noch mitfühlend an. Doch dann erinnerte sie sich daran, dass sie ja eigentlich auf der Suche nach Sesshoumaru gewesen war.

"Du siehst fantastisch aus.", rutschte es Rijan heraus, ehe sie darüber nachdenken konnte, die Worte vielleicht etwas anders zu formulieren. Sie errötete erneut, starrte Sesshoumaru aber immer noch wie eine Erscheinung an.

"Danke!", meinte Sesshoumaru trocken und betrachtete seinen immernoch nach Luft ringenden Sohn.

In der Tat er hatte sich bestens erholt. Er kämpfte nur mit seiner Hose begleidet und gestattete Rijan somit einen wirklich überwältigenden Anblick. Keine einzige Wunde geschweige denn eine Narbe zierte seinen Oberkörper. Diese Selbstheilung war wirklich verblüffend. Doch noch viel verblüffender war eigentlich, dass er gerade in diesem Moment die Arme verschränkte. Rijan blinzelte verwirrt und starrte wie hypnotisiert auf den Arm, der eigentlich nicht da sein dürfte. Sesshoumaru hatte einst im Kampf mit seinem Bruder einen Arm verloren und wirklich oft versucht, das wieder zu ändern, doch bisher war ihm das nie gelungen. Jetzt jedoch hatte er offenbar eine Möglichkeit gefunden. Die einzige Narbe, die seinen Körper zeichnete, war eben jene an seinem Arm. Daran sah man sehr deutlich, dass dies eigentlich nicht sein Arm sein konnte. Dennoch schien er sich damit recht gut bewegen zu können. Rijan wollte fragen, wie das geschehen war, doch fühlte sie deutlich, dass er ihr nicht antworten würde. Manche Dinge musste sie wohl einfach hinnehmen.

"Du lässt dich zu leicht ablenken.", erklärte er seinem Sohn gerade.

Akiko, immer noch kniend, funkelte seinen Vater wütend an.

"Das war nicht fair. Du wusstest, dass mich das ablenken würde."

Unbeeindruckt wartete Sesshoumaru bis Akiko wieder aufgestanden war.

"Deinem Gegner ist es herzlich egal, ob gerade jemand den Raum betritt oder nicht."

Langsam richtete Akiko sich zu seiner vollen Größe auf.

"Fein, dann lass uns weiter machen.", meinte er mit soviel Würde, wie er zusammenbringen konnte. Rijan war von dem Schauspiel so fasziniert, dass sie sich auf den Boden setzte und den beiden zusah. Vater und Sohn boten aber auch einen umwerfenden Eindruck.

Der Kampf begann erneut. Sesshoumaru teilte mächtige Schläge aus, denen Akiko nur mit Mühe ausweichen konnte. Er machte sich erst gar nicht die Mühe sie abzublocken, vermutlich ahnte er, dass er kräftemäßig keine Chance hatte. Aber er war schnell, dass sah Rijan deutlich. Geschickt wich er Sesshoumarus Angriffen aus. Er lernte auch sehr schnell, denn was anfangs noch sehr knapp war, wurde immer sicherer.

"Beeindruckt?", fragte Akiko grinsend. Sesshoumaru knurrte nur. Rijan seufzte leise. Armer Kerl. Er hatte eigentlich keine Chance. Sie wusste aus erster Quelle, wie Sesshoumaru kämpfen konnte. Wenn er all seine Macht benutzte, hatte Akiko nicht den Hauch einer Chance. Es wunderte sie etwas, dass er Akiko offenbar schonte. Gezieltere Schläge würden ihn schnell in die Knie zwingen. Offenbar bezweckte er etwas anderes.

Es dauerte eine ganze Weile bis Rijan erkannte, was genau der Sinn des ganzen war. Denn langsam wurden die so sicheren Ausweichmanöver wieder gefährlich. Vermutlich erschöpften sich Akikos Kräfte. Sesshoumarus Krallen streiften Akikos Arm, was diesen deutlich aus dem Rhythmus kommen ließ. Er bemühte sich ernsthaft weiter mithalten zu können, doch während Akiko langsamer wurde, steigerte Sesshoumaru das Tempo und konnte nun deutlich mehr Treffer landen. Schließlich ballte er die Hand zu einer Faust und schlug erneut mitten in Akikos Bauch. Dieser japste nach Luft und ging erneut in die Knie. Er hob eine Hand um seinem Vater zu zeigen, dass er aufgab.

Sesshoumaru schüttelte verächtlich seinen Kopf.

"Immerhin bist du nicht gegen die nächste Wand geflogen." Das war ein kleines Zugeständnis, aber besser als nichts.

"Warum lässt du mich so lange ausweichen, wenn du längst hättest treffen können?", fragte Akiko atemlos.

Sesshoumaru drehte ihm den Rücken zu und blickte Rijan an.

"Erklär es ihm."

Erstaunt sah sie ihn an. Woher wusste er, dass sie ihn durchschaut hatte?

Akiko blickte sie verwirrt an.

"Nun ja, so wie ich das sehe, wollte er dir klar machen, dass es dir nichts bringt immer nur auszuweichen. Wenn dein Gegner das bemerkt und über genügend Ausdauer verfügt, wird er solange dein Spiel mitmachen, bis du langsamer wirst und dann wird er richtig zuschlagen und du kannst dem nichts mehr entgegensetzen. Du musst dich verteidigen."

Sesshoumaru nickte und Rijan fühlte unerklärlicherweise durch diese einzige Geste einen unglaublichen Stolz.

"Ausweichen bringt nichts. Dadurch wirst du schwach."

Akiko sah seinen Vater verwirrt an.

"Ich könnte deine Schläge nie parieren."

Sesshoumaru nickte überheblich.

"Ich weiß!"

"Aber was hätte ich dann machen sollen. Weglaufen?"

"Du musst lernen, dich verteidigen zu können."

Akiko kam langsam wieder auf die Beine, wofür Rijan ihre Bewunderung nicht verbergen konnte. Sie hätte nach solch einem Schlag die Englein singen hören.

"Wozu? Ich bin hier sicher."

Sesshoumaru packte Akiko blitzschnell am Hals und drückte ihn gegen die Wand.

"Du bist nirgends sicher. Wenn du nicht kämpfen kannst, bist du schon so gut wie tot." Damit ließ er ihn wieder los und verließ den Trainingsraum. Rijan sah ihm nach.

"Wenn er nicht hergekommen wäre, wäre ich sicher.", meinte Akiko aufgebracht und setzte sich neben Rijan auf den Boden. Deutlich sah man um seinen Hals herum Sesshoumarus Fingerabdrücke.

"Das glaubst du doch selbst nicht."

Akiko lehnte sich zurück und stützte sich mit seinen Ellenbogen ab.

"Nein, aber der Grund, warum ich nicht kämpfen kann, ist ganz einfach."

Neugierig sah sie ihn an.

"Er hat mich verlassen. Er hätte es mir beibringen sollen, ist aber einfach gegangen."

"Konnte dir Chidori das nicht beibringen?"

Er schüttelte seinen Kopf und lächelte leicht.

"Meine Mutter kämpft auf andere Weise."

Rijan hätte gerne nachgefragt, auf welche Weise das geschah, traute sich jedoch nicht.

"Er kann es dir jetzt beibringen.", meinte sie lahm. "Du lernst schnell."

Akiko blickte an den Himmel.

"Nicht schnell genug für ihn." Plötzlich kam er ihr sehr jung vor. Wie ein kleiner Junge, der die Anerkennung seines Vaters suchte und sie nie bekam.

"Er meint das nicht so. Er will schließlich nur, dass du überlebst."

"Hai, ich weiß. Mein Leben ist nur deshalb wichtig, damit diese Familie weiter existiert."

Rijan sah ihn aus großen Augen an, doch schon war sein Gesicht wieder fröhlich und zeigte nichts mehr von der verletzten Seele, die in diesem Körper wohnte.

"Nun, Rijan-san, du siehst heute schon viel besser aus. Deine neue Frisur gefällt mir."

Automatisch griff sie sich an die kurzen Haare und lächelte verlegen. "Arigato." Sein Lächeln verbreiterte sich, als er ihr die Haare aus dem Gesicht strich.

"Ich wette mein Vater hat dir noch nie gesagt, dass du wirklich hübsch bist." Ein sanftes rot breitete sich auf ihren Wangen aus.

"Und wenn du errötest, bist du echt süß." Er erhob sich langsam und streckte sich ausgiebig.

"Ich glaube wir beide werden hier eine Menge Spaß haben." Er zwinkerte ihr zu und ehe sie nachfragen konnte, was genau er damit meinte, ließ er sie allein.
 

Fortsetzung folgt ...
 

Okidok, den letzten Part hab ich eben auch noch mal Korrektur gelesen. Die jenigen, die jetzt erst anfangen das hier zu lesen, haben somit klar einen Vorteil :) Allerdings könnten wohl immer noch Fehler drin sein. Hoffe euch gefallen die neuen Charas, auch wenn ich die ja erst knapp angerissen habe. Ich kann euch versprechen, ich werd mich noch ausführlicher mit Jamie, Chidori und selbst verständlich Akiko beschäftigen. Aber ihr wisst ja, gute GEschichten entwickeln sich.
 

Hm, sicher ist euch aufgefallen, dass ich Sessy wieder zweiarmig habe werden lassen. Damit ist eine Story einfach besser zu schreiben, als wenn ich ständig überlegen muss, ob er das mit einem ARm überhaupt kann. Insofern verzeiht mir meine künstlerische Freiheit. Vielleicht löse ich auch noch auf, wie das vonstatten ging. Mal schaun.
 

Okay, freu mich natürlich immer wieder über Kommis.
 

Knuffelige Grüße von Rogue
 

PS. Meine Zeichnungen von AKiko und CHidori hab ich zwischenzeitlich auch schon hochgeladen. Sollen euch ja nur einen kleinen Eindruck geben. An mir ist echt kein Zeichner verloren gegangen. <seufz> Aber sie geben doch recht gut wieder, wie die beiden aussehen sollen.

Nächtliche Offenbarungen

Ich schmeiße mal ein freundliches Hallo in unsere illustre Runde.
 

Ihr seid ja alle so lieb zu mir. Freut mich, dass euch die Fortsetzung offenbar zusagt und ihr die neuen Charas bisher auch ganz gut angenommen habt. Es wird noch etwas dauern, bis ich die einzelnen Leute näher beleuchten kann. Also habt Geduld. Fürs erste taucht Sess mal wieder hier etwas länger auf. Ich denke, dass wird seine Fans freuen.
 

So, here we go:
 

Rijan versuchte schon seit Stunden einzuschlafen, doch etwas hielt sie wach. Eine Unruhe tobte in ihr, die sie nicht näher begründen konnte. Hin und her wälzte sie sich und fand doch keinen Schlaf. Die Müdigkeit wollte sich einfach nicht einstellen. Zu viel ging ihr durch den Kopf. Sie hatte den Tag damit verbracht, sich mit diesem Haus näher vertraut zu machen. Eine unendliche Trauer hatte sie dabei beschlichen. Das Haus war so unglaublich, so reich an kleinen Wundern. Sie konnte nicht vergessen, dass Sesshoumarus Vater dieses Haus für seine große Liebe gebaut hatte. Eine Menschenfrau, eine einfache Menschenfrau. Er hatte wirklich versucht, ein sicheres Haus zu bauen. Ein Haus, das ihr gefallen würde. In dem ein Mensch sich wohl fühlen konnte und das sicher war. Sicher genug um die Frau zu schützen, die er geliebt hatte. Das Traurige daran war, dass sie es nicht gewollt hatte. Sie kannte diese Frau nicht, doch glaubte sie verstehen zu können, warum sie damals abgelehnt hatte, hier zu wohnen. Dennoch musste es diesen großen Dämon sehr getroffen haben, dass sie dieses Geschenk seiner Liebe verschmäht hatte. Oder hatte er es womöglich sogar verstanden? Unendliche Gedanken hatte sie sich darüber gemacht. Sie hätte gerne mit Sesshoumaru gesprochen, doch er war den ganzen Tag über nicht mehr auffindbar gewesen. Beinahe glaubte sie, dass er ihr absichtlich aus dem Weg ging. Doch Rijan gab offen zu, dass sie momentan etwas empfindlich war. Ständig glaubte sie von diesem unmöglichen Weib beobachtet zu werden. Vermutlich hatte er einfach nur andere Dinge zu tun gehabt, als sich mit ihr zu unterhalten. Dennoch, sie wüsste gerne, ob er jetzt wieder hier war. Ob er vielleicht nicht weit von ihr war?
 

Rijan rollte sich auf die Seite und schob einen Arm unter ihren Kopf. Sie blickte zum Fenster hinaus. Den Mond konnte sie deutlich sehen. Vollmond. Vielleicht lag es daran, dass sie nicht schlafen konnte. Eine Weile starrte sie die helle Scheibe am Firmament an, doch auch das brachte nicht die erhoffte Müdigkeit.
 

Irgendwann erhob sie sich leise und schlich sich aus ihrem Zimmer. Der Boden unter ihren nackten Füßen war kalt. Die Kälte kroch langsam ihren Körper hinauf. Auf Zehenspitzen schlich sie den Flur entlang. Sie musste wissen, ob er hier war. Ob er ihr wirklich aus dem Weg ging. Hatte er vielleicht vor, sie doch noch allein zu lassen? Möglich wäre es. Seines Erachtens war sie hier erst einmal sicher. Das war es was er wollte. Nicht mehr und nicht weniger.

Sie öffnete vorsichtig eine Tür, hinter der sie ein Schlafzimmer auskundschaftet hatte. Sie wusste zwar nicht, wo genau Sesshoumaru weilte, doch hatte sie immerhin einige Zimmer als Schlafzimmer ausmachen können. Irgendwo musste er ja dann sein. Einen Spalt breit öffnete sie die Tür und spähte hinein. Sie entdeckte Akiko, der sie jedoch nicht gehört zu haben schien. Sie sah gerade noch, wie er langsam eine junge Frau, die Rijan deutlich als Jamie identifizierte, umarmte. Vorsichtig schloss sie die Tür wieder und tapste weiter. Sie fröstelte und konnte nur mit Mühe verhindern, dass ihre Zähne anfingen zu klappern.
 

Die nächste Tür kam in Reichweite. Wieder öffnete sie sie leise und spähte durch einen Schlitz hinein. Erleichterung durchflutete sie, während sie die Tür weiter öffnete und mit unsichern Schritten den Raum betrat. Sie schloss die Tür wieder hinter sich und blieb dann einen Moment daran angelehnt stehen.

Sesshoumaru hatte den Vorhang des Fensters geöffnet und starrte in die Dunkelheit hinaus. Das Mondlicht schien seine Gestalt in Marmor zu gießen. Beinahe sah er wie eine Statur aus. Sie wusste, dass er ihre Anwesenheit zur Kenntnis genommen hatte, dennoch regte er sich nicht. Er stand nur da und starrte hinaus. Rijan wurde noch kälter. Er schien nun noch viel weiter weg zu sein. Zu weit, wenn es nach ihr ging. Mit großen Schritten überbrückte sie die Entfernung und schmiegte sich an seinen nackten Rücken. Ihre Arme umfingen ihn und ihre Finger wärmten sich an seiner breiten Brust. Sie seufzte wohlig. Es beruhigte sie ihn fühlen zu können. Beinahe schien es sie zu berauschen. Sie war vielleicht der einzige Mensch, der wusste wie warm Sesshoumaru sich anfühlte. Ihre Wange presste sich gegen seinen Rücken.

"Was beschäftigt dich?", fragte sie ohne mit einer Antwort zu rechnen.

"Nani mo!", entgegnete er. Einen Moment lang wunderte sie sich darüber, dass er ihre Berührung zuließ, doch der Moment verging. Vermutlich war es ihm egal, was sie tat.

"Ich kann fühlen, dass dich etwas beschäftigt.", erwiderte sie. Vielleicht brachte sie ihn doch dazu, mit ihr zu reden.

"Dann fühlst du falsch." Sie lächelte leicht. Nein, sie fühlte keineswegs falsch.

"Man kann nicht falsch fühlen.", belehrte sie ihn.

"Dann trübt dich dein Gefühl. Gefühle sind nichts als Schein."

Diese Worte klangen hart und kalt, dennoch wusste sie, dass etwas nicht stimmte. Doch Rijan ließ es dabei bewenden. Wenn er nicht sprechen wollte, konnte sie das akzeptieren. Für den Moment reichte es ihr, ihm einfach nur nah sein zu können. Ein kleiner Triumph machte sich in ihr breit. Fein, dann mochte diese Chidori seine Frau oder was auch immer sein, sie allein war jedoch diejenige, die ihn hier gerade umarmte.
 

Irgendwann, Rijan hatte jegliches Zeitgefühl verloren, streckte er seinen linken Arm aus. Er drehte ihn etwas in dem hellen Mondlicht.

"Seltsam.", erklärte er ohne große Vorwarnung. Rijan folgte seinem Blick.

"Aber dein Körper scheint ihn nicht abzustoßen."

Er antwortete nicht. Wozu auch? Die Antwort war offensichtlich.

"Chidoris Werk?", fragte Rijan mit belegter Stimme. Auch diese Antwort wusste sie plötzlich mit absoluter Sicherheit.

"Hai!", entgegnete er auch prompt. Eifersucht erwachte augenblicklich in Rijan. Sie wollte so nicht fühlen, denn sie wusste, dass es ein unbegründetes Gefühl war, dennoch konnte sie es nicht bekämpfen. Es war da, übermächtig und erschreckend stark. Erneut fühlte Rijan etwas Dunkles in sich erwachen. Sie hatte das bereits einmal gefühlt. Damals bei dem Kampf hatte sie angenommen, dass der Dämonenjäger Tetsu Sesshoumaru getötet hatte. Daraufhin war etwas mit ihr geschehen. Etwas, dass sie selbst jetzt noch nicht erklären konnte. Sie hatte ihn dafür tötet wollen und bei allem was ihr heilig war, sie war auch kurz davor gewesen. Dass sie es nicht getan hatte, zeigte jedoch noch lange nicht, dass sie dazu nicht in der Lage gewesen wäre. Dieses Gefühl, dass sie da beherrscht hatte, war so tief, so dunkel gewesen, dass es Rijan selbst heute noch erschreckte. Sie fragte sich ernsthaft, ob sie dieses Dunkle zusammen mit der Gefühlsverbindung von Sesshoumaru bekommen hatte. Ausschließen konnte sie es jedenfalls nicht. Doch es ängstigte sie. Es ängstigte sie sogar sehr. Automatisch drückte sie sich fester gegen Sesshoumaru. Das gab ihr ein trügerisches Gefühl von Sicherheit. Denn wenn sie genauer darüber nachdachte, war er der Einzige, der ihr dieses Gefühl von Sicherheit auch ganz schnell wieder nehmen konnte. Sie seufzte leise und betrachtete wieder seinen Arm. Er drehte ihn erneut im Mondlicht und Rijan gab einen überraschten Laut von sich.

"Sie verfärbt sich." Augenblicklich löste sie sich von ihm und trat stattdessen neben ihn. Sie umfasste sein Handgelenk und betrachtete die schwache Verfärbung seiner Haut. Jetzt, wo das Mondlicht nicht mehr direkt darauf fiel, sah man es kaum noch, doch Rijan war sich sicher, es gesehen zu haben. Sesshoumarus Wangen zierten bekanntlich violette Streifen, die zeigten wie mächtig er war. Diese Zeichen hatte Rijan auch auf seinem Handgelenk ausgemacht. Sie umschlossen fast das ganze Handgelenk. Und genau jene Verfärbungen hatte sie auch auf diesem neuen Arm ausgemacht. Das würde ja aber bedeuten, dass Chidori wirklich eine große Leistung vollbracht hatte. Sesshoumaru entzog ihr seinen Arm und schaute sie missbilligend an.

"Wie hat sie das gemacht? Das ist nicht nur ein neuer Arm, es scheint dein eigener zu sein."

Sesshoumaru verschränkte die Arme und blickte Rijan kopfschüttelend an.

"Frag sie, wenn du es wissen willst."

Das würde sie mit Sicherheit nicht tun, geschweige denn, dass Chidori ihr das verraten würde. Dennoch wurde Rijan dadurch klar, dass Chidori offenbar wirklich sehr mächtig war. Nun, in Anbetracht dieser neuen Erkenntnis, sollte sie vielleicht etwas vorsichtiger ihr gegenüber sein.

"Sie wird dir nichts tun. Sie weiß was gut für sie ist."

Rijan sah ihn verblüfft an.

"Manchmal ängstigt es mich, dass du mich so leicht durchschauen kannst.", gestand sie freimütig.

Sesshoumaru blickte wieder zum Fenster hinaus.

"Dich ängstigt überhaupt nichts. Nicht einmal dein eigener Tod.", widersprach er. Rijan blickte zu Boden und murmelte: "Dein Tod ängstigte mich."

"Ich war nicht tot.", erinnerte er sie gleichgültig.

Rijan blickte wieder auf. "Für mich warst du es."

Darauf sagte er nichts mehr. Er wusste, dass sie Recht hatte. Es spielte keine Rolle, ob dem so gewesen war oder nicht. Sie hatte es in diesem Moment geglaubt, nur das zählte. Und es hatte sie in den Tiefen ihrer Seele erschüttert.

"Du wirst gehen, oder?", fragte sie unglücklich. Sesshoumaru wandte ihr sein Gesicht zu. "Nein, antworte mir nicht. Diese Worte aus deinem Mund zu hören, würde mich zerreißen. Außerdem kenne ich die Antwort schon längst. Ich kann sie fühlen. Je länger ich hier bei dir bin, desto deutlicher fühle ich, dass du fort von hier möchtest."
 

Sie sah in seine Augen und war zur Abwechslung wirklich erleichtert, darin nichts sehen zu können. Langsam hob sie ihre Hand und wollte seine Wange berühren, doch mit der gleichen Geschwindigkeit, trat Sesshoumaru einen Schritt zurück. Rijan zog ihre Hand zurück. Sie fühlte sich verletzt. Durch eine einfache Bewegung fühlte sie sich tief in ihrem Herzen verletzt. Um ihm diesen Ausdruck auf ihrem Gesicht zu ersparen, drehte sie ihm ihren Rücken zu. Sie verstand selbst nicht, was diesen Stimmungsumschwung in ihr verursacht hatte. Manchmal glaubte sie beinahe, dass es wie Gift war, in seiner Nähe zu sein. Gift, dass sie langsam auffraß. Nein, was dachte sie da? Erschüttert bedeckte sie mit den Händen ihre Augen. Sie sollte zurück in ihr eigenes Zimmer gehen. Heute Nacht war sie sonst noch zu viel größeren Dummheiten fähig. Vielleicht verstand sie langsam, warum er von hier fortwollte. Dieser Ort weckte Gefühle in ihr, die alles andere als angenehm waren.

"Ich sagte dir einmal, dass ich nicht hasse." Seine Stimme drang nur langsam in ihr Bewusstsein ein. Sie hielt die Luft an, wollte nicht einmal ausatmen, um ihn nur nicht am Weitersprechen zu hindern.

"Aus meiner jetzigen Sicht betrachtet, stimmt das nicht."

Diese Offenbarung erstaunte sie. Mehr noch, sie erschütterte Rijan. Sesshoumaru verabscheute Gefühle. Obwohl er natürlich selbst welche hatte, widerstrebte es ihm doch absolut, diese auch zuzugeben. Gefühle bedeuteten Schwäche und wenn es etwas gab, was dieser Mann wirklich verabscheute, dann war das Schwäche. Langsam drehte Rijan sich wieder um. Angst zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. Sie fürchtete sich. Doch wovor eigentlich? Dass sie auf seinem Gesicht doch eine Regung sehen konnte? War es das, was hier tief in ihr eine Furcht verursachte, die Rijan zu verschlingen drohte? Doch die Angst schien unbegründet, denn obwohl er eben ein Gespräch begonnen hatte, ein Gespräch über Gefühle, über seine Gefühle, zeichnete sich keine einzige Regung auf seinen Gesichtszügen ab.

"Und warum stimmt es nicht?", hakte sie leise nach. Sesshoumaru blickte sie an. Direkt drang sein Blick in den ihren ein.

"Weil ich vergessen hatte, wie sehr ich dieses Haus hasse." Damit drehte er ihr wieder den Rücken zu. Rijan blieb ganz still stehen. Sie bewegte ich nicht und sagte auch kein Wort. Es dauerte bis sie begriff, warum er ihr das gesagt hatte. Richtig, es hatte damit angefangen, dass sie ihn gefragt hatte, ob er gehen würde. Das war nicht die Antwort, es war die Begründung. Er hasste dieses Haus so sehr, dass er lieber heute als morgen verschwinden würde. Und doch warf diese simple Aussage mehr Fragen als Antworten auf. Warum war dem so? Lag es daran, dass sein Vater es für einen Menschen gebaut hatte? Lag es überhaupt an seinem Vater? Oder war eher Chidori das Problem? Gab es da etwas in ihrer gemeinsamen Vergangenheit, dass Sesshoumaru mit so tiefem Hass hatte infizieren können? Es war schwer vorstellbar, dass es etwas gab, das ihn derartig bewegt hatte. Dennoch etwas war da. Ein Geheimnis hütete dieses Haus, das in Rijan den Wunsch erweckte, ebenfalls sofort zu gehen. Sie wollte nicht wissen, was hier geschehen war. Und doch sorgte ihr Verstand dafür, dass sie versuchte das Puzzle zusammenzusetzen. Nun, wenn es mit Chidori zusammenhing, dann lag die Vermutung nahe, dass sie ihm einst sehr viel mehr bedeutet hatte, als er bereit war zuzugeben. Rijans Augen wurden groß, während sie auf seinen breiten Rücken starrte.
 

Nein, das konnte nicht sein. Sesshoumaru hatte ihr gesagt, dass er Chidori keineswegs liebte, weil er nicht lieben konnte. Er hätte in einem so wichtigen Punkt nicht gelogen. Oder doch?

Sie wandte sich ab, ging tief aufgewühlt zur Tür und verließ den Raum, ohne weiter darauf zu achten leise zu sein. Sie schob die Tür mit Nachdruck zu und ging den dunklen Korridor entlang zu ihrem Zimmer. Erst als sie auch diese Tür geschlossen hatte, lehnte sie sich dagegen und starrte blicklos ins Leere. Langsam ließ sie sich hinunter gleiten und setzte sich schließlich auf den Boden. Sie umklammerte ihre angezogenen Beine und versuchte dieses Gefühl, das sich ihrer bemächtigte, niederzukämpfen. Das Gefühl sich plötzlich furchtbar verraten vorzukommen. Nicht zum ersten Mal drängte sich Rijan ein Bild auf. Ein Bild von zwei sich liebenden Körpern, doch diesmal war das Bild sehr viel klarer als all die anderen Male zuvor. Denn sie glaubte sehen zu können, wie Sesshoumaru Chidori sehr tief in die Augen sah, ehe er sie küsste. Leichter Schmerz ließ sie wieder zu Bewusstsein kommen. Sie blinzelte einmal, ehe sie die Kratzer auf ihrem rechten Unterarm betrachtete - zugefügt von ihren eigenen Fingernägeln.
 

Rijan stand auf und wollte zur ihrem Bett gehen. Dabei fiel ihr Blick in den Spiegel. Die Frau, die sie daraus ansah, erschreckte Rijan. Das konnte unmöglich sie selbst sein. Angewidert von ihrem eigenen Spiegelbild drehte sie sich um und legte sich schlafen. Vielleicht war es wirklich besser, ihm vorerst aus dem Weg zu gehen. Womöglich wäre es ein kleiner Segen, wenn er tatsächlich morgen früh verschwunden wäre. Eine vereinzelte Träne lief Rijan aus den Augenwinkeln. Sie hätte nie für möglich gehalten, dass sie das einmal wirklich glauben würde. Doch im Moment wollte sie ihm so nicht unter die Augen treten. Mit dieser verabscheuungswürdigen Seele konnte sie sich ja selbst kaum ertragen.
 

Fortsetzung folgt ...
 

Findet ihr, ich werde zu düster? WEiß auch nicht, während ich das schrieb wurde es irgendwie immer düsterer und dunkler. War so jedenfalls nicht geplant. Da mir der Part aber doch sehr gelungen scheint, hab ich ihn so gelassen. Mir scheint ich bin eher ein Mensch für düstere Geschichten. Ich hoffe ihr könnt euch damit anfreunden (aber das seid ihr ja schon von Geliebter Dämon gewohnt, oder).
 

Ach ja, nicht über die dämlichen Absätze wundern. Aber Animexx wollte mich mal wieder nicht hochladen lassen, weil ich zu wenig Absätze hatte. Deswegen hab ich jetzt mehr oder weniger wahllos eingestreut.
 

Knuffelige Grüße von Rogue

Mensch ohne Seele

Okidok, da bin ich wieder.
 

Und was soll ich sagen. Am besten sag ich gar nix. Ich mag den Teil nicht, ich mag die Story nicht, ich mag nicht mehr weiterschreiben. Ich weiß auch nicht. Ich hab grad den Megablues.
 

Trotzdem, hier der neue Part:
 

Rijan fühlte sich wie gerädert als sie am nächsten Morgen aufstand. Ein Blick zum Fenster hinaus sagte ihr, dass ein sehr trostloser Tag vor ihr lag. Es regnete in Strömen. Sie seufzte tief und starrte eine Weile zu den dunklen Regenwolken hinauf.

"Genau wie ich mich fühle.", murmelte sie. Die Traurigkeit, die sie heute Nacht befallen hatte, war immer noch nicht verflogen. Sie fühlte sich seltsam niedergeschlagen.

Ihr graute davor Sesshoumaru gegenüber zu treten. Erneut blickte sie zum Fenster hinaus. Nun, die Wahrscheinlichkeit, dass sie dieser Begegnung aus dem Weg gehen konnte, war mehr als nur gering.

"Verfluchtes Wetter.", schimpfte sie missmutig.

Sie ging zur Tür und öffnete sie. Vorsichtig lugte sie auf den Flur hinaus. Niemand zu sehen! Nun, immerhin das war eine erfreuliche Tatsache. Sie schloss die Tür wieder und schlüpfte in den Kimono, der bereits gestern ihr einziges Kleidungsstück gewesen war. Es dauerte, bis sie den Kimono richtig gewickelt hatte. Sie war in solchen Dingen nicht sehr erfahren. In der Regel hatte sie ihre Dämonenjägeruniform getragen. Die war erstens viel praktischer gewesen und zweitens nicht so kompliziert wie ein Kimono. Sie gestattete sich kurz ihrer Uniform nachzutrauern. Lange Zeit sie Rijan gekleidet. Es war schwer in Worte zu fassen, was der Verlust dieser Uniform für Rijan bedeutete. Sie war mehr als nur ein Kleidungsstück gewesen. Wenn Rijan sie getragen hatte, hatte man ihr Respekt und Ehrfurcht, ja manchmal auch Bewunderung entgegengebracht. Natürlich wusste sie, dass man solche Dinge nicht an einer Kleidung festmachen konnte, doch ohne ihre Uniform fühlte Rijan sich nun einmal nicht mehr wie jemand, der in der Lage war, gegen Dämon zu kämpfen. Ihre Selbstsicherheit war zusammen mit der Uniform in Fetzen gerissen worden.

Die Tür wurde ohne vorherige Ankündigung geöffnet.

"Du bist bereits wach, wie ich sehe.", verkündete Chidori mit einer Überheblichkeit, die Rijan bis aufs Blut reizte. Finster blickte sie die Dämonin an. Chidori jedoch nahm davon kaum Kenntnis. Sie stolzierte mit der ihr eigenen Erhabenheit weiter in das Zimmer und schien zu inspizieren, ob noch alles da war. Rijan verschränkte die Arme - mehr aus Hilflosigkeit als weil sie damit ihre Verärgerung zum Ausdruck bringen wollte. Rijan war noch nie jemand gewesen, der besonders schlagfertig mit Worten umgehen konnte. Das lag ihr einfach nicht. Doch bisher hatte es sie noch nie so gestört. In Anwesenheit dieser Frau jedoch fühlte Rijan sich sowieso schon weit unterlegen. Gerne hätte sie Chidori gesagt, dass sie künftig vorher anklopfen sollte, doch kein Wort kam über Rijans Lippen. Statt dessen sah sie ihr dabei zu wie sie gelangweilt durch das Zimmer schritt. Ihr perfekter Körper war ebenfalls in einen Kimono gehüllt, doch sah Chidori selbst in einem schlichten schwarzen Gewand äußerst elegant und beeindruckend aus. Rote Augen fixierten Rijans Blick. Einen Moment lang schien sie belustigt zu sein, doch der Moment verging, ehe Rijan sich dessen auch wirklich sicher war.

"Ich nehme an, ein Mensch wie du, braucht nun etwas zu essen." Keine Frage sondern eine Feststellung.

Rijan biss die Zähne zusammen und ihr Blick verfinsterte sich noch mehr. Wie schaffte es diese Frau durch einen einzigen Satz zum Ausdruck zu bringen, dass Rijan hier kein bisschen erwünscht war?

"Tsaimi wird sich um deine Bedürfnisse kümmern." Eine klare Aussage, der sie offenbar nichts hinzufügen wollte.

Sie drehte sich um und ging leichten Schrittes zur Tür. Dort angekommen blieb sie jedoch noch einmal stehen. Ihre Kopf neigte sich leicht zu Seite als sie Rijan inspizierte. Es behagte Rijan keineswegs so offen gemustert zu werden. Chidori zuckte unbeeindruckt mit den Schultern und blickte Rijan dann direkt in die Augen.

"Ich werde tun und dulden, was man mir aufgetragen hat, aber glaube nicht, dass ich deine Anwesenheit hier einfach so zulassen werde." Es war klar, von wem Chidori ihre Anweisungen empfangen hatte. Rijan fragte sich, was Chidori mehr störte. Dass ein einfacher Mensch hier als Gast behandelt wurde oder dass das ganze auf Geheiß von Sesshoumaru geschah? Ein klein wenig besänftigte das Rijans Wut.

"Hier sind nur Menschen willkommen, die mir auf irgendeine Art dienen."

"Auf irgendeine Art?", echote Rijan verwirrt.

"Wenn ich spreche, hört man zu.", fuhr Chidori sie deutlich verärgert an. Der Tadel verfehlte seine Wirkung nicht. Rijan senkte betroffen den Blick und ärgerte sich doch gleichzeitig über sich selbst.

"Du jedenfalls bist für mich von keinerlei Nutzen. Merk dir das. Ich werde schon noch einen Weg finden meinen Willen durchzusetzen."

Die Wut verschwand aus ihren Augen. Statt dessen trat dort eine deutliche Boshaftigkeit zum Vorschein.

"Ich kenne Sesshoumaru besser als jedes andere Wesen. Ich weiß wie ich ihn dazu bringen kann, die Dinge so zu sehen, wie ich es tue."

Rijans Augen wurden groß, denn obwohl sie versuchte, sich von diesen Worten nicht treffen zu lassen, musste sie doch zugeben, dass ihr das nicht gelang. Chidoris Worte schmerzten mehr als ihr lieb war.

"Gewöhn dich lieber nicht an diesen Ort."

Chidori verließ das Zimmer, schloss aber natürlich nicht die Tür hinter sich. Wozu auch, das hier war ihr Reich. Rijan war nur ein vorübergehend geduldeter Mensch.

So viele Dinge schwirrten durch Rijans Kopf. Beleidigungen und Verwünschungen, die sie Chidori gerne an den Kopf geworfen hätte. Doch nun war es zu spät. Sie atmete tief aus und versuchte sich zu beruhigen. Dieses Weib nahm den Mund sehr voll. Vermutlich waren ihre Worte nichts weiter als eben das: Worte. Und doch war dieses Bild in ihrem Kopf, dass Chidori und Sesshoumaru in sehr inniger Umarmung zeigte. Richtig, es gab einen Punkt, in dem nur Chidori Sesshoumaru kannte. Dagegen konnte Rijan nichts ausrichten. Was, wenn sie ihn wirklich manipulieren konnte? Diese Frau hatte ihre Reize. Und letztendlich war auch Sesshoumaru nur ein Mann. Dämon oder Mensch spielte dabei wirklich keine Rolle.

"Rijan-san?" Eine Stimme ließ Rijan zusammenzucken. Sie blickte auf und sah, dass Jamie ihren Kopf zur Tür hereingesteckt hatte. Sie zwang sich zu einem freundlichen Lächeln.

"Komm nur herein. Ich soll hier auf ein Mädchen warten."

Jamie nickte und betrat das Zimmer.

"Hai. Das Mädchen bin ich."

Rijan sah sie überrascht an. "Oh!", mehr brachte sie nicht zustande. Sie versuchte sich das zusammenzureimen. Tsaimi und Jamie hörten sich zwar ähnlich an, aber warum sagte Chidori einen anderen Namen, wenn sie doch Jamie meinte?

"Chidori-sama sagt es fiele ihr schwer, meinen Namen auszusprechen.", erläuterte Jamie ungefragt. Offenbar erkannte sie den Grund für Rijans Verwirrung sehr schnell.

"Aber vermutlich hat sie nur einfach keine Lust sich derartig anzustrengen."

Ja, das passte zu dieser Hexe. Rijan jedenfalls war sehr erleichtert ein vertrautes Gesicht zu sehen. Zwar kam ihr Jamie immer noch etwas unheimlich vor, dennoch war sie ein Mensch. Das verband doch irgendwie.

"Stört es dich nicht, wenn sie deinen Namen falsch ausspricht?", hakte Rijan nach, während sie Jamie auf den Gang folgte.

"Nein. Es ist nur ein Name."

Diese Einstellung befremdete Rijan zwar etwas, aber es ging sie eigentlich auch nichts an. Sie nahm es also nur schweigend zur Kenntnis.

"Wohin gehen wir?", fragte sie nach einer Weile.

"Ihr habt sicher Hunger." Eine Antwort war überflüssig, denn just in diesem Moment knurrte Rijans Magen. Peinlich berührt blickte sie auf den Boden und murmelte eine Entschuldigung.

"Ich würde mich vorher lieber waschen. Doch leider regnet es ja draußen." Jamie blieb unerwartet stehen, sodass Rijan gegen ihren Rücken prallte.

"Es gibt in dem Berg hinter diesem Haus eine heiße Quelle.", erläuterte die junge Frau, als hätte sie den Zusammenstoß gar nicht bemerkt.

"Kann ich dort auch mein Gewand waschen?" Rijan fühlte sich augenblicklich besser. Die Aussicht ein Bad nehmen zu können, hob ihre Stimmung deutlich an.

"Ich werde das tun. Ihr könnt ein anderes Gewand aus der Opferkammer nehmen."

Rijan hob abwehrend die Hände. Sie fühlte sich nicht wohl dabei, wenn Jamie ihre Kleidung waschen musste. Sie besaß schließlich zwei gesunde Hände.

"Nein, lass, das kann ich auch selbst erledigen."

Jamie zuckte mit den Schultern.

"Wie Ihr wünscht. Trotzdem braucht Ihr mehr Kleidung zur Auswahl."

Da widersprach Rijan nicht. Vielleicht fanden sich ja noch vorteilhaftere Kleider für sie. Womöglich sogar eine neue Uniform oder zumindest etwas, dass dem nahe kam. Wenn sie sozusagen wieder ihre gewohnte Kleidung trug, würde sie Chidori auch eher entgegentreten können.

"Was bitte schön ist eine Opferkammer?" Rijan befürchtete schon einen Raum voller Leichen betreten zu müssen und sich an dere Kleider zu bedienen, doch wenigstens das blieb ihr erspart.

"Die Bewohner der Dörfer geben Opfergaben, damit die Dämonen sie beschützen."

Rijan konnte ihre Überraschung nicht verbergen.

"Chidori beschützt Menschen?"

Jamie schüttelte ihren Kopf.

"Nein, Chidori-sama erhält Opfergaben um die Männer der Dorffrauen zu verschonen. Akiko-sama ist derjenige, der sie beschützen soll."

Rijan dachte an den gestrigen Kampf von Sesshoumaru und seinem Sohn. Akiko hatte nicht wirklich ausgesehen, als wäre er in der Lage einen Kampf zu gewinnen, geschweige denn ein ganzes Dorf zu beschützen.

"Hat er denn je kämpfen müssen?"

Jamie schüttelte ihren Kopf.

"Nicht solange ich hier bin. Die Dämonen trauen sich nicht anzugreifen."

Das überraschte Rijan nun allerdings wirklich. Sie hatte selbst mit genug Dämonen zu tun gehabt, um guten Gewissens sagen zu können, dass die meisten sich nicht so schnell einschüchtern ließen.

"Was hat Akiko getan, dass man ihn so fürchtet?"

"Nani mo! Dies sind die Ländereien seines Vaters." Mehr sagte Jamie dazu nicht, doch das war auch nicht nötig. Rijan verstand, was sie damit hatte sagen wollen. Vermutlich wussten die meisten Dämonen nicht einmal, dass es Akiko gab. Sesshoumaru jedenfalls hatte das bestimmt nicht herausposaunt. Er versuchte schließlich seinen Sohn zu schützen. Es ging also eher darum, dass man nicht sicher war, ob Sesshoumaru hier weilte oder nicht. Und selbst wenn er nicht hier war, würde er doch recht bald davon erfahren, wenn man hier ein Massaker veranstaltete. Sesshoumaru wütend zu machen, war wohl nichts, was andere Dämonen in Kauf nehmen wollten. Sie konnten ja nicht wissen, dass es ihm vermutlich vollkommen egal war, ob man die Dörfer hier dem Boden gleich machte oder nicht. Vielleicht rührte dieses Denken noch von seinem Vater her, der ja bekanntlich einen Menschen zur Frau hatte. Nun, aus dieser Sicht verstand Rijan natürlich, warum man hier keine dämonischen Vorfälle verzeichnen konnte.

"Was meintest du damit, dass die Frauen versuchen Chidori zu besänftigen?"

Jamie war zwar etwas seltsam, aber immerhin gerne bereit, Rijan über alles aufzuklären, was diese zu wissen begehrte.

"Chidori-sama kann dafür sorgen, dass ihr alle Männer verfallen. Das wissen die Frauen der Dörfer, deswegen versuchen sie sie durch Opfergaben zu besänftigen."

Richtig, Sesshoumaru hatte auch schon etwas in der Art geäußert. Sie konnte also durch ihre Magie Männer ihres Willens berauben. Ob sie das auch bei Sesshoumaru konnte?

"Sie kann das auch bei Frauen.", erläuterte Jamie unbeeindruckt weiter. Rijan verzog schockiert das Gesicht.

"Nani?"

Jamie nickte.

"Hai, sie kann jedes Wesen dazu bringen, ihr aus der Hand zu fressen." Das also hatte Akiko gemeint, als er sagte, seine Mutter hätte ihre eigene Art zu kämpfen. Klar, wenn man den Gegner gehörig machen konnte, brauchte man keine kämpferischen Fähigkeiten zu entwickeln. Automatisch stellte sich Rijan dann aber die Frage, warum Chidori diese Gabe nicht einfach bei ihr anwandte. Dadurch könnte sie Rijan ganz einfach dazu bringen, dieses Haus freiwillig zu verlassen. Nachdenklich folgte sie Jamie weiter hinab in den unteren Stock. Es war dunkel hier unten, da kein Sonnenstrahl bis hier durchdrang. Jamie nahm eine Fackel von der Wand und leuchtete ihnen beiden den Weg. Der Geruch von verbrennendem Harz stieg Rijan in die Nase. Sie mochte diesen Geruch, wenn er auch bisweilen etwas stark war.

"Wir sind da!", verkündete Jamie und öffnete eine Tür.

Rijan gab einen erfreuten Laut von sich, als Jamie weitere Fackeln im Raum entzündete und somit das Zimmer erhellte. Unzählige Dinge stapelten sich hier. Teuere Stoffe, Kimonos, Rüstungen und Waffen, wohin der Blick auch schweifte. Das war eine wahre Schatzkammer. Die Bewohner der Dörfer ließen sich den Schutz einiges kosten. Nun, sie konnten ja auch nicht wissen, dass das vollkommen unnötig war. Nun ja, wenn man an Chidori dachte, war es vielleicht doch nicht so unnötig. Rijan nahm ein Schwert in die Hand. Der Griff war äußerst kunstvoll gearbeitet und mit Edelsteinen besetzt.

"Das kann unmöglich von Bauern stammen."

Jamie, die am Boden kniete und in den Stoffbergen etwas suchte, blickte auf und betrachtete das Schwert in Rijans Händen.

"Dann wird es von Adligen stammen. Wenn sie die westlichen Länder durchqueren, legen sie ebenfalls Opfergaben nieder."

Rijan nickte und legte das Schwert wieder beiseite.

"Wo ist eigentlich mein Schwert? Als ich ankam, hatte ich es noch."

"Akiko-sama verwahrt es."

"Nani?", hakte Rijan wenig begeistert nach. Sie hatte eher damit gerechnet, dass Chidori es an sich genommen hatte. Warum Akiko das getan hatte, verstand sie noch viel weniger.

"Er mag keine Waffen im Haus. Sie beunruhigen ihn."

"Sie beunruhigen ihn?", echote Rijan ungläubig. Wenn das Sesshoumaru mitbekam. Sein Sohn hatte Angst vor Waffen.

"Hai, sie beunruhigen ihn. Aber ich denke, er wollte Euch damit auch schützen. Chidori-sama kann sehr impulsiv sein."

Rijan seufzte. Das hatte sie fast vermutet. Eigentlich war es dann ja sehr nett von ihm, dass er sämtliche Waffen aus Chidoris Umfeld schaffte.

Rijan setzte sich auf einen Stapel von farbigen Stoffen und blickte auf Jamies Rücken. Sie hatte ihre Arbeit wieder aufgenommen und zog verschiedenfarbige Kimonos aus einem größeren Stapel. Und während Rijan ihr dabei zusah, fiel ihr das Bild wieder ein, dass sie heute Nacht gesehen hatte. Akiko wie er Jamie umarmt hatte. Doch wenn sie jetzt daran dachte, fiel ihr auch wieder Jamies Gesicht dabei ein. Denn dort hatte sich kein einziges Gefühl abgezeichnet.

"Jamie?"

"Hm?" Sie blickte nicht auf und hielt auch nicht inne. Rijan war unsicher, ob sie wirklich aussprechen sollte, was ihr durch den Kopf ging. Es ging sie schließlich überhaupt nichts an.

"Ich habe dich heute Nacht gesehen."

Immer noch reagierte Jamie nicht. Sie ging einfach weiter ihrer Tätigkeit nach.

"Mit Akiko zusammen."

Jamie blickte über ihre Schulter zu Rijan hinüber. In ihren Augen zeichnete sich immer noch keine Regung ab.

"Und?"

"Er hat dich umarmt." Rijan wünschte sich plötzlich, sie hätte damit nicht angefangen.

"Hai, das hat er.", bestätigte Jamie ohne eine Miene zu verziehen.

"Es sah aber nicht so aus, als würdest du das auch wollen." Sie sprach die Worte sehr leise aus, achtete auf Jamies Reaktion, doch wieder einmal blieb diese aus. Sie schien jedoch zu begreifen, dass Rijan das wirklich beschäftigte. Jamie ließ von ihrer Arbeit ab und drehte sich zu Rijan um. Sie setzte sich dabei ebenfalls, nahm jedoch auf dem kalten Boden Platz.

"Nein, ich wollte das auch nicht.", bestätigte sie Rijans Befürchtungen. Augenblicklich verspürte sie eine tiefe Abscheu gegen Akiko in sich aufsteigen. Wie konnte dieser verdorbene Mensch Jamie so ausnutzen? Kein Wunder, dass sie kaum Gefühl zeigte. Nicht auszudenken, wie lange er sie schon benutzte. Aber was hatte sie auch erwartet? Er stammte von einem biestigen Weib und einem gefühlsarmen Dämon ab. Da konnte ja nichts Gutes dabei herauskommen.

"Dann musst du dich dagegen wehren.", redete sie voller Überzeugung auf Jamie ein. "Nur weil er ein Dämon ist und mächtiger als du, hat er nicht das Recht, sich dir aufzuzwingen. Ich kenne das Gefühl, dass man sich unterlegen fühlt, aber du darfst dich damit nicht abfinden. Du bist ein Mensch, du hast Gefühle. Wehr dich! Ich kann dir helfen, wenn du Angst hast." Sie sah Jamie beschwörend an, wohl wissend, dass sie sich gerade sehr viel Ärger einhandelte.

Jamie saß schweigend auf dem Boden und blickte Rijan unbewegt an, während diese ihre Überzeugungen kundtat.

"Es gibt keinen Grund sich zu wehren.", erklärte Jamie schließlich. Sie wirkte dabei sehr ruhig und gelassen. Als würden sie sich gerade darüber unterhalten, dass es heute regnete und nicht etwa davon, dass man ihr großes Unrecht zufügte. Rijan packte die Wut. Sie würde diesen verfluchten Dämon schon beibringen, dass man so mit einer Frau nicht umgehen konnte. Das arme Ding war ja schon ganz abgestumpft.

"Keinen Grund? Jamie, er tut dir Gewalt an. Du hast jeden Grund dieser Welt dich zur Wehr zu setzen."

Jamie zuckte mit den Schultern.

"Nein, wirklich. Dafür gibt es keinen Grund. Mir ist egal, was er tut."

Rijan hielt mitten in der Bewegung inne.

"Das ist nicht dein Ernst."

"Doch, mir macht das nichts aus. Sicher, ich will nicht, dass er mich umarmt, aber genauso wenig möchte ich das Gegenteil. Für mich macht, was immer er auch tut, keinen Unterschied."

Rijan blieb nun wirklich der Mund offen stehen. Sie konnte nicht glauben, was sie da hörte. Und doch sah sie die Wahrheit dieser Worte auf Jamies Gesicht. Es war ihr egal. So unglaublich das für Rijan auch war, Jamie interessierte es einfach nicht.

"Aber ...", unternahm sie einen letzten Versuch.

Jamie schüttelte ihren Kopf.

"Wirklich, es ist in Ordnung.", bekräftigte sie und stand dann auf.

"Das ist einfach nicht richtig.", murmelte Rijan immer noch entsetzt über diese Offenbarung. "Geschieht das oft?", fragte sie Jamie und blickte zu ihr auf.

"Nein! Er meint immer, dass er mich umarmen möchte. Dass er mir nah sein möchte. Er will, dass ich ihn berühre, seine Umarmung teile. Er sagt, er möchte in mir vergehen und einfach alles vergessen." Rijan verzog angewidert das Gesicht. Dieser Kerl wurde ihr immer unsympathischer.

"Es ist trotzdem nicht richtig, was er tut."

"Ihr hört nicht zu, Rijan-san. Er sagt diese Dinge nur. Doch immer dreht er mir nach solchen Offenbarungen den Rücken zu und befiehlt mir zu gehen."

Rijan, die nun ebenfalls aufstand, blickte erstaunt drein.

"Bitte?"

Jamie nickte.

"Hai, er sagt, er wünscht sich all das und weiß doch, dass wenn er mich nimmt, er sich hinterher schlecht fühlen würde."

"Er würde sich schlecht fühlen?" Jetzt verstand sie gar nichts mehr.

"Allerdings, denn ich fühle nichts dabei. Was er möchte, ist eine Reaktion von mir, doch bekommt er diese nicht. Er wird sie nie bekommen. Genauso gut könnte er es mit einem toten Menschen tun. Das sagt er immer."

Jamie hob den Stapel Kleider auf und blickte Rijan unbewegt an.

"Können wir jetzt gehen?"

Rijan nickte benommen. Sie folgte Jamie eine Weile schweigend durch die langen Gänge. Sie gingen zurück zu ihrem Zimmer, wo die Kleider auf das Bett gelegt wurden. Jamie nahm einen neuen Kimono und erneut folgte Rijan ihr durch die Gänge. Sie verließen das Haus auf der Rückseite. Rijan blickte zu der steilen Felswand hinaus. Sie folgte Jamie weiterhin als sie eine dunkle Höhle betraten. Seltsam, die sah man sonst überhaupt nicht.

"Er hat sich dir also nie aufgezwungen?"

Jamie schüttelte ihren Kopf.

"Nein, das würde er nie tun. Nur manchmal umarmt er mich. Ich glaube er braucht die Gewissheit, dass ich wirklich keine Reaktion zeige."

Jamie legte den neuen Kimono auf einen kleinen Felsen und steckte die mitgebrachte Fackel in eine vorgesehene Halterung. Das innere der Höhle wurde nur sehr schwach beleuchtet. Rijan konnte gerade mal den Einstieg in die Quelle erkennen. Es war feucht und warm hier drinnen. Der Dampf der Quelle nebelte die Höhle ein. Das Wasser war wirklich verlockend.

Jamie half Rijan dabei den Kimono wieder zu lösen. Sie wollte ihn gerade abstreifen, als sie eine Bewegung im Wasser wahrnahm. Hastig fuhr sie herum und starrte angestrengt in das Dunkel. Krampfhaft hielt sie den losen Kimono zusammen. Die Bewegung wurde deutlicher und recht bald zeichnete sich eine Gestalt ab. Eine männliche Gestalt, wie Rijan auch schnell erkannte. Einen Augenblick betete sie darum, dass es nach Möglichkeit Sesshoumaru war, aber natürlich war dem nicht der Fall. Akiko tauchte aus dem Wasser auf und verließ die Quelle erhaben wie seine Mutter.

Rijan drehte ihm ihren Rücken zu und gab einen wütenden Laut von sich.

"Wieso habt ihr Dämonen eigentlich kein Schamgefühl?", beschwerte sie sich. Diese Familie bestand wirklich nur aus Exhibitionisten.

"Vermutlich, weil wir Dämonen keinen Grund haben uns zu schämen.", erklärte er leichthin. Sie hörte Stoff rascheln und riskierte nur sehr widerwillig einen Blick über die Schulter. Er hatte sich ein langes Tuch um die Hüften geschwungen, das bis zu seinen Knöcheln reichte. Momentan war er damit beschäftigt, seine Haare auszuwringen.

"Etwas mehr Dankbarkeit wäre angebracht. Immerhin räume ich deinetwegen die Quelle."

Vermutlich hatte er damit sogar Recht.

"Danke!", gab sie mehr als nur unterkühlt zurück. Akiko lachte und schüttelte seinen Kopf.

"Ich nehme an, ihr habt von mir gesprochen."

Rijan wurde erst jetzt klar, dass er den letzten Teil ihrer Unterhaltung mitbekommen hatte. Tiefes Rot überzog ihr Gesicht. Vorhin hatte sie noch großspurig behauptet, sich mit ihm anlegen zu wollen, doch nun wurde ihr klar, dass sie dazu wohl kaum in der Lage war.

"Weißt du, Rijan, ich mag ein Dämon sein, aber ich besitze dennoch ein Gewissen und Anstand." Sie drehte sich zu ihm um und blickte ihn direkt an. Sie wollte ihm erklären, was sie gedacht hatte.

"Uns Dämonen unterscheidet nicht sehr viel von euch Menschen."

Beinahe hätte sie darüber gelacht. Sein Vater würde genau das Gegenteil erklären.

"Und selbst wenn mein Anstand nicht so ausgeprägt wäre, hätte ich es nie nötig, mich jemandem aufzuzwingen. Ich habe die Fähigkeiten meiner Mutter geerbt. Wenn ich mit einer Frau intim sein möchte, kann ich sie auf vollkommen anderen Wegen dazu bringen."

Daran hatte Rijan bisher nicht gedacht. Richtig, er konnte vermutlich genauso stark Menschen beeinflussen wie das seine Mutter zu tun vermochte. Sie blickte ihn an, eine Entschuldigung auf den Lippen und doch nicht fähig diese wirklich auszusprechen. Er kam einen Schritt näher.

"Hat sie dir erklärt, wie genau wir das machen?"

Rijan schüttelte ihren Kopf.

"Interessiert es dich?"

Unsicherheit zeichnete sich in ihren Augen ab.

"Ich glaube nicht."

Er lachte. Leise und doch sehr sinnlich. Er lullte sie mit seinem Lachen ein. Ohne, dass er irgendetwas weiter sagte, schien sie vollkommen hypnotisiert zu sein. Nein, hypnotisiert war der falsche Ausdruck. Unter Hypnose fühlte und dachte man nicht mehr. Sie fühlte und dachte aber momentan noch sehr deutlich. Es war eher, als würde sie vollkommen fasziniert von ihm sein.

"Es ist ähnlich wie bei Tieren. Eigentlich sehr amüsant, wenn man darüber nachdenkt. Wir sondern einen Stoff aus. Nein, vielleicht eher einen Geruch. Doch nicht dieser Geruch ist das Geheimnis. Vielmehr ist es die Reaktion von anderen Lebewesen darauf."

Er umrundete sie, streifte dabei leicht ihren Arm und Rijan konnte nicht verhindern, dass sie erzitterte.

"Siehst du? Ich tue rein gar nichts, was du nicht selbst auch möchtest. Ich könnte hier ganz ruhig stehen und ohne etwas zu tun, könnte ich dich dazu bringen, dich auszuziehen. Ich könnte dich dazu bringen, dich mir an den Hals zu werfen oder ich könnte dich in die Knie zwingen und dich um meine Aufmerksamkeit betteln lassen. Das alles kann ich nur durch die Aussonderung eines Geruches steuern. Je mehr ich davon aussteuere, desto mehr kann ich bei dir bewirken."

Er umfing sie mit seinen Armen und atmete tief ihren Duft ein. Rijan musste ihm Recht geben. Sie wollte mit jeder Faser ihres Körpers, dass er genau das tat. Es war ihr nicht unangenehm.

"Es ist so simpel und doch überaus faszinierend. Findest du nicht?"

Sie nickte und blickte in seine Augen. Das Lächeln auf seinem Gesicht verschwand und er trat einen Schritt zurück. Sehr ernst blickte er nun drein. Die Faszination ließ nach.

"Ich weiß wie mächtig diese Gabe ist. Wenn ich möchte, kann ich mir alles und jeden Untertan machen. Doch mit der Macht ist das so eine Sache. Wer sie besitzt lernt auch sehr schnell, dass er damit vorsichtig umgehen muss. Alles hat Auswirkungen, die man nicht unterschätzen sollte."

Sein Blick heftete sich auf Jamie.

"Es hat dich erstaunt, dass ihr vollkommen egal war, was ich mit ihr tue, richtig?"

Rijan nickte und sah dabei zu, wie Jamie sich auf Akiko zu bewegte. Er hatte sie nicht gerufen, noch glaubte sie, dass er seine Macht einsetzte. Es musste sein Blick gewesen sein, der ihr gesagt hatte, was sie tun sollte. Und sie tat es. Ohne darüber nachzudenken, ohne auf die Idee zu kommen, das Gegenteil zu tun, folgte sie seiner Aufforderung. Er griff neben sich und zog einen kleinen Dolch aus der Wand.

Aha, Waffen schienen ihn doch nicht sehr zu beunruhigen.

"Die Erklärung ist eigentlich sehr einfach."

Rijan fand das keineswegs. Akiko reichte Jamie den Dolch und blickte Rijan an.

"Sie besitzt keine Seele."

Rijan blickte schockiert zu Jamie. Das konnte nicht sein. Und doch schien es die Wahrheit zu sein. Es erklärte ihre gleichgültige Art. Warum sie keine Reaktion zeigte. Sie fühlte nichts.

"Richtig, sie kann nicht fühlen. Sie kann nicht Recht von Unrecht unterscheiden. Für all diese Dinge braucht man eine Seele. Doch die hat sie nicht." Offenbar wusste er, dass Rijan das nicht glauben konnte, denn er streckte seinen Arm aus.

"Schneide mich!", befahl er Jamie und blickte ihr dabei fest ins Gesicht. Jamie erwiderte diesen Blick nicht. Sie nahm den Doch und ohne mit der Wimper zu zucken, ließ sie die scharfe Klinge über seinen Unterarm gleiten. Ein sauberer Schnitt, aus dem zugleich Blut floss. Akiko blickte auf die Wunde. Einen Moment lang starrte er finster auf das Blut, doch der Ausdruck verflog wieder. Er nahm den Dolch zurück und verstaute ihn wieder im Dunkel der Wand.

"Solltest du dich nicht sicher fühlen ..." Er sprach nicht weiter, deutete aber mit dem Kopf auf die Stelle, an der der Dolch steckte.

Rijan machte einen Schritt auf ihn zu.

"Die Wunde muss verbunden werden."

Er schüttelte seinen Kopf.

"Das hört von alleine wieder auf." Sie beließ es dabei, sah ihn aber immer noch nachdenklich an.

"Was? Denkst du darüber nach, ob ich doch so schlecht bin, wie du glaubst?" Er sagte es leichthin, doch sie hörte den Unterton deutlich heraus. Sieh einer an. Es gab also einen Dämon, dem nicht ganz egal war, was andere von ihm dachten.

"Deine Macht ...", fing sie an. "Letztendlich manipulierst du doch nur. Es ist nur eine andere Art von Zwang."

Er hielt in der Bewegung inne und sah Rijan einen Moment lang schweigend an. Dann schüttelte er seinen Kopf.

"Fühltest du dich gezwungen?"

Sie schüttelte ihren Kopf.

"Nein, aber ich hatte auch keinen freien Willen."

Er lachte erneut, doch diesmal klang es sehr bitter.

"Wirklich?" Damit drehte er sich um und ging ein paar Schritte. Doch so ganz wollte er es wohl nicht auf sich beruhen lassen.

"Ihr Menschen seid Meister darin, euch selbst zu belügen. Diese Macht, die ich habe, kann ich nur bei Menschen einsetzen, denen ich gefalle. Die sowieso schon irgendwie fasziniert sind. Menschen, die Dämonen abgrundtief hassen, sind gegen diesen Zauber immun. Man kann niemanden gegen seinen Willen benutzen, Rijan. Wenn du mir nicht glaubst, frag dich, was du gefühlt hast, als ich mich von dir entfernt habe."

Damit ging er dann wirklich und ließ eine nachdenkliche Rijan zurück. Jamie folgte ihm, sobald sie Rijan den alten Kimono abgenommen hatte.

Langsam stieg sie die steinigen Stufen in das warme Wasser hinab. Ihre Muskeln entspannten sich recht schnell. Sie setzte sich auf einen steinernen Haufen und ließ das Wasser sie umspülen.

"Was ich gefühlt habe?", echote sie nachdenklich.

Nun, wenn sie ehrlich war, hatte er wohl Recht. Sicher, er hatte mit seiner Kraft dafür gesorgt, dass sie seine Umarmung herbeigesehnt hatte, doch dann als er sich entfernt hatte und seine Macht geschwunden war, hatte sie sich trotzdem nicht benutzt gefühlt. Und warum war das so gewesen? Weil er Recht hatte. Tief in ihr, gab es wohl einen Part, der von ihm hatte berührt werden wollen. Doch diese Erkenntnis war viel schlimmer als jede andere.

Denn zum ersten Mal wurde Rijan klar, wie gefährlich ihr Akiko werden konnte. Er sah seinem Vater nicht nur extrem ähnlich, nein, genau genommen, hatte er wohl alle Eigenschaften, die sich Rijan bei Sesshoumaru wünschte, jedoch nicht vorfand. Betrachtete man es genauer, war Akiko wohl einfach nur die bessere Version von Sesshoumaru. Und das war etwas, das Rijan wirklich tief traf.
 

Fortsetzung folgt ...
 

Okay, nach nochmaligem Lesen ist der Part doch nicht so schlimm. Ich hänge eben nur grade, weil ich nicht weiß, wie ich zum nächsten Part der Story kommen soll. Na ja, kommt Zeit kommt Rat.
 

Einigen Lesern ist wohl aufgefallen, dass Akiko eigentlich ein Mädchenname ist (right, T-Fan?). Ich gestehe, dem ist tatsächlich so. Aber irgendwie hat sich der Name in meinem Kopf verfestigt und Akiko ist eben Akiko. Außerdem ist er ja ein Dämon, die haben immer komische Namen, warum also nicht auch einen Mädchennamen. Des weiteren heißt Akiko Kind des Herbstes. von der Übersetzung kann es also auch ein Junge sein. Okay, ich hoffe, das geht als Entschuldigung durch. :)
 

Hab euch alle lieb und nächstes Mal auch wieder bessere Laune.
 

Rogue

Wolken am Horizont

Ach Leute, ihr seid so gut zu mir. Vier Kapitel und schon 50 Kommis. Womit hab ich das eigentlich verdient?
 

und ich krieg so ein schlechtes GEwissen, echt. ICh weiß die Fortsetzung hat gedauert, aber alles was ich geschrieben habe, konnte man echt den Hasen zum Fraß vorwerfen. Ich schwöre. Naja, ich glaub der Part ist aber recht gut geworden. Hat ja auch lang genug gedauert. Akikos Erzählsicht kommt ab heute hinzu. Ich hab festgestellt, dass Rijans Sichtweise nicht mehr ausreicht, weil sonste wichtige Aspekte der Handlung fehlen. Hoffe euch gefällts, Kritik ist aber natürlich trotzdem willkommen (aber seid gnädig mit mir :)
 

So, here we go:
 

Akiko seufzte schwer, während er sich ankleidete. Wo blieb Jamie nur? Hatte er überhaupt schon einmal erlebt, dass sie auf seinen Ruf nicht antwortete? Nein, eigentlich konnte er sich daran nicht erinnern. Beunruhigung machte sich in ihm breit. Vielleicht war ihr ja etwas passiert. Ausgeschlossen war das jedenfalls nicht. Würde sie denn um Hilfe rufen, wenn sie sich verletzt hätte? Er fluchte unterdrückt. Nein, das würde sie ganz sicher nicht.

Er zog die Tür zu seinem Zimmer mit einem heftigen Ruck zu. Verdammt! Er hätte sich schon längst darum kümmern sollen, dass Jamie endlich ihre Seele zurückbekam. Oder noch besser, er hätte gleich auf seinen Vater hören sollen. Damals hatte er ihm von Jamie berichtet und der Rat seines Vaters war gewesen, das Mädchen sofort zu töten. Wenn sie keine Seele hatte, brauchte sie auch kein Leben. Harte Worte, doch natürlich hatte sein Vater kein Mitleid mit einem schwachen Geschöpf. Er hätte es wohl wirklich tun sollen. Eine Menge Arbeit und Ärger wäre ihm erspart geblieben. Dennoch, als er damals Jamies Herzschlag vernommen hatte, war er nicht in der Lage gewesen, ihr das Leben wieder zu nehmen. Er war schließlich kein Monster. Sein Vater hätte sie wohl ohne mit der Wimper zu zucken wieder ins Jenseits befördert. Aber er war eben nicht sein Vater. In den vergangen Tagen war ihm das sehr deutlich bewusst geworden. Automatisch spreizte er die Finger seiner rechten Hand. Er hatte sie sich vor zwei Tagen gebrochen, während der mit seinem Vater trainiert hatte. Langsam wusste Akiko wirklich nicht mehr, wozu sein Vater diese Mühe auf sich nahm. Es müsste selbst Sesshoumaru mittlerweile klar sein, dass Akiko einfach keine Fortschritte machte. Das Training war überflüssig. Aus ihm würde nie ein guter Kämpfer werden.

Er öffnete die Tür zum großen Speisesaal. Seine Mutter stand in der Mitte des Zimmers und sah ziemlich wütend aus. Jamie kniete vor ihr und sammelte einige Scherben auf. Akiko runzelte die Stirn, während er die beiden betrachtete. Chidori wandte ihren Kopf und sah ihn an. Ihre Augen wirkten dunkler als sonst. Offensichtlich hatte sie sich über etwas ziemlich aufgeregt.

"Ist etwas nicht in Ordnung?" Chidori schnaubte aufgebracht und sah ihren Sohn vernichtend an. Er hob abwehrend die Hände und versuchte sie zu besänftigen.

"Wenn es um die zerbrochene Schüssel geht: Wir haben mehr als genug davon."

Sie knurrte und offenbarte dabei ziemlich beeindruckende Reißzähne. Er verschränkte die Arme und lehnte sich an den Türrahmen.

Jamie war mit ihrer Arbeit zwischenzeitlich fertig und stand wieder auf. Sie hatte die Scherben in ein Tuch gewickelt und wollte dieses nun hinausbringen. Sie passierte Akiko und er blickte kurz in ihr Gesicht, was ihm einen lauten Fluch entlockte. Festen Griffes umfasste er ihr Kinn und drehte ihr Gesicht zu sich. Der Abdruck einer Hand zeichnete sich sehr deutlich auf ihrer Wange ab.

"Wer war das?", verlangte er zu wissen. Jamie entzog sich ihm und senkte den Blick.

"Chidori-sama.", antwortete sie, ehe sie das Zimmer verließ. Akikos Blick wanderte weiter zu seiner Mutter. Mit langsamen Schritten näherte er sich ihr. Warum fühlte er solche ein Wut in sich?

"Du hast sie geschlagen?"

Chidori funkelte ihn an, nickte jedoch ohne ein Anzeichen von Reue.

"Wegen der zerbrochenen Schale?", fragte er weiter und konnte seine Wut nur schwer unterdrücken.

Sie nickte erneut und wollte ihm den Rücken zudrehen. Offenbar gedachte sie nicht, sich mit ihrem Sohn auseinander zu setzen. Akiko hielt sie am Arm fest, zog seine Hand jedoch augenblicklich zurück, als er ihren vernichtenden Blick auffing.

"Du wirst dich bei ihr entschuldigen.", verlangte er und blickte sie fest an. Er war kein kleiner Junge mehr, der sich von ihr einschüchtern ließ.

"Ich soll mich bei einem einfachen Menschen entschuldigen? Noch dazu bei jemandem, dem es vollkommen egal ist?", fragte sie mit gefährlich leiser Stimme. Ihre Stimme klang kein bisschen wütend und das war etwas, was ihm wirklich Unbehagen bereitete.

"Mir ist es aber nicht egal. Du wirst dich entschuldigen." Er würde diesen Kampf nicht verlieren.

"Erteilst du mir gerade Befehle?" Er richtete sich etwas mehr auf und nickte schließlich.

Chidori machten einen Schritt auf ihn zu. Sie musste aufblicken um seinen Blick festzuhalten. Der verrückte Wunsch zurückzuweichen erwachte in ihm, dennoch blieb er standhaft.

"Ich werde mich keineswegs bei dieser leblosen Hülle entschuldigen. Sei froh, dass ich sie überhaupt dulde. Und um die Sache zu präzisieren: Ich schlage wen, wann ich immer möchte. Du hast mir überhaupt keine Vorschriften zu machen." Ihre Stimme blieb immer noch sehr ruhig. Die Worte waren leise, doch Akiko verstand sie natürlich sehr genau. Wut flammte in seinen Augen auf.

"Das wirst du ganz bestimmt nicht. Wenn ich noch einmal mitbekomme, dass du Jamie ein Haar krümmst, dann ..." Er brach ab. Ja, was dann?

"Du willst mir drohen?", fragte sie unbeeindruckt.

Er nickte, obwohl er sich dabei nicht so sicher war. Sie war seine Mutter, wie sollte er ihr jemals etwas antun können. Dennoch würde er nicht einfach hinnehmen, dass sie sich Jamie gegenüber derartig aufführte.

"Ich möchte dir nicht wehtun, aber ich werde Jamie beschützen. Mit allen Mitteln wenn es sein muss." Und dann explodierte Chidori. Er hatte seine Mutter noch nie so erlebt. Das Weis ihrer Augen wurde tiefschwarz. Das Rot fing an zu leuchten. Sie fletschte mit den Zähnen und brachte ihn nun doch dazu, dass er zurückwich. Doch da war es schon zu spät. Sie packte ihren Sohn am Hals und drückte ihre langen Nägel langsam in sein Fleisch. Akiko keuchte auf.

"Du bist kein Deut besser als dein Vater. Wie kannst du gleichzeitig mein Sohn und doch diesem Bastard derartig ähnlich sein?", fauchte sie. Akiko versuchte sich von ihrem Griff zu befreien, stellte aber zu seiner Verwunderung fest, dass er das nicht schaffte. Ihm war nie klar gewesen, dass seine Mutter ebenfalls ein sehr mächtiger Dämon war. Schließlich zog sie ihre Hand zurück. Er konnte fühlen, dass Blut aus den Wunden trat.

"Ich hasse Menschen!", zischte sie. Er schüttelte seinen Kopf.

"Das stimmt doch überhaupt nicht. Wenn es so wäre, würdest du nicht zulassen, dass sie dich berühren.", entgegnete er, diesmal aber sorgfältig darauf bedacht, ihr nicht zu nahe zu sein. Sie fauchte erneut.

"Menschen sind schwach und widerwärtig. Sie stoßen mich ab und ekeln mich an. Ich vertreibe mir nur meine Langeweile mit ihnen um sie anschließend noch viel mehr zu verabscheuen. Sieh sie dir an? Sind sie nicht absolut lächerlich. Sie hassen mich und doch können sie mir keinen Moment widerstehen."

Das Schwarz verschwand langsam. Allmählich bekam sie ihre Wut wieder unter Kontrolle.

"Ich werde das nicht länger hinnehmen hörst du! Weder von dir noch von deinem Vater." Er runzelte die Stirn.

"Was wirst du nicht länger hinnehmen?" Sie verwirrte ihn heute wirklich sehr.

Chidori blickte auf ihre mit seinem Blut verschmierten Finger.

"Ich bin mächtig. Nur weil ich meine Macht nicht benutze, scheint ihr beide zu vergessen, dass ich sie dennoch habe."

Sie sprach in Rätseln. Er verstand rein gar nicht, was eigentlich los war.

"Ich weiß wirklich nicht, was eigentlich los ist.", gab er zu bedenken, doch Chidori ignorierte diese Aussage.

"Ich weiß, dass ihr das mit Absicht tut. Ihr setzt mir diese schwachen Menschen vor die Nase und verlangt auch noch, dass ich das toleriere. Aber damit ist jetzt Schluss. Ich habe lange genug nach eurer Pfeife getanzt."

Sie drehte Akiko ihren Rücken zu und ging zur Tür.

"Chi?", fragte er verwirrt. Sie blieb stehen und blickte über ihre Schulter.

"Warum hasst ihr einander so?" Er konnte diesen Hass sehr deutlich fühlen. Wann immer Chidori und Sesshoumaru im gleichen Raum waren, war die Anspannung beinahe greifbar.

"Ich meine, dem kann nicht immer so gewesen sein."

Nun war sie es die ihre Stirn runzelte.

"Wie kommst du darauf?"

"Warum sollten zwei Dämonen, die sich derartig verachten, ein gemeinsames Kind zeugen?"

Sie drehte sich wieder um und blickte ihn an.

"Deinetwegen, Akiko. Alles geschieht immer nur deinetwegen. Du solltest stark werden. Du solltest zumindest die Möglichkeit haben, alles zu erreichen, was du möchtest. Starke Gene, verstehst du?" Er glaubte ihr kein Wort, beließ es jedoch dabei. Sie würde ihm nicht sagen, was damals geschehen war.

"Du wirst dich also nicht entschuldigen?", fragte er, obwohl er die Antwort längst kannte.

"Es gibt nichts, wofür ich mich entschuldigen müsste." Sie öffnete die Tür.

"Du solltest eines nicht vergessen, Akiko. Du bist mein Sohn."

"Das weiß ich doch."

"Du hättest mich nur sehr ungern zu deinem Feind."

Akiko schluckte schwer.

"Ich möchte dich nicht zum Feind haben. Du bist meine Mutter, wie du eben schon bemerkt hast."

Sie nickte.

"Hai, das bin ich. Und doch stehen wir auf verschiedenen Seiten. Du wirst dich irgendwann entscheiden müssen, Akiko. Daran wird wohl kein Weg vorbeigehen."

Damit ließ sie ihn alleine. Akiko starrte noch eine ganze Weile auf den leeren Flur hinaus. Er würde sich entscheiden müssen? Sie standen auf verschiedenen Seiten? Seine Mutter war heute wirklich mehr als nur seltsam. Von welchen Seiten sprach sie? Dämonen und Menschen oder ihre Seite und die seines Vaters?

Wirklich er war es so Leid, ständig irgendwo dazwischen zu stehen. Er stand auf niemandes Seite. Er tat was er für richtig hielt. Und Jamie zu beschützen war nun einmal seine Pflicht. Er war es gewesen, der sie in dieses Leben gerufen hatte. Er war es gewesen, der es bis heute nicht fertig gebracht hatte, ihr eine Seele zu geben. Ihre Seele um genau zu sein. Er war es ihr zumindest schuldig auf sie aufzupassen.
 

Rijan saß auf den Stufen vor dem Haus und meditierte. Sie war nie ein besonders spiritueller Mensch gewesen. Normalerweise fehlte ihr die innere Ruhe um eine Meditation erfolgreich zu bestreiten, doch seit sie hie war, war einiges anders. Sie befürchtete durchzudrehen, wenn sie nicht ihre innere Ruhe fand. Wie lange war sie schon hier? Zwei Wochen oder waren es drei? Sie konnte es nicht sagen. Sesshoumaru hatte sie in all der Zeit eigentlich nur zu Gesicht bekommen, wenn er mit Akiko trainierte. Der arme Kerl konnte einem mittlerweile fast leid tun. Sie als Außenstehende konnte natürlich durchaus beobachten das Akiko sehr schnell lernte. Er war verdammt gut geworden in den letzten Tagen. Dennoch, sein Vater wollte wohl nicht, dass ihm dieser Erfolg zu Kopf stieg und er sich darauf ausruhte, deswegen steigerte er in gleichem Maße wie Akiko lernte, seine eigene Geschwindigkeit. Und Akiko bemerkte das nicht einmal. Sie hatte oft genug den Ausdruck seiner Augen gesehen. Resignation. Er wusste nicht, dass er besser wurde. Er sah nur, dass er seinem Vater nie einen Treffer abnehmen konnte. Ein wenig Leid tat er ihr schon. Sie hätte Sesshoumaru gerne gefragt, auf was er seinen Sohn eigentlich vorbereitete. In letzter Zeit war er so unruhig. Sie konnte es fühlen. Etwas beschäftigte ihn und ausnahmsweise war sie sich sicher, dass Chidori nicht der Grund dafür war. Er war selten in diesem Haus. Sie wusste nicht, wo er hinging oder wann er wieder zurückkam. Sie hatte Akiko gefragt, ob er das wusste, doch dieser kam von Tag zu Tag schlechter auf seinen Vater zu sprechen. Also hatte sie es unterlassen ihm weitere Fragen zu stellen. Die Anspannung, die alle Bewohner dieses Hauses erfasste, war kaum noch zu ertragen. Einzig Jamie bemerkte davon nichts. Wie war ruhig und gelassen wie eh und je. Rijan beneidete sie darum.

Sie blinzelte in die Sonne und unterdrückte einen Fluch. Verdammt, jetzt schweiften ihre Gedanken schon wieder ab. Sie wollte doch ihre innere Ruhe finden. Aber leider war das gar nicht so einfach, wenn einen so viel beschäftige.

Sie wüsste wirklich gerne, was Sesshoumaru beunruhigte. Ihre eigene Unruhe hatte in den vergangen Tagen zugenommen. Sie hatte sogar wieder angefangen ein wenig zu trainieren. Nun ja, ein wenig war wohl untertrieben. Sie war schließlich froh, wenn sie Beschäftigung fand und noch froher war sie, wenn sie dazu das Haus verlassen konnte. Ihre Glieder waren schwer von den Verletzungen. Die ersten Tage hatte sie furchtbaren Muskelkater gehabt, doch so langsam ging es immer besser. Sie wünschte sie hätte ihren Anzug noch. Jamie hatte ihr einen Suikan beschafft doch darin fühlte sie sich einfach nicht wohl. Sie glaubte, dass der viele Stoff ihre Bewegungen beeinträchtigte. Womöglich war das nur Einbildung, aber auch die konnte schon viel bewirken.

Rijan rief sich zur Ordnung. Sie war hier um zu meditieren. Andere Menschen schafften das schließlich auch. Warum sollte ihr das also nicht gelingen?

Doch kaum hatte sie ihre Augen wieder geschlossen, schweiften ihre Gedanken erneut ab. Chidori war ein solches Biest. Allein der Gedanke an diese Frau, brachte ihr Blut zum Kochen. Sie verstand beim besten Willen nicht, was Sesshoumaru nur jemals an ihr gefunden hatte. Sie war eine Hexe. Ja genau, das war sie. Und zwar im übelsten Sinne. Ständig verpestete sie die Atmosphäre in diesem Haus durch ihre giftigen Sprüche. Sie beleidigte Rijan wo sie nur konnte und Rijan selbst fühlte sich nie in der Lage darauf etwas zu entgegnen. Oh sicher, kaum war Rijan wieder allein, fielen ihr tausend Dinge ein, die sie ihr am liebsten an den Kopf geworfen hätte. Doch wenn Chidori eben anwesend war, schien sie blockiert zu sein. Sie fürchtete sich vor dieser Frau. Sei gab es nicht gerne zu, aber dem war so. Chidori war mächtig. Ihre ganze erhabene Art ließ das durchblicken. Rijan hatte zwar noch nie erlebt, dass sie auch nur irgendeine Art von Magie anwandte, aber ohne Zweifel konnte sie das. Und Rijan konnte wirklich darauf verzichten, Zeuge von Chidoris Macht zu werden.

Ein frustrierter Laut kaum über ihre Lippen. Fein, sie war offenbar nicht in der Lage zu meditieren. Genervt gab sie auf und ging zurück ins Haus. Gerade noch rechtzeitig konnte sie sich in einer dunklen Ecke verstecken, als Chidori wie ein Racheengel den Flur entlangging. Rijan ärgerte sich darüber, dass sie sich wirklich vor ihr versteckt hatte. Sie hatte keine Grund sich zu fürchten. Verdammt, sie war schließlich eine Dämonenjägerin und Chidori war nur ein Dämon. Eigentlich sollte sie sich fürchten.

Rijan schlich sich auf ihr Zimmer. Sie hatte die Tür noch nicht erreicht, da tauchte Jamie in ihrem Blickfeld auf. Jamie war Rijans Lichtblick in diesem Haus. Obwohl diese Frau keinerlei Gefühle hatte und sich auch für nichts zu interessieren schien, konnte Rijan mit ihr erstaunlich offen reden. Jamie erzählte ihr so ziemlich alles, was hier vor sich ging.

"Chidori scheint sauer zu sein!", Jamie nickte und trat nähr. Rijan sah, dass man sie geschlagen hatte. Sie zog scharf den Atem ein.

"Akiko-sama nehme ich an." Jamie schüttelte ihren Kopf, was Rijan tatsächlich erstaunte. Sie hätte darauf geschworen, dass Akiko das gewesen war.

"Nein, Chidori-sama war wütend. Aber das hast du ja schon selbst erkannt." Einmal mehr fühlte Rijan für die Frau eine tiefe Abneigung.

"Sie hat dich geschlagen?", fragte sie fassungslos. Jamie nickte, schien darüber aber nicht sonderlich empört zu sein.

"Du regst dich genauso sehr wie Akiko-sama auf." Rijan zog verblüfft eine Augenbraue hoch. Damit hatte sie nicht gerechnet.

"Er hat sich aufgeregt?" Die junge Frau nickte und wollte an Rijan vorbei.

"War Chidori deswegen eben so sauer?" Hatte sie sich etwa mit ihrem Sohn gestritten? Und das auch noch wegen eines Menschen? Seltsam, was hier vor sich ging.

"Hai, sie haben ziemlich laut gestritten."

Rijan nickte nachdenklich und blickte in die Richtung, in die Chidori verschwunden war. Interessant! Es freute Rijan ungemein, dass Chidori offenbar neuerdings auch mit ihrem Sohn Probleme hatte. Selbst Schuld, was war sie auch so giftig und unausstehlich. Als Rijan zu Jamie zurückblicken wollte war diese längst verschwunden. Sie seufzte leise und betrat dann ihr Zimmer. Ihr Blick fiel auf das große Bett. Überrascht hielt sie den Atem an. Das konnte doch nicht sein. Beinahe hätte sie laut gejubelt.

Eilig trat sie näher und betrachtete das Gewand auf ihrem Bett. Sie sank auf die Knie und umklammerte dabei den neuen Kampfanzug. Ockerfarben war er und Rijan zweifelte keinen Moment daran, dass er ihr wie angegossen passen würde. Die Schützer für Knie, Schultern und Ellenbogen waren aus Schildkrötenpanzer gefertigt, was rein optisch auch sehr gut zu dem Ocker passte. Sie blinzelte einige Tränen aus ihren Augen fort. Sie wusste von wem dieses Geschenk stammte. Es konnte nur von ihm sein. Rijan drückte den Anzug fest an sich. Etwas Schöneres hätte er ihr nicht schenken können. Sie stand auf und legte den Anzug wieder fein säuberlich auf das Bett. Dann stürmte sie aus ihrem Zimmer. Zielstrebig fand sie Sesshoumarus Zimmer, doch natürlich war er mal wieder nicht dort. Sie überlegte kurz und ging dann einige weitere Zimmer ab. Schließlich öffnete sie eine Tür und erblickte Chidori. Diese war eilig damit beschäftigt sich den Kimono wieder über die Schultern zu ziehen. Rijan runzelte die Stirn. Hatte sie eben schwarze Haut gesehen? Seltsam sie hätte schwören können, dass dem so war. Aber der Moment war nur sehr kurz gewesen. Chidori fuhr aufgebracht herum.

"Kannst du nicht anklopfen?" Sie hatte nun wirklich keine Zeit für Chidoris Boshaftigkeiten.

"Ich wusste nicht, dass du hier bist.", verteidigte sie sich.

"Ach und deswegen muss man nicht anklopfen?" Sie sah sie hochmütig an. Rijan streckte sich etwas und hob den Kopf. Schluss jetzt, sie würde sich von dieser Frau nicht länger solch eine Behandlung gefallen lassen. Sie war auf ausdrücklichen Wunsch von Sesshoumaru hier. Chidori konnte an dieser Tatsache nicht rütteln.

"Ich suche Sesshoumaru. Hast du ihn gesehen?"

Chidori verschränkte die Arme.

"Selbst wenn ich das hätte, würde ich es dir mit Sicherheit nicht sagen."

Das reichte, Rijan platzte der Kragen. Es war unglaublich, aber allein das Wissen wieder eine Uniform zu haben, stärkte ihr Selbstvertrauen. Sie betrat mit schnellen Schritten den Raum und packte die überraschte Chidori am Kragen ihres Gewandes.

"Jetzt hör mir mal zu. Ich habe die Nase von deinem Getue voll. Ich weiß, du möchtest mich nicht hier haben, aber es ist Sesshoumarus Wille. Daran kannst du nichts ändern. Also finde dich damit ab."

"Sesshoumarus Wille? Was weißt du denn schon über Sesshoumarus Willen? Du bist einzig und allein hier, weil er mich demütigen möchte. Glaub nicht, dass es dabei um dich geht."

Chidori machte sich los und blickte Rijan verhasst an.

"Selbst wenn es so wäre, kann ich das mittlerweile verstehen. Du bist ein solch absonderlicher Dämon. Du bist böse und biestig. Du bist gemein und hinterhältig. Du bist sozusagen das personifizierte Böse." Rijan redete sich in Fahrt, sie merkte nicht, dass Chidori langsam zurückwich.

"Mittlerweile wundert es mich kein bisschen mehr, dass Sesshoumaru dich derartig verabscheut. Sein Hass ist nur zu verständlich. Bis jetzt dachte ich es wäre übertrieben, dass er sich allein bei dem Gedanken an eure gemeinsame Zeit ekelt. Doch nun kann ich ihn wirklich sehr gut verstehen." Verachtend blickte sie zu Chidori. Diese blickte sie aus großen Augen an. Rijan hatte damit gerechnet, dass Chidori ausfallend werde würde, doch nichts dergleichen geschah. Das verwirrte sie etwas.

"Hat er das gesagt?", fragte sie leise. Rijan nickte bekräftigend, wohlwissend, dass dem nicht so war. Doch das spielte keine Rolle. Es fühlte sich gut an, dieser Frau endlich den Wind aus den Segeln zu nehmen.

"Hai, genau das hat er gesagt. Du ekelst ihn an und er verachtet dich. Sobald man dich kennt, versteht man das auch."

Und da erwachte Chidoris Wut.

"Ich muss mich nicht in meinem Haus von dir beschimpfen lassen." Mit einem Satz packte sie Rijan am Hals und bohrte ihre Krallen in Rijans Fleisch.

"Es ist nicht dein Haus!" Rijan hatte keine Angst. Sie würde ihr nichts tun. Längst hatte Rijan eines erkannt. Den Einzigen den Chidori fürchtete war Sesshoumaru und der würde wirklich wütend werden, wenn sie ihr ein Haar krümmte.

"Aber ich lebe hier!"

"Genau wie ich momentan. Gewöhn dich besser daran!", zischte sie zurück und erst da nahm Chidori die Hand von ihr. Rijan hielt sich den blutenden Hals und sah sie zornig an.

"Mach schon mal besser dein Testament. Wenn Sesshoumaru das sieht, wird er ziemlich wütend werden."

"Soll er doch. Ich habe keine Angst mehr. Ich bin weitaus mächtiger als diesem Idiot momentan klar ist. Das hat er wohl vergessen.", giftete Chidori und sah Rijan herablassend an.

"Ihr werdet beide noch euer blaues Wunder erleben. Aber bitte, geh zu ihm. Er ist im Wald." Rijan drehte sich wortlos um und verließ den Raum. Nein, Chidori irrte sich. Ab jetzt würde sie nämlich ihr blaues Wunder erleben. Nie wieder würde Rijan zulassen, das sie derartig behandelte. Doch erst einmal musste sie zu Sesshoumaru. Rennend verließ sie das Haus.
 

Akiko sah Rijan nach wie sie hastig davonrannte. Er konnte ihr Blut selbst von hier aus riechen. Chidori war heute wirklich unberechenbar. Er betastete seinen eigenen Hals. Die Wunde war längst wieder verheilt. Das ging bei ihm sehr schnell.

Er kannte seine Mutter, doch so hatte er sie noch nie erlebt. Einmal mehr fragte er sich, was eigentlich zwischen ihr und Sesshoumaru vorgefallen war. Man hasste einander nicht so sehr, wenn nichts Gravierendes gewesen wäre.

Beunruhigt blickte er zum Himmel. Bildete er es nur ein, oder lag tatsächlich Unheil in der Luft. Sein Blick wanderte zurück zum Haus. Chidori hatte einen Fehler gemacht. Das war ihm klar und die Soge, die ihn erfasste, weckte die Angst in ihm. Das hier konnte schlimm ausgehen. Sein Vater hatte klar gemacht, dass niemand Rijan anzufassen hatte. Sorgenfalten bildeten sich auf seiner Stirn.

"Ihr seht beunruhigt aus, Akiko-sama!" Er drehte leicht den Kopf und sah Jamie neben sich stehen.

"Ich kann etwas fühlen, Jamie. Doch ich habe keine Ahnung, was das ist."

"Aber es beunruhigt Euch."

Er nickte. Ja, das tat es in der Tat. Er hatte so etwas noch nie zuvor gefühlt. Es war als würde etwas in ihm schreien, er solle sich in Acht nehmen. Und doch wusste er nicht, wovor genau man ihn warnen wollte.

Jamie blickte ihn an. Er lächelte halbherzig.

"Geh meiner Mutter heute aus dem Weg, ja?"

Sie nickte artig und verschwand dann wieder im Haus.

Wenigstens darauf konnte er sich verlassen. Jamie tat immer was er sagte. Ein wenig nahm die Beunruhigung ab. Dennoch sah er die dunklen Wolken, die langsam am Himmel aufzogen.
 

Hach ja, was soll ich sagen. Wie gesagt, ich bin doch recht zufrieden, aber ihr kennt natürlich auch nicht die Vorgängerversionen. Vielleicht freunde ich ja den ein oder anderen mit Akiko an, nachdem er das ganze jetzt aus seiner Sichtweise erzählen darf. Was haltet ihr von Sessys Geschenk? Ich fand sie braucht einen neuen Anzug und irgendwie finde ich gelbtöne stehen Rijan sehr gut. Hach man, ich sollte dringend noch das Bild für ihre Charabeschreibung zeichnen.
 

Hab euch alle lieb

Rogue

Wölfe!

Hi ihr Lieben,
 

hach ja, schon wieder so viele liebe nette Kommis. Euch scheint meine Story echt zu gefallen. Besonderen Dank all jenen, den Akiko so gut gefällt wie mir. Wenn ihr ihn jetzt schon mögt, wartet ab, was ich noch alles vorhabe. <geheimnisvoll bin>
 

So, aber machen wir erst mal wie geplant weiter, right?
 

Here we go:
 

Rijan hastete planlos durch den dichten Wald. Sie hatte längst erkannt, dass es vollkommen sinnlos war, Sesshoumaru zu suchen. Nach Atem ringend blieb sie stehen und sah sich um. Es gab keine Anzeichen, dass er hier gewesen war. Sie könnte noch Stunden weitersuchen und doch keinen einzigen Hinweis auf seinen Aufenthaltsort finden. Sesshoumaru war ein Meister darin, sich ohne Spuren zu hinterlassen, fortzubewegen. Sie beneidete ihn durchaus um diese Eigenschaft, doch in Momenten wie diesen würde sie ihn deswegen lieber verfluchen.

Rijan atmete tief ein und schloss die Augen. Irrsinnigerweise hoffte sie, ihn so zu finden. Sie konnte ihn fühlen. Das durfte sie nicht vergessen. Vielleicht sagte ihr sein momentaner Gemütszustand, wo er sein musste. Doch einmal mehr stellte sie fest, dass sich diese Verbindung nicht auf Kommando herstellen ließ. Sie seufzte schwer. Wozu hatte man eine besondere Fähigkeit, wenn sie einem nicht weiterhalf?

Ihr Blick schweifte zum Himmel. Durch die dichten Baumwipfel sah sie, dass es bereits sehr spät sein musste. Suchte sie schon so lange nach ihm?

Ein Fluch kam über ihre Lippen. Verdammt, wo war er nur? Sie hatte darüber nachgedacht, warum er ihr diesen Kampfanzug geschenkt hatte. Nach ihrer anfänglichen Begeisterung befremdete sie diese Geste doch sehr. Ein Sesshoumaru der Geschenke verteilte war in etwa wie ein Fisch der Fliegen konnte. So etwas gab es nicht. Es musste einen Grund dafür gegeben haben. Flüchtig hatte sie daran gedacht, dass er sich auf diese Weise hatte verabschieden wollen. Doch das war ebenfalls nicht seine Art. Wenn er gehen wollte, tat er es. Rijan spielte dabei wirklich keine Rolle. Blieb also nur noch eine andere Möglichkeit. Ein Kampfanzug hatte einen bestimmten Zweck. Man kleidete sich nur damit, wenn man auch kämpfen wollte. Einmal mehr erinnerte sie sich daran, wie verbissen er seinen Sohn trainierte. Was wusste Sesshoumaru, das ihr nicht bekannt war? Offenbar würde ein Kampf bevorstehen. Das war der einzige Grund, warum er ihr einen neuen Anzug besorgt hatte. Jede andere Möglichkeit, die sie sich überlegt hatte, war irrsinnig.

Erneute versuchte sie ihn zu fühlen, doch es gelang wieder nicht. Verdammt, langsam wurde sie wirklich wütend. Ein Kampf? Was für ein Kampf sollte das sein? Offenbar etwas Größeres, wenn er sich die Mühe machte, seinen Sohn auszubilden und ihr eine Uniform zu besorgen. Er war ein solcher Idiot. Er konnte doch nicht einfach ein Kleidungsstück besorgen und damit die Sache für erledigt erklären. Vielleicht sollte er sie darüber aufklären, was genau hier vor sich ging. Plötzlich bekamen seine längeren Ausflüge auch eine neue Bedeutung. Er suchte etwas. Oder war es jemanden, den er versuchte zu finden? Automatisch ballte sie ihre Hände zu Fäusten. Sie würde ihm gehörig die Meinung geigen, wenn sie ihn endlich fand. So ging das einfach nicht. Und überhaupt. Sie hatten gerade einen Kampf hinter sich, der alles bisher Dagewesene in den Schatten gestellt hatte. Sie hatte überhaupt keine Lust einen neuen Kampf auszufechten. Die Wunden ihres Körpers mochten verheilt sein, doch die Narben auf ihrer Seele drohten wieder aufzuplatzen. Sie war längst nicht so weit, wieder ein Schwert in die Hand zu nehmen und sich unerschrocken in den Kampf zu stürzen. Vielleicht würde sie das nie wieder können. Es war das erste Mal, dass ihr dieser Gedanke kam. Es gab Kämpfe, die einen an den Rand der eigenen Möglichkeiten brachten. Rijan hatte das schmerzhaft erfahren müssen. Mit ihrer Seele war damals etwas geschehen, dass sie nicht näher erklären konnte. Erst jetzt nachdem sie etwas Abstand zu dieser Schlacht gewonnen hatte, wurde ihr klar, dass sie dort Dinge gesehen und erlebt hatte, die sie nicht mehr so einfach vergessen konnte. Sie hatte unendliches Leid und Grauen erdulden müssen. Das nagte an ihr. Wann immer sie an jenen Tag dachte, kamen diese Erinnerungen wieder.
 

Und auch die Erinnerungen an ihn. Tetsu! Jenen einen Menschen, dem sie mehr vertraut hatte, als gut gewesen war. Sie hatte keinen Moment einen Zweifel an seiner Ehrlichkeit gehabt. Und doch hatte er sie so mühelos verraten. Das schmerzte nach wie vor mehr als ihr lieb war. Solch einen Vertrauensbruch konnte man nicht einfach überwinden. Zu deutlich waren die Gedanken an diesen Dämonenjäger mit ihrer eigenen Schuld verbunden. Und diese Schuld schien sie immer noch zu erdrücken. Sie hatte diese Kettenreaktion in Gang gesetzt. Sie war es gewesen, die Tetsu Sesshoumarus Geheimnis offenbart hatte. Ohne ihr blindes Vertrauen hätte Tetsu nie von Tensaiga und dessen Macht erfahren. Und ohne dieses Wissen würden sehr viele unschuldige Menschen noch leben, weil sie sich nicht in diesen Krieg eingemischt hätten.
 

Rijan keuchte, als ein stechender Schmerz direkt in ihr Herz zu schießen schien. Sie wusste nicht, wie sie damit jemals klar kommen sollte. Zu deutlich sah sie die Gesichter der Gefallenen vor sich. Sie versuchte sich zu sagen, dass es nicht ihre Schuld war und doch wusste sie sehr genau, dass sie alles in die Wege geleitet hatte. Nein, sie würde nie wieder jemandem derartig vertrauen. Niemals wieder!
 

Ein leises Geräusch sorgte dafür dass ihre Nackenhärchen sich aufstellten. Ein Geräusch, dass selbst wenn es noch so leise war, sie niemals würde vergessen können. Rijan stellte an diesem Tag fest, dass es noch mehr Geschehnisse ihrer Vergangenheit gab, die sie wohl nie überwinden würde.

Langsam drehte sie sich um und wusste doch zu genau, was sie sehen würde. Dennoch durchfuhr es sie wie einen Schock als sie in die leuchtend gelben Augen eines zähnefletschenden Wolfes blickte.
 


 

Akiko erhob sich langsam. Wunderbar, als würde die schlechte Laune an diesem Ort nicht schon groß genug sein. Er hatte sich heute förmlich zwingen müssen, seiner Mutter Gesellschaft zu leisten. Dennoch hatte er es für klüger befunden, sie besser nicht aus den Augen zu lassen. Man konnte schließlich nie wissen.

Er hörte seinen Vater bereits, bevor die Tür beinahe aus den Angeln gehoben wurde. Wut schien plötzlich den ganzen Raum einzunehmen. Sesshoumaru bewegte sich mit einer Schnelligkeit, die Akiko kaum mit den Augen erfassen konnte. Chidori, die eben noch gelassen auf ihrem Stuhl gesessen hatte, erhob sich blitzartig und wollte Sesshoumarus Krallen ausweichen, doch sie war zu langsam.

Mit offenem Mund sah Akiko seinem Vater zu, wie er Chidori am Hals packte und gegen die nächste Wand schleuderte. Die Wand zeigte deutliche Risse durch den Aufprall. Chidori sank zu Boden und blieb erst einmal benommen liegen. Schließlich raffte sie sich mühsam wieder auf und starrte Sesshoumaru wütend an. Ihre Augen wurden düster.

"Was zur Hölle soll das werden?", fuhr sie ihn aufgebracht an, während sie mit einer Hand ihren Hals abtastete. Ungläubig starrte sie auf das Blut, das bald ihre Fingerspitzen benetzte.
 

Sesshoumaru stieß ein tiefes Knurren aus, was Akiko dazu veranlasste sich etwas näher an die Wand zu drücken. Sein Vater war ohne Zweifel sehr wütend und in diesem Zustand, wollte er ihm besser nicht in die Quere kommen. Er konnte sehen wie einzelne Adern in seinen Augen aufplatzten. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in Akikos Magen aus. Er würde Chidori doch nicht wirklich etwas tun?

"Ich habe keine Ahnung, was das zu bedeuten hat.", zischte Chidori gerade und sah ihn so würdevoll wie möglich an.

"Wo ist sie?", fragte er, doch die Worte waren kaum zu vernehmen, so tief war seine Stimme mittlerweile. Chidori wischte sich betont langsam die blutigen Finger an ihrem Gewand ab. Dann sah sie ihn herausfordernd an. Akikos ungutes Gefühl verstärkte sich. Er sollte eingreifen, das war ihm mehr als nur klar, doch brachte er keinen Ton heraus.
 

Vermutlich hatte Chidori auf seine Frage etwas belangloses antworten wollen, doch die Worte blieben unausgesprochen, als Sesshoumaru mit einer nicht wahrnehmbaren Schnelligkeit vor ihr auftauchte, sie am Hals packte und anhob. Ihre Gelassenheit löste sich in Luft auf, denn auch sie schien jetzt zu begreifen, dass man ihn besser nicht reizen sollte. Sie röchelte leise, als ihr langsam das Atmen schwer fiel. Akiko konnte sehen wie sie krampfhaft versuchte halt unter ihren Füßen zu finden, doch Sesshoumaru ließ das natürlich nicht zu. Mit Leichtigkeit wie es schien, hielt er sie weit genug über die Erde, sodass ihre Füße keinen Bodenkontakt herstellen konnten. Er knurrte vernehmlich und fixierte ihren Blick. Akiko konnte sehen, dass alle Farbe aus Chidoris Gesicht wich. Er fragte sich, was sie so verängstigte.
 

"Ich ...", setzte sie an, brach jedoch ab, als sein Griff um ihrem Hals fester wurde. Sie versuchte ihn zu schlagen, doch seine Hand lag wie eine eisige Klammer um ihre Kehle. Jeder Versuch sich zu wehren, endete damit, dass sein Griff fester wurde. Akiko begann sich nun wirklich Sorgen zu machen. Er wollte gerade einschreiten, als Sesshoumaru mit einem wütenden Laut Chidori erneut quer durch den Raum schleuderte. Sie schlug mit dem Rücken gegen einen Schrank, der unter der Heftigkeit des Aufpralls in seine Einzelteile zerbrach. Einen Moment lang blieb sie benommen liegen und rührte sich nicht. In Akiko erwachte nun wirklich Panik und er eilte so schnell er es vermochte an ihre Seite.
 

"Chi?", fragte er und konnte die Panik in seiner Stimme nicht unterdrücken. Ein leises Knurren, das durchaus von Schmerzen zeugte, kam aus ihrer Brust. Er wollte ihr aufhelfen, doch sie schüttelte ihn missbilligend ab. Nein, natürlich gestand sie sich eine solche Schwäche nicht ein. Nun, vielleicht hätte er es auch nicht getan, wenn er an ihrer Stelle mit seinem Vater hätte kämpfen müssen. Sesshoumaru war kein Gegner, dem man auch nur irgendeine Schwäche freiwillig offenbarte.
 

Es nötigte Akiko tiefen Respekt ab, wie seine Mutter trotz der Geschehnisse würdevoll aufstand. Sie hatte ihren Stolz, das musste man ihr lassen.

"Im Wald!", krächzte sie und fasste sich an den Hals. Seine Fingerabdrücke konnte man dort sehr deutlich erkennen.

Akiko verstand nicht, was eigentlich los war, doch allein Chidoris Worte genügten um Sesshoumarus Augen vollends blutrot werden zu lassen. Erneut schnellte seine Hand vor, doch diesmal reagierte Akiko instinktiv. Er stellte sich schützend vor seine Mutter und ließ zu, dass sich Sesshoumarus spitze Krallen in seinen Hals bohrten. Er hörte seine Mutter einen erschrockenen Laut von sich geben.
 

Akiko versuchte ruhig zu bleiben, war sich aber durchaus darüber im klaren, dass sein Vater gerade Gift in seinen Körper gepumpt hatte. Schneller als er es für möglich gehalten hatte, begann sein Körper sich seinem Verstand zu widersetzen. Er fühlte nicht mehr wie sich die Arme seiner Mutter um seinen Brustkorb legten und sie versuchte ihn zu stützen, während seine Beine ihm den Dienst versagten. Er fiel auf die Knie. Einen Moment lang schloss er die Augen und versuchte die Kontrolle zurückzugewinnen. Es war alles nur eine Frage des eigenen Willens. Er konnte das. Das wusste er genau.
 

Ein wütender Aufschrei erfüllte den Raum, als sich seine Mutter von ihm abwandte und auf Sesshoumaru los ging. Akiko öffnete seine Augen wieder und sah gerade noch, wie Chidoris Krallen Sesshoumarus Wange streiften.

"Wie kannst du es wagen, deinen eigenen Sohn anzugreifen?", fuhr sie ihn aufgebracht an.

Sesshoumarus Augen hatten sich längst wieder geklärt. Kalt blickte er Chidori an. Als sie erneut versuchte ihn zu treffen, umfasste er ihr Handgelenk. Eine unausgesprochene Drohung lag in der Luft. Akiko keuchte schwer, schaffte es aber, sich wieder aufzurichten. Er griff nach seiner Mutter und entzog sie Sesshoumarus Griff. Sie fuhr herum und blickte ihn erstaunt an. Ihre Hand berührte vorsichtig seine Wange, während sie in seine Augen sah.

Sesshoumaru gab einen verächtlichen Laut von sich.

"Ihm ist nichts passiert.", verkündete er ohne große Anteilnahme und drehte ihnen den Rücken zu.
 

Richtig, jetzt konnte Akiko es auch fühlen. Das Gift verlor bereits wieder seine Wirkung. Er war schließlich der Sohn seines Vaters. Sesshoumaru selbst trug dieses Gift in sich, ohne dass es ihm irgendwie schadete. Das hatte er wohl vererbt bekommen. Nur im ersten Moment entfaltete es eine Wirkung. Danach bildete sein Körper automatisch ein Gegenmittel. Dennoch fühlte er sich etwas schwach auf den Beinen.
 

Die Augen seiner Mutter begannen zu glühen, als sie Sesshoumarus Worte hörte. Sie wollte herumwirbeln, doch Akiko umfing sie mit seinen Armen und hinderte sie somit daran, seinen Vater anzugreifen.

"Lass mich los!", fauchte sie, schaffte es aber gleichzeitig nicht, sich aus den Armen ihres Sohnes zu befreien. Er wusste, dass sie Rücksicht auf seinen geschwächten Zustand nahm, sonst hätte sie ohne Zweifel einen Weg gefunden ihn loszuwerden.

"Du hättest dich nicht einmischen sollen."

Akiko blickte auf und sah seinen Vater überrascht an.

"Soll ich zusehen, wie du meiner Mutter Schmerz zufügst?", fragte er verblüfft. Das hätte er nie gekonnt.

Sesshoumaru nickte unbeeindruckt.

"Ich habe meine Gründe.", erklärte er ohne darauf näher einzugehen.

Chidori vergaß die Sorge um ihren Sohn und stieß ihn unsanft von sich. Akiko fiel auf seinen Allerwertesten und verfluchte sich für seine Unachtsamkeit. Ohne Zweifel wollte sie Sesshoumaru angreifen, doch natürlich waren seine Reaktionen schneller als ihre. Diesmal packte er sie am Kragen ihres Kimonos und knurrte sie drohend an.

Chidori hob stolz ihren Kopf und weigerte sich die Angst zu zeigen, die sie ohne Zweifel fühlen musste. Nicht einmal sie konnte so gefühllos sein.

"Du wärst längst Tod, wenn er dich nicht gerettet hätte.", offenbarte er schonungslos.

"Genau wie dieses Miststück, wenn ich dein Verhalten richtig deute." Ihre roten Augen leuchteten gefährlich in dem schwarz, das sie umgab.

Sesshoumaru fletschte die Zähne und war wohl wirklich nahe dran, Chidori sofort das Genick zu brechen, als Akiko sich zwischen die beiden Streithähne zwängte.

"Schluss jetzt! Ich werde nicht zulassen, dass einer von euch beiden einen Schaden erleidet."

Sesshoumaru versetzte Chidori einen Stoß und zog sich dann zurück.

"Es ist nicht mein Wohl um das du dich sorgen solltest.", knurrte er.

Akiko zuckte mit den Schultern.

"Sie ist nicht so harmlos wie sie aussieht. Du solltest das wissen."

Ein kaltes Lächeln erschien auf dem Gesicht seines Vaters.

"Unsinn, sie ist genauso schwach, wie du glaubst. Sie würde nie ihre Macht gegen mich verwenden, richtig?" Akiko sah erstaunt zu seiner Mutter, die zusammengekauert auf dem Boden saß. Ihre Augen waren nach wie vor von ihrer Wut beherrscht, doch etwas an ihrer Haltung irritierte ihn. Was sollte das heißen?

Akiko schüttelte seinen Kopf und sah seinen Vater fest an.

"Ich werde nicht zulassen, dass du ihr etwas antust." Das war sein Ernst. Er wusste, dass er seinem Vater unterlegen war, dennoch kampflos würde er das nicht zulassen.

Sesshoumaru drehte ihm den Rücken zu und ging zur Tür.

"Sollte ihr wirklich etwas passiert sein, solltest du besser anfangen diesen Tag zu genießen, Chidori. Es wird dein Letzter sein."

Damit verschwand er aus dem Raum. Chidori knurrte nur auf diese Aussage, dennoch glaubte Akiko einen ängstlichen Unterton herauszuhören.
 

Verwirrt blickte er auf den leeren Flur. Ohne Zweifel hatte er von Rijan gesprochen. Warum sollte ihr etwas passiert sein? Sie war eine Dämonenjägerin. Das hatte er längst erkannt. Jäger umgab eine besondere Aura und die hatte er von Anfang an bei Rijan gespürt. Oft hatte er sich bereits gefragt, wie dieses seltsame Paar zusammengekommen war. Rijan sollte eigentlich seinen Vater bekämpfen und nicht an seiner Seite bleiben. Warum also sollte einer Dämonenjägerin etwas zugestoßen sein? Wenn sie nicht auf sich selbst aufpassen konnte, wer dann?
 


 

Rijan stand unter Schock. Anders konnte sie es nicht beschreiben. Ihr Körper war taub. Ob er das jedoch von Verletzungen war oder einfach nur weil ihr Verstand wie benebelt schien, konnte sie nicht sagen. Mehr noch, sie konnte nicht einmal sagen, ob sie denn verletzt war. Sie erinnerte sich schwach daran, dass der Wolf nicht allein gewesen war. Es wäre auch sehr sonderbar gewesen, schließlich war der Wolf von jeher ein Rudeltier. Sie versuchte sich zu entsinnen, wie viele Tiere es gewesen waren, doch ihr Verstand weigerte sich die Erinnerungen aufkommen zu lassen. Andere Erinnerungen waren dagegen sehr deutlich in ihrem Bewusstsein. Doch Rijan wusste längst nicht mehr, ob diese Bilder Ereignisse des heutigen Tages oder jene von vor einigen Jahren darstellten. Das Leittier war auf sie losgegangen. War das wirklich geschehen oder spielte ihre Erinnerung ihr einen Streich? Damals als kleines Kind hatte sie dieses Trauma schon einmal erlebt. Wölfe waren über sie hergefallen und hatten sie getötet. Sesshoumaru hatte sie daraufhin wieder belebt. Richtig, er war damals ihr Retter gewesen. Sie hatte sich sicher gefühlt in seiner Gegenwart. Wie naiv sie doch gewesen war. Er konnte sie nicht immer beschützen. Vielleicht wollte er das auch gar nicht. Hätte er nicht fühlen müssen, dass etwas nicht stimmt?
 

Sie schüttelte ihren Kopf. Ihre Gedanken waren so verworren. Sie versuchte sie zu ordnen, doch irgendwie wollte ihr das nicht gelingen.

"Konzentrier dich, Rijan!", flüsterte sie und versuchte die Augen zu öffnen. Sie musste sehen, wo sie war. War sie automatisch weggelaufen oder hatte sie den Ort nicht verlassen. War sie womöglich bewegungslos dagestanden? Sie glaubte sich daran erinnern zu können. Verdammt, es fiel ihr so schwer, klar zu denken. Ihr Blick traf den eines Wolfes. Panik erwachte in ihr. Was half ihr alles Können dieser Welt, wenn ein einfacher Wolf sie in Panik versetzen konnte? Nichts, war die simple Antwort. Sie konnte gegen ein Wolf nicht kämpfen. Sie hätte jeden Dämon dieser Erde vernichten können, doch an einem einfachen Wolf scheiterte sie, weil sie ihre eigene Angst nicht überwinden konnte. Menschen wuchsen angeblich in schwierigen Situation über sich hinaus. Nun, Rijan jedenfalls tat das nicht. Ihre Panik lähmte sie und egal wie sicher sie war, dass der Wolf sie anfallen würde, es änderte nichts daran, dass sie sich einfach nicht bewegen konnte.
 

Sie hörte ein weiteres Knurren, doch es unterschied sich von dem eines Wolfes. Oder bildete sie sich das erneut nur ein? Rijan schloss die Augen und schüttelte erneut ihren Kopf. Warum war es so schwer, sich zu konzentrieren?

Nein, da war wirklich ein Knurren. Sie öffnete die Augen erneut und stellte dabei fest, dass der Wolf sie nicht länger ansah. Er knurrte vernehmlich und fletschte schließlich die Zähne. Rijan wandte ihren Kopf zur Seite und erblickte eine Gestalt. Sie versuchte sich zu erinnern, wieso diese Person ihr so bekannt vorkam. Doch auch das wollte ihr einfach nicht sofort gelingen. Es dauerte eine ganze Weile bis die wirren Gedanken in ihrem Kopf ein Bild ergaben. Sesshoumaru! Richtig, das war der Name. War er also doch gekommen. Ob er ihre Not doch gespürt hatte?
 

Ihr Blick schweifte zurück zu dem Wolf, der genau in diesem Moment leise winselte und den Rückzug antrat. Rijan starrte ihm nach, unfähig sich darüber zu freuen, dass die Wölfe verschwunden waren. Wo war eigentlich der Rest abgeblieben? Sie wusste es nicht und eigentlich interessierte sie es auch nicht.

Einen Augenblick versuchte sie zu überlegen, ob sie verletzt worden war. Sie fühlte nichts dergleichen, doch behaupteten Menschen nicht immer, tödliche Verwundungen würde man nicht wahrnehmen? Sie wollte gerne glauben, dass dem nicht so war, doch es musste schließlich einen Grund haben, warum sie nicht an sich hinunterblickte. Angst bemächtigte sich ihrer, während sie zu Sesshoumaru zurückblickte.

Seine Augen schimmerten golden, während er sie ansah. Sie wollte dagegen ankämpfen, doch gerade im Moment sahen seine Augen denen eines Wolfes sehr ähnlich.

Wich sie vor ihm zurück oder erschien ihr das nur so?

Egal wie sehr Rijan versuchte rational zu denken, es gelang ihr nicht. Im Moment wusste sie nur, dass Sesshoumaru einem Tier nicht so unähnlich war. Im Gegenteil er hatte mit einem Wolf sehr viel gemeinsam. Würde er jetzt noch anfangen zu knurren, wäre sie wohl wirklich in helle Panik ausgebrochen.

Sie starrte ihn an. Ihre Augen schienen riesig zu sein. Sie fragte sich, ob er wusste, dass sie Angst vor ihm hatte. Seltsam, etwas in ihr wollte sie warnen. Nicht vor ihm, nein, davor so zu fühlen. Als würde es etwas grundlegend ändern, wenn sie Angst vor ihm zeigte.
 

Sesshoumaru wandte ihr den Rücken zu und einen flüchtigen Moment lang schien es ihr, als würden sich dadurch zwischen ihnen Abgründe auftun. Doch der Moment verging und verwirrte Rijan nur noch mehr. Sie wollte sich zur Ordnung rufen, doch sie konnte einfach nicht.

"Steh auf!", sagte er leise. Hatte sie je gehört, dass er seine Stimme dämpfte? Sie versuchte sich daran zu erinnern, doch es gelang ihr einfach nicht.

Ein Teil von ihr wollte ihm gehorchen. Wollte nichts lieber tun als aufzustehen und seinen Befehlen Folge zu leisten. Doch dieser Teil war verschwindend gering. Eine Weile tat sich nichts. Dann drehte er sich wieder zu ihr um. Langsam ging er auf sie zu und diesmal war Rijan sich sicher, dass sie tatsächlich vor ihm zurückwich. Wieso erschien ihr das so falsch?

Sesshoumaru überging ihre Panik einfach, ging in die Hocke und hob sie vorsichtig hoch. Sie starrte in seine Augen und verblüffender Weise schien die Panik nachzulassen. Auf seinen Armen schien etwas mit ihr zu geschehen. Sie sah ihn an und ganz plötzlich konnte sie wieder vollkommen klar denken.

"Ich bin verwundet, richtig?"

Er nickte, sagte aber nichts weiter dazu. Richtig, der Wolf hatte sie angefallen. Und es war nicht nur er gewesen. An Einzelheiten konnte sie sich nicht mehr erinnern, doch vielleicht war das auch unnötig.

"Wo bringst du mich hin?" Erst jetzt fiel ihr auf, dass er sich in Bewegung gesetzt hatte. Er steuerte durch den Wald etwas weiter in die Berge.

"In Sicherheit!", erwiderte er. Rijan schwieg. Noch immer wagte sie es nicht eine Bestandsaufnahme vorzunehmen. Es würde schon alles wieder in Ordnung kommen. Sie ließ es zu, dass er sie in eine Höhle trug und dort absetzte.

Er richtete sich wieder auf und wollte die Höhle verlassen.

"Ich komme bald wieder!"

Und da setzte erneut eine Panik ein, die das vorher gewesene absolut lächerlich erscheinen ließ. Sie wollte hier nicht allein sein. Nicht, weil sie Angst hatte, wieder angegriffen zu werden. Nein, weil sie Angst davor hatte, alleine zu sein. Sie wollte nicht alleine ...
 

Rijan keuchte auf und Sesshoumaru fuhr herum. Abwartend sah er sie an. Er schien zu wissen, dass sie langsam begriff, was hier vor sich ging. Er gab ihr die Zeit das zu verarbeiten.

"Ich werde sterben, richtig?", flüsterte sie und achtete nicht auf seine Antwort. Ihr Blick wanderte nach unten und Rijan verstand, warum sie es bisher nicht getan hatte. Man hatte sie übel zugerichtet. Bisswunden, egal wohin sie blickte. Der Stoff ihres zerrissenen Gewandes war blutdurchtränkt. Sie fühlte keine Schmerzen und das war das sicherste Zeichen, dass etwas nicht stimmte. Denn ihrem Aussehen nach zu urteilen, müsste sie höllische Schmerzen haben. Langsam hob sie den Kopf und sah ihn an. Seine Augen waren etwas dunkler geworden, doch vielleicht lag das auch nur an dem schwachen Licht der Höhle.

"Ich bin bald wieder hier.", erklärte er noch einmal und drehte ihr wieder den Rücken zu. Rijan erhob sich mühsam. Sie glaubte die Anstrengung würde sie umbringen. Schwer ging ihr Atmen. "Nein ...", flüsterte sie und ließ zu, dass ihre Beine nachgaben. Rijan wäre gefallen, doch Sesshoumarus Reaktion war schneller als ihre eigene. Sicheren Griffes hielt er sie fest.

"Menschen!", zischte er und Rijan lächelte leicht zu ihm auf, während sie zuließ, dass er sie wieder hinsetzte.

"Kannst du bei mir bleiben?" Er schien das verneinen zu wollen, doch aus einem Grund, der Rijan nicht klar war, nickte er schließlich.

Sie sah zu wie er langsam auf und ab ging. Schweigend sah sie ihm dabei zu.

"Wo wolltest du hin?", fragte sie irgendwann. Einen Moment lang überlegte sie, ob er den Wolf hatte töten wollen. Nein, das wäre nicht seine Art. Sesshoumaru wusste so gut wie sie, dass der Wolf eigentlich nichts dafür kannte. Er war nur seinen Instinkten gefolgt. Instinkte, die durch ihre Angst und ihr Blut ausgelöst worden waren.
 

Richtig, ihr Blut. Sie blickte zu ihm auf und dachte einen Moment darüber nach. Sie wünschte, sie könnte fühlen, was in ihm vorging, doch dazu war sie momentan wohl nicht mehr in der Lage. Einen fürchterlichen Augenblick lang wurde ihr klar, dass sie dazu nie mehr in der Lage sein würde.

"Ich habe mich mit Chidori gestritten.", erklärte sie. Sie hatte das dringende Bedürfnis sich ihm mitzuteilen. Er blieb stehen und sah sie schweigend an. Natürlich. Er hatte das längst gewusst.

"In den vergangenen Tagen hat sie mich fast zur Weisglut getrieben mit ihrer Boshaftigkeit.", offenbarte sie. Ihr war selbst klar, dass sie gerade anfing wie ein Wasserfall zu reden.

"Ich hätte ihr so gerne etwas entgegengesetzt, aber Chidori kann einen wirklich sehr gut einschüchtern. Ich traute mich nie meinen Mund aufzumachen. Weißt du, sie strahlt etwas aus. Ich kann nicht sagen was das ist, aber ich kann es fühlen. Vielleicht sind meine Sinne geschärft, weil ich sehr lange Zeit Dämonen gejagt habe. Ich kann Gefahr fühlen. Selbst wenn ein Dämon sie nicht offenbart, warnt mich eine innere Stimme, wenn ich Acht geben sollte." Sie blickte kurz zu Sesshoumaru. Er hörte ihr geduldig zu.

"Sie wirkt als hätte sie keine Macht, obwohl sie doch gleichzeitig ein Auftreten hat, dass einem das Gegenteil versichert. Niemand hat ein solches Selbstvertrauen, wenn er keine Macht besitzt. Und doch, obwohl ich nie gesehen habe, dass sie irgendetwas Sonderbares getan hat, ist diese Stimme in meinem Kopf. Ich kann fühlen, dass sie mächtig ist. Mächtiger vermutlich, als ich mir vorstellen kann."

Er sagte immer noch nichts. Doch es war auch egal. Rijan wollte nur reden.

"Ich glaube deswegen fühlte ich mich eingeschüchtert. Ich hatte vergessen, dass ich auch gegen mächtige Dämonen kämpfen kann. Doch heute war es anders. Sie hat mich wieder gereizt, doch diesmal ist alles aus mir heraus gebrochen. Ich dachte die ganze Zeit, wenn ich ihr mal richtig kontra gebe, dann wird alles besser."

Auf was wollte sie eigentlich mit dieser Erzählung hinaus?

"Aber dem war nicht so.", schlussfolgerte Sesshoumaru logisch.

Rijan schüttelte ihren Kopf.

"Im ersten Moment fand ich es toll. Es war ein gutes Gefühl ihr die Meinung zu sagen." Sie blinzelte leicht und starrte dann auf den Boden.

"Ich habe Dinge zu ihr gesagt, die gelogen waren. Absichtlich, um ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen. Doch nachdem der erste Moment nun vorbei ist und ich darüber nachdenke, fange ich an mich mies zu fühlen."

Sie schielte erneut zu Sesshoumaru, doch natürlich zeigte sich keine Regung auf seinem Gesicht. Richtig, es hatte sich gut angefühlt, ihr die Meinung zu sagen. Doch wenn sie nun daran zurückdachte, stellte sich dieses Gefühl nicht mehr ein. Sie fühlte sich niederträchtig und gemein. Rijan lebte eigentlich nach dem Prinzip, dass man andere immer so behandeln sollte, wie man selbst behandelt werden wollte. Sich auf Chidoris Niveau zu begeben, war ein Fehler gewesen. Und mehr noch, sie konnte die Minuten wieder förmlich vor sich sehen. Jedes einzelne gehässige Wort, dass sie geäußert hatte. Verdammt, was war nur in sie gefahren. Vielleicht wäre es in Ordnung gewesen, Chidori die Meinung zu sagen, aber es war absolut nicht vertretbar, dass sie gelogen hatte. Gelogen mit der Absicht, dieser Frau wehzutun.
 

Sie seufzte und barg ihr Gesicht in ihren Händen.

"Oh Gott, ich habe so fürchterliche Dinge gesagt.", meinte sie entsetzt.

"Chidori ist hart im Nehmen." Ein wenig spreizte sie ihre Finger und lugte durch die Spalten hindurch. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah sie an. Sein Gewand war mit ihrem Blut befleckt.

"Glaubst du das wirklich?" Rijan war sich da nicht so sicher. Und sie hatte vermutlich einen guten Grund für ihre Zweifel. Jetzt, aus sicherer Entfernung betrachtet, fielen ihr Dinge ein, die ihr während des Streits nicht aufgefallen waren. Chidori war nicht von Anfang an wütend gewesen. Nein, je mehr Rijan ihr offenbart hatte, wie sehr Sesshoumaru sie verabscheuen würde, desto blasser war sie geworden. Sie hatte keinen Ton von sich gegeben. Nein, das stimmte nicht. Sie hatte gefragt, ob Sesshoumaru das wirklich gesagt hatte. Rijan stöhnte auf. Oh Gott, was hatte sie getan? Die Frage hallte in ihrem Kopf nach. Sie konnte Chidoris Stimme hören. Bildete sie es sich im Nachhinein nur ein, oder hatte sie wirklich betroffen geklungen. Mehr noch, da war ein sehr trauriger Unterton in ihrer Stimme gewesen. Nein, verdammt, sie bildete sich das nicht ein. Ihre Worte hatten Chidori erschüttert. Das war eine Tatsache, an der sie nicht rütteln konnte.

Geknickt sah sie Sesshoumaru an.

"Ich habe sie verletzt. Chidori ist sicherlich hart im Nehmen, doch ich glaube langsam, wenn es um dich geht, kann man sie sehr schnell verletzen." Sie runzelte die Stirn und starrte ihn an. Er drehte ihr den Rücken zu und ging zum Ausgang der Höhle. Eine Weile blieb er dort stehen und blickte hinaus.
 

"Warum hast du damals Chidori ausgewählt?" Die ganze Zeit fragte sie sich das schon, doch hatte sie sich nie getraut zu fragen. Es ging sie schließlich nichts an. Außerdem zweifelte sie daran, dass er ihr antworten würde. Er drehte leicht den Kopf. Sie konnte die Streifen auf seinen Wangen sehen. Erst jetzt fiel ihr auf, dass er Schrammen auf der Wange hatte. Hatte ein Wolf ihn etwa verletzt? Nein, das sah nicht nach einem Wolf aus.

"Ihr Menschen habt Vorstellungen.", meinte er kopfschüttelnd.

"Hat sie dich etwa ausgewählt?" Diese Idee war ihr noch nicht gekommen. Doch so abwegig war das gar nicht. Chidori musste ebenfalls an den Fortbestand ihrer Familie denken.

"Chi war viel zu jung um ein Kind in die Welt zu setzen.", sagte er schließlich.

Es schmerzte sie, dass er ihren Namen abkürzte. Das klang so vertraut.

"Dann sieht es dir noch viel weniger ähnlich." Es sei denn, er hatte ausgerechnet Chidori gewollt und diese Möglichkeit wurde langsam immer größer.

"Sie kann sehr überzeugend sein, wenn sie etwas möchte."

Rijans Augen wurden größer.

"Sie hat dich gewollt.", schlussfolgerte sie leise. Er nickte nicht, doch das war auch unnötig. Das war also das große Geheimnis. Rijan zweifelte in letzter Zeit öfter daran, dass Sesshoumaru tatsächlich keine Gefühle für Chidori hatte, doch im Grunde ihres Herzens wusste sie, dass er sie nicht belog. Er zumindest war davon überzeugt. Vermutlich war das der Grund, warum Chidori so verbittert war. Jemanden haben zu wollen, den man nie besitzen konnte, musste frustrierend sein. Einen flüchtigen Moment dachte sie daran, dass sie eigentlich in der gleichen Lage war. Doch sie verwarf den Gedanken wieder. Ihre tiefen Gefühle konnte man nicht mit Chidoris Emotionen vergleichen.

"Warum hast du ihr nachgegeben?" Sie wollte es genau wissen. Rijan war sich klar darüber, dass die Antwort schmerzen konnte, dennoch die Wahrheit war immer noch besser als alles andere.

Eine Weile schwieg er wieder. Offenbar wollte er darüber nicht sprechen.

"Die Zeiten werden für Dämonen immer schwieriger. Du weißt das!", er blickte sie über seine Schulter hinweg an und wartete bis sie nickte. Natürlich wusste sie das.

"Du kennst den Grund für Akikos Existenz. Es würde keinen Sinn machen ein Kind in diese Welt zu setzen, das nicht überleben kann."

Rijan betrachtete seinen Rücken. Das sollte alles sein. Er hatte sich für Chidori entschieden, weil Akiko damit die besten Möglichkeiten hatte, die schwierigen Zeiten zu überstehen? Das klang zu simpel und doch glaubte sie ihm. Sein Nachkomme war wichtig für ihn. Und wenn Chidori so mächtig war wie Rijan vermutete, dann machte das alles noch mehr Sinn.
 

"Bereust du es?", fragte sie leise und starrte auf den Boden.

"Ändern kann man es sowieso nicht mehr, Rin. Es macht keinen Sinn sich darüber Gedanken zu machen, was gewesen wäre."

"Das ist keine Antwort auf meine Frage."

"Akiko hat großes Potenzial. Im Moment nutzt er davon zwar viel zu wenig, aber die Anlagen sind vorhanden. Das ist alles, was wichtig ist."

Die Anlagen waren vorhanden? Richtig, da fiel ihr wieder ein, weswegen sie ihn heute überhaupt gesucht hatte.

"Was weißt du, dass mir verborgen bleibt?", fragte sie direkt und sah ihn an. Er drehte sich um. Seine Silhouette zeichnete sich dunkel gegen den hellen Hintergrund ab.

"Ich weiß sehr viel, was dir verborgen bleibt.", meinte er ausweichend. Rijan seufzte.

"Du schenkst mir nicht ohne Grund einen neuen Kampfanzug. Geschweige denn, dass du Akiko so hart herannehmen würdest. Der arme Kerl hat sich in den vergangen Wochen garantiert jeden Knochen schon mindestens einmal gebrochen."

Sesshoumaru näherte sich ihr wieder.

"Es ist immer gut, vorbereitet zu sein, Rin. Auch das sollte dir bekannt sein."

Sie schlang die Arme um sich. Allmählich wurde ihr kalt.

"Es ist mir bekannt, dennoch habe ich das Gefühl, dass dich etwas beunruhigt. Und ich wüsste gerne was das ist." Bevor er etwas sagen konnte, fügte sie hinzu: "Nenn mich einen dummen Menschen, das ist in Ordnung. Aber es macht mir Angst, wenn ausgerechnet die Person, die nie beunruhigt ist, plötzlich unsicher zu sein scheint."

"Ich bin nicht unsicher.", erwiderte er kalt und ging vor ihr in die Hocke.

"Nein, aber beunruhigt und das wiederum beunruhigt mich."

Sesshoumaru knurrte leicht. Offenbar zerrte ihre Unterhaltung an seinen Nerven.

"Ich versuche nur mich davon abzulenken, dass ich vermutlich bald sterben werde.", gab sie ebenfalls gereizt zurück.

Missbilligend blickte er sie an.

"Du wirst nicht sterben." Das wiederum erstaunte sie wirklich. Langsam konnte sie es fühlen. Es mochte melodramatisch klingen, doch sie glaubte zu fühlen, wie das Leben langsam ihren Körper verließ.

"Es ist mir gänzlich neu, dass du neuerdings dich selbst belügst."

Sesshoumaru schüttelte seinen Kopf.

"Du wirst erst sterben, wenn ich es dir gestatte. Und das wird noch sehr lange dauern." Langsam erstaunte er sie wirklich.

"Du kannst das nicht verhindern. Es ist nett, dass dir mein Leben offenbar doch so wichtig ist, aber trotzdem kannst du nichts an meinem Schicksal ändern."

Sesshoumaru setzte sich nun ebenfalls. Es war seltsam ihm dabei zuzusehen. Erinnerte sie sich daran, ihn jemals sitzen gesehen zu haben? Nein, vermutlich nicht.

"Mir ist dein Leben keineswegs wichtig. Akiko braucht jemanden, der ihm zur Seite steht. Und soweit ich das momentan beurteilen kann, bist nur du dazu in der Lage."

Rijan glaubte sich verhört zu haben.

"Bitte?", wiederholte sie ungläubig.

"Bist du neuerdings taub?" Klang er gereizt oder bildete sie sich das ein?

"Nein, ich dachte nur, du hättest gesagt ich soll Akiko beistehen. Ich bin nur ein Menschen, Sess, was bitte schön kann ich schon groß ausrichten?"

"Du bist stärker als alle Menschen, denen ich bisher begegnet bin. Ich werde nie verstehen, warum ihr Menschen euch in Dingen, die ihr könnt, unter Wert verkauft und euch auf Dinge, von denen ihr keine Ahnung habt, so viel einbildet." Nein, er klang definitiv gereizt. Das war eine vollkommen neue Erfahrung für Rijan. Verwundert sah sie ihn an. Er bemerkte ihren Blick.

"Es ist in Ordnung, wenn du mir nicht helfen kannst.", sagte sie leise und sah ihn direkt an. Selbst ohne wirklich fühlen zu können, was in ihm vorging, wusste sie doch mit absoluter Sicherheit, dass ihn seine Hilflosigkeit momentan in den Wahnsinn trieb. Anders konnte sie sich nicht erklären, warum er im Moment so ein Problem damit hatte, seine Gefühle unter Kontrolle zu bringen.

Langsam stützte sie sich auf ihre Knie und rutschte zu ihm hinüber. Misstrauisch sah er sie an, ließ aber zu, dass sie seine verschrammte Wange berührte.

"Weißt du, ich habe eigentlich gar keine Angst vor dem Tod."

Sie erinnerte sich daran, dass er ihr das vor nicht allzu langer Zeit gesagt hatte. Damals war ihr nicht klar gewesen, wie Recht er hatte.

"Ich denke das liegt daran, dass ich schon längst tot sein müsste. Ohne dich würde ich nicht mehr leben. Das kannst du drehen und wenden wie du willst, es ist die Wahrheit. Alles was ich erlebt habe ist ein Geschenk. Deswegen hab ich keine Angst."

Sie fing an zu husten und schlug sich die Hand vor den Mund. Als sie die Hand wegnahm, sah sie, dass sie Blut spukte. Unsicher blickte sie ihn an.

"Nun ja, ein wenig Angst habe ich vielleicht schon." Ein schwaches Lächeln begleitete ihre Worte. Sie setzte sich neben ihn und lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Sein Blick sagte ihr zwar, dass sie das unterlassen sollte, dennoch schob er sie aber nicht fort.

"Aber du bist ja hier. Eigentlich gibt es keine bessere Möglichkeit zu sterben." Müdigkeit ergriff von ihr Besitz. Sie gähnte.

"Ich wurde in deinen Armen geboren. Was könnte schöner sein, als dort auch zu sterben?" Eine Weile geschah nichts, doch irgendwann konnte sie fühlen, wie er sich leicht bewegte. Einen Moment befürchtete sie, er würde ihr seine Nähe entziehen, doch dem war nicht so, statt dessen legte er seinen Arm um sie. Sie öffnete träge ein Auge und sah ihn an. Ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Nein, er war keineswegs so hart wie er immer tat. Sie wusste, dass er solche Berührungen nicht mochte. Er verabscheute es, doch ihm war auch klar, dass sie seine Kraft brauchte um das alles zu überstehen. Es war erstaunlich, was er ihretwegen alles zuließ.

"Und du wunderst dich, warum ich dich liebe." Sie schloss ihre Augen und kuschelte sich enger an ihn. Dunkel erinnerte sie sich daran, wie sich ihr Tod damals angefühlt hatte. Sie war allein gewesen und hatte Angst gehabt. Das hier war vollkommen anders. Nein, es gab wirklich keinen Grund sich zu fürchten.

"Sprich mit mir.", sagte er irgendwann und Rijan glaubte zuerst, sie hätte sich seine Worte nur eingebildet.

"Ich bin so müde.", meinte sie lahm und wollte sich der erlösenden Dunkelheit wieder hingeben.

"Sprich!", befahl er in gewohnt herrischem Tonfall. Rijan seufzte tief, tat ihm aber schließlich den Gefallen.

"Worüber soll ich sprechen?" Keine Antwort kam. Das hätte sie auch sehr verwundert.

"Glaubst du daran, dass wir wieder geboren werden?", fragte sie und legte ihre Hand auf seine Brust. Sie konnte seinen Herzschlag fühlen oder zumindest glaubte sie, dass sie es konnte. Er hatte ihr einmal gesagt, dass sein Herz langsamer schlug als das eines Menschen. Eigentlich konnte sie somit seinen Herzschlag überhaupt nicht wahrnehmen.

"Die Seele eines Menschen wird wiedergeboren. Du hast das schon erlebt.", erinnerte er sie. Einen Moment dachte sie darüber nach. Sie hatte das schon erlebt? Oh, richtig. Kagome! Sie war die Begleiterin seines Halbbruders gewesen und man hatte ihr nachgesagt sie wäre die Wiedergeburt einer Miko, die Inuyasha früher einmal geliebt hatte.

"Denkst du sie war wirklich eine Wiedergeburt?" Er sagte dazu nichts. Für Sesshoumaru spielte die Wiedergeburt keine Rolle. Ein Dämon wurde nicht wiedergeboren. Warum sonst würde er sein gesamtes Wissen seinen Nachfahren vererben?

"Ich habe das nur alles immer erzählt bekommen, aber ich denke, sie war vermutlich wirklich die Wiedergeburt von dieser Miko. Mir gefällt die Vorstellung wiedergeboren zu werden nicht."

"Warum nicht? Ihr Menschen wollt doch immer ewig leben." Sie überging seinen Einwand. Es war so entsetzlich kalt geworden. Sie glaubte langsam, nicht mehr richtig atmen zu können, doch womöglich bildete sie sich auch das nur ein.

"Hai, wir wollen lange leben, das ist wahr. Ein Menschenleben ist viel zu kurz um alles zu erleben, was man möchte." Sie blickte ins Leere und versuchte sich vorzustellen, was sie noch alles tun würde, wenn sie weiterleben könnte.

"Glaubst du an das Schicksal?" Sie schielte zu ihm hinauf, doch seine Mine war nach wie vor undurchsichtig.

"Wenn du damit meinst, dass jedes Leben einen bestimmten Zweck hat, ja, dann glaube ich an das Schicksal."

Überrascht zog sie die Luft ein. Damit hatte sie nicht gerechnet, doch eigentlich war es nicht weiter verwunderlich. Sesshoumaru lebte nach dem Prinzip, dass alles was geschah einen Sinn hatte. Nichts geschah zufällig. Wenn ihm bestimmt war zu sterben, starb er. Daran gab es nichts zu rütteln. Seltsam, eigentlich. Warum sah er das bei ihr dann nicht ein?

"Wenn nun unser Schicksal an unserer Seele haftet, ist es dann nicht eine furchtbare Vorstellung, dass wir immer wieder das gleiche erleiden müssen. Nimm deinen Bruder. Inuyashas Schicksal war es diese Miko zu lieben und sich durch diese Liebe zu verändern, oder?"

Sesshoumaru weigerte sich erneut darauf zu antworten. Über seinen toten Bruder sprach er nach wie vor nicht gerne.

"Und das Schicksal der Miko und somit auch von Kagome war, diese Liebe zu erwidern, nur um dann den schlimmsten aller Schmerzen zu durchleiden. Egal in welcher Gestalt diese Seele erschien, jedes Mal musste sie letztendlich den Mann, den sie liebte, töten. Ist das nicht ein grausames Schicksal. Immer und immer wieder." Sie schüttelte sich leicht. Nein, das war nichts, was sie durchleiden wollte. Wie grausam musste es sein, immer wieder das gleiche zu erleben. Vielleicht in anderen Variationen, doch das Ergebnis blieb das gleiche. Sie richtete sich schwer atmend auf. Schmerzen peinigten nun ihren Körper.

"Ich wüsste gerne, was mein Schicksal ist.", offenbarte sie und fuhr sich dabei über die Stirn. Ihr war so entsetzlich kalt.

"Dein Schicksal werden wohl Dämonen sein." Sie blickte ihn an, überrascht, dass er auf diese Unterhaltung einging.

"Meinst du wirklich? Hm, ja, vielleicht hast du Recht. Womöglich bist du mein Schicksal."

Sie versuchte zu lachen, doch der Versuch endete in einem Hustenanfall. Ihre Lunge schmerzte.

"Vielleicht sind unsere Leben untrennbar miteinander verbunden. Wenn ich wiedergeboren werde, könnte ich dir erneut begegnen. Es könnte umgekehrt sein, du wärst ein Mensch und ich ein Dämon." Sie vergaß dabei, dass er nicht wiedergeboren wurde.

"Nein, nein, das geht nicht. Ein Mensch könnte dir nie gerecht werden." Rijan fühlte wie sich Schwäche ihres Körpers bediente. Es fiel ihr schwer die Augen aufzuhalten. Sie spuckte weiterhin Blut. Es schmerzte jedes Mal mehr.

"Du bleibst doch bei mir, oder?", flüsterte sie mit geschlossenen Augen. Ein tiefes Knurren kam zur Antwort. Sie deutete es einmal als ja, denn alles andere, konnte sie nicht verkraften.

"Mach dir keine Sorgen, alles ist bestens. Wie gesagt, ich würde nirgends lieber sterben als hier in deinen Armen."

"Du wirst weiterleben. Vertrau mir!" Wirklich, sie vertraute ihm, doch seine Worte konnte sie nicht begreifen. Tensaiga konnte sie nicht ewig zurückholen.

"Willst du jedes Mal Tensaigas Macht nutzen, wenn ich sterbe?", fragte sie und ihre Worte waren kaum noch zu verstehen.

"Vielleicht schaffst du es diesmal und auch das nächste Mal. Es kann sein, dass Tensaigas Macht noch sehr oft helfen wird, doch irgendwann, Sess, wirst du dich damit abfinden müssen. Menschen sterben. So ist das. Du wirst dich früher oder später von mir abwenden." Die Dunkelheit umfing sie. Genau, es war besser jetzt zu sterben. Im Moment war er hier bei ihr. Sie würde es nicht überleben, wenn er sie eines Tages allein lassen würde. Und das würde geschehen. Sie würde vor seinen Augen altern und irgendwann sterben. Sie würde schwächer werden und das war etwas, was er nicht ertragen konnte. Nein, so war es besser. Viel besser.
 

Ihr ahnt es oder? Fortsetzung folgt ...
 

Hm, was soll ich sagen. Ich bin mit Rijans Todesszene recht zufrieden. Sess bereitete mir ziemlich viele Kopfschmerzen, weswegen ich die szene oft umgeschrieben habe, aber ich hoffe er kommt in beiden Teilen als er selbst rüber. Wenn ihr anderer MEinung seid, lasst es mich wissen. Ich bin nunmal keineswegs perfekt und Sess zu beschreiben ist echt schwierig. Aber ich geb mir Mühe versprochen. Ansonsten gefiel es mir wie immer Chi auftauchen zu lassen. Ich denke so langsam wird ihr Chara interessanter, oder was meint ihr? Sie ist ziemlich komplex veranlagt, ich freu mich schon auf die weiteren Teile.
 

Bis dahin, schöne Ostern (hoffe das Kapitel wird noch rechtzeitig freigeschaltet)

Rogue

Auferstehung!

<seufz> Gutes Wort um eine Einleitung zu beginnen oder? <grins> Ja, ihr seht recht, es geht weiter. Ich erspar euch jedes Vorgeplapper, ich sags lieber nachher, sonst ließt das wohl keiner mehr ...
 

So, here we go ...
 

Es war weit nach Mitternacht, als Akiko sich von seinem Lager erhob. Langsam stand er auf und streckte seine müden Glieder. Wie konnte man müde sein und doch Probleme beim Einschlafen haben? Sein Blick fiel auf die junge Frau, die friedlich im Sessel neben seinem Bett schlief. Er seufzte leise ehe er Jamie hochhob und in ihr eigenes Gemach brachte. Sie fühlte sich so leicht an. Einen Moment lang blieb er vor ihrem Bett stehen und betrachtete ihr schlafendes Gesicht. Das war der einzige Moment in ihrem Leben, in dem sie verletzlich aussah. Erneut seufzte er und legte sie schließlich vorsichtig auf die weiche Matratze. Langsam zog er das Leinentuch über ihren schlafenden Körper und verhüllte ihn somit. Obwohl im klar war, dass er dieses Zimmer besser gleich verlassen sollte, streckte er seine Finger automatisch nach den verirrten Strähnen in ihrem Gesicht aus. Vorsichtig strich er sie zurück und berührte dabei ihre weiche Haut. Manchmal erstaunte es ihn, dass sie so warm war, wo doch eigentlich kein Leben in ihr wohnte. Nein, dem war nicht so. Sie lebte, doch ihre Seele enthielt er ihr vor.

Akiko ging langsam in die Hocke und betrachtete ihr Gesicht.

"Es ist nicht richtig, was ich tue.", sagte er leise. Er wusste das seit dem Moment, in dem er sie ins Leben zurückgeholt hatte. Er hätte sie gleich wieder töten sollen, doch sie erschien ihm so perfekt nach all diesen missglückten Versuchen. Wie hätte er es über sich bringen können, sie zu töten? Verdiente sie nicht eine zweite Chance? Automatisch fuhren seine Fingerspitzen über die lange Narbe, die sich quer über ihre Kehle zog. Wie hatte es jemand fertig bringen können, ihr die Kehle aufzuschlitzen? Was konnte Jamie getan haben, dass solch ein Verhalten rechtfertigte? Oder war sie Opfer eines Verbrechens geworden? Nein, das hier sah zu präzise aus, als das es nicht mit Absicht geschehen war. Man hatte sie hingerichtet, da war er sich sehr sicher. Doch warum dem so war, konnte er sich nicht erklären?

Eine Hand umschloss seine, während er sie berührte. Sein Blick kreuzte Jamies.

"Akiko-sama?", fragte sie leise.

Er zog seine Hand zurück und stand wieder auf. Langsam schüttelte er seinen Kopf.

"Nein, auch du kannst mir heute Nacht nicht helfen." Einen Moment lang wünschte er sich, sie wäre in der Lage ihn vergessen zu lassen. Doch dafür hätte sie fühlen müssen und dazu war sie nicht fähig. Nein, die Art des Vergessens, nach der es ihm verlangte, konnte sie ihm nicht geben.

Er drehte ihr den Rücken zu und ging zur Tür. Dennoch blieb er dort stehen und ging nicht hinaus. Sein ausgeprägtes Gehör nahm das leise Geräusch wahr, dass ihre nackten Füße auf dem kalten Boden verursachten.

"Ihr sagtet, ich solle bei euch bleiben, bis ihr eingeschlafen seid.", erinnerte sie ihn. Richtig, das hatte er gesagt, bevor er sich hingelegt hatte. Deswegen war sie dort eingeschlafen. Doch er selbst konnte in dieser Nacht keinen Frieden finden. Er konnte nicht erklären, woher diese innere Unruhe kam. War es weil sein Vater noch nicht zurück war, weil seine Mutter wie ein gefangener Tiger im Käfig herumschlich oder weil er nicht wusste, was mit Rijan geschehen war? Etwas war vorgefallen, der Wald, das Verhalten der Tiere, selbst die Luft um ihn herum schien ihm zu sagen, dass sich etwas verändert hatte. Doch er konnte diese Veränderung einfach nicht greifen. Er würde keine Ruhe finden, ehe er die Antworten nicht kannte.

"Es ist unnötig, dass wir beide die Nacht durchwachen.", erklärte er und verspannte sich, als sie ihn von hinten umarmte.

"Ich kann Euch vergessen lassen."

"Wer sagt so etwas?", fragte er zwischen zusammengebissenen Zähnen.

"Chidori-sama sagt jede Frau kann einen Mann vergessen lassen."

Er lachte trocken und befreite sich aus ihrer Umarmung.

"Jede Frau außer dir, Jamie.", erklärte er in verletzendem Ton. Sie war keine vollwertige Frau in dieser Hinsicht.

Sein Blick fiel auf ihr Gesicht, doch natürlich spiegelte sich dort nichts wider. Kein Zeichen einer Kränkung.

"Wenn Ihr das sagt!"

Unfassbare Wut befiel ihn und schien sein ganzes Denken zu beherrschen.

"Sag das nicht!", schleuderte er ihr aufgebracht entgegen.

Jamie sah ihn an, unbeeindruckt von seinen Worten.

"Wie Ihr wollt!"

Er hasste sie in diesem Moment mehr, als jedes andere Wesen dieser Erde. Er wollte, dass sie ihm widersprach, er wollte, dass sie sich mit ihm stritt, aber nicht einmal wenn er ihr befehlen würde, ihm zu widersprechen, käme das einem Streit auch nur nahe. Frustration machte sich in ihm breit.

Er drehte ihr erneut den Rücken zu und verließ das Zimmer. Resigniert schloss er die Tür hinter sich, lehnte sich jedoch einen Augenblick dagegen. Nein, so konnte das nicht weitergehen. Er würde das beenden, entweder sie bekam ihre Seele zurück oder aber er würde sie wirklich töten. So machte das keinen Sinn. Langsam betrachtete er seine Hand und ballte sie zu einer Faust. Er hatte nie zuvor einen Menschen getötet, manchmal war er sich nicht einmal sicher, ob er dazu wirklich in der Lage war. Es war ein trauriges Lächeln, das seine Lippen umspielte. Eine Enttäuschung für seinen Vater auf der ganzen Linie. Wie hatte es passieren können, dass zwei so mächtige Dämonen ein Kind zeugten, das so schwach war?

Erneut seufzte er. Nein, ein Kind war er schon lange nicht mehr. Womöglich war er auch nie eines gewesen. Manchmal versuchte er sich zu erinnern. Er versuchte Dinge in sein Gedächtnis zurückzurufen, die ohne Zweifel einmal dagewesen waren, doch je stärker er versuchte sich zu erinnern, desto schwieriger schien es zu werden. Es war seltsam, er glaubte sich entsinnen zu können bei dem Streit, der seine Eltern endgültig getrennt hatte, dabei gewesen zu sein. Doch ihm wollte nicht mehr einfallen, was damals geschehen war. Er versuchte sich auch daran zu erinnern, wie es gewesen war, nachdem Sesshoumaru sie verlassen hatte, doch auch das wollte ihm nicht gelingen. Manchmal war da ein Bild, ein Bild von seiner Mutter, doch wann immer er es greifen wollte, verblasste es, bevor ihm wirklich bewusst wurde, was er gesehen hatte.

In Gedanken versunken verließ er das Haus. Ihm war nicht einmal klar, dass er an die frische Luft ging. Erst als langsam Kälte in seinen Ärmel kroch und ihm eine Gänsehaut bescherte, wurde er sich dessen bewusst. Sein Blick glitt in die Ferne, doch natürlich war dort nichts zu entdecken. Die Nacht war außergewöhnlich dunkel. So als würde sich selbst der Mond heute verstecken wollen. Erneut ergriff ihn dieses beängstigende Gefühl, dass etwas sehr Schlimmes geschehen war. Wenn doch nur sein Vater endlich nach Hause kommen würde.

Beinahe hätte er angefangen zu lächeln. Nach Hause? Seit wann war das hier Sesshoumarus Zuhause. Er ließ selten einen Zweifel daran, dass er an jedem Ort dieser Erde lieber war, als hier bei seinem Sohn und Chidori. Seine goldenen Augen wurden eine spur dunkler, als Bitterkeit in ihm aufstieg. Er sollte aufhören sich so viele Gedanken zu machen. Es war schließlich nicht so, dass er zu seinem eigenen Vater auch nur irgendeine Bindung hatte. Vermutlich würde er sowieso bald wieder gehen. Das kam Akiko nur entgegen. Dieser Dämon verpestete langsam aber sicher die Luft.

Akiko wollte zurück ins Haus gehen, als ein leises Geräusch an sein Ohr drang. Er hielt inne und blickte über seine Schulter zurück. Einen Moment lang schien er sich getäuscht zu haben, doch dann erkannte er die Umrisse seines Vaters in der Dunkelheit. Er drehte sich langsam um, verschränkte die Arme und wartete, bis sein Vater näher gekommen war.

Er war allein.

Unruhe begann von Akiko Besitz zu ergreifen. Wieso war Rijan nicht bei Sesshoumaru? Hatte er sie nicht gefunden? Oder hatten sie sich vielleicht gestritten? Ein sehr ungutes Gefühl erwachte in Akikos Magengegend.

"Du bist allein?", fragte er unnötigerweise. Natürlich erhielt er auf eine Frage, deren Antwort derart offensichtlich war, keine Antwort. Es hätte ihn auch überrascht. Sein Vater stieg die wenigen Stufen empor und erst dann bemerkte Akiko das Blut am Gewand seines Vaters. Seltsam, wieso war ihm der Geruch nicht schon längst in die Nase gestiegen?

"Was ist passiert?", fragte er, war sich jedoch nicht sicher, ob er die Antwort wissen wollte. Sie hatten doch nicht etwa gekämpft? Er betrachtete seinen Vater genauer, konnte aber keinerlei Verletzungen ausmachen. Natürlich musste man berücksichtigen, dass die Wunden seines Vaters extrem schnell heilen konnten. Und Rijan sah nicht wirklich aus, als könnte sie Sesshoumaru größere Verletzungen zufügen. Ob dies umgekehrt auch der Fall war, wollte Akiko lieber nicht so genau wissen.

Sesshoumaru verharrte einen Augenblick in der Bewegung. Akiko glaubte zu sehen, wie seine Augen eine Nuance dunkler wurden, doch in der Schwärze der Nacht, konnte das auch Einbildung sein.

"Sie ist tot." Drei einfache Worte, gesprochen ohne den Hauch einer Emotion, als würde er sagen: der Mond scheint heute nicht. Im ersten Moment glaubte Akiko deswegen, er hätte sich verhört. Nicht einmal sein Vater konnte eine solche Neuigkeit so unbewegt mitteilen. Und doch wurde er eines besseren belehrt. Denn während Sesshoumaru als wäre nichts geschehen im Inneren des Hauses verschwand, hallten seine Worte in Akiko nach und schlugen mit einer solchen Wucht ein, dass er im ersten Moment beinahe vergaß zu atmen. Doch der erste Moment der Überraschung verflog sofort und Wut ersetzte sie.

Er riss die Tür auf und hob sie dabei fast aus den Angeln.

"Was soll das heißen?", rief er seinem Vater nach. Sesshoumaru blieb stehen und drehte seinen Kopf leicht. Eine Antwort gab er nicht.

"Sie kann nicht tot sein!", meinte er in einem Anflug wütend.

"Sie ist ein Mensch. Selbstverständlich kann sie das."

"Ich weigere mich zu glauben, dass dem so ist. Du könntest mir das nicht so ruhig mitteilen."

Diesmal drehte Sesshoumaru mehr als nur seinen Kopf herum. Er sah seinen Sohn an, schwieg jedoch. Offenbar wartete er auf weitere Worte.

"Ich meine, wenn sie wirklich tot wäre, dann würde selbst dir das nicht egal sein."

"Und warum sollte es das nicht? Sie war nur ein Mensch, Akiko. Menschen sterben."

Akikos Augen wurden dunkler, verloren dabei den goldenen Glanz fast ganz.

"Aber sie war deine ..." Er brach ab, als ein drohendes Knurren zu ihm durchdrang. Ja, was war sie eigentlich gewesen?

"Ich meine ...", setzte er erneut an, brach jedoch wieder hilflos ab. Mit einer enormen Kraft wurde ihm bewusst, dass sein Vater nicht scherzte. Irgendetwas war heute geschehen und hatte Rijan das Leben gekostet. Fassungslos betrachtete Akiko seine Hände.

"Aber das kann doch nicht sein. Du beschützt sie doch." Er hob den Kopf und sah seinen Vater mit einem sonderbaren Blick an. Eine neue Idee hatte sich seiner bemächtigt. "Du hast versagt." Und auf eine sehr kranke Art, erfreute ihn das etwas. Sesshoumarus Knurren war diesmal lauter. Der Blick, mit dem er seinen Sohn bedachte, zwang diesen fast in die Knie.

"Ich versage nie!" Die Überheblichkeit seiner Worte hätte Akiko fast zum Lachen gebracht.

"Aber du selbst sagst, sie ist tot. Wenn du sie nicht hast beschützen können, hast du versagt.", erläuterte er leise.

"Ich wiederhole mich nicht gerne, Akiko. Ich versage nie, merke dir das. Sie war nur ein Mensch, wer nicht in der Lage ist, sich selbst zu schützen, stirbt. So einfach ist das. Sie konnte es offenbar nicht." Akiko fing an zu frösteln, als er den Unterton dieser Botschaft herausnahm. Auch er würde sich nicht auf seinen Vater verlassen können. Er musste sich selbst beschützen können, ansonsten würde er irgendwann unterliegen.

Sein Verstand fing langsam an zu akzeptieren, dass Rijan wohl wirklich nicht mehr unter den Lebenden weilte. So absurd das alles war, sein Vater war niemand, der solche Dinge sagte, wenn sie nicht stimmten.

"Sie ist also wirklich tot?", fragte er leise. Und schlimmer als jede Antwort auf diese Frage, war das Schweigen, das plötzlich herrschte. Akiko wich einen Schritt zurück, als könnte er sich dadurch vor der Wirklichkeit schützen. Und doch dieses leere Gefühl in ihm, sagte ihm sehr deutlich, dass er davor nicht weglaufen konnte.

"Wie ist das geschehen?" Es spielte nicht wirklich eine Rolle, doch Akiko fiel es nach wie vor schwer, seinem Vater zu glauben. Er brauchte Einzelheiten um diese Neuigkeit zu verdauen. Er hatte Rijan noch nicht lange gekannt, umso mehr erstaunte es ihn, wie sehr ihn diese Nachricht traf.

"Hat sie sehr leiden müssen?" Er betete, dass dem nicht so war, denn allein die Vorstellung schien ihn schon zu erdrücken. Als erneut keine Antwort kam, blickte er seinen Vater wieder an und erlebte wohl zum ersten Mal in seinem Leben das dieser große Dämon bei einer Antwort tatsächlich zögerte. Die Situation wurde dadurch fast schon wieder komisch. Doch dann dachte er darüber genauer nach und fragte sich, warum sein Vater bei solch einer Frage zögerte. Eigentlich war ihm schließlich egal, ob ein Mensch gelitten hatte oder nicht. Und noch weniger glaubte Akiko daran, dass sich Sesshoumaru nicht sicher war, ob Rijan Schmerzen gehabt hatte oder nicht.

"Nein, es ging ihr gut." Die Antwort ließ Akiko verstummen. Er wusste nicht, was er darauf hätte erwidern sollen. Sesshoumarus Aussehen nach zu urteilen, konnte er das schwer glauben, aber eine solche Lüge würde er auch nie verbreiten. Es dauerte bis ihm klar wurde, was genau hinter dieser Aussage steckte.

"Du bist bei ihr gewesen." Akiko senkte den Blick und starrte auf den dunklen Boden. "Die ganze Zeit über, richtig?"

Die Antwort blieb Sesshoumaru ihm schuldig, dennoch wusste Akiko, dass er mit seiner Vermutung recht gehabt hatte. Es war der einzige Grund, warum Rijan nicht hatte leiden müssen. Sie fühlte sich in der Nähe seines Vaters immer wohl. Er konnte das nicht verstehen, aber dennoch hatte man kaum übersehen können, wie sehr es Rijan immer nach Sesshoumarus Anwesenheit verlangt hatte. Und auch wenn seinem Vater das zutiefst zuwider war, sagte es doch eine Menge über die Gefühle des Dämons zu diesem einfachen Menschen aus. Akiko war sich sehr sicher, dass kein weiteres Wesen dieser Erde in seinen letzten Stunden auf Sesshoumarus Gegenwart würde vertrauen können.

Nachdenklich sah er Sesshoumaru an, bis dieser ihm schließlich wieder den Rücken zudrehte und weiterging.

"Wenn ich darüber nachdenke, scheinst du doch versagt zu haben, oder?"

Mit einem Schlag änderte sich die Atmosphäre zwischen den beiden Dämonen. Gefahr strömte jetzt von Sesshoumaru aus. Richtig, er hatte auf diese Aussage bereits geantwortet.

"Ich meine, du besitzt die Macht, Leben zu geben. Wenn nicht Rijan, wen sonst würdest du wohl ins Leben zurückholen?" Einen Moment lang, dachte Akiko weiter darüber nach. Richtig, Tensaiga war ein Teil seines Vaters. Es gehorchte allein seinem Willen. Und wenn Rijan nun tatsächlich tot war, hatte Tensaiga versagt und somit auch sein Vater.

"Ich sage es dir ein letztes Mal, ich versage nie. Was mein Wille ist, wird auch geschehen."

Die bislang unterdrückte Wut kochte in Akiko hoch. Ohne weiter darüber nachzudenken, folgte er seinem Vater, packte ihn am Arm und zwang ihn, sich umzudrehen.

"Dann hast du Tensaiga überhaupt nicht benutzt. Wie kannst du einem einfachen Menschen im Tod beistehen und sie dann nicht zurückholen. So herzlos kannst du nicht sein.", fuhr er seinen Vater an. Sesshoumaru schwieg und senkte den Blick auf Akikos Hand, die seinen Arm festhielt.

Akiko zog die Hand zurück, als hätte er sich verbrannt. Automatisch wich er einen Schritt zurück, als sein Vater ihn aus eiskalten Augen ansah.

"Es gab mächtigere Dämonen als dich, die so etwas mit dem Leben bezahlt haben.", meinte er vernichtend.

Akikos Hand zitterte, worüber er sich nur noch mehr ärgerte.

"Du hast Tensaiga nicht benutzt, richtig?", beharrte er auf seinem Standpunkt, konnte dabei die tiefe Enttäuschung, die er verspürte nicht verbergen.

"Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig." Das war mehr Eingeständnis als Akiko lieb war. Dann stimmte es also. Sesshoumaru hatte offenbar etwas an Rijan gelegen, denn sonst wäre er nicht bei ihr geblieben. Er hätte sie allein sterben lassen, denn eigentlich stand ihm kein Wesen dieser Erde wirklich nahe. Und doch, obwohl Rijan somit ein wesentlich wichtigerer Bestandteil seines Lebens war als Akiko oder sonst jemand, der mit ihm verwandt war, hatte er seine Macht nicht gebraucht, um dieser jungen Frau zu helfen. Abscheu erwachte in ihm, während er seinen Vater ansah.

"Und zu mir sagst du, ich wäre erbärmlich. Schau dich an, du hast die größte Macht dieser Erde und doch weigerst du dich, sie zu nutzen. Seit wann so zimperlich?"

Sein Vater ballte seine rechte Hand sehr langsam zu einer Faust dann streckte er sie wieder und ließ dabei seine Knochen knacken. Die Warnung, die darin mitschwang, war sehr deutlich.

"Du machst mir keine Angst mehr. Dämonen nehmen sich was sie möchten, das waren deine Worte. Was für ein Dämon bist du dann?"

Er drehte seinem Vater den Rücken zu, mehr um zu verbergen, dass er ihm doch noch Angst einjagte, als weil er wirklich gehen wollte. Was war in ihn gefahren, Sesshoumaru so zu reizen?

"Nun, ich nehme mir was ich möchte. Ich möchte, dass Rijan wieder lebt und ich brauche dich ganz bestimmt nicht dafür. Ich bin selbst in der Lage Tote ins Leben ..." Den Satz konnte er nicht mehr zu Ende sprechen, denn ehe er sich versah, tauchte sein Vater plötzlich wie aus dem Nichts vor ihm auf, packte ihn an der Kehle und schleuderte ihn mit brachialer Gewalt gegen die nächste Wand. Akiko stöhnte schmerzhaft auf und ging dann in die Knie. Sein Vater näherte sich ihm langsam und schüchterte ihn durch seine bloße Anwesenheit ein.

"Du solltest das nicht einmal zu Ende denken, Akiko. Ich habe andere Dämonen für weniger getötet. Wage es und ich werde erst dich und danach sie wieder ins Jenseits befördern." Die Wahrheit dieser Worte blieb ohne Zweifel. Akiko schluckte schwer und sah seinem Vater nach wie er in der Dunkelheit verschwand.

Nein, er würde nie verstehen, was in diesem Dämon vor sich ging.
 

Sie schnappte nach Luft, wie eine Ertrinkende pumpte sie Unmengen von Luft in ihre Lungen. Jeder Versuch zu atmen schmerzte sie. Ein Geräusch drang an ihr Ohr und ließ sie unruhig zusammenzucken. Sie versuchte die Augen zu öffnen, doch es gelang ihr einfach nicht. Sie versuchte es erneut, doch wieder schaffte sie es nicht. Panik erwachte in ihr. Was war geschehen? Wo war sie? Warum schmerzte jeder Muskel ihres Körpers? Schlimmer noch, es schien als würde sie brennen, als würde sie verglühen. Sie wollte sich an die Stirn fassen, doch ihre Glieder wollten ihr nicht gehorchen. Angst lähmte ihren Körper. Obwohl sie nicht wusste, wo sie war, hatte sie doch große Angst vor dem, was sie sehen könnte, wenn sie ihre Augen öffnete. Ein Zittern lief durch ihren schwachen Körper und ließ ihre Zähne klappern. Kälte bemächtigte sich ihrer. So heiß ihr eben noch gewesen war, so kalt war ihr im nächsten Moment. Kein Gedanke war mehr greifbar für sie.

"Beruhige dich!" Geflüsterte Worte drangen zu ihr durch schienen sie beruhigen zu wollen, doch kein existierendes Wort schien dies zu können.

"Rijan!", erneut flüsterte ihr diese Stimme etwas zu. War es ein Name? War es ihr Name? Wie konnte es sein, dass sie nicht mehr wusste, wie sie hieß? Etwas in ihr schien sich erinnern zu wollen. Dieser Name sagte ihr etwas und doch konnte sie keine Verbindung zu sich selbst herstellen. Was war hier nur los?

Sie hielt sich die Ohren zu, wollte diese Stimme nicht länger hören. Sie glaubte fest daran, dass sie ihr etwas Schlimmes sagen wollte. Nein, sie wollte das nicht hören.

Es dauerte bis ihr bewusst wurde, dass sie offenbar wieder Kontrolle über ihren Körper zu haben schien.

Langsam öffnete sie ihre Augen, doch änderte sich dadurch nicht wirklich etwas. Die Welt um sie herum war in Dunkelheit versunken. Es war ihr kaum möglich die eigene Hand zu erkennen. Vorsichtig erhob sie sich und blickte sich um. Nein, da war nichts, was ihr vertraut war. Mutlos kauerte sie sich wieder auf den Boden und zog die Beine an. Sie begann langsam vor und zurück zu wippen. Das hier war nur ein Alptraum. Das konnte überhaupt nicht sein. Sie würde bald aufwachen und alles wäre wieder normal. Sie würde sich wieder daran erinnern, wer sie war. Ja, anders konnte es gar nicht sein. Sie konzentrierte sich darauf, Erinnerungen zu finden, doch je mehr sie sich anstrengte, desto mehr Schmerzen peinigten ihren Körper. Gequält stöhnte sie auf, als eine erneute Hitzewelle durch ihren Körper rollte.

Aus der Ferne rief wieder eine Stimme diesen Namen. Rijan! Niemand außer ihr war hier, es konnte nur sie gemeint sein. Dennoch sie fühlte sich nicht, als wäre sie diese Rijan. Wie konnte das sein? Und wer versuchte sie hier zu finden? Hatte sie sich verlaufen? Doch welch fürchterlicher Ort war das hier? Was hatte sie geritten, sich hierher zu begeben? Hatte man sie gejagt und sie hatte keine Wahl gehabt?

Gejagt? Wie kam sie nun darauf? Für einen flüchtigen Moment schien da etwas zum Greifen nah zu sein, doch kaum streckte sie die Hand nach dieser Erinnerung aus, verblasste sie wieder. Sie schlang die Arme fest um sich, als ihr entsetzlich kalt wurde.

"Das vergeht wieder!", flüsterte sie, doch ihre Stimme hallte von allen Seiten wieder und schien gar nicht mehr aufhören zu wollen. Entsetzt hielt sie sich die Ohren zu.

"Rijan!" Diesmal war es kein Flüstern, kein Versuch sie zu beruhigen. Die Stimme klang gebieterisch und verursachte in ihr ein ungutes Gefühl. Nein, sie würde darauf nicht reagieren. Mit einem Mal überlegte sie sich, was diese Stimme von ihr wollte. Was wenn sie ihr folgen würde? Anfangs hatte sie angenommen, man wollte ihr helfen, sie von hier fortführen, doch nun dachte sie darüber genauer nach. Was wenn diese Stimme, sie noch weiter ins Verderben reißen wollte? Wenn es womöglich sogar sie war, vor der sie davon gelaufen war? Nein, sie würde hier ganz still und ruhig sitzen bleiben und abwarten. Es würde sich schon alles zum Guten wenden. Jeder Albtraum endete einmal. Sie war hier sicher. Natürlich, es war kein schöner Ort und er machte ihr Angst, aber irgendwann würde sich das geben. Lieber blieb sie hier an diesem furchtbaren Ort, als an einen noch schlimmeren zu gelangen. Alles war bestens, genau. Wenn sie sich das oft genug sagte, dann würde das auch irgendwann der Wahrheit entsprechen. Der menschliche Geist war in der Lage sich selbst zu täuschen. Nein, es gab nichts, wovor sie sich fürchten musste.

"Benimm dich nicht wie ein Baby und folge mir endlich!" Sie schrie entsetzt auf und hielt sich daraufhin gleich wieder die Ohren zu. Dieses Echo war wirklich furchtbar. In der Stille dieses Ortes schien es einen erschlagen zu können.

Wie hatte das passieren können? Sie hatte doch nicht reagiert, woher wusste diese Person wo sie war? Sie sah sich gehetzt um, konnte jedoch nichts erkennen. Sie zitterte vor Angst. Nein, jetzt war sie sich ganz sicher, dass diese Stimme nicht ihre Rettung war. Sie durfte ihr nicht folgen. Sie zog die Beine etwas mehr an und starrte angestrengt in die Dunkelheit. Die Stimme war so nah gewesen, sie musste nicht weit entfernt sein. Hoffentlich sah sie auch so wenig.

"Rijan, du musst mir vertrauen!" Nun klang sie wieder freundlicher, schien ihr Vertrauen gewinnen zu wollen, doch sie schüttelte nur hastig ihren Kopf.

"Ich kann nicht!" Die Worte waren ausgesprochen ehe sie es hatte verhindern können. Sie kann nicht? Was war in sie gefahren? Sie wollte nicht, das war die richtige Antwort. Und doch wurde ihr klar, dass sie sich danach sehnte ihr vertrauen zu können. Sie wollte weg von hier. Dieser Ort ängstigte sie mehr als alles andere auf dieser Welt.

Ein schwaches Licht durchbrach die Dunkelheit langsam. Es schien nicht wirklich schwach zu sein, sondern wirkte eher, als wollte es ihre Augen erst langsam daran gewöhnen. Sie blinzelte leicht, als das Licht heller wurde und anfing sie zu blenden. Sie schirmte ihre Augen ab und versuchte in der Helligkeit etwas zu erkennen. Dort war eine Person, ja richtig, sie konnte die Umrisse erkennen.

"Vertrau mir!", erneut sprach die Person zu ihr, doch nun wirkte es nicht mehr so seltsam, denn plötzlich wusste sie wer zu ihr sprach. Sie versuchte sich zu erinnern. Kannte sie die Person? Sie wusste es nicht, war sich aber auch nicht sicher, ob sie sich erinnern könnte, denn mehr als Umrisse konnte sie nicht ausmachen. Das Strahlen, dass jene Gestalt umgab, war so hell, so warm und überaus einladend. Sie wollte ihr folgen. Wie konnte ein Geschöpf, das ein solches Licht umgab, böse sein? Nein, es konnte nicht wahr sein, dass sie vor dieser Person davongelaufen war.

Eine Hand streckte sich ihr entgegen, berührte sie aber nicht. Das fremde Wesen hätte sie einfach packen können, doch nichts dergleichen geschah. Im Gegenteil es stand abwartend da, wartete auf ihre Reaktion und vermutlich war es das, was ihren Beschluss kräftigte, was ihre Entscheidung vereinfachte. Nein, das hier war ihre Hilfe, dessen war sie sich nun sicher. Langsam und etwas zögerlich streckte sie auch ihre Hand aus und berührte das seltsame Geschöpf. Wärme schien sie zu durchfluten, als sie langsam aufstand. Es war angenehm. Ja, so fühlte sich alles schon viel besser an. Das Licht verblasste und ihr entfuhr ein lauter Schrei, als sie die Person erkannte.
 

Akiko hielt in der Bewegung inne und fuhr entsetzt herum. Ein gellender Schrei hallte durch das Haus. Ehe es im klar war, rannte er auch schon dem Geräusch entgegen. Dieser Schrei war ihm bis in die Knochen gefahren. Was konnte das gewesen sein?

Er riss die Tür zu Rijans Zimmer auf, denn hier hatte er das Geräusch am stärksten wahrgenommen und blieb wie angewurzelt stehen.

"Das ..." Er brach ab und blinzelte ein paar Mal. Nein, es war kein Trugschluss, der vor wenigen Minuten noch leblose Körper war nicht mehr so leblos. Rijan saß aufrecht in ihrem Bett und starrte ihn aus großen Augen an. Sie war immer noch über und über mit Wunden bedeckt und Blut klebte nach wie vor in ihrem Haar, sie hatte sich nicht wirklich verändert, doch es stimmte, sie lebte wieder. Ganz eindeutig und ohne einen Zweifel daran zu lassen, Rijan lebte. Diese Erkenntnis ließ ihn fast zusammenbrechen.

Misstrauisch kam er näher.

"Wie ist das möglich?" Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie verstört und verängstigt sie aussah. Sie zuckte vor ihm zurück und schien ihn nicht wirklich zu erkennen. Ihr Atem ging außergewöhnlich schnell und ihr Herz raste. Er blieb stehen und sah sie verwirrt an.

"Erkennst du mich?" Sie schien darüber nachzudenken und nickte schließlich, ehe sie wieder den Kopf schüttelte.

"Ich...", krächzte sie, bekam dann aber kein Wort mehr heraus.

"Warte!", meinte er und reichte ihr einen kleinen Krug voll Wasser. Sie trank es gierig und räusperte sich dann. Ihre Stimme klang zwar immer noch sehr mitgenommen, aber es ging wieder.

"Ich glaube mich zu erinnern, aber alles ist so verschwommen. Dein Gesicht kommt mir bekannt vor, doch ich kann mich nicht an deinen Namen erinnern." Diese Aussage schockierte ihn und trieb ihm Sorgenfalten auf die Stirn.

"Mein Name ist Akiko." Er versuchte in ihrem Gesicht zu erkennen, ob ihr diese Aussage etwas half, doch keine Spur der Erkenntnis zeichnete sich dort ab. Wie war das möglich? Was zur Hölle lief hier eigentlich? Sie war doch tot gewesen. Er hatte es selbst gesehen.

"Akiko.", wiederholte sie langsam.

"Hai, ich bin Sesshoumarus Sohn." Hatte es ihn bereits schockiert, dass sie sich an seinen Namen nicht mehr erinnern konnte, so erschütterte es ihn endgültig, dass ihr selbst der Name seines Vaters nicht geläufig zu sein schien.

"Sesshoumaru.", wiederholte sie verwirrt und schüttelte dann ihren Kopf, wobei sie sich die Schläfen hielt.

"Diese Schmerzen!", keuchte sie und schloss die Augen. Langsam ließ sie sich zurückfallen und atmete schwer.

"Ja, vielleicht solltest du dich noch etwas ausruhen. Wenn du wieder aufwachst, wird vieles klarer sein.", meinte Akiko halbherzig, denn sicher war er sich da keineswegs. Er konnte sich das nicht erklären. Wie hatte das passieren können? Hatte sein Vater seine Meinung geändert? Er wagte es zu bezweifeln, war sich aber auch nicht sicher, dass dem nicht so war. Es würde ihm jedenfalls ähnlich sehen, Rijan zurückzuholen und ihrer Verwirrung zu überlassen.

Leise verließ er das Zimmer um sie nicht noch mehr einzuschüchtern. Als er die Tür geschlossen hatte, sank er langsam auf die Knie und gestattete sich einen Moment der Schwäche. Was in aller Welt war hier gerade geschehen? Und warum konnte sie sich nicht erinnern? Wie war es möglich, dass Rijan Sesshoumaru vergessen hatte? War seinem Vater das klar gewesen und er hatte deshalb nicht versucht sie ins Leben zurückzuholen? Doch warum hatte er das dann doch getan?

Langsam stand er wieder auf und suchte nach Jamie.

Er fand sie in den unteren Räumen. Sie ordnete gerade einige der Opfergaben.

"Geh und sieh nach Rijan!"

Sie nickte nur, schien sich nicht darüber zu wundern, warum er sie beauftragte nach einer Toten zu sehen.

"Sie braucht neue Kleidung und ihre Wunden müssen gereinigt werden."

"Hai, Akiko-sama!" Er sah ihr nach, wie sie leise davonging.

"Frauen!", seufzte er resigniert. "Eine zickige Dämonin, eine seelenlose Person und eine Frau, die sie sich an nichts mehr erinnern kann. Ich frage mich, wie man das noch steigern kann."
 

Fortsetzung folgt ...
 

Gut, wo soll ich anfangen, erst mal danke, an alle, die so liebe aufmunternde Kommentare geschrieben haben, ob das nun hier war oder in meinem Gästebuch oder per ENS, ich werd nie verstehen, warum ich manche Leute mit dieser Story so zu begeistern vermag <seufz> Aber domo arigato in diesem Sinne. Das baut einen auf. Ich weiß es hat lang gedauert bis was neues kam und seht es mir nach, wenn dort oben jetzt Rechtschreibfehler oder dergleichen drin sind, ich habs grad net korrektur gelesen, hätt ich es gemacht, hätt ich es net hochgeladen, so erging es den ungefähr fünf fertigen Versionen vorher, die liegen alle auf meinem PC und werden nie das Licht der Öffentlichkeit erblicken, weil sie ehrlich gesagt shit waren und ich niemandem zumuten kann, das zu lesen. Das da oben ist auch net viel besser, ich weiß, ich weiß, aber ich hab mich echt voll in die Sackgasse manövriert, Rijan wieder zu erwecken, erwies sich als fast unmögliche Herausforderung. Entweder ist mir Sess vollkommen ooc geworden oder Akiko war unglaubwürdig oder aber Rijan wurde zu kitschig, ich weiß nicht, ich glaub ich sollte das hier net weiterschreiben aber ihr wolltet das ja unbedingt, ich hoffe ich schreck euch jetzt net zu sehr ab, ich habe mal die Hoffnung, dass nun wo ich den Anfang wieder gemacht hab, ich auch zu alter Stärke zurückfinden werde. Seid nachsichtig mit mir, gomen nasai ...
 

Also ich würd mich schon freuen, wenn mir jemand sagt, wie er es denn nun findet, Ehrlichkeit erwünscht, aber ich kanns auch niemandem verdenken, wenn einem dazu nix mehr einfällt.
 

Mata ne

Rogi <nochmal seufz>

Geheimnisse

Okay, ihr Lieben, es geht weiter. Es hat gedauert, aber ich denke, der Part ist recht gut geworden. Aber lest selbst:
 

Schweißgebadet schreckte Rijan aus dem Schlaf. Automatisch griff sie sich an ihre Brust. Ihr Herz schlug viel zu schnell.

"Nur ein Albtraum.", murmelte sie und strich sich mit fahrigen Bewegungen die Haare aus dem Gesicht.

Als sich ihr Körper etwas beruhigt hatte, lehnte sie sich wieder zurück in das weiche Kissen und starrte an die dunkle Decke. Ihre Augen waren es gewohnt sich in großer Dunkelheit zu Recht zu finden, in Momenten wie diesen erschien ihr das wie ein Segen. Schwach nahm sie die Holzschnitzereien an der Decke wahr. Waren sie ihr vorher schon einmal aufgefallen? Sie war sich nicht sicher und ihre Erinnerungen spielten ihr immer noch einen Streich. Sie seufzte leise, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und versuchte einmal mehr ihre Erinnerungen heraufzubeschwören. Es ängstigte sie ein wenig, dass sie sich nicht erinnern konnte. Sie hatte Akikos Gesicht gesehen, als sie ihn nach seinem Vater gefragt hatte. Er war mehr als nur schockiert gewesen. Wenn Sesshoumaru also wirklich eine derart wichtige Person für sie war, wie hatte sie ihn dann vergessen können? Sie versuchte sich an sein Gesicht zu erinnern, doch es gelang ihr nicht. Auch andere Erinnerungen wollten sich nicht mehr einstellen.

Ein Seufzer kam tief aus ihrer Kehle während sie die Decke zurückschlug und sich schwerfällig erhob. Ihr Körper schmerzte noch sehr von den Wunden und war zudem reichlich steif. Der Boden unter ihren Füßen fühlte sich kalt an, ließ sie leicht frösteln. Sie nahm ein dünnes Laken, hüllte es um ihren durch die Verletzungen sehr ausgezehrten Körper und verließ den dunklen Raum. Sie wusste nicht wohin ihre Beine sie trugen, erst als sie die Haustür aufschob und ihr eine frische Briese entgegenschlug, fing sie endlich an sich zu entspannen. Sie betrat die Veranda des Hauses, schloss die Tür hinter sich und atmete tief die frische Nachtluft ein. Der Mond war von dunklen Wolken verdeckt, doch Rijan kümmerte das wenig. Sie ging ein paar Schritte vor um unter dem Dach hervorschauen zu können. Es sah nach Regen aus, doch auch das konnte sie nicht abhalten.

Rijan ging einige Schritte weiter und setzte sich dann auf die Treppenstufen, die zu einem Weg führten, der im Dunkel des Waldes verschwand. Eine Weile betrachtete sie diesen Weg, starrte auf die dunklen Bäume und versuchte sich zu erinnern, was dort geschehen war. Ganz deutlich konnte sie fühlen, dass ihre Verletzungen dort geschehen sein mussten. Warum dem so war, entzog sich jedoch ihrer Kenntnis?

"Menschen!" Eine tiefe verächtliche Stimme ließ sie zusammenschrecken.

Sie drehte den Kopf und erblickte einen überaus beeindruckenden Dämon, der sie aus goldenen, sehr kalten Augen anblickte. Seltsamerweise stellte sich kein Gefühl von Angst ein.

"Sesshoumaru, richtig?", fragte sie und kannte die Antwort doch schon längst. Die Ähnlichkeit mit seinem Sohn war verblüffend. Lediglich Akikos Haare veränderten die Optik etwas.

Er antwortete nicht, drehte sich zur Seite und starrte ebenfalls in die Dunkelheit.

"Du wirst dein Zimmer nicht mehr verlassen, bis du dich erinnerst." Widerrede duldete diese Aussage nicht, das machte sein Ton sehr klar. Es ärgerte sie irgendwie, dass er ihr so selbstverständlich Befehle erteilte. Unwillkürlich fragte sie sich, ob dem immer so gewesen war.

"Wir scheinen sehr vertraut miteinander zu sein, wenn du glaubst mir Befehle erteilen zu können." Sie warf ihm einen verärgerten Blick zu und starrte dann auf ihre nackten Füße. Die Kälte begann ihr zu schaffen zu machen. Dennoch wollte sie nicht kleinbeigeben und zurück ins Haus gehen.

"Wir sind keineswegs vertraut miteinander. Du bist ein Mensch." Sehr viel Verachtung schwang in dem Wort Mensch mit. Offenbar sollte ihre diese Aussage zeigen, welch eine Beleidigung ihre Behauptung darstellte. Rijan jedoch konnte sich darauf keinen Reim machen. Was hatte ihr Menschsein damit zu tun? Sie runzelte leicht die Stirn und starrte weiter auf ihre Füße.

"Ihr Menschen seid sogar unfähig für euer eigenes Wohl zu sorgen. Schuhe erfüllen durchsaus einen Zweck." Wut klang in seinen Worten mit und sie sah erstaunt zu ihm auf. Ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht.

"Du sorgst dich um mich." Ihr Lächeln vertiefte sich, als sich deutlicher Unmut auf seinem Gesicht abzeichnete.

"Warum sollte ich mich um eine so erbärmliche Kreatur sorgen?" Seine Worte sollten sie wohl kränken, doch sie bewirkten eher das Gegenteil. Vielsagend blickte sie ihn an, versuchte ihr Lächeln nicht zu eindeutig ausfallen zu lassen. Er hatte es nicht abgestritten. Seine Worte konnten daran nichts ändern.

"Ich scheine dich gut zu kennen." Rijan war sich mittlerweile sehr sicher, dass dem so war. Warum sonst wäre ihr aufgefallen, dass er sie zwar beleidigt, aber keineswegs die Wahrheit ihrer Worte abgestritten hatte?

"Das haben schon andere vor dir behauptet. Lass dir gesagt sein, dass sie alle eines besseren belehrt wurden."

Sie lehnte sich an das Treppengeländer und betrachtete ihn. Sein Gesicht wurde von den Mondstrahlen sanft beleuchtet. Er hatte ein sehr schön geschnittenes Gesicht. Sehr viel Macht strahlte er mit seiner Ruhe aus. Nur jemand, der sehr mächtig war, hatte diesen besonderen Glanz. Goldene Augen richteten sich missbilligend auf sie.

"Du magst es nicht, wenn ich dich ansehe."

Einen Moment lang schien der Ausdruck seiner Augen milder zu werden, doch Rijan konnte das nicht mit Sicherheit sagen.

"Es kümmert mich reichlich wenig, was ein einfacher Mensch tut." Ein Lächeln erschien wieder auf ihrem Gesicht. Das war ein wirklich sehr seltsames Gespräch. Wie konnte sie mit jemandem so vertraute Worte wechseln, ohne sich darüber klar zu sein, wer er war?

"Hai, dem mag so sein. Aber es stört dich, wie ich dich ansehe."

Er antwortete darauf nicht, was ihr wieder sehr sicher sagte, das dem tatsächlich so war.

"Stört es dich, dass ich dich vergessen habe?"

Noch während sie die Frage aussprach, wurde Rijan klar, dass sie darauf keine Antwort erhalten würde. Er bedachte sie nur mit einem ausdruckslosen Blick und erinnerte sie dabei sehr an Jamie. Richtig, Jamie. Warum konnte sie sich an Jamie so eindeutig erinnern? Jamie blickte auch immer ausdruckslos drein, doch bei ihr war man wenigstens sicher, dass sie tatsächlich nichts dachte. Sesshoumaru dagegen dachte mit Sicherheit etwas. Sie wüsste gerne, was das war.

"Mich würde es stören, wenn du mich vergessen würdest.", gestand sie freimütig und wunderte sich doch gleichzeitig über diese Aussage. Seltsamerweise fühlte es sich vollkommen normal an, dass sie ihm sagte, was sie fühlte.

"Du bist eben ein Mensch!" Rijan stand langsam auf und zog die Decke noch enger um sich.

"Das betonst du reichlich oft. Musst du dir das selbst in Erinnerung rufen?"

Er legte den Kopf leicht schief und blickte auf sie herab. Rijan wurde erst jetzt bewusst, wie groß er tatsächlich war. Es war ein angenehmes Gefühl zu ihm aufsehen zu müssen. Sie fühlte sich dadurch beschützt und geborgen. Eine Erinnerung bemächtigte sich ihrer. Nein, eigentlich war es nicht einmal eine Erinnerung, es war eher dieses untrügliche Gefühl, dass sie sich in seiner Gegenwart sehr oft so fühlte.

"Warum wünschst du, dass ich meinem Zimmer bleibe?" Wenn es sein Wunsch war, würde sie es wohl wirklich tun.

"Du erinnerst dich nicht." Als würde diese Aussage alles erklären. Ein wenig ärgerte sie seine herablassende Art.

"Scharfsinnig beobachtet.", spöttelte sie. "Wenn du möchtest, dass ich in meinem Zimmer bleibe, wirst du mir das schon etwas genauer erklären müssen."

"Ich werde dir überhaupt nichts erklären. Tu einfach was ich dir sage." Ohne darüber nachzudenken schüttelte sie ihren Kopf und sah ihn herausfordernd an.

"Mag sein, dass ich bisher ohne Widerrede deinen Befehlen nachkam, aber da ich mich daran nicht mehr erinnern kann, wirst du mir das wohl erklären müssen. Anderfalls tue ich, was mir beliebt."

Etwas Drohendes strahlte von ihm, sollte sie wohl einschüchtern, doch zu ihrer eigenen Überraschung verfehlte es seine Wirkung. Sie lächelte, weil ihr klar wurde, dass sie gewonnen hatte.

"Da du dich nicht erinnerst, weißt du auch nicht, vor wem du auf der Hut sein solltest." Rijan sah ihn erstaunt an. Sollte das heißen, es gab hier jemanden, vor dem sie nicht sicher war? Das beunruhigte sie. Unsicher blickte sie sich um.

"Wäre es nicht einfacher, du sagst mir einfach, wem ich besser nicht begegnen sollte?" Einfacher vermutlich, aber wahrscheinlich nicht seine Art. Sie seufzte also nur und sah ihn einen Moment schweigend an.

"Nani?", fragte er mit gereiztem Unterton.

Ihr Blick kreuzte den seinen und hielt ihn fest. Sie mochte seine Augen, stellte sie dabei fest. Er hatte sehr schöne Augen, nicht einfach nur golden, nein, dort spiegelten sich die verschiedensten Farben wieder. Je nach Lichteinfall schimmerten sie mal golden, dann wieder blassgelb, manchmal schienen sie sogar zu brennen.

"Es tut mir leid, dass ich dich vergessen habe." Jedes weitere Worte blieb unausgesprochen, denn ein lautes Klatschen durchriss die Stille der Nacht. Rijan fuhr erschrocken herum, konnte zunächst aber nichts erkennen. Erst nach einigen Sekunden löste sich eine Gestalt aus dem Schatten des Hauses. Ein Dämon ohne Zweifel. Die Aura war deutlich zu spüren.

"Wartet einen Moment und ich vergieße ein paar Tränen angesichts dieser rührenden Szene." Hohn und Spott begleiteten diese Worte. Das Mondlicht gab den Blick auf eine nahezu perfekt aussehende Dämonin frei. Feuerrotes Haar umhüllte ihr makelloses Gesicht.

Sie griff sich an die Brust und verdrehte die Augen.

"Wirklich herzergreifend. Selbstverständlich nur, wenn man Herz besitzt." Sie kam näher und berührte Sesshoumarus Wange. Ausdruckslos sah er sie an.

"Nicht wahr, Sesshoumaru?"

"Spiel nicht mit dem Feuer, wenn du nicht bereit bist, dich zu verbrennen."

Sie lächelte, doch es erreichte ihre Augen nicht. Langsam zog sie ihre Hand zurück.

"Oh deinetwegen brenne ich gerne. Hast du das etwa vergessen?"

Rijan fühlte sich unwohl. Unsicher trat sie von einem auf den anderen Fuß und wünschte sie könnte unsichtbar werden. Die Dämonen blickte sie an und Rijan fühlte sich vollkommen schutzlos. Hätte sie doch nur Schuhe angezogen. Vielleicht würde sie sich dann nicht ganz so nackt vorkommen.

"Wie ich sehe, weilst du wieder unter den Lebenden." Belanglos zuckte sie mit den Schultern und sah Sesshoumaru dann herausfordernd an. "Wie überaus schade!" Sie machte sich nicht einmal die Mühe ihre Abneigung zu verbergen.

"Darf ich mich vorstellen?" Sie schritt ein wenig auf Rijan zu, doch kaum hatte sie den ersten Schritt auf schon getan, drehte sich Sesshoumaru leicht um ihr den Weg zu versperren.

"Mein Name ist Chidori und das hier ist mein Haus." Sie blickte Sesshoumaru herausfordernd an. In ihren Augen blitzte es gefährlich. Chidori? Rijan kam dieser Name bekannt vor. Auch die Frau selbst schien ihr vertraut zu sein, doch so wirklich wollten die Erinnerungen nicht wiederkommen.

"Du irrst!" Zwei einfache Worte und doch veränderten sie die ganze Stimmung. Chidori schien etwas blasser zu werden, hatte sich aber gleich wieder unter Kontrolle. Sesshoumaru ging an ihr vorbei und wollte ihm Haus verschwinden. Chidori sah ihm nach. Rijan konnte sehen wie sich ihre Hände zu Fäusten ballten.

"Dies ist mein Haus!" Deutliche Besitzansprüche. Rijan sah, dass Sesshoumaru an der Tür des Hauses stehen blieb und leicht den Kopf drehte. Die Striemen auf seinen Wangen wurden dabei sichtbar.

"Solltest du mir noch einmal hier zu Gesicht kommen, werde ich dich töten." Zu schnell für das menschliche Auge bewegte sich die Dämonin und versperrte Sesshoumaru den Durchgang.

"Du kannst mich nicht einfach aus dem Haus jagen. Ich bin die Mutter deines Sohnes!"

Einen Moment lang sagte er darauf nichts. Rijan hatte schon vermutet, dass sie Akikos Mutter war. Seine roten Strähnen waren offenbar von ihr vererbt worden.

"Nur deshalb hast du solange hier bleiben dürfen."

Die Atmosphäre um Chidori schien sich aufzuladen. Rijan fröstelte und bekam ein ungutes Gefühl. Welche Macht auch immer in ihr schlummerte, sie schien kurz vor dem Ausbrechen zu stehen.

"Ich werde mich nicht so einfach vertreiben lassen." Eine Kampfansage die keine Zweifel zuließ, doch die nächsten Worte nahmen ihr den Wind aus den Segeln.

"Wenn du nicht freiwillig gehst, nehme ich dir, was dir am Wichtigsten ist."

Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht, während sie Sesshoumaru aus großen Augen ansah. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.

"Du wirst deinem eigenen Sohn nichts antun." Vermutlich war es mehr ein Gebet, denn sehr überzeugt klang sie nicht. Rijan betrachtete die Szene vor ihr voller Unwohlsein. Sie wollte das alles gar nicht sehen oder hören. Es ging sie schließlich nichts an. Diese beiden Dämonen hassten sich offenbar aus der tiefe ihres Herzens und Sesshoumaru war skrupellos genug alles zu tun, um sein Ziel zu erreichen. Und ganz offenbar wollte er Chidori keinen Tag länger hier dulden.

Seine rechte Hand hob sich langsam, Chidori betrachtete sie voller Argwohn. Er umfasste ihr Kinn, im ersten Moment beinahe zärtlich, doch dann drückte er fester zu und zog sie an sich heran. Er flüsterte etwas in ihr Ohr, was Chidoris Augen vor Wut aufflackern ließ.

"Du Scheusal.", gab sie angewidert von sich.

Ein kalter Blick traf den ihren.

"Erinnere dich, es gibt nichts, was mich aufhalten kann. Du schon gar nicht." Die letzten Worte waren sehr beleidigend ausgesprochen und ließen Chidori beinahe explodieren. Sie hob die Hand und sah Sesshoumaru hasserfüllt an. Er blickte auf ihre Finger und schüttelte nur herablassend den Kopf.

"Du hast mir einst etwas geschworen, Chi. Hast du wirklich so wenig stolz, dass du bereit bist das Einzige zu opfern, was dir noch etwas Würde verleiht?"

Ihre Hand zitterte gewaltig, nicht von ihrer Angst, nein von der Kraft, die sich dort sammelte. Doch dann ballte sie ihre Hand zu einer Faust und ließ sie unter größter Aufbietung ihres Willens sinken. Sie senkte den Kopf und starrte angestrengt auf den Boden. Dieser mächtige Dämon schien plötzlich gar nicht mehr so mächtig zu sein.

"Ich werde gehen.", gab sie schließlich kleinlaut von sich und Rijan war sich sicher, dass sie schnellstens verschwinden sollte. Sie wurde gerade Zeuge von Chidoris Erniedrigung und ein so stolzer Dämon hatte sicher etwas gegen Zeugen.

Sesshoumaru schnaubte nur verächtlich und verschwand dann im Inneren des Hauses.

Es war zu spät. Rijan konnte nicht mehr verschwinden. Jede Bewegung ihrerseits hätte Chidoris Aufmerksamkeit auf sie gewandt. Und erniedrigte Dämonen waren wohl die gefährlichsten von allen. Chidori öffnete ihre Faust und hob dann langsam den Kopf.

"Und freut dich das?" Die Worte waren erstaunlicherweise an Rijan persönlich gerichtet. Unsicher blickte sie zu Chidori hinüber. Doch ehe sie etwas erwidern konnte, packte jemand Chidori an den Schultern und schüttelte sie heftig. Rijan war nicht weiter verwundert, dass es Akiko war. Sie hatte schon das Gefühl gehabt, das ein weiterer Dämon anwesend war.

"Du kannst so nicht mit dir reden lassen. Er hat kein Recht dazu, dich fortzuschicken.", fuhr er sie ungehalten an. Deutliche Wut zeichnete sich auf seinem Gesicht ab.

"Wenn du nichts unternimmst, werde ich es tun." Damit ließ er sie los und öffnete die Tür. Chidori jedoch hielt ihn zurück. Unter Aufbietung aller ihrer Kraft hielt sie ihn fest. Wütend sah er sie an.

"Er hat Recht, das einzige was mir noch an Ehre geblieben ist, ist die Tatsache, dass ich meinen Schwur ihm gegenüber einhalten werde. Nimm mir das nicht!" Sie sah ihn an, versuchte Verständnis in seinen Augen zu erkennen, doch Akiko konnte das nicht verstehen. Seine Mutter war ein solche mächtiger Dämon, wie konnte sie sich so behandeln lassen. Hatte sie keinen Stolz? Sie kroch ja förmlich vor seinem Vater. Wenn sie nicht den Mut hatte, ihm gegenüberzutreten, er hatte ihn. Wenn es einen Dämon auf dieser Erde gab, für den er sich Leben lassen würde, dann war das seine Mutter. Im Gegensatz zu seinem Vater, war sie nämlich für ihn da gewesen. Was er wusste, wusste er von ihr. Und egal, was zwischen den beiden einst vorgefallen war, er würde nie zulassen, dass jemand so mit seiner Mutter umging.

"Du hast gehört, was er sagte, Akiko. Sei kein Narr. Dazu habe ich dich nicht erzogen." Tief blickte sie ihm in die Augen und im ersten Moment wusste er nicht, was sie damit sagen wollte. Doch dann fielen ihm die geflüsterten Worte seines Vaters wieder ein und tiefe Abneigung erwachte in ihm.

"Ich war nicht immer ein Einzelkind." Sein Herz schien langsamer zu werden, während ihm die Ungeheuerlichkeit dieser Worte klar wurde.

"Du hast zugelassen, dass er dein Kind getötet hat?" Sein Abscheu fing an sich gegen seine Mutter zu richten. Angeekelt wich er vor ihr zurück.

"Zugelassen?", fragte sie fassungslos. "Wie bitte schön hätte ich ihn daran hindern sollen? Er ist mächtig, Akiko. Vergiss das nicht. Er war es schon immer. Bereits zu Zeiten, als ich noch lernte mit meiner Kraft umzugehen."

Sie wollte ihn berühren doch er wich vor ihr zurück.

"Nein, fass mich nicht an." Sie ließ ihre Hand sinken und sah ihn an. Beinahe schien es, als würde sie ihm plötzlich Vorwürfe machen.

"Wenn er dein eigen Fleisch und Blut getötet hat, was bitte hat dich veranlassen können, ihn dafür nicht zu töten? Schlimmer noch, ihm etwas zu schwören, was es dir unmöglich macht, sich gegen seine Grausamkeiten zu wehren?"

Er sah sie an, wartete auf eine Antwort und wusste doch, dass sie ihm nicht antworten würde.

"Du verstehst das nicht.", sagte sie nur und schien plötzlich gar nicht mehr der selbstsichere Dämon zu sein, den sie sonst immer darstellte.

"Nein, ich verstehe das nicht. Wann ist das geschehen? Vor meiner Zeit. Du hast dich von ihm anfassen lassen, nachdem er das getan hat." Während er das aussprach wurde ihm klar, dass nicht einmal Chidori das hätte ertragen können. Die Welt wurde noch schwärzer als seine Augen sich langsam verdunkelten. Finster sah er sie an.

"Wieso kann ich mich daran nicht erinnern?"

Chidori wich zum ersten Mal in seinen Leben vor ihm zurück. Er umfasste ihr Handgelenk und sah drohend an.

"Wieso?"

Sie schluckte schwer, entschied sich aber wohl, dass es besser war, ihm die Wahrheit zu sagen.

"Ich habe deine Erinnerungen blockiert." Leise sprach sie die Worte aus, blickte ihn jedoch direkt an. Als hätte er sich verbrannt, zuckte er vor ihr zurück und versuchte zu begreifen, was er heute erfahren hatte.

"Akiko ..."

Er hob abwehrend seine Hand.

"Nein!", erwiderte er und sah sie verächtlich an. Sie zuckte zurück, als sie seinen Blick bemerkte.

"Sieh mich nicht so an. Du hast kein Recht mich so anzusehen."

"Wirklich nicht?", fragte er gefährlich leise.

"Wie kannst du es wagen mich zu verurteilen, ohne zu wissen, was wirklich geschehen ist?" Ihre Stimme erhob sich leicht, drückte etwas ihrer Wut aus.

Akiko ignorierte das. Verdammt sollte sie sein.

"Du bist so erbärmlich, Chi." Er öffnete die Tür.

"Verschwinde von hier. Ich will dich hier genauso wenig wie er es möchte."

Damit knallte er die Tür zu und ließ Chidori und Rijan allein.

Rijan wollte im Erdboden versinken. Warum nahm keiner zur Kenntnis, dass sie noch hier war. Dass sie verdammt noch mal das alles gar nicht hören wollte.

"Nun, es muss dich wirklich freuen."

Rijan zuckte zusammen, als Chidori sie erneut ansprach. Sie blickte der Dämonin ins Gesicht und war nicht milde überrascht, zu erkennen, dass diese Tränen vergoss. Sie wollte weg von hier. Sie wollte nicht sehen, wie Chidori anfing menschlich zu werden. Das passte nicht in ihr sorgsam gepflegtes Bild von ihr. Erstaunt stellte sie fest, dass sie sich wieder besser erinnerte.

"Du hast versucht in zu schützen.", murmelte sie leise, wusste nicht, was sie sonst sagen sollte. Sie verstand es ja selbst nicht. Das Bild, das sich hier von Sesshoumaru aufzeigte, war wenig schmeichelhaft für ihn, doch war es auch nichts, was Rijan sonderlich schockierte. Sie selbst wusste, wie gnadenlos dieser Mann sein konnte.

Rigoros wischte Chidori ihre Tränen weg.

"Er ist wirklich ganz sein Vater." Und das war nicht unbedingt ein Kompliment.

Chidori trat ein paar Schritte vor und verdeckte dabei den Mond. Sanft wurde sie von den Strahlen umhüllt. Rijan wich erschrocken zurück und hielt sich entsetzt den Mund zu.

"Bedank dich nicht. Ich tat es nicht für dich." Sie schien wieder sie selbst zu werden. Verachtung sprach aus ihrer Stimme. Dennoch wirkte sie noch etwas mitgenommen.

Rijan starrte sie nach wie vor an. Das konnte nicht sein und doch erinnerte sie sich klar und deutlich, wessen Hand sie genommen hatte um zurück zu kommen. Es war Chidori gewesen, die sich da in diesem Licht abgezeichnet hatte. Deutlich erinnerte sie sich daran. Doch warum hatte sie das getan? Sie hatte überhaupt keinen Grund dafür.

"Deine Erinnerungen werden wieder kommen. Sorge dich nicht. Du hast gerade eine Todeserfahrung hinter dir. Es dauert bis sich deine Seele wieder ordnet und zur Ruhe kommt." Sie drehte Rijan den Rücken zu und schritt davon. Ihre Gestalt verschmolz wieder mit den Schatten des Hauses.

Von den Ereignissen überfordert wurde Rijan schwarz vor Augen. Sie bekam nicht mehr mit, wie ihr Körper hart auf dem kalten Boden aufschlug.
 

Fortsetzung folgt ...
 

Am nächsten Part schreibe ich schon fleißig, da ich diesen aber angefangen hab, bevor ich das hier verfasst habe, treten gerade einige Unstimmigkeiten auf, die ich noch beheben muss. Aber ich bin zuversichtlich, dass ich diesen Part dann schnell nachladen kann. Ich hoffe euch schockieren die Entwicklungen etwas oder zumindest überraschen euch etwas. Sollte dem so sein, freut euch auf das nächste Kapitel. Damit rechnet glaube ich noch keiner. Ansonsten haben einige von euch ja schon richtig erkannt, dass Chidori an Rijans Wiederbelebung beteiligt gewesen sein muss.
 

Ja, also wie gesagt, es macht grad wieder Spaß zu schreiben, deswegen bin ich zuversichtlich, dass diese Story doch noch ein Ende finden wird. Wir haben jetzt übrigens Halbzeit.
 

Mata ne

Rogi
 

PS. REchtschreibfehler behebe ich, wenn ich demnächst Zeit habe, seid nachsichtig mit mir.

Bruch

<seufz> Okay, hat doch länger gedauert, bis ich es endlich hatte. Ich sag nachher mehr dazu, lest erst mal selbst:
 

Rijan seufzte tief und starrte ihr Spiegelbild an. Wem wollte sie etwas vormachen? Es würde noch Tage dauern, bis ihre Wunden endgültig verheilt waren und ihre Haut wieder eine natürliche Farbe annahm, alles tricksen dieser Welt half ihr da nicht weiter. Wie überaus praktisch dass sie dann ausgerechnet versuchte einen Dämon gnädig zu stimmen, dem Äußerlichkeiten herzlich egal waren.

Ein leises Rascheln hinter ihr, lies ihren Blick im Spiegel wandern. Jamie räumte ohne groß auf sich aufmerksam zu machen, Rijans Zimmer auf. Sie hatte versucht, Jamie davon abzuhalten, aber in ihrer unbestechlichen Logik hatte Jamie erklärt, dass man ihr das aufgetragen hatte und sie tat schließlich immer, was man ihr auftrug. Also hatte Rijan sich damit abgefunden und Jamie ihre Arbeit machen lassen.

Der gestrige Tag steckte ihr noch immer stark in den Knochen. Was sie dort erfahren hatte, ängstigte sie nach wie vor, doch lernte sie langsam damit umzugehen. Sie hatte sich auf einen Dämon eingelassen, noch dazu einen, der beinahe alles versucht hatte um sie wieder loszuwerden. Dennoch war sie geblieben. Nichts, was Sesshoumaru tat oder getan hatte, konnte sie noch groß überraschen. Sie fragte sich allerdings schon, was das über sie selbst aussagte, wenn sie in der Lage war sich damit abzufinden.

Erneut begegnete ihr Blick ihrem Spiegelbild. Sie sah nicht sehr überzeugt aus. Um genau zu sein, zeichneten sich große Zweifel in ihren Augen ab. Wie bitte schön sollte sie Sesshoumaru dazu bewegen, seine Meinung über Chidori zu ändern? Sie wusste ja nicht einmal selbst, warum sie plötzlich auf Chidoris Seite stand. Dennoch war das hier ihr Zuhause, sie bezweifelte, dass Sesshoumaru noch lange hier bleiben würde. Warum sollte Chidori also gehen müssen?

Unsicher drehte sie sich erst zur rechten Seite dann zur linken und betrachtete sich in ihrem neuen Kimono. Eigentlich war er sehr hübsch. Sie lächelte leicht und drehte sich dann zu Jamie um.

"Ich werde nie wie Chidori sein, aber es gibt andere Mittel und Wege, ihm zu gefallen, findest du nicht?"

Jamie antwortete darauf nicht, sie reagierte nicht einmal auf Rijans Worte.

Richtig, es mochte ihre nicht möglich sein, rote Haare zu erhalten, aber wenn es das war was Sesshoumaru mochte, dann konnte sie sich rot kleiden. Ihr neuer Kimono hatte die kräftige Farbe von Chidoris Haaren. Sicher, im Moment war er auf Chidori nicht gut zu sprechen, was in Rijan auch erhebliche Zweifel auslöste, aber dennoch gab es nach wie vor die Tatsache, dass er sie einmal gewollt hatte. Rot gefiel ihm offenbar. Nun, daran sollte es nicht scheitern. Etwas unsicher betrachtete sie sich wieder. Eigentlich stand ihr die ungewohnte Farbe recht gut, wäre sie nicht mehr ganz so blass um die Nase und würde ihr Gesicht nicht noch die ein oder andere Blauschattierung aufweisen, wäre sie mit sich sogar sehr zufrieden.

Aufmunternd nickte sie sich selbst zu und verließ dann ihr Gemach.

Auf ihrem Weg zu Sesshoumarus Zimmer, begegnete ihr Akiko, der erstaunt stehen blieb als er sie sah. Wenigstens auf sie war er noch gut zu sprechen. Ein einziger Tag hatte diese Familie aufs Tiefste getrennt. Keiner sprach mehr mit dem anderen. Sie hatte sich dieses Theater einen ganzen Tag lang mitangesehen, doch jetzt hielt sie es nicht mehr länger aus. Erst würde sie mit Sesshoumaru sprechen, dann mit Akiko. So sah ihr Plan aus. Das würde schon funktionieren.

Rijan blieb stehen und sah Akiko an.

"Danke übrigens.", erklärte sie leise, aber mit einem aufrichtigen Lächeln.

Er hob erstaunt eine Augenbraue und sah sie leicht verwirrt an.

"Wofür?"

"Dafür, dass du mich auf mein Zimmer getragen hast, als ich bewusstlos geworden bin."

Seine Verwirrung legte sich.

"Woher weißt du, dass ich das war?"

Sie lächelte nun offener und sah ihn direkt an.

"Sesshoumaru war an jenem Tag derartig wütend, dass ihm vermutlich nicht einmal aufgefallen ist, dass ich das Bewusstsein verloren hatte. Wer wenn also nicht du, könnte mich in mein Zimmer getragen haben?"

Er winkte ab.

"Ich konnte dich wohl kaum draußen liegen lassen."

Sie beließ es dabei. Sie konnte fühlen, dass ihm das unangenehm war. Sie würde später noch genug Zeit haben, mit ihm zu sprechen. Zielstrebig ging sie weiter.

"Du weißt, dass ihm Äußerlichkeiten egal sind?" Seine Stimme ließ sie innehalten. Ja, das war ihr bewusst. Dennoch irgendwie musste sie versuchen, Sesshoumaru gnädig zu stimmen.

Sie nahm ihren Weg wieder auf und machte sich daran, ihren Plan in die Tat umzusetzen.

Akiko sah Rijan nach, als sie zu seinem Vater ging. Er bewunderte ihren Mut. Ihm war klar, was sie versuchte zu bewirken, doch genauso sicher war er, dass sie Sesshoumaru niemals dazu bewegen würde, seine Worte zurückzunehmen. Chidori war hier nicht länger erwünscht, das hatte er sehr klar gemacht und bedachte man die Tatsache, dass seine Mutter durchaus ein eigenes Heim besaß, würde sich daran auch nichts ändern lassen. Er seufzte tief, während er langsam das Haus verließ. Zweifel nagten an ihm, ließen sein schlechtes Gewissen aufkeimen. Wie viel einfacher musste es sein, wenn man kein Gewissen besaß. Er bewunderte seinen Vater dafür wirklich. Akiko stellte sich die Frage, ob er zu hart zu Chidori gewesen war. Stand es ihm zu, sich ein Urteil zu bilden? Sicher, er wusste nun, was den Bruch zwischen den Beiden herbeigeführt hatte, doch war er sich sicher, dass noch wesentlich mehr dazu geführt haben musste. Eigentlich hatte er nun mehr Fragen als zuvor. Was hatte Sesshoumaru dazu bewogen, sein eigenes Kind zu töten. Er glaubte nicht daran, dass dies einfach so geschehen war. Selbst sein Vater brauchte für eine solche Tat gravierende Gründe. Doch Akiko wollte einfach nichts einfallen, was dieses Verhalten gerechtfertigt hätte. Andererseits war er auch nicht sein Vater. Was für ihn banal klang, schien für Sesshoumaru manchmal von größter Bedeutung zu sein. Er seufzte schwer und betrat den dunklen Eingang seiner Höhle. Er mochte diesen Ort, von jeher hatte er sich hier versteckt, wenn ihm etwas missfallen hatte, wenn er hatte allein sein wollen. Seine Mutter mochte die heißen Quellen nicht. Das war schon immer so gewesen. Dampf stieg ihm schon von weitem in die Nase. Er fing an sich zu entspannen.

Selbst wenn er davon ausging, dass sein Vater einen Grund gehabt hatte, was hatte seine Mutter dann dazu gebracht, ihm einen Schwur zu leisten, der ihr offenbar verbot sich gegen ihn zu wehren. Sie drückte sich vor jeder körperlichen Auseinandersetzung und das sah ihr nicht ähnlich. Sie hatte wohl Recht gehabt, er verstand das wirklich nicht und solange sie es ihm nicht erklären würde, würde das auch so bleiben. Doch selbst wenn er ihr all das zu Gute hielt, änderte nichts etwas an der Tatsache, dass sie mit seinen Erinnerungen gespielt hatte. Dazu hatte sie kein Recht. Was war in sie gefahren, sich so schuldig zu machen? Hatte sie ihm nicht immer gesagt, dass man mit dieser Kraft nicht spielen durfte?

Verdammt, er war verwirrt und er wusste nicht, was er tun sollte. Es verlangte ihn danach, sich bei ihr zu entschuldigen, denn in aller erster Linie hatte sie seinen Respekt verdient. Sie war seine Mutter, so sprach man nicht mit seiner Mutter. Und doch konnte er ihr nicht vergeben, was sie ihm angetan hatte. Er fragte sich, was sie noch aus seinen Erinnerungen hatte verschwinden lassen. Selbst jetzt, wo er wusste, dass sie sein Gedächtnis in manchen Punkten blockiert hatte, selbst jetzt, konnte er sich trotzdem nicht an alles erinnern. Er wusste, was er vergessen hatte, aber das ließ die Erinnerungen nicht zurückkehren. War es vielleicht so schrecklich gewesen, dass sie dachte es wäre besser, wenn er sich nicht daran erinnern könnte? Er wollte es gerne glauben, doch sein Gefühl sagte ihm sehr sicher, dass dem nicht so war. Frustriert ballte er seine Hand zu einer Faust und rammte sie in den harten Stein. Er bröckelte unter dem Aufprall etwas. Einen Moment sah er sich sein Werk an, ehe er die Handfläche wieder öffnete und über das Loch in der steinigen Wand fuhr. Es verschwand, als wäre es nie dort gewesen.

Langsam schritt er weiter, zu tief in seine Gedanken versunken, als dass ihm aufgefallen wäre, dass er nicht allein war.

Mit seinen Problemen beschäftigt entledigte er sich seines Hemdes und ließ es achtlos zu Boden fallen. Jamie würde es schon reinigen, wenn er es ihr auftrug. Der Gedanke an sie, ließ ihn etwas ruhiger werden, die Probleme verblassen und schaffte doch zugleich neue. Jamie, richtig! Noch ein Problem, um das er sich eigentlich längst hätte kümmern sollen.

Ein ungewohntes Geräusch ließ ihn aufschrecken und sich für seine eigene Dummheit verfluchen. Wieso war ihm nicht aufgefallen, dass er nicht allein war. Seine Augen verengten sich um der Dunkelheit besser sehen zu können. Einer der entscheidenden Vorteile ein Dämon zu sein. Die Dunkelheit machte ihm sehr wenig aus. Schwach beleuchteten wenige entzündete Fackeln das Innere der Höhle. Seine gespannte Haltung ließ etwas nach, als ihm Jamies Duft in die Nase stieg. Wie konnte es sein, dass ihm das bisher entgangen war. Ein frustrierter Seufzer entstieg seiner Kehle. Nicht einmal an diesem Ort war er mehr sicher.

Er verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen die felsige Wand. Hervorstehende Steine stießen tief in seine nackte Haut, doch es machte ihm nichts aus. Diese Art von Schmerz war für ihn bedeutungslos.

"Was tust du hier?", fragte er, weil ihm im ersten Moment keine bessere Frage einfiel.

"Ich bade.", entgegnete sie auch prompt und sah ihn aus ihren grünen Augen an. Er schüttelte seinen Kopf und fing an sich damit abzufinden, dass ihm heute keine Entspannung zu Teil werden würde. Ehe er jedoch gehen konnte, machte Jamie Anstalten das Wasser zu verlassen.

Automatisch wich er einen Schritt zurück, und bohrte dadurch die spitzen Steine tiefer in sein Fleisch. Überrascht von seiner eigenen Reaktion, gab er einen schmerzhaften Laut von sich und fluchte kurz darauf herzhaft.

"Die Pest soll euch alle holen. Nicht einmal mehr hier, habe ich meine Ruhe." Ihm war klar, dass sie am allerwenigsten für diese Situation konnte, dennoch musste er seine Wut an irgendjemandem auslassen und Jamie war in diesen Momenten meist ein perfektes Opfer, denn ihr konnte er an den Kopf werfen was immer er wollte, es störte sie nicht weiter.

Jamie verstand das wohl als Aufforderung, ihn hier allein zu lassen, denn kurzerhand erhob sie sich aus dem Wasser und stieg vorsichtig die klitschigen Stufen aus dem Wasser hinauf. Das Wasser perlte von ihrem nackten Körper ab und Akiko drehte sich derartig abrupt um, dass er sich den Ellenbogen schmerzhaft an der Wand stieß. Den jaulenden Laut, der über seine Lippen kam, mochte er nicht mehr zu verhindern.

"Verflucht noch mal, Jamie, du sollst dich keinem Mann unbekleidet zeigen.", schnaubte er aufgebracht.

Eine Antwort erhielt er nicht, gerechnet hatte er damit auch nicht. Er lauschte auf ihre Geräusche, versuchte zu ergründen, was sie tat, doch ehe ihm klar war, dass sie sich ihm näherte, stand sie schon hinter ihm und berührte seine blutenden Wunden.

"Ihr seid verletzt."

"Meine Wunden heilen von allein.", gab er unwirsch zurück und versuchte zu ignorieren, wie tröstlich es wirkte, dass sie ihn an seinen Wunden berührte. Unsinnig eigentlich, denn sie tat es nur, weil er ihr beigebracht hatte, dass man sich um Wunden kümmern musste. Frustriert ballte er seine Hand wieder zu einer Faust und rammte sie erneut in die steinige Wand. Diesmal war sein Schlag härter und recht schnell merkte er, wie seine Faust anfing zu schmerzen. Er betrachte die sich rot verfärbende Haut und seufzte genervt. Ein perfekter Tag ...

Jamie griff nach seinem Arm und zwang ihn dabei sich umzudrehen, dann nahm sie seine Hand und betrachtete die geröteten Knöchel. Sie blickte nicht auf, tat einfach nur, was er sie gelehrt hatte. Dennoch veränderte sich etwas in ihm. Denn auf einmal konnte er ihre Fürsorge nicht länger ertragen. Nein, das stimmte nicht, er sehnte sich danach, dass sie sich um ihn sorgte, doch sie tat es nicht, weil sie es wollte, sie tat es nur, weil er es ihr einst befohlen hatte. Unfreundlich zog er seine Hand zurück und sah sie finster an.

"Geh!", befahl er grob und Jamie sah zu ihm auf. Er hasste diese Augen in diesem Augenblick mehr als alles andere auf dieser Welt. Kein einziger Ausdruck war darin zu erkennen. Nein, schlimmer noch, er sah sie sich selbst darin gespiegelt. Schonungslos hielt sie ihm vor Augen, wie er war. Er hätte alles getan um diesen Anblick nicht länger ertragen zu müssen. Automatisch umfasste er ihr Gesicht und küsste sie mit all der Wut, die in ihm wütete. Er grub seine Hände in ihr feuchtes, lockiges Haar und zwang dadurch ihren Kopf nach hinten, um den Kuss zu vertiefen. Er sollte das nicht tun, er wusste das. Irgendwo in ihm existierte dieser Anstand, der ihm verbot sie zu küssen, sie zu berühren, doch zu deutlich sah er noch, was er in ihren Augen gesehen hatte. Dieses Monster, das er selbst war. Warum sollte er sich nicht so aufführen, wenn er doch sowieso genau dem entsprach? Wozu sich länger verstellen? Er begehrte Jamie aus der Tiefe seines Herzens. Nein, das stimmte nicht, sein Herz hatte damit nichts zu tun. Er wollte sie wie ein Mann eben eine Frau besitzen wollte. Und in diesem Moment war ihm herzlich egal, dass sie sehr viel dagegen haben würde, hätte sie eine Seele. Ihre Seele. Jene eine Seele, die er ihr vorenthielt. Er redete sich gerne ein, dass es schwer war, ihre Seele nach all der Zeit in ihren Körper zurückzubekommen. Es stimmte, daran bestand kein Zweifel, er wusste nicht einmal, ob er genug Macht besaß und das zu tun, doch er wusste auch genauso gut, dass er sich davor drückte. Er wollte nicht, dass sie ihre Seele bekam. Er wollte sie besitzen, wollte, dass sie bei ihm blieb und ihm war klar, dass kein Mensch, es je in seiner Nähe würde aushalten können, es sei denn, er zwang diesen Menschen dazu.

"Umarme mich!", flüsterte er in ihr Ohr und hasste sich nur noch mehr dafür, dass er ihr das befehlen musste. Dass ihm vollkommen klar war, dass nichts was sie tat, aus freien Stücken geschah. Es geschah nur, weil er es so wollte, weil er seinen Kopf durchsetzte. Ganz wie sein Vater immer gesagt hatte, ein Dämon nahm sich was er wollte. Und verdammt er war ein Dämon.

Also umarmte er sie. Drückte ihren nackten und zerbrechlichen Körper fest gegen seinen, fühlte die Wärme, die an den Stellen entstand, an denen ihre Haut die seine berührte. Ihre Hand berührte seinen verletzten Rücken, auf dem die Wunden schon längst wieder anfingen zu heilen. Es lag soviel Trost in dieser Geste, dass ihm beinahe schlecht wurde. Nein, er wollte in diesem Moment keinen Trost, keine falschen Zärtlichkeiten. Er konnte dabei nicht vergessen, dass sie das alles nicht wollte. Also nahm er sich einfach was er wollte, ohne Rücksicht auf irgendetwas zu nehmen, ohne sich falschen Illusionen hinzugeben.

Und sie ließ es geschehen. Kein einziges Mal als er sie küsste er hob Jamie Einwand.

Die Verzweiflung, die über ihm hereinbrach, ließ ihn beinahe zusammenbrechen. Er stieß sie von sich. Nein, so war das nicht richtig. Warum war nicht in der Lage wie sein Vater zu sein? Warum nur existierte dieses Gewissen in ihm?

Gequält blickte er zu ihr hinüber. Schweigend stand sie da, Wasser tropfte von ihren Haaren herab, glitt ihren schlanken Körper entlang. Er starrte sie an, wohl wissend, dass er das nicht tun sollte. Von wenigen Minuten noch hatte er ihr gesagt, sie sollte sich so niemandem zeigen. Dennoch vermochte er es nicht, den Blick abzuwenden. Was stimmte nicht mit ihm? Wie konnte es ihn so sehr nach einem Wesen verlangen, dass keine eigene Meinung, keinen eigenen Willen besaß. Und doch existierte dieses Gefühl tief in ihm. Er konnte das nicht in Worte fassen, doch was er von ihr wollte, war unmöglich, solange sie keine Seele besaß und wenn er sie ihr geben sollte, wurde es noch unmöglicher.

Vom ersten Tag an hatte er dieses Gefühl in sich gehabt. Er hatte sie damals gesehen, wie sie ihn ausdruckslos angestarrt hatte und war es anfangs noch die einfache Freude darüber gewesen, dass er ein so perfektes Geschöpf hatte erschaffen können, war daraus mehr geworden. Er konnte das nicht erklären, denn was einen zu einem anderen Wesen hinzog, war die Seele, war das was einen selbst ausmachte und obwohl das bei Jamie nicht existierte oder vielleicht gerade, weil es nicht existierte, gerade deswegen war er in ihrer Gegenwart immer er selbst. Ohne sich verstellen zu müssen und je länger das andauerte, desto mehr wurde ihm bewusst, wie oft er sich danach sehnte in ihrer Nähe zu sein, sie anzusehen, ihren Duft einzuatmen und er hasste sich dafür. So sehr wie man sonst niemanden hassen konnte, so sehr hasste er sich selbst für diese Schwäche.

Sein Blick verfing sich in ihrem. Schweigend starrte er sie an und versuchte dieses Gefühl in den Griff zu bekommen. Dieses unbedingte Verlangen nach ihr. Sie berühren zu wollen, sie besitzen zu wollen. Auf die eine Art besitzen zu wollen, wie nur ein Mann eine Frau besitzen konnte. Langsam fiel auf in die Knie, wusste nicht, ob er damit um Entschuldigung bitten wollte oder einfach nur nicht mehr länger unter seiner eigenen Last bestehen konnte.

"Komm her!", verlangte er leise und hielt den Blick gesenkt, als sie sich ihm dann wirklich näherte. Er betrachtete ihre nackten Beine und verfluchte sich einmal mehr an diesem Tag. Dennoch umarmte er sie dann, barg sein Gesicht an ihrem Bauch und verweilte eine Weile in dieser Haltung. Sie tat nichts, ließ ihn jedoch gewähren. Schließlich verschränkte er ihre Hand mit der seinen und zog sie dabei ebenfalls auf die Knie. Sie folgte ihm widerstandslos. Er blickte auf ihr Gesicht herab, ertrug den Ausdruck ihrer Augen jedoch nicht.

"Schließ deine Augen."

Sie tat, was er verlangte wie sie immer tat, was er ihr sagte. Erneut nahm er von ihrem Mund Besitz, umfasste ihr Gesicht um nicht weiter in die Versuchung zu kommen, wie an anderen Stellen zu berühren.

"Warum kannst du nicht fühlen, was ich fühle?", fragte er leise, wohlwissend, dass sie ihm nicht antworten würde. Und doch ließ ihn das rasend werden.

Er erhob sich wieder, zog sie mit sich hoch und presste ihren Körper rückwärts gegen die steinige Wand. Sie gab einen gedämpften Laut von sich, als die spitzen Steine sich in ihr Fleisch bohrten, hinderte ihn aber nicht weiter. Eine gnadenlose Wut erfasste ihn, ließ seinen Kuss sehr grob werden. Er diente mehr dazu, ihr Schmerzen zuzufügen als sein Verlangen zu lindern. Er griff in ihr feuchtes Haar, bog ihren Kopf zurück und vertiefte seinen Kuss.

"Ich hasse, was du bist.", murmelte er leise und biss ihr auf die Unterlippe. Er schmeckte ihr Blut und erst das schien sein Verstand sich wieder zu Wort zu melden.

Er nahm seine Hände von ihr und wich vor ihr zurück. Sie blieb stehen und sah ihn an. Ihr Blick zerstörte mehr in ihm, als alle Worte dieser Welt es zu tun vermocht hätten.

Jamies Blut schmeckte bitter in seinem Mund, ließ ihn Bilder, die er verdrängen wollte, nicht vergessen. Erinnerte ihn daran, wie sie sich anfühlte, wie sie schmeckte. Mühsam wandte er den Blick ab, versuchte die Verachtung, die ihn ihm erwachte zu verdrängen. Er war ein Dämon, er besaß kein Gewissen, es konnte ihm egal sein, was hier geschehen war. Ihr war es das schließlich. Dennoch wusste er, dass das nicht stimmte. Sobald sie ihre Seele wiederhaben würde, würde sie etwas fühlen.

"In der Tat, Jamie, ich hasse, was du bist, doch hasse ich dich nur halb so sehr wie du mich hassen wirst, wenn ich dir deine Seele zurückgebe."

Er drehte sich um und verließ diesen verfluchten Ort.
 

Rijan erreichte Sesshoumarus Zimmer recht schnell. Ihre Füße schienen sie ganz automatisch dorthin zu tragen. Sie machte sich nicht die Mühe vorher anzuklopfen. Es gab dafür keine Notwendigkeit. Er hielt es auch nie für nötig, sich vorher anzukündigen, wenn er einen Raum betrat. In der Regel tauchte er einfach vollkommen unerwartet vor ihr auf und jagte ihr dadurch meist einen großen Schrecken ein. Wozu also selbst soviel Höfflichkeit walten lassen? Und überhaupt, beinahe hätte sie gelacht, Sesshoumaru war ganz bestimmt kein Mann, der auf Höfflichkeit auch nur irgendeine Art von Wert legte.

Mit einem energischen Ruck öffnete sie die Tür und betrat den Raum.

"Ich muss mit dir reden.", offenbarte sie ohne große Einführung.

Sesshoumaru drehte sich zu ihr um und verharrte in der Bewegung, als er sie erblickte. Es kam selten vor, dass ihn etwas überraschte, deswegen verwirrte sie seine Reaktion sehr. Sie blickte an sich herunter und wurde sich wieder ihres roten Kimonos bewusst.

"Schön, nicht wahr?", meinte sie lächelnd und sah ihn wieder an. Einen Moment lang schienen sich seine Augen rot zu färben, doch dann verflog es wieder und seine gewohnt ausdruckslose Art zeigte sich auf seinem Gesicht.

"Zieh das aus!"

Rijan sah ihn aus erstaunten Augen an, musste dann aber angesichts seiner Wortwahl lachen.

"Nun, ich hätte nicht gedacht, dass ich diese Worte je von dir hören würde.", scherzte sie und sah ihn lachend an.

Sein Blick verdüsterte sich.

"Ich wiederhole mich nicht gerne." Eine Drohung schwang in seinen Worten mit.

Rijan warf einen Blick in den Spiegel und versuchte zu verdrängen, dass sie seine Reaktion doch sehr störte. Sie hatte sich immerhin extra hübsch zu Recht gemacht. Sicher, sie hatte nicht erwartet, dass er darauf eingehen würde, aber mit dieser Reaktion hatte sie nicht gerechnet.

"Das ist auch unnötig, ich habe dich durchaus gehört. Solltest du jedoch nicht vorhaben, dich mit mir zu paaren, sehe ich absolut keinen Grund, warum ich mich entkleiden sollte." Ihre Verärgerung vermochte sie nicht verbergen zu können. Herausfordernd sah sie ihn an. Er knurrte drohend, angesichts ihrer Unterstellung.

"Dachte ich mir. Du verzeihst also, wenn ich keine Veranlassung fühle, mein Gewand abzulegen." Sie konnte nicht einmal mehr sagen, worüber sie jetzt mehr sauer war. Darüber, dass er ihr einfach einen Befehl erteilte oder darüber, dass er sich nicht einmal die Mühe machte, zu verschleiern, dass er an ihr kein bisschen interessiert war.

Trotzig verschränkte sie die Arme und sah ihn herausfordernd an.

"Wie ich schon sagte, möchte ich mit dir reden." Flüchtig kam ihr in den Sinn, dass es eigentlich besser gewesen wäre, ihm entgegen zu kommen, solange sie etwas von ihm wollte.

"Verschwinde!", kam die direkte Antwort und Rijan fühlte sich nun wirklich getroffen. Gekränkt sah sie ihn an.

"Würdest du mir vielleicht erklären, was das alles soll? Wenn ich dir in diesem Gewand nicht gefalle, hättest du das auch einfach sagen können."

Sesshoumaru schenkte ihr einen vernichtenden Blick.

"Du gefällst mir grundsätzlich nicht." Sie zuckte zusammen und wich vor ihm zurück.

"So deutlich hättest du das nicht sagen müssen." Verflucht sollte er sein, wenn sie jetzt anfing zu weinen. Tapfer kämpfte sie gegen ihre Gefühle an. Seine Worte hatten sie verletzt. Sicher, ihr war klar, dass Sesshoumaru ein Dämon war und er sich nie mit einem Menschen einlassen würde, aber ihr war bisher nie in den Sinn gekommen, dass ihm ihr Äußeres sogar zuwider sein könnte. Immerhin war er immer derjenige der behauptete, Äußerlichkeiten spielten für ihn keine Rolle.

"Dann hätte ich gelogen.", erwiderte er wenig beeindruckt und Rijans Herz wurde von einer eisigen Hand umfasst. Warum benahm er sich so? Ihre Erinnerungen waren noch nicht wieder vollständig zurückgekehrt, doch glaubte sie nicht, dass er sonst derartig mit ihr umsprang.

"Die Geschehnisse der vergangenen Tage ...", begann sie mühsam und versuchte wieder sachlich zu klingen. "... waren vielleicht ein wenig viel, ich verzeihe dir also, dass du dich gerade wie ein Scheusal aufführst."

Sesshoumaru machte einen Schritt auf sie zu, umfasste ihr Kinn und sah ihr direkt in die Augen.

"Was du tust, Rin, ist mir herzlich egal. Du bist ein Mensch, deine Taten sind für mich noch bedeutungsloser als die von Chidori." Sie schluckte schwer, während sie ihn aus großen wässrigen Augen ansah. Nein, sie würde jetzt nicht weinen. Er versuchte sie gerade loszuwerden, das war ihr klar. Sie musste sich das nur vor Augen halten, dann würde sie das hier durchstehen. Sie hatte ihm gesagt, dass sie ihn liebte, sie würde an seiner Seite bleiben, egal was auch geschah, einfache Worte konnten daran nichts hindern. Sie schluckte erneut schwer und sah ihn weiterhin an.

"Du wirst mich nicht los.", erwiderte sie und versuchte ihre Stimme nicht zittern zu lassen.

"Keh!", meinte er verächtlich und ließ sie los.

Rijan seufzte schwer und entschied sich schließlich nachzugeben. Sie entledigte sich ihres Kimonos und stand dann in ihrem dünnen Yukata da. Sie fröstelte leicht.

"Besser?", fragte sie ergeben. Sesshoumaru schenkte ihr einen flüchtigen Blick und nickte schließlich.

"Ich weiß wirklich nicht, was du hast. Das ist doch nur ein Kimono."

"Ich hasse diese Farbe.", gestand er dann zu Rijans Verblüffung.

"Ich denke du hasst nichts.", erwiderte sie leise und betrachtete den roten Stoff in ihren Händen. Ein seltsames Wort aus seinem Mund. War ihm sonst nicht alles egal? Nachdenklich betrachtete sie seinen breiten Rücken und versuchte zu verstehen, was das zu bedeuten hatte. Doch die einzige logische Erklärung, die sie darauf finden konnte, war eben doch die, dass dies hier Chidoris Farbe war und wenn er zugab, diese Farbe zu hassen, gab er darüber hinaus noch zu, dass Chidori ihm einmal derartig viel bedeutet hatte, dass daraus Hass entstehen konnte. Das Atmen schien ihr schwerer zu fallen.

"Ich werde nie verstehen, was sie hat, das ich nicht habe." Rijan hatte diese Worte ausgesprochen, bevor ihr klar war, dass sie es getan hatte.

"Sie ist ein Dämon.", erläuterte Sesshoumaru in seiner ihm eigenen Art.

Rijan ballte die Hand zu einer Faust und starrte angestrengt auf den Boden.

"Das ist alles? Weil sie ein Dämon ist?"

Er sah sie an und Rijan begegnete seinem Blick.

"Hai, sie ist ein Dämon, du bist ein Mensch. Du solltest diesen Tatsachen endlich ins Auge sehen."

Sie sah zu ihm auf, begegnete seinem harten Blick und schluckte schwer. Bitterkeit erwachte in ihr.

"Es ist sehr traurig von dir, wenn ich darüber nachdenke. Dämon und Mensch. Das ist nicht lache. Die Welt ist nicht so einfach, Sess. Es gibt schwache Dämonen genauso wie es starke Menschen gibt.", hielt sie ihm entgegen.

Sesshoumaru erwiderte ihren Blick und schaffte es mit wenigen Worten Rijan aller Hoffnungen zu berauben.

"Richtig, aber ich dachte wir sprechen hier von dir."

Sie wich zurück und drehte ihm schnell den Rücken zu. Tränen brannten in ihren Augen und sie konnte sie nicht länger zurückhalten.

"Nur ein Mensch, hm?", flüsterte sie. Richtig, das hatte er ihr immer und immer wieder gesagt. Doch erst heute wurde ihr klar, dass er das auch wirklich so meinte. Sie war für ihn nichts weiter als ein lästiger Mensch.

"Ich hasse dich.", flüsterte sie leise, wusste jedoch, dass er ihre Worte sehr deutlich wahrnahm. Sie wusste sie sollte nicht auf eine Reaktion warten, ihm war egal, was sie fühlte. Dem war schon immer so gewesen. Dennoch blieb sie stehen und zu ihrer eigenen Überraschung antwortete er doch auf ihre Aussage.

"Wie ich schon sagte, du bist nur ein Mensch. Warum sollte mich das kümmern?"

Rijan verließ nicht einfach das Zimmer, nein sie floh förmlich. Sie wusste nicht, wohin sie lief, ehe sie sich im großen Speisesaal wieder fand. Sie schloss die schwere Tür hinter sich, lehnte sich schluchzend mit dem Rück dagegen und sank langsam auf den Boden. Den Kimono fest umklammernd saß sie da, schluchzte und überließ sich ihrem Kummer. Wie hatte er so etwas sagen können? Sie wusste, dass er sich nicht viel aus Menschen machte, doch war sie bisher der Überzeugung gewesen, dass das mit ihr etwas anderes war. Nun jedoch ... Er hatte mehr als deutlich gemacht wie vollkommen egal ihm war, was sie fühlte oder dachte.

"Ich denke du wärst auch dafür, dass wir diesen Tag ungeschehen machen."

Rijan blickte auf und bemerkte erst jetzt, dass Akiko in dem kleinen Erker des Zimmers saß. Mühsam stand sie auf und ließ dabei den Kimono unbeachtet liegen. Sie ging zu ihm und setzte sich neben ihn auf die hölzerne Bank. Sie starrte auf ihre Knie.

"Man sagt jeder Tag ist für etwas gut. Vielleicht sollte ich das heute lernen."

Akiko lachte trocken.

"Das ist eine der schlechtesten Erklärungen für einen miesen Tag, die ich kenne."

Sie seufzte unglücklich und bemerkte erneut wie ihre Augen feucht wurden.

"Ich bin ihm egal."

Keine Antwort folgte darauf. Was hätte er auch sagen können? Er wusste vermutlich selbst schon sehr lange, wie egal seinem Vater alles war. Rijans Tränen begannen erneut zu fließen.

"Schlimmer noch, er verabscheut mich. Ich werde nie mit deiner Mutter mithalten können. Sie hat er hübsch gefunden. Sie hat er als Frau wahrgenommen. Mich jedoch ..." Sie brach ab, weil der Schmerz ihr die Stimme raubte. Richtig, mit Chidori hatte ihn etwas sehr besonderes verbunden. Es spielte keine Rolle mehr, dass sich das geändert hatte, irgendwann einmal hatte er in ihr eine Frau gesehen. Etwas, das er nie in Rijan sehen würde. So sehr sie sich auch anstrengen würde, es würde ohne Erfolg bleiben. Er fand sie nicht hübsch und er würde es nie tun. Und vielleicht hätte sie damit leben können, wenn sie wüsste, dass er allgemein gesehen, sich nichts aus Schönheit oder Frauen machte. Doch dem war nicht so. Er hatte Chidori erwählt, Rijan dagegen hatte er abgelehnt. Das waren klare Aussagen. Aussagen, die etwas in ihr zerbrochen hatten.

"Ich meine, sieh mich an. Kein Wunder, dass er mich nicht hübsch findet." Sie stand auf und blickte an sich herab.

"Ich bin knabenhaft, ich könnte auch locker als Junge durchgehen. Meine Haare sind kürzer als deine, keine Frau hat so kurze Haare. Ich besitze keine weiblichen Fähigkeiten. Ich kann kämpfen, welche Frau kann das schon? Und obwohl ich das kann, bin ich doch eines der schwächsten Wesen dieser Erde. Ständig muss man mich retten oder mir helfen. Andauernd bin ich schwer verwundet. Kein Wunder, dass ich ihm egal bin." Deprimiert setzte sie sich wieder.

"Rede nicht so von dir. Du bist großartig und das weißt du auch. Du bist hübscher als die meisten anderen Frauen und du besitzt etwas, wovon andere nur träumen: Eine reine Seele, Rijan. Das ist mit das Kostbarste dieser Erde. Nie zuvor habe ich gesehen, dass ein Mensch keinen Unterschieden zwischen sich selbst und einem Dämon macht. Angst vor uns scheint dir fremd zu sein. Du ahnst nicht, wie kostbar deine Seele ist." Er griff unter ihr Kinn und hob ihren Kopf an. Sanft strich er ihr Haar zurück. "Dein Haar ist nur so kurz, weil du einen sehr schweren Kampf ausgefochten hast. Jeder andere wäre davongerannt, du jedoch bist an seiner Seite geblieben. Du stehst ihm immer treu zur Seite. Das ist etwas, dass man nicht aufwiegen kann. Etwas, dass meine Mutter nie können wird." Seine Worte taten ihr gut, bauten sie wieder etwas auf. Sie entzog sich seiner Berührung und versuchte das Gefühl, das er auslöste, festzuhalten, doch zu schnell verschwand es wieder unter ihren Selbstzweifeln.

"Das ist was du in mir siehst, Akiko. Dein Vater ist aber nicht du."

Sie hörte ihn seufzen, ein tiefer und sehr unglücklicher Seufzer. Erstaunt blickte sie ihn wieder an und bemerkte erst jetzt die Schatten unter seinen Augen.

"Rijan, du hast keinen Grund, an dir zu zweifeln. Du bist eine sehr hübsche Frau. Hör auf, dir etwas anderes einzureden."

Verwirrt sah sie ihn an. Er sah betrübt aus. Als wäre er gerade durch die Hölle gegangen. Wie egoistisch von ihr, ihm ihr Herz auszuschütten ohne zu bemerken, dass er offenbar selbst jemanden brauchte, der ihm zuhörte.

"Was ist mit dir?", fragte sie deshalb und blickte ihn direkt an.

"Ich bin ein Monster. Das ist mit mir.", offenbarte Akiko dann schließlich.

Er starrte auf seine Hände. Beinahe glaubte er Jamie noch fühlen zu können. Wie warm und weich sie gewesen war und wie sehr er das ausgenutzt hatte. Er hatte ihr Schmerzen zugefügt, sie verletzt - körperlich - weil er es seelisch nicht konnte. Seine eigene Wut hatte er an ihr ausgelassen. Und obwohl er kurzfristig dabei hatte vergessen können, war ihm danach nur noch mehr aufgefallen, welch eine abgrundtief hässliche Seele er besaß. Wie hatte er etwas so Reines und Vollkommenes auch nur ansatzweise besitzen wollen? Sie gehörte ihm nicht und würde es nie tun. Er wusste das nur zu gut.

"Du bist doch kein Monster, Akiko." Ihre ehrlich gemeinten Worte erreichten sein Innerstes nicht. Nichts konnte ihn dort mehr erreichen. Sah man sich einmal selbst ins Herz, konnte nichts und niemand das mehr heilen. Er rückte von ihr ab, ertrug ihre Nähe nicht mehr, wollte ihren Trost nicht haben. Er wollte nur von einer Frau getröstet werden. Ironischerweise war sie die Einzige, die das nie würde tun können.

Doch Rijan ließ sich nicht so leicht abschütteln. Er wusste, dass sie nur versuchte vor ihren eigenen Problemen davonzulaufen. Dass sie versuchte, indem sie sich auf seinen Schmerz konzentrierte, ihre eigenen Verwundungen zu vergessen. Sie griff ihn bei den Schultern und zwang ihn, sie anzusehen.

Ihr Blick traf ihn unvorbereitet. Denn er sah, was er selbst fühlte. Diesen alles verzehrenden Kummer, das Gefühl tief verletzt und enttäuscht zu sein. Sich selbst nicht mehr akzeptieren zu können. All das, was ihn zusammenbrechen ließ, konnte er auch in ihren Augen sehen. Sie war so viel zerbrechlicher als er, so viel menschlicher, sie konnte diesen Schmerz unmöglich noch länger ertragen. Er selbst vermochte es kaum, wie schaffte sie es dann? War es richtig von ihm, sie fortzustoßen, wenn sie seine Hilfe genauso brauchte, wie er die ihre? Was konnte es schon bedeuten, wenn zwei Wesen, die unterschiedlicher nicht sein konnten und doch in ihrem Inneren sich so sehr ähnelten, einander trösteten? Einander das Gefühl gaben, doch nicht schlecht zu sein?

"Nein!" Er schrie die Antwort beinahe heraus. Wohin führten ihn seine Überlegungen? Hatte er den Verstand verloren? Sie auch nur anzurühren, würde den totalen Bruch mit seinem Vater bedeuten. Das war nichts, was er bereit war zu riskieren. Und wenn Rijan ehrlich war, wusste sie, dass der einzige Mann, der ihr das Gefühl geben konnte, doch eine Frau zu sein, sein Vater war. Er wollte kein Ersatz sein. Genauso wenig wie sie es sein wollte.

Hastig stand er auf und entfernte sich wenige Schritte von ihr.

"Nicht einmal du willst mich." Er versuchte ihre Worte zu überhören. Er wusste, dass sie diesen Satz nur sagte, weil sein Vater sie verletzt hatte. Dennoch berührte ihn ihre Einsamkeit auf eine sonderbare Art und Weise.

"Du willst mich doch genauso wenig."

Er seufzte deprimiert und drehte sich wieder zu ihr um. Die Einsamkeit, die sie ausstrahlte, kam der seinen sehr nahe. Wie konnte es sein, dass zwei so verschiedene Wesen exakt das gleiche fühlten? Er wusste es nicht, doch ganz automatisch trieb es ihn zu ihr zurück. Er setzte sich rittlings neben sie und sah sie an. Selbst im Profil sah sie sehr traurig aus. Ihr Blick haftete auf dem roten Stoff, den sie heute vor wenigen Stunden noch getragen hatte. Eigentlich hatte sie sehr bezaubernd ausgesehen. Er wusste nicht, was geschehen war, doch vermutlich hatte seinem Vater das Gewand missfallen. Seltsam eigentlich, wo er sich aus Äußerlichkeiten doch so wenig machte. Er war jedoch zu müde um darüber nachzudenken, was seinen Vater bewogen hatte, Rijan so sehr zu verletzen.

"Er will, dass ich ihn verlasse." Sie wisperte die Worte und brachte sie doch kaum über die Lippen. Richtig, irgendwo tief in ihrem Inneren wusste sie, dass das der wahre Grund hinter alle dem war. In ihrem Kummer und ihrer Pein war sie jedoch nicht fähig die wahren Gründe zu erkennen. Sie sah nur, dass er sie aus seinem Leben entfernen wollte. Dass ihm nicht gefallen hatte, was sie ihm gezeigt hatte. Dass ihm rein gar nichts an ihr gefiel. Erneut liefen Tränen ihre Wangen hinunter, doch die Schluchzer waren verschwunden. Lautlos weinte sie und ließ zu, dass Akiko sie in seine Arme zog. Sie fühlte sich so leer und müde, so ungeliebt und unnütz. Nichts, was sie tun konnte, reichte aus, um Sesshoumaru umzustimmen. Sie war wieder allein und das war etwas, was ihr plötzlich undenkbar erschien. Sie hatte lange alleine gelebt, doch jetzt, nachdem sie in seiner Begleitung gewesen war, konnte sie sich nicht mehr vorstellen, allein zu sein. Das konnte sie nicht ertragen. Sie klammerte sich an Akiko, weinte an seiner Schulter und durchnässte dabei den Stoff seines Gewandes. Er hielt sie fest, streichelte ihr beruhigend über den Rücken. Wie man es bei einem kleinen Kind tat und allmählich fand sein Trost den Weg in ihr Herz. Sie hob leicht den Kopf und sah in sein Gesicht, das nur wenige Millimeter von ihrem eigenen entfernt war. Er sah heute so unglücklich aus. Etwas musste ihn ebenfalls tief erschüttert haben. Zu erkennen, dass er ihre Gefühle heute sehr gut verstand, schmiedete ein sehr zerbrechliches Band zwischen ihnen. Sie erinnerte sich an seine Worte und versuchte sich an einem kläglichen Lächeln.

"Du bist kein Monster, Akiko. Ich fühle deinen Schmerz. Niemand, der so etwas fühlen kann, ist ein Monster."

Er erwiderte ihr Lächeln nicht, wandte den Kopf ab und blickte zum Fenster hinaus. Es regnete. Wie überaus passend.

"Ich habe Jamie verletzt.", gestand er schließlich. Er sah sie kurz an, schien es aber nicht ertragen zu können, ihr ins Gesicht zu sehen, während er die Worte aussprach.

"Jamie kann man nicht verletzen. Sie kann nicht fühlen.", widersprach sie ihm bestimmt.

"Das spielt keine Rolle. Was sie fühlt oder nicht fühlt, ändert nichts an dem, was ich getan habe." Sie blickte ihn an, betrachtete sein beinahe perfektes Profil und die ohne Zweifel starke äußerliche Ähnlichkeit mit seinem Vater. Sie wandte ebenfalls den Blick ab, zu sehr erinnerte er sie an jenen einen Dämon, an den sie nicht mehr denken wollte.

"Ein Mensch und ein Dämon können nie etwas gemeinsam haben." Seine Worte hätten von Sesshoumaru stammen können, doch aus seinem Mund hörte sie den Kummer, den diese Erkenntnis ihm bereitete.

"Ich weiß!", flüsterte sie als Antwort und verbarg nicht länger ihren eigenen Schmerz.

"Mein Vater hatte Recht!"

Sie schluckte schwer und blickte zu ihm zurück. Er sah sie ebenfalls an.

"Das hat er immer." Die Hoffnungslosigkeit ihrer eigenen Aussage wurde ihr mit einem Mal bewusst. Ein stechender Schmerz schoss in ihr Herz und schien es zu sprengen. Erneut fühlte sie wie ihre Augen die Feuchtigkeit nicht länger zurückhalten konnten. Sie sah Akiko an, sein Gesicht verschwamm vor ihr. Sie schloss die Augen und überließ sich ihrem Kummer.

Rijan fühlte wie er sie erneut umarmte und fragte sich einmal mehr, warum er so anders als sein Vater war. Wie hatte er trotz seiner Eltern so gut werden können? Lag es daran, dass er noch so viel jünger war? Hieß das, dass er dann auch irgendwann so kalt und gefühllos werden würde? Bedeutete das im Umkehrschluss, dass Sesshoumaru und sogar Chidori früher einmal ganz anders gewesen waren. Damals als sie sich kennengelernt hatten, als sie beschlossen hatten, Akiko das Leben zu schenken? Sie keuchte, als ihr bewusst wurde, dass dem vermutlich wirklich so war.

Schockiert öffnete sie ihre Augen und sah ihn an.

Die Angst in ihren Augen verblüffte ihn. Was hatte sie plötzlich?

"Bitte werde nicht wie deine Eltern.", wisperte sie und sah ihn aus unendlich traurigen Augen an. Er hätte ihr gerne versprochen, dass er nie so sein wollte, doch tief in seinem Inneren spürte er doch längst die gleiche Veranlagung. Und um ehrlich zu sein, fast erschien es ihm wie ein Segen all diese lästigen Gefühle hinter sich lassen zu können. Sein Gewissen einfach verschwinden zu lassen. Nein, er konnte in diesem Moment nicht ehrlich sagen, dass er nicht so werden würde wie seine Eltern geschweige denn, dass er nicht so sein wollte. Vermutlich sah sie das in seinem Blick und zu jedem anderen Zeitpunkt hätte es ihn schockiert zu erkennen, dass jemand fähig war, etwas in seinem Blick lesen zu können. Heute jedoch spielte es keine Rolle. Sie umfasste sein Gesicht mit ihren Händen und sah ihm in die Augen, versuchte ihre Tränen unter Kontrolle zu bringen und versagte dabei doch hoffnungslos.

"Nein, schwöre mir, dass du nicht so wirst."

Er wich ihrem Blick aus.

"Dann müsste ich lügen."

"Und lügen ist etwas, das zumindest diese Familie nicht gerne tut, richtig?" Bitterkeit sprach aus ihrer Stimme, ließ sie sehr viel älter wirken.

Er blickte zu ihr zurück und wünschte er könnte seine Worte ungeschehen machen. Er hätte lügen können. Einfach nur um ihr zumindest heute einen Gefallen zu tun. Vermutlich hätte sie trotzdem gewusst, dass er diesen Schwur nicht halten würde.

"Wie mein Vater, hm?" Er hob seine Hand, strich eine Strähne ihres wirren Haares hinter ihr Ohr und blickte sie schweigend an.

Sie wollte nicken, etwas erwidern, doch seine Geste rührte sie so sehr, dass sie keinen Ton heraus brachte. Sie schluckte schwer und sah ihn an, wurde sich seiner Nähe mehr als deutlich bewusst. Einen Moment lang wünschte sie sich, zurückweichen zu können, doch sie brachte es nicht fertig, den Kontakt mit ihm zu unterbinden. Sich seiner Nähe zu entziehen. Zu tröstlich wirkte er auf sie.

"Machst du das mit mir?", fragte sie leise und sah ihm direkt in die Augen, versank für einen Moment in dem goldenen Ton.

Er wollte seinen Kopf schütteln, brachte es aber nicht fertig, den Blickkontakt mit ihr abzubrechen. Denn nur sie sah ihn an, wie jemand, der ihr helfen konnte. Wem sonst auf dieser Erde hatte er je helfen können? Er zog das Unheil magisch an. Es lag nicht in seinem Wesen, Gutes zu tun, doch jetzt und hier, fühlte er sich, als wäre ihm dieses Talent doch gegeben. Als wäre er vielleicht doch nicht solch ein verachtungswürdiges Wesen. Sie gab ihm dieses Gefühl.

"Nein, ich mache überhaupt nichts.", erwiderte er mit belegter Stimme.

Sie rückte noch näher zu ihm, fühlte seinen Atem auf ihrer Haut. Ein überaus tröstliches Gefühl jemandem so nahe sein zu können, ohne dass er sich zurückzog. Ohne Angst haben zu müssen, dass er sie ablehnen würde.

"Dir ist bewusst, wie verrückt das hier ist?", fragte er und die Unsicherheit in seiner Stimme, brachte sie ein wenig zum Lächeln. Es war ein trauriges Lächeln, aber bis zu diesem Moment hätte sie nicht einmal mehr sagen können, ob sie dazu in der Lage war oder je wieder sein würde.

"Hai, das ist mir klar."

Ihre Lippen berührten sich sehr zaghaft und sanft. Beide waren sich darüber im Klaren, wie verletzt der andere war. Wie sehr Ablehnung schmerzen konnte.

Akiko schmeckte das Salz ihrer Tränen, während er sie küsste. Er wusste, dass er das nicht tun sollte. Das hier war genauso falsch wie Jamie zu umarmen. Doch im Gegensatz zu Jamie fühlte Rijan etwas, sie war ein Mensch, der eine Seele besaß. Eine verwundete Seele und auch wenn Akiko klar war, dass sie eigentlich gerade an seinen Vater dachte, konnte er sich doch nicht von ihr zurückziehen. Wie hätte er das auch tun können? Es war die Ablehnung seines Vaters gewesen, die sie in seine Arme getrieben hatte. Noch mehr Ablehnung hätte sie heute nicht verkraften können. Er wollte nicht, dass sie zerbrach.

Rijans Tränen wollten nicht versiegen. Sie hatte keine Kontrolle darüber, genauso wenig wie sie das hier beenden konnte, konnte sie sich zwingen mit dem Weinen aufzuhören. Sie küsste Akiko und weinte gleichzeitig darum, dass eigentlich Sesshoumaru sie hätte zum ersten Mal küssen sollen. Doch dafür war es nun zu spät und was Akikos Vater nicht bereit war zu tun, erfüllte Akiko ohne große Gegenwehr. Es war falsch ihn zu benutzen. Das wusste sie. Er hatte eigene Probleme, doch schien er sie genauso zu brauchen wie sie ihn. Warum konnte es nicht Sesshoumaru sein, in dessen Armen sie lag? Verzweiflung ergriff von ihr Besitz und sie klammerte sich fester an Akiko. Als wäre er ihr Rettungsanker. Sie vergrub ihre Hände in seinem weichen Haar, kletterte ohne es zu merken auf seinen Schoß und schlang die Beine um ihn. Er ließ es geschehen.

Es war verrückt, anders konnte sie das nicht erklären. Sie wusste, dass er an Jamie dachte, er wusste, dass sie an seinen Vater dachte und doch schien es vollkommen natürlich zu sein, hier beieinander zu sein. Wer sonst hätte sie jetzt auch verstehen können?

"Lass mich nicht los.", wisperte sie und ihre Verzweiflung machte sich in ihrer Umarmung bemerkbar.

Ihr Satz zerriss sein Herz. Sie klang so traurig, so verletzt.

"Niemals!", entgegnete er und meinte das auch so. Es erschütterte ihn, feststellen zu müssen, dass Rijan ihm keineswegs egal war. Er fühlte für sie nicht das Gleiche wie für Jamie, doch dieser Wunsch sie zu beschützen war beinahe übermächtig vorhanden und wenn das hier der Weg war, ihr das Selbstvertrauen zurückzugeben, dann sollte es eben so sein. Langsam, sehr langsam versank die Welt um sie herum, verschwanden die Schmerzen und die Sorgen, die sie beide kümmerten. Das Jetzt hörte auf zu existieren und an seine Stelle trat das Gefühl nicht mehr allein zu sein.
 

Die Atmosphäre um sie herum änderte sich. Es schien merklich kälter zu werden. Akiko beendete ihren Kuss und zog sich wenige Millimeter von ihr zurück. Aus großen Augen sah er sie an. Blass wirkte seine Haut und sie konnte einen Hauch Angst in seinem Blick erkennen. Die gleiche Angst, die auch in ihr tobte. Still war es auch vorhin gewesen, doch nun kratzte die Stille an ihren Nerven, ließ sie gespannt sein. Sie wagte nicht mehr zu atmen, starrte nur Akiko weiter an, der seinen ganzen Mut zusammennahm und sehr langsam das Gesicht in Richtung seines Vaters drehte. Rijan selbst konnte die Kraft nicht aufbringen, Sesshoumaru anzusehen. Sie wollte seinen Blick nicht sehen, wollte nicht von ihm betrachtet werden und spürte doch gleichzeitig, dass er sie ansah. Sie musste ihn nicht erst anblicken um zu wissen, was er dachte. Sie konnte es fühlen und zum ersten Mal verfluchte sie, was er getan hatte. Sie wollte nicht fühlen, was in ihm vorging.

Nur ein Mensch! Die Worte wurden nicht ausgesprochen, aber trotzdem schienen sie von allen Wänden wiederzuhallen. Angestrengt starrte sie auf einen imaginären Punkt und nahm doch eigentlich nichts in ihrer Umgebung mehr war. Was hatte sie getan? Wieder und wieder hatte sie Sesshoumaru versucht begreiflich zu machen, wie kostbar ihre Gefühle für ihn waren, dass sie sich das nicht einbildete, dass sie echt waren. Dass rein gar nichts, etwas an ihrer Treue zu ihm ändern konnte. Und doch hatte ein einziger Vorfall genügt um sie in die Arme eines Anderen zu treiben. Schlimmer noch, in die Arme seines eigenen Sohnes. Sie keuchte auf, wollte sich ans Herz greifen, doch ihr Körper schien wie gelähmt zu sein. Sie hatte verraten, was ihr am Wichtigsten auf dieser Welt war. Sie hatte ihn verraten. Ihre Augen brannten, doch keine Tränen wollten mehr fließen.
 

Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, ehe Akiko sie wieder anblickte. Sie begegnete seinem Blick und ein schmerzhafter, von Qualen geprägter Schrei kam über ihre Lippen, ehe sie ihn erneut verzweifelt umarmte und ihre Lippen fest auf seine presste. Automatisch erwiderte er ihre Umarmung und ließ sie gewähren. Sie wollte ihren Schmerz betäuben, wollte vergessen, was gerade geschehen war. Sie würde aufhören zu denken, aufhören zu fühlen. Sie konnte das alles hinter sich lassen. Alles was sie brauchte war Akikos Hilfe dabei.

Rijan gewährte ihm Einlass in ihren Mund, ließ zu, dass er sie berührte, dass er ihr Gewand von ihrer Schulter schob. Es spielte keine Rolle mehr, was geschah. Nun war sowieso alles zu spät. Alles verloren.

Ihr Körper entzog sich ihrer Kontrolle, begann zu schwitzen von ihren eigenen Bewegungen, von der Verzweiflung ihrer Tat. Einen Augenblick lang verharrte Akiko, umfasste ihr Gesicht mit seinen Händen und sah sie schweigend an. Sie bemühte sich seinen Augenkontakt zu halten, doch dieser goldene Glanz war mehr als sie ertragen konnte. Sie schloss ihre Augen wieder, verbannte alle Gefühle, alle Erinnerungen, die in ihr aufwallen wollten. Es spielte keine Rolle mehr. Immer wieder sagte sie sich diese Worte, betete sie herunter und hoffte, dass sie anfing es zu glauben. Dass sie aufhörte zu fühlen.

Irgendwo in ihrem Verstand versuchte sie die Frage zu beantworten, wann genau Akiko dafür gesorgt hatte, dass sie beide lagen, dass sich das harte Holz der Bank gegen ihren Rücken presste. Sie wusste es nicht und eigentlich wollte sie es auch nicht wissen.

Akiko wollte schreien. Laut und befreiend schreien, doch seine Stimme schien verschwunden zu sein. Vor seinem geistigen Auge sah er seinen Vater. Nichts hatte er auf dessen Gesicht gesehen, doch selbst so vermochte Sesshoumaru eine Botschaft zu vermitteln, die ohne Zweifel für Akiko bestimmt war. Verachtung, tiefe Verachtung war ihm entgegengeschlagen. Was war er für ein Sohn? Immer wieder stellte er sich selbst diese Frage und war sich doch nach wie vor bewusst, dass er drauf und dran war, sich mit der einzigen Frau zu vereinen, die seinem Vater wichtig war. Er sollte das beenden. Ein Funken seines Verstandes sagte ihm das, aber als Rijan den Blick vor ihm gesenkt hatte, als er diesen Kummer in ihren Augen gesehen hatte, hatte er sich geschworen, das hier zu Ende zu bringen. Sie brauchte ihn. So unsinnig diese Aussage auch war, war sie doch die reine Wahrheit. Er konnte fühlen wie etwas in ihm erwachte. Etwas, das er nie zuvor gespürt hatte. Etwas ursprüngliches, etwas, das ihm eine Heidenangst einjagte. Denn er wollte zerstören, alles was ihm in den Weg kam, wollte er vernichten. Wut, unbändiger Zorn beherrschte ihn, ließ ihn Rijan gegenüber grob werden, doch sie wehrte sich nicht. Es schien ihren eigenen Gefühlen sehr nahe zu kommen.

Ein tiefes Knurren erfüllte die Luft um sie herum. Akiko hielt in der Bewegung inne und verfluchte alles und jeden in diesem Moment. Erneut knurrte er und fletschte dabei beachtlich mit den Zähnen.

"Besitzt ihr kein eigenes Leben, dass ihr ständig mich stören müsst?"

Langsam drehte er seinen Kopf zur Seite und sah seiner Mutter ins Gesicht. Dieser eine Blick reichte aus, um ihn auf die Beine zu bringen. Er kannte Chidori in vielen Gefühlslagen, doch so hatte er sie noch nie gesehen. Ihre Augen waren pechschwarz. Das rot ihrer Pupillen leuchte, schien ihn zu verbrennen. Ihre Eckzähne waren sehr viel ausgeprägter als noch zuvor. Als würde die Energie um sie herum pulsieren und einen Sturm verursachen, wehten ihre Haare und verliehen der ohnehin beunruhigenden Stimmung einen gespenstigen Touch.

Ohne den Blick von ihr abzuwenden, reichte er Rijan seine Hand und half ihr ebenfalls auf.

Rijan starrte einen Moment blicklos an die Decke, versuchte die Gefühle, die sie wieder zu überwältigen versuchten zu ignorieren. Sie wollte nicht in die Gegenwart zurück. Wollte sich nicht daran erinnern, dass sie gerade eben den größten Fehler ihres Lebens getan hatte. Dass sie nichts auf dieser Welt tun oder sagen konnte, um das wieder ungeschehen zu machen. Nichts, um Sesshoumaru gnädiger zu stimmen. Sesshoumarus Name war es dann auch, der sie endgültig zusammenbrechen ließ. Sie schluchzte erneut und wollte sich wie ein kleines Kind zusammenrollen, doch in diesem Moment reichte Akiko ihr seine Hand und sie nahm sie ganz automatisch. Ließ zu, dass er sie auf die Beine zog. Mühsam raffte sie ihr Gewand zusammen und hielt es vor der Brust zusammen. Sie starrte auf den Boden, wollte Chidori nicht ansehen. Sie konnte sich denken, was sie sah. Sie fühlte es ja. Die Atmosphäre in diesem Raum war bis zum Zerbersten aufgeladen. Vermutlich war egal, was gesagt werden würde, das nächste Wort, würde alles in die Luft gehen lassen. Wer wusste schon, ob Chidori das nicht wirklich tun konnte. Also blieb Rijan stehen, starrte auf den Boden und sah zu wie ihre Tränen dort aufschlugen. Ihr war als würden ihre Beine nachgeben, doch erstaunlicherweise hielten sie sie noch etwas länger aufrecht. So als könnte sich ihr ganzer Körper einfach nicht mehr bewegen. Sie wollte zusammenbrechen, wollte dass ihr Körper ihrer Seele folgte, doch dem war nicht so einfach. Wie unter Schock stand sie da und versuchte die Gefühle in ihr zu erschlagen, im Keim zu ersticken. Nein, das konnte doch alles nicht geschehen sein. Wie hatte es geschehen können, dass seine Worte sie so verletzt hatten? Er hatte schon schlimmere Dinge zu ihr gesagt, viel schlimmere, doch nichts dergleichen war geschehen. Allerdings war damals auch nie jemand gewesen, der sie hätte trösten können. Dieses Mal jedoch ...

"Chi ...", setzte Akiko an und Rijan hob den Blick. Chidoris Anblick schockierte sie im ersten Augenblick. Eine solche Wut strahlte von ihr aus, dass sie alles um sie herum zu vergiften schien. Ihre Augen fixierten die von Akiko und schienen diesen deutlich zu lähmen. Der Raum zwischen ihnen schien zu verschwinden, denn plötzlich stand Chidori direkt vor Akiko und sah zu ihm auf. Das schwarz ihrer Augen war beängstigend. Sie hob ihre Hand und Rijan sah, dass ihre Nägel deutlich länger und spitzer geworden waren. Waffen, die einen ernsthaft verletzen konnten. Sie packte Akiko am Hals und bohrte ihre Nägel tief in sein Fleisch. Blut spritze, doch es schien Chidori nicht zu kümmern.

"Ich weiß, dass ich eines Tages für dich sterben werde ..." Ihre Stimme war tiefer als sonst, hatte einen sehr unnatürlichen Klang. "Doch an Tagen wie heute, fällt es mir schwer, dich nicht einfach selbst umzubringen."

Sie zog die Nägel zurück und Akiko fasste sich an die blutende Wunde.

"Kjani!" Ein Wort, dass Rijan nie zuvor gehört hatte, doch zusammen mit Chidoris ausholender Armbewegung, sorgte es dafür, dass Akiko quer durch den Raum flog, an die gegenüberliegende Wand krachte und diese sogar durchbrach. Ihr Knurren erfüllte den Raum. Akiko blieb benommen liegen.

Rijan sah besorgt zu ihm hinüber, wollte sich ganz automatisch zu ihm begeben, doch diese kleine Bewegung reichte aus, um die Aufmerksamkeit auf sie zu lenken. Sie war erstaunt, dass sie keine Angst hatte, doch andererseits war Angst etwas, der sie nur noch ins Gesicht lachen konnte. Was hatte sie schon noch zu verlieren?

"Nein, lass sie in Ruhe!" Akiko kämpfte sich mühsam wieder in eine stehende Position und Chidori blickte zu ihm zurück.

"Warum sollte ich?" Damit machte sie Anstalten, auch Rijan am Hals zu packen, doch stattdessen, loderten das rot in ihren Augen auf und ohne dass Chidori groß etwas tat, wurde Rijan in die Höhe befördert. Niemand berührte sie, aber Rijan fühlte, als würde ihr jemand die Luft abdrücken. Sie versuchte imaginäre Hände wegzuschlagen, doch war da natürlich nichts. Sie röchelte schwer und zappelte wild mit den Beinen. Chidori sah sie unverwandt an.

"Mein Leben lang habe ich mich darum bemüht, dir alle Feinde von den Fersen zu halten. Dich zu beschützen, dafür zu Sorgen, dass niemand von dir weiß, damit du in Sicherheit bist. Damit du stark werden kannst um dich irgendwann selbst zu verteidigen."

Verhaltener Zorn klang in ihren Worten mit.

"Und findest du nicht, dass mit das gut gelungen ist?"

Akiko näherte sich Chidori vorsichtig. Er hatte nicht gewusst, dass seine Mutter zu solchen Dingen fähig war. Er verstand ja nicht einmal, was sie eigentlich mit Rijan tat, aber ohne Zweifel brachte sie sie gerade um.

"Doch, ich bin dir dafür auch sehr dankbar."

Sie wandte ihren Blick ihm zu, doch nichts an Rijans Lage änderte sich. Panik erwachte in ihm, wie sollte er Rijan helfen, wenn er nicht wusste, was vor sich ging. Ihr Blick kreuzte den seinen und bat offensichtlich um Hilfe. Er schluckte schwer.

"Beruhige dich!", versuchte er Chidori zu beschwichtigen. Die Zeit wurde knapp. Rijan lief langsam blau an. Sie schien kaum noch Luft zu bekommen.

"Mich beruhigen?" Chidori schien tatsächlich ruhiger zu werden. Sie lachte beinahe über seine Worte. Ein verächtliches Lachen, doch dann loderten ihre Augen wieder vor Zorn auf.

"Mich beruhigen! Jeden verdammten Dämon habe ich von hier ferngehalten. Jeden einzelnen, der dir etwas tun wollte, habe ich vernichtet und wofür das alles?" Er hatte nicht gewusst, dass ihm jemand hatte etwas antun wollen. Er hatte nicht einmal gewusst, dass Chidori kämpfen konnte.

"Dafür, dass ein einfacher Mensch hier auftaucht und ihr beide es fertig bringt, den mächtigsten und gefährlichsten Dämon, den ich kenne, gegen euch aufzubringen." Sie machte eine wegwerfende Handbewegung und Rijan krachte lautstark auf den Boden. Benommen blieb sie liegen und pumpte wie eine wahnsinnige Luft in ihre Lungen. Ihre Augen tränten von der Qual.

"Kja!", schrie Chidori in einem Wutanfall und im nächsten Moment splitterte die Tür in tausend Einzelteile. Akiko musste sich ducken, um keines der gefährlichen Stücke abzubekommen. Er hoffte sehr, dass sie gerade nicht von sich selbst gesprochen hatte, denn ihm wurde langsam bewusst, dass Chidori mächtiger war, als er angenommen hatte.

"Ich bin mächtig, Akiko. Ich kann dich beschützen, jeden verfluchten Dämon ausschalten, der dir etwas antun möchte, aber ich kann mich nicht deinem Vater in den Weg stellen." Sie funkelte ihn an, doch ihre Augen begannen wieder normal zu werden.

"Ihr Beide ..." Sie sah erst ihn, dann Rijan wieder an. "Ihr wisst nicht, wie viel Glück ihr habt, dass ihr überhaupt noch lebt."

Ihre Haut wurde blass.

"Seine Aura erreichte mich, lange bevor er meinen Weg kreuzte." Sie schien sich daran zu erinnern und fröstelte dabei offenbar. "Ich habe vor nichts auf dieser Welt Angst, wirklich, aber als ich diese Aura wahrnahm, versteckte ich mich im nächst besten Raum um ihm nicht zu begegnen." Sie schüttelte sich.

"Ich habe ihn bisher nur einmal derart wütend erlebt und das war, als er mein Kind und beinahe auch mich getötet hätte." Sie blickte Akiko hart an. "Ein Wunder, dass er euch nicht auf der Stelle vernichtet hat."

Sie blickte zu der Stelle, an der eben noch die Tür gewesen war und Akiko wurde mulmig zumute. Richtig, er hatte gefühlt, wie eine Wut in seinem Vater erwacht war, der er nie gewachsen gewesen wäre. Doch Sesshoumaru war gegangen, ohne etwas zu unternehmen.

"So dicht ..." Sie zeigte mit ihren Fingern, wie dicht sie meinte. "... wart ihr eurem Ende und man sollte meinen, das bringt euch zur Besinnung." Sie gab einen verächtlichen Laut von sich, doch Akiko glaubte eine leichte Angst heraushören zu können. "Aber nein, ihr macht munter damit weiter. Wollt ihr unbedingt sterben? Hasst du mich so sehr?" Sie sah ihn an, doch Akiko war nicht fähig darauf zu antworten. Nein, er hasste sie nicht. Was auch immer er zu ihr gesagt hatte, er war wütend gewesen, verletzt, weil sei mit seinen Erinnerungen gespielt hatte, doch er hatte eben selbst gemerkt, wie schnell man alles zerstören konnte. Er hatte einen viel schlimmeren Fehler begangen, wie hätte er seiner Mutter da noch länger böse sein können? Dennoch konnte er ihr das nicht sagen. Schweigend sah er sie an und Chidoris Augen veränderten sich erneut. Doch es war der Blick, der ihm so zusetzte, denn ohne dass sie etwas sagte, schien sie ihm zu erklären, dass für sie die Sache damit erledigt war.

"Bitte, dann renn in dein Verderben. Ich kann dich nicht länger schützen. Was ihr da heraufbeschworen habt, kann keiner mehr aufhalten."

Damit rauschte sie zur Tür und Rijan sah ihr benommen nach. Sie kauerte auf dem Boden, immer noch mit tränenden Augen und schmerzenden Lungen. Sie räusperte sich.

"Was hast du getan, dass er dich so hasst?", fragte sie krächzend. Chidori verharrte in der Bewegung und Rijan wurde klar, dass sie doch noch Angst haben konnte. Panisch griff sie sich an den Hals, doch nichts geschah.

"Was ich getan habe?" Chidori gab einen verächtlichen Ton von sich und sah Rijan über ihre Schulter hinweg an.

"Findest du nicht, du solltest dich um deine Probleme kümmern, als meine Vergangenheit aufzuwärmen?" Rijan war das durchaus klar, aber sie wollte wissen, was ihn vorhin so verärgert hatte.

"Ich war bei ihm und er sagte, er würde die Farbe rot hassen. Nie zuvor habe ich gehört, dass er jemals gesagt hätte, er würde etwas hassen. Also was hast du verbrochen, dass er dich hasst?"

Chidori wirbelte herum und sah Rijan vernichtend an.

"Du solltest lernen richtig zuzuhören. Er sagte nicht, dass er mich hasst." Wut schwang deutlich in ihrer Stimme mit, doch sie schien sich mühsam zu beherrschen.

"Menschen!", giftete sie und sah Rijan direkt an.

"Es geht dich rein gar nichts an, was zwischen uns geschehen ist. Niemanden geht das etwas an, nicht einmal Akiko." Sie sah ihren Sohn flüchtig an, blickte dann jedoch wieder auf Rijan nieder.

"Aber er sagte er hasst diese Farbe und es ist deine Farbe.", beharrte sie und wollte dieses Rätsel endlich gelöst haben.

Chidori schüttelte nur ihren Kopf.

"Menschen!", sagte sie erneut, doch diesmal schien sie viel ruhiger zu sein. Müde beinahe.

"Wie kannst du behaupten, ihn zu lieben, ohne die einfachsten Dinge zu verstehen?"

Rijan runzelte die Stirn und stand langsam auf. Akikos Hilfe, lehnte sie dabei ab.

"Sag es mir!", verlangte sie.

Chidori strich sich die Haare zurück und schüttelte erneut ihren Kopf.

"Ich nehme an, du hast gesehen, wie er sich verwandelt? Du weißt wie er dann aussieht? Du weißt was passiert, wenn er die Beherrschung verliert?"

Rijan nickte, wusste aber nicht, was das damit zu tun hatte. Chidori sagte kein weiteres Wort, statt dessen ließ sie ihre Augen schwarz werden und sah Rijan einen Moment lang schweigend an, deutlich konnte Rijan den Schmerz darin sehen, den Chidori fühlte. Das verwirrte sie noch mehr. Die Dämonin wandte den beiden wieder ihren Rücken zu.

"Ihr seid Narren, alle beide seid ihr Narren." Damit flüchtete sie aus dem Zimmer und ließ die beiden allein in dem verwüsteten Zimmer zurück.

Rijan war nach wie vor verwirrt. Sie blickte zu Akiko und versuchte sich vor Augen zu führen, was Chidori ihr damit hatte sagen wollen. Akiko schüttelte langsam seinen Kopf.

"Darum ging es bei eurem Streit?" Beinahe hätte er gelacht. Das war alles gewesen? Wie konnte man sich deswegen so verletzt fühlen? Er hatte allen Grund dieser Welt für seine Gefühle. Er befand sich in einem Dilemma, für das es keinen Ausweg gab. Keine Rettung war für ihn in Sicht. Alles was er tun konnte, war Jamie ihre Seele zurückzugeben und dann damit leben zu müssen, dass sie ihn hasste. Dass sie ihn abgrundtief hassen würde. Dennoch würde er es tun, dessen war er sich jetzt endlich sicher. Denn jeden weiteren Tag in ihrer Nähe konnte er nicht verkraften. Er hasste das Gefühl, das er hatte, wenn er bei ihr war. Er hasste, wie er sich selbst sah. Was aus ihm geworden war.

Rijan dagegen ...

Er schüttelte müde seinen Kopf und verfluchte diesen elenden Tag. Wäre er doch heute nur nie aufgestanden. Er ging zu Rijan hinüber und berührte sanft ihre Wange. Er wollte ihr das nicht sagen, doch er konnte sehen, wie wichtig ihr die Antwort war.

"Rijan!", seufzte er leise und sah ihr in die Augen. Ängstliche Augen, denn sie schien zu begreifen, dass das Kommende alles zerstören würde. Dass es sie endgültig zerbrechen lassen würde.

"Die traurige Wahrheit bei dieser ganzen Sache ist, dass du für meinen Vater offenbar die wichtigste Person bist."

Ihre Augen wurden groß und sie schüttelte ihren Kopf.

"Nein, er sagt, ich bin ihm egal, er hat mich weggestoßen. Ich gefalle ihm nicht einmal."

Ihm wurde schwer ums Herz.

"Denk nach, Rijan, was hat er gegen die Farbe rot."

Er sah sie an, hielt ihren Blick gefangen und konnte sehen, wie sie fieberhaft darüber nachdachte.

"Es hat nichts mit deiner Mutter zu tun?", fragte sie panisch und er schüttelte seinen Kopf.

"Warum trägt sie kein rot, warum trägt niemand rot, der ihm nahe steht?"

Er konnte sehen, dass die Erkenntnis, was dahintersteckte, in ihrem Kopf langsam erwachte, dass sie versuchte, diese Erkenntnis zu vermeiden, dass sie sie nicht wahrhaben wollte. Denn dadurch wurde alles, was er tat furchtbar logisch und alles was sie getan hatte, furchtbar falsch. Dann hatte sie überreagiert, die Zusammenhänge einfach nicht begriffen und den Fehler ihres Lebens begangen.

"Nein, nein, nein.", schluchzte sie und sah ihn aus tränennassen Augen an. Er wünschte er könnte ihr das ersparen, aber leider musste sie da durch.

Rijan starrte in seine Augen, sah zu wie das gold darin verschwand und seine Augen rabenschwarz wurden. Sie keuchte auf und drohte zu zerbrechen.

"Nein.", flüsterte sie und ihre Beine gaben endlich nach. Akiko hielt sie fest, ließ sie aufrecht stehen, in dem er sie in seine Arme nahm und versuchte es für sie erträglicher werden zu lassen. Doch nichts auf dieser Welt konnte ihr jetzt noch helfen, damit fertig zu werden. Sie war so töricht gewesen, so absolut dumm. Jetzt war ihr das auch klar.

Sesshoumaru hasste die Farbe rot, weil die Welt für ihn, wenn er die Kontrolle verlor, rot wurde. Rot wie Blut!
 

Fortsetzung folgt ...
 

Okay, erschlagt mich bitte nicht. Ich weiß den meisten von euch wird die WEndung der Story nicht gefallen, aber tut mir leid, das mit Aki und Rijan hat sein müssen. Der Schluss ging eigentlich wieder sehr einfach zu schreiben, wenn man erst mal drin ist. Mir gefällt nur der Part als Rin und Sess sich "streiten" nicht so gut. ER hatte dramatischer sein sollen, aber im Notfall geht einfach mal davon aus, dass Rijan immer noch sehr verwirrt ist, grade wieder von den Toten zurück ist und deswegen vielleicht auch alles sehr viel persönlicher nimmt als sonst. Oder war er doch hart genug zu ihr, um ihren Kummer logisch erscheinen zu lassen? Nya, sagt mir, was ihr denkt. Ich bin gespannt.

Dunkelheit im Herzen

Tadaima, wie man so schön sagt.
 

Also ehrlich, ich muss erst mal all den lieben Leuten danken, die so freundlich waren und mir immer so tolle aufmunternde E-Mails, ENS oder auch Gästebucheinträge schreiben. Ich kann euch sagen, es motiviert einen nichts mehr, als zu lesen, dass jemand wirklich auf die Fortsetzung wartet. Jeder, der sich angesprochen fühlt, darf sich wichtig nehmen, denn nur euch ist es zu verdanken, dass ich überhaupt weiterschreibe. Ich hätte nämliche in schlechtes GEwissen, wenn jemand schon so freundlich ist, mein "Werk" gut zu finden und ich es dann nicht zu ENde führe.
 

Offenbar komme ich aus meinem Tief nie wieder heraus, aber bitte, die Version ist jetzt wenigstens derartig gelungen, dass ich sie veröffentlichen kann.
 

So, here we go:
 

Schnaufend blieb Rijan stehen und stemmte die Hände in die Hüften. Ihre Brust hob und senkte sich viel zu schnell, als dass Rijan wirklich davon ausgehen konnte, auch nur einigermaßen fit zu sein. Sie versuchte sich zu beruhigen, ihre Atmung unter Kontrolle zu bringen und allmählich gelang ihr das auch. Vorsichtig streckte sie ihren rechten Arm aus und stützte sich gegen einen Baumstamm.

"Chikuso!", meinte sie leise und Tränen brannten in ihren Augen.

Schließlich gab sie ihren inneren Kampf auf. Langsam sank sie auf die Knie und versuchte das Zittern ihrer Hände zu ignorieren. Ein Schmerz erwachte in ihr, der sie zu überwältigen drohte. Wie eine Lawine rollte er über sie hinweg und ließ sie zusammenbrechen. Sie hatte in den vergangenen Tagen versucht, diese Attacken zu überstehen, sie besser noch sogar zu vermeiden, doch es war immer bei dem Versuch geblieben. Sie konnte ihre Gefühle nicht unterdrücken. Einige Stunden lang schaffte sie es, doch dann brach wieder alles über ihr zusammen. Meist versuchte sie das niemandem zu zeigen und da sie nicht sicher war, wann sie einen dieser Anfälle hatte, hatte sie es vorgezogen allein zu sein.

Rijan setzte sich auf ihre Fersen und stieß einen ohrenbetäubenden Schrei aus. Sie schrie ihren Kummer und ihre Pein in die Welt hinaus. Einen Moment lang hoffte sie, jemand würde sie hören und ihr helfen, doch lediglich einige Vögel fühlten sich gestört und flatterten aus den blätterumrankten Wipfeln der Bäume.

Sie barg ihr Gesicht in ihren Händen und schluchzte hemmungslos. Niemals würde sie darüber hinwegkommen, was sie getan hatte. Damals auf jenem Schlachtfeld war die Welt so klar gewesen, alles war so einfach gewesen. Sie hatte gewusst, was richtig und was falsch gewesen war. Sie hatte ihre Gefühle klar einordnen können. Doch heute, Monate nach dieser Schlacht, die alles für sie verändert hatte, schien die Welt aus den Fugen geraten zu sein. Wie verkehrt alles gelaufen war, wurde ihr erst jetzt bewusst. Wie hatte es so weit mit ihr kommen können? Wie hatte sie vergessen können, wie einfach alles eigentlich war? Sesshoumaru und sie, das war eine feste Größe gewesen. Etwas, an dem sie nie hätte rütteln dürfen, etwas, dass zu bezweifeln, eigentlich außerhalb ihres Denkens liegen sollte. Und doch hatte sie angefangen nachzudenken, angefangen zu zweifeln. An ihm, an ihr, an allem hatte sie angefangen zu zweifeln. Sie konnte nicht einmal mehr sagen, warum sie damit angefangen hatte. Gerne hätte sie gesagt es wäre Akikos Schuld gewesen. Die Tatsache, dass er so anders so viel gefühlvoller als sein Vater war, sie zum Nachdenken bewogen hätte. Genauso gerne hätte sie Chidori die Schuld gegeben. Ihre gemeinsame Vergangenheit mit Sesshoumaru, ihre Boshaftigkeit, hatte sie zweifeln lassen, doch Rijan wollte sich nicht länger belügen. Die Zweifel und die Schuld stammten von ihr. Sie war es gewesen, die angefangen hatte, sich mit Chidori zu messen. Sie war es gewesen, die sich gewünscht hatte, Sesshoumaru wäre etwas mehr wie sein Sohn. Sie war es ganz allein gewesen, die vergessen hatte, dass es Sesshoumaru war, den sie liebte. So wie er eben war. Das hatte sie vergessen. Sie allein traf also die Schuld. Und all ihre Zweifel hatten sie Dinge tun, Dinge sagen lassen, die den Untergang von dem eingeleitet hatten, was einst zwischen ihr und diesem besonderen Dämon gewesen war.

Sie weinte bittere Tränen und wollte doch damit aufhören, denn keine Tränen dieser Welt wurden der Tat gerecht, die sie verbrochen hatte. Nichts konnte auch nur ansatzweise ausdrücken, was sie fühlte, was sie dachte, was sie wusste, verloren zu haben. Es zerfraß ihre Seele, zu wissen, dass alles ganz allein ihre Schuld war. Sie war nur ein Mensch. Sesshoumaru hatte ihr das oft genug gesagt, nun verstand sie wieder was er damit hatte sagen wollen. Er hatte ihr nie das Gefühl geben wollen, sie wäre deswegen ungenügend. Er hatte ihr manchmal auf sehr schmerzhafte Art ihre Grenzen aufzeigen wollen. Sie hatte das jedoch nicht eingesehen, nun jedoch verstand sie, dass er Recht hatte. Bis zu einem gewissen Grad konnte man etwas als Mensch ertragen, ging es darüber hinaus, zerbrach man daran. Und an diesem Punkt war Rijan nun. Zumindest erschien es ihr so. Sie wusste nicht, wie sie mit diesen Ereignissen leben sollte. Sie wusste nicht, wie sie darüber hinwegkommen sollte, dass er sie verlassen hatte. Dass er wohl auch nie wieder zurückkommen würde. Sie konnte nicht einmal sagen, wie sie diese Schmerzen unter Kontrolle bringen konnte. Rein gar nichts wusste sie mehr.

Wie ein Kleinkind zog sie die Beine an und umklammerte sie. Lange Zeit starrte sie nur vor sich hin, ließ die Welt vor ihren Augen verschwimmen und weinte, bis keine Tränen mehr zu vergießen waren. Lange nachdem es dunkel geworden war, selbst lange nachdem sie aufgehört hatte zu weinen, war dieser Schmerz in ihr immer noch nicht schwächer geworden. Sie wollte schreien, wollte diesen Schmerz irgendwie herausbekommen, doch selbst ihre Stimme war mittlerweile verschwunden. Also blieb sie sitzen und ignorierte die Kälte, die sich ihres Körpers bemächtigte.

Einen flüchtigen Moment lang dachte sie darüber nach, dass sie einfach hier sitzen bleiben konnte. Die Nächte waren kälter geworden, sie war immer noch geschwächt von ihrer Begegnung mit den Wölfen, von ihrer Rückkehr ins Leben. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich in genau dieser Nacht eine tödliche Erkältung einfing, war sehr hoch und für den Bruchteil einer Sekunde erschien ihr das nicht wirklich als Fluch. Doch dann verwarf sie diesen Gedanken wieder. Aufgeben lag nicht in ihrer Art. Sesshoumaru würde das nicht gerecht werden. Egal, wie schlimm alles war, ihre Aufgabe war es, weiterzumachen. Für ihn, auch wenn er es nicht mehr mitbekam oder aber es ihn nicht mehr interessierte. Also erhob sich Rijan schwerfällig und ging zurück. Das Haus erstreckte sich hoch über ihr im sicheren Schutz der Berge. Sie seufzte, während sie den steilen Weg nach oben ging. Vielleicht wurde es Zeit, dass sie sich Gedanken machte, wohin sie gehen sollte. Hier bleiben lag nicht in ihrer Möglichkeit. Sie wusste nicht einmal, ob sie das auch wirklich gewollt hätte. Durch Sesshoumarus Weggang hatte sich für Chidori die Lage verbessert. Es war nicht länger nötig, dass sie von hier verschwand.

Rijan seufzte betrübt, wenn es nur für sie selbst auch so einfach wäre. Ihr Zuhause war dort, wo Sesshoumaru war. Nun fühlte sie sich heimatlos. Es gab keinen Ort, an den sie gehen konnte.

Sie erklomm die wenigen Stufen des Hauses und blieb einen Moment lang schnaufend stehen. Ihre Kondition war wirklich nicht mehr die Beste.

Eine Bewegung im Dunkeln ließ sie innehalten. Angestrengt starrte sie in die Dunkelheit und wartete darauf, etwas erkennen zu können.

Es waren Chidoris Umrisse, die sich abzeichneten. Langsam trat sie aus dem Dunkel und ließ zu, dass die Mondstrahlen sie in ein sanftes Licht tauchten. In Momenten wie diesen war Rijan nur zu klar, warum Sesshoumaru ihr nachgegeben hatte. Sie war mehr als nur eine Schönheit. Sie hatte diesen typischen perfekten Glanz, den nur ein Dämon ausstrahlen konnte. Es war das, was sie von Menschen unterschied. Ein Mensch zeichnete sich durch die kleinen Makel aus, ein Dämon dagegen hatte so etwas nicht.

"Nun, du freust dich mit Sicherheit. Dank meines Fehlers, bleibt dir dein Zuhause erhalten."

Chidori schnaubte nur abfällig. Sie hielt es wohl nicht einmal für nötig, darauf einzugehen.

Rijan schüttelte ihren Kopf. Eigentlich war sie es sehr leid, sich immer mit ihr zu streiten.

"Lassen wir das."

Wenige Minuten in der Gegenwart dieser Dämonin sorgten dafür, dass Rijan sich unendlich erschöpft fühlte.

"Du irrst dich."

Die Worte überraschten sie, erst Recht, weil sie eigentlich vollkommen emotionslos ausgesprochen waren. Es fehlte dieser schnippische Unterton den Chidori sonst hatte.

"Worin irre ich mich?" Unsicher blickte sie Chidori an.

"Letztendlich ist dies hier nur ein Haus, Rijan. Hätte ich hier nicht länger bleiben können, hätte ich andere Möglichkeiten zu leben."

Das weckte nun doch Rijans Neugier.

"Und welche wären das?"

Chidori zuckte belanglos mit den Schultern.

"Was siehst du in mir?"

Rijan hasste es, wenn man ihre Fragen mit Gegenfragen beantwortete.

"Einen Dämon.", erwiderte sie schnippisch.

Chidori lachte trocken. Es war seltsam sie lachen zu hören.

"Wohl wahr, aber ist das alles?"

Langsam wurde Rijan klar, dass Chidori diese Frage offenbar ernst meinte.

"Ich sehe in dir einen Dämon, der auf eine Art mit Sesshoumaru verbunden ist, die sonst niemand auf dieser Welt hat. Du bist die Mutter seines Sohnes. Und ich sehe in dir, eine Frau, die obwohl sie seinetwegen durch die Hölle gegangen sein muss, nicht aufhören kann, ihm nahe sein zu wollen."

Chidori dachte einen Augenblick über ihre Worte nach, ehe sie langsam nickte.

"Du bist eine gute Beobachterin. Aber letztendlich bist du wie mein Sohn oder sogar wie Sesshoumaru selbst."

Das verwirrte Rijan nun doch sehr. Was sollte das heißen? Übersah sie etwas?

"Ich bin mehr als all das, Rijan. Ich war es immer und ich werde es immer sein. Sesshoumaru ist ohne Zweifel der wichtigste Teil meines Lebens, aber ich war bereits jemand, bevor ich ihn kannte und ich werde auch immer noch dieser jemand sein, wenn er sich endgültig von mir abwendet. Ich kann daran nicht zerbrechen, denn ich bin jemand."

Rijan nickte nur. Es dauerte einen Moment ehe ihr aufging, dass Chidori wohl gerade auf ihre sehr eigene Art und Weise versuchte, Rijan etwas klar zu machen. Man konnte nicht daran zerbrechen, wenn man das Wichtigste im Leben verlor, denn das Wichtigste war nun einmal nicht alles. Ihre Augen wurden groß, als sie zu der Dämonin hinüberblickte. Schweigend stand sie da, eindeutig milder gestimmt als sonst. Konnte es sein, dass Chidori ihr sozusagen die Hand reichte? Jetzt wo Sesshoumaru verschwunden war, schien es einfacher zu sein, mit ihr auszukommen. War diese Feindschaft zwischen ihnen nur sein Werk gewesen?

"Du willst mir also sagen, es hat dir nicht den Boden unter den Füßen weggezogen, als er dich verlassen hat?" Zweifel zeichneten sich deutlich auf ihrem Gesicht ab.

"Ich wusste lange bevor er mich tatsächlich verlassen hat, dass er gehen würde."

Diese Offenbarung überraschte sie. Daran hatte sie noch nicht gedacht.

"Wie hast du damit leben können?"

Chidoris Blick wurde trübe, als würde sie sich daran erinnern, wie es damals gewesen war.

"Das spielt keine Rolle. Wichtig ist letztendlich nur, dass ich es überlebt habe."

Ein Nicken war die Antwort darauf, zu mehr konnte Rijan sich nicht hinreisen lassen.

"Du hast hier bleiben können. Das ändert einiges. Was hättest du getan, wenn Sesshoumaru darauf bestanden hätte, dass du dieses Haus verlässt? Wohin wärst du gegangen?"

Ein abfälliges Lächeln erschien auf Chidoris Gesicht. Es erinnerte Rijan daran, dass Chidori nach wie vor nicht ihre Freundin war. Sie mochte gerade redselig sein, aber das änderte eigentlich überhaupt nichts. Sie beide standen auf verschiedenen Seiten. Sie mochten etwas gemeinsam haben, aber das sorgte nicht dafür, dass sie sich ähnlich waren.

"Du hast es immer noch nicht verstanden." Chidori schüttelte ihren Kopf.

"Du hast richtig erkannt, dass ich ein Dämon bin, Rijan. Aber ich bin nicht einfach nur irgendein Dämon, ich bin auch nicht nur der Dämon, der eine Zeit lang an Sesshoumarus Seite hat leben dürfen."

"Du bist mehr als das, ich weiß, das hast du schon gesagt."

Sie schnaubte leicht. Offenbar gefielen ihr Rijans leicht genervte Worte nicht.

"Hai, ich bin sehr viel mehr als das. Und es wird Zeit, dass ihr das alle endlich einseht."

Rijan gab sich geschlagen. Chidori wollte offenbar, dass sie diese Frage stellte und sie war es für heute leid zu diskutieren, also tat sie ihr den Gefallen.

"Nun denn, wer bist du?"

Chidori richtete sich ein wenig auf.

"Ich, kleine Rijan, bin nichts weniger als die Herrscherin über die östlichen Ländereien."

Rijans Augen weiteten sich, während sie Chidori ansah und versuchte zu begreifen, was man ihr eben offenbart hatte. Sie musste zugeben, dass sie das nicht erwartet hatte. Sicher, ihr war nicht entgangen, dass in Chidori eine Kraft schlummerte, die sie geweckt nie erleben wollte, doch dass sie offenbar derartig mächtig war, hatte sie nicht erwartet.

"Dummkopf!"; schalt Chidori sie leicht amüsiert. "Glaubst du jeder kleine Dämon könnte dir dein Leben zurückgeben. Wen kennst du noch, der zu so etwas fähig ist?"

"Sess...", sie brach ab, als ihr ihre eigene Dummheit klar wurde. Richtig, Sesshoumaru war ihres Erachtens der einzig andere Dämon, der so einfach über Leben und Tod bestimmen konnte. Und Sesshoumaru war ebenfalls nichts geringeres als der Herrscher über die westlichen Ländereien.

"Ich sehe du begreifst es langsam."

Sie drehte sich um und wollte ins Haus gehen.

"Sag mir, warum hast du mich gerettet? Ich dachte du hasst mich?"

Sie blieb stehen, drehte leicht den Kopf und sah sie aus ihren feuerroten Augen an.

"Ist das nicht offensichtlich?"

Rijan schüttelte ihren Kopf. Offensichtlich fand sie daran gar nichts.

"Dein Tod wäre gleichbedeutend mit meinem gewesen. Ich hänge an meinem Leben, Rijan, ich bin keineswegs bereit, meinen Tod einfach hinzunehmen. Erst Recht nicht für etwas so Unbedeutendes wie ein menschliches Leben."

Sie verstand nicht sofort, was Chidori damit sagen wollte. Was hatte ihr Tod mit dem dieser Dämonin zu tun? Doch Chidori schien heute wirklich redselig zu sein, denn zu Rijans großer Verblüffung, erläuterte sie ihre Worte, ohne dass Rijan groß hätte nachfragen müssen.

"Menschen!", seufzte sie nur resigniert und ein klein wenig brachte Rijan das zum Lächeln. Niemand außer einem Dämon konnte durch ein simples Wort so viel ausdrücken. Sesshoumaru war darin ebenfalls Meister gewesen. Ein Stich in ihr Herz verursachte dieser kleine Gedanke. Würde es ab nun immer so sein? Ein einziger Gedanke an ihn, verursachte ihr Schmerzen? Oder würde sie eines Tages damit leben können, sich an die wenigen schönen Augenblicke erinnern können? Sie bezweifelte es.

"Für Sesshoumaru ist diese Welt schwarz und weis. Es gibt grundsätzlich nur zwei Dinge, die man tun kann. Das Richtige oder eben das Falsche. Tut man das Falsche, hat man mit den Konsequenzen zu leben. So einfach ist das bei ihm."

"Bei ihm." Rijan seufzte unglücklich. "Die Welt ist nicht so einfach, wie er immer glaubt."

Chidoris rechter Mundwinkel hob sich leicht.

"Ich lebe einige Jahre länger als du, Rijan. Glaub mir, sie ist so einfach."

Rijan hätte ihr widersprochen, an jedem anderen Tag hätte sie das wirklich, doch heute war sie zu müde um noch weiter zu diskutieren, also ließ sie diese Aussage so stehen.

"An jenem Tag als du hast wissen wollen, wo er ist, schickte ich dich in den Wald."

Dunkel erinnerte sie sich an dieses Gespräch, diesen Streit. Es erschien ihr so lange her, war so bedeutungslos geworden.

"Das war aber nicht falsch, denn du hast wirklich geglaubt er wäre dort."

Chidori nickte und ihr Blick schweifte in die Ferne.

"Hai, doch in seinen Augen spielt das keine Rolle. Du bist in den Wald gegangen und dort auf diese Wölfe getroffen. Warum du dort warst, spielt keine Rolle, wichtig ist nur, dass ich es war, die dich dort hingeschickt hat."

Sie seufzte schwer und Rijan begann beinahe Mitleid mit ihr zu haben. Das war es also. Sesshoumaru hätte ihr die Schuld daran gegeben und das hätte nur eine einzige Reaktion bei ihm hervorgerufen.

"Du hast dich also selbst gerettet." Bitterkeit schwang in ihren Worten mit. Sie wusste nicht einmal warum, doch dass man so kaltherzig über Leben und Tod entscheiden konnte, weckte Wut in ihr. Tiefe Wut um genau zu sein.

Chidori schwieg einen Moment und schien darüber nachzudenken, ehe sie mit den Schultern zuckte.

"Man sollte meinen, wenn die Welt so einfach ist, sollte es auch einfach sein, nach diesen Regeln zu leben. Eigentlich hätte ich wissen müssen, dass etwas, was ich im Anschluss tue, nichts an dem ändert, was ich zuvor getan habe. Wiedergutmachung ist ein Wort, dass es für Sesshoumaru nicht gibt."

Rijan runzelte die Stirn und blickte die Dämonin skeptisch an.

"Du lebst noch, ich gehe einmal davon aus, dass es sich für dich durchaus gelohnt hat."

Langsam strich sich Chidori die langen Haare zurück und lächelte matt.

"Sesshoumaru ist ein Dämon, Rijan."

"Das ist mir durchaus bekannt.", giftete sie zurück.

"Aber dir ist nicht klar, was das bedeutet. Ein Dämon tötet entweder weil es sein muss, oder weil er es so möchte. Und wenn er es möchte, hat er Freude daran. In dieser Hinsicht ist Sesshoumaru wie ein Raubtier. Er liebt es sein Opfer leiden zu sehen, es im ungewissen zu lassen. Das Unvermeidliche hinauszuzögern. Mich gleich zu töten, hätte ihm den Spaß genommen. Vermutlich hätte er mich noch Jahre lang in dem Bewusstsein leben lassen, dass er mir jederzeit das Genick brechen konnte. Das ist es, was ihn ausmacht, Rijan. Er weiß, dass die Ungewissheit viel schlimmer sein kann als einfach nur jemanden zu töten."

Rijan wurde bei diesen Worten kalt. Gänsehaut bildete sich auf ihren Armen. Das war nicht, was sie hören wollte. Sie wollte nicht daran denken, dass in Sesshoumaru eine sehr grausame Ader steckte. Und doch drängten sich ihr wieder Erinnerungen auf. Sango, durchbohrt von seinem Schwert, sein Blick, unbewegt, ohne den Hauch einer Emotion. Ihm war damals egal gewesen, was er getan hatte. Für ihn hatte es keine Rolle gespielt, warum Sango ihn angegriffen hatte. Dass sie vielleicht einen Grund dafür gehabt hatte. Und dann fühlte sie wieder dieses Dunkle, dieses Gefährliche in ihr. Dieser Teil ihrer Seele, den er ihr gegeben hatte. Richtig, niemand wusste besser, wie düster seine Seele war, wie angsteinflößend er sein konnte.

"Ich bin mir nicht einmal jetzt sicher, ob sich daran etwas geändert hat. Vermutlich nicht, denn was auch immer du getan hast, wirkt sich nicht darauf aus, was ich getan habe."

Sie sagte das so belanglos, als würde es einfach nur um einen Wetterumschwung gehen und nicht darum, dass er sie vielleicht nach wie vor umbringen würde. Umbringen für etwas, das nicht ihre Schuld war.

"Aber du hast mich zurückgeholt, sollte ihn das nicht gnädiger stimmen."

Chidori schüttelte leicht belustigt ihren Kopf, doch ihre Augen zeigten die Resignation, die in ihr herrschte.

"Gnädig?" Ein wenig Bitterkeit schwang in diesem Wort mit.

"Du hast selbst erkannt, dass er die Macht hat, dir dein Leben zu geben oder es zu nehmen."

Rijan nickte, verstand jedoch nicht, was das damit zu tun hatte.

"Nun, er hat sich entschlossen, es dir nicht zurückzugeben."

Eine Weile schwiegen die beiden Frauen. Rijan dachte darüber nach und es schmerzte mehr als ihr lieb war. Richtig, Sesshoumaru hätte die Möglichkeit gehabt, ihr zu helfen. Er hatte es aber nicht getan. Sie wollte sich der Illusion hingeben, dass er es nicht gekonnt hatte, aber es waren einmal seine eigenen Worte gewesen. Tensaiga war ein Teil von ihm, was sein Wille war, führte dieses Schwert aus. Er allein konnte es steuern. Und somit war die einzige logische Konsequenz, dass er ihr nicht hatte helfen wollen. Chidori dagegen ... Nun, sie hatte sich somit eigentlich seinem Willen widersetzt. Und niemand wusste wohl besser als Rijan, dass Sesshoumarus Wille eigentlich Gesetz war. Niemand widersetzte sich ungestraft.

Chidori war tief in Gedanken versunken. Rijan fragte sich, ob sie auch darüber nachdachte. Irgendwann schien sie zu merken, dass man sie beobachtete und sie schüttelte betont gelassen ihren Kopf.

"Ich hatte vergessen, warum ich etwas gegen Menschen habe. Ihr macht uns schwach." Abfällige Worte, doch nach wie vor schimmerten ihre Augen seltsam. An was auch immer sie gedacht hatte, es ließ sie noch nicht los.

"Bleibe oder geh, mir ist es einerlei." Sie zuckte mit den Schultern um zu verdeutlichen wie egal es ihr war. Doch dann blitzte es kurz in ihren Augen auf.

"Aber lass die Finger von meinem Sohn."

Rijan nickte nur. Es war unnötig darauf zu reagieren. Chidori würde doch nie verstehen, was zwischen ihnen geschehen war. Sie würde nicht glauben, dass es eigentlich nichts zu bedeuten hatte.

Die Dämonin streckte ihren Rücken durch und hob die Nase leicht an. Nun wirkte sie wieder erhaben wie eh und je. Rijan unterdrückte ein Lächeln. Irgendwie wirkte sie im Moment doch beinahe amüsant.

"Menschen!", giftete sie, während sie die Tür zum Haus öffnete.

Rijan blickte auf ihren Rücken. Stolz und Würde strahlte sie mit jeder Faser ihres Körpers aus. Und während sie ihr Gegenüber so ansah, dachte sie über Chidoris Worte nach. Sesshoumarus Welt war so einfach. Richtig oder falsch und obwohl er bestimmte, was richtig und falsch war, wusste man doch immer, wie er denken würde. Erst Recht, wenn man so lange an seiner Seite gelebt hatte wie Chidori. Demzufolge hatte sie von Anfang an gewusst, dass ihr Eingreifen in die Geschehnisse Folgen haben würde. Schlimmer noch, sie hatte gewusst, welche Folgen es haben würde und dennoch hatte sie ihr das Leben geschenkt. Ein Lächeln breitete sich auf Rijans Gesicht aus, während ihr die Bedeutung dieser Tatsache klar wurde.

"Wenn du nicht aufpasst, fange ich irgendwann an zu glauben, dass du eigentlich doch ein sehr nettes Wesen bist."

Chidori blieb stehen, drehte sich aber nicht um.

"Mach dich nicht lächerlich." Doch beinahe hatte Rijan den Eindruck, als würde sie lächeln, während sie diese Worte aussprach.
 

Rijan betrat den großen Trainingsraum und schloss die Tür hinter sich. Es wurde Zeit, dass sie endlich wieder damit Begann, ihr Leben in geordnete Bahnen zu lenken. Und wenn es ihr auch unmöglich war, die derzeitigen Umstände zu ändern, so konnte sie zumindest dafür Sorgen, dass sie sich in ihrem eigenen Körper nicht mehr fremd fühlte.

Entschlossen legte sie ihren schlichten Kimono ab. Kühle Luft drang durch ihren dünnen Yukata, doch das würde sie nicht hindern. Wenn sie erst einmal das Aufwärmtraining hinter sich hatte, würde sie genug schwitzen. Sie nahm ein dünnes Stoffband und band damit ihre Haare zu einem festen Zopf zusammen.

Anschließend ging sie in die Mitte des Raumes, stellte sich aufrecht hin und schloss die Augen. Ein paar Mal atmete sie tief ein und wieder aus, ehe sie damit begann langsam ihre Muskeln auf das kommende Training vorzubereiten. Die ersten Dehnübungen schmerzten mehr als sie sich vorgestellt hatte. Langsam hob sie ihr rechtes Bein, bis sie es schließlich beinahe senkrecht nach oben gezogen hatte. Unsagbarer Schmerz trieb ihr die Tränen in die Augen. Doch tapfer verharrte sie in dieser Position. Als sie ihr Bein wieder nach unten nahm, stieß sie zischend die Luft aus. Sie versuchte ihre Arme hinter ihrem Rücken zu kreuzen, schaffte es aber erst beim zweiten Anlauf. Erneut stellte sie fest, dass ihr Körper von der einstigen Kondition sehr weit entfernt war. Sie schüttelte ihre Beine und Arme um sie wieder etwas lockerer werden zu lassen. Anschließend ging sie wieder in die Grundstellung und stellte sich einen imaginären Gegner vor. Es dauerte bis ihr das glaubhaft gelang. Sie hob die Arme um ihren Oberkörper im Notfall vor Schlägen zu schützen. Ihre Hände waren zu Fäusten geballt. Sie konnte fühlen, wie sich Energie in ihrem Körper sammelte. Sie musste es nur schaffen, diese Energie wieder lenken zu können.

Mit einem lauten "Kya!" boxte sie ihren imaginären Gegner nieder. Wieder und wieder schlug sie zu, ließ dabei kaum Zeit, um einen Gegenangriff zuzulassen. Sie traf sein Kinn, anschließend seinen Magen und schließlich einen gezielten Hieb auf seinen Hals. Er ging in die Knie und Rijan traf ihn mit ihrem ausgestreckten Bein geradewegs am Kopf. Ohne Gegenwehr ging er zu Boden.

Ein kleines Lächeln erschien auf ihrem Gesicht.

"Na bitte, geht doch!", frohlockte sie und entspannte sich wieder etwas.

"Das Erste was mein Vater mir beigebracht hat, war, dass ich niemals gegen einen eingebildeten Gegner kämpfen soll."

Rijan wirbelte herum, ihr Herz setzte einen Moment lang aus. Sie war so konzentriert gewesen, dass sie Akiko überhaupt nicht hatte hereinkommen hören. Oder war er schon die ganze Zeit hier gewesen? Nein, das war ausgeschlossen. Seine Gegenwart hätte sie gespürt.

Sie ging wieder in ihre Ausgangsstellung, hob die Arme schützend und sah ihn wenig begeistert an.

"Ich dachte er hätte dir nichts beigebracht."

Akiko lächelte leicht und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Es erstaunte sie immer noch, wenn sie das Zeichen auf seiner Stirn sah.

"Ein Gegner, den man sich nur einbildet, tut immer was man denkt. Das heißt er kann nie gewinnen. Und das wiederum weckt bei dir den Eindruck, du wärst gut oder sogar unbesiegbar."

Rijans Blick wurde kühl.

"Ich bin gut. Sogar gut genug um deinen Vater zu verwunden."

Akiko hob überrascht, aber dennoch sehr zweifelnd eine Augenbraue.

"Wirklich?"

Sie nickte und sah ihn aus blitzenden Augen an.

"Wirklich!", bestätigte sie nicht gerade bescheiden wirkend.

"Dennoch erscheinen seine Worte logisch. Ein richtiger Gegner kann dich überraschen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er das tut, ist sogar sehr groß."

Seine Worte weckten die Wut in ihr erneut. Was wusste ausgerechnet er schon vom kämpfen? Alles was Akiko bisher getan hatte, war Schläge von seinem Vater einzustecken. Er hatte bestimmt nicht das Recht mit ihr über Sinn und Unsinn ihres Trainings zu reden.

"Ich glaube nicht, dass ausgerechnet du davon sprechen kannst."

Akiko verschränkte die Arme und sah sie belustigt an.

"Du erscheinst mir heute etwas gereizt."

Sie schnaubte verächtlich und beschloss ihn einfach zu ignorieren. Langsam atmete sie tief ein. Um gut kämpfen zu können, musste man seine innere Ruhe finden.

"Das wird nicht funktionieren. Mein Vater ist bestimmt niemand, dem ich besonders viel glaube, aber er ist ohne Zweifel der beste Kämpfer, den ich kenne."

Rijan schloss die Augen. Verstand Akiko eigentlich nicht, dass sie jetzt bestimmt nicht über Sesshoumaru sprechen wollte? Allein der Gedanke an ihn schmerzte sie.

"Es würde wesentlich mehr Sinn machen, wenn du gegen eine wirkliche Person kämpfst." Sie hörte ihn näher kommen, nahm seinen Geruch wahr, als er hinter ihr stehen blieb. Sein Atem berührte ihren Nacken.

"Das würde nicht nur mehr Sinn machen, es würde dir auch helfen, dich wieder zu beruhigen." Sanft waren die Worte, die er in ihr Ohr flüsterte. Dennoch wollte sie darauf nicht eingehen.

"Komm schon.", lockte er sie. "Dein Körper sehnt sich nach Entspannung." Seine Hand legte sich auf ihren Rücken, sie fing an sich zu verkrampfen. "Ich kann das fühlen, Rijan." Ihr Widerstand bröckelte. Ihr ganzer Wille schien dahin zu schwinden, wenn er so leise mit ihr sprach. Vorsichtig drehte sie den Kopf und öffnete ein Auge. Sein Blick war warm, kein bisschen neckend. Beinahe konnte sie darin Mitgefühl lesen.

"Lass das!", bat sie schwach. Akikos Lächeln vertiefte sich. Er wusste, dass ihr Widerstand schmolz.

"Ich tue doch gar nichts."

Mit offenem Blick sah sie ihn an.

"Spiel nicht mit mir."

Er schüttelte seinen Kopf und ein wenig schien er von ihren Worten getroffen zu sein.

"Ich würde nie mit dir spielen. Ich will dir helfen." Er trat einen Schritt zurück und beinahe war ihr, als könnte sie dadurch wieder besser denken. Langsam streckte er seine Hand aus, berührte sie jedoch nicht.

"Lass mich dir helfen."

Unsicher blickte sie auf seine Hand, dann in sein Gesicht.

"Hab keine Angst, Rijan. Was kann schon groß geschehen, wenn ich dir helfen möchte?"

Seine Worte waren unschuldiger gemeint, als sie bei ihr ankamen. Sie konnte sich nicht dagegen wehren, dass Bilder in ihr aufwallten. Bilder davon, was das letzte Mal geschehen war, als er ihr nur hatte helfen wollen. Ihre Wangen röteten sich leicht und sie senkte beschämt den Blick.

Einen Moment lang war alles ruhig, dann fing er aber an leise zu lachen.

"Daran hatte ich zwar nicht gedacht, aber wenn du meinst, dass dir das hilft ..."

Erschrocken schüttelte sie ihren Kopf und wich automatisch vor ihm zurück.

"Nein, bloß nicht."

Akiko lachte erneut.

"Welch ein Glück, dass ich solch ein großes Selbstvertrauen habe. Andernfalls wäre ich nun wirklich gekränkt."

Rijan wurde blass, als ihr klar wurde, wie beleidigend ihre Worte gewesen sein mussten.

"Nein, ich wollte nicht sagen, dass mir das nicht gefallen hat."

Er hob eine Augenbraue und sah sie belustigt an.

"Du kannst das sehr gut.", erklärte sie und runzelte dann selbst die Stirn.

"Nicht, dass das eine Rolle spielt, denn was wir getan haben war ein Fehler. Ein großer Fehler." Verwirrung nahm von ihr Besitz.

"Ich meine ... das war ...", stammelte sie, brach aber schließlich ab, weil Akiko in schallendes Gelächter ausbrach.

"Beruhige dich, Rijan. Ich bin es nicht, vor dem du dich rechtfertigen musst."

Sie senkte den Blick und versuchte nicht daran zu denken, dass es wohl wesentlich einfacher wäre, Akiko das zu erklären als seinem Vater. Sie wusste nicht einmal, ob sie jemals die Chance haben würde, Sesshoumaru das alles zu erklären.

"Genau aus diesem Grund würde es dir gut tun, gegen mich zu kämpfen."

Dieses Mal war es Rijan die anfing trocken zu lachen.

"Ohne dir zu nahe treten zu wollen, du hättest keine Chance gegen mich."

Er verschränkte die Arme und strahlte dabei eine unheimliche Arroganz aus.

"Ich mag meinem Vater nicht gewachsen sein, mit einem Menschen kann ich es aber alle mal aufnehmen."

Ein verächtlicher Laut war alles, was Rijan darauf erwiderte. Wichtigste Regel eines Kampfes war immer noch, niemals den Gegner zu unterschätzen. Wenn Akiko nicht einmal das gelernt hatte, hatte er eigentlich überhaupt keine Chance jemals einen Kampf zu gewinnen.

"Ich werde nicht gegen dich kämpfen.", erklärte sie kopfschüttelnd. "Du würdest dich nur verletzen."

Akiko winkte ab.

"Ich bin ein Dämon, Kleines. Was mich nicht umbringt, macht mich stärker."

Erneut schüttelte sie ihren Kopf, doch dieses mal mehr über seine Arroganz als darüber, dass sie nicht kämpfen wollte. Sie konnte fühlen, wie Energie in ihr anfing zu pulsieren. Ihr Körper spannte sich von alleine an. Warum eigentlich nicht? Akiko war tatsächlich ein Dämon, sie hatte nicht vor ihn zu töten und alle Verletzungen, die er ohne Zweifel davontragen würde, heilten bei ihm meist wieder sehr schnell. Und wenn sie an das Training mit seinem Vater dachte, war er es sowieso gewohnt, Schläge einzustecken.

Ein siegessicheres Lächeln erschien auf seinem Gesicht, während er sich in eine stabilere Standposition brachte. Er hob einen Arm um sein Gesicht zu schützen und streckte den anderen gerade aus. Mit seiner Hand bedeutete er ihr, anzufangen.

Rijan seufzte nur und ging ebenfalls in die Ausgangsstellung. Einen Moment lang sahen sie sich schweigend an. Beinahe erwachte Respekt in ihr, denn so unbekümmert er eben noch gewesen war, so konzentriert war er plötzlich. Immerhin schien er die richtige Einstellung zu haben.

Die Atmosphäre lud sich auf, ohne dass einer es hätte verhindern können. Rijan stieß einen energischen Laut aus und machte einen Ausfallschritt nach vorne. Ihre Hand schnellte blitzschnell hervor und traf Akiko überraschend im Magen. Der Hieb ließ ihn kurz zusammenzucken, ehe er wieder in seine Ausgangsposition zurückging und sie erneut aufforderte anzugreifen. Rijan ließ sich nicht zweimal bitten, schwang ihr rechtes Bein mit einem leichten Bogen nach oben und traf Akiko am Hals. Die Wucht des Aufpralls ließ ihn taumeln.

Sicher kam sie wieder zu stehen und stemmte die Hände auf die Hüfte.

"Wenn du dich nicht wehrst, wird das kaum etwas bringen."

Akiko legte seinen Kopf kurz auf die rechte Seite, dann auf die linke. Es knackte dabei verdächtig.

"Solange du nicht richtig kämpfst, habe ich keinen Grund mich zu verteidigen."

Sie bedachte ihn mit einem skeptischen Blick. Adrenalin pumpte durch ihre Adern.

"Fein, du hast es so gewollt."

Sie wartete nicht einmal mehr darauf, bis er seine Position eingenommen hatte, ohne vorherige Warnung, begann sie Schläge und Tritte auszuteilen. Sie merkte sehr schnell, dass sie von ihrer früheren Leistungsfähigkeit weit entfernt war, dennoch fühlte es sich erstaunlich gut an, einen Dämon zu verprügeln.

Rijan sprang in die Luft, wirbelte sich selbst herum, und versuchte dabei genug Kraft freizusetzen um Akiko schwerer mit ihrem Bein zu treffen. Doch gerade als sie dachte, sie würde ihn treffen, schnellte sein Arm nach oben und fing ihren Hieb tatsächlich ab. Rijan war dadurch in ihrer eigenen Drehung gehemmt und fiel hart auf den Boden zurück. Benommen blieb sie sekundenlang liegen.

"Was zur Hölle ...", setzte sie an, kam aber nicht dazu, den Satz zu Ende zu sprechen, denn sie musste alle Kraft darauf verwenden wieder auf die Beine zu kommen, da Akiko plötzlich anfing sie anzugreifen. Und das mit einer Geschwindigkeit, die sie nie zuvor bei ihm gesehen hatte. Seine Bewegungen entzogen sich manchmal ihrem Blick und so geschah es, dass Rijan unerwartet einen Hieb in den Magen bekam und sich keuchend vornüber beugte. Dieser Moment der Unachtsamkeit reichte Akiko um ihr mit einem gezielten Tritt die Beine wegzuziehen. Erneut landete sie auf ihrem Allerwertesten.

Akiko blieb vor ihr stehen, sein Schatten fiel auf sie herab. In ihrer Würde verletzt, blickte sie zu ihm auf und schenkte ihm einen zornigen Blick. Ein selbstgefälliges Grinsen strahlte ihr entgegen.

"Mein Vater lehrte mich ebenfalls, niemals einen Gegner zu unterschätzen. Es wundert mich, dass du so einen Fehler machst."

Beinahe hätte sie darüber laut gelacht. Richtig, nicht er war es gewesen, der arrogant aufgetreten war. Vielmehr war sie es gewesen, die ernsthaft gedacht hatte, Akiko wäre nicht in der Lage sich zu wehren.

Sie nahm die angebotene Hand und ließ sich beim Aufstehen helfen.

"Mir war nicht klar, dass euer Training so erfolgreich war."

Er lächelte, wirkte jedoch tatsächlich etwas verlegen.

"Sesshoumaru ist ein guter Lehrer. Auch wenn es mir nie so vorkam, hatte es wohl doch sehr viel Sinn, so streng zu mir zu sein."

Rijan erwiderte darauf nichts. Sie konnte nicht glauben, dass sie einen so leichtsinnigen Fehler begangen hatte. So etwas war ihr noch nie passiert. Ihr größter Vorteil war immer gewesen, dass man grundsätzlich sie unterschätzt hatte. Erneut schüttelte sie ihren Kopf.

"Weiter?" Sie blickte zu ihm auf, dachte einen Moment darüber nach, das hier abzubrechen, doch ihr Ehrgeiz meldete sich lautstark zu Wort. Das konnte sie nicht auf sich beruhen lassen. Sie nickte also nur und der Kampf begann erneut.

Diesmal war keiner von beiden überrascht. Es erschien unmöglich einen Treffer landen zu können. All ihre Angriffe schmetterte Akiko gekonnt ab, wohingegen sie stets verhinderte dass er ihr noch einmal zu nahe kommen konnte. Schweiß rann ihren Rücken hinab, durchnässte ihr dünnes Gewand. Ihr Atem ging stoßweise und allmählich wurden ihre Beine schwer. Wieder und wieder vollführte sie Sprünge, trat und schlug zu, doch nur selten konnte sie einen Erfolg verbuchen. Akiko selbst nötigte es tiefen Respekt ab, dass Rijan derartig kämpfen konnte. Er hatte sich denken können, dass sie gut sein musste, wenn sie an der Seite seines Vaters bestehen konnte, doch ihm wäre nie in den Sinn gekommen, dass ein Mensch derartiges zu vollbringen in der Lage war. Dennoch war ihm nur all zu klar, dass sie letztendlich unterliegen würde. Das war keine Arroganz oder Überschätzung seiner Fähigkeiten, nein, er konnte sehen, wie ihre Bewegungen weniger kraftvoll wurden, wie sie langsamer wurde, wie Müdigkeit von ihr Besitz ergriff. Und während sie an die Grenzen ihrer Möglichkeiten stieß, wurde ihm erst im vollen Ausmaß klar, wie gut sein Vater ihn tatsächlich trainiert hatte. Immer hatte er angenommen, wer würde keine Fortschritte machen, würde mit seinem Vater nicht mithalten können, und obwohl dies wohl auch der Fall war, stellte er erst hier im Kampf mit Rijan fest, wie ausdauernd er sein konnte. Seine Grenzen würden noch lange nicht erreicht sein, wenn Rijan nicht einmal mehr in der Lage war sich zu bewegen. In einem richtigen Kampf hätte das ihren Untergang bedeutet.

Und dennoch, obwohl sicherlich auch ihr selbst klar sein musste, dass sie verlieren würde, gab sie nicht auf. Das hier war nur ein Training, nichts wovon ein Leben abhing, doch Rijan kämpfte als würde es alles bedeuten. Er bewunderte diesen Mut an ihr, diese Ausdauer. Er konnte verstehen, was seinen Vater an ihr bewegt hatte. Nie zuvor war ihm ein Mensch begegnet, der alles was er tat, mit solch einer Energie machte.

Rijan holte ein letztes Mal zu einem schweren Schlag aus, doch ihr Arm war viel zu schwer geworden. Die Kraft, die in ihr schlummerte, schien zu verblassen. Sie holte aus, doch Akiko konnte mit Leichtigkeit ihren Hieb abwehren, in dem er ihr Handgelenk mit seiner Hand umfasste. Die kleine Geste reichte aus um ihr klar zu machen, dass es vorbei war. Sie schnaufte heftig und fühlte wie ihre Beine langsam nachgaben. Akikos Arme schlangen sich um sie um sie zu stützen.

"Chikuso!", fluchte sie leise.

Er hielt sie fest, wartete bis sie sich wieder beruhigt hatte, doch nachdem alle Anspannung, alle Wut in ihr verschwunden war, brach erneut Verzweiflung über ihr zusammen und Tränen brannten in ihren Augen. Sie konnte sie nicht länger zurückhalten. Und so weinte sie erneut in seinen Armen. Akiko hielt sie fest, nicht mehr und nicht weniger tat er. Er sagte kein Wort zu ihrem Zusammenbruch, versuchte nicht sie durch unnötige Worte beruhigen zu wollen.

Im ersten Moment half ihr das, doch dann wurde ihr bewusst, wie sehr Akiko gerade durch dieses Verhalten seinem Vater ähnelte. Und das wiederum verschlimmerte alles nur noch mehr. Sie begann sich in seinen Armen zu winden. Er ließ sie los - ganz so wie sein Vater es auch getan hätte. Unbändige Wut erwachte in ihr, ließ sie beinahe blind werden, während sie wie ein gehetztes Tier vor ihm zurückwich und Abstand zwischen sie beide brachte. Er blieb stehen, sah sie einen Augenblick lang nachdenklich an, ehe er nur müde seinen Kopf schüttelte und das Zimmer verließ. Einen Moment lang sah sie ihm perplex hinterher und kämpfte gegen das keineswegs schmeichelhafte Gefühl an, sich erleichtert zu fühlen. Sie wusste, sie tat ihm Unrecht. Erneut hatte er lediglich versucht ihr zu helfen, ihn so zu behandeln, stand ihr nicht zu und verdient hatte er es schon gar nicht. Sie fragte sich, ob ihm bewusst war, wie sehr er seinem Vater in solch kleinen Dingen ähnelte.

Ein tiefer, gequälter Seufzer kam aus ihrer Kehle, ehe sie sich einen Moment der

Schwäche gönnte und kraftlos zusammenbrach. Sie konnte nicht sagen wie viel Zeit

verging, ehe ihr Körper ihr wieder gehorchte und sie schwerfällig auf die Beine kam.

Sie wusste, was sie zu tun hatte.

Langsam machte sie sich auf die Suche nach Akiko. Sie wusste nicht, was sie sagen

sollte, wie sie sich für ihr Verhalten entschuldigen sollte. Aber ihr war sehr klar, dass

sie es tun musste.

Sie fand ihn schließlich auf den Stufen sitzend, die in den dunklen Wald führten. Er

blickte nicht auf, doch sie wusste, dass er ihr näher kommen bemerkt hatte. Sein

Gehör konnte ihre Bewegungen mit Leichtigkeit wahrnehmen. Vermutlich konnte er

sie sogar riechen.

Rijan blieb stehen und starrte eine Weile vor sich hin. Sie versuchte die richtigen

Worte zu finden, doch es gelang ihr nicht. Schließlich versuchte sie es mit der einfachen Wahrheit.

"Es tut mir leid.", offenbarte sie ehrlich. Minuten verstrichen, ohne dass er dazu etwas sagte. Sie fragte sich beinahe schon, ob er sie gehört hatte.

"Was tut dir leid? Dass du in mir meinen Vater siehst?" Seine Worte trafen sie. Sie

hatte nicht geahnt, dass ihm ihr Verhalten so zugesetzt hatte. Dass ihm der Vergleich

mit seinem Vater so zuwider war. Es schockierte sie etwas, denn mit einer so heftigen Reaktion hatte sie nicht gerechnet.

"Du tust ihm Unrecht.", verteidigte sie Sesshoumaru automatisch.

"Er behandelt dich nicht gut, er lässt dich ständig allein, er kann selten dafür sorgen,

dass du in Sicherheit bist. Er lässt zu, dass du schwer verwundet wirst. Wann immer

es zu einer Konfrontation mit meiner Mutter kam, hat er nichts getan, um dir beizustehen. Er ist egoistisch und gefühlskalt. Und obwohl er auf dich keinerlei Ansprüche erhebt, will er dich doch keinem Anderen überlassen. Schlimmer noch, statt sich der Sache zu stellen und mit dir darüber zu reden, verschwindet er einfach und lässt dich einmal mehr allein." Seine Stimme klang tiefer als sonst. Ein wenig begann sie zu frösteln, während sie ihm zuhörte. Akiko drehte leicht den Kopf und Rijan wich erschrocken zurück, als er sie aus tiefschwarzen Augen ansah.

"Warum zur Hölle verteidigst du ihn immer noch?" Seine Stimme war nun kaum mehr

als ein Knurren. Bis zu diesem Augenblick hatte sie beinahe vergessen, dass auch in

Akiko ein mächtiger Dämon schlummerte. Und schlimmer noch, ein gefährlicher Dämon, der derzeit ziemlich gereizt war.

Rijan atmete tief ein und sah ihn so mutig sie konnte an.

"Weil ich ihn liebe, Akiko. So einfach ist das."

"Seltsame Art das zu zeigen.", gab er barsch von sich und wandte den Blick wieder

ab.

Am liebsten hätte sie ihm wegen dieser verletzenden Aussage in den Allerwertesten

getreten.

"Wenn ich mich Recht erinnere, hattest du die selbe Art das zu zeigen.", gab sie spitz

zurück.

Er knurrte unfreundlich und bedachte sie mit einem finsteren Blick.

"Vergleich mich und Jamie nicht mit dir und meinem Vater."

"Warum nicht? Letztendlich ist es doch das Gleiche."

Er erhob sich langsam. Die Gefahr, die von ihm ausströmte, verstärkte sich. Rijan

musste alle Willenskraft aufbringen um nicht vor ihm zurückzuweichen.

"Es ist nicht das Gleiche. Ich habe nie behauptet, dass ich Jamie lieben würde." Er

lachte trocken. Verbunden mit seinen wütenden Augen, war das ein sehr gespenstiges Lachen. Sie erschauerte leicht.

"Selbst ein Blinder kann das aber sehen."

Langsam kehrte sein Blick zu ihrem Gesicht zurück. Mit Sesshoumarus Wut konnte Rijan umgehen. Sie hatte immer gewusst, dass er ihr nichts tun würde. Akiko dagegen ... Er schien noch weit von der Selbstbeherrschung seines Vaters entfernt zu sein. Wenn er wütend war, sollte man ihn besser nicht weiter reizen.

"Ein Blinder kann rein gar nichts sehen. Insofern solltest du nicht allzu viel auf die

Aussage eines Blinden geben."

Sie schüttelte ob dieser Aussage ihren Kopf.

"Und was ist es dann, was dich neulich hat so ausrasten lassen? Warum hat dir das

alles so schwer zu schaffen gemacht?" Ihr Blick bohrte sich in seinen. "Warum sonst

hast du mich geküsst?"

Ein sehr gequält klingender Laut kam aus seinem Mund und Rijan bereute fast, ihn

damit konfrontiert zu haben. Doch die Wut in ihm schien größer zu sein.

"Darum geht es? Du willst wissen, warum ich dich geküsst habe?" Er blickte sie an

und sie konnte seinem Blick nicht länger standhalten.

"Warum nicht? Du bist eine Frau, ich bin ein Mann. So einfach ist das. Ein Mann wäre ein Idiot, wenn er aus solch einer Situation nicht das Beste macht." Sein Tonfall

zielte deutlich darauf ab, sie zu verletzen und Rijan musste sich eingestehen, dass er

das zu einem gewissen Grad auch schaffte. Das Einzige, was seine Worte abmilderte, war dieser eine gequälte Laut, den er vorhin von sich gegeben hatte. Sie wusste, wie es in ihm aussah. Sie wusste es nur zu gut, denn vor wenigen Minuten noch hatte sie selbst so gefühlt. Diese Wut, die einen beherrschen konnte. Diese Verzweiflung, die einen innerlich auffraß, all das hatte sie während des Kampfes mit ihm in sich gehabt. Er hatte ihr geholfen, diese Emotionen verschwinden zu lassen. Ihm selbst schien es nicht geholfen zu haben. Sein Ventil war offenbar ein anderes.

"Das ist nicht wahr. Du weißt das so gut wie ich." Sie machte einen Schritt auf ihn zu,

doch sein Blick bedeutete ihr recht schnell, dass das keine gute Idee war.

"Dann weißt du mehr als ich. Ich weiß lediglich, dass ich die Gelegenheit genutzt habe. Ihr Menschen seid so erbärmlich. Einer schlimmer als der Andere."

Rijan schüttelte ihren Kopf.

"Ich weiß du hörst das nicht gerne, aber du bist deinem Vater so entsetzlich ähnlich."

"Was ist daran entsetzlich? Ich denke du liebst meinen Vater."

Sie wusste selbst, dass das keine besonders kluge Aussage von ihr gewesen war.

"Hai, das tue ich auch. Aber das heißt nicht, dass ich alles was er tut und sagt, gut

finde."

Akiko drehte ihr wieder den Rücken zu und setzte sich. Einen Moment lang sah sie

auf seinen verkrampften Rücken und überlegte, was sie sagen sollte. Sie seufzte

leise und setzte sich neben ihn. Schweigend sah sie ihm dabei zu, wie er seine Hand

zu einer Faust ballte. Mitleid erwachte in ihr. Sie konnte fühlen, wie überfordert er mit

der Situation war. Gerne hätte sie ihn berührt, ihn getröstet, doch sie wusste nur zu

gut, dass er dann vermutlich vollkommen die Kontrolle über sich verlieren würde.

"Du kannst das nicht einfach wieder rückgängig machen, richtig?"

Er sagte dazu nichts, verkrampfte sich nur noch mehr.

"Ich meine deine Verwandlung.", ergänzte sie, weil sie nicht sicher war, ob er sie verstanden hatte. Sie hatte oft genug gesehen, wie Sesshoumaru kurzfristig die Kontrolle über sich verloren hatte. Seine Augen wurden im Gegensatz zu Akikos jedoch rot.

Allerdings hatte Sesshoumaru nie lange gebraucht um die Kontrolle zurückzubekommen. Sie hatte ihn stets dafür bewundert, dass er selbst in Momenten, in denen der Blutrausch beinahe übermächtig war, fähig war, seine Verwandlung rückgängig zu machen. Akiko schien das jedoch noch nicht zu beherrschen und sie wagte zu bezweifeln, dass er seinen Vater je gefragt hatte, wie er es konnte.

"Ich bin kein Idiot. Ich weiß, was du meinst.", giftete er und rutschte ein wenig von ihr

weg. Er schien sich selbst nicht zu trauen und das machte Rijan traurig.

"Ich glaube nicht, dass du mir etwas antun würdest.", sagte sie leise und wusste

doch, dass sie nicht die Wahrheit aussprach. Jetzt gerade fühlte sie so, doch schien

er auch wieder etwas ruhiger geworden zu sein. Vorhin noch hätte sie das nicht einfach so sagen können. Sie hatte Angst vor ihm gehabt. Nein, nicht vor ihm, eher davor, dass er nicht mehr Herr seiner Sinne war.

"Keh!", meinte er verächtlich. Er wusste also auch, dass sie nicht die Wahrheit

sprach. Sie hatte ihn nicht anlügen wollen.

"Wir wissen beide, dass du das nicht glaubst. Und ich für meinen Teil weiß auch sehr

genau, dass du damit sehr Recht hast. Ich kann mir nicht einmal selbst trauen."

Sie sah ihn an, schwieg erst einmal und fragte sich, wie schwer das alles für ihn sein

musste. Angst davor zu haben, jemanden, den man mochte, zu verletzen, musste ein

schlimmes Gefühl sein.

"Dennoch sitze ich hier.", meinte sie schließlich leise. Er rückte erneut weiter von ihr

weg.

"Das solltest du aber nicht. Du bist bei mir nicht sicher. So einfach ist das. Selbst

Jamie war bei mir nicht sicher." Der letzte Satz drückte seine Frustration sehr deutlich aus. Er starrte auf seine geballte Faust. Die Knöchel traten weiß hervor. Rijan wusste nicht, was sie nun sagen sollte. Sie hätte ihm gerne widersprochen, doch sie beide wussten, dass es die Wahrheit war.

Also schwieg sie nur und starrte ebenfalls auf seine Faust.

"Verdammt!", fluchte er und sah sie gequält an. "Nein, verdammt, ich kann das nicht

einfach wieder rückgängig machen. Wenn ich wütend werde, wenn ich richtig wütend

werde, dann verwandle ich mich und ich bin nicht in der Lage, das aufzuhalten, geschweige denn das wieder rückgängig zu machen."

Es erstaunte sie, dass er das zugab.

"Du hättest Sesshoumaru fragen sollen. Er hätte dir helfen können."

Er nickte verärgert.

"Hai, aber hätte er es auch getan."

Sie runzelte missbilligend die Stirn.

"Ich sagte dir schon, du tust ihm Unrecht. Er würde alles tun, um dir zu helfen."

"Irrtum, alles um mein Überleben zu sichern. Das ist ein Unterschied."

Rijan verdrehte die Augen.

"Rede keinen Unsinn. Kann dir Chidori dabei nicht helfen?" Der Gedanke war ihr eben erst gekommen. Chidori musste ebenfalls wissen, wie man solch eine Verwandlung rückgängig machen konnte.

"Ich will nicht, dass sie mich für schwach hält." Sie wollte ihm widersprechen, doch

in seinem jetzigen Zustand war ihr durchaus klar, dass das keine besonders gute

Idee gewesen wäre.

"Du weißt nicht wie das ist, soviel Macht in sich zu haben. Genug Macht um alles

platt zu machen, was einen stört. Wenn ich mich über jemanden ärgere, könnte ich

ihn einfach so vernichten. Und das ist manchmal so verlockend. Aber trotzdem weißt

du immer, dass es falsch wäre. Trotzdem gibt es Momente wie diese, in denen dieses Dunkle in mir stärker wird. In denen ich nicht mehr dagegen ankomme. Und dann traue ich mir selbst nicht mehr."

Sie sah zu wie er aufstand und wie ein gefangener Tiger auf und ab ging. Er wollte

fort von ihr. Nicht weil er ihre Gesellschaft nicht mochte, nein, weil er Angst hatte, sie

würde etwas sagen, was seine Kontrolle vollkommen verschwinden lassen würde.

Und Rijan wusste nicht einmal, was genau sie sagen könnte um das Geschehen zu

lassen.

"Du kannst aber lernen damit zu leben, es zu beherrschen. Dein Vater hat es geschafft. Es muss also einen Weg geben."

Er massierte sich leicht die Schläfen.

"Mein Vater!", knurrte er ungehalten.

"Mein Vater ist aber nicht hier, verdammt."

Sie nickte und verfluchte sich selbst für diese idiotische Aussage. Er war sowieso

nicht gut auf Sesshoumaru zu sprechen, ihn zu erwähnen, war wirklich nicht sehr

klug gewesen.

"Und woher willst du wissen, dass in meinem Vater auch nur annähernd so viel Böses schlummert wie in mir?"

Rijan schüttelte sich leicht.

"Woher? Nun das ist ganz einfach. Ich trage einen Teil von ihm in mir. Und etwas so

Böses und abgrundtief Dunkles habe ich nie zuvor gefühlt."

Akiko verharrte in der Bewegung. Sie wusste nicht, was geschah, aber sie konnte fühlen, wie die Gefahr für sie zunahm. Jahrelange Erfahrung mit Dämonen hatte sie gelehrt auf ihre Instinkte zu vertrauen.

"Wirklich?", fragte er gefährlich leise. Rijan war nun sehr sicher, dass sie verschwinden sollte, doch ehe sie auch nur auf die Beine kam, stand er vor ihr, bohrte seine Krallen in ihren Hals und sah sie aus tiefschwarzen Augen gefährlich an. Rijan schluckte schwer, während sich seine Hand dichter um ihre Kehle legte. Sie konnte ihr Blut riechen, dass über seine Krallen lief.

"Aki...", versuchte sie ihn zu beruhigen, doch er hörte ihr gar nicht zu. Sie wusste,

dass das Blutrauschen in seinen Ohren ihn taub machte für logische Argumente.

"Ihr Menschen seid wirklich das Allerletzte. In dieser Hinsicht seid ihr alle gleich."

Ihre Augen wurden groß, als sie Probleme hatte, Luft zu holen. Sie versuchte ihn von

sich zu stoßen, doch ihre Kraft war verschwunden. Sie war ihm diesmal wirklich hilflos ausgeliefert und zum ersten Mal seit langer Zeit hatte sie wirklich Angst, denn

diesmal würde ihr kein Sesshoumaru zu Hilfe kommen. Sollte das etwa ihr Ende

sein? Sie konnte überdeutlich fühlen, dass Akiko kein bisschen mehr die Kontrolle

über sich hatte. Er handelte jetzt nur noch, ohne darüber nachzudenken, was er gerade tat.

"Du trägst also einen Teil von ihm in dir? Und selbstverständlich ist alles was dich

ängstigt etwas von ihm. Wie kannst du dann ernsthaft behaupten, ihn zu lieben?"

Sie verstand nicht, was er ihr sagen wollte.

"Ich hasse Menschen wie dich. Ich hasse alle Menschen, wenn ich darüber nachdenke. Ihr macht es euch so leicht. Wir sind böse, alles böse dieser Welt kann nur von uns kommen. Ist dir nie in den Sinn gekommen, dass das wovor du dich so

fürchtest, nicht von meinem Vater kommt? Dass es in dir selbst liegt, schon immer

dort gewesen ist?"

Sie ächzte nach Luft, ihr wurde schwarz vor Augen und allmählich verlor sie das Bewusstsein. Gerade als sie dachte, das wäre wirklich ihr Ende, ließ Akiko abrupt von ihr ab und sie schnappte keuchend nach Luft. Ihre Lungen schmerzten, als endlich wieder Sauerstoff in sie gepumpt wurde. Sie blickte auf und sah Chidori über sich stehen, die ihren Sohn finster anblickte. Dann stieß sie kraftvoll ihren Arm nach vorne, ganz so als wollte sie jemanden in den Magen treffen. Akiko wurde dadurch einige Meter zurückgeschleudert und krachte mit dem Rücken gegen einen dicken

Baumstamm. Er jaulte getroffen auf und verschwand dann im Wald.

Rijan war viel zu benommen um das wirklich alles zu verstehen. Sie kauerte auf den

Stufen und atmete hektisch ein und aus. Schließlich blickte sie zu Chidori auf, die mit

einem undeutbaren Blick über ihr stand.

"Danke!", keuchte sie. Doch Chidori schüttelte nur verächtlich ihren Kopf.

"Ich hätte ihn sein Werk vollenden lassen sollen. Im Grunde genommen hat er nämlich Recht. Akiko hat sich dir geöffnet. Er hat dir gesagt, dass er Angst vor dem hat, zu was er fähig ist, wenn er keine Kontrolle über sich hat. Das hat er dir eingestanden."

Rijan nickte. Sie wusste das.

"Nicke nicht, wenn du es nicht verstehst. Akiko hat mehr Größe, als du und deines-

gleichen je haben werden. Er weiß, dass in ihm eine dunkle Seite existiert. Ich weiß

das und auch Sesshoumaru weiß das. Jeder Dämon kann dir das von sich selbst

sagen. Ihr Menschen jedoch ..."

Sie gab einen schnaubenden Ton von sich.

"Ihr seid so schnell dabei, anderen die Schuld zu geben." Sie schüttelte ihren Kopf und schien jetzt beinahe Mitleid mit Rijan zu haben.

"Vermutlich bist du auch noch stolz darauf, dass du Sesshoumaru liebst, obwohl du

glaubst, etwas derartig abgrundtief Hässliches würde in ihm existieren." Sie kniete

sich nieder und hob Rijans Gesicht leicht an.

"Armes Menschenweib. Und dich wundert wirklich, warum er dir nie geglaubt hat?"

Dann stand sie wieder auf und ließ Rijan allein.
 

Fortsetzung folgt ...
 

Ja, da hat Rijan mal was zum Nachdenken. Ich wollte das schon seit Geliebter Dämon schreiben. Interessanter Aspekt, dass sie nämlich gleich dachte, das würde von Sess stammen, oder? Nun ja, mal schauen wie es weitergeht. ICh glaube wir kommen jetzt endlich in den Endpart der Geschichte. Die Ereignisse die ab nächstem Kapitel geschehen, werden das Ende der Fanfic einläuten.
 

So, ansonsten kann ich nur hoffen, ihr haltet mir weiterhin die Treue und schreibt mir so liebe Sachen (was nicht heißen soll, dass ihr nicht auch ruhig Kritik üben dürftet). Ich würde gerne versprechen, dass der nächste Part schneller kommt, aber ich komme derzeit wirklich zu rein gar nichts. Gomene
 

Knuffelige Grüße und mata ne

Rogi

Besinnung

Nihao minna-san,
 

vielleicht sollte ich mit einem Rückblick beginnen, weil garantiert keiner mehr weiß, was eigentlich zuletzt geschehen ist, richtig? Ja, ich bin ja selbst schuld, ich gebs ja zu. Und so ganz glücklich bin ich auch damit nicht, aber immerhin ist der Teil eigentlich recht passabel geworden. Überhaupt nicht, was ich geplant hatte (eigentlich hatte Sess wiederkommen sollen, aber es stellte sich heraus, dass der Kerl nicht so handeln möchte wie ich es gerne hätte) somit gehe ich halt weiter auf Akiko ein. SChaun wir mal, wo mich das hinführen wird.
 

Los gehts:
 

Akiko stieß einen tiefen Laut aus. Seine ganze Wut und Verärgerung lag in diesem

einen Laut. Sein Verstand schien ihn in den Wahnsinn treiben zu wollen. Er verstand überhaupt nichts mehr. Gefühle überwältigten ihn, die ihm vollkommen fremd waren. Gedanken, die er nicht einordnen konnte. Alles um ihn herum schien sich zu drehen, ließ ihn langsam an der Realität zweifeln. Dunkel erinnerte er sich daran, Rijan angegriffen zu haben. Er wollte gerne sagen, dass er das nicht gewollt hatte, dass nur seine Verwirrung Schuld daran war, aber diesen Wunsch sie für ihre Gedanken zu bestrafen, rührte aus seinem Inneren her. Unter anderen Umständen hätte er sich vielleicht kontrollieren können, doch so war es ihm schwer gefallen. Nein, schlimmer noch, es hatte vollkommen außerhalb seiner Möglichkeiten gelegen. Er war nicht mehr Herr seiner Sinne. Zu deutlich war ihm das bewusst. Er sollte sich in eine Höhle zurückzuziehen und darauf warten, dass alles vorbei ging, doch anders als bei seinen Wutanfällen zuvor, war er sich dieses Mal nicht sicher, dass diese Verwandlung wieder aufhören würde. Es war als würde sich etwas seiner Seele bemächtigen, seine eigene Identität überdecken. Er konnte das nicht kontrollieren, geschweige denn ignorieren. Vollkommen hilflos musste er mit dem Chaos in seinem Kopf zurecht kommen und wusste doch nicht einmal genau, was mit ihm geschah. Leichte Schritte näherten sich ihm. Sein Gehör schien noch besser zu sein, als dies ohnehin schon immer der Fall war. Er hörte das Geräusch schon von Weitem. Je näher die Schritte kamen, desto panischer und wütender wurde er. Er wollte allein sein. Wer hatte den Nerv ihn jetzt zu stören? Ein Duft stieg ihm in die Nase und beinahe wäre ihm schlecht geworden. Nein, nicht Jamie. Sie wollte er am allerwenigsten

jetzt in seiner Nähe haben. Verdammt sollte seine Mutter sein. Sie konnte von Glück sagen, dass sie nicht selbst gekommen waren. Er hätte ihr wohl den Hals umgedreht.

Natürlich war ihm klar, dass Jamie von seiner Mutter geschickt worden war. Jamie tat nichts ohne eine entsprechende Aufforderung. Die Wut in ihm verstärkte sich. Was hatte Chidori sich dabei gedacht? Meinte sie, es wäre nicht weiter schlimm, wenn er eine seelenlose Person tötete? Ja, vermutlich hatte sie das gedacht. Für sie war Jamie nie ein lebendes Wesen gewesen. Und vermutlich hatte sie auch damit Recht.

Jamie war gestorben. Den Beweis dafür sah man sehr deutlich an ihrem Hals. Nur

weil er ihr Herz wieder zum Schlagen gebracht hatte, bedeutete das nicht, dass es etwas an der Tatsache änderte, dass Jamie dem Grunde nach eigentlich tot war.

Blätter raschelten, als sie sich durch ein Dickicht bewegte. Er knurrte automatisch, hoffte sie dadurch abzuschrecken, aber Jamie fühlte eben nicht. Nichts auf dieser Erde machte ihr Angst. Und so erschien sie wenige Minuten später vor ihm. Sie blickte ihn an. Offen, ohne das geringste Anzeichen von Angst oder Vorwürfen. Ohne von ihm angewidert zu sein. Doch genauso wenig zeigte sich ein anderes Gefühl in ihren Augen. Er spiegelte sich in ihren Augen und was er sah trieb ihn nur noch mehr in den Wahnsinn. Sie war wie ein Spiegel für ihn. Denn er sah nie, was sie in ihm sah, sondern nur, wie er selbst sich sah. Jedes einzelne Mal hasste er sie dafür.

"Verschwinde!" Er ließ keinen Zweifel an dieser Aufforderung. Niemand auf dieser

Welt hätte in diesem Augenblick gewagt, ihm zu widersprechen.

"Sie sagte, dass Ihr das sagen würdet."

Ehe sie noch weitersprechen konnte, packte er sie am Hals und hob sie leicht an.

Ihre Zehenspitzen berührten nur noch knapp den Erdboden. Er wollte Angst in ihren Jamies Augen sehen. Er wollte irgendetwas in ihren Augen sehen, doch sie blieben ausdruckslos wie immer. Sie stand nur da auf ihren Zehenspitzen und ließ ihn gewähren. Vielleicht war es wirklich ihre Ruhe, die ihn dazu bracht, von ihr abzulassen.

Er schnaubte wütend, ließ sie dann aber wieder los. Als wäre sie sein größter Albtraum wich er vor ihr zurück und drehte ihr den Rücken zu.

Ein Fehler wie er kurz darauf bemerkte. Denn obwohl er hörte, wie sie sich ihm näherte, waren seine Sinne vollkommen verwirrt. Er konnte weder Gefahr noch sonst etwas klar erkennen. Einen Moment blieb sie hinter ihm stehen und diese einfache Geste, brachte ihn beinahe wieder um den Verstand. Er drehte sich um, und riss erschrocken die Augen auf. Erstaunen zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, ehe er einen zischenden Laut ausstieß und das Messer in seinem Bauch fest umklammerte.

Fassungslos sah er Jamie an. Sie stand da, als wäre nichts geschehen und blickte

ihn ausdruckslos wie eh und je an. Er wich noch weiter zurück und stieß einen ohrenbetäubenden Schrei aus. Verdammt, ihre Attacke hatte gesessen. Er konnte fühlen, wie ihn seine Kraft langsam verließ. Mühsam schaffte er es, sich auf den Beinen zu halten. Er zog das Messer aus der Munde und warf es Jamie achtlos vor die Füße. Unvorsichtig, dachte er im nächsten Moment. Man sollte seinem Feind niemals eine Waffe wieder zurückgeben. Doch Jamie war nicht sein Feind. Jamie war niemandes Feind.

Er sah wie sie das Messer aufhob und an ihrer Kleidung abwischte, dann verstaute

sie es wieder sicher in den Falten ihres Gewandes und ging auf ihn zu. Misstrauisch sah er sie an, ehe es ihn langsam in die Knie zwang.

"Verflucht sollst du sein, Mutter.", keuchte er und wartete darauf, dass sie aus dem Dunkel trat.

Sie ließ nicht lange auf sich warten. Ein einziger Blick genügte und Jamie drehte sich um und ging. Er sah ihr nach wie sie im Schutz des Waldes verschwand. Erneut keuchte er auf. Die Wunde brannte höllisch.

Chidori näherte sich ihm langsam. Sie blieb einen Moment vor ihm stehen, ehe sie in die Knie ging und neben ihm verharrte. Er warf ihr einen finsteren Blick zu, doch zu seiner Überraschung reagierte sie darauf nicht so spöttisch wie er es erwartet hatte.

Echtes Mitgefühl stand in ihren Augen geschrieben. Sie streckte ihre Hand aus und wollte ihn berühren, doch er wich vor ihr zurück. Er konnte sehen, dass er sie damit verletzte.

"Verflucht sollst du sein.", wiederholte er leise und sah ihr fest in die Augen. Sie lächelte müde.

"Glaub mir, das bin ich längst." Und dann setzte sie sich über seinen Unmut hinweg und berührte sanft seine Wange.

"Es wird dir bald wieder besser gehen, Akiko. Vertrau mir."

"Dir vertrauen? Du hast deinen eigenen Sohn verwundet", meinte erfassungslos

und nahm zum Beweis die Hände von seiner blutenden Wunde. Einen Moment lang

betrachtete sie das Blut, dass aus seiner Wunde austrat. Dann legte sie ihre Hand darauf und sah ihn wieder an.

"Ich tat es um dir zu helfen.", entgegnete sie.

"Seltsame Art jemandem zu helfen."

Sie zog ihre Hand zurück und einen Moment lang konnte er deutlich sehen, dass

sein Verhalten ihr ziemlich zusetzte. Dennoch, er war nicht gewillt, ihr schon wieder zu vergeben. Sicher, sie war seine Mutter und selbstverständlich war sie ein Dämon, doch selbst ein Dämon behandelte in der Regel seinen Sohn besser als Chidori es jemals getan hatte.

Er sah ihr dabei zu wie sie sich erhob. Sie schien unsicher zu sein. Er hatte das nie zuvor an ihr gesehen.

"Verschwinde!" Sie erstarrte einen Moment, ehe sie aufhörte ihm ihre Gefühle zu

zeigen. Einen Moment lang empfand er das als Verlust. Doch der Moment verging

und er fragte sich, warum er so gefühlt hatte.

"Und schick mir Jamie zurück."

Eine Spur wurde ihre Haut heller. Sie sah ihn an, sekundenlang ohne ein Wort zu

sagen und ohne auch nur eine einzige Bewegung zu vollführen. Dann - ganz langsam - wich sie einen Schritt zurück, sah ihn aber weiterhin an.

"Du ziehst ihre Gesellschaft der meinen vor?", fragte sie gefährlich leise. Akiko wusste, dass Unheil heraufzog, dass sie kurz davor, wie ein Orkan aufzubrausen und alles zu vernichten, was sich ihr in den Weg stellte, dennoch hielt er nicht den Mund und nickte entschlossen. Fest blickte er ihr in die roten Augen.

"Keine Gefühle zu haben ist immer noch besser als so zu sein wie du." Der Orkan

blieb aus. Und zum ersten Mal in seinem Leben bedauerte Akiko, dass dem so war.

Denn statt wie gewohnt an die Decke zu gehen oder aber spöttisch zu antworten,

vermochte es Chidori vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben nicht, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. Und so sah Akiko wie tief seine Worte in ihr Herz geschnitten hatten. Und der Spiegel der zuvor noch Jamie gewesen war, wurde plötzlich zu seiner Mutter. Angewidert wandte er den Blick ab, denn sein eigenes Spiegelbild war in diesem Moment nicht mehr als eine Fratze. Chidori jedoch verletzte dieses Verhalten nur noch mehr und so drehte sie sich schweigend um und ging so würdevoll sie es noch zu tun vermochte zurück zum Haus. Unterwegs begegnete ihr Jamie.

"Geh zu Akiko und versorge seine Wunde." Die junge Frau nickte wortlos und kehrte zu den verwundeten Dämon zurück.

Einen Moment lang blieb Chidori stehen und kämpfte mit den Gefühlen, die in ihr die Kontrolle übernehmen wollten. Sie wusste nicht wie viele Jahre sie es nun schon schaffte, vollkommen ohne Gefühl zu reagieren, doch es gab nach wie vor, diese winzigen Momente, in denen sie einfach nicht verhindern konnte, dass ihr Gegenüber ihre Seele zu Gesicht bekam. Manchmal vergingen Jahre ohne dass sie sich daran erinnerte wie ihre Seele war und das waren meist Jahre, die ihr gut vorkamen, doch dann geschah eben so etwas wie gerade vorhin und sie erinnerte sich nur zu deutlich wieder daran, warum ihre Seele tief in ihr verschlossen war. Akiko war bei weitem nicht der Erste, der so auf sie reagiert hatte. Es war nur eben schon sehr lange her, dass ihr jemand so deutlich gezeigt hatte, wie furchtbar sie in jenen Momenten war.

Eine einzelne Träne rann aus ihren Augen und kullerte ihre rechte Wange hinunter.

Zu mehr war sie schon lange nicht mehr fähig.
 

"Was hat sie zu dir gesagt?"

Jamie blickte von ihrer Tätigkeit auf und sah Akiko ins Gesicht. Er saß auf dem Boden, mit dem Rücken an einen harten Baumstamm gelehnt und ließ sie seine Wunde

versorgen. Die Wunde, die sie ihm zugefügt hatte. Sie blutete längst nicht mehr so stark, dennoch mochte er es, von ihr umsorgt zu werden. Es beruhigte ihn auf seltsame Art und Weise. Eine Weile hatte er ihr schweigend dabei zugesehen, wie sie das Blut weggewischt und die Wunde gesäubert hatte. Sie tat dies immer sehr gewissenhaft, allerdings hatte sie in den vergangenen Wochen dazu auch reichlich Gelegenheit zum Üben bekommen. Sein Vater hatte ihn schließlich oft genug mehr oder weniger schlimm zugerichtet. Er schnaubte leicht, als er darüber nachdachte, wie krank seine Familie eigentlich war. Was regte er sich so über seine Mutter auf? Sein Vater war ja schließlich auch keinen Deut besser. Der Unterschied bestand wohl nur darin, dass Sesshoumaru niemand vorschickte um so etwas zu tun. Chidori jedoch ...

Jamie runzelte leicht die Stirn, so als müsste sie darüber nachdenken, was Chidori ihr eigentlich gesagt hatte. Vermutlich müsste sie das wirklich. Für Jamie hafte es keinen Sinn sich etwas zu merken, sie tat was man ihr sagte ohne wenn und aber.

"Sie gab mir das Messer und sagte, ich soll es euch in den Bauch rammen." Ihr Blick fiel auf seine Wunde. Sie legte ihren Zeigefinger auf die saubere Wunde. "Exakt hier sollte ich zustechen."

Er seufzte erneut. Nein, es sollte ihn nicht verwundem, dass seine Mutter derartig genaue Anweisungen gegeben hatte. Sein schlechtes Gewissen meldete sich einmal mehr zu Wort. Er war nicht besonders freundlich zu ihr gewesen. Schlimmer noch, während er für sich dachte, er wäre nur einfach böse gewesen, war ihm doch von ihrer Reaktion her deutlich bewusst, dass er mehr als nur einfach böse gewesen war. Er hatte sie verletzt. Und das wie sich herausstellte vollkommen ohne Grund. Seine Mutter hatte nicht versucht ihn zu töten oder ihm Schmerzen zuzufügen. Sie hatte in Kauf genommen, dass er verwundet wurde, das stimmte mit Sicherheit, doch ihre Motive waren über jeden Zweifel erhaben. Wäre er nicht so durcheinander gewesen, hätte er das viel früher erkannt.

"Sie hat mich zur Vernunft gebracht.", stellte er trocken fest und blickte in Jamies Augen. Sie nickte.

"Sie sagte der Schmerz würde euch einen Moment Klarheit verschaffen und eure

Gedanken wieder zur Ordnung bringen."

Richtig, das hatte er schon vermutet. Er war wütend aufseine Mutter gewesen, weil sie ihn hatte verwunden lassen. Zu wütend um zu bemerken, dass dies seine eigene und noch dazu vollkommen beherrschbare Wut war. Mit einem Mal war all das Chaos in ihm verschwunden gewesen. Es mochte stimmen, dass seine Mutter etwas unorthodoxe Methoden hatte, doch vermutlich hatte das besser gewirkt als jeder andere Versuch ihn zur Vernunft zu bringen. Und natürlich wusste er auch, warum sie Jamie geschickt hatte. Jedes andere Wesen hätte ihm gegenüber vermutlich ein Gefühl gezeigt, ein Gefühl, dass ihn viel zu leicht vollkommen hätte ausrasten lassen. Jamie war die Einzige, die es schaffte zu ihm durchzudringen.

Erneut seufzte er frustriert und strich sich mit den Fingern fahrig durchs wirre Haare. Die leichte Bewegung ließ die Wunde wieder aufreißen und erneut Blut herausquellen. Jamie wollte gerade erneut das Bluten stoppen, als er ihre Hände festhielt.

"Lass es. Das heilt von alleine."

Sie nickte und verharrte in ihrer Bewegung. Schweigend blickte sie zu ihm und ließ zu, dass er sie näher zu sich heranzog.

"Es ist seltsam, dass ich immer genau weiß, dass du nicht in meiner Nähe sein sollst, ich es trotzdem aber nie schaffe, dich wegzuschicken."

Sie entgegnete darauf nichts. Er hatte das auch nicht erwartet. Für einen Moment

schloss er die Augen und genoss das Gefühl ihres warmen Atems auf seiner Haut.

"Lass mich wenigstens einmal das Richtige tun und geh bitte."

Er wartete bis sie sich erhoben hatte, ehe er seine Augen wieder öffnete. Sie stand vor ihm und blickte auf ihn herab.

"Ihr tut immer das Richtige, Akiko-sama." Einen Augenblick lang setzte sein Herz aus und er starrte sie verwirrt an. Doch dann verflog dieser kostbare Augenblick und der gewohnt bittere Beigeschmack ihrer Aussagen wurden ihm klar. Jamie wusste nicht, was richtig und falsch war. Eine solche Aussage von ihr, hatte keine Bedeutung. Also nickte er nur und blickte auf das Blut, das seine Haut verfärbte, während er darauf wartete, dass sie ging. Sie tat ihm diesen Gefallen und nicht zum ersten Mal an diesem Tag dachte sich Akiko, dass sein Leben ohne Frauen wesentlich einfacher wäre.
 

Fortsetzung folgt ...
 

Okay, mehr oder weniger ist der einzige Grund warum ich so wenig hochgeladen wohl die Tatsache, dass ich mich selbst somit unter Drucke setze, ich habe dutzende dieser fertigen Szenen in den letzten Wochen geschrieben, aber weil ich danach nicht weiterkomme, alle wieder verworfen, wenn ich euch den Part jedoch trotzdem zu lesen gebe, muss ich mich wohl oder übel damit auseinander setzen und dafür eine Fortsetzung finden. Hoffen wir mal, dass ich so endlich schneller vorankomme. Ich hoffe euch gefällts ein wenig, all zu viel ist es nicht. Mir gefällt Chidoris Entwicklung. Das wird noch ziemlich gigantisch gipfeln (ja, ja, ich halte euch bei Laune). ich würd jetzt gern eine Begegnung zwischen Chi und Sess schreiben, in der es um Akikos Verhalten geht, aber ich weiß noch nicht, wie ich die zwei aufeinandner reagieren lassen soll ...
 

So, das wars erst mal von mir. Ich unterlasse es unnütze versprechungen zu machen, ihr seht ja, wie falsch ich immer liege. Aber ich bemühe mich, das könnt ihr mir glauben. Ich hab hier wirklich dutzende fertiger Szenen, die allesamt zwar teilweise richtig gut sind, aber vollkommen unbrauchbar für die Story <seufz>
 

Bis demnächst

Rogi

Dämonisches Erbe

So, Ihr Lieben, ihr seht es geht wieder schneller voran und mehr ist es dieses Mal auch geworden. Die Richtung, die meine Geschichte gerade nimmt, habt mehr oder weniger ihr mir gerade eingebrockt ^^, denn aufgrund der großen Aufschreie habe ich mich dazu entschieden, Sess doch erst mal wieder auftreten zu lassen. Geplant war dies eigentlich nicht, aber dadurch ergeben sich interessante neue Aspekte. Schaun wir mal wo mich das noch hinführen wird ...
 

In diesem Sinne, viel Spaß beim Lesen:
 

Ein kalter Wind pfiff durch den dunklen Wald. Regen peitschte ihr ins Gesicht, während Chidori unbeeindruckt ihren Weg fortsetzte. Das Wetter war nun wirklich ihr geringstes Problem. Sie blieb einen Augenblick stehen und verschnaufte. Sie hatte aufgehört darauf zu achten, wie viele Stunden bereits vergangen waren, seit sie ihr Zuhause verlassen hatte. Ein verächtliches Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Ihr Zuhause? Seit wann war dieses verfluchte Haus ihr Zuhause? Es ähnelte mehr ihrem Fluch denn einem Zuhause. Man sollte sich in einem Zuhause wohlfühlen. Sie jedoch hatte schon vor Jahren aufgehört, dort auch nur ein angenehmes Gefühl zu verspüren. Eigentlich glich es mehr einer selbst auferlegten Bestrafung dort wohnen zu bleiben. An jenem Ort, der voll von bitteren Erinnerungen war.

Sie setzte ihren Weg fort und verbannte derartige Gedanken aus ihrem Bewusstsein. Sie wollte sich nicht mit dem Auseinandersetzen, was einst zwischen ihr und Sesshoumaru vorgefallen war. Es war wahrlich kein ruhmreiches Kapitel ihres Lebens. Im Grunde ihres Herzens verstand sie sein Verhalten ihr gegenüber sogar. Sie hätte wohl kaum anders reagiert, wenn der Fall umgekehrt gelegen hätte. Instinktiv hielt sie ihre Hände schützend vor ihren Bauch. Als sie sich dessen bewusst wurde, gab sie einen ärgerlichen Laut von sich. Seine Gegenwart riss zu viele alte Wunden wieder auf.

Ein Geräusch ließ sie innehalten. Unter anderen Umständen wäre sie kaum überrascht gewesen, denn ihr Gehör ermöglichte es so gut wie niemandem sich anzuschleichen. Nun jedoch schien sie zu sehr mit ihren Gedanken beschäftigt gewesen zu sein, um die Gefahr frühzeitig zu bemerken. Es dauerte somit auch nur einen kurzen Moment ehe jemand aus dem Gebüsch sprang und es zu Chidoris eigener Verärgerung schaffte, ihr einen Gegenstand gegen den Rücken zu schlagen. Das brachte sie ins Taumeln und zwang sie schließlich in die Knie. Einen Augenblick zu lange verharrte sie dort und ermöglichte ihrem Angreifer somit, die Kapuze von ihrem Kopf zu ziehen. Er griff in ihr Haar und zwang sie den Kopf zurückzuwerfen. Aus kühlen Augen musterte sie ihren Angreifer.

Sie schätzte ihn auf Mitte 20, seine Augen jedoch wirkten wesentlich älter. Er schien die Gewalt zu lieben, denn deutlich sah sie in seinem Blick wie sehr ihm das hier gefiel. Eine lange Narbe zog sich über seine linke Wange. Sie schien älter zu sein, was Chidori sehr schnell sagte, dass er diesem Weg schon sehr lange folgte. Sie wusste sehr schnell, dass er einfach nur jemandem hatte Schaden zufügen wollen, dass es nun ausgerechnet eine Frau war, steigerte sein Interesse. Der Blick mit dem er sie musterte, sagte ihr das sehr deutlich. Sie hatte das schon viele Male zuvor gesehen. Ihr Mund verzog sich zu einem verächtlichen Lächeln.

"Was gibt es da zu lächeln?", fragte er mit einer Stimme, die sie wirklich zum Lachen brachte. So gefährlich er nämlich aussehen mochte, so wenig passte seine Stimme zu ihm. Sie hätte tief klingen müssen, klang doch aber um einige Oktaven zu hoch.

Ihr Lachen schien ihn in Wut zu versetzen. Offenbar war dies nicht das erste Mal, dass jemand so reagierte.

"Ich glaube du hast dir den falschen Gegner für heute Nacht ausgesucht.", erklärte sie und blickte zu ihm auf. Beinahe bekam sie Mitleid mit ihm, denn er hatte wirklich keine Chance. Doch wie jeder Mann, der zuvor schon versucht hatte, Chidori zu überrumpeln, wusste auch er dies noch nicht. Männer! Eigentlich dienten sie wirklich nur zu ihrer Erheiterung. Ernstnehmen konnte man jemanden, der derart leicht zu beeinflussen war, wirklich nicht.

Sie wusste, dass er begriff, dass sie ihn nicht ernst nahm, als der Ausdruck seiner Augen wild wurde. In der Regel war dies eine Stimmung, in der jeder Gegner unberechenbar wurde. Ohne eine Vorwarnung schlug er Chidori derartig hart ins Gesicht, dass sie ihren Kopf zur Seite drehen musste. Sie schmeckte Blut. Vorsichtig betastete sie ihre Lippe und blickte verstimmt auf das Blut, das ihre Finger daraufhin benetzte. Sie sah ihn aus den Augenwinkeln an.

"Das hättest du besser nicht tun sollen."

"Schweig!", wetterte er erneut und rammte ihr mit aller Wucht ein Messer in den Bauch. Chidori blickte erstaunt zu ihm auf. Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Ein Fluch kam über ihre Lippen, doch er verlor sich im Pfeifen des Windes. Langsam zog sie das Messer wieder aus ihrem Körper heraus und warf es angewidert zur Seite. Sie hasste es, wenn man derartige Waffen benutzte. Vielleicht tat sie das aber auch nur, weil Chidori in ihrem ganzen Leben noch nie auf so etwas angewiesen gewesen war.

Die Hand fest auf die Wunde gepresst erhob sie sich etwas schwerfällig und sah ihn kopfschüttelnd an. Sein Blick wirkte gehetzt. So als würde ihm jetzt erst auffallen, dass ihre Haare und ihre Augen eine ungewöhnliche Farbe für einen Menschen hatten. Hätte er sie nicht gerade verwundet, hätte sie vielleicht sogar Mitleid mit ihm gehabt. Armer Mensch, wie hätte er auch ahnen sollen, an einen Dämon geraten zu sein. Doch offenbar war er nicht ganz so dumm wie sie angenommen hatte, denn es machte den Anschein, dass er tatsächlich verstand, mit wem er es hier zu tun hatte. Also ließ er widerstandslos geschehen, dass sie sich in eine aufrechte Position begab.

"Jetzt sieh dir an, was du angerichtet hast.", sagte sie kopfschüttelnd. Der Fremde allerdings schien wild entschlossen, heute nicht seinen Tod zu finden und zog sein Schwert aus der Scheide. Chidori nahm die Hand von ihrer Verletzung und sah ihren Gegenüber resigniert an. Er hatte es ja nicht anders gewollt.

"Du willst doch nicht etwa mit mir kämpfen?", fragte sie mit einschmeichelnder Stimme. Sie ging einen Schritt auf ihn zu und sah schon recht schnell, wie sich sein Blick verklärte. Wie eine Erscheinung sah er sie an, als sie noch näher an ihn herantrat. Sie strich ihm mit ihren Krallen leicht über die Wange mit der Narbe. Sein Blick fixierte sich auf sie. Das war ihr nicht neu. Sie hatte selbst nie begriffen, was genau eigentlich geschah, doch sie kannte ihre Wirkung auf Männer. Sie konnte jeden um den Finger wickeln und ihr zudiensten sein lassen. Ein Mann würde somit wohl nie ihr Ende herbeiführen.

Einen Moment lang sah sie ihn schweigend an. Eigentlich war er ein sehr hübscher Kerl. Er hätte ein besseres Leben wählen können als dieses hier. Doch der Moment verging, als ihr die Wunde an ihrem Bauch in Erinnerung geriet. Das Mitgefühl in ihr erlosch. Sie nahm sein Gesicht in ihre Hände und er ließ es vollkommen in ihren Anblick versunken zu. Sie lächelte ein letztes Mal, ehe sie mit einem gekonnten Ruck sein Genick brechen ließ. Achtlos ließ sie von ihm ab und hatte ihm schon den Rücken zugewandt als er leblos zu Boden fiel.

"Chikuso. Jetzt sieh nur, was er mit meinem Gewand gemacht hat." Ihr Fluch verhallte unerwidert in der Stille der Nacht. Obwohl der Wind ihr immer noch um die Nase blies und der Regen konsequent weiter auf sie niederprasselte, konnte sie Sesshoumaru doch zu deutlich riechen.

"Du hättest zugesehen wie er mich umbringt, richtig?" Ihr Blick wanderte zu einer dunklen Stelle zwischen den Bäumen. Sie sah ihn dort sehr deutlich stehen. Vermutlich sah sie ihn besser als er sie sah.

Ein bitteres Lachen kam über ihre Lippen. "So sehr hasst du mich also?" Die Antwort enthielt er ihr vor, was Chidori mehr traf als ihr lieb war.

"Fein, es spielt auch keine Rolle. Es hat schließlich noch nie jemanden gegeben, der sich für mich eingesetzt hätte." Sie warf ihm einen giftigen Blick zu und wartete bis er sich ihr näherte. Der Blick aus seinen goldenen Augen verriet ihr nicht, was er dachte.

"Du kannst auf dich selbst aufpassen." Es verwunderte sie beinahe, dass er mit ihr sprach. Sie hatte gedacht er würde einfach weitergehen und sie stehen lassen.

"Hai, das habe ich auch sehr schnell lernen müssen. Trotzdem wäre es manchmal ein sehr angenehmes Gefühl, wenn sich jemand für mich einsetzen würde."

Sie sah ihm dabei zu, wie er die Hand ausstreckte und ihre Wunde berührte. Einen Augenblick lang war sie zu perplex um ihn daran zu hindern. Doch was wie eine beinahe fürsorgliche Geste begann, entpuppte sich recht schnell als etwas anders. Seine Hand bohrte sich in ihr Fleisch und ließ sie entsetzt aufstöhnen. Sie versuchte ihn daran zu hindern, doch mit einem Ruck ließ er sie mit dem Rücken gegen einen harten Baumstamm prallen. Ein schmerzhafter Laut kam über ihre Lippen und sie hätte sich dafür am liebsten noch mehr Schmerzen zugefügt. Wenn es einen Dämon auf dieser Erde gab, der ihre Schmerzen nie mehr hatte sehen sollen, dann war es dieser eine, der es vermutlich als Einziger schaffte, sie ihr regelmäßig zuzufügen. Tapfer blickte sie ihm in die Augen.

"Das hat sich also nicht geändert." Ihre Stimme klang beinahe belustigt. Sie hatte jahrelange Übung darin, sich unter Kontrolle zu halten.

"Du magst es nach wie vor mir Schmerzen zuzufügen." Der Unterton in ihrer Stimme entging ihm keineswegs. Sekundenlang sah er ihr fest in die Augen. Sie bewunderte ihn beinahe dafür, dass er es so konsequent schaffte, sich von ihr abzuschotten. Schließlich zog er seine Hand aus ihrer Wunde zurück und blickte sie finster an. Chidori jedoch war zu tief in ihrer Ehre verletzt um ihm damit davon kommen zu lassen. Kurzerhand ignorierte sie den pochenden Schmerz in ihrem Bauch, der sie zu deutlich an ihre Vergangenheit denken ließ und fasste nach seiner Hand. Entgegen ihrer Annahme, entzog er sie ihr nicht. Sein Blick jedoch ließ deutlich durchblicken, dass sie aufhören sollte, womit auch immer sie gerade begann. Chidori bedachte ihn jedoch mit einem ebenso finsteren Blick, hob seine blutverschmierte Hand an und leckte sehr langsam das Blut von seinen Fingern. Er ließ sie gewähren. Das kleine Hochgefühl, das sich bei Chidori einstellte, wahrte jedoch nicht lange an. Sein eisiger Blick traf ihren.

"Wenn ich mich Recht erinnere, warst grundsätzlich du diejenige, die Schmerzen bevorzugt hat."

Sie musste masochistisch veranlagt sein. Eine andere Erklärung fand sie wirklich nicht. Warum setzte sie sich dem immer wieder aus? Sie hatte doch schon längst erkannt, dass gegen Sesshoumaru kein Kraut gewachsen war. Sie würde immer den Kürzeren gegen diesen kalten Mistkerl ziehen. Etwas zu energisch ließ sie seine Hand los und stieß ihn mit aller Macht von sich. Seine Verachtung ihr gegenüber versetzte ihr beinahe körperliche Schmerzen. Sich selbst nicht mehr trauend, drehte sie ihm ihren Rücken zu und ließ die Maske, die ihr Gesicht sonst bedeckte für einen Moment fallen. Lautlos stieß sie einen Schrei aus. Tränen schossen ihr in die Augen, so sehr peinigte sie ihre Wunde. Sie wusste, dass er Gift in ihre offene Wunde hatte fließen lassen. Verflucht sollte er sein.

Als sie die erste Schmerzwelle überwunden hatte, straffte sie ihre Schultern, hob den Kopf und drehte sich wieder zu Sesshoumaru um. Er stand nicht weit von ihr und betrachte sie.

"Wenn es nicht du wärst, hätte ich vor deinem Stolz beinahe Respekt."

Sie bedachte ihn mit einem kühlen Blick.

"Du solltest besser vorsichtig sein, sonst glaube ich noch, dass du mir gerade ein Kompliment hast machen wollen."

Ihr Herzschlag beschleunigte sich, als ihr Körper versuchte das Gift zu verdauen. Sie hasste ihn dafür, dass er ihr das antat. Sie konnte noch so willenstark sein, ihren Körper zu kontrollieren, lag außerhalb ihrer Möglichkeiten.

"Du könntest deine Wunde heilen.", schlug er nicht ohne einen sarkastischen Unterton vor. Sie beide wussten, dass er ihr einst das Versprechen abgerungen hatte, nie wieder Magie anzuwenden. Seinetwegen war sie mittlerweile kaum noch mehr als ein gewöhnlicher Dämon. Ein gewöhnlicher Dämon, der eigentlich die Macht besaß, sich alles und jeden Untertan zu machen.

"Es gibt Wichtigeres als unsere Differenzen."

"Wir haben keine Differenzen.", widersprach er. Sie winkte ab. Für solche Kindereien hatte sie nun wirklich keine Zeit. Sie wusste nicht, wie lange es noch dauerte, bis ihr Körper ihr den Dienst verweigerte.

"Wie auch immer, Akikos Macht treibt ihn in den Wahnsinn."

Sesshoumarus Aura wurde noch ablehnender.

"Das war zu erwarten. Ein Dämon ist nicht geschaffen für derartig große Macht."

Chidori nickte, hatte aber nicht vor, sich damit abzufinden.

"Du könntest ihm helfen, das in den Griff zu bekommen."

Vergebene Liebesmüh, das wusste sie schon bevor sie diesen Vorschlag ausgesprochen hatte.

"Er muss das alleine schaffen.", war die knappe Erwiderung.

"Er ist dein Sohn, Sesshoumaru. Du kannst doch nicht zusehen, wie er den Verstand verliert." Sie begann zu schwitzen. Das Gift schien ihren Körper in Flammen zu setzen. Ihre Augen wurden schwarz, ohne dass sie es dieses Mal verhindern konnte. Umso mehr erinnerte sie sich an ihren Sohn. Ihm ging es schließlich nur noch so.

"Es ist nicht seine Schuld, was mit ihm geschieht. Du kannst ihn doch nicht dafür bestrafen, dass wir seine Eltern sind." Ihr Atem ging nur noch stoßweise.

"Ich bestrafe ihn nicht. Wenn er es nicht schafft, mit diesem Erbe umzugehen, dann ist er dafür auch nicht ausersehen." Wenn er das sagte, klang es so einfach.

"Er ist dein Sohn.", wiederholte sie leise. Ihre Stimme gehorchte ihr nicht mehr.

"Hai und ich kann ihm nicht helfen."

Chidori schüttelte ihren Kopf. Die Bewegung ließ die Welt um sie herum anfangen sich zu drehen. Haltsuchend griff sie nach einem nahe gelegenen Baumstamm.

"Du willst nur nicht. Das ist ein Unterschied. Soll Akiko für meine Fehler büßen?"

Sesshoumaru schüttelte seinen Kopf und blickte sie einen Moment schweigend an.

"Ich sagte dir damals, dass das geschehen wird." Daran musste er sie nicht erinnern. Sie wusste selbst, dass sie für Akikos Zustand verantwortlich war.

"Es war nie vorgesehen, dass zwei derartig mächtige Dämonen wie wir es sind Nachwuchs zeugen. Es hat einen Grund dafür gegeben, warum dies ein unausgesprochenes Gesetz war."

Chidori fiel es schwer seinen Worten zu folgen. Ihr Verstand schien wie umnebelt zu sein.

"Ich ..." Sie brach ab. Was hatte sie sagen wollen? Ihr Körper wurde schwächer, ihre Beine wollten sie nicht länger tragen, also setzte sie sich auf den feuchten Boden. Regnete es überhaupt noch? Sie wusste es nicht, konnte kaum noch etwas fühlen.

"Akiko braucht Hilfe.", erklärte sie mit der letzten Kraft, die sie aufbringen konnte. "Kein Sohn sollte fühlen müssen, wie sehr sein Vater seine Mutter hasst." Sie glaubte zu erkennen, dass ihn ihre Worte nachdenklich machten, doch konnte das auch einfach nur das Gift in ihrem Körper sein, das Halluzinationen hervorrief. Einen Moment später, versank die Welt um sie herum und ihr Bewusstsein endete.
 

Rijan hielt einen Moment in der Bewegung inne. Ihr Herz beschleunigte sich einen Augenblick lang, ehe sie resigniert den Kopf schüttelte.

"Er ist nicht hier, Rijan.", flüsterte sie zu sich selbst und starrte auf die riesige Tür, vor der sie sich befand. Sie streckte die Hand aus und berührte das kühle Holz. Einen Moment schloss sie die Augen und überließ sich ihrem Kummer. Die Kälte, die dieses Holz ausstrahlte, ergriff langsam von ihr Besitz. Langsam aber sicher setzte sich die Erkenntnis in ihr, dass er nie wieder bei ihr sein würde. Sie hatte es vermasselt. So einfach war das. Lange hatte sie gebraucht, diese bittere Wahrheit anzuerkennen, doch nun war sie dazu endlich in der Lage. Sie hatte Akiko die Schuld für ihr Dilemma gegeben, sie war wütend auf Sesshoumaru gewesen, weil er sie einfach verlassen hatte. Irgendwie schien sie alles und jeden für ihren Kummer verantwortlich gemacht zu haben. Dass sie selbst es jedoch vermasselt hatte, hatte sie sich nicht eingestehen können. Nun jedoch, im Schutz der Dunkelheit, allein mit ihren Gedanken und getrennt von allem was ihr einmal lieb und teuer gewesen ist, war sie in der Lage der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Sie hatte gedacht, sie könnte diese Wahrheit nicht verkraften, doch irgendwie hatte sie eingesehen, dass der Schmerz, den sie bereits durchlitten hatte, nicht mehr größer werden konnte. Ein wenig verschaffte es ihr wieder innere Ruhe, zu wissen, dass es endgültig vorbei war. Sie öffnete ihre Augen wieder und starrte auf die geschlossene Tür. Ein Symbol hätte man sagen können. Es war mehr als diese Tür, die nur geschlossen war.

Sie zögerte einen Moment, doch dann schob sie die Tür auf und betrat Sesshoumarus Gemächer. Sie weigerte sich Licht zu machen, denn dann würde sie umso deutlicher sehen, dass er nicht mehr hier war. Was hatte bewirkt, dass sie sich damit abfand? Vermutlich war es Chidori gewesen. Ihre Worte hatten Rijan den Boden unter den Füßen weggezogen. Zu Beginn hatte sie nicht wahrhaben wollen, was Chidori gesagt hatte, doch irgendwann war selbst Rijan nicht mehr in der Lage gewesen, zu leugnen, was offensichtlich war. Sie war den Weg des geringsten Widerstandes gegangen. Es war mehr als nur vermessen von ihr gewesen, Sesshoumaru an allem die Schuld zu geben. Sie hasste sich dafür, dass sie es ihm so leicht gemacht. Obwohl sie ihm gegenüber nie erwähnt hatte, was sie dachte, wusste sie nur zu gut, dass er wann immer sie ihm gesagt hatte, sie liebte ihn, genauso gut gesehen hatte, was sie in ihm sah. Für wie edel sie sich selbst gehalten hatte, weil sie trotzdem zu ihm gehalten hatte. Er musste sie insgeheim belächelt haben.

"Ich bin ein Idiot.", meinte sie in die Stille des Raumes und erwartete fast, dass Sesshoumaru vor ihr auftauchen würde um ihr das zu bestätigen. Doch natürlich tat er das nicht. Sie senkte geknickt den Kopf und seufzte tief.

"Mit wem redet Ihr?" Jamies Stimme erfüllte die Stille und wenig später erleuchtete ein schwacher Kerzenschein den großen Raum.

Rijan blickte zu ihr herüber und schüttelte ihren Kopf.

"Das verstehst du nicht."

Jamie nickte, ohne wirklich überzeugend zu wirken. Sie nickte wohl einfach nur, weil Akiko ihr einmal gesagt hatte, so zu reagieren, wenn jemand eine Aussage machte, auf die es keine vernünftige Antwort gab.

"Es geht auch nicht darum, zu verstehen."

Sie stellte die Kerze vorsichtig ab und bewegte unruhig ihre Schultern.

"Um was geht es dann?" Rijan schloss die Augen und atmete tief ein. Sie glaubte seinen Duft riechen zu können, doch vermutlich waren es ihre Erinnerungen, die ihr einen Streich spielten. Traurig blickte sie wieder zu Jamie.

"Es geht darum, zuzuhören. Und zuhören kann ich. Akiko-sama sagt das jedenfalls."

"Warum nennst du ihn so?" Hatte er ihr das gesagt?

"Man erklärte mir, dass würde Respekt ausdrücken."

"Und du respektierst Akiko? Trotz allem was er dir antut?"

Jamie blickte sie ruhig aus ihren großen Augen an.

"Jeder Mensch verdient Respekt."

Rijan lachte trocken.

"Richtig, nur Akiko ist kein Mensch."

"Er ist ein Dämon, ich weiß." Dennoch schien das für Jamie keinen Unterschied zu machen.

"Dir ist egal, was er ist, richtig?"

Jamie strich sich eine Locke aus dem Gesicht. Sie hatte sich aus ihrem Zopf gelöst.

"Ich habe keine Seele, mir ist alles egal." Ihr Blick schweifte zur Tür. "Für ihn jedoch macht es keinen Unterschied was ich bin." So wie Jamie das sagte, nötigte das selbst Rijan Respekt ab. Richtig, einem seelenlosen Wesen war alles und jeder egal. Akiko jedoch behandelte Jamie wie einen vollwertigen Menschen. Sie hatte gesehen wie er seine Mutter einmal zurechtgewiesen hatte, weil sie Jamies Namen nicht richtig ausgesprochen hatte.

"Ich habe ihn geküsst.", platzte es aus Rijan plötzlich heraus. Unsicher sah sie Jamie an. Diese jedoch stand nur schweigend da und blickte weiterhin zu der geöffneten Tür.

"Jamie?" Ihr Schweigen irritierte Rijan, denn es vermittelte ihr einen Moment lang den Eindruck, als würde es Jamie gewaltig stören, das offenbart zu bekommen.

"Stört dich das?", fragte sie deswegen unsicher. Jamie erwachte aus ihrer Erstarrung und blickte Rijan wie immer ausdruckslos an.

"Nein, sehr viele Frauen küssen ihn." Diese Aussage überraschte sie etwas. Das Gefühl in Rijan verstärkte sich.

"Er hat auch mich geküsst." Obwohl es Unsinn war, glaubte Rijan plötzlich Jamie zu einer Reaktion bringen zu können. Doch Jamies Blick veränderte sich nicht.

"Und deswegen seid Ihr ein Idiot?" Rijan seufzte resigniert. Nein, sie hatte sie das wohl wirklich nur eingebildet.

"Vielleicht. Aber ich bin eher ein Idiot, weil ich damit alles zerstört habe."

"Woher wollt Ihr das wissen?"

Rijan seufzte erneut. "Weißt du, Jamie, es gibt einfach Dinge, die weiß man. Ich glaube ich hätte tausend Fehler machen können, die er mir verziehen hätte, aber seinen Sohn zu küssen ... Nun, das war vermutlich die eine Sache, die ich nie hätte tun sollen."

"Warum habt Ihr es dann getan?" Jamie stellte heute erstaunlich viele Fragen.

"Warum? Ich weiß nicht. Er gab mir das Gefühl gebraucht zu werden, als ich dachte ich wäre vollkommen überflüssig. Irgendwie war er mir in diesem Moment sehr ähnlich."

Richtig, im Grunde genommen glich Akiko ihr wirklich sehr. Vermutlich hatte sie deshalb von Anfang diese Vertrautheit zu ihm gespürt.

Sie lächelte schwach um Jamie zu bedeuten, dass alles in Ordnung war und verließ dann den Raum. Es dauerte einen Moment bis ihre Augen sich wieder an die Dunkelheit gewöhnt hatten, doch zum Glück war sie daran seit sie ein kleines Kind war gewöhnt.

"Ich bin dir nicht ähnlich!" Akikos tiefe Stimme ließ sie zusammenfahren. Es dauerte einen Moment bis sie seine Umrisse in der Dunkelheit erkannte. Er stand an die Wand gelehnt da und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Sein Blick schien auf ihr zu ruhen.

"Warum stehst du hier in der Dunkelheit?"

Einen Moment war es still auf dem Flur. Sie glaubte erkennen zu können, dass ihn ihre Aussage überraschte.

"Das habe ich nicht bemerkt.", offenbarte er dann auch recht schnell. Rijan runzelte die Stirn.

"Dass es dunkel ist?"

"Für mich ist es nicht dunkel." Seine Aussage irritierte sie.

"Wie meinst du das?"

Er stieß sich von der Wand ab und trat vor sie. Obwohl sie es nicht wirklich sehen konnte, wusste sie, dass seine Augen pechschwarz waren. Sie konnte die Kälte fühlen, die von ihr Besitz ergriff, solange er sie ansah.

"Ich glaube ich habe das von meiner Mutter.", gestand er dann leise und wich wieder vor ihr zurück.

"Offensichtlich. Die Augen deines Vaters werden rot."

"Das meine ich nicht.", meinte er ungeduldig. "Wenn unsere Augen schwarz werden, wird auch die Welt dunkel. Ich merke dann nicht, ob es wirklich dunkel ist oder ob das nur an meinen Augen liegt."

"Du kannst also in der Dunkelheit sehen?", fragte Rijan verblüfft.

"Hai, ich kann in diesen Momenten alles sehen." Sein Blick ruhte wieder auf ihr.

"Darüber solltest du dich freuen. Sesshoumaru ist da schlimmer dran als du." Ein Schauer lief ihr über den Rücken als sie daran dachte. Sie konnte sich nur schwer vorstellen, wie es sein musste, wenn alles für einen blutig wirkte. Wenn jemand, der einem wichtig war, aussah als würde er sterben. Nein, Akiko hatte wirklich großes Glück.

"Das ist mir bewusst. Ich könnte nicht ertragen, was er sehen muss."

"Vielleicht ist es für ihn dann wirklich besser, dass er niemanden an sich heranlässt.", sinnierte sie leise.

"Er hat dich näher kommen lassen."

Sie blickte zu Boden. Richtig, das hatte er.

"Hai, selbst ein so mächtiger Dämon irrt sich irgendwann einmal."

Akiko sagte dazu nichts. Sie beide wussten, dass an ihren Worten etwas Wahres war. Das Schweigen, das sich zwischen ihnen ausbreitete, zerrte an ihren Nerven. Sie hatte kein Problem damit, wenn es still war, aber diese besondere Art der Stille ertrug sie nicht.

"Sag, was du zu sagen hast.", forderte sie ihn daher auf.

Sie konnte erkennen, dass er seinen Arm ausstreckte und die Handfläche öffnete. Ein kleines Feuer tanzte darauf und erleuchtete den düsteren Flur. Unheimliche Schatten wurden an die Wand geworfen. Rijan trat unruhig von einem Fuß auf den anderen.

"Ich habe dir nichts zu sagen.", erwiderte er, während er in die kleine Flamme starrte. Das Lodern des Feuers spiegelte sich in seinen nachtschwarzen Augen.

"Soll es so weitergehen? Willst du mir nun immer aus dem Weg gehen?", fragte sie nach und fürchtete sich doch vor der Wahrheit. Er war ihre Familie. Klarer als je zuvor sah sie das nun. Sie hatte Sesshoumaru bereits vertrieben, der Einzige, bei dem sie nun noch bleiben konnte war Akiko.

"Ich gehe dir nicht aus dem Weg. Ich bin ein Dämon, wir gehen niemandem aus dem Weg."

Sie lächelte traurig und ging einen Schritt auf ihn zu. Ihr Blick suchte den seinen und schaffte es schließlich auch diesen festzuhalten.

"Wirklich?", fragte sie leise und musste dabei zusehen, wie er den Blick schließlich abwandte. Er ging einen Schritt zur Seite und drehte ihr den Rücken zu.

"Ich möchte dich nicht auch noch verlieren, Akiko."

Sie wollte die Hand nach ihm ausstrecken, ihn berühren, doch sie tat es nicht. Zu groß war gefühlte Entfernung zwischen ihnen.

"Ich verliere mich selbst, Rijan. Was glaubst du, wer von uns beiden es gerade schwieriger hat?"

"Du kannst mit mir vernünftig reden, während deine Augen schwarz sind. Ist das nicht ein gutes Zeichen?"

Er verharrte in der Bewegung und sah sie über seine Schulter hinweg an.

"Ein gutes Zeichen?", wiederholte er und machte dabei keinen Hehl aus seinem Kummer.

"Ich verwandle mich ohne wütend zu sein. Sag mir was daran gut sein soll?"

Er schüttelte seinen Kopf und das Licht erlosch. Es wurde wieder dunkel um Rijan herum. Sie sah nicht mehr wie er sie verließ, doch fühlte sie es mit jeder Faser ihres Körpers. Sie war zu oft in ihrem Leben allein gelassen worden um dieses Gefühl auch nur ansatzweise ignorieren zu können.

Im Grunde genommen hatte er Recht. Sie hatte verloren was ihr wichtig war, er verlor sich jedoch tatsächlich selbst. Sein Leid war deutlich größer als ihres. Vermutlich sollte sie versuchen ihm zu helfen. Es musste eine Lösung geben. Doch seit sie wusste, was sie verloren hatte, fehlte ihr der Antrieb sich auf die Probleme anderer zu besinnen. Sie hatte genug mit sich selbst zu tun und schaffte es ja nicht einmal sich selbst zu helfen. Wie könnte ausgerechnet sie jemand anderem eine Hilfe sein?

Müde schüttelte sie ihren Kopf. Nein, Akiko musste einen anderen Weg finden. Sie war nicht in der Lage ihm Trost oder auch sonst irgendetwas zu geben.
 

Akiko starrte den Dolch in seiner Hand eine Weile schweigend an. Er wünschte die Gedanken in seinem Kopf würden sich wieder überschlagen, doch stattdessen war er vollkommen ruhig. Tief atmete er ein und rammte sich im nächsten Moment den Dolch in den linken Oberarm. Tränen stiegen ihm sofort in die Augen und er biss tapfer die Zähne zusammen.

"Chikuso.", stieß er mühsam hervor. Er hatte nicht gedacht, dass es so wehtun würde. Er zog den Dolch wieder heraus und ließ ihn achtlos zu Boden fallen. Sein Blick haftete auf der blutenden Wunde, während die erste Schmerzwelle langsam nachließ.

"Das wird dir nicht helfen." Akiko wirbelte herum und starrte in ein ihm sehr ähnliches Gesicht. Verdammt, er war so mit sich beschäftigt gewesen, dass keiner seiner Sinne ihn vorgewarnt hatte. Momentan war er wirklich ein sehr leichtes Opfer.

"Schleich dich doch nicht so an.", fuhr er seinen Vater an, doch an diesem prallten die Worte ab, als hätte Akiko überhaupt nichts gesagt.

"Ich hätte dich töten können.", erläuterte Sesshoumaru stattdessen und führte Akiko seinen Fehler mehr als deutlich vor Augen. Er knurrte verärgert und bedachte seinen Vater mit einem finsteren Blick.

"Das ist mir auch selbst bewusst, aber herzlichen Dank, dass du daran keinen Zweifel lässt." Sesshoumaru schüttelte seinen Kopf und gab Akiko damit noch mehr das Gefühl ein kleines Kind zu sein.

"Was willst du hier?", fragte er schließlich, als ihm das Schweigen begann auf die Nerven zu gehen. Er hatte derzeit andere Sorgen als sich mit seinem Vater zu streiten. Er war ihm schon unter normalen Umständen nicht gewachsen, in seinem jetzigen Zustand könnte das sogar noch verheerende Folgen haben.

"Verstehst du was mit dir geschieht?"

Akiko verdrehte die Augen und hob statt seinem Vater zu antworten den Dolch vom Boden auf. Er wischte den Dreck und das Blut an seiner Hose ab und verstaute ihn dann wieder sicher in einem dunklen Loch seiner Höhle.

Anschließend richtete er sich zu seiner vollen Größe auf und sah seinen Vater direkt an.

"Ich verliere den Verstand, das ist ja wohl offensichtlich." Er wollte seinen Vater reizen, aber natürlich ging dieser darauf nicht ein.

"Und warum geschieht das?"

Was sollten diese Fragen? Wenn er die Antworten kannte, sollte er sie ihm sagen und nicht erst noch um den heißen Brei herumreden. Er ballte die Hände zu Fäusten was dafür sorgte, dass das Blut aus seiner Wunde wieder stärker floss.

"Das dachte ich mir." Sesshoumaru ging einen Schritt nach vorne und schüchterte Akiko allein durch seine Anwesenheit sehr ein.

"Setz dich und heile deine Wunde. Blut lockt unnötig Feinde an." Richtig, daran hatte er nicht gedacht. Momentan war er nicht fähig auch nur einen kleinen Kampf zu bestreiten. Blut schoss ihm ins Gesicht und er errötete sehr zu seinem Missfallen. Wie ein kleiner Junge setzte er sich auf einen großen Felsen und starrte seinen Vater an.

"Ich kann meine Wunde nicht heilen."

Sesshoumaru schien das zum ersten Mal wirklich zu überraschen, denn er sah seinen Sohn einen Augenblick lang wirklich verblüfft an. Beinahe hätte Akiko deswegen lachen müssen.

"Nani?", fragte er auch prompt nach.

Akiko nickte und fragte sich, was genau Sesshoumaru derart verwunderte.

"Meine Wunden heilen schnell, aber ich kann sie nicht bewusst heilen.", erläuterte er.

"Deine Mutter kann es. Ich dachte, sie hätte dir das gezeigt."

Das erstaunte Akiko nun wirklich. "Ich habe nie gesehen, dass sie derartige Macht einsetzen würde."

Sesshoumaru nickte nachdenklich.

"Sie hätte es tun sollen. Solch eine Macht kann dir im Ernstfall eine große Hilfe sein."

Einen Moment betrachtete er das Blut, dass Akikos Arm hinunterlief.

"Hast du gedacht, es würde deine Verwandlung rückgängig machen, wenn du dich verwundest?"

Akiko nickte und runzelte die Stirn. "Letztes Mal hat es geholfen. Jamie hat mich verwundet und mein Verstand funktionierte danach wieder." Noch während er die Worte aussprach, verstand er warum es dieses Mal nicht geklappt hatte. Richtig, sein Verstand funktionierte vollkommen normal. Der Schmerz hatte ihn letztes Mal nur wieder zur Vernunft kommen lassen. Das hatte die Verwandlung rückgängig gemacht.

"So ist das also.", meinte er und sah seinen Vater wieder an.

"Was geschieht mit mir und warum kann ich es nicht kontrollieren?"

"Was weißt du über die Erbfolge von Dämonen?"

Ein frustrierter Seufzer kam zur Antwort.

"Alles, ich weiß, dass wir uns fortpflanzen müssen, um unsere Macht zu bewahren, damit unser Wissen nicht verloren geht."

Sesshoumaru nickte. Wenigstens dieses Mal schien er zufrieden zu sein.

"Und wie glaubst du geschieht das?"

Akiko zog eine Augenbraue hoch und sah seinen Vater spöttisch an.

"Soll ich dir nun erzählen, wie sich Dämonen paaren? Du wirst es nicht glauben, aber ich weiß durchaus wie das geht."

Sesshoumaru bedachte ihn mit einem etwas genervten Blick.

"Wie das Wissen erhalten bleibt."

Akiko öffnete seinen Mund, doch kein Wort kam über seine Lippen. Nein, eigentlich wusste er das nicht, wenn er darüber nachdachte.

"Der Geist unserer Ahnen lebt in uns fort. Lange Zeit bleiben diese Geister gut in uns verschlossen, weil wir nicht mächtig genug sind ihre Erinnerungen zu fühlen, ohne unseren Verstand zu verlieren. Erst wenn wir alt genug sind, öffnet sich dieser Verschluss und wir lernen damit zu leben, dieses Wissen, diese Erinnerungen zu nutzen ohne uns dabei selbst zu verlieren."

Das hatte er nicht gewusst. Einen Moment lang ließ er diese neue Erkenntnis auf sich wirken, ehe er seinen Vater wieder ansah.

"Das bedeutet, du weißt wie ich das beherrschen kann, weil es dir auch so geht." Einen Moment lang fühlte er eine Art Verbundenheit zu seinem Vater, die er nie zuvor gefühlt hatte. Es gab also doch etwas, dass sie beide verband. Doch zu Akikos Kummer schüttelte Sesshoumaru seinen Kopf.

"Ich lebe mit dem Wissen und den Erfahrungen meiner Ahnen, das stimmt, aber es ist anders als bei dir." Er sah wohl, dass sein Sohn ihn nicht verstand, denn er erklärte genauer was er meinte.

"Wir Dämonen unterscheiden uns durch unsere Macht, durch unseren Rang. Obwohl wir eigentlich keine Gesetze haben, gibt es unausgesprochene Regeln, an die man sich auch als Dämon hält."

Akiko runzelte die Stirn. Was für Regeln? Ihm hatte man bisher noch keine Regeln erklärt. Was für Regeln konnte es geben, an die sich ein Wesen ohne Gewissen hielt?

"Ein Dämon meiner Macht paart sich niemals mit einem Dämon, der genauso mächtig ist oder einmal werden könnte."

"Warum nicht?"

"Weil ein einzelner Dämon nicht dazu geschaffen ist, derartig viel Macht in sich zu vereinen. Jedenfalls sagt man das."

Sesshoumarus Blick blieb auf Akiko haften. Es dauerte bis Akiko verstand, warum sein Vater ihm das erzählt hatte. Irgendwann senkte er den Blick und starrte auf den Boden. "Ich nehme an Chidori ist so mächtig wie du es bist."

"Sie könnte es sein.", räumte er ein.

Seine Eltern hatten sich also über Regeln hinweggesetzt und ihn gezeugt, obwohl sie nicht sicher waren, dass er mit dieser Macht würde umgehen können. Und nun da sich herausstellte, dass es wohl wirklich einen Grund für diese verfluchte Regel gegeben hat, waren sie unfähig ihm zu helfen. Schlimmer noch seine Mutter hatte sich nicht einmal getraut ihm die Wahrheit zu sagen.

"Ich werde also sterben?", fragte er ruhig und wunderte sich über diese Leere in ihm.

"Das kann niemand mit Sicherheit sagen."

Akiko seufzte. Vermutlich war es das erste Mal, dass sein Vater ihm eine ausweichende Antwort gab.

"Aber die Wahrscheinlichkeit ist groß." Er würde also wirklich wohl den Verstand verlieren und dadurch ein sehr leichtes Opfer für jeden Gegner werden. Keine sehr tollen Aussichten.

"Ihr habt mich dem also ausgesetzt, nur weil ihr wissen wolltet, ob es möglich ist?" Hoffnungslosigkeit machte sich in Akiko breit.

Sesshoumaru schwieg, was Akikos Leere endlich vertrieb. Unbändiger Zorn erwachte in ihm.

"Das ist nicht fair. Ich muss den Preis für eure Neugier bezahlen.", fuhr er Sesshoumaru an.

"Das entspricht nicht ganz der Wahrheit." Akiko glaubte sich verhört zu haben.

"Nani? Willst du mir jetzt erzählen, dass das mit euch die große Liebe gewesen ist, die sich romantischerweise über Regeln hinweggesetzt hat? Ich bitte dich." Sesshoumaru knurrte leicht, was ein deutliches Zeichen dafür war, dass Akiko solche Äußerungen unterlassen sollte. Ihm war klar, dass es nicht gut war seinen Vater zu reizen. Er hätte ihm das alles nicht erzählen müssen. Es war beinahe schon ein Wunder, dass er sich dazu herabgelassen hatte.

"Der Fehler besteht darin, dass es nichts mit Neugier zu tun hatte."

Akiko machte eine wegwerfende Handbewegung.

"Und wenn schon. Das Ergebnis bleibt das Gleiche."

Doch dann verharrte er doch wieder in der Bewegung. Die Worte seines Vaters drangen in sein Bewusstsein ein und weckten eine Vermutung.

"Was willst du damit sagen?", fragte er misstrauisch.

"Du kennst die Antwort." Und als würden Sesshoumarus Worte die Tür zu einer Erinnerung aufstoßen, konnte Akiko diese Antwort plötzlich klar und deutlich erkennen. Er taumelte leicht, so stark war dieser Eindruck.

"Nein, keine Neugier. Sie hat dich gewollt."

Sesshoumaru wandte den Blick ab. Richtig, Akiko fühlte das mehr als deutlich. Als wären es die Erinnerungen seiner Mutter konnte er fühlen, wie wild entschlossen Chidori damals gewesen war, Sesshoumaru dazu zu bringen, sie auszuerwählen. Es erstaunte ihn wie klar er das fühlen konnte.

"Im Endeffekt hat sie damit auch dich gewollt." Die Worte drangen langsam und leise zu Akiko durch, doch als er sie endlich verstanden hatte, weiteten sich seine Augen.

"Sie würde alles tun, damit du das durchstehst." Zum ersten Mal klang da ein Hauch von Respekt in Sesshoumarus Stimme mit, als er über Chidori sprach. Akiko setzte sich etwas benommen wieder auf den Felsen.

"Zum Beispiel dich darum bitten, mir zu helfen." Nun begann das Sinn zu machen. Hatte er sich doch gedacht, dass sein Vater niemals allein auf diese Idee gekommen wäre. Er blickte auf und sah seinen Vater nicken.

"Und? Kannst du es?" Er schüttelte nicht seinen Kopf, was Akiko ziemlich erstaunte.

"Du kannst es?", fragte er verwundert.

"Du bist der Erste, der jemals so viel Macht besessen hat. Niemand weiß, ob man dir helfen kann."

"Aber du glaubst einen Weg zu kennen, richtig?"

Sesshoumaru nickte.

"Dann zeig ihn mir." Akiko erhob sich wieder und stellte sich vor seinen Vater.

"Hilf mir.", meinte er leise und schämte sich dieses eine mal nicht dafür, darum bitten zu müssen.
 

Ihr wisst was jetzt kommt, richtig? Genau, Fortsetzung folgt ...
 

Okay, ich könnte euch jetzt was von Spannung erhalten erzählen, aber ehrlichgesagt höre ich hier nur auf, weil ich derzeit noch keinen blassen Schimmer habe, wie genau Sess seinem Sohn helfen kann. Hoffen wir mal, dass ich in den nächsten TAgen einen rettenden Einfall habe, aber da ich bisher ja alle dämonischen Probleme gelöst habe,wird mir auch das wohl schätzungsweise gelingen. Ansonsten bin ich ziemlich zufrieden mit diesem Kapitel. Ich mag irgendwie das Dämonische sehr gerne und denke mir da auch reichlich viel aus (angefangen von der Bedeutung von Sess Streifen auf den WAngen bis hin zu einer Rangfolge der Paarungen bei Dämonen ^^) Und ich freue mich, dass ich Chidori endlich anfangen kann komplett zu entfalten. Euch war ja wohl klar, dass sie nicht nur die Zicke ist, die sie zu Beginn darstellte. Wäre ja auch viel zu einfach. Nach Geliebter Dämon sollte euch klar sein, dass es bei mir kein gut und böse gibt. Ich mag viel mehr alles was undefiniert dazwischen liegt.
 

So, aber ich hör mal auf hier zu quatschen und freu mich wie immer über eure Kommentare.
 

Mata ne

Rogi

Abgründe einer Seele

Hallo ihr Verrückten ^^,
 

also ich möchte diese Einleitung nutzen um mich noch einmal bei allen ausdrücklich für die aufmunternden Worte zu bedanken und die über 200 Kommentare, die mir diese Story schon beschert hat. Ihr seid wirklich die Allergrößten und schmeichelt mir viel zu sehr.
 

Ich halte mich daher auch nicht lange mit Vorgeplänkel auf, sondern wünsche euch viel Spaß beim Lesen:
 

"Ich weiß nicht, ob es funktionieren wird." Einen Moment lang kam es Akiko so vor, als würde sein Vater tatsächlich einen Rückzieher machen wollen, doch natürlich entspräche dies kein bisschen Sesshoumarus Charakter. Vermutlich wollte er ihm nur nicht allzu große Hoffnungen machen.

Der junge Dämon nickte.

"Wenn ich das richtig verstanden habe, kann ich eigentlich nicht verlieren, oder?" Sesshoumaru unterließ es darauf zu antworten. Sie beide kannten den Ernst der Lage. Die Wahrscheinlichkeit, dass Akiko von alleine lernen würde, mit derartig viel Wissen und Macht umgehen zu können, war verschwindend gering. Was also auch immer das Risiko an der Idee seines Vaters sein mochte, schlimmer konnte es nicht mehr werden.

"Ich werde in deinen Geist eindringen, Akiko. Alles was du fühlst, was du denkst, was du getan hast, jede einzelne Erinnerung wird mir dabei offenbart werden, denn du verfügst nicht über die Möglichkeiten, Mauern aufzubauen, die mich daran hindern könnten."

Diese Offenbarung ließ ihn einen Moment lang schwanken. Er verspürte nicht den leisesten Wunsch sich seinem Vater zu offenbaren. Es gab nichts was Akiko verbergen wollte, doch sich derartig offen zu legen missfiel ihm ziemlich stark. Allerdings schien er kaum eine andere Wahl zu haben.

"Du wirst Dinge erfahren, die du nicht wissen solltest." Akiko wollte seinen Vater gerade daraufhin weisen, dass die Aufzählung der Gefahren und Nachteile keineswegs seinen Entschluss ändern würde, als er mitten in der Bewegung inne hielt und seinen Vater direkt anblickte. Sesshoumaru erschien kalt und abweisend wie immer. Seine Augen, die Akikos so ähnlich waren, fixierten den Blick seines Sohnes.

"Du sprichst von Dingen, die dich betreffen. Wenn dein Geist in meinen eindringt, geschieht dies auch auf umgekehrtem Weg. Das stimmt doch oder?" Sesshoumaru nickte. Weitere Erklärungen waren überflüssig. Akiko runzelte die Stirn und legte den Kopf leicht schräg.

"Deine Erinnerungen existieren doch sowieso schon in mir. Was sollte mich daran schrecken?"

Akiko setzte sich wieder auf den Felsblock und betrachtete seinen Vater. Nichts, was Sesshoumaru sagte, war ohne Bedeutung. Im Grunde bewunderte Akiko das sehr, doch eingestehen würde er das gegenüber seinem Vater niemals. Vermutlich würde dieser das als Schwäche ansehen. Etwas zu bewundern lag wohl vollkommen außerhalb von Sesshoumarus Denken. Akiko schloss einen Moment die Augen. Es war angenehm, dies derzeit zu tun. Die Stimmen in seinem Kopf schwiegen endlich. Einen größeren Segen vermochte er sich derzeit nicht vorzustellen. Seine anderen Sinne schärften sich als er bewusst auf das Sehen verzichtete. Er hörte in einiger Entfernung eine Stimme. Jamies Stimme. Manchmal fragte er sich, warum es ihm möglich war, ihre Stimme selbst auf weite Entfernung wahrzunehmen. Er glaubte hören zu können, dass sie sich mit jemandem unterhielt. Vermutlich mit Rijan, einen anderen Menschen gab es hier schließlich nicht. Einen Moment lang machte er sich darüber Sorgen. Rijan war derzeit sehr seltsam. Er konnte verstehen, dass nach allem was geschehen war, sie Dämonen gegenüber feindselig war, doch dass sie diese Ansichten Jamie mitteilte, missfiel ihm sehr. Er vergaß gelegentlich, dass man Jamie erzählen konnte was man wollte, sie nahm keine Meinung an. Einmal mehr empfand er das als Segen, verspürte im nächsten Augenblick aber schon wieder ein schlechtes Gewissen. Es war kein Segen, er sollte endlich dafür sorgen, dass dieses unschuldige Wesen ihre Seele zurückerhielt. Wenn er sich genauer konzentrieren würde, könnte er vermutlich das Gespräch der beiden belauschen, doch es missfiel ihm, derart in die Privatsphäre von anderen einzudringen. Noch so eine Eigenschaft, die sein Vater wohl niemals verstehen würde. Er atmete schwer aus und blickte Sesshoumaru aus nachdenklichen Augen an.

Wollte er ihn das wirklich alles sehen lassen? Vermutlich würde danach eine Beziehung zu seinem Vater endgültig erledigt sein. Nicht, dass es jemals eine solche gegeben hätte, dennoch hatte er wohl nie ganz aufgehört, darauf zu hoffen, dass Sesshoumaru wenigstens einmal wie sein Vater handelte.

"Ich habe doch Recht oder? Wenn ich nicht so verwirrt und unfähig wäre, diese Gefühle zu ordnen, dann könnte ich alles, wovor du mich gerade warnen möchtest sehen."

Sesshoumaru schüttelte seinen Kopf. Seine langen silbrigen Haare bewegten sich dabei leicht. Akiko fiel zum ersten Mal auf, dass er seinem Vater wohl sehr ähnlich sah. Im Grunde war er das jüngere Abbild des mächtigen Dämons vor ihm. Lediglich die roten Strähnen in seinem Haar ließen ihn etwas anders aussehen.

"Mein Wissen in dir reicht nur bis zum Tag deiner Geburt. Alles was danach geschehen ist, wirst du weder jetzt noch sonst irgendwann fühlen können."

Akiko senkte den Kopf und blickte auf seine staubigen Schuhe.

"Ich werde sehen, was mit euch geschehen ist?"

"Hai." Ein einfaches Wort, dass der Bedeutung dieser Antwort nicht gerecht wurde. Er fragte sich schon die ganze Zeit, was mit seinen Eltern geschehen war. Er wusste, dass ein Teil davon, was sich damals zugetragen hatte, in seinen eigenen Erinnerungen vorhanden war. Seine Mutter hatte nur dafür gesorgt, dass ihm diese Erinnerung nicht zur Verfügung stand.

"Du möchtest nicht, dass ich das weiß?" Es verwunderte ihn, dass Sesshoumaru tatsächlich auf so etwas wie Privatsphäre Wert legte.

Einen Moment lang schwieg sich Sesshoumaru darüber aus und die Stille zerrte an Akikos Nerven. Er hatte Angst davor, dass diese Ruhe in ihm gleich wieder vorbei war und er doch noch den Verstand verlor. Diese Ungewissheit ließ ihn beinahe durchdrehen. Die Hitze, die von der heißen Quelle im Inneren der Höhle ausstrahlte, ließ seine Haut langsam feucht werden.

"Es wird alles für dich verändern. Sowohl gegenüber deiner Mutter als auch gegenüber mir."

"Ich weiß nicht, warum du mir das alles sagst. Ich habe keine andere Wahl. Ich möchte nicht, dass du mich so gut kennst, wie nur ich selbst es normalerweise tue. Und natürlich ist mir klar, dass eure Beziehung oder was immer das damals gewesen ist, nur euch etwas angeht, aber wie ich dir bereits sagte, Vater..." Er vermochte es nicht, das letzte Wort ohne einen verächtlichen Unterton auszusprechen. Wenn Sesshoumaru das wahrgenommen hatte, schien es ihn jedoch auch nicht weiter zu kümmern.

"Mir bleibt keine Wahl."

"Ich sage dir nur, was das für Folgen haben wird."

Akiko stand wieder auf und baute sich vor seinem Vater auf.

"Du magst mich für einen Idioten halten, aber mir ist durchaus klar, dass sobald ich weiß, was zwischen euch geschehen ist, dies mein Verhältnis zu Chi deutlich ändern wird. Und mir ist genauso klar, dass du es nicht erträgst, in der Nähe von jemandem zu sein, der dich so gut kennt, wie ich das dann wohl tun werde."

Das war es doch, was Sesshoumaru hier wenig verständlich versucht hatte zu sagen. Es wunderte Akiko beinahe, dass er nicht einfach freiheraus erklärt hatte: "Ich helfe dir, aber danach wirst du mich nie wieder sehen." Sein Vater war doch sonst nicht so zimperlich. Einen Moment lang gab er sich der Illusion hin, dass es selbst Sesshoumaru, dem eigentlich alles und jeder egal war, nicht ganz unbeteiligt ließ, wenn er sich praktisch von seinem eigen Fleisch und Blut trennte. Und soweit Akiko das beurteilen konnte, war er alles, was Sesshoumaru noch als Familie bezeichnen konnte.

"Und es ist ja keineswegs so, dass dies für mich etwas ändern würde, richtig?" Bitterkeit sprach nun deutlich aus seinen Worten. Finster blickte er seinen Vater an und verfluchte ihn einmal mehr.

"Wenn du mir nicht helfen willst, warum bist du dann eigentlich hier? Ich werde nach deinen Aussagen den Verstand verlieren und deswegen über Kurz oder Lang auch mein Leben. Glaubst du wirklich, du wärst mir wichtiger als mein eigenes Leben?" Die Worte prallten an Sesshoumaru ab und schienen wie ein Bumerang zu Akiko zurückzufliegen um ihm umso heftiger zu treffen. Es kümmerte ihn also wirklich nicht. Wunderbar, dann konnte es Akiko selbst ja auch egal sein.

"Ich bin ein Dämon, Vater. Hilf mir und dann fahr zur Hölle." Sesshoumaru schüttelte langsam seinen Kopf und trat dann auf seinen Sohn zu.

"Sag mir später nicht, ich hätte dich nicht gewarnt." Irgendwo in diesen Worten hatte Akiko das Gefühl ein "Du bist doch ein Idiot." würde darin mitschwingen. Wie schaffte es Sesshoumaru eigentlich ohne jemals eine Beleidigung laut auszusprechen diese trotzdem wirken zu lassen? Akikos Verärgerung wuchs und sein Vater quittierte dies mit einem resignierten Kopfschütteln. Sollte er doch glauben er würde sich wie ein verzogener kleiner Bengel benehmen, im Moment war Akiko eben genau danach. Kurzfristig überfiel ihn sogar noch der Wunsch seinem Vater die Zunge rauszustrecken. Nur mit Mühe schaffte er es, diesen Wunsch zu ignorieren.

Sein Vater trat direkt vor ihn und Akiko wartete gespannt, was nun geschehen würde. Zu seiner Überraschung umfasste Sesshoumaru sein Gesicht mit den kräftigen Händen und zwang ihn, ihm direkt in die Augen zu sehen. Akiko war irritiert. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann sein Vater ihn jemals berührt hatte - abgesehen von den Trainingskämpfen. Ein seltsames Gefühl durchflutete ihn und er musste schwer schlucken, während er seinen Vater weiterhin ansah. Es geschah nicht wirklich etwas, aber dennoch vermochte Akiko es kaum, dem Blick seines Vater stand zu halten. Mit einem Mal glaubte er, sein Vater könnte bis auf den Grund seiner Seele blicken und ihm gefiel das nicht. Er wusste was sein Vater dann sehen würde. Dass er eben Recht hatte mit all seinen Vermutungen. Akiko wusste nun, dass er ein mächtiges Erbe in sich trug. Er besaß offenbar die Veranlagung einmal der mächtigste Dämon dieser Erde zu werden und doch wusste er nur zu gut, dass er diesem Erbe nie gerecht werden würde. Er war nicht mächtig, er war nicht einmal stark genug um das jemals werden zu können. Im Grunde war er eine Enttäuschung auf ganzer Linie. Überdeutlich wurde ihm klar, dass er lieber sterben würde, als dies seinem Vater zu offenbaren. Sesshoumaru wusste das mit Sicherheit schon längst, doch Akiko wollte unter keinen Umständen, dass sein Vater bemerkte, dass ihm selbst das auch vollkommen bewusst war. Ein Dämon mit Selbstzweifeln. Wirklich, mehr Schande konnte er seinem Vater kaum bereiten.

Er versuchte Sesshoumarus Hände wegzuschlagen, einen Schritt zurückzuweichen, doch der Griff seines Vaters wurde fester und hinderte ihn daran. Panik begann in ihm zu erwachen. Er wollte das nicht. Er würde das mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln verhindern. Nur über seine Leiche würde Sesshoumaru seinen Geist erforschen.

"Nein.", sagte er leise und wollte es doch herausschreien.

Er hob seine Hände und legte sie auf die Brust seines Vaters um ihm wegzustoßen, doch Sesshoumaru war wie ein Fels in der Brandung. Nichts was Akiko zu tun vermochte schien eine Wirkung zu haben. Also besann er sich auf seine Kräfte, auf jene, die seine Mutter ihm irgendwann einmal beigebracht hatte und sprach ein Wort in einer Sprache, die so alt war wie die Erde selbst.

"Kibaro!" Seine Hände wurden zu einer Waffe, die selbst seinem Vater zusetzen würde. Er wusste, dass unter seiner Berührung die Haut seines Vaters verbrennen würde. Und obwohl sich Akiko sicher war, dass sein Zauber wirkte, obwohl er die Hitze selbst fühlte, die er produzierte, wich sein Vater nach wie vor nicht zurück. Er roch das Fleisch, dass deutlich zu verbrennen schien. Sein Vater knurrte bedrohlich, doch er wich nicht zurück.

"Du wirst sterben, wenn du nicht davon ablässt.", meinte er entsetzt und versuchte in den Augen seines Vater etwas zu erkennen, doch wie ein Mauer war dieser Blick undurchdringbar. Akikos Panik wurde größer. Er konnte doch nicht seinen eigenen Vater töten. Was für ein Sohn wäre er dann? Nein, so verkommen war nicht einmal er.

"Wenn du mich tötest, stirbt damit jede Hoffnung, dass man dir helfen kann." Eine sehr simple Aussage und doch wusste Akiko natürlich, dass dem wirklich so war. Doch neben aller Logik war eben das Gefühl in ihm, seinem Vater nicht diese Schande einzugestehen viel größer. Nein, niemals würde er das zulassen.

"Narr!", zischte Sesshoumaru und ließ Akikos Gesicht los. Das kurze Gefühl von Erleichterung verflog augenblicklich wieder, denn wie sich herausstellte, ließ Sesshoumaru ihn nur los um ihn umbarmherzig in eine Umarmung zu ziehen, die Akiko dazu zwang seinen Zauber aufzuheben.

"Kata!", schrie er förmlich heraus, denn sein Zauber richtete sich plötzlich genauso gegen ihn wie gegen seinen Vater. Er fühlte die Rötung seiner Haut, wie es darunter brannte.

Und ehe noch etwas Weiteres geschehen konnte und sich Akiko auch nur annähernd aus der Umarmung lösen konnte, fühlte er wie etwas seine inneren Mauern einzureißen drohte. Verzweifelt stemmte er sich mit allem was er hatte dagegen und versuchte diesen furchtbaren Fehler aufzuhalten.

"Ich will nicht. Ich kann nicht. Oh bitte, hab doch Erbarmen.", flehte er und war sich dabei vollkommen bewusst wie entwürdigend diese ganze Situation für ihn wurde. Doch das war nichts im Vergleich mit dem was kommen würde, wenn Sesshoumaru bis in die Tiefen seiner Seele vordrang.

Und kaum hatte er dieses leise Gebet beendet fühlte er wie diese allerletzte Mauer, dieser letzte Versuch seinen Vater aufzuhalten wie ein Kartenhaus in sich zusammenbrach und eine furchtbare Leere von Akiko Besitz ergriff. Vollkommen bewegungsunfähig kam er sich vor. Als würde nichts mehr von Bedeutung sein. Beinahe glaubte er, er wäre tot. Keine einzige Sorge beschäftigte ihn mehr, nichts schien schlimm zu sein. In jenem Moment fühlte Akiko zum ersten Mal in seinem Leben was vollkommenes Glück war.

Der Moment verging und unzählige Bilder und Gefühl drohten über ihm zusammenzubrechen. Er schrie auf und versuchte das zu verhindern, doch die Erinnerungen, die Emotionen überrollten ihn einfach. Wie ein großer Baumstamm, der unaufhörlich seinen Weg nahm, genauso war dies hier. Es rollte über ihn hinweg ohne auf ihn Rücksicht zu nehmen. Akiko blieb am Boden liegend zurück, versuchte sich von dem Schaden zu erholen, die Dinge wieder zu vergessen. Doch es schien zu spät zu sein. Beinahe war es als hätte man eine Tür einen Spalt breit geöffnet um dann festzustellen, dass das was dahinter lag, man nicht sehen wollte. Und doch war es dann schon zu spät. Die Tür schwang mit einem lauten Knall weit auf und offenbarte alles, was hatte verborgen bleiben sollen. Nicht einmal das Verschließen der eigenen Augen konnte daran etwas ändern, denn man hörte die Worte, die im Zorn geschrieenen und die leise geflüsterten.

"Oh bitte nicht!", keuchte er und vermochte es doch nicht, auch nur irgendetwas aufhalten zu können.

Und dann war es wieder vorbei und Akiko blieb benommen und unendlich müde zurück. Verschwommen nahm er wahr, dass die Umarmung seines Vaters anders geworden war. Er stützte ihn, denn Akiko war längst nicht mehr fähig auf eigenen Beinen zu stehen. Würde Sesshoumaru sich nun von ihm abwenden, würde Akiko zerbrechen. In tausend kleine Stücke vermutlich. Er wusste selbst, dass er gerade sehr melodramatisch war, doch er war sich auch nicht sicher, ob das wirklich nur eine Einbildung war. Es fühlte sich so an.

"Das lässt wieder nach.", sagte sein Vater und gab ihm weiterhin die Kraft, die er selbst nicht aufbringen konnte.

"Was ..." Er konnte die Frage nicht zu Ende formulieren. Zu benebelt war sein Verstand noch. War es nun so weit und er würde dem Wahnsinn verfallen? Er wusste es nicht. Eigentlich wusste er gerade gar nichts mehr.

"Nach und nach wird alles klarer für dich werden. Meine Erinnerungen haben dich überfordert." Richtig, er hatte gesehen, was sein Vater erlebt hatte, was er jemals gefühlt hatte, was in seinen Erinnerungen begraben gewesen ist. Doch einordnen konnte er diese Eindrücke nicht. Zu verworren war noch alles.

"Jeder, egal ob Mensch oder Dämon, braucht zum Überleben diese Schutzmauer in einem selbst. Wird diese durchbrochen, kann einen das zerstören."

"Es sei denn man ist ein mächtiger Dämon."

Er fühlte, dass sein Vater nickte.

"Du bist mächtig, Akiko. Du hast keine Ahnung wie mächtig du sein kannst."

Die Worte waren Balsam für seine Seele. Sein Vater sagte dies nachdem er seinen Geist erforscht hatte. Vielleicht war doch nicht alles so verloren wie er geglaubt hatte.

"Ich kann mich nicht daran erinnern, was du gesehen hast oder wie du das gemacht hast." Er ließ zu, dass sein Vater ihm dabei half sich auf den großen Felsblock zu setzen. Diese verlässliche Kraft unter ihm, ließ ihn etwas klarer denken können. Die Normalität dieses Felsens beruhigte ihn.

"Vermutlich wirst du das auch nie. Um zu überleben, dass ich deine Mauern zerstört habe. Um nicht wahnsinnig zu werden, als ich in dein verborgenes Inneres vorgedrungen bin, hast du die Flucht nach vorne angetreten und bist in meinen Verstand eingedrungen. Dir wird eher einfallen, was du dort gesehen hast, als was ich mit dir getan habe."

"Was hast du denn mit mir getan?"

"Dir geholfen."

Akiko seufzte. Sein Vater würde ihm das nicht näher erklären. Vielleicht war dies auch gar nicht mal so schlecht. Wenn er darüber nachdachte, was sein Vater gesagt hatte, dass er eben doch einmal der mächtigste Dämon auf Erden werden konnte, dann war es vermutlich das Beste, wenn man ihm nicht beibrachte, wie man allein durch das Eindringen in den Geist seines Gegners diesen vernichten konnte. Das war eine Eigenschaft, die nur in ausgewählte Hände gehörte. Er blickte zu seinem Vater auf.

"Das war eine natürliche Reaktion, als ich versucht habe, dich aufzuhalten?" Sein Blick ruhte auf dem verbrannten Stoff des Gewandes seines Vaters. Deutlich roch er die darunter verbrannte Haut. Sesshoumaru nickte.

"Du hast dich nicht gewehrt, als ich deine Mauern eingerissen habe." Es war nur eine Feststellung, doch er konnte sehen wie sein Vater automatisch einen Schritt zurück ging.

"Hai, du warst so schnell, dass ich nicht habe reagieren können." Er hob erstaunt den Kopf und sah seinen Vater überrascht an. Damit hatte er nicht gerechnet.

"Du hättest mich auch weggestoßen?"

"Ich sagte dir doch, dass jeder diese innere Mauer braucht. Hör mir besser zu." Ungeduld sprach aus seiner Stimme. Akiko nickte schweigend und versuchte zu verarbeiten, was er heute gelernt hatte.

"Die Stimmen werden schweigen?", fragte er zweifelnd.

"Ich vermute du kannst ab jetzt beeinflussen, welche Stimme du hören willst."

"Das ist gut.", meinte er nachdenklich und sah seinen Vater wieder an.

"Arigato."

Sesshoumaru nickte und wandte ihm den Rücken zu. Der Verlust, der Akiko dabei überkam, brachte ihn fast dazu sich an seinen Vater zu klammern.

"Hat sie deine Gefühle gekannt?" Die Frage schoss aus ihm heraus, ehe er darüber nachdenken konnte. Sesshoumaru blieb stehen und drehte leicht den Kopf. Akiko sah das ausdrucksstarke Profil seines Vaters und wünschte sich, er würde eines Tages nur halb so mächtig und stark sein, wie Sesshoumaru es heute war.

"Sie hätte mir sonst kaum geschworen, niemals wieder einen Zauber anzuwenden." Akiko schüttelte seinen Kopf.

"Nein, ich meinte, ob sie gewusst hat, dass du sie geliebt hast?"

Sesshoumaru drehte sich Akiko wieder zu und sah ihn einen Augenblick lang nachdenklich an. Vermutlich überlegte er, ob er das abstreiten sollte, doch vernünftig wie Sesshoumaru eben war, schien ihm klar zu sein, dass sein Sohn jede einzelne Facette seiner Seele kannte. Er kannte nun die Wahrheit über alles.

"Wie ich bereits sagte, sie hätte sonst niemals sich selbst eine derartig harte Strafe auferlegt."

"Nie wieder ihre Magie zu benutzen? Ich dachte das würde nur daran liegen, dass sie dich liebt."

Sesshoumaru seufzte und blickte einen Moment lang an Akiko vorbei als würde er sich daran erinnern, was damals eigentlich geschehen war.

"Das hängt miteinander zusammen. Richtig, sie benutzt ihre Magie nicht mehr, aber allein die macht sie mächtig. Sie ist einer der mächtigsten Dämonen, den ich kenne, Akiko. Nichts auf dieser Welt ist eine größere Bestrafung als sich selbst aufzuerlegen für immer schwach zu bleiben, wenn man praktisch die Welt vernichten könnte."

Er blickte Akiko wieder an.

"Du kannst nicht einmal erahnen, welch eine Strafe das Tag für Tag für sie sein muss, mit dem Wissen zu leben für immer schwach sein zu müssen und sich dabei vollkommen klar darüber zu sein, dass Schwäche genau das ist, was ich verabscheue."

Akiko nickte langsam.

"Kannst du ihr nicht vergeben?"

Sesshoumaru verschränkte die Arme.

"Die Ironie an dieser Sache besteht darin, dass sie alles nur meinetwegen tut, es aber keine Rolle spielt, was ich tue. Sie wird sich selbst nie vergeben und diese Bestrafung für immer aufrechterhalten. Chi ist zumindest darin sehr konsequent."

"Aber sie leidet zu sehr für diesen einen Fehler. Das steht in keinem Verhältnis."

Sein Vater schüttelte seinen Kopf und ließ die Arme wieder sinken.

"Es war ihre Entscheidung. Frag sie, wenn du eine Antwort darauf haben möchtest."

"Was hast du mit ihr gemacht?"

"Nichts, was nicht ohne Folgen bleiben würde. Es wird nur noch etwas dauern, bis

sie zurückkommt. Lange genug, dass du verstehst, was in dir vorgeht und damit zu Recht kommen wirst. Lange genug um sie nicht für etwas zu bestrafen, was du gar nicht fühlst."

Akikos Augen wurden groß. Er hatte Chi also verletzt um Akiko die Möglichkeit zu geben, dass alles auf die Reihe zu bekommen? Seine Familie hatte eindeutig sehr seltsame Methoden um ihm zu helfen. Dennoch war es auf eine seltsame Art eine Tat, die ihn glücklich machte. Sesshoumaru mochte nur hier sein, weil Chi ihn darum gebeten hatte, aber dennoch hatte er weitsichtig genug geplant, um Akiko genug Zeit zu geben, damit dieser seiner Mutter keine Vorwürfe machen würde. Er verstand seinen Vater mit einem Mal besser als jedes andere Wesen dieser Erde. Besser als sich selbst sogar.

"Arigato." Sesshoumaru nickte schweigend und erachtete die Angelegenheit damit als erledigt.

"Das mit Rijan ..." Sesshoumaru schüttelte seinen Kopf.

"Das spielt keine Rolle. Pass auf sie auf. Im Grunde ist sie stark genug um auf sich selbst aufzupassen. Sie hat das nur noch nicht verstanden."

"Erinnert mich an mich selbst.", meinte Akiko lächelnd. "Aber wirklich, ich muss dir das erklären."

Sesshoumaru ging ein paar Schritte. "Das wird nichts ändern, Akiko. Also spar dir deine Worte."

Akiko blieb nichts anderes übrig, als das zu akzeptieren. Resigniert ließ er den Kopf hängen. Als er wieder aufblickte, war sein Vater verschwunden.
 

Fortsetzung folgt ...
 

Tatsächlich fiel es mir recht einfach diesen Part zu schreiben, was wohl ein ZEichen dafür sein könnte, dass meine SChreibblokade langsam vorbei sein dürfte. Das wird euch freuen und mich erst REcht. Ich mag Sess Art einfach ziemlich gerne. ICh hoffe ich hab eure Unklarheiten vom letzten Part beseitigt. Mehr oder weniger entstand das hier nur, weil sich jeder gewundert hat und wissen wollte, was die AKtion mit Chidori sollte. Lobt euch also selbst, ihr inspiriert mich.
 

Und da ihr alle so toll hier seid, mal ne einfache Frage. Ich brauch einen Namen für einen mächtigen Dämon. Fällt jemandem was ein. Männlich oder weiblich wird nicht verraten, sonst nehm ich euch ja die Spannung. Für Vorschläge wär ich echt dankbar, ich grübel schon seit Monaten über diesen Namen und komm zu keinem ERgebnis.
 

So, ich hab euch alle furchtbar lieb

Mata ne

Rogi

Gepeinigte Seele

Konnichwa mina-san,
 

<megaseufz> Es ist nicht zu Glauben, aber ich habe hier tatsächlich mal eine Fortsetzung in der Tasche und die feste Absicht diese Story hier zu einem vernünftigen Ende zu bringen. Ich werde daher auch nicht viel weiter sagen, im Grunde bin ich ganz zufrieden mit dem was ich hier fabriziert habe.
 

Einen absoluten Superdank schicke ich auf diesem Wege an Lynnn, der allein ihr es eigentlich zu verdanken habt, dass diese Story nicht abgebrochen wird. Domo arigatou für die liebe Unterstützung!
 

Los gehts:
 

Rijan stand an der geöffneten Tür und starrte hinaus. Ein wirklich trostloses Wetter. Es regnete schon seit sie aufgestanden war. Der Himmel war grau und kein einziger Sonnenstrahl drang zu ihnen herunter. Sie seufzte und schob die Tür weiter auf. Langsam ging sie hinaus. Kälte strahlte von dem hölzernen Boden aus. Er kroch durch ihre bloßen Fußsohlen und ließ sie frösteln. Sie schlang die Arme enger um sich und ging ein paar Schritte, bis sie das Geländer erreichte. Müde lehnte sie sich gegen eine Säule und starrte blicklos in das trübe Grau. Regen peitschte ihr ins Gesicht, sammelte sich in ihren Wimpern und rann dann an ihrer Nase entlang zu ihrem Mundwinkel. Sie bemerkte es kaum.

Seit Sesshoumaru gegangen war, schien sämtliches Leben aus ihr gewichen zu sein. Immer deutlicher fand sie zu sich selbst. Chidori schien recht gehabt zu haben. Je länger es andauerte, desto besser erinnerte sie sich die Geschehnisse. Ihr Gefühlsleben beruhigte sich wieder. Und doch machten die Erinnerungen alles nur noch schlimmer. Hatte sie vorher nicht verstanden was mit ihr losgewesen war, war es ihr nun umso klarer. Wäre sie Herr ihrer Sinne gewesen, hätte sie Akiko niemals geküsst. Dessen war sie sich sicher. Es hatte nur an den Umständen gelegen, dass Sesshoumaru wirklich in der Lage gewesen war, ihr derartig weh zu tun. Niemals hätte etwas so banals wie die Farbe eines Kimonos sie in ihren Grundfesten erschüttert. Sie löste ihre Umarmung und streckte langsam den Arm aus. Ihre Finger tasteten nach etwas, dass außerhalb ihrer Reichweite lag. Diese Erkenntnis brachte ihr die Ausweglosigkeit ihrer Situation zurück. Die Regentropfen vermischten sich mit ihren eigenen Tränen als sie langsam auf die Knie sank und schließlich ihr Gesicht schluchzend in den Händen barg. Ihr Oberkörper wurde von Schluchzern geschüttelt. Ihre Kehle brannte von den Tränen, die sie vergoss.

„Warum nur?“, flüstere sie und stützte sich an dem Geländer ab, als sie sich auf den nassen Boden setzte und die Beine anzog. Sie gab die Gegenwehr endgültig auf und versank in ihrem eigenen Kummer.
 

Akiko blickte schweigend zu Rijan hinüber. Er konnte ihren Schmerz beinahe körperlich fühlen. Sie sah so verloren aus, wie sie dort auf der Terrasse saß und von Schluchzern bebte. Er hatte noch nie einen Menschen gesehen, der so verloren ausgesehen hatte. Ihm war nicht klar gewesen wie sehr sie der Verlust von Sesshoumaru treffen würde.

Er fühlte eine Hand auf seiner Schulter und drehte leicht den Kopf. Chidori stand neben ihm und folgte seinem Blick.

„Glaubst du, sie kommt darüber hinweg?“ Er wusste nicht, warum er flüsterte. Rijan war kein Dämon, ihr Gehör war nicht in der Lage eine Unterhaltung auf diese Entfernung zu hören. Dennoch schien es der Situation angemessen zu sein.

Chidoris rote Augen waren fest auf den ergreifenden Anblick gerichtet und er sah sie schwer schlucken.

„Sie ist nur ein Mensch, Akiko. Ich wüsste nicht, wie sie darüber hinwegkommen soll.“

Er folgte ihrem Blick wieder und ihm wurde schwer ums Herz. Er wünschte, Sesshoumaru hätte wenigstens den Anstand besessen, sich von Rijan zu verabschieden, aber er war gegangen ohne sich umstimmen zu lassen.

„Er sagte mir, ich solle auf sie aufpassen. Sie wäre stärker als sie selbst glaubt.“

Chidori schnaubte verächtlich.

„Vermutlich wünscht er sich das. Aber ich sagte schon, dass sie nur ein Mensch ist. Menschen können einiges verkraft, auch den Verlust der großen Liebe. Aber nicht, wenn diese Liebe ein Dämon war. Ein Mensch, der in der Lage ist, seine Angst und alles, was einem beigebracht wurde, zu vergessen und sich ganz auf einen Dämon einzulassen, gibt sich mit seiner kompletten Seele in diese Beziehung …“ Sie seufzte und Akiko blickte sie bekümmert an. „… und verliert diese zusammen mit dem Dämon.“

„Hast du es deshalb überstanden?“

Ihre Blicke trafen sich, ehe Chidori ihre Hand von seiner Schulter nahm, sich durch die seidigen Haare fuhr und müde lächelte.

„So etwas überstehst du niemals, Akiko. Wenn deine Seele einmal verschmilzt, gehört sie dir nicht mehr.“

Ein Schatten legte sich über ihre Augen, doch Sekunden später schüttelte sie sich leicht und fegte damit die Gedanken fort.

„Wir müssen ihr doch irgendwie helfen können.“ Akiko hasste seine Hilflosigkeit. Was nützt es einem, der mächtigste Dämon dieser Welt zu sein, wenn man nicht einmal einem einfachen Menschen bei seinem Liebeskummer helfen konnte?

„Ich befürchte niemand kann ihr helfen.“ Er blickte über seiner Schulter seiner Mutter nach wie sie den Raum verließ und die Tür leise hinter sich zuzog.

Anschließend wandte er den Blick wieder Rijan zu, die immer noch wie ein Häufchen Elend zusammengekauert auf der Terrasse saß und sich in die Erschöpfung weinte.
 

„Du musst etwas essen.“ Akiko saß zusammen mit Rijan an einem Tisch und blickte sie über seinen gefüllten Teller hinweg an. Jamie hatte ihnen bereits vor einer halben Stunde etwas zu Essen gebracht, doch Rijan hatte es nicht einmal mit einem Blick gewürdigt. Sie saß schweigend dort und starrte aus dem Fenster.

Er fing an sich wirklich Sorgen zu machen. Wollte sie sich zu Tode hungern? Ihr ging es so schon schlecht genug, wenn sie nicht zu Kräften kam, würde das niemandem etwas bringen. Doch was sollte er tun? Sie hörte nicht auf ihn. Und das hatte nichts damit zu tun, was zwischen ihnen vorgefallen war. Sie hörte einfach nicht mehr, wenn man mit ihr sprach. Sie schien in ihrer eigenen Welt gefangen zu sein und starrte die meiste Zeit des Tages blicklos ins Leere. Manchmal erinnerte sie ihn stark an Jamie. Wie eine Puppe konnte man sie führen. Er hatte versucht sie in ein Training zu verwickeln, doch auch darauf war sie nicht eingegangen. Sie schien nicht einmal zu begreifen, was er von ihr wollte.

Akiko seufzte frustriert und schob sein eigenes Essen beiseite.

„Verdammt, Rijan. So kann das nicht weitergehen. Was wenn er zurückkommt, soll er dich wirklich so sehen?“

Als würde er mit einer Mauer sprechen. Frustration nahm von ihm Besitz. Er blickte hilfesuchend zu seiner Mutter, die in einer Ecke saß und ein neues Gewand nähte. Chidori begegnete seinem Blick, zuckte jedoch nur mit den Schultern.

„Sie hört dich nicht mehr.“

Das war ihm auch selbst bewusst, aber sollte er es damit auf sich beruhen lassen. Ein wütender Laut kam aus seiner Kehle.

„Jamie!“, fuhr er auf und wartete bis sie sich zeigte.

„Hai, Akiko-sama?“

„Räum diesen Mist weg.“ Sie nickte und begann den Tisch wieder abzuräumen.

Akiko stand auf, ging zu Rijan hinüber und zog diese wenig galant von ihrem Stuhl hoch. Er wusste, dass er ihr wehtat, doch nicht einmal das schien sie zu kümmern. Sie schien den Druck auf ihren Arm nicht einmal zu bemerken. Ihr Blick war immer noch in die Ferne gerichtet.

„Du willst es ja nicht anders.“, grollte er, wobei seine Stimme so tief wie ein Donnergrollen klang. Einen Moment schien sie kurz zu zucken, als würde sie seine Stimme an etwas erinnern. Ein kleiner Hoffnungsschimmer machte sich in ihm breit. Er fühlte Chidoris Blick auf sich ruhen. Sie schien neugierig zu sein, was er nun vorhatte.

„Sesshoumaru!“, sagte er schließlich leise und beobachtete Rijans Gesicht. Ihre Augen reagierten nun wirklich. Sie wurden größer und unendlicher Schmerz flackerte darin auf. Er bereute sein Vorhaben sogleich wieder. Es war nicht richtig mit ihrem Schmerz zu spielen, doch was sollte er tun, wenn sonst nichts sie in die Gegenwart zurückbrachte?

„Sesshoumaru!“, wiederholte er den Namen seines Vaters und Rijan stießen einen schrillen Schrei aus, trat ihm gegen das Schienbein und verließ fluchtartig den Raum. Er sah jedoch ihre Tränen, die aus den Augenwinkeln quollen und atmete erleichtert aus.

„Du scheinst ja doch etwas von deinem Vater zu haben.“ Chidori schien darüber amüsiert zu sein. Er drehte sich zu ihr um und blickte sie finster an.

„Es bereitet mir keineswegs Freude, mit den Gefühlen von Menschen zu spielen.“

Chidori lachte leise - ein warmes, einlullendes und absolut ehrliches Lachen. Sein Blick wurde weicher und er entspannte sich.

„Eigentlich hatte ich die Zuneigung zu diesem Weib gemeint.“
 

Chidori blickte ihrem Sohn nach wie er lächelnd den Raum verließ. Sie konnte sehen wie er an der Tür kurz stehen blieb und Jamie Platz machte, die gerade den Raum betreten wollte. Einen Moment lang sahen die beiden sich an und das Lächeln auf seinem Gesicht vertiefte sich, während er auf sie hinunterblickte. Sie hatte dies schon einige Male zuvor beobachten können. Jamie erwiderte sein Lächeln nicht, doch sie wich seinem Blick auch nicht aus.

Einen Moment lang wurde ihr schwer ums Herz. Sie beobachtete schon seit längerem, was zwischen den beiden geschah, auf was Akiko im Begriff war sich einzulassen. Manchmal hatte sie darüber nachgedacht, mit ihm zu sprechen, ihm vor Augen zu halten, dass Jamie nichts weiter als ein Haustier war, an das man sich gewöhnte, doch sie hatte es nie getan. In diesem Moment fragte sie sich allerdings, warum sie es unterlassen hatte. War es möglich, dass ausgerechnet sie, die es besser wissen müsste, sich an dem Traum ihres Sohnes beteiligen wollte? Sie verstand, was ihn an Jamie anzog. Anzog obwohl sie keinerlei eigene Identität hatte und die Wahrheit von dem, was Akiko sich zusammenreimte, wohl weit entfernt lag. Es war die Tatsache, dass er vollkommen er selbst sein konnte. Dass er zum ersten Mal in seinem Leben auf einen Menschen getroffen war, vor dem er sich nicht verstellen musste, der keine Angst vor ihm hatte oder in ihm etwas sah, dass er nicht wahr. Sie kannte diesen Wunsch, kannte ihn wohl besser als jedes andere Geschöpf dieser Erde.

Akiko sagte etwas zu Jamie, woraufhin diese nickte. Chidori wurde schwer ums Herz. Sie sah ihm dabei zu, wie er den Raum verließ und Jamie alleine bei ihr zurückließ.

„Ihm liegt sehr viel an dir.“ Jamie blickte nicht auf, als Chidori die Worte aussprach. Vermutlich wusste sie nicht, dass sie gemeint war. Einen Moment spielte sie mit dem Gedanken, sich doch einzumischen und Jamie ihre Seele zurückgeben. Doch Akiko war ihr Sohn, sie konnte nicht, selbst wenn ihr Seelenheil davon abhing, konnte ihm einfach nicht nehmen, was ihm so wichtig war.

Es war zum Teil ihre Schuld, dass ihr eigen Fleisch und Blut zu dieser Einsamkeit verdammt war. Die Menschen fürchteten, was sie nicht verstanden. Die Dämonen fürchteten, was mächtiger war als sie selbst. Sie hatte ihn dem allem ausgesetzt. Und obwohl ihre Liebe tiefer ging als sie es jemals für möglich gehalten hatte, konnte sie ihm nicht all das geben, was ihr Sohn eindeutig verdiente.

Sie dachte an Rijan, die in ihrem eigenen Kummer derartig gefangen war, dass sie es unmöglich schaffen würde, dem zu entkommen. Sie kannte ihren Schmerz, kannte diesen unerträglichen Selbsthass, weil man sich selbst in solch eine Situation gebracht hatte. Es war Jahre her, dass sie in dieser Situation gewesen war, doch vergessen konnte sie auch heute noch nicht. Einen Moment lang blickte Chidori ihre geöffnete Handfläche an und fühlte diesen unbändigen Wunsch in sich, ihren Kräften freien Lauf zu lassen. Doch sie schloss die Hand wieder zu einer Faust und kämpfte diesen Wunsch nieder. Sie hatte einen Schwur geleistet. Einen Schwur nicht nur Sesshoumaru gegenüber sondern viel mehr sich selbst. Sie hatte sich selbst überschätzt. Hoffnungslos überschätzt. Vielleicht hatte es wirklich an ihrer Jugend gelegen. Man sollte mit so jungen Jahren nicht über derartige Macht verfügen. Heute war ihr das klar, damals war es ihr ausgeschlossen erschienen, dass sie jemals verlieren würde. Dass sie nicht immer bekommen würde, was sie wollte. Heute wusste sie es besser. Sie lächelte traurig. Sie war so naiv gewesen. Es war ein Wunder, dass er sich jemals mit ihr eingelassen hatte.

Chidori schloss gequält die Augen und sah automatisch Sesshoumarus goldene Augen vor sich. Goldene Augen, die sie mit soviel Hass angeblickt hatten, dass es ihre Seele zerstört hatte. An jenem Tag hatte sie sich selbst verflucht und im Grunde war es das Letzte, das sie Aufrecht erhielt. Sie würde ihm beweisen, dass sie in der Lage war diesen Fluch für immer aufrecht zu erhalten.

Wirklich, sie verstand Rijan mit jeder Faser ihres Körpers. Man konnte Sesshoumaru nicht lieben ohne sich selbst aufzugeben.

Ihr Blick fiel wieder auf Jamie, die gerade den Tisch mit einem feuchten Tuch säuberte.

„Jamie?“ Nun blickte sie auf, sah Chidori direkt in die Augen. Einen Moment lang war sie versucht den Blick abzuwenden. In Jamies Augen erblickte man sich selbst, manchmal war das nur schwer zu ertragen.

„Wenn du ihm jemals wehtust, schwöre ich dir, dass kein Fluch der Welt mich davon abhalten kann, dir dein Leben wieder wegzunehmen.“

Jamie zuckte nicht einmal mit einer Wimper. Sie stand bewegungslos da, hörte sich Chidoris Worte an, nickte anschließend und kümmerte sich wieder um ihre Aufgabe. Chidori seufzte und sah ihr noch eine Weile bei der Arbeit zu. Sie könnte ihr ohne Probleme ihre Seele zurückgeben. Dazu müsste sie lediglich ihren Fluch einen Moment außer Acht lassen. Ihre auferlegte Bürde. Sie hatte es vor kurzem einmal getan um Rijan zu retten. Ein Schauder lief ihr dabei über den Rücken. Sie hatte nie zuvor einen Menschen ins Leben zurückgeholt. Beinahe hatte sie bei diesem Versuch geglaubt sie würde ihre eigene Seele verlieren. So viele Seelen hatten an ihr gezogen, hatten versucht, sie einzunehmen. Es war mehr als ein Wunder, dass es ihr gelungen war einen derartig mächtigen Zauber anzuwenden, nachdem sie nun schon jahrzehntelang nicht einmal ein einfaches Feuer entzündete.

Ein müdes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Sie hatte mit Akiko derartig geschimpft, als er Jamie heraufbeschworen hatte. Mit Toten spielt man nicht. Nun hatte sie es selbst getan. Es hatte einen Grund, wenn ein Mensch starb. Es stand niemandem auf dieser Erde zu über Leben und Tod zu entscheiden. Ein weiterer Fehler, den Sesshoumaru niemals vergeben würde. Wenn er entschieden hatte, dass Rijan nicht zurück in seine Welt kehren sollte, dann hätte sie das akzeptieren müssen.

Erneut blickte sie auf ihre Hände. Wirklich, was hatte sie sich dabei gedacht? Hatte sie überhaupt gedacht? Rijan hatte es wirklich nichts gebracht, dass sie wieder lebte. Stattdessen war sie praktisch in eine lebende Hölle geraten. Und das alles nur, weil sie, Chidori, der Meinung gewesen war, sie wüsste es besser.

Ein trockenes Lachen erfüllte die Luft und trieb Chidori tatsächlich Tränen in die Augen.

„Keh, jugendliche Dummheit.“, murmelte sie. Nun, sie war mittlerweile um einiges älter und hatte trotzdem den gleichen Fehler begangen. Sie hatte sich überschätzt. Hoffnungslos überschätzt. Kein Fluch der Welt konnte ihr nun noch helfen.
 

Akiko fand Rijan im unteren Geschoss des riesigen Hauses. Sie stand mit verkrampften Händen mitten im Flur. Ihr ganzer Körper drückte aus, dass man sich ihr nicht nähern sollte.

„Geh weg!“, flüsterte sie und Anspannung hörte er deutlich aus ihrer Stimme heraus.

„Ich werde nicht gehen.“, entgegnete er ruhig und trat hinter sie.

Im nächsten Moment wirbelte sie herum und Akiko starrte sie schockiert aus großen Augen an.

Rijans Augen glühten vor Hass und Wut. Er war sich nicht sicher, ob diese Gefühle wirklich ihm galten, doch möglich wäre es. Er war an ihrer Situation nicht ganz unschuldig. Täglich musste er von nun an mit dieser Gewissheit leben. Er hob schlichtend die Hände und legte sie ihr auf die Schultern. Wütend schlug sie sie weg.

„Fass mich nicht an.“, fauchte sie und starrte ihn weiterhin an. Deutlich sagte ihm sein Gefühl, dass er gehen sollte, doch er ignorierte es. Er konnte sie jetzt nicht allein lassen. Rijan war derartig in ihrer Einsamkeit gefangen, dass es Zeit wurde, diese zu beenden. Sicher, Sesshoumarus Verlust musste sie schwer getroffen haben, dennoch war dies kein Grund komplett aufzugeben. Er wollte gerade etwas in der Art sagen, als ein stechender Schmerz durch seinen Körper fuhr.

Er keuchte auf und starrte sie entgeistert an. Hatte sie nun vollkommen den Verstand verloren?
 

Rijan blickte das Messer in ihren Händen an. Bis zum Ansatz der Klinge steckte es in Akikos Bauch. Blut quoll über den Griff ihre Hände entlang und tränkte schließlich die Ärmel ihres Kimonos in dunkles Rot. Entsetzen erfasste sie, ehe sie mit einem Aufschrei das Messer zurückzog und es entsetzt von sich schleuderte. Sie sah Akiko einen weiteren Moment an, ehe sie sich umdrehte und so schnell sie konnte wegrannte.
 

Was hatte sie getan? Wo war das Messer hergekommen? Rijan schloss die Tür hinter sich und lehnte sich heftig atmend dagegen. Ihre Hände zitterten, als sie sie hob, um sie zu betrachten. Blut klebte daran und sie fühlte augenblicklich Übelkeit in sich aufsteigen. Sie rannte zur gegenüberliegenden Tür, riss sie auf und schaffte es gerade noch ans Geländer, ehe sie sich übergab. Ihr Magen entleerte sich beinahe komplett, was sie im Grunde sogar sehr verwunderte, denn sie hatte seit Tagen kaum noch etwas gegessen. Sie klammerte sich an das Geländer und ignorierte den ekelerregenden Geschmack in ihrem Mund.

„Woher stammt das Blut?“ Chidoris Stimme erklang unerwartet, dennoch schrak sie nicht zusammen. Sie blickte zur Seite um kurz auszumachen, wo Chidori sich befand, beschloss dann aber, dass es nicht von Bedeutung war und blickte wieder den Abhang hinunter.

„Möchtest du dich hinunterstürzen?“

„Geh weg!“, keuchte sie nur.

„Weshalb? Möchtest du mich auch verletzen?“

Es verwunderte sie kaum noch, dass Chidori längst wusste, was geschehen war. Vermutlich konnte sie das Blut ihres Sohnes am Geruch erkennen. Das Gefühl des Aufpralls, dass ihren Arm erschüttert hatte, als sie den Dolch durch Akikos Fleisch gestoßen hatte, kehrte zurück und ließ ihren Arm schmerzen. Sie keuchte auf und klammerte sich mehr an das Geländer. Ihre Fingerknöchel traten weis hervor.

„Ich …“, brach sie ab, weil erneut Schluchzer ihren Körper erzittern ließen. Ihre Lungen krampften sich zusammen und sie glaubte keine Luft mehr zu bekommen. Erneut überrollte sie der Schmerz des Verlustes und Rijan war nicht in der Lage ihn aufzuhalten.

„Ich ertrage das nicht länger.“, schluchzte sie und brach erneut unter ihrem eigenen Gewicht zusammen.

Sie fühlte wie Chidori näher trat und sie nach einem Moment des Zögerns wie ein kleines Kind in die Arme nahm. Beruhigend strich sie ihr übers Haar.

„Ich weiß, Kleine. Ich weiß.“ Diese wenigen Worte waren mehr als Rijan ertragen konnte. Sie schrie auf und all der Kummer brach sich frei. Hemmungslos schluchzte und weinte sie in Chidoris Armen. Ihre Lungen würden keinen einzigen Schluchzer mehr aushalten. Dessen war sie sich sicher. Ihre Kehle war wie zugeschnürt und sie brachte kaum noch ein Wort über die Lippen.

„Es tut …“ Sie klammerte sich wie eine Ertrinkende an Chidori, krallte ihre Finger in deren Oberarme. „..so …“ Sie fing an zu zittern, war nicht länger in der Lage auch nur ansatzweise ihren Körper unter Kontrolle zu bringen „…weh.“ Erneut entwich ein markerschütternder Schrei ihrer Kehle und schien darin jede Wunde aufzureisen, die vorhanden war.
 

Chidori hielt das zusammenbrechende Geschöpf fest in ihren Armen, ignorierte den körperlichen Schmerz, den Rijan ihr zufügte und ließ sie auch nicht los, als sie anfing sich zu winden und sich von ihr lösen wollte. Sie hatte nicht gelogen. Sie kannte dieses Gefühl. Es war Teil ihrer Seele geworden. Sie war damals allein gewesen mit diesem Schmerz und was auch immer sonst zwischen ihnen stand, in diesem Moment brachte es nicht einmal die Dämonin über sich, die junge Frau in ihrem Kummer allein zu lassen. Es brach ihr selbst einmal mehr das Herz, zusehen zu müssen, wie das Herz dieser sonst so starken Kämpferin in tausend kleine Splitter zersprang. Wie einem kleinen Kind strich sie ihr beruhigend über Kopf und Rücken. Rijan hörte irgendwann auf sich länger zu wehren, gab sich dem Trost hin, der ihr geboten wurde. Chidori fühlte wie die Kraft aus ihr wich und sie wie eine Tote in ihren Armen zur Ruhe kam.

Ein wenig später, hob sie Rijan mit aller Kraft auf, die sie in sich hatte und trug sie zurück in deren Zimmer. Sie legte sie auf das weiche Bett und zog die Decke über das blasse Wesen. Einen Moment blieb sie noch stehen und betrachtete Rijan. Sie war so verletzlich. Wie hatte Sesshoumaru das übersehen können? Chidori gab dem Impuls nach und berührte einen Augenblick lang Rijans Wange. Einen traurigen Laut erhielt sie zur Antwort.

„Armes Ding!“, flüsterte sie, zog ihre Hand zurück und überließ sie ihren dunklen Träumen.
 

Fortsetzung folgt ...
 

Das Teil wird irgendwie immer düsterer 0_0, aber bin ich nur mit mir zufrieden, wenn ich meine Charas verzweifeln lasse. Mir scheint so was zu liegen <omg>
 

Mata ne

Rogi

Erlösung

Oh wow, ich erwache gerade aus einem Delirium oder so etwas in der Art. Mich hat es grad mitten in der NAcht aus dem Bett getrieben und euch diesen Part hier zu präsentieren und ich bin eigentlich sehr zufrieden damit. Ich hoffe er findet Anklang. Wir biegen somit tatsächlich auf die Zielgerade ein. Kaum zu fassen, es war auch wirklich eine schwere GEburt, bis ich endlich wieder da angekommen bin, wo ich von ANfang an hinwollte.
 

Okay, ich sag nachher vielleicht noch ein paar Worte.
 

Viel Spaß erst mal beim Lesen:
 

Rijan wurde durch die ersten Sonnenstrahlen geweckt, die zögernd den Weg zu ihrem Bett fanden. Sie kitzelten angenehm auf ihrer Haut und sie öffnete einen Moment später die Augen. Im ersten Moment schmerzte die Helligkeit, die sie plötzlich umgab, doch dann gewöhnte sie sich wieder an den Anblick. Wie lange war es her, dass die Sonne geschienen hatte? Sie war sich nicht sicher, hatte jegliches Zeitgefühl längst verloren. Einen Moment lang war Rijan versucht aufzustehen, frische Luft einzuatmen und die Sonne zu genießen, doch sie entschied sich dagegen. Sie konnte nicht die nötige Kraft aufbringen um wirklich aufzustehen.

Sie legte einen Arm über ihre Stirn und starrte an die hölzerne Decke. Etwas war heute anders . Sie konnte es noch nicht einordnen, aber etwas hatte sich definitiv verändert. Eine Weile lag sie schweigend da und versuchte das seltsame Gefühl einzuordnen, einen Sinn dahinter zu verstehen, doch die Sonne stand schon wesentlich höher am Himmel, als es ihr endlich klar wurde. Das Gefühl, das sie versuchte einzuordnen, war nicht da. Sie fühlte überhaupt nichts. Als wäre sie am Abgrund der Welt gestanden, darüber hinausgegangen und hätte festgestellt, dass es danach nichts mehr gab. Das traf am ehesten, was in ihr vorging. Nichts, absolute willkommene Leere. Sie konnte sich nicht einmal mehr darüber Sorgen machen, dass sie nichts mehr fühlte. Auch ein Gefühl der Freude stellte sich nicht ein, dass der Schmerz endlich nachgelassen hatte.

Benommen stand sie auf und schritt langsam über den von Sonnenstrahlen erwärmten Boden. Die Welt erschien ihr plötzlich surreal. Als wäre sie nicht wirklich hier. Vor dem Haus hörte sie Vögel zwitschern, sie konnte Bewegung in den Gebüschen vor ihrer Terrasse wahrnehmen. Fasziniert stand sie einen Augenblick lang still und schloss die Augen. Ihre Sinne waren hoch konzentriert. Wann war dies das letzte Mal der Fall gewesen? In letzter Zeit hatte sie derartige viele Stimmungsschwankungen mitgemacht, dass es ihr wie eine Ewigkeit vorkam, seit sie das letzte Mal einfach nur existiert hatte. Ein Rumoren in ihrem Bauch zauberte ihr einen Augenblick lang ein Lächeln auf die Lippen. Sie folgte diesem ursprünglichen Instinkt und verließ ihr Gemach.

Als sie durch die dunklen Korridore ging, verspürte sie erstmals keine Bedrohung mehr. Es war dunkel, nicht mehr und nicht weniger. Doch die Dunkelheit konnte sie nicht mehr erschrecken. Sie war dort gewesen, am dunkelsten Ort dieser Erde, tief in ihrer Seele, sie hatte es überlebt, was sollte ihr jetzt noch etwas anhaben können?

Mit trägen Bewegungen öffnete sie die schwere Tür und betrat den großen Saal. Essensdüfte strömten ihr zugleich entgegen und ließen ihren Magen noch einmal lautstark zu Wort kommen.

Sie ignorierte die auf sie gerichteten Blicke, übersah geflissentlich, dass Chidori und Akiko einen seltsamen Blick austauschten. Sie schwieg und sagte kein Wort. Es war als könnte sie auch überhaupt nicht sprechen. Sie war hier an diesem Ort gemeinsam mit ihr mittlerweile sehr vertrauten Dämonen und doch erschien es ihr nicht, als wären sie wirklich zusammen hier.

Langsam setzte sie sich an den Tisch und betrachtete das aufgereihte Essen, das nun vor ihr stand. Die verschiedenen Gerüche verstärkten ihren Appetit, sie versuchte daran zu denken, nicht zu viel und zu schnell zu essen. Ihr Magen war Nahrung nicht mehr wirklich gewohnt, doch dann dachte sie, dass auch Nahrung ihr nichts anhaben konnte. Also schaufelte sie sich den Teller voll und begann ihn langsam zu leeren.

Während all der Zeit war sie sich Akikos Blick mehr als bewusst. Irgendwann blickte sie schließlich auf und sah ihm direkt in die Augen. Der Stich, der sonst eingesetzt hatte, blieb dieses Mal aus. Diese goldenen Augen hatten keine Wirkung mehr auf sie.

„Das mit dem Messer war nicht wirklich ich.“, sagte sie schließlich und stellte fest, dass ihre eigene Stimme ihr furchtbar fremd vorkam. Akiko runzelte die Stirn und strich sich unbewusst über die Stelle, in die Rijan das Messer gerammt hatte.

„Und du meinst, dass hier bist du wirklich?“ Zweifel klangen in seiner Stimme mit. Er blickte hilfesuchend zu seiner Mutter, doch die schien kein großes Interesse an der Szene zu haben. Dennoch nahm Rijan die angespannte Haltung dieser Dämonin wahr. Sie vernahm jedes einzelne gesprochene Wort.

„Hai, vor langer Zeit bin ich das einmal gewesen. Ein Fremdkörper in einer mir fremden Welt.“ Richtig, das war es. Es war Monate her, dass sie so gefühlt hatte. Die Ereignisse hatten sich danach ständig überschlagen, aber so hatte sie sich die meiste Zeit ihres Lebens gefühlt. Ausgestoßen vom Rest der Welt. Es gab für sie keinen Ort auf dieser Erde, der ihr real vorkam, solange sie allein war. Auch das hätte sie bekümmern müssen, doch nichts geschah. Sie fühlte wirklich nichts mehr. Sie betrachtete Akiko einen Moment länger, zeichnete seine Gesichtszüge mit den Augen nach, verglich ihn mit seinem Vater und stellte auch dabei fest, dass sie Akiko nun endlich wieder als eigenständigen Dämon betrachten konnte. Er war nicht sein Vater und würde es auch nie sein. Vermutlich war das auch besser. Ein Sesshoumaru reichte für die komplette Menschheit. Es war seltsam seinen Namen in Gedanken auszusprechen, ohne dass eine Reaktion erfolgte. Einen Moment hatte sie mit dem Untergang der Welt gerechnet, doch nichts geschah. Die Welt hörte nicht auf zu existieren, der Himmel brach nicht über ihr zusammen und auch die Sonne lachte auf sie herab. Was hatte sie gedacht, würde passieren? Als ob Sesshoumaru derartig viel Macht besitzen würde.

Sie blickte zu Chidori und betrachtete auch sie auf diese neue Art und Weise. Es schmerzte sie nicht länger diese Frau zu betrachten. Es spielte keine Rolle mehr, wie wichtig sie einmal gewesen ist. Wie wichtig sie vielleicht immer noch war. Es hatte keine Bedeutung mehr. Sie lächelte als sich ihre Blicke trafen. Chidori zögerte einen Moment, erwiderte dann aber das Lächeln. Doch Rijan konnte sehen, dass es nicht bis in ihre Augen reichte. In ihren Augen spiegelte sich Trauer wieder. Doch warum trauerte Chidori?

Sie hörte, dass Akiko sich langsam erhob und blickte zu ihm zurück.

„Du möchtest schon gehen?“, fragte sie und er nickte.

„Frauen sind mir einfach zu kompliziert.“, meinte er resigniert und bedachte seine Mutter mit einem skeptischen Blick. Diesmal lächelte sie wieder und von der Trauer war nichts mehr zu sehen. Einen Moment blickten sich Mutter und Sohn in die Augen, ehe Akiko wohl nicht anders konnte, als auf das Lächeln seiner Mutter zu antworten. Kopfschüttelnd, aber mit einem Lächeln, drehte er sich um und verließ den Raum.

Rijan blickte ihm nicht nach, sonder widmete sich wieder ihrem Essen.

„Eine Wunderheilung, hm?“, fragte Chidori und erhob sich anmutig von ihrem Platz.

Rijan nickte, antwortete jedoch nicht, da sie gerade kaute.

„Es ist also vorbei. Glaubst du das?“

Erneut nickte sie und sah Chidori fest in die Augen. Offensichtlich war es vorbei.

„Nichts mehr zu fühlen, Rijan, ist nie ein gutes Zeichen. Das wird nicht von Dauer sein. Du bist momentan wohl nur zu erschöpft, als dass dein Körper auch nur noch eine weitere Attacke aushalten könnte.“

Chidori zog sich einen Stuhl heran und ließ sich grazil darauf nieder. Rijan fragte sich, wie sie das machte. So einfache Dinge wirkten bei Chidori grundsätzlich majestätisch. Die Dämonin schien etwas von Rijans Gedanken zu erahnen, denn sie lächelte müde.

„Einen Moment dachte ich, es wäre dein Verdienst gewesen.“ Erst als sie die Worte aussprach, wurde Rijan klar, dass das der Wahrheit entsprach. Sie wusste, dass Chidori Gedanken beeinflussen konnte. Sie hatte die Erinnerungen ihres Sohnes blockiert. Vielleicht vermochte sie das auch bei Gefühlen.

„Ich könnte das nur in Verbindung mit dem Verlust deiner Erinnerungen schaffen. Und eine solche Macht auszuüben steht mir nicht länger zu.“

Nachdenklich nickte Rijan.

„Glaubst du, das macht es besser? Sich selbst zu verfluchen?“

Chidoris Blick schweifte ab, sie schien sich an etwas zu erinnern, dass nur ihr vorbehalten war. Dann schüttelte sie ihren Kopf und kehrte ins hier und jetzt zurück.

„Es macht es nicht besser und vielleicht auch nicht erträglicher. Aber es war das Einzige, was ich habe tun können.“

Zuerst wollte sie darauf etwas erwidern, doch dann wurde Rijan klar, dass es dazu nichts mehr zu sagen gab. Es war Chidoris Entscheidung gewesen, ihr Weg, wenn man so sagen mochte. Diesen Weg konnte man grundsätzlich nur selbst wählen. Es stand einem anderen nie zu, darüber zu urteilen, ob er richtig oder falsch war. Sie musste selbst wissen, was für sie richtig war.

„Dann solltest du mich verstehen. Mein Weg ist weiterzuleben. Ein Tag nach dem anderen bis es endlich vorbei ist.“

Chidoris rote Augen brannten sich in Rijans dunkle Augen hinein. Es erschien Rijan, als könnte Chidori bis auf den Grund ihrer Seele blicken, doch es störte sie nicht. Was sie sagte, war die Wahrheit. Irgendwann zwischen ihren ganzen Zusammenbrüchen, zwischen all dem Schmerz, der Wut, dem Hass, der Verzweiflung, irgendwann heute Nacht in ihren Albträumen hatte sie den Entschluss gefasst, jeden einzelnen Tag ab sofort zu überstehen. Es ging nicht darum wie sie das schaffte oder wie lange sie das schaffte. Sie dachte nicht in Zeiträumen, es war nur einfach immer ein Tag. Mehr lag nicht in ihrer Macht.
 

Akiko ließ sich langsam auf seinem Bett nieder und streckte die müden Glieder von sich.

„Das wirkliche Ich.“, spottete er. „Dass ich nicht lache.“ Er hatte Rijans Kummer gesehen. Tagelang hatte er sich dieses Drama in unendlichen Akten ansehen müssen und nicht einen Moment würde er daran glauben, dass sie heute Nacht göttlichen Beistand erhalten hatte, der ihr den richtigen Weg aus diesem Elend zeigte.

Er ließ sich zurückfallen und schloss müde die Augen. Wann hatte er das letzte Mal einen erholsamen Schlaf hinter sich gebracht? Er wusste es längst nicht mehr. Ihm schien, als würde er sich den lieben langen Tag nur noch Sorgen machen. Und wenn es keine Sorgen mehr waren, dann waren es Vorwürfe. Und wenn es keine Vorwürfe mehr waren, dann war er zu müde um überhaupt zu denken. Dann legte er sich zur Ruhe, nur um frustriert festzustellen, dass er keine Ruhe finden konnte.

Die Tür zu seinem Zimmer wurde leise geöffnet. Er musste nicht hinsehen, um zu wissen, wer ihm gefolgt war. Er war sich nicht einmal mehr sicher, ob er nicht nach ihr verlangt hatte. Im Grunde machte es sowieso keinen Unterschied mehr. Es war ja nicht so, dass Jamie freiwillig bei ihm war.

„Ich werde dir deine Seele wiedergeben.“ Er unterließ es zu erwähnen, dass er sich keineswegs sicher war, ob er das konnte.

„Hai, wenn Ihr das möchtet.“, antwortete sie leise und er hörte sie näher kommen. Das Geräusch, das ihre Schuhe verursachten, wenn sie mit dem hölzernen Boden in Berührung kamen, hallte in dem stillen Raum wieder. Im Geiste zählte er ihre Schritte mit. 11 Schritte, es waren immer 11 ihrer Schritte von der Tür bis zu ihm. Niemals 10, niemals 12, immer 11. So war das mit Jamie in jeder Hinsicht. Es würde sich nie etwas ändern. Er seufzte betrübt.

„Nein, ich möchte das nicht.“, meinte er und konnte die Wut in seiner Stimme sogar selbst hören. Fünf Schritte ...

„Dann lasst es.“ So einfach war ihre Welt. Er liebte die Einfachheit ihrer Welt. Sie war eine verlässliche Größe, wenn alles andere aus den Fugen geriet.

„So einfach ist das nicht.“ 11. Er öffnete die Augen und bemerkte den Schatten, den sie auf ihn warf. Er blickte nicht zu ihr, schloss lieber wieder die Augen und konzentrierte sich auf das Gespräch, das er gerade führte.

„Die Dinge können ganz einfach sein, wenn man nur möchte.“ Er seufzte. Das waren seine Worte. Er hatte sie das gelehrt. Er hatte sie eigentlich alles gelehrt und so den einzigen Menschen geschaffen, den er in der Lage war zu lieben. Sein Gegenstück. Und doch wusste er, dass sie nicht real war. Ihr Duft stieg ihn ihm die Nase und sein Herz weigerte sich einmal mehr zu akzeptieren, was sein Verstand längst wusste. Sie war real, verdammt. Sie war realer als jeder andere Mensch, den es auf dieser Erde gab. Sie war unschuldig, herrlich unschuldig und sie war ehrlich, ehrlicher als jedes andere Geschöpf auf dieser Welt. Idiot, meinte die zynische Stimme in seinem Inneren, sie weiß nicht einmal was Ehrlichkeit ist.

Es trieb ihn zu ihr, so wie es ihn immer zu ihr trieb. Ihre Umarmung war Trost und Heilung zugleich. Er richtete sich auf, rutschte an die Bettkante vor und barg seinen Kopf an ihrer Brust. Automatisch legte sie die Arme um ihn und hielt ihn fest. Verdammt, das hatte er ihr nicht beigebracht. Oder doch? Er wusste es längst nicht mehr. Die Wahrscheinlichkeit war sehr hoch, dass er es doch gewesen war. Niemand außer ihm scherte sich auch nur einen Augenblick um Jamie. Sie war sein Geschöpf. Wie konnte man seinem eigenen Geschöpf so absolut verfallen? Seine Arme schlangen sich fest um sie, nahmen ihr fast die Luft zum Atmen, doch sie machte keine Anstalten vor ihm zurückzuweichen. Kein Wort des Schmerzes. Er hörte es nur an ihrem Atem, der schwerer kam. Dennoch lockerte er seinen Griff nicht.

„Ich kann dich nicht verlieren, Jamie. Bei allem was mir heilig ist, ich kann dich einfach nicht verlieren.“, flüsterte er und schloss erneut die Augen.

„Ich werde mein Herz verlieren, wenn ich dir deine Seele zurückgebe.“

Und dann schrie er auf, von blindem, unfassbarem Schmerz gepeinigt. Automatisch ließ er von ihr ab, stieß sie von sich und krümmte sich unter unfassbaren Schmerzen zusammen. Er bekam keine Luft mehr. Verdammt, was war los mit ihm? Er riss sich das Hemd vom Körper, in der irrsinnigen Annahme, er würde dadurch besser atmen können, doch es änderte natürlich nichts.

Er fluchte, sofern er dazu noch in der Lage war, die Atemnot trieb ihm Tränen in die Augen. Er hatte gesagt er würde sein Herz verlieren, doch im Moment fühlte es sich an, als würde ihm jemand seine Seele mit brachialer Gewalt entreißen. Ihm war als würde sein Körper jeden Augenblick zerbrechen.

Akiko schlang panisch die Arme um sich selbst, zog die Beine an und versuchte dadurch verzweifelt seine Seele oder was immer man ihm gerade rauben wollte, zu behalten. Eine neue Schmerzwelle brach über ihm zusammen, raubte ihm fast das Bewusstsein.

Und dann als er wirklich aufgeben wollte, als er keine Möglichkeiten mehr hatte sich selbst weiterhin zu schützen, war es vorbei. Stille umgab ihn und er lag vollkommen erschöpft und am ganzen Körper zitternd auf seinem Bett und pumpte soviel Luft in seine Lungen wie er nur konnte.

„Akiko-sama.“ Erst jetzt nahm er Jamies Stimme wieder deutlich war. Er hob eine Hand um Jamie zu signalisieren, dass wieder alles in Ordnung war.

„Ich muss zu meiner Mutter.“ Die Worte kamen nur stoßweiße aus seiner Kehle. Sein ganzer Körper schmerzte als hätte er gerade einen wirklich Kampf hinter sich. Mühsam richtete er sich auf. Jamie kam an seine Seite und half ihm dabei.

„Habe ich dir weh getan?“, fragte er leise, als er sich auf sie stützte um aufzustehen.

Sie schüttelte nur ihren Kopf und stützte sein Gewicht so gut sie es zu tun vermochte.
 

Rijan blinzelte verwirrt und wurde sich im nächsten Moment bewusst, dass sie auf dem Boden lag. Ihr Kopf dröhnte und schmerzte, sie musste hart aufgeschlagen sein. Ihr Körper zitterte und ließ sich nicht unter Kontrolle bringen. Besorgte roten Augen starrten auf sie nieder.

„Bewege dich nicht.“, ordnete Chidori an und Rijan hätte darüber beinahe gelacht. Nicht, dass sie besonders gerne Befehlen nachkam, aber im Moment hätte sie sich nicht einmal bewegen können, wenn ihr Leben davon abgehangen hätte.

Sie schnaufte heftig und starrte benommen an die Decke. Langsam versuchte ihr Verstand sich ein Bild zu machen. Hatte sie das Bewusstsein verloren? Nein, das war es nicht gewesen. Ihr war seltsamerweise bewusst, dass sie nicht in Ohnmacht gefallen war und doch schien sie sich nicht erinnern zu können, was geschehen war. Im einen Moment hatte sie noch auf ihrem Stuhl gesessen, etwas Fisch gegessen und einen Becher Wasser in die Hand genommen und im nächsten war die Hölle über ihr hereingebrochen. Sie hatte mit Chidori über ihren neuen Lebensweg gesprochen. Richtig, dass sie nichts mehr fühlte und endlich wusste, was sie zu tun hatte und welch Ironie des Schicksals: Im nächsten Moment war es mit der Surrealität vorbei gewesen und ein derartig heftiger seelischer Schmerz war über ihr zusammengebrochen, dass sie nicht einmal einen Augenblick Zeit gehabt hatte um sich auf diesen Angriff vorzubereiten. Die Welle war über sie hinweggeschwappt, hatte alle Mauern eingerissen und sie ungeschützt zurückgelassen.

Und nun lag sie hier auf dem Boden - zu betäubt um etwas fühlen zu können. So viele Emotionen waren über sie hinweggerollt, dass sie im Moment vollkommen überfordert war. Sie hatte in letzter Zeit viel Schmerz durchlitten und so unerträglich er auch gewesen war, sie hatte ihn gefühlt. Jetzt jedoch war es anders. Sie wusste nicht, was anders war, aber dieses Gefühl, dass sich ihrer bemächtigt hatte, war anders gewesen. Seltsam und kein bisschen vertraut. Und nun war es wieder fort. Oder fühlte sie es nur nicht, weil sie noch unter Schock stand.

Rijan fühlte wie Chidori sie sicher umfasste und langsam in eine aufrechte Position zog.

„Es geht mir gut.“, meinte Rijan und wurde sich darüber klar, dass dem wirklich so war. Ihr war etwas flau im Magen und ihre Knie zitterten, aber ansonsten schien sie in Ordnung zu sein. Was immer der Anfall gewesen war, er war vorüber. Das seltsame war nur, dass sich ein Teil in ihr an etwas erinnern wollte. Sie wusste nur nicht mehr an was. Das Stirnrunzeln verursachte ihr Kopfschmerzen und so setzte sie sich wieder auf den Stuhl, den Chidori ihr zurechtrückte. Anschließend reichte sie ihr einen Becher mit frischem Wasser.

„Es wäre nett, wenn du ihn dieses Mal trinken würdest.“ Hatte sie je zuvor erlebt, dass Chidori einen Anflug von Humor hatte?

„Ich bemühe mich.“, meinte Rijan mit unsicherer Stimme und kippte das kühle Nass ihre trockene Kehle hinunter.

„Hast du das gemeint, als du sagtest, es wird nur von vorübergehender Dauer sein?“ Sie betastete vorsichtig ihren Hinterkopf und zuckte abrupt zusammen, als sie die schmerzhafte Stelle berührte.

Chidori kam nicht dazu auf diese Frage zu antworten. Die Tür wurde aufgestoßen und hereinkam ein deutlich wankender Akiko, der sich stark auf Jamie stützen musste, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Chidori stand mit gerunzelter Stirn da und betrachtete ihren Sohn und dann wieder Rijan. Er also auch? Was hatte das zu bedeuten?

Rijan folgte Chidoris Blick und sah Akiko aus großen Augen an. Er erwiderte ihren Blick nicht minder verwirrt. Und plötzlich, als sie in seine goldenen Augen sah, ergab alles einen Sinn und Rijan fuhr wie von der Tarantel gestochen auf, nur um zu merken, dass ihr Kopf diese abrupte Bewegung nicht guthieß. Sie keuchte schmerzhaft, ehe sie sich wieder von Chidori auf ihren Stuhl drücken ließ.

„Sesshoumaru.“

Richtig, das war es gewesen, was ihr Verstand ihr hatte sagen wollen. Der Schmerz, der sie überrollt hatte, war nicht ihrer gewesen. Sie hatte nur solange keine Empfindungen mehr von ihm wahrgenommen, dass sie es vergessen hatte. Ein Teil seiner Macht schlummerte in ihr. Sie konnte seine Empfindungen wahrnehmen, wenn sie sich konzentrierte. Sie wusste allerdings nicht, dass sie das auch auf große Entfernungen konnte, denn sie ging nicht davon aus, dass Sesshoumaru noch in der Nähe war.

Sie blickte zurück zu Akiko, der sich schwerfällig an die Wand lehnte und versuchte das Zittern seiner Glieder unter Kontrolle zu bringen. Sie konnte sehen wie seine Augen kurzzeitig tiefrot wurden, bemerkte jedoch auch, dass er nun offenbar in der Lage war, diese Verwandlung zu kontrollieren. Ganz so wie sein Vater das konnte. Kurz ließ sie das Lächeln.

„Ich hätte wissen sollen, dass es nur Nachteile hat, der Sohn meines Vaters zu sein.“, meinte er schließlich entnervt und blickte zurück zu Rijan.

„Erklärst du mir, was das gewesen ist? Du hast es offenbar auch gefühlt.“

Sie nickte, brauchte aber einen Moment, bis sich die Gedanken in ihrem Kopf geordnet hatten.

„Ich kann fühlen, was dein Vater fühlt. Ein Teil seiner Seele ging vor einigen Monaten auf mich über, seit dem habe ich diese innere Verbindung zu ihm. Die kann ich allerdings nur wahrnehmen, wenn ich selbst im Einklang mit mir bin. Ansonsten ist alles zu verwirrend.“ Sie schloss kurz die Augen und versuchte sich auf ihn zu konzentrieren, doch nichts geschah.

„Es geschah allerdings noch nie, dass mich etwas von ihm so derart überrollt hat.“ Sie schauderte, als sie an die Schmerzen dachte.

„Ich dachte jemand entreißt mir meine Seele, bis mir später klar wurde, dass es nicht meine Seele war, die man mir entreißen wollte.“ Ihre Blicke trafen sich und er schluckte schwer. Er hatte keine solche Verbindung zu seinem Vater wie Rijan sie hatte. Daran hatte vermutlich auch die jüngsten Erlebnisse nichts geändert. Und dennoch fiel ihm erst jetzt wieder ein, dass dies nicht der erste solcher Momente war. Als sein Vater hier angekommen war, hatte er gewusst, dass er verletzt war. Akikos Schulter hatte sich irgendwann verfärbt, ohne dass ihm etwas passiert gewesen wäre. Er hatte kurzzeitig einen heftigen Stich verspürt ehe seine Körper dann die Verfärbungen gezeigt hatte. Er hatte nicht genau gewusst, was das bedeuten sollte, klar geworden war es ihm erst, als sein Vater schließlich vor ihm gestanden hatte und er seine Vermutung bestätigt bekam.

Durchlitt sein Vater besonders heftige Schmerzen, so fühlte er diese. Manchmal auch mit körperlich sichtbaren Folgen. Es dauerte bis ihm klar wurde, was das bedeutete.

„Er steckt in Schwierigkeiten.“, murmelte er und konnte diese Aussage doch nicht ganz begreifen. Er hatte ohne Zweifel gefühlt, dass dem so war, doch erschien es ihm unvorstellbar, dass Sesshoumaru - dieser mächtige und eigensinnige Dämon - auf Hilfe angewiesen sein könnte. Auf seine Hilfe? Was konnte Akiko schon bewirken? Er war soviel schwächer als sein Vater. Und doch, er musste etwas unternehmen. Sesshoumaru war nach wie vor sein Vater. Er konnte doch nicht zulassen, dass ihm etwas passierte? Es musste einen Grund geben, dass er das gefühlt hatte. Eine Gänsehaut überzog ihn, als er an dieses furchtbare Gefühle zurückdachte. Er hatte wirklich geglaubt, jemand würde ihm seine Seele entziehen.

Rijan saß schweigend auf ihrem Stuhl und ließ die Worte auf sich wirken. Richtig, Sesshoumaru steckte offenbar in ganz gewaltigen Schwierigkeiten. Wut überfiel sie so unerwartet, dass sie nicht anders konnte, als sie herauszulassen. Sie gab einen wütenden Laut von sich, nahm den Becher, aus dem sie vor kurzem noch getrunken hatte und schleuderte ihn quer durch den Raum. Er fiel mit einem dumpfen Knall auf den Boden. Beinahe hätte sie deswegen lachen müssen. Mein Gott, ihr Körper schien keinerlei Kraft mehr zu haben.

„Dieser Mistkerl.“, fluchte sie, doch die Beleidigung klang nicht aufrichtig. Ihre Stimme brach bei den Worten.

Akiko bedachte sie mit einem skeptischen Blick und sie seufzte resigniert.

„Er hat das gewusst.“, meinte sie schlicht und starrte wieder auf ihre Hände.

„Mein Training.“ Akiko schien zu dämmern, was sie hatte sagen wollen. Richtig, wenn sie nicht so abgelenkt gewesen wäre, hätte sie das auch längst wieder gewusst. Sie hatte es gefühlt, dass ihn etwas beunruhigt hatte. Er hatte seinen Sohn unbarmherzig auf einen Kampf vorbereitet. Er hatte Rijan einen neuen Kampfanzug geschenkt. Auch das hatte sie längst wieder vergessen. Sie war damals wütend gewesen, jetzt fiel es ihr wieder ein. Weil er ihr einfach nur zu verstehen gegeben hatte, ein neuer Kampf stand bevor. Einfach so. Ohne weitere erklärende Worte hatte er ihr das durch diese simple Geste mitgeteilt. Verdammt, wie hatte ihr das entfallen können? Er hatte sie neulich Abend verlassen wollen, auch das hatte sie gefühlt und doch wieder vergessen. Er hatte die ganze Zeit gewusst, dass etwas in der Luft lag. Er hatte nach etwas oder jemandem gesucht, auch daran erinnerte sie sich nun wieder.

„Chikuso, chikuso, chikuso.“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Wie hatte das passieren können? Sie hatte Nebensächlichkeiten so wichtig werden lassen und dabei das Wichtigste außer Acht gelassen. Auf seine ganze eigene Art hatte Sesshoumaru ihr unmissverständlich klar gemacht, dass ein schwerer Kampf bevorstand, vermutlich sogar ein noch schwerer als den, den sie noch nicht all zu lange hinter sich gelassen hatten. Sämtliche Farbe wich aus ihrem Gesicht. Was in aller Welt konnte noch schlimmer sein, als die komplette Verschwörung der Dämonen und Menschen gegen Sesshoumaru selbst?
 

Während sowohl Akiko als auch Rijan diese Erkenntnisse erlangten und sich in endlosen Flüchen übten, stand Chidori etwas abseits. Sie hatte sich mit jedem gesprochenen Wort etwas weiter zurückgezogen und war über den Schutz, den der Schatten der Wand ihr gewährte, äußerst dankbar.

Schweigend stand sie da und betrachtete die beiden jungen Leute, die verschiedener nicht hätten sein können. Der eine ein Dämon, die andere ein Mensch. Mann und Frau, Akiko, der Ältere, vom Verstand her noch so viel jünger, Rijan, die Jüngere, mit Augen die so viel älter waren als sie selbst. Unterschiede, die deutlicher nicht hätten sein können. Rijan war es gewohnt zu kämpfen. Sie strahlte diese Aura aus. Akiko hatte in seinem ganzen Leben noch nie kämpfen müssen um sich selbst zu retten, geschweige denn, dass er jemals einen anderen gerettet hätte. Unterschiede, deutlich sichtbare Unterschiede.

Und doch verband sie etwas, das größer war als jeder Unterschied jemals hätte sein können. Sie beide waren die einzigen Wesen auf dieser Erde, die für Sesshoumaru von Wichtigkeit waren. Die einzigen, die ihm so wichtig waren, dass er sie ein Teil seiner selbst fühlen ließ.

Chidori lebte bereits zu lange auf dieser Erde und kannte diesen Dämon besser als jedes andere Geschöpf, als dass sie nicht wüsste, dass es kein Zufall oder Schicksal war. Sesshoumaru allein konnte bestimmen, wer in der Lage war ein Teil seiner selbst aufzunehmen.

Nein, sie beneidete bestimmt niemanden darum, derartig intensive Gefühle oder Schmerzen eines anderen wahrzunehmen, doch jetzt in diesem Augenblick, während sie die beiden Wesen betrachtete, die beide noch vollkommen mitgenommen waren, empfand sie erstmals ein Gefühl, von dem sie nicht gedacht hätte, dass sie es jemals fühlen würde. Und doch konnte sie den Stich der Eifersucht, der das letzte bisschen ihres Herzens verglühte, deutlich erkennen.

Sie hatte schon lange keine Hoffnung mehr. Sie war nicht so vermessen oder so naiv an Vergebung zu denken, doch genau jetzt wurde ihr klar, dass sie verloren hatte. Dass sie für immer verloren hatte.

Sie blickte zu ihrem Sohn und kämpfte tapfer gegen ihre eigenen Tränen an. Noch etwas, mit dem sie nicht gerechnet hatte. Ihre Tränen waren längst versiegt, doch heute würde sie sich ein letztes Mal dieser Schwäche hingeben. Sie würden also kämpfen.

Ein müdes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht und erstmals seit vielen, vielen Jahren wurde sie ganz ruhig. Sesshoumaru hatte sie ausgeschlossen, das war nicht neu. Sie hatte es auch nicht anders verdient. Es geschah ihr Recht, dass sie mitansehen musste, wie andere ihm wichtig waren, während er an sie nicht einmal einen Gedanken verschwendete. Doch die Ruhe in ihrem Inneren rührte daher, dass sie von dem Moment an, als er ihr Schlafzimmer betreten hatte, gewusst hatte, dass dies das Ende sein würde. Es hatte gedauert bis ihr das wirklich klar geworden war, doch im Grunde hatte sie es gefühlt, seit sie ihn wiedergesehen hatte. Und vermutlich hatte er das auch gewusst. Dazu hatte sie keine innere Verbindung oder sonst etwas gebraucht. Es war die ihr angeborene Macht, die sie das hatte wissen lassen.

Sie war dankbar für den Frieden, der endlich nach all der Zeit in ihr einkehrte. Sie war so unsagbar müde geworden über die Jahre hinweg. Doch nun würde es endlich vorbei sein. Dieser bevorstehende Kampf würde alles ändern.

Sie fühlte wie alles in ihr zu Kribbeln begann. Wie die lange unterdrückte Macht zurück an die Oberfläche kam. So viel stärker, als sie damals gewesen war. Damals als Chidori ihre eigene Macht versiegelt hatte. Der Schwur endete hier und heute.

Sie ließ das Gefühl über sich hinwegrollen, erfreute sich an dem Kribbeln, dass es verursachte. Sie fühlte sich lebendig. So lebendig wie schon eine Ewigkeit nicht mehr.

Sie wandte ihren Blick von Akiko ab und betrachte Rijan einen Augenblick lang. Wer hätte gedacht, dass sie diejenige war, die den Frieden in dieses Haus zurückbrachte? Chidori lächelte flüchtig. Nicht mehr lange und es würde endlich vorbei sein.

Das war der Grund, warum sie Rijan ins Leben zurückgeholt hatte. Damit sie endlich den Fluch von ihr nahm.
 

Fortsetzung folgt ...
 

Und? Wie findet ihr die Entwicklung? Würd mich im besonderen Mal interessieren, ob es jemandem bewusst damals aufgefallen ist, dass Akiko eine Verletzung seines Vaters hatte, als sie sich gegenüberstanden? <ich weiß, lang ists her, aber ihr seht ich arbeite vorausschauend ^^> Gott, mir sind die Charas so ans Herz gewachsen.
 

Aber gut, ich lass euch zu Wort kommen. Ich möchte mich auf diesem Wege mal wieder ausdrücklich dafür bedanken, dass ich eine derartig treue Leserschaft habe,die mich auf diesem langen Weg nun schon begleitet und nie die Geduld mit mir verliert. Das ist das tollste Kompliment, dass man mir machen kann. Domo arigato. Ich ziehe den Hut vor euch.
 

Mata ne

Rogi <die etwas sentimental ist, weil Chi ihr grad so nah geht>

Schicksal

Konnichiwa meine treuen Leser,
 

ich weiß ich wiederhole mich, aber da ich weiß, was ich euch zumute, freut es mich jedes Mal aufs neue, dass diese Story einigen wenigstens so wichtig zu sein scheint, dass sie trotz der ZEit, die ich immer brauche, um was neues hochzuladen, treu dabeibleiben und mich so lieb unterstützen. Ich erachte das nicht als selbstverständlich und verneige mich in tiefster Dankbarkeit vor euch. Immerhin habe ich dieses Mal an die 10 Seiten (Word-Format) fertig bekommen.
 

Viel Spaß damit:
 

Unschlüssig stand Rijan vor der Matratze, auf der sie normalerweise schlief. Ihr neuer Kampfanzug lag ausgebreitet darauf. Er schimmerte im Licht der Sonne in einem warmen Ockerton. Sie genoss den Anblick, konnte sich aber nicht überwinden, die Hand nach dem anschmiegsamen Stoff auszustrecken. Es erschien ihr ein früheres Leben gewesen zu sein, in dem sie ständig gegen Dämonen gekämpft hatte. Und wenn sie darüber nachdachte, war dies auch nicht so falsch. Es war noch nicht lange her, da war sie in Sesshoumarus Armen, an seiner Seite, gestorben. Dies war ein neues Leben. Es hätte ihre Chance sein können, mit Dingen abzuschließen, die nie mehr als eine Pflicht oder Aufgabe gewesen waren. Und doch … während sie nun hier in ihrem Zimmer stand und auf Sesshoumarus Geschenk hinab schaute, da stellte ein Teil ihrer Seele diese eine Frage: War es nicht doch mehr als nur Pflicht gewesen? Pflicht und Schuld das waren die Gründe gewesen, warum sie einst in die Fußstapfen einer Dämonenjägerin getreten war. In Fußstapfen, die ihr viel zu groß erschienen waren. Doch das war bereits Jahre her. Seit dem hatte sich viel verändert. Sie hatte Jahre lang Dämonen gejagt und unzählige zur Strecke gebracht. Irgendwann war es nicht mehr nur eine Schuld gewesen, irgendwann hatte sie es getan, weil irgendjemand es hatte tun müssen. Und doch, jetzt an der Seite eines Dämon, im Haus eines Dämons, jetzt war es ihr nicht mehr ohne weiteres möglich in ihre alte Rolle zurückzuschlüpfen. Nicht zum ersten Mal wurde ihr das bewusst. Nur hatte sie nicht gedacht, dass sie sich so schnell damit auseinander würde setzen müssen.

Sie seufzte tief und griff schließlich nach dem Anzug. Langsam streifte sie ihn über und begann die vielen Panzer und Bänder anzulegen. Ihre Finger arbeiteten wie von allein, als hätte sie diesen Anzug nie ausgezogen. Als hätte sie nie aufgehört, eine Dämonenjägerin zu sein. Und doch, in ihrem Inneren fühlte es sich falsch an. Dies war der Anzug einer Jägerin, doch sie war nicht länger eine Jägerin. Sie wusste auch, dass sie nie wieder eine würde sein können. Zu sehr war sie in die Welt der Dämonen verstrickt. Sie liebte immerhin einen. Wie sollte sie da seinesgleichen weiterhin vernichten können? Ein Lachen entrann ihrer Kehle. Seinesgleichen? Nein, niemand auf dieser Welt war wie Sesshoumaru. Nicht einmal sein Sohn war wie dieser stolze Dämon. Dieser stolze und sture Dämon, wie Rijan sich nicht verkneifen konnte, hinzuzufügen.

„Hast du nie daran gedacht, dass deine Vergangenheit dich nur auf das hier hat vorbereiten sollen?“ Akikos Stimme drang von der Tür zu ihr durch. Sie drehte sich nicht zu ihm um. Sie hatte seit Minuten gewusst, dass er hier war. Sie fühlte seine Anwesenheit. Nein, sie fühlte es nicht. Sie konnte Sesshoumaru fühlen, das war etwas anderes. Akiko umgab eine Ausstrahlung, eine Aura, die die Aufmerksamkeit auf ihn zog. Das konnte sie spüren, sobald er sich näherte. Niemand konnte einen Dämon, ein Geschöpf wie Akiko ignorieren. Gleichzeitig wurde ihr bewusst, wie schlecht das für einen Dämon war, der eigentlich im Verborgenen leben sollte. Zumindest noch eine Zeit lang.

Langsam ging Rijan zu einem Spiegel. Sie band den Gürtel fest um ihre Taille und verstaute ihr Schwert daran. Dann blickte sie sich im Spiegel an. Minutenlang sagte sie nichts, bewegte sich nicht einmal. Früher hatte sie einen anderen Anzug getragen. Sie hatte längere Haare gehabt und war nicht so dünn gewesen. Sie war ein anderer Mensch gewesen. So einfach war das. Nun blickte sie ein fremdes Geschöpf an. Jemand, der nicht sie war und doch ihr seltsam vertraut erschien. Sie strich sich die Haare hinter die Ohren und wurde sich gleichzeitig bewusst, dass die kurzen Haare sie im Kampf stören würden. Dennoch konnte sie daran nichts ändern. Der Anzug schmiegte sich an sie wie eine zweite Haut zeichnete deutlich ihre Gliedmaßen und Rippenknochen ab. Sie sollte wirklich mehr essen. Die Schatten unter ihren Augen verliehen ihr ein gespenstisches Aussehen. Dunkle Augen, die sie aus einem blassen Gesicht anstarrten. Vermutlich war sie noch blasser geworden, seit sie sich betrachtete.

„Hast du?“

Sie erinnerte sich daran, dass Akiko sie etwas gefragt hatte und konzentrierte sich auf eine Antwort. Doch ihr Blick blieb an ihrem Spiegelbild haften. War es möglich, dass ihre Vergangenheit wirklich nur dazu gedient hatte, sie darauf vorzubereiten, nun hier und heute für Sesshoumaru in den Kampf zu ziehen? In einen Kampf, den sie nicht einmal benennen konnte? Von dessen Gegner sie nichts wusste? Was wäre aus ihr geworden, wenn sie sich niemals von Sesshoumaru getrennt hätte? Wenn sie immer bei ihm geblieben wäre. An seiner Seite erwachsen geworden wäre? Es war müßig darüber nachzudenken. Ihr Leben war nun einmal anders verlaufen. Es hatte aus ihr das gemacht, was sie nun anstarrte. Dieses Geschöpf, das sie selbst ein wenig ängstigte. Sie war so lange damit beschäftigt gewesen, das Leben einer anderen fortzuführen, die Mission, die selbstauferlegte Pflicht zu erfüllen, dass sie wohl wirklich vergessen hatte, wer sie war. Und nun, hier in ihrer eigenen Uniform, in ihrem eigenen Gewand, blickte sie zum ersten Mal seit sehr langer Zeit in das Gesicht der Frau, zu der sie geworden war. War es das, was Sesshoumaru damit auch bezweckt hatte? Ihr ihre eigene Identität zurückzugeben? Es würde ihm ähnlich sehen, durch kleine Dinge Großes zu bewirken. Ohne viel Worte darum zu machen. Sesshoumaru war kein Freund von Worten. Mittlerweile konnte sie verstehen warum. Worte konnte man auslegen, sie ließen einen Spielraum zu. Eine konkrete Tat war etwas handfestes, etwas unwiderrufliches. Eine Tat sagte mehr als tausend Worte es jemals konnten. Und mittlerweile war sie erstaunlich gut darin, zu verstehen, was er ihr damit klar machen wollte. Sie hatte diesen Anzug nicht einfach so bekommen. Es war an der Zeit sie selbst zu sein. Zu tun, was sie für richtig hielt, was ihr Herz, ihre Seele ihr sagte.

Entschlossen blickte sie sich im Spiegel an, starrte in ihre Augen und schluckte. Richtig, sie wusste, was zu tun war. Womöglich war es wirklich Schicksal, dass sie heute hier stand. Dass sie diese Uniform trug und wusste, was sie zu tun hatte. Vielleicht war es aber auch nur ein Zufall. Es spielte keine Rolle. Sie wusste, was die Stunde geschlagen hatte. Es war an der Zeit aufzuwachen. Die Vergangenheit ruhen zu lassen und sich darauf zu konzentrieren, was sie eigentlich wollte. Ihr neues Leben zu beginnen. Es würde keine Irrungen und Wirrungen mehr geben. Sie wusste nun, was zu tun war. Sie war keine Jägerin mehr. Sie würde wirklich nie wieder eine sein. Das hier war nicht die Uniform einer Dämonenjägerin. Das hier war was sie wollte. Es war neu, sie konnte damit anstellen was ihr in den Sinn kam. Und sie hatte sich entschieden. Es war der Anzug einer Kämpferin, einer Kriegerin, wenn man so wollte und sie würde damit für das kämpfen, was ihr lieb und teuer war. Sie würde für und um Sesshoumaru kämpfen.

Langsam drehte sie sich um und blickte in Akikos Gesicht. Er lächelte.

„Liest du meine Gedanken?“, fragte sie und erwiderte sein Lächeln.

Akikos schüttelte seinen Kopf.

„Das ist nicht nötig. Man sieht es in deinem Gesicht.“ Er stieß sich von dem Türrahmen ab und schickte sich an das Zimmer zu verlassen. „Dann lass uns gehen.“
 

Chidori stand mit geschlossenen Augen auf der Treppe vor dem Haus. Sie atmete tief die frische, klare Luft ein. Sie hörte das Rauschen der Blätter im Wind, fühlte wie eine Luftbrise ihre Haut streichelte und ein angenehmes Kribbeln darauf zurückließ. In der Ferne hörte sie einige Menschen ein Tier jagen. Sie runzelte die Stirn und konzentrierte sich mehr. Richtig, sie jagten einen Bären.

Ein leises Knarren hinter ihr, verkündete ihr die Ankunft ihrer Begleiter. Sie drehte sich herum und blickte ihren Sohn an. Entschlossen schüttelte sie ihren Kopf.

„Du wirst nicht mitgehen.“, erklärte sie entschieden. Akikos goldene Augen verdunkelten sich, während Zorn in ihm aufwallte.

„Das hast du nicht zu entscheiden.“

Chidori ging einen Schritt auf ihn zu und berührte mit ihrer inneren Handfläche seine Wange. Einen Moment verharrte sie schweigend.

„Du bist mein Sohn. Selbstverständlich ist das meine Entscheidung.“

Akiko schüttelte seinen Kopf und unterband damit die Berührung seiner Mutter.

„Du bist noch nicht so weit, Akiko. Das weißt du so gut wie ich.“

Er streckte seinen Rücken durch, wollte dadurch autoritär wirken, doch es verfehlte seine Wirkung. Chidori konnte man nicht einschüchtern. Sie blickte ihn wie ein störrisches Kind an.

„Er braucht meine Hilfe.“, beharrte er. Hilfesuchend blickte er zu Rijan, die neben ihm stand, doch deutlich konnte er sehen, dass er das alleine auszufechten hatte.

„Er braucht alle Hilfe, die er bekommen kann. Das ist sicher. Aber wenn ich mir um dich Sorgen machen muss, dann kann ich ihm nicht wirklich helfen.“

Akiko machte einen Schritt auf seine Mutter zu und umfasste ihre Schultern.

„Ich werde nicht hier bleiben. Du kannst mich dazu nicht zwingen.“ Er schluckte kurz. „Wenn ich nicht mit euch gehe, wird er mich nicht mehr als seinen Sohn anerkennen. Du kennst ihn.“

Er sah das Zögern in ihrem Blick und wusste, dass er gewonnen hatte. Sesshoumaru konnte Schwäche nicht ertragen. Blieb Akiko zurück, dann würde das unweigerlich so aussehen, als wäre er schwach. Und Sesshoumaru hatte kein schwaches Kind.

Chidori blickte ihren Sohn schweigend an. Sie wollte nicht, dass er sie begleitete. Etwas in ihrem Inneren schrie bei dem Gedanken daran so deutlich auf, dass sie das nicht einfach ignorieren konnte. Chidori lebte zu lange auf dieser Erde, um ihre innere Stimme einfach zu ignorieren. Bei einem so deutlichen Gefühl hatte das etwas zu bedeuten. Sich gegen eine Vorahnung zu stellen, würde übel enden. Das wusste sie und doch stand sie hier und blickte ihren Sohn an. Sah wie wichtig es ihm war, nicht als Schwächling vor seinem Vater zu stehen. Wie hätte sie ihm das verwehren können? Natürlich hatte er Recht. Es gäbe keine Basis mehr für Akiko und Sesshoumaru, wenn er nicht mit kam. Wenn er nicht bei dem half, was vor ihnen lag. Und doch schrie es so laut in ihr auf, dass sie davon Kopfschmerzen bekam.

„Chikuso!“, fluchte sie leise und drehte ihm den Rücken zu. Sein Lächeln fühlte sie trotzdem.

„Baka.“, murmelte sie und war sich nicht sicher, ob sie ihn meinte oder doch sich selbst.

Ein Schatten fiel auf sie, als Rijan neben sie trat.

„Ich beschütze ihn. Das verspreche ich dir.“

Erstaunt blickte sie diesen einfachen Menschen neben sich an. Sie hätte gelacht, wenn sie nicht den Ton in Rijans Stimme vernommen hätte. Wie konnte ein Mensch einen Dämon beschützen? Wie vermessen musste ein Mensch sein, so etwas ernsthaft in Erwägung zu ziehen und doch strahlte von diesem schwachen Wesen etwas aus, dass Chidori nie zuvor bei einem Menschen gesehen hatte. Bei keinem der Dämonenjäger, die gekommen waren, um sie zu vernichten, hatte sie jemals eine solche Aura gefühlt. Eine solche Willensstärke. Nachdenklich blickte sie Rijan nach, als diese sich in Bewegung setzte und die Stufen hinunterging.

Ein Mensch, ein einfacher Mensch und doch war es ihr gelungen, Chidori einen Moment lang zu beruhigen. Denn wenn sie etwas in den vergangenen Wochen gelernt hatte, dann dass zumindest Rijan nicht zu den Menschen zählte, die große Worte spukten, ohne deren Bedeutung zu kennen. Was Rijan sagte, kam aus ihrem Herzen und hatte deshalb Gewicht. Manchmal vermutlich sogar mehr Gewicht als die Worte, die Chidori selbst gelegentlich aussprach.

Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht, als sie den beiden schließlich folgte.
 

Sie marschierten mehrere Tage und Nächte, rasteten meist nur kurz und nur, wenn es unbedingt nötig war. In der Regel war dies der Fall, wenn Rijan keine Energie mehr hatte. Sie machte einmal mehr die Erfahrung, wie viel schwächer ein Mensch im Vergleich mit einem Dämon war. Akiko zeigte zwar so viel Anstand, dass er auch vorgab, etwas Schlaf zu brauchen, doch wusste Rijan genau, dass dem nicht so war. Chidori machte daraus nicht einmal einen Hehl und verfiel zurück in ihre alte Art, Menschen das Gefühl zu geben, nicht mehr als lästige Fliegen zu sein, die sie zerdrücken konnte, sobald ihr danach war. Dennoch hatte sich etwas zwischen den beiden Frauen geändert. Rijan fühlte es deutlich. Als wäre in Chidori eine Mauer eingestürzt, als hätte sie endlich ihren Frieden gefunden. Gelegentlich hatte Rijan sogar den Eindruck, Chidori hätte sich vom Leben praktisch verabschiedet. Als würde sie ihre letzte Reise antreten. Dieser Gedanke stimmte sie nachdenklich, denn sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Andererseits schien Akiko nichts derartiges zu fühlen. Und er war immerhin ihr Sohn. Ihm müsste auffallen, wenn etwas so gravierendes in seiner Mutter vorgegangen wäre. Das beruhigte sie etwas, dennoch wurde sie den Gedanken nicht mehr los und ertappte sich öfter dabei, wie sie Chidori beobachtete. Ihre Bewegungen, ihre Reaktionen analysierte. Die Art wie sie mit ihrem Sohn umging. Es wirkte nichts daran wirklich verdächtig, dennoch beunruhigte es Rijan. Ihr Instinkt war in den letzten Wochen schwächer geworden, dass er sich nun so deutlich regte, musste etwas bedeuten. Sie konnte sich das unmöglich einbilden.

Als Rijan einmal neben Akiko ging, ertrug sie es nicht länger, nicht darüber zu sprechen.

„Kommt dir deine Mutter nicht anders vor?“

Akiko hatte einen kleinen Ast vom Boden aufgehoben und fuchtelte geistesabwesend damit herum.

„Anders?“ Er lachte leise und blickte zu seiner Mutter, die in einiger Entfernung vor ihnen ging. „Dir fällt erst jetzt auf, dass meine Mutter grundsätzlich anders ist?“

Rijan verzog das Gesicht und schüttelte ihren Kopf.

„Ich meine das ernst. Etwas an ihr ist anders.“

Er klopfte mit dem Ast an sein Bein.

„Sie scheint ihren Groll auf dich niedergelegt zu haben. Vielleicht ist es das, was dich verwirrt.“

Rijan dachte eine Weile darüber nach. Konnte es damit zusammenhängen? Gelegentlich ließ Chidori noch Spitzen in ihre Richtung ab, doch erschien es Rijan wirklich so, als wollte die Dämonin dadurch einfach nur ein Bild aufrecht erhalten. Die Sticheleien waren nicht mehr so boshaft wie noch vor einigen Tagen.

„Hm, vielleicht hast du Recht.“

„Ganz bestimmt sogar. Sie ist meine Mutter, ich würde wissen, wenn sich etwas grundlegend geändert hätte.“

Akiko legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Einen Augenblick lang lauschte er schweigend, ehe er sich kurz schüttelte und Rijan am Ellenbogen ergriff.

„Und nun komm, wir müssen weiter.“
 

Rijan wälzte sich unruhig auf dem harten Boden. Sie hatten eine Rast eingelegt und sich zum Schlafen niedergelegt. Seit vier Tagen waren sie nun unterwegs und Rijan hatte die Müdigkeit gequält bis sie keinen Schritt mehr hatte tun können. Es hatte ihr einen abfälligen Blick Chidoris eingebracht, als sie darum gebeten hatte, in dieser Nacht eine Pause einzulegen.

Ursprünglich hatte die Dämonin dem Wunsch nicht stattgeben wollen, doch ein Blick von Akiko hatte genügt um ihre Meinung zu ändern. Rijan rollte sich auf den Rücken und starrte in die Dunkelheit. Sie konnte das Rauschen der Baumwipfel hören, ohne sie zu sehen. Die Nacht war dunkel, es war Neumond und einen Augenblick lang war Rijan versucht ihre innere Unruhe auf diese Tatsache zu schieben. Doch sie wusste natürlich, dass dies nichts damit zu tun hatte. Es ängstigte sie mehr als sie sagen konnte, dass sie von Sesshoumaru nichts mehr spürte. Seit diesem Überfall auf ihr Inneres schien er wie verschwunden zu sein. Als würde es ihn nicht mehr geben. Sie verdrängte diesen Gedanken die meiste Zeit über, doch nun im Schutz der Dunkelheit, krochen Zweifel und Angst in ihr von Einsamkeit zerfressenes Herz und fanden dort nahrhaften Boden. Mit einem Mal schien sie der Gedanke, Sesshoumaru auf so schreckliche Art verloren zu haben, unerträglich. Die Möglichkeit, dass ihre letzte Begegnung mit ihrem Verrat zu tun hatte. Dass sie nicht einmal mehr die Chance hatte, ihm zu erklären, was geschehen war. Ihn nicht um Verzeihung bitten zu können. Ihr Herz fing an zu rasen und ihre Kehle schnürte sich abrupt zu. Keuchend und nach Luft ringend setzte sie sich auf und versuchte ihre Atmung unter Kontrolle zu bringen. Sie schloss die Augen, doch sofort begann sich dann alles um sie herum zu drehen. Sie fühlte, wie sie fiel und öffnete panisch wieder ihre Augen.

„Tief einatmen.“ Eine Stimme drang aus einiger Entfernung zu ihr durch und nach einem Augenblick des Zögerns schien sie darauf zu hören und tief Luft in ihre Lungen zu pumpen. Sie wiederholte dies ein paar Mal und schien dadurch ruhiger zu werden. Ihr war noch etwas schwindelig, doch das Gefühl zu fallen, schien verschwunden zu sein.

Langsam stand sie auf und ging zu dem schwachen Schein des Lagerfeuers hinüber. Chidori saß mit dem Rücken zu ihr dort und starrte in die Flammen. Ihre Hände waren zu dem Feuer gestreckt, als schien sie sich wärmen zu wollen. Dennoch strahlte sie soviel Kälte aus, dass wohl kein Feuer der Erde ihr in dieser Nacht Wärme spenden konnte.

Rijan setzte sich schweigend neben sie und tat es ihr gleich. Die Flammen strahlten eine angenehme Wärme aus und erfüllten sie mit etwas Zuversicht.

„Manchmal mitten in der Nacht erwache ich und weiß nicht, wo ich bin. Ich weiß nicht, wann ich bin, ich weiß nur, dass ich allein bin.“ Chidoris Worte brachten die Kälte zurück in Rijans Herz. Sie hatte dieses Gefühl vergessen wollen, doch nun spürte sie es wieder überdeutlich.

„Und was tust du dagegen?“

Chidori blickte sie aus den Augenwinkeln an, ehe sie wieder in die tanzenden Flammen blickte.

„Früher bin ich in Akikos Schlafzimmer geschlichen und habe seinem Atem gelauscht. Ich nahm seine Hand in meine und fühlte seine Wärme. Das vertrieb die Einsamkeit.“

Kurz schloss Rijan die Augen und lauschte der Stille um sie herum. Sie hörte Chidori neben sich atmen, hörte das Knattern des Holzes, wenn es vom Feuer erfasst wurde und sie nahm Akikos gleichmäßigen Atem wahr.

„Früher?“

Sie öffnete die Augen wieder und betrachte Chidoris schönes Profil. Das Feuer warf Schatten auf ihre blasse Haut und ließ sie einen Moment lang sehr unnahbar aussehen.

„Hai, früher. Heute ist mein Sohn ein Mann und es steht mir nicht mehr zu, mich ihm derart zu nähern. Nun vergeht diese Einsamkeit nicht mehr.“

„Aber er ist immer noch dein Sohn. Er ist ein Teil von dir.“, widersprach Rijan leise.

Chidori lächelte leicht und blickte Rijan nun direkt an.

„Richtig, aber er wird sein eigenes Leben führen. Früher oder später wird es soweit sein und es ist besser sich damit bereits heute abzufinden. Irgendwann, Rijan, kannst du der Einsamkeit nicht mehr entrinnen. Sesshoumaru könnte dir das auch bestätigen.“

Rijan schluckte schwer. Seinen Namen zu hören, erinnerte sie daran, warum sie nicht schlafen konnte.

„Er hat sich vor langer Zeit für diese Art des Lebens entschieden und er ist stärker als ich es je sein werde. Doch selbst ein so mächtiger und stolzer Dämon wie Sesshoumaru erträgt manchmal die Einsamkeit nicht länger.“

„Das sind die Momente, in denen er zulässt, dass ihn jemand begleitet, richtig?“

Chidori nickte, ihr Lächeln vertiefte sich. Offenbar fand es ihre Zustimmung, dass Rijan so schnell verstand.

„Ich habe mich immer gefragt, warum er Jakens und meine Anwesenheit toleriert hat.“

„Einsamkeit, Rijan, das ist die Antwort auf fast alle Fragen. Manchmal macht einen der eigene Herzschlag vollkommen wahnsinnig und man braucht etwas, dass dieses Geräusch übertönt.“

Nun war es an Rijan zu lächeln. Richtig, Jaken und sie hatten es wohl stets verstanden das Geräusch seines Herzschlages zu übertönen. Sie hatten meist ununterbrochen geredet.

„Glaubst du es geht ihm gut?“ Ihre Stimme brach leicht, als sie endlich aussprach, was sie bewegte.

Eine Weile sagte Chidori dazu nichts, stocherte stattdessen mit einem Ast in den Flammen herum. Der Ast fing Feuer und beide Frauen sahen zu wie er immer weiter abbrannte, bis er beinahe Chidoris Hand verglüht hätte. Sie ließ ihn in letzter Minute fallen und räusperte sich leicht.

„Wenn du wissen möchtest, ob er noch lebt, hai, dann ist dies der Fall.“ Ihre Blicke trafen sich. „Aber wenn du mich fragst, ob ihm etwas geschehen ist, dann kann ich dir das nicht beantworten. Du und Akiko, ihr seid es, die das wissen müssten.“

Einen Augenblick lang flackerte in Chidoris Augen etwas auf, dass Rijan berührte.

Doch die Augen der Dämonin verschlossen sich gleich wieder. Sie brach den kurzzeitigen Kontakt der beiden Frauen ab. Offenbar hatte sie für heute genug von sich preisgegeben.

„Meinst du, wir werden ihn finden?“

„Wenn er gefunden werden möchte …“

Rijan streckte sich müde. „Ich werde mich noch etwas hinlegen.“ Sie stand auf und entfernte sich einige Schritte. Doch dann blieb sie stehen und starrte auf Chidoris Rücken.

„Wenn ich dich eines Tages frage, wirst du mir dann deine Geschichte erzählen?“

Chidori verharrte in der Bewegung. Einen Moment lang schien sie zu erstarren, doch der Moment ging vorüber.

„Hai, wenn du mich eines Tages fragst, erzähle ich dir die Geschichte von Sesshoumaru und mir.“

Rijan schüttelte leicht ihren Kopf.

„Ich möchte deine ganze Geschichte hören.“

Die Schultern der Dämonin bebten leicht, als würde sie ein Lachen unterdrücken.

„Meine Geschichte begann mit ihm. Er war dabei als ich geboren wurde.“

Sie hätte es gerne bestritten, aber Chidoris Offenbarung, diese wenigen Worte, die sie sprach, verblüfften Rijan derart, dass sie darauf nichts mehr erwidern konnte. Schweigend ging sie daher zu ihrem Lager zurück und legte sich nieder. Sie hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit, dass Chidori ihn bereits ihr ganzes Leben lang kannte. Ein wenig verstand sie nun, von welcher Einsamkeit sie vorhin gesprochen hatte.
 

Akiko blieb abrupt stehen und schloss gequält die Augen. Haltsuchend stützte er sich an einem Baumstamm. Sein Atem kam kurz und gepresst. Er fühlte die Hand seiner Mutter auf seiner Schulter, wusste auch ohne sie anzusehen, dass sie sich Sorgen machte. Barsch unterbrach er den vertrauten Kontakt zwischen ihnen und ging einige Schritte um Abstand zwischen sie beide zu bringen.

Er wollte ihr nicht wehtun, sie nicht von sich stoßen. Und doch konnte er manchmal nicht anders. Die meiste Zeit konnte er die Stimmen, Gedanken und Gefühle in seinem Kopf kontrollieren, doch wenn es seinen Vater betraf, schien ihm das nicht immer gelingen zu wollen. Vielleicht lag es daran, dass sie sich ihm näherten. Er wusste es nicht, wusste nicht einmal woher er wusste, wohin er zu gehen hatte. Es war ein Instinkt, nein, mehr als das, es war als würde ihn etwas magisch anziehen. Als könnte er sich dem gar nicht entziehen. Es zog ihn unaufhörlich in eine bestimmte Richtung und rief nach ihm. Es war nicht sein Vater, der diesen Ruf ausstieß, auch das wusste Akiko längst. Er wäre vermutlich das letzte Geschöpf auf dieser Erde, nach dem Sesshoumaru jemals rufen würde.

Sein Blick fiel zurück auf das verschlossene Gesicht seiner Mutter. Nein, vielleicht war er doch nicht das letzte Geschöpf dieser Erde. Er seufzte kaum hörbar und blickte betreten zu Boden.

Er hasste es, wenn er sie von sich stieß. Wie sollte er ihr aber begreiflich machen, dass nicht er es war, der das tat. Dass es die Gefühle seines Vaters waren, die in ihm Oberhand gewannen und dass er es war, der ihre Anwesenheit nicht ertragen konnte? Wie könnte er ihr das ins Gesicht sagen, auch wenn er annahm, dass sie das wusste. Nein, sie war seine Mutter, sie beide waren eine Familie, er hätte ihr nie mit Absicht weh tun können.

„Es ist in Ordnung.“ Überrascht blickte er zu Chidori zurück, doch sie stand an Rijans Seite und schien sich gerade mit ihr zu unterhalten. Sie hatte nicht zu ihm gesprochen. Und dennoch war es die Stimme seiner Mutter gewesen, die in ihm geklungen hatte. Einen flüchtigen Moment lang fragte er sich, wie sie das gemacht hatte, doch dann stahl sich ein Lächeln auf sein Gesicht und er resignierte. Nein, eigentlich wollte er gar nicht wissen, wie sie das getan hatte. Im Grunde wollte er nicht einmal wirklich wissen, welche Macht und Kraft in seiner Mutter schlummerte. Seit Rijan mit ihm gesprochen hatte, beobachtete er seine Mutter genauer. Er konnte Rijans Ansicht nach wie vor nicht teilen. Grundlegend schien sich bei Chidori nichts geändert zu haben und dennoch … Allmählich fing er an Chidoris dämonische Präsenz wahrzunehmen. Lag es daran, dass sie sich auf einem Kriegsmarsch befanden? Oder waren seine Sinne schärfer geworden? Oder lag es womöglich doch daran, dass sich Chidoris Kräfte, ihre Macht oder was auch immer es sonst war, sich anfing zu entfalten. Dass all jenes, was sie Jahrzehnte vielleicht sogar Jahrhunderte lang begraben hatte, nun langsam aus der Erde hervorbrach und im Glanz der Sonne zu erstrahlen begann?

„Wir müssen weiter.“, meinte er schließlich leise und setzte sich wieder in Bewegung. Getrieben von dem unbändigen Wunsch ein Ziel erreichen zu wollen, das ihm bisher verborgen geblieben war.
 

„Akiko scheint verwirrt zu sein.“, meinte Rijan leise, während sie mit zügigen Schritten neben Chidori ging. Die Dämonin wirkte dabei wie die Erhabenheit in Person, während Rijan keuchte und sich den Schweiß von der Stirn wischte. Ein unwirscher Blick auf ihre Begleiterin, ließ sie kurz fluchen. Sollte Chidori wissen, warum sie das tat, sagte sie immerhin nichts dazu und allein dafür war Rijan an diesem Tag bereits sehr dankbar. Mit zwei Dämonen unterwegs zu sein, offenbarte Rijan einmal mehr, dass sie als Mensch Grenzen hatte und dass die letzten Wochen, in denen sie ihr Training sträflich vernachlässigt hatte, ihre Grenzen deutlich herab gesetzt hatten. Sie verfluchte sich selbst dafür. Als wäre es nicht schon schlimm genug mit einer Frau konkurrieren zu müssen, die offenbar perfekt war. Nein, Rijan musste es ihr sogar noch leichter machen, indem sie selbst das nicht mehr in die Waagschale werfen konnte, was bisher für sie gesprochen hatte.

Chidori hielt einige Äste beiseite, damit Rijan hindurch gehen konnte.

„Was auch immer ihn zu unserem Ziel führt, scheint dafür zu sorgen, dass seine Gedanken sich wieder mit denen seiner Vorfahren mischen.“

„Macht dir das keine Sorgen?“ Rijan blickte aus zusammengekniffenen Augen angesprengt in die Schatten, die sie umgaben. Etwas bewegte sich unweit in einem Gebüsch und Rijan nahm automatisch eine Abwehrstellung ein. Doch als sich dann ein Fuchs aus dem Grün quälte, entspannte sie sich wieder etwas. Ihre Sinne waren während ihrer Wanderungen erstaunlich scharf geworden. Sie nahm wieder die einzelnen Geräusche war. Konnte unterscheiden was natürlich war und was durch Fremdeinwirkung hervorgerufen wurde. Ihre Nase unterschied zwischen einfachen Gerüchen, die das Laub um sie herum ausströmte und solchen, die von Menschenhand hinterlassen worden waren. Irgendwo in der Ferne wurde ein Tier gebraten. Sie roch es deutlich und einen Moment lang wurde ihr bewusst, dass sie selbst auch beträchtlichen Hunger hatte. Doch nun war nicht der Zeitpunkt um an solche niedere Triebe zu denken. Essen konnte sie auch später.

„Nein, ich vertraue auf Sesshoumaru.“

Rijan nickte nachdenklich. Richtig, sie wusste nicht was geschehen war, aber offenbar war Sesshoumaru über seinen Schatten gesprungen und hatte seinem Sohn geholfen. Es verwunderte sie nicht großartig, dass er dazu in der Lage gewesen war. Noch weniger verwunderte es sie, dass er sich solange damit Zeit gelassen hatte. Lächelnd schüttelte sie ihren Kopf.

„Er kann ziemlich stur sein, nicht wahr?“

Chidori lachte leise und Rijan blieb einen Moment lang wie angewurzelt stehen. Der Waffenstillstand zwischen ihnen war angenehm, dennoch war es derartig seltsam Chidori herzlich lachen zu hören, dass es Rijan immer wieder in einen Zustand des Schocks zurückversetzte. Flüchtig erahnte sie, wie Chidori einmal gewesen sein musste. Sie erinnerte sich an das Lagerfeuergespräch neulich Nacht. Sesshoumaru war bereits bei ihrer Geburt anwesend gewesen. Wie lange mochte das her sein? Und waren sie von da an gemeinsam aufgewachsen? Müssten sie dann nicht wie Bruder und Schwester sein? Oder existierten derartige Unterschiede bei Dämonen nicht? Im Grunde wusste sie sehr wenig über Dämonen und deren familiäre Bindungen.

„Hai, das kann er.“, bestätigte Chidori nicht ohne einen Anflug Wärme in ihrer sonst so beherrschten Stimme. Einen Moment lang lullte dieser Ton Rijan vollkommen ein und erfüllte sie von ihnen heraus mit Wärme. Sie schüttelte sich leicht um diesen Zustand von Benommenheit wieder loszuwerden.

„Was glaubst du wer Akiko führt?“ Sie beide waren sich sicher, dass es nicht Sesshoumaru war. Woher sie diese Gewissheit nahm, wusste Rijan nicht, doch es konnte einfach nicht anders sein.

„Ich denke, das werden wir noch früh genug erfahren.“ Wohl wahr.

„Stimmt es dich nicht misstrauisch, dass ihn jemand führt?“

Chidori blieb einen Moment lang stehen und sah Rijan mit einer Spur Belustigung an.

„Redest du immer so viel?“

Rijan errötete und blickte beschämt zu Boden.

„Ähm, ja. Eigentlich schon.“

Ein seltsames Geräusch drang zu ihren Ohren durch. Sie blickte überrascht wieder auf und stellte perplex fest, dass Chidori in schallendes Gelächter ausgebrochen war. Sie lachte, bis ihr Tränen in die Augen traten und sie sich den Bauch halten musste. Dieses einfache Verhalten ließ sie um Jahre jünger erscheinen, als wäre sie gerade mal so alt wie Rijan selbst vielleicht auch und es machte sie attraktiv. Ungemein attraktiv, selbst Rijan musste das in diesem Moment neidlos anerkennen.

„Was ist?“, fragte sie verwirrt. Sie konnte sich diesen Anfall nicht erklären.

„Nichts.“

„Und warum lachst du dann?“

„Die Vorstellung wie du Jahre lang neben Sesshoumaru marschiert bist und geredet hast ohne Luft zu holen, während er sich ausschwieg, ist einfach zu komisch.“

Rijan wollte etwas sagen, besann sich dann aber doch eines besseren. Einen Moment dachte sie über dieses Bild nach und musste dann selbst lächeln. Wenn man so darüber nachdachte, war es in der Tat sehr komisch.

„Nun ja, Gegensätze ziehen sich an.“

Chidori nickte und schaffte es langsam ihr Lachen wieder unter Kontrolle zu bringen. Sie wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln und setzte ihre Wanderung fort.

„War er früher auch so wortkarg, wie er es heute ist?“ Mit einem Mal war es angenehm jemanden zu kennen, der Sesshoumaru schon so viel länger kannte als sie selbst. Es war ihr nun möglich, etwas über diesen Dämon zu erfahren, was ihr nie zuvor jemand hatte sagen können.

„Nein.“ Chidori schüttelte ihren Kopf und ihr Lächeln vertiefte sich, als sie sich zu erinnern schien. „Nein, eigentlich nicht. Er war noch nie jemand, der besonders gern unnötige Gespräche geführt hat, aber als er noch jünger war, war er sehr viel redseliger als er das heute ist.“

„Über was hat er damals gesprochen?“

Chidori hielt erneut Zweige beiseite, als Rijan an ihr vorüberging.

„Nun, über alles, worüber man eben reden kann. Ich erinnere mich, dass er aber schon immer gerne darüber gesprochen hatte, einmal mächtig und stark zu werden. Das war ihm schon als Junge wichtig gewesen. Er hatte seinen Vater einmal besiegen wollen.“

„Der dann aber bei der Geburt seines Halbbruders gestorben ist.“

„Hai, es war das einzige, was Sesshoumaru jemals wirklich gewollte hatte. Seinem Vater beweisen, dass er ein würdiger Nachfolger dieser starken Familie ist. Dass er in der Lage war das Erbe anzutreten.“ Sie seufzte leise. „Sein Vater und er hatten zum Schluss sehr unterschiedliche Vorstellungen von Stärke. Die Stärke die Inu no taishou sich gewünscht hätte, war Sesshoumaru nie in der Lage gewesen zu erlangen.“ Ihr Blick richtete sich auf ihren eigenen Sohn. „Es scheint Ironie des Schicksals zu sein, dass Akiko wohl all jene Stärke besitzt die Inu no taishou geschätzt hat und das genau das ist, was Sesshoumaru nicht akzeptieren kann.“

Rijan schwieg eine Weile und dachte darüber nach. Das waren neue Dinge, die sie gerade erfuhr. Also war Akiko seinem Großvater sehr ähnlich. Dann schien es kein Wunder zu sein, dass Sesshoumaru mit seinem Sohn nicht wirklich klarkam.

„Ich finde das sehr traurig.“

Chidori lächelte leicht, doch dieses Mal war dieses Lächeln voller Trauer.

„Da sind wir einmal einer Meinung. Akiko strengt sich genauso vergeblich wie sein Vater einst an, eben jenem zu gefallen. Und mein Sohn wird genauso wenig jemals schaffen, was er erreichen möchte: Die Anerkennung seines Vaters.“

Einen Moment lang legte sich sein Schatten auf die Gesichtszüge der Dämonin, doch genauso gut hätte es nur Einbildung sein können. Manchmal verfluchte Rijan Dämonen dafür, solch perfekte Masken zur Schau stellen zu können. Man sah etwas und war sich doch nie sicher, ob es wirklich so war.

„Akiko, warte auf uns.“

Rijan sah ihr dabei zu, wie sie ihrem Sohn nacheilte. Sie folgte den beiden in einigem Abstand.

Es waren neue Dinge, die sie in Erfahrung brachte. Ihr wurde erst jetzt bewusst, wie wenig sie eigentlich über die Vergangenheit von Sesshoumaru wusste. Vor einigen Monaten hatte sie sich darüber aufgeregt, dass er nie seinen Sohn erwähnt hatte, nun wurde ihr klar, dass er nie etwas erwähnt hatte, was vielleicht von Bedeutung gewesen war. Was sie aber vielmehr zum Nachdenken brachte, war die Tatsache, dass sie auch nie gefragt hatte. Natürlich wusste sie, dass Sesshoumaru ihr vermutlich sowieso nicht geantwortet hatte, dennoch es war ihr nie in den Sinn gekommen, ihn einmal über seine Kindheit zu befragen. Wie er aufgewachsen war. Die Art, wie er sich heute gab, hatte sie irgendwie vergessen lassen, dass auch Sesshoumaru irgendwann einmal klein gewesen war. Dass auch er vermutlich nicht mit dieser dämonischen Arroganz und Überheblichkeit geboren worden war. Spätestens als sie Akiko kennengelernt hatte, hätte ihr das bewusst werden müssen. Dennoch war dies nicht geschehen. Was also sagte ihr das? Dass sie sich nicht für Sesshoumaru interessierte? Dass es ihr egal war, woher er stammte. Dass die Vergangenheit keine Rolle spielte?

Sie schüttelte ihren Kopf, während sie geistesabwesend weiter ging. Keine Rolle? Gerade sie sollte wissen, wie sehr die Vergangenheit einen Menschen prägen konnte. Wie prägend manche Erlebnisse sein konnten. Ihr Blick glitt nachdenklich nach oben und haftete sich auf Akikos Rücken. Majestätisch und erhaben wirkte er, wie er als ihr Führer durch den Wald ging. Zielsicher trugen ihn seine Füße über Gras und Erhebungen hinweg. Als hätte er nie etwas anderes getan. Sie betrachtete sein Haar, das sich seinen Bewegungen anmutig anpasste. Die Eleganz, die er plötzlich ausstrahlte, erinnerte sie schmerzhaft an seinen Vater. Einen Moment lang war sie versucht zu glauben, alles wäre in Ordnung und es wäre Sesshoumaru dem sie folgte. Doch die roten Strähnen, die das silberne Haar durchzogen, erinnerten sie daran, dass dem nicht so war. Schlimmer noch, dass sie nur auf dieser Wanderung waren, weil etwas nicht stimmte. Weil Sesshoumaru sie verlassen hatte und ihm etwas widerfahren sein musste.

Einmal mehr sorgte sich Rijan darum, wer Akiko gerade führte. Was wenn es der Feind war? Wenn sie in eine Falle liefen? Die Wahrscheinlichkeit dafür war groß. Sie schloss kurz die Augen und konzentrierte sich auf die Gefühle in ihr. Versuchte ihre eigenen komplett herunterzufahren und nach einem Hinweis auf den Mann, den sie liebte, zu stoßen. Doch nichts ertönte in ihr. Kein Ruf nach ihr, nicht einmal das Gefühl, das er bei ihr war. Er hatte sie verlassen und zwar so unwiderruflich, dass sie es tagein, tagaus fühlte. Sie konzentrierte sich wieder auf den Weg und steigerte ihr Tempo.

Und wenn schon. Sie musste nicht fühlen können, dass er bei ihr war. Sie wusste, dass dem so war. Sie hatte ihn schon verstehen können, bevor sie auf eine Art verschmolzen waren, die ihr bis heute noch nicht klar war. Seit sie ein Kind war, hatte sie stets verstanden was er gesagt hatte, ohne jemals ein Wort an sie zu richten. Sie wusste, was er nun zu ihr sagen würde. Es spielte keine Rolle, ob eine Falle auf sie wartete. Man nahm, was man bekam und kümmerte sich um die auftretenden Probleme, wenn es so weit war. Eine andere Möglichkeit hatte man sowieso nicht. Diese Erkenntnis ließ sie lächeln. Richtig, sie hörte ihn das förmlich sagen. Seine Stimme hallte in ihrer Seele nach und ließ sie wieder etwas zur Ruhe kommen.

Er hatte nach ihr gerufen. Vielleicht nicht bewusst, vielleicht nicht gewollt, aber ein Teil seiner selbst hatte so unwiderruflich nach ihr verlangt, dass sie nun auf diesem Weg gelandet war. Das war die einfache Wahrheit. Es mochte keine Liebe sein, die ihn an sie band, aber etwas, ein Gefühl, eine Gemeinsamkeit, irgendetwas war es. Und mit dem seltsamen Gefühl von Sicherheit, wurde sich Rijan darüber klar, dass es dieses Mal an ihr war, ihn zu retten. So wie er es schon so viele Male zuvor bei ihr getan hatte, so würde sie dieses eine Mal sich über seinen Willen hinwegsetzen und ihn retten.

„Baka!“, murmelte sie, doch das Lächeln auf ihrem Gesicht verschwand nicht mehr.
 

Akiko hielt erneut inne. Es war dunkel geworden und der Wind hatte aufgefrischt. Vereinzelte Regentropfen trafen seine erhitzte Haut. Es war als würde er seinem Ziel sehr nahe sein. Die letzten Meter war er gerannt. Er hatte nicht bewusst sein Tempo gesteigert, doch er hatte es auch nicht verhindern können. Etwas ihn ihm hatte ihn bewogen, sich zu beeilen.

Doch ganz plötzlich war der Kontakt, der Drang einen bestimmten Ort zu erreichen, erloschen. Nun stand er auf einer kleinen Anhöhe und blickte verwirrt um sich. Er fühlte nichts mehr. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals und seine Lungen verlangten nach Luft. Warum war er hier? Hier war nichts. Er konnte von hier aus sehr weit blicken, doch alles was er erkennen konnte, waren Flüsse, Seen und Wälder. Weite Landschaft rings um sie herum. War er in die Irre geführt worden?

Seine Knie gaben nach und er ließ sich schweratmend auf dem Boden nieder.

„Geht es dir gut?“

Er blickte zu seiner Mutter empor und nickte. Hai, ihm ging es gut. Er wusste nur nicht, was geschehen war.

„Ich fühle nichts mehr.“ Dennoch beunruhigte ihn das nicht so sehr, wie er vermutet hatte. Sein Vater war nicht tot. Diese Gewissheit trug er in sich. Er wollte seine Mutter fragen, was das bedeuten könnte, doch er schwieg als er ihren Gesichtsausdruck bemerkte. Sie stand neben ihm, die Hände zu Fäusten geballt und starrte Richtung Osten. Sie schien etwas zu sehen, was ihm verborgen geblieben war. Mühsam rappelte er sich wieder auf und blickte in die gleiche Richtung. Nach wie vor erkannte er dort nichts, was ihm weiterhelfen konnte.

Hinter sich hörte er Rijan den Hügel erklimmen. Sie atmete flach und schien müde zu sein.

„Du kennst diesen Ort, richtig?“ Akiko warf Rijan einen erstaunten Blick zu, doch diese starrte auf den kerzengeraden Rücken seiner Mutter. Chidori reagierte nicht, starrte nur in die Dämmerung und ihr Blick begann sich zu verklären. Sie erinnerte sich an etwas. An etwas, dass sehr lange her zu sein schien.

„Stimmt das?“ Seine Stimme klang belegt.

„Hai.“ Mehr sagte sie nicht. Er konnte förmlich sehen wie sich die Gedanken in ihrem Kopf überschlugen. Offenbar stellte sie Zusammenhänge her, die ihm nicht bekannt waren.

Ohne weiter auf ihre Begleiter zu achten, begann Chidori damit den Hügel wieder hinabzugehen und sich in Richtung Osten zu bewegen. Es schien sie nicht zu kümmern, dass es anfing zu regnen, dass ihr der Wind ins Gesicht peitschte und ihre Gewänder aufblähte. Die Müdigkeit, die ihren Körper ohne Zweifel peinigte, ignorierte sie einfach. Kein Wort kam über ihre Lippen und sie wirkte eine ganze Spur blasser, als noch vor wenigen Augenblicken.

„Wir sollten ihr folgen. Ich glaube sie kennt nun den Weg.“

„Und das Ziel.“, ergänzte er an Rijan gewandt. Sie nickte und beide folgten Chidori durch die Dämmerung, die das Land langsam überzog.

Chidori wurde schwer ums Herz, während sie automatisch einen Fuß vor den anderen setzte. Sie würden noch die ganze Nacht hindurchmarschieren müssen, ehe sie endlich ihr Ziel erreichten. Doch immerhin wusste sie nun, wohin sie ihr Weg führte. Was das Ende ihrer Reise war.

Die Ironie an der Geschichte blieb ihr dabei nicht verborgen. Sie seufzte leise und das Geräusch vermischte sich mit dem Seufzen des Windes und trug ihren Laut hinein in die Dunkelheit, die sie nun umgab.

Dunkelheit erfüllte schließlich auch ihr Herz, als sie in weiter Entfernung die mächtigen Mauern des Hauses erblickte, dass ihr nach all den Jahren immer noch so vertraut war, als wäre es erst gestern gewesen. Doch was den Schatten auf ihre Seele legte waren weder die Mauern noch die Erinnerungen, die sie damit verband. Es war die Tatsache, dass in jenem Haus, in dem seit Jahrhunderten niemand mehr wohnte, Fackeln entzündet worden waren, die das Anwesen in ein unwirkliches Licht tauchten.

Unbewusst griff sie sich an die Kehle und würgte kurz. Sie hatte es geahnt. Geahnt vom Beginn ihrer Reise an bis zu jenem Moment oben auf dem Hügel, doch es nun zu sehen, war etwas, auf das sie offenbar doch nicht vorbereitet gewesen war.

Ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, eines, das ihre Augen nicht erreichte.

„So ist das also!“ Sie unterdrückte den lächerlichen Wunsch lachen zu müssen.

Ihr Schicksal … Wer hätte gedacht, dass ihr Schicksal an jenem Ort Erfüllung finden würde, an dem sie einst geboren worden war.
 

Fortsetzung folgt ...
 

Ab nächstes Mal wird dann auch Sess endlich wieder mit von der Partie sein, nach unzähligen Verhandlungen mit diesem Mann und ständigem umschreiben des Skripts konnte er sich wohl nun damit anfreunden und wird uns mit seiner herrlich arroganten Art wieder den letzten Nerv rauben. Nya, eigentlich nicht, im Grunde wird er ziemlich leiden müssen, aber da er mit von der Partie ist, scheint es seinen Zuspruch zu finden.
 

Im Übrigen ... ich denke gerade darüber nach, wenn ich einmal fertig mit der Story bin, eine Art "behind the Scenes" hochzuladen. Diskussionen zwischen Autor und Hauptdarsteller <lach> Aber bis dahin ist es ja noch ein gutes Stück. Vorbild dafür ist aber ganz klar meine Yena, die so was in Perfektion kann. ICh hab da schon Tränen gelacht.
 

Okay, das mal wieder von mir. Thanx fürs Lesen und die Geduld.

Eure Rogi

Unliebsame Begegnung

Wie gut, dass ich immer sage, dass man auf meine Aussagen nicht zu viel geben sollte. Hat ja nun doch mal wieder länger gedauert als ich gedacht habe. Die gute Nachricht an der Sache dürfte allerdings sein, dass das wohl der Übergang zum Rest der Story ist. Mein BÖsewicht ist endlich da und was von nun an folgt dürfte mir endlich nicht mehr so schwer fallen. Jedenfalls kann ich das nur hoffen. Ich erzähl euch nachher nochmehr. Erstmal viel Spaß beim Lesen, wobei das mit Spaß wohl wenig zu tun haben wird ...
 

Akiko starrte auf den angespannten Rücken seiner Mutter. Das Gefühl, das ihn dabei beschlich, weckte in ihm den Wunsch sie festzuhalten und daran zu hindern, dieses Gebäude zu betreten. Er wusste immer noch nicht, was es hiermit auf sich hatte. Wohin sie das führen würde … Aber er fühlte mehr als deutlich, dass sie am Ziel ihrer Reise angekommen waren. Die Anwesenheit seines Vaters schien plötzlich greifbar zu sein und wurde doch von einer anderen Anwesenheit noch um Längen übertroffen. Dieses Gefühl, das ihn beschlich war seltsam vertraut und unglaublich fremd zugleich. Kurzzeitig fragte er sich, ob erneut die Stimmen und Gedanken seiner Vorfahren in ihm aufwallen wollten, doch langsam schien er die Dinge unter Kontrolle zu haben. Selbst an einem Ort wie diesem, an dem Erinnerungen sich seiner bemächtigen wollten, die nicht seine waren, war es ihm möglich, diese unter Verschluss zu halten. Er dachte darüber nach, ob er sie nicht zulassen sollte. Vielleicht würde ihm das einen Vorgeschmack auf das liefern, was sie hier erwartete. Doch er traute seinen eigenen Fähigkeiten noch nicht genug. Sein Vater hatte ihm zwar etwas mit auf den Weg gegeben, womit er die Stimmen seiner Ahnen kontrollieren konnte, doch war er sich noch nicht sicher, dass er das schon vollkommen beherrschte. Im Moment war er sich noch zu unsicher, als dass er das Risiko einging, erneut keine Kontrolle über seine Gefühle zu haben.

Er seufzte tief und löste sich dann aus der erstarrten Reihe, die er zusammen mit seiner Mutter und Rijan gebildet hatte. All seinen Mut zusammennehmend schritt er die wenigen Stufen hinauf und öffnete eine schwere Tür. Licht strahlte ihm entgegen. Der Flur war in unheimliches Licht getaucht. Fackeln hingen an den Wänden und ließen Schatten tanzen. Es fröstelte ihn ein wenig, ihrem Tanz zuzusehen. Das ungute Gefühl in seinem Magen nahm zu. Dennoch trat er ein. Bevor er jedoch einen weiteren Schritt machen konnte, packte ihn Chidori sicheren Griffes am Arm und zwang ihn sich umzudrehen. Überrascht blickte er sie an. Ihr Blick traf ihn bis ins Mark seiner Knochen. Nie zuvor hatte sie so ernst ausgesehen. Ihre helle Hautfarbe schien nun jegliche Tönung verloren zu haben. Was auch immer dieser Ort für sie bedeutete, es schien nichts Gutes zu sein.

Ihr Blick bohrte sich in seinen. Als wollte sie ihm die Ernsthaftigkeit ihrer Worte auch noch auf anderem Wege deutlich machen.

„Ich weiß, ich kann dich nicht daran hindern, dieses Haus zu betreten.“ Er nickte schwach und runzelte die Stirn. Sie hatten nun wirklich keine Zeit für ernsthafte Gespräche. Aus den Augenwinkeln sah er wie Rijan an ihnen vorbei ging und in den Schein der Fackeln eintauchte.

„Ka-san …“, setzte er an, doch sie schüttelte energisch ihren Kopf. Einzelne Strähnen lösten sich aus dem Zopf, zu dem sie ihre Haare sie gebunden hatte und umspielten ihr Gesicht.

„Hör mir zu, das ist wichtig!“, bat sie innständig und er nickte schweigend.

„Tu, was du nicht lassen kannst. Ich weiß, es ist wichtig für dich, dich deinem Vater zu beweisen.“ Sie machte eine kurze Pause als müsste sie ihre eigenen Gedanken ordnen. „Ich werde dich daran nicht hindern, aber wenn irgendwann der Punkt kommt, an dem die Sache ausweglos wird, möchte ich, dass du gehst.“

Etwas in ihm rebellierte. Er würde nicht davonlaufen, doch der Blick aus ihren tiefroten Augen ließ ihn schweigen.

„Akiko!“, meinte sie leise. „Du bist unsere Zukunft. Dich zu opfern, ist etwas, was wir uns nicht leisten können. Wenn du nicht auf mich hörst, dann war alles umsonst.“ Sie senkte den Blick und atmete tief ein.

„Was war dann umsonst?“, fragte er nachdenklich.

„Alles, Akiko, einfach alles. Dann hätten wir uns umsonst über sämtliche geschriebenen und ungeschriebenen Regeln hinweggesetzt. Dann hätten wir umsonst mit unseren Familien gebrochen. Dann hätten wir das alles ohne Grund hinter uns gelassen.“

Wie vom Blitz getroffen stand Akiko da und starrte seine Mutter an. Sie lächelte schwach und ließ ihn dann los. Einen Moment lang verharrte er in seiner Erstarrung und sah schweigend zu, wie Chidori an ihm vorbei in das unheimliche Haus ging.

„Willst du mir allen ernstes sagen, dass ich das Ergebnis einer tragischen und großen Liebe gewesen bin? Dass ihr meinetwegen alles aufgegeben habt?“ Wut schwang in seiner Stimme mit.

Chidori drehte sich leicht zu ihm um und lächelte.

„Anta baka?“

Das beruhigte ihn einigermaßen. Er ging zu ihr und gemeinsam setzten sie ihren Weg fort.

„Das hätte mich auch gewundert. Das gleiche habe ich nämlich Sesshoumaru vor nicht allzu langer Zeit auch schon gefragt.“

„Und er hat das verneint?“ Irrte er sich oder schien sie sich darüber wirklich zu wundern? Akiko wollte gerade zu einer Antwort ansetzen als ihm diese Unterhaltung wieder in den Sinn kam. Hatte Sesshoumaru das verneint? Er runzelte die Stirn.

„Eigentlich hat er darauf gar nichts gesagt.“

„Aber er hat dir gesagt, dass wir dich unbedingt haben wollten, oder?“

„Nun ja, so hat er das nicht gesagt, aber ja .. irgendwie klang das schon durch.“ Wenn er nun darüber nachdachte, war dies tatsächlich so. Sein Vater hatte es natürlich nicht so ausgedrückt, aber er hatte auch nie das Gegenteil behauptet.

„Was sollte dann das ‚anta baka’?“

Sie lächelte einen Augenblick lang.

„Unsere Liebe war nicht unbedingt tragisch und vielleicht auch nicht besonders groß, Akiko-chan, aber sie reichte aus um ihn dazu zu bringen, sich mit allem und jedem anzulegen, der ihm das hat ausreden wollen.“ Ein belustigter Laut entrann ihrer Kehle. „Er hat schon immer getan, was er wollte.“ Die Wärme, die in ihren Worten mitschwang, irritierte ihn ein wenig. Was stimmte mit seiner Mutter derzeit nicht? Noch vor kurzem war sie voller Hass auf seinen Vater gewesen. Und nun schwangen deutliche Sympathien in ihren Aussagen mit.

„Ich werde euch beide nie verstehen.“, murmelte Akiko undeutlich und beschleunigte seine Schritte. „Aber wenn es euer Wunsch ist, dann überlebe ich das hier unter allen Umständen.“ Er knurrte leise. „Nicht, dass ich jemals etwas anderes vorgehabt hätte.“

Chidori schmunzelte, während sie ihren Sohn mit langen Schritten davon eilen sah. Es beruhigte sie zu wissen, dass ein Punkt immer für sie sprechen würde. Dann legte sich wieder ein Schatten über ihr schönes Gesicht und sie verschloss alle Emotionen, alle unerfüllten Wünsche und unausgesprochenen Sehnsüchte tief in ihrem Herzen. Von nun an gab es für diese Dinge keinen Platz mehr in ihr. All das fand hier und heute sein Ende. Und ein Teil von ihr freute sich darüber wie ein kleines Kind, dem man endlich die Absolution erteilte.

Sie wusste nicht wohin Rijan und Akiko gegangen waren, es spielte auch keine Rolle. Früher oder später würden sie sie wieder finden. Chidori zumindest wusste, wohin sie zu gehen hatte. Sicheren Schrittes verließ sie den erleuchteten Weg und folgte den Stufen in die untere Etage dieses Hauses. Im Gegensatz zu allen anderen Herrschaftshäusern, die Chidori im Laufe ihres Lebens gesehen hatte, hatte Sesshoumarus Vater schon immer großen Wert auf Sicherheit gelegt. Andere bauten ihre Häuser in die Höhe um ihre Macht und ihre Position nach außen hin darzustellen. Inu no taisho hatte ohne Zweifel darauf auch nicht verzichtet, denn das Haupthaus war riesig und mit mehreren aufeinander gebauten und verzierten Dächern versehen, doch unter der Erde erstreckte sich noch eine Vielzahl von Räumen und Fluren.

Chidori blieb schließlich vor einer der vielen Türen stehen. Schwach drang darunter Kerzenlicht hervor. Sie atmete noch einmal tief durch, ehe sie energisch die Tür aufschob und mit einem gemurmelten „Taidama“ den Raum betrat.
 

Chidori hatte mit vielem gerechnet. Unzählige Dämonen aus ihrer Vergangenheit hatte sie sich vorgestellt. Geister von Toten heraufbeschworen, Bündnisse neuer Feinde und alter Bekannter. Und doch hatte sie die ganze Zeit über geahnt, nein, eigentlich nur gefühlt, dass nichts davon der Wahrheit entsprach. Niemand, der ihr einfiel, hatte die Möglichkeit Sesshoumaru zu überwältigen. Niemand auf dieser weiten Welt. Niemand außer einem einzigen Geschöpf.

Eine kalte Hand griff nach ihrem Herzen und ihrer Kehle, machte es ihr unmöglich einen Laut von sich zu geben, als sie den Raum betrat und das Gesicht des einzigen Dämons erblickte, bei dem sie nicht wusste, wie sie ihn besiegen sollte. Ohne auch nur einen einzigen Angriff zu starten, ging sie in die Knie. Niedergezwungen von eisblauen Augen, deren Kälte Chidori bis aufs Mark erschütterte.

„Chidori.“, entgegen dem Ausdruck ihrer Augen, klang ihre Stimme belustigt. „Ich würde gerne sagen, dass es mich freut, dich wiederzusehen, aber unter den gegebenen Umständen …“ Sie machte eine ausholende Handbewegung und sorgte dafür, dass Chidoris Blick ihrer Bewegung folgte. Und das nur um schließlich an dem Grund ihrer Anwesenheit hängen zu bleiben. Sesshoumaru oder sofern sie das sehen konnte, dass was von ihm noch übrig geblieben war.

„Warum …?“ Sie sprach nicht weiter, schlug sich die Hand vor den Mund und starrte ihn mit entsetztem Blick an. Er sah furchtbar aus. Der Kampf, den er ohne Zweifel ausgefochten hatte, schien ihm alles abverlangt zu haben. Blut floss seine Haut herab. An einigen Stellen war es längst verkrustet, doch an anderen neueren oder wiederaufgebrochenen Wunden floss es stetig seine Gliedmaßen entlang. Lediglich seine Hose trug er noch und hätte Chidori nicht gewusst, dass die Farbe einst weis gewesen war, hätte sie es nicht für möglich gehalten. Tiefrot war der Stoff verfärbt. Sie wusste nicht, ob das Blut aufgesaugt worden war, oder ob sich unter dem Stoff eigene Wunden befanden, die den Stoff getränkt hatten. Sie wollte es auch nicht wissen. Sie roch verbranntes Fleisch. Vor Entsetzen hatte sie es erst nicht wahrgenommen, doch nun roch sie es überdeutlich. Ihr Blick flog zurück zu der Frau, die sie milde belustigt ansah.

„Wie konntest du nur?“ Mit entsetzen stellte sie fest, dass ihre Stimme heiser und belegt klang und kein bisschen so energisch wie sie gehofft hatte. Sie blickte zurück zu Sesshoumaru und rutschte wie magisch von ihm angezogen näher zu ihm. Es dauerte bis sie an die andere Seite des Zimmers gelangt war. Er lehnte dort sitzend an der Wand. Die Augen weit aufgerissen und doch ohne jegliches Leben in ihnen. Als wäre er nur noch ein leblose Hülle. Sie wollte fühlen, ob er noch lebte, wollte Wärme oder sonst etwas wahrnehmen, dass sie davon überzeugte, dass er nicht tot war, doch sie traute sich nicht ihn anzufassen. Sein ganzer Oberkörper war von tiefen Wunden und Brandnarben überzogen. Sie roch das verbrannte Fleisch so nah bei ihm nur noch deutlicher. Übelkeit stieg in ihr auf und sie schaffte es gerade noch ihren Kopf zur Seite zu drehen, ehe sie sich übergab. Mit bitterem Nachgeschmack verharrte sie einen Moment, ehe sie sich den Mund abwischte und ihn wieder anblickte. Einige Wunden auf seinem Körper waren deutlich die Folgen eines Kampfes, doch die meisten waren zu präzise, zu schmerzhaft zugefügt, als dass Chidori auch nur einen Moment daran glauben konnte, dass nichts davon Absicht gewesen war, dass man ihn nicht gefoltert hatte. Man hatte ihm einen mehr oder weniger spitzen Gegenstand in die Haut gestoßen und diesen offensichtlich sehr langsam und mit leicht zackigen Bewegegungen einige Zentimeter entlanggezogen. Sie sah zersplitterte Knochen, deren Bruchstücke sich schmerzhaft durch die Haut bohrten. Die Brandnarben hatte man ihm auf zweierlei ARt zugefügt. Einmal schien man einen erhitzten Gegenstand auf seine Haut gedrückt zu haben, ein andermal war es wohl ein reine Flamme gewesen, die man viel zu lange an seine Haut gehalten hatte. Ihre Magen zog sich bei dem GEdanken daran schmerzhaft zusammen. Vorsichtig berührte sie sein Gesicht, feine gekreuzte Narben zierten seine Wangen, seine Stirn. Blut klebte an ihren Händen. Sie fühlte die Wärme seines Blutes und einen Augenblick lang durchflutete sie Erleichterung. Warmes Blut. Er lebte definitiv noch. Doch diese Erleichterung verschwand sogleich wieder. Betrachtete sie seinen Körper, seine Wunden, dann musste er unglaubliche Schmerzen durchlitten haben bzw. immer noch durchleiden. Hatte er sich in seinem Schmerz als einzigen Ausweg in sich selbst zurückgezogen um das durchzustehen?

Einen Moment lang verspürte sie den Wunsch zu weinen, doch sein Anblick schien sie wie betäubt zu haben. Sie war nicht fähig diesem primitiven Wunsch nachzugeben.

„Sesshoumaru!“ Der Schmerz in ihrer Stimme war nicht zu überhören. Ihre Hand ruhte immer noch auf seiner zerschnittenen Wange. Wie konnte jemand so etwas unfassbar Grausames tun?

„Hörst du mich?“ Sie versuchte eine Reaktion in seinen Augen auszumachen, doch sein Blick klärte bei ihrer Stimme nicht auf. Er reagierte nicht einen Moment lang.

„Er hört dich nicht.“ Chidori zog ihre Hand zurück und wischte das Blut an ihrer Kleidung ab. Einen Augenblick lang holte sie tief Luft, ehe sie ihren Dolch zog und mit einem wilden Aufschrei diese Ausgeburt der Hölle angriff. Doch ihre Gegnerin zuckte nicht einmal mit einer Wimper, sie stand nur bewegungslos da, beobachtete Chidori bei ihrem Angriff und dann -kurz bevor der Dolch sie verletzen konnte- hob sie ihre Hand und fing den von Wut geprägten Angriff mühelos ab. Ein müdes Lächeln umspielte ihre schön geschwungenen Lippen.

Chidori sah ihr gehetzt in die Augen. Sie wollte ihr mit Wut und Hass begegnen, doch sie vermochte nichts davon aufzubringen, während sie dem Blick ihrer Gegnerin versuchte standzuhalten. Zusah wie diese eisblauen Augen sie mit einer unglaublichen Kälte anblickten. Sie wusste nicht einmal wie ihr geschah oder was gerade vor sich ging. Doch plötzlich, während sie einander anblickten, veränderte sich etwas in Chidori. Mit einem Mal fühlte es sich an, als würde dieser eiskalte Blick in ihre Seele eindringen und dort auf ihren schwächsten Punkt abzielen um diesen gnadenlos zu treffen. Ein Schrei entrann ihre Kehle, während sie sich panisch losriss und dabei unsanft auf ihrem Hintern landete. Sie brauchte einen Moment bis ihr Herzschlag sich wieder beruhigte.

„Wie konntest du nur?“, flüsterte sie und blickte zu Sesshoumaru zurück. Es zerriss sie beinahe ihn so zu sehen. Welche Schmerzen musste er haben, wenn er nur noch diesen Ausweg gesehen hatte? Sesshoumaru war normalerweise ein Meister darin, Schmerzen jeglicher Art ausdruckslos zu ertragen. Und dennoch … Sie konnte verstehen, was ihm an dieser Sache so zugesetzt hatte.

„Du irrst, Chidori-san.“ Die Worte schmeichelten sich in ihr Gehör ein. Sie konnte es beinahe fühlen, wie sie von ihr Besitz ergriffen. Wie konnte jemand mit einer solch warmen und schönen Stimme so grausam sein?

„Es sind nicht diese Schmerzen, die ihn gefangen halten.“

Chidoris Blick wanderte zurück zu der mächtigen Frau.

„Seinen Körper zu quälen war ohne Frage erheiternd, aber erstaunlicherweise hat ihn das nicht gebrochen.“ Sie leckte sich genüsslich das Blut von den Fingern. „Und ich habe mir sehr viel Mühe gegeben seine Schwäche zu offenbaren, das kannst du mir glauben.“ Erneut begann Chidori zu würgen. Sie roch nach wie vor das verbrannte Fleisch. „Seine Seele zerrissen habe ich erst als ich in seinen Verstand, seine Erinnerungen eingedrungen bin.“ Einen Moment schien sie sich daran zu erinnern. „Ich muss gestehen, es überraschte mich, dass ich dies tun musste. Er ist stärker geworden. Viel stärker als ich vermutet hatte.“

Anmutig ging sie an Chidori vorbei, kniete sich vor Sesshoumaru und berührte unendlich sanft seine Wange.

„Fass ihn nicht an.“ Sie verharrte in der Bewegung als Chidori sprach.

„Sonst was?“

Leicht drehte sie den Kopf zur Seite, sodass man ihr Profil sehen konnte. „Sonst wirst du mich töten?“ Sie lachte, deutlich amüsiert über ihre eigenen Worte.

„Mach dich nicht lächerlich. Als ob du dazu auch nur die Möglichkeit hättest. Du allein kannst mich niemals töten.“

„Sie ist aber nicht allein.“

Chidori drehte sich abrupt um. Ihr Blick kreuzte den von Rijan, die mit gezogenem Schwert in der Tür stand. Akiko war dicht hinter ihr. Mit einem Ruck war Chidori wieder auf den Beinen. Nein, sie wollte nicht, dass ihr Sohn hier war. Dass er Zeuge dieser Dinge wurde. Als sie zugelassen hatte, dass er mitgekommen war, hatte sie mit allen Gegnern dieser Erde gerechnet. Sie war davon ausgegangen, dass sie ihn im Ernstfall beschützen würde können. Doch nun, hier an diesem düsteren Ort, in der Gegenwart dieser Dämonin, wusste Chidori, dass sie keine Möglichkeit hatte Akiko zu beschützen. Akiko sah sie direkt an. Er schien zu erahnen, dass etwas in seiner Mutter vorging, denn seine Stirn war in Falten gelegt. Sie wollte schreien, wollte ihn wegschicken und konnte doch nichts tun. Denn wenig später keuchte Rijan schockiert auf und Chidori wurde sich wieder bewusst, was der Grund für den schockierten Ausdruck auf Rijans Gesicht war. Sie drehte sich um, blickte zurück zu Sesshoumaru und der Frau, die vor ihm kniete. Diese lies gerade ihre Hand sinken und drehte sich noch ein wenig mehr um, so dass sie Rijan direkt ins Gesicht sah.

„Und wer hat diesem Mensch erlaubt, mich anzusprechen?“

Es nötigte Chidori Respekt ab, dass Rijan von dieser Aussage nicht eingeschüchtert wurde. Stattdessen hob sie ihr Schwert noch etwas höher.

„Dieser Mensch …“ Sie unterbrach sich kurz um die Aussage besser wirken zu lassen. „… braucht keine Erlaubnis von einem Dämon.“

Chidori hörte, wie sich die Dämonin hinter ihr erhob. Sie hörte das Rascheln des Stoffes, als sie sich bewegte.

„Mir ist egal, wer du bist oder was du hier tust. Fass ihn noch einmal an und ich töte dich.“ Rijans Worte klangen fest, sie zitterte kein einziges Mal während ihr Schwert stur auf ihre Feindin gerichtet war und sie direkt in deren Gesicht blickte. Chidori wusste nur zu gut, dass Rijan sich weigerte Sesshoumaru anzusehen. Denn dann wäre ihre Selbstbeherrschung, die sie hier so vorbildlich an den Tag legte dahin.

„Menschen!“ und die Verachtung die Sesshoumaru normalerweise in dieses Wort legte schien plötzlich ein Kompliment zu sein.

Keiner der drei sah wie sie sich bewegte, aber plötzlich stand sie ohne dass sich auch nur eines ihrer schwarzen langen Haare bewegte vor Rijan, packte diese am Hals und blickte ihr tief in die Augen. „Ein Mensch spricht nicht in meiner Gegenwart, wenn ich es nicht gestatte. Und ich gestatte niemals einem Menschen mich anzusprechen.“ Ihr Blick bohrte sich in Rijans. Chidori konnte nur bewegungsunfähig dabei stehen und den beiden zusehen. Sie hatte beinahe Mitleid mit Rijan, als die Dämonin weitersprach und es Rijan nicht länger möglich war sich ihr Entsetzen nicht anmerken zu lassen.

„Ich, du unwürdiger Wurm, bin der mächtigste Dämon, der dir in deinem kümmerlichen Leben jemals begegnen wird und was ich hier tue …“ Sie lächelte kalt. „… ist das Leben meines Sohnes zu beenden.“ Sie ließ Rijan abrupt los, so dass diese mit weit aufgerissenen Augen auf den Boden fiel und nach oben blickte.

„Und niemand wird mich daran hindern.“
 

Rijan saß mit weit aufgerissenen Augen auf dem Boden. Ihre Beine begannen zu schmerzen, weil sie in einem unnatürlichen Winkel auf sie niedergesunken war. Sie starrte die Frau vor ihr an. Laut hallten die Worte in ihrem Schädel nach. Sie drangen bis tief in ihre Seele ein. „Sohn!“, immer wieder hallte es durch ihr Blut hinein in ihre Seele. Das konnte nicht sein? Das hier konnte unmöglich Sesshoumarus Mutter sein. Diese Frau schien nicht sonderlich viel älter als Sesshoumaru selbst zu sein. Rijan wusste natürlich irgendwo in ihrem Verstand, dass das keine Rolle spielte. Sesshoumaru und Akiko sahen auch nicht wie Vater und Sohn aus und waren es doch ohne Zweifel. Dennoch … Rijan schluckte schwer. Die Frau vor ihr hatte tiefschwarzes Haar, welches sich bis über ihre Hüften ergoss. Ihre Augen waren eisblau und strahlten soviel Kälte aus wie Rijan nie zuvor in einem Blick gesehen hatte. Sie schien damit bis auf den Grund einer Seele blicken zu können. Sie begann zu frösteln, während sie daran dachte. Nein, es bestand keinerlei Ähnlichkeit zwischen ihr und Sesshoumaru.

Die unbekannte Frau ging vor Rijan in die Hocke und blickte sie mit einem leicht belustigten Ausdruck auf dem Gesicht an. Einen Moment lang sagte keiner etwas. Rijans Blick glitt zurück zu Sesshoumaru und ihre Seele schrie förmlich aus. Nein, das war nicht seine Mutter. Niemals konnte eine Mutter ihrem eigenen Sohn so etwas antun. Schwere, deutliche Verwundungen einer Folter zeichneten seinen Körper. Sie hatte nie zuvor jemals eine gefolterte Person gesehen, jedoch von ihnen gehört. Doch niemals hatte jemand von solch einer Grausamkeit berichtet. Rijan schloss die Augen, sie konnte den Anblick nicht länger ertragen. Sie fühlte wie ihre Augen anfingen zu brennen. Tränen drückten sich unter den geschlossenen Lidern hindurch und rollten ihre Wangen hinab. Ein Schluchzer entrann ihrer Kehle. Nein, niemals. Diese Frau log, wenn sie den Mund aufmachte. Felsenfest davon überzeugt öffnete Rijan mit Zorn im Blick ihre Augen und starrte die Frau hasserfüllt an. Sie wollte ihr gerade sagen, dass sie nichts davon glaubte, als die Dämonin ihre Finger vor Rijans Gesicht hob und diese von einem grünen Nebel umhüllt wurden. Etwas schien in Rijan zu zerbrechen. Denn sie kannte diese Art von Macht. Sie schlug sich die Hand vor den Mund und stellte sich erstmals der offensichtlichen Tatsache, dass Sesshoumaru diese Fähigkeit nicht von seinem Vater sondern von seiner Mutter geerbt hatte. Einer Mutter, die entweder dem Wahnsinn verfallen oder das grausamste Geschöpf dieser Erde war. Und im Moment wusste Rijan beim besten Willen nicht, welche Alternative diejenige wäre, die ihnen wenigstens den Hauch einer Chance eingeräumt hätte.

„Wie ich bereits sagte, niemand wird mich daran hindern.“ Und damit rammte sie ihre giftige Klaue direkt in Rijans Eingeweide.
 

Fortsetzung folgt ...
 

Nya, besser als nichts würd ich meinen. Im Grunde bin ich mit dem Auftritt von Sess Mutter ziemlich zufrieden. Einen besonderen Dank muss ich dabei allerdings an Akabane-san aus der Serie "Get backers" richten, denn irgendwie hat mich dessen kranke Art zu dieser grausamen Ader inspiriert. Ihr könnt euch allerdings nicht vorstellen wie sehr es mich schmerzt, Sess so etwas anzutun.
 

Sess Mutter, nun, das ist MEINE Story und ich hatte seit dem Schreiben des ersten Wortes dieser Geschichte vorgehabt, sie auftauchen zu lassen (Familienbande, nicht wahr?) und seit da hat sie eben schwarze Haare und eisblaue Augen. Mittlerweile hat allerdings Takahashi-sensei selbst Sess Mutter ins Spiel gebracht und es deckt sich daher nicht mehr. Seht also bitte darüber hinweg, dass Sess Mutter nach Takahashis Angaben deutlich anders ausschaut und ist als bei mir.
 

Namentlich hat sich auch was getan. ICh hatte erst den PLan ihr keinen Namen zu geben, weil sich ein so mächtiger Dämon ja auch nicht vorstellen muss, andererseits nervt es mich ständig "die Dämonin" zu schreiben, daher kam ich nun auf den Namen Yamiko. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob es den wirklich gibt. Heißt aber so viel wie Kind der Dunkelheit und find ich ziemlich passend. Ich hätte noch Tatariko zur Auswahl, aber Yamiko klingt irgendwie besser. Wer Lust hat kann sich gern zum Namen äußern. Gefällt er euch und findet ihr er passt zu meiner Beschreibung?
 

Hm, ansonsten gibts ein supertolles Fanart von Madoka_chan zu Akiko. Ich fühl mich so dermaßen geehrt.

http://animexx.onlinewelten.com/fanarts/output/?fa=870335&sort=zeichner
 

Das wars dann mal für heute von mir. ICh bedanke mich mal wieder ausdrücklich für die phantastischen Kommentare (Wir packen die 300 (!), das ist einfach unfassbar), eure Geduld mit mir und die Ausdauer, die ihr dieser Story zukommen lasst. Ich kann dafür nicht oft genug Danke sagen. Ins besondere ist das mal wieder meine liebe Lynnnn, ohne die ginge das hier einfach nicht mehr weiter.
 

Mata ne

Rogi
 

PS. Der Titel ist die Untertreibung des Jahrhunderts, ich weiß.

PPS. Seid nachsichtig mit mir, mir fiel dieses Kapitel wirklich extrem schwer zu schreiben.

vereinigte Seelen

Konnichiwa mina-san,
 

was kann ich euch sagen, außer: der Übergang ist vollbracht. Mir gefällt er nicht so ganz, aber nachdem ich ihn eben nochmal gelesen und die anderen Versionen verworfen habe, denke ich, dass das doch die beste Möglichkeit für den Übergang ist.
 

Mir fällt nicht besonders viel im Vorfeld dazu ein, also lest einfach selbst:
 

Einen Moment lang war es als könnte Akiko nicht atmen. Als würde die Welt still stehen. Nein, das stimmte nicht, als würde allein nur seine Zeit stillstehen. Denn er stand einfach nur im Türrahmen und starrte die Szene vor sich an. Er war nicht in der Lage einzugreifen oder sich bemerkbar zu machen. Und eigentlich war das ein fruchtbar grausamer Witz des Schicksals. Denn er sah überdeutlich vor sich was geschah. Als würde es in Zeitlupe ablaufen. Und wenn man etwas derart wahrnahm, sollte es einem doch wirklich möglich sein, noch einzugreifen…

Aber nein, Akiko stand dort wie gelähmt und konnte nicht verhindern, dass diese ihm fremde und doch irgendwie vertraut vorkommende Dämonin sich über Rijan aufregte, dann ausholte und zu seiner absoluten Überraschung ihre Krallen in Chidoris Bauch rammte.

Sein Verstand wollte nicht begreifen, was dort gerade geschah. Es war Rijan gewesen, die die Worte an seine Großmutter gerichtet hatte. Die ihren Zorn heraufbeschworen hatte und doch hatte sich diese gefährliche Frau gegen Akikos Mutter gerichtet. Er schüttelte angestrengt seinen Kopf und schien damit den Bann brechen zu können, der ihn lähmte.

Die Dämonin zog ihre Klauen zurück und betrachtete einen Moment lang das Blut, das daran herunterlief, dann blickte sie zurück auf die Wunde und schließlich in Chidoris Gesicht, auf welchem sich eine perfide Art der Belustigung abzeichnete. Beinahe wirkte ihr Lächeln überheblich.

„So mächtig und doch so leicht zu beeinflussen. Wer hätte das gedacht?“ Dann taumelte Chidori angeschlagen zurück und schlang schutzsuchend die Arme um sich. Sie keuchte und ging in die Knie.

Akikos Blick traf den von Rijan, die nicht minder fassungslos dastand. Was war hier geschehen? Er stürzte zu seiner Mutter und befürchtete beinahe, dass sie jeden Augenblick tot zusammen brechen würde. Doch einmal mehr schien er sich in seiner Mutter zu täuschen. Sie verzog schmerzverzerrt das Gesicht. Die Verwundung musste ohne Zweifel sehr schmerzen und wenn Akiko bedachte, mit wem sie es hier zu tun hatten, dann war davon auszugehen, dass man Chidori gerade vergiftet hatte. Er überlegte angestrengt, ob er irgendetwas tun konnte um ihr eine Art Gegengift zu verabreichen. Ohne Zweifel trug er dieses in sich. Er stammte immerhin von dieser mächtigen Frau ab. Doch ihm fiel einfach keine Möglichkeit ein, seine Abwehrkräfte auf sie zu übertragen.

Ihr Blick kreuzte den seinen und sie lächelte gequält.

„Halb so schlimm. Ich bin mächtiger als ich aussehe.“ Und mit diesen Worten legte sie die Hände über die verheerende Wunde, aus der unablässig Blut quoll. Akiko wusste nicht, was genau sie tat oder wie sie es anstellte, aber ohne dass von ihren Händen ein Licht oder sonst etwas ausstrahlte, womit man den Heilungsprozess hätte erklären können, fing sich ihre Haut an zu regenerieren. Es dauerte ein wenig, was Akiko eher darauf zurückführte, dass Chidori das wohl schon sehr lange nicht mehr getan hatte als darauf, dass sie zu schwach dafür war. Die Wunde verschwand wenig später endgültig und lediglich die zerrissene Kleidung zeugte noch von der Verletzung.

„Was zur Hölle …“, setzte ihre Widersacherin nun an und funkelte Chidori wütend an.

„Ich habe deinen Geist beeinflusst. Für den Bruchteil eines Moments hast du geglaubt ich wäre Rijan und bist deswegen auf mich losgegangen.“

Ein wütender Laut durchschnitt die Luft und ihre Augen begannen unnatürlich zu leuchten.

„Du beschützt einen Menschen? Eine schwache erbärmliche Kreatur, die es nicht schafft sich selbst aus solch einer Lage zu befreien?“ Akiko fröstelte. Wenn sein Vater von Menschen sprach, klang dabei verhaltene Ablehnung mit, wenn diese Frau das tat, war daran nichts verhaltenes oder schwaches. Abscheu, tiefgehende verachtende Abscheu schwang in ihrem Tonfall mit. Er fragte sich, ob das schon immer so gewesen war und ein Blick in ihre Augen ließ ihn vermuten, dass dies wohl wirklich der Fall war. Es fiel ihm schwer sich vorzustellen, dass sie einmal anders gedacht hatte.

Einen Moment glitt sein Blick zu seinem Vater. Alles in ihm weigerte sich, ihn als seinen Vater zu sehen. Das konnte nicht sein. Solange er sich zurückerinnerte, war Sesshoumaru immer der mächtigste aller Dämonen gewesen. Akiko hatte zwar nicht viele Vergleichsmöglichkeiten, denn mit anderen Dämonen war er kaum in Kontakt gekommen, aber dennoch ging seine Annahme weit über kindlichen Stolz auf die eigenen Eltern hinaus. Es war der natürliche Instinkt eines Dämons, der ihm vermittelte, wann er es mit einem mächtigen Wesen zu tun hatte. Man konnte es einen sechsten Sinn nennen, einen der ihm vermittelte, wann es besser war das Weite zu suchen. Und solange er sich erinnerte, hatte sein Vater immer diesen Instinkt in ihm geweckt. Den Wunsch wegzulaufen. Sogar noch weit mehr als er es nun bei dieser Frau verspürte. Seiner Großmutter. Beinahe hätte er angefangen zu lachen, als er sich dessen bewusst wurde. Richtig, wenn sie Sesshoumarus Mutter war, war sie auch seine Großmutter. Wieso hatte er bislang nie an die Möglichkeit gedacht, dass seine Familie noch aus mehr Mitgliedern als seinen Eltern bestand? Es war ihm wirklich nie in den Sinn gekommen. Flüchtig fragte er sich, ob Chidoris Eltern auch noch auf dieser Welt weilten. Er hatte nie gefragt und sie hatte es nie für nötig befunden darauf einzugehen.

Akiko blickte die fremde Frau an. Sie war groß gewachsen für eine Frau. Größer als seine Mutter, vermutlich reichte sie in der Größe an ihn heran. Akiko selbst war nur unmerklich kleiner als sein Vater. Sie strahlte eine Eleganz aus, die die seiner Mutter übertraf. Chidori wusste, dass sie Ausstrahlung hatte, dass sie schön war, aber diese Frau hier wusste es nicht nur, sie hielt sich auch ohne Zweifel für eine sehr umwerfende Frau und das strahlte aus jeder Faser ihres Körpers aus. Sie strahlte dadurch in einem Licht, dem man sich schwer entziehen konnte. Erneut wanderte sein Blick zu seinem Vater. Sein Vater hatte so eine ähnliche Aura, nur machte er sich nichts daraus. Diese Dämonin schien aber auch Wert darauf zu legen, dass man ihr die nötige Bewunderung zukommen ließ. Er fragte sich, welche Einstellung verheerender war. Er betrachtete sie weiterhin und nahm das pechschwarze lange Haar wahr, dass ihr in weichen Wellen bis über die Hüften fiel und ihr schönes Gesicht umrahmte. Einzelne kürzere Strähnen fielen ihr ins Gesicht und bedeckten ein wenig ihre eisblauen Augen, die ohne jegliche Wärme auszukommen schienen. Das blau darin wirkte dadurch noch kälter. Er versuchte etwas von seinem Vater oder von sich in ihr zu sehen, aber so wirklich gelang ihm das nicht. Sesshoumarus Vater musste starke Gene gehabt haben, denn er schien deutlich mehr nach ihm zu kommen. Ein wenig hatte er wohl die feineren Gesichtszüge geerbt, aber damit endete die Ähnlichkeit zwischen Mutter und Sohn auch schon. Am deutlichsten nahm er aber eigentlich nur eine einzige Sache an dieser Frau wahr. Und zwar, dass sie vollkommen unberechenbar war. Er wusste nicht, woher er das ahnte oder warum er das so deutlich fühlte. Doch aus einem seltsamen Grund war ihm klar, dass sie für sich selbst sehr starke Grundsätze hatte und diese umsetzen würde egal was es kostete. Anders konnte man Sesshoumarus Zustand auch nicht erklären. Er fragte sich, was genau ihr Ziel war. Ihren Sohn zu töten? Wenn dies der Fall wäre, gäbe es dafür ohne Zweifel einfachere Methoden. Nein, sie schien dabei Spaß zu haben, ihn zu foltern und Schmerzen durchleiden zu lassen. Und das war etwas, was er als unberechenbar einstufte. Jemand, dem es Freude bereitete, Schmerz und leid zu verbreiten, war ein gefährlicher Gegner, egal wie mächtig er nun war oder nicht. Da brachte es Akiko auch rein gar nichts, dass er sie für schwächer hielt als seinen Vater.

Sie schien seine Musterung wahrzunehmen und blickte ihn direkt an. Automatisch wich er einen Schritt zurück, was sie zu einem herablassenden Lächeln veranlasste. „Sein Sohn, ohne Zweifel.“ Ob sie das nun auf die Ähnlichkeit oder sein Verhalten bezog, blieb ihm verborgen. Vielleicht war das auch besser so.

„Nun, Chidori, möchtest du deine letzten Minuten nutzen um mich davon zu überzeugen, dass es richtig war dieses unnütze Geschöpf zu beschützen?“ Sie ging einen Schritt auf Chidori zu, die sich etwas umständlich erhob. Akiko fragte sich augenblicklich, ob seine Mutter die Heilung vielleicht nur äußerlich vollziehen konnte. Seine Stirn legte sich in Falten, während er sie anblickte. Die Sorgen, die er sich zuvor gemacht hatte, kehrten zurück.

„Blödsinn.“, zischte sie und richtete sich zu ihrer vollen Größe auf, wohlwissend, dass sie ihre Gegnerin damit nicht beeindrucken konnte.

„Freut mich zu hören.“

„Für dich gibt es keine Entschuldigung einen Menschen zu schützen, richtig?“ Ihr Blick glitt zurück zu Sesshoumaru und Akiko sah deutlich wie in ihren Augen etwas aufflackerte, was er dort sehr lange nicht mehr gesehen hatte.

„Das ist doch der Grund für deine Tat, oder?“

Die Dämonin blickte ebenfalls zurück und ein schwaches Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. „Vom Grundsatz her, ja. Warum ich ihn so zugerichtet habe liegt aber eher daran, dass es mir Spaß gemacht hat.“

Mit einem überraschenden Ausbruch bewegte sich Chidori nach vorne, packte die Dämonin am Hals und grub ihre Krallen in deren Fleisch. Ein Überraschungsangriff! Nicht schlecht, dachte Akiko. Doch seine Bewunderung verflog gleich wieder, als er das amüsierte Lächeln auf dem Gesicht seiner Ahnin sah. Chidori wurde sich dessen wohl auch bewusst, denn zuerst verblasste die Wut auf ihrem Gesicht, dann weiteten sich ihre Augen und schließlich schrie sie gequält auf, als sich die Krallen der Dämonin nun in ihren Rücken bohrten und Akiko dieses Mal deutlich sah, wie das Gift in sie eindrang. Doch dieses Mal reagierte er endlich. Er sprang nach vorne, riss Chidori aus der Umklammerung und zerrte sie in sichere Entfernung zurück. Sein Blick glitt zu Rijan, die wie angewurzelt auf der Stelle stand und noch keinen Ton von sich gegeben hatte. Sie starrte die Frau wie eine Erscheinung an. Er fragte sich, ob das mit der Offenbarung zusammen hing, dass sie Sesshoumarus Mutter war oder ob ihr gerade bewusst wurde, dass SIE diesen Angriff von vorhin niemals überlebt hätte. Wäre Chidori nicht eingesprungen, wäre sie nun tot. Definitiv. Ein Mensch überlebte eine solche Attacke nicht.

Chidori stöhnte gequält und fluchte herzhaft, ehe sie erneut ihre Selbstheilung in Kraft setzte und die Wunde heilen ließ.

„Das Gift …“ Akiko brach ab, denn seine Mutter schüttelte ihren Kopf.

„Braucht nur länger um zu verschwinden. Meine Selbstheilung ist meine größte Gabe.“ Sie lächelte ihn aufmunternd an, doch etwas von seinen Zweifeln konnte sie damit nicht vertreiben.

„Rijan!“, zischte sie nun und endlich schien diese zu sich zu kommen.

„Du hast deinen eigenen Sohn nur zum Spaß gequält?“ Akiko hatte nie zuvor diesen Tonfall in Rijans Stimme wahrgenommen. Er blickte in ihr Gesicht und ein wenig mulmig wurde ihm zu Mute. Dieses freundliche Geschöpf, das sie sonst war, schien vollends verschwunden zu sein. Unkontrollierte Wut schien von ihr Besitz ergriffen zu haben. Er wusste, dass ein solches Gefühl Energien freisetzen konnte, mit denen der Gegenüber nicht rechnen würde. Dennoch, sie sollte nicht vergessen, mit wem sie es hier zu tun hatte.

„Yamiko!“ Chidori erhob sich erneut und blickte die Dämonin fest an. Akiko wurde sich erst jetzt bewusst, dass er bisher den Namen seiner Ahnin nicht gekannt hatte.

„Chidori, du enttäuschst mich. Ich dachte du würdest meine Missbilligung der Menschheit verstehen können. Wie wichtig es ist, die Macht der Dämonen zu erhalten.“ Mit einer verärgerten Bewegung wischte sie sich das Blut von ihrem Hals, welches Chidori verursacht hatte. „Die Dämonen werden untergehen, wenn wir ein weiteres Vermischen der Blutlinien zulassen.“

„Blödsinn!“, wiederholte sich Chidori.

„Die meisten Dämonen zeugen auch nach wie vor reinrassige Nachfahren. An unserer Macht wird sich nichts ändern.“

„Tse!“ Ein überheblicher Tonfall begleitete diesen Laut.

„Je mehr Halbdämonen es gibt, desto weniger akzeptieren uns die Menschen als die mächtigsten Wesen dieser Erde. Du solltest das wissen.“ Sie blickte Akiko wieder an und Chidori bezog automatisch vor ihm Position.

„Du vor allen anderen solltest das wissen.“ Doch dann lächelte sie spöttisch. „Aber ich hätte mir denken können, dass du keinen Verstand besitzt, Mädchen. Jeder hat euch untersagt euer Blut zu vermischen und trotzdem hast du deinen Willen durchsetzen müssen. Das hätte mir schon zeigen sollen, wie wenig Verstand zu besitzt.“

Akiko knurrte automatisch. Nicht nur, dass man gerade seine Mutter beleidigte, nein, das war auch eine deutliche Beleidigung seiner eigenen Person.

Yamiko trat ein paar Schritte zurück und kniete sich neben ihrem Sohn nieder. Sie umfasste sein Gesicht mit ihrer schlanken Hand und betrachtete versonnen sein Gesicht.

„Es ist ein Jammer. Er war ein Meisterwerk.“ Sie seufzte leise und schloss kurz die Augen. So als könnte man meinen, sie würde um ihren Sohn trauern. Doch natürlich wusste jeder der Anwesenden, dass sie ihm das angetan hatte. Von Trauer konnte keine Rede sein. Dann hoben sich ihre Lider wieder und mit einem Mal war es als könnte man ihre düstere Aura tatsächlich sehen. Ihre Augen waren nun beinahe weiß, schimmerten noch leicht durchsichtig und ihre blasse Haut wurde von tausend kleinen blauen Adern durchzogen. Sie erhob sich und drehte sich langsam zu Rijan herum. Diese wich automatisch einen Schritt zurück, stellte sich aber in eine Verteidigungsposition. Ihr Gesicht spiegelte noch immer ihre Wut wieder.

„Und du hast dieses Meisterwerk zerstört.“ Die Luft um sie herum schien zu explodieren, ohne dass man etwas sehen konnte. Ein Krach, der Akiko mit seinem empfindlichen Gehör beinahe taub machte, erfüllte die Luft.

Sie blickte kurz zu Chidori, die ebenfalls mit dem Geräusch zu kämpfen hatte. „Was willst du nun tun, Chidori?“ Ihre Stimme nahm einen leicht singenden Tonfall an. Sie wirkte nach wie vor belustigt und das Timbre ihrer Stimme schmeichelte sich in den Gehörgang ein, schien einem den Verstand rauben zu wollen. „Solange du dich nicht konzentrieren kannst, kannst du auch meinen Geist nicht beeinflussen. Was also willst du nun tun?“ Und dann vergaß sie Chidori wieder und näherte sich mit äußerst langsamen Schritten Rijan, die ihr Schwert zog und es auf Yamiko richtete.

„Als ob ich die Hilfe eines Dämons bräuchte.“ Der verächtliche Tonfall überraschte Akiko und auch wenn er zuvor bereits gewusst hatte, dass Rijan kämpfen konnte, erstaunte es ihn nun doch, wie sie mit einer brachialen Gewalt ihr Schwert schwang und damit die Dämonin tatsächlich kurzzeitig überraschte, den die Klinge schnitt hörbar in Yamikos Arm, was diese dazu bewegte einen Schritt zurückzuweichen und überrascht das Blut anzublicken, dass nun unter dem Stoff ihren Arm hinunterfloss und an ihren Fingerspitzen entlang auf den Boden tropfte.

„Du wagst es dein unreines Schwert gegen mich zu erheben?“

„Ich wage es sogar, damit deinen dämonischen Körper zu beschädigen.“, zischte Rijan zurück. Akiko starrte die beiden fassungslos an. Er hatte wirklich gewusst, dass sie eine Dämonenjägerin war, aber offenbar war es ihm bis zu diesem Moment nicht wirklich bewusst gewesen. Er hatte selbst gegen sie gekämpft, aber auch dabei hatte er noch nicht das Ausmaß ihrer Kraft verstanden. Jetzt jedoch, als es darum ging wirklich etwas oder jemanden zu beschützen, setzte dieses zierliche, kleine Geschöpf Kräfte frei, die er nie in einem Menschen vermutet hätte.

„Das wird dir …“

„… noch leid tun?“ Rijan lachte trocken. „Wenn du wüsstest, wie viele Dämonen das zu mir gesagt haben, ehe ich ihren Kopf von ihrem Körper getrennt habe. Dir wird es noch leid tun, Hand an deinen Sohn gelegt zu haben. Wie konntest du nur?“

Yamiko schien einen Moment über Rijans Worte nachzudenken. Und dann ohne Vorwarnung begann der Lärm nachzulassen und das Eisblau ihrer Augen kehrte zurück. Sie blickte Rijan einen Moment schweigend an und schien eine Entscheidung zu treffen.

„Du möchtest ihn retten?“, fragte sie dann schließlich und Rijan schien diese Wandlung ebenfalls sehr zu überraschen. Misstrauisch sah sie die Dämonin an.

„Natürlich!“

Ein Lächeln umspielte Yamikos Lippen als sie erst Rijan und dann Sesshoumaru anblickte.

„Wer hätte das gedacht? Ein einfacher Mensch …“

„Ich habe ihm bereits erklärt, dass ich nicht nur ein einfacher Mensch bin.“ Yamiko legte den Kopf leicht schief und musterte Rijan in ihrem Kampfanzug.

„Nun, mein Plan sah anders aus, aber ich gebe dir eine Chance.“ Alle Anwesenden sahen sie nun misstrauisch an. Das hatte doch sicherlich einen Haken?

Sie vollführte mit der Hand eine kreisende Bewegung und plötzlich schien es als würde ein zuvor nicht wahrgenommenes Schild Sesshoumaru umgeben.

„Wenn du dieses Schild durchdringst, kannst du seine Gedanken einsehen. Alles was ich dir anbiete, ist die Möglichkeit rückgängig zu machen, was ich verletzt habe.“
 

Rijan blickte auf das Schild und zurück zu Yamiko. War das eine Falle? Natürlich war das eine Falle. Sie hatte nicht lang gebraucht um Yamiko einordnen zu können. Diese Frau war in der Lage ihren eigenen Sohn zu richten, warum sollte sie ihr also nun die Möglichkeit geben, ihn zu retten. Noch dazu ausgerechnet ihr? Einem Menschen? Einem Menschen, der laut Yamiko Schuld daran war, dass sie ihren Sohn richtete? Irgendeinen Nachteil hatte die Sache. Würde sie sterben, wenn sie dieses Schild durchdrang? Würde sie vielleicht schutzlos sein und Yamiko hätte kein Problem mehr damit sie zu töten? Andererseits würden Akiko und Chidori sie dann erst Recht beschützen. Das konnte nicht des Rätsels Lösung sein. Sie blickte zu Chidori, die ebenfalls die Stirn in Falten gelegt hatte. Auch Akiko starrte auf dieses sonderbare Schild, das seinen Vater umgab.

Was bezweckte Yamiko damit? Freundlichkeit war es definitiv nicht.

„Ich kann dir nicht verdenken, dass du misstrauisch bist. Aber ich kann dir versichern, dass ich es nicht nötig habe, solche Mittel anzuwenden um dich zu töten. Du hast mich verwundet, richtig, aber mehr auch nicht. Wenn ich dich einfach töten wollte, könnte ich das jetzt sofort tun.“

Rijan wollte dem widersprechen, unterließ es dann aber doch. Sie war sich nicht sicher, ob Yamiko dazu nicht doch in der Lage gewesen wäre. Vorhin jedenfalls hätte sie mit Sicherheit ihr frühzeitiges Ende erlebt, wenn Chidori sich nicht für sie geopfert hätte. Sie schüttelte sich leicht als sie daran dachte. Sie hatte erst gar nicht verstanden, warum Yamiko auf Chidori losgegangen war. Ihr war nicht in den Sinn gekommen, dass Chidori so schnell und aus heiterem Himmel den Verstand beeinflussen konnte. Noch dazu bei einem offensichtlich mächtigen Dämon. Vielleicht hatte sie Chidori doch noch sehr unterschätzt. Sie wusste, dass sie mächtig war, das fühlte sie die ganze Zeit über schon, aber wer konnte schon wissen, wie mächtig ein Dämon war, der seine eigene Macht versiegelte. Vielleicht wusste Chidori das nicht einmal selbst.

Sie blickte zurück zu Sesshoumaru und ihr Magen zog sich zusammen. Wie hatte man ihm das antun können? Sie ertrug es nicht, wirklich hinzusehen. Ihr Blick glitt zurück zu Yamiko, die etwas ungeduldig dastand und Rijan betrachtete.

„Warum dann?“

Ein Lachen erfüllte die Luft.

„Ich bin seine Mutter. Ich gab ihm sein Leben, ich allein habe auch das Recht es wieder zu nehmen. Glaub nicht, dass auch nur einer von euch mich daran hindern könnte.“ Ihr Lächeln vertiefte sich. „Ich bin ein Dämon, ich allein war fähig seine Seele zu brechen. Ich frage mich, ob ein einfacher Mensch ihm so wichtig sein kann, dass dieser seine Seele doch noch retten kann.“ Sie fing nun wirklich an zu Lachen und dieses Lachen klang schmerzhaft in Rijans Ohren.

„Und wenn ich es kann? Wenn ein einfacher Mensch so viel Macht über seine Seele hat? Dann wirst du ihn doch erst Recht töten, oder?“

Yamiko nickte und das Lächeln verschwand.

„Richtig, aber du würdest ihm die Chance einräumen, sich doch noch selbst zu retten. Also wie wichtig ist er dir? Bist du bereit sein Schicksal zu besiegeln?“

Und so gern sie darüber noch nachgedacht hätte, Rijans Entscheidung stand fest, bevor Yamiko auch nur zu Ende gesprochen hatte. Sie wusste, dass sie diejenige war, die seine Seele retten konnte. Sie wusste es tief in ihrem Herzen. Und wenn sie dadurch den Beweis lieferte, den Yamiko haben wollte, dann sollte es eben so sein. Sie würde Sesshoumaru die Chance einräumen, dass er sich retten konnte. Sie würde einfach alles für ihn tun. Und so rannte Rijan los, ohne noch weiter darüber nachzudenken, welche Folgen ihr Handeln haben würde, blind darauf vertrauend, dass Akiko und Chidori ihren schutzlosen Körper solange schützen würden, bis sie wieder bei Verstand war. Zeit für Bedenken und Zweifel hatte sie nicht. Es gab eine Möglichkeit ihn zu retten. Sie hatte überhaupt keine andere Wahl als diese einzugehen. Sie stürmte an Yamiko vorbei, nahm deren selbstgefälliges Lächeln wahr und durchdrang das Schutzschild, welches Sesshoumaru umgab. Sie konnte dabei fühlen wie ihre Seele ihren Körper verließ. Sie spürte gerade noch wie ihr Körper bewusstlos zu Boden fiel, ehe ihre Seele mit seiner verschmolz.
 

Chidori schaute entsetzt zu, wie Rijan sich in Bewegung setzte. Sie wollte aufspringen und sie aufhalten, doch ihre Beine versagten ihr den Dienst. Sie konnte nichts anderes tun als ihr panisch nachzurufen: „Tu das nicht, Rijan. Er wird dir das nie vergeben.“ Doch Rijans Körper schlug auf dem Boden auf, bevor sie zu Ende gesprochen hatte. Es war zu spät. Sie sackte auf ihre Knie und blickte entsetzt auf die zwei beinahe leblosen Körper. War es ein Zeichen, dass Rijans Kopf geradewegs auf Sesshoumarus Schoß zu liegen kam?
 

Rijan öffnete verwirrt die Augen. Wo war sie? Was war geschehen? Ihre Erinnerungen ließen sie im Stich und weigerten sich ihr zu erklären, was passiert war.

Sie schloss erneut ihre Augen und zählte langsam bis zehn, ehe sie sie wieder öffnete. Immer noch konnte sie nicht erkennen wo sie war. Also wiederholte sie diese Prozedur bis die Umgebung um sie herum sich endlich klarer abzeichnete. Sie stand auf einer Lichtung. Grünes Gras blühte hier im sanften Licht der untergehenden Sonne. Einen Augenblick lang genoss sie das warme Licht auf ihrem Gesicht, ehe sie den Kopf schüttelte und versuchte die Umgebung näher zu betrachten. Doch egal wohin sie blickte, sie sah nur weites Land. Bäume in einiger Entfernung, Hügel am Horizont, weise Wolken, die vereinzelt über ihr hinwegzogen. Eigentlich ein schöner Ort um zu verweilen, doch sie hatte etwas zu tun. Sie fühlte das sehr deutlich. Etwas Wichtiges wartete darauf, dass sie es zu Ende brachte, doch sie konnte sich einfach nicht daran erinnern was das war. Sie seufzte leise und blickte zu Boden. Wie konnte man etwas Wichtiges vergessen? Sie sollte etwas erledigen, richtig, das wusste sie noch. Etwas von großer Wichtigkeit. Es wäre eine Katastrophe, wenn sie versagte, doch auch das brachte sie nicht weiter.

Sie hob ihren Blick wieder an und entdeckte etwas weiter entfernt eine Gestalt. Noch war sie zu weit weg um diese zu erkennen, also setzte sie sich in Bewegung. Sie fing automatisch an zu rennen und kam schließlich außer Atem an einem kleinen See an. Das Gras hier war noch saftiger und frischer als auf der Lichtung dort oben. Ein warmer Wind blies ihr entgegen und sie ließ sich erschöpft auf einen kleinen Felsen sinken, der ihr als Sitz diente.

„Du hast lange gebraucht, um hier anzukommen.“ Eine Stimme, die ihr seltsam vertraut vorkam. Sie rieb sich die Augen und plötzlich stand ein Junge vor ihr. Sie schätzte ihn auf ungefähr 14 Jahre. Er reichte ihr vermutlich bis zum Schlüsselbein und sein silbernes Haar fiel weich auf seine Schultern. Goldene Augen blickten sie an. Klar und deutlich. Ein Gefühl, der Erinnerung bemächtigte sich ihrer. Sie kannte dieses Gesicht, diese Augen, diese Haare. Doch eine Blockade in ihrem Inneren, hinderte sie daran die Tür zu ihren Erinnerungen aufzustoßen. Sie versuchte es verzweifelt, doch es gelang ihr einfach nicht. Frustriert seufzte sie.

Der Junge betrachtete sie schweigend, schien etwas in ihrem Gesicht zu suchen und schüttelte schließlich seinen Kopf.

„Menschen!“, meinte er mit einem leicht abwertenden Tonfall. Ein Wort, ein simples Wort und doch der vertrauteste Ton dieser Erde für sie. Mit einem Mal war alles wieder da. Sie wusste wieder, warum sie hier war. Sie wollte Sesshoumaru retten. Das war die Aufgabe, die sie zu erfüllen hatte. Erleichterung überkam sie und sie blickte den Jungen vor sich ungläubig an.

„Sesshoumaru?“ Er verzog die Lippen zu einem spöttischen Lächeln.

„Du erinnerst dich also?“

„Du bist das wirklich?“ Es war seltsam ihn als Junge zu sehen. Sie wusste natürlich, dass er ohne Zweifel einmal jünger gewesen war, aber ihn nun zu sehen, erstaunte sie irgendwie. Er sah bereits damals hübsch aus. Seine Gesichtszüge waren noch weicher gewesen, nicht so markant wie heute. Die Striemen auf seinen Wangen waren verschwunden. Leicht zeichnete sich eine violette Verfärbung auf seiner Wange ab. Sie wusste, was daraus einmal werden würde, doch noch schien er nicht mächtig genug dafür zu sein. Er wirkte schlaksig und etwas ungelenk. Seine Augen blickten sie neugierig an. Er hatte bereits diesen leicht überheblichen Ausdruck auf dem Gesicht, aber in seinen Augen zeichneten sich noch deutliche Gefühlsregungen ab. Interessant, dachte sie und bekämpfte den Wunsch ihn zu umarmen. Er sah irgendwie niedlich aus und das war etwas, was er mit Sicherheit auch in jungen Jahren nicht gerne gehört hatte. Also grinste sie nur einfach und starrte ihn wie die Erscheinung, die er vermutlich auch war, an.

„Was gibt es da zu grinsen?“, fragte er misstrauisch und in Rijan erwachte der Wunsch ihn in die Wange zu kneifen. Doch auch das tat sie nicht. Er blickte sie noch einen Moment lang misstrauisch an, ehe er schließlich den Kopf schüttelte und seufzte.

„Menschen.“, wiederholte er, doch diesmal klang er sehr resigniert. „Was möchtest du hier?“, fragte er schließlich.

„Dich retten.“ Das war die schlichte Wahrheit. Er lächelte leicht und schüttelte erneut seinen Kopf.

„Aha.“, meinte er schlicht und blickte sie weiterhin an. „Seine Erinnerungen sind derzeit von großem Interesse.“

Rijan runzelte die Stirn.

„Seine?“ Er nickte und drehte ihr den Rücken zu.

„Ich bin ein Teil von ihm. Im Grunde der Teil, der auf seine Erinnerungen aufpasst. Ich sorge dafür, dass sie sich nicht vermischen, dass seine Erinnerungen von denen seiner Ahnen getrennt bleiben.“

Er blickte sie über seine Schulter hinweg an.

„Ich habe diese Gestalt angenommen um es dir ein wenig einfacher zu machen. Im Grunde könnte ich jede Form von ihm annehmen.“

„Und wie siehst du in Wirklichkeit aus?“

„Ich denke ich bin körperlos. Man braucht mich nicht zu sehen. Eigentlich hat hier niemand etwas zu suchen, Rijan.“ Sie erstarrte kurz, denn nie zuvor hatte er sie Rijan genannt.

„Ich bin nicht er, zumindest nicht vollkommen, daher kenne ich deinen derzeitigen Namen.“ Ein wenig frustrierte es sie, dass selbst ein Teil von ihm, ihre Gedanken lesen konnte. Sie sah wie er lächelte. Ein ungewohntes Bild, doch passte es zu dieser jungen Ausgabe von Sesshoumaru. Sie mochte dieses Bild, stellte sie fest. Vermutlich hatte er das gewusst.

„Und wie geht es nun weiter?“ Er zuckte mit den Schultern und strich sich die Haare aus der Stirn.

„Ich führe dich nur.“

Rijan stand auf. „Und wohin führst du mich?“

„Wo immer du hin möchtest.“

Das half ihr auch nicht sonderlich.

„Wie soll ich dich nennen?“

„Ich habe keinen besonderen Namen. Ich bin wie gesagt ein Teil von ihm.“ Mit diesem Problem würde sie sich später befassen. Er würde sie also führen, wohin sie wollte.

„Dann bring mich dahin, wo seine Mutter gewesen ist.“

Er runzelte die Stirn und blickte sie direkt an. „So einfach ist das nicht. Du musst selbst herausfinden, wo das gewesen ist.“

Leichter Unmut machte sich in ihr breit. Musste er es ihr selbst hier so schwer machen? Sie strich sich leicht über die Stirn und seufzte schwer.

„Fein, dann lass uns gehen.“

Er nickte und ging voraus. Rijan folgte ihm mit zögernden Schritten. Einen Moment lang dachte sie über die Absurdität dieser Szene nach. Sesshoumaru oder jedenfalls wie er einmal ausgesehen hatte und doch war er es nicht wirklich. Wie war er wohl in diesem Alter gewesen? Sie glaubte nicht daran, dass er schon immer so abweisend und kalt gewesen war, wie er es heute gerne vorgab. Irgendwann einmal musst er auch wie jedes andere Geschöpf dieser Erde gewesen sein. Mit Gefühlen, die ihn überwältigt hatten. Mit Zweifeln und vermutlich sogar mit Freunden. Er konnte doch nicht immer allein gewesen sein.

„Hier wären wir.“ Sie schreckte aus ihren Gedanken auf und stellte fest, dass sich die Umgebung verändert hatte. Nur unmerklich, aber dennoch war etwas anders. Der See war immer noch da, doch die Sonne stand hoch am Himmel. Rijan blickte sich um und entdeckte Sesshoumaru, den echten Sesshoumaru, unweit von ihr entfernt.

„Das sind nur Erinnerungen, Rijan, das alles ist bereits geschehen. Er sieht uns nicht. Es ist wie wenn du ein Bild betrachtest. Du veränderst es dadurch nicht.“ Sie nickte schwach und betrachtete den Mann, den sie über alle Maßen liebte. Einen Moment lang vergaß sie alles um sich herum und ein Glücksgefühl durchströmte sie. Er lebte, er war gesund und nichts war geschehen. Sie vergaß, dass sie nur ein Bild sah, dass das nicht real war, für den Moment lebte er und es tat ihrer Seele gut, ihn sehen zu können, ihn in Bewegung zu sehen.

Sesshoumaru war ein wenig älter als die Ausgabe, die sie begleitete. Vermutlich 16 oder 17, wenn es nach Menschenjahren ging. Wie alt er als Dämon war, konnte sie nicht sagen. Sein Haar reichte bis über die Schulterblätter und er stand nur mit einem Hakama bekleidet am Ufer des Flusses und trainierte Kampfschritte und Bewegungen. Unweit von ihm entfernt saß ein vermutlich gleichaltriger Junge, der lediglich einen leichten grauen Yukata trug und es sich im Gras gemütlich gemacht hatte. Sein Haar hatte die Farbe von dunklen Kastanien und fiel ihm seidig glänzend bis auf die Hüften. Kinnlange Strähnen umrahmten ein sehr markant geschnittenes, ausgesprochen hübsches Gesicht. Dunkle, beinahe schwarze Augen betrachteten Sesshoumaru. Der junge Mann schüttelte seufzend seinen Kopf.

„Ich werde nie verstehen, wozu du täglich trainierst. Hast du vor demnächst in den Krieg zu ziehen?“ Seine Stimme war angenehm weich und nicht ganz so tief wie die von Sesshoumaru. Ein Lächeln begleitete seine Worte.

„Nein.“, meinte Sesshoumaru knapp. Rijan bemerkte, dass seine Stimme schon immer tief gewesen war, jedoch noch nicht so dunkel wie heute.

„Und was soll das dann? Die Sonne scheint, es ist gerade einmal Mittag und wir sind jung. Entspann dich etwas, Sess.“ Er schlug mit der Hand auf den freien Platz neben sich und blickte Sesshoumaru unverwandt an. Doch dieser schien darauf gar nicht reagieren zu wollen. Er trainierte stattdessen weiter.

„Ich habe nicht vor immer gegen meinen Vater zu verlieren. Eines Tages werde ich ihn besiegen und dafür muss ich täglich üben. Du verstehst das nicht.“, verteidigte er sich. Er vollführte einen Angriff in der Luft und landete etwas unsicher auf beiden Beinen. Er stand nun unweit von dem jungen Mann und hatte diesem den Rücken zugewandt. Dieser lachte leise, hob seinen Fuß und trat Sesshoumaru in den Allerwertesten, woraufhin dieser das Gleichgewicht verlor und vornüber auf die Knie fiel. Er verharrte einen Augenblick in der erniedrigenden Position und blickte zu seinem Begleiter zurück.

„Das ist nicht witzig.“

Dieser zuckte nur mit den Schultern und unterdrückte ein Lachen.

„Also ich will dich ja nicht deprimieren, aber wenn du durch mich so leicht zu Fall gebracht werden kannst, wirst du noch eine ganze Weile üben müssen, bis du deinen Vater besiegen kannst.“ Er legte sich in das weiche Gras zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.

„Ich weiß nicht, ob es dir aufgefallen ist, aber er ist verdammt stark.“ Sesshoumaru knurrte etwas Unverständliches und richtete sich wieder auf. Sein Schatten fiel auf den jungen Mann, als er neben ihm stand.

„Und was würdest du stattdessen lieber tun?“

Der Junge lachte und blickte träge zu Sesshoumaru auf.

„Was ich lieber tun würde als meinem besten Freund beim verschwitzten Training Gesellschaft zu leisten?“ Seine Lippen verzogen sich zu einem breiten Lächeln. „Nichts, Sess, rein gar nichts.“

Sesshoumaru knurrte erneut und ging zum Ufer des Sees. Er kniete sich nieder und bespritzte sein Gesicht mit Wasser.

„In Momenten wie diesen fände ich es wirklich besser du wärst eine Frau.“ Sesshoumaru blickte über seine Schulter zu seinem Freund zurück und machte ein unverständliches Gesicht.

„Naja, verschwitzte Mädchen sind ohne Zweifel besser anzusehen.“

„Sehr witzig.“

„Das ist kein Witz. Du wolltest doch wissen, was ich lieber tun würde.“ Er stützte sich auf seine Ellenbogen und sah Sesshoumaru an.

„Und ich sage dir, ich würde den Tag lieber mit ein paar hübschen Mädchen verbringen.“ Er blickte sich suchend um. „Und wo wir es schon einmal von hübschen Mädchen haben. Wo ist Chi heute?“ Sesshoumaru stand auf und wischte sich mit den Händen das Wasser aus dem Gesicht.

„Wenn du dir über etwas keine Sorgen machen musst, dann darüber, dass Chi nicht den Weg zu uns findet.“ Er klang ein wenig genervt.

„Du solltest dich freuen, dass dich ein so hübsches Ding anbetet. Ich würde gerne mit dir tauschen.“ Er ließ sich wieder zurückfallen und starrte in den blauen Himmel.

„Ich bitte dich. Sie ist doch noch ein halbes Kind.“

Rijan betrachtete die beiden jungen Männer und kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.

„Es ist seltsam ihn so zu sehen.“, murmelte sie. Ihr Begleiter lachte leise. „Warum? Du hast doch darüber nachgedacht, wer seine Freunde gewesen sind. Deswegen sind wir hier.“ Sie sah ihn überrascht an und begann dann zu begreifen. So funktionierte das also. Worüber sie nachdachte, wurde ihr gezeigt. Und weil sie nicht wusste, was Yamiko benutzt hatte um ihren Sohn zu brechen, konnte sie daran auch nicht denken. Sie musste also selbst diese Reise unternehmen und versuchen fündig zu werden. Einen Moment lang zweifelte sie an sich selbst. Wie sollte ihr das gelingen? Sie hatte nicht all zu viel Zeit. Akiko und Chidori würden Yamiko nicht ewig hinhalten können und selbst wenn diese nicht vorhatte, sie zu töten, dann würde sie damit nicht ewig warten. Irgendwann war ihre Zeit abgelaufen und Rijan konnte nur erahnen, wann es soweit war.

Sie hörte Schritte, die sich rasch näherten. Sesshoumaru seufzte tief und blickte seinen Freund mit einem vielsagenden Blick an. „Wenn man vom Teufel spricht …“ Dieser lachte nur und setzte sich auf. Chidori rannte den Hügel herunter zu den beiden jungen Männern und strahlte übers ganze Gesicht als sie Sesshoumaru entdeckte. Dieser schien diese Begeisterung nicht unbedingt teilen zu können.

Rijan betrachtete Chidori genauer. Auch ihr Haar war kürzer. Sie hatte es zu einem Zopf nach oben gebunden wodurch ihr Hals schön zur Geltung kam. Sie war in einen leichten hellblauen Yukata gekleidet, der mit hübschen Sakurablüten-Blättern bedruckt war. Sommer strahlte von ihr aus und Rijan kam nicht umhin zuzugeben, dass sie sehr hübsch aussah. Ihr Gesicht strahlte, das Lächeln wirkte vollkommen echt und ihre Augen glänzten als sie Sesshoumaru anblickte. Sie kam knapp vor ihm zu stehen und strahlte ihn an.

„Ich wusste, dass ich dich hier finde.“

„Nicht besonders schwer, wenn man bedenkt, dass ich beinahe jeden Tag um diese Zeit hier bin.“ Sie verzog das Gesicht und stieß ihn leicht in den Bauch.

„Sei nicht so, du freust dich doch mich zu sehen, oder?“ Er verdrehte die Augen und wandte ihr den Rücken zu. Chidoris Augen blitzten kurzzeitig auf, ehe sie ihm eingeschnappt ebenfalls den Rücken zudrehte und seinen Freund anblickte.

„Kazuki-kun, sag ihm, dass man so nicht mit einer Frau umgeht!“ Dieser lächelte zu ihr auf.

„Chidori-chan, als ob er auf mich hören würde.“ Chidori schob schmollend die Unterlippe vor und drehte sich wieder zu Sesshoumaru um.

„Außerdem bist du keine Frau.“, erklärte dieser gerade und blickte sie hochmütig an. Chidori schien einen Moment lang aus der Fassung zu geraten, besann sich dann aber doch wieder. Sie blickte ihn direkt an und ohne eine weitere Vorwarnung fiel sie ihm um den Hals, was selbst Sesshoumaru etwas aus dem Konzept zu bringen schien. Hilfesuchend blickte er zu Kazuki, doch dieser lachte nur und legte sich wieder in das weiche Gras.

„Sei nicht so zu mir.“, wisperte sie und presste sich wenig damenhaft an ihn. Sesshoumaru seufzte tief und ließ es geschehen.

„Du bist noch ein halbes Kind, Chi. Also lass das.“

Rijan kannte Chidori mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass das ihren Trotz nur noch herausfordern würde. Sesshoumaru schien das noch nicht begriffen zu haben, denn natürlich war es auch damals so gewesen. Sie drückte sich noch enger an ihn, sodass nun nicht einmal mehr ein Grashalm zwischen ihren Oberkörpern Platz gefunden hätte. Ihre Hände schoben sich in sein seidiges Haar und sie blickte ihm tief in die Augen, ehe sie langsam ihren Unterleib an seinem rieb. Sesshoumaru jedoch schien bereits damals wenig von solch plumpen Versuchen gehalten zu haben und wirkte daher ziemlich genervt. Dennoch ließ er sie gewähren. Irgendwann hielt sie in der Bewegung inne, runzelte die Stirn und stieß sich schließlich wütend von ihm ab.

„Mistkerl!“, fluchte sie herzhaft und sah ihn dann verletzt an. „Wie kannst du überhaupt nicht auf mich reagieren?“

Er zuckte mit den Schultern, drehte ihr den Rücken gelangweilt zu und meinte schlicht: „Wie ich bereits sagte, du bist noch ein halbes Kind.“

Einen Moment lang dachte Rijan, Chidori würde sich blindlings auf ihn stürzen und ihn dazu zwingen das zurückzunehmen, doch sie irrte sich gewaltig. Chidori stand einen Moment stocksteif da. Ihre Hände ballten sich zu schmerzhaften Fäusten, ehe sie sich einfach umdrehte, Kazukis mitleidigem Blick begegnete und ohne ein weiteres Wort so würdevoll wie möglich davon ging. Sesshoumaru drehte sich während dessen kein einziges Mal um. Als Chidori über die Böschung verschwunden war, seufzte er tief und Kazuki erhob sich leichtfüßig. Sein langes kastanienfarbenes Haar fiel ihm lose auf die Hüften und schwang leicht mit, als er sich zu Sesshoumaru bewegte. Er blieb hinter ihm stehen und schaute über dessen Schulter.

„Ein halbes Kind, hm?“, meinte er und klopfte seinem Freund auf den Rücken. „DAS DA, ist jedenfalls nicht die Reaktion auf ein halbes Kind. Ich bewundere deine Selbstdisziplin, mein Freund, aber dennoch solltest du besser hand anlegen, sonst könnte das sehr schmerzhaft werden.“

Sesshoumaru seufzte erneut tief und diesmal deutlich gepeinigt, ehe er sich in Bewegung setzte und mitsamt Hakama in das kalte Wasser des Sees marschierte um dort komplett einzutauchen.
 

Fortsetzung folgt ...
 

ICh weiß, ihr könnt die Worte vermutlich nicht mehr hören, richtig? ICh würde gerade sagen wir bewegen uns mit großen SChritten auf das Ende zu (was ja auch stimmt) allerdings glaub ich kaum, dass ich das in einem Wasch jetzt runterschreiben kann. ICh weiß einfach nicht, woher ich die Zeit dafür nehmen soll und dabei würde ich es wirklich gerne zu Ende bringen. Mich ödet es an, naja, ödet ist übertrieben, ich mag die Geschichte, es läuft halt nur schleppender als ich gehofft hatte.
 

Anyway, was soll ich noch sagen? Danke? Naja, ich kann eigentlich nach wie vor nicht oft genug danke sagen. Ich weiß zu schätzen, dass ihr mir treu bleibt. Ich hätte an eurer Stelle nicht so viel Ausdauer ... Also Danke schön an jeden einzelnen da draußen, der das hier noch so fleißig weiterliest. Die meisten werden eh nicht mehr wissen, womit es mal angefangen hat, hm?
 

Ich mag was nun folgt, denn ich wollte die ganze Zeit Sess Erinnerungen bringen. Ihr vergebt mir hoffentlich, dass er dabei komplett anders erscheinen wird, aber ich bin nun einmal der Auffassung, dass erst seine Vergangenheit zu dem hat werden lassen, was wir heute so lieben. Ich mag die Vorstellung, dass er früher einmal wie jeder von uns gewesen ist (naja gut, wie wir wird er nie gewesen sein ^^) Ich versuche immer noch eine Balance zu finden zwischen dem was er ist und dem wie er einmal war. Schaun wir mal ob ich das hinbekomme, lasst mich wissen, was ihr von der früheren Sess-Version haltet. Es kommen in den nächsten Kapiteln noch weiter Rückblicke. Nicht all zu viele, sonst zieht sich die Story, aber einfach einige Dinge, die ich erzählen möchte. Und Chi spielt dabei nun einmal eine Rolle ^^
 

Zu Chi selbst, nun, passenderweise war es einer meiner treuen Leser der mich dezent im Kommi darauf aufmerksam machte, dass ich mich selbst voll in die Sackgasse gefahren habe, denn Rijan könnte so einen Angriff niemals überleben. In der Tat, das wurde mir dann auch klar und daher hab ich versucht einen Weg zu finden, das zu umgehen. Fragt mich nicht, wie Chi das gemacht hat, es war eben einfach so. <schief grins>
 

Und Yamiko ... Ich mag es sie zu beschreiben und reden zu lassen. Bösewichter sind was tolles, allerdings bin ich nicht sonderlich gut darin, sie groß auftrumpfen zu lassen, aber nun ja ... Man kann nicht alles können, ich übe ja noch.
 

Ich wollte garantiert noch was sagen, aber irgendwie hab ich es vergessen. Hoffe der Teil hat fürs Warten entschädigt. Lang geworden ist er ja wohl ...
 

mata ne

Rogi

Auf der Suche nach dem Schicksal

Konnichiwa,
 

lest erst mal, ich erzähl euch danach was dazu:
 

„Genug.“, murmelte Rijan und wandte der Szenerie den Rücken zu. Verwundert stellte sie fest, dass sie nun wieder allein auf der Lichtung stand, auf der sie vorhin erwacht war. Sie blickte sich suchend nach ihrem Begleiter um, der wie aus heiterem Himmel wieder vor ihr stand.

„Und?“, fragte er knapp und blickte sie dabei forschend an. Rijan fragte sich, was genau er nun von ihr hören wollte. Sollte sie ihm sagen, wohin sie nun wollte oder interessierte ihn mehr, was sie nun dachte? „Die beiden hatten schon immer eine seltsame Art miteinander umzugehen, hm?“ Ihr junger Begleiter zuckte lässig mit den Schultern und entspannte sich etwas.

„Das kommt darauf an, was du unter seltsam verstehst. Er hat nur versucht zu verhindern, was ihr Schicksal für sie bereit hielt oder was Chidori für ihr Schicksal hielt.“

Rijan dachte einen Augenblick darüber nach. Schicksal? Sie hatte nie zuvor an diesen Begriff gedacht, wenn es um Sesshoumaru ging. Sie selbst hatte ein Schicksal, dessen war sie sich sicher. Chidori vermutlich auch, aber Sesshoumaru? Nein, eigentlich war ihr nie in den Sinn gekommen, dass selbst ein so mächtiger, eigensinniger Dämon ein Schicksal haben konnte, dem er nicht hatte entkommen können. War das vielleicht des Rätsels Lösung? Sein Schicksal? Hatte Yamiko das gesehen und gegen ihn benutzt. Doch was konnte ein solch schweres Schicksal sein, dass es ihn so nachhaltig verletzt hatte? Sie seufzte schwer. Das brachte sie auch nicht weiter.

„Du wirst mir nicht verraten, was sein Schicksal ist, oder?“

Ein Kopfschütteln erhielt sie zur Antwort, ganz so wie sie es erwartet hatte.

„Ich würde darauf tippen, dass Chidori etwas damit zu tun hat…“, murmelte sie und blickte einen Moment lang ziellos in die Ferne.

„Kyaaaaahhhhhhh!“ Ein Schrei durchriss ihre Gedanken und sie drehte sich erschrocken um.

Sesshoumaru und Chidori standen unweit von ihr entfernt. Sie schienen gerade zu kämpfen. „Er hat sie das Kämpfen gelehrt.“, meinte sie erstaunt und blickte ihren Begleiter an. Dieser nickte. „Natürlich. Er ist der beste Kämpfer, den sie kennt. Wer sonst hätte ihr das beibringen sollen?“ Das stimmte natürlich. Chidori gehörte auch zu der Sorte Dämon, die sich nie mit weniger zufrieden gaben als möglich war. Und wenn man Sesshoumaru als Lehrer haben konnte, gab es dazu keine Alternative. Flüchtig dachte sie an Akiko und das was er durch ihn gelernt hatte. Ob er wohl wusste, dass sein Vater auch seine Mutter einst unterrichtet hatte? Ob er überhaupt wusste, dass Chidori vermutlich eine sehr gute Kämpferin war?

Sie besann sich auf das Bild, das sich ihr darbot und sah gerade noch wie das Bambusschwert mit welchem Sesshoumaru trainierte, Chidori hart in die Seite traf. Sie stöhnte gequält auf und ging in die Knie. Ihr eigenes Schwert hatte sie bei dem Treffer fallen lassen und hielt sich nun keuchend die Seite. Rijan fiel erst jetzt auf, dass Chidori nur einen Hakama trug. Um ihren Oberkörper hatte sie lediglich ein paar Stoffbahnen geschlungen, die ihre weiblichen Rundungen einigermaßen verdeckten und mehr an einen Verband als an ein Kleidungsstück erinnerten. Dadurch sah man seinen Treffer deutlich auf ihrer bloßen Haut. Sie verfärbte sich rot an dieser Stelle.

Sesshoumaru ließ sein Schwert sinken und stützte sich darauf ab, während er Chidori ansah.

„Was habe ich dir gesagt?“, fragte er genervt.

„Niemals das eigene Schwert loslassen.“, erwiderte Chidori mit zusammengebissenen Zähnen. Langsam kam sie wieder zu Atem und blickte zu ihm auf. Schmerz zeichnete sich deutlich in ihren roten Augen ab.

„Und warum hast du es dann getan?“ Er reichte ihr eine Hand und half ihr beim Aufstehen.

„Weil dein Schlag weh tat.“, fuhr sie ihn ungehalten an und versuchte das Schwert aus seiner Hand zu treten. Doch Sess Griff war bereits damals sehr eisern gewesen. Chidori begriff das auch sehr schnell. Es half jedoch nicht ihre Laune zu heben.

„Musst du immer so hart zu mir sein?“ Sie ging ein paar Schritte und ließ sich auf der Hügelböschung nieder.

„Willst du etwas lernen oder nicht? Wenn nicht, können wir uns das auch sparen. Ich kann mit meiner Zeit besseres anfangen.“ Er ging zu ihr und ließ sich neben ihr nieder.

„Du findest also das hier ist Zeitverschwendung?“, fragte sie und blickte ihn von der Seite her an.

Er schüttelte seinen Kopf und schwang sein Schwert durch die Luft.

„Habe ich das behauptet? Ich sagte nur, wenn du nichts lernen willst, brauchen wir das auch nicht länger zu tun.“

„Verbringst du so ungern Zeit mit mir?“

Sesshoumaru ließ sein Schwert sinken und folgte der Bewegung mit dem Blick.

„Habe ich das gesagt?“

Einen Moment lang herrschte Schweigen zwischen den beiden. Angespanntes Schweigen, Rijan konnte das deutlich fühlen. Sie wusste allerdings nicht woher diese Spannung kamen. Etwas schien beide zu beschäftigen, doch keiner schien darüber reden zu wollen oder nicht zu wissen, wie man damit anfangen sollte.

„Wenn ich nicht wäre, was würdest du dann tun?“, fragte Chidori irgendwann und blickte ihn aufmerksam an. Er mied ihren Blick, auch das erkannte Rijan deutlich.

„Langweilig wäre mir mit Sicherheit nicht.“, meinte er ausweichend.

Chidori schoss wie von einer Tarantel gestochen hoch und funkelte ihn wütend an. Sie war bereits damals ein sehr temperamentvolles Geschöpf gewesen.

„Du würdest auf die Avancen dieses Miststücks eingehen, richtig?“

Langsam, sehr langsam ließ Sesshoumaru seinen Kopf nach hinten fallen und blickte zu ihr auf. Sein Blick verhieß nichts Gutes.

„Von was redest du?“

„Nicht von was, Sess. Von wem! Hältst du mich für so naiv? Glaubst du ich sehe nicht, dass sie dir schöne Augen macht?“ Einen Moment lang glaubte Rijan deutlich zu sehen, wie verletzt Chidori war. „Meinst du, mir bleibt verborgen, warum dein Vater sie in euer Haus gebeten hat?“ Ihre Stimme war nun kaum noch mehr als ein Flüstern und sie fiel vor Sesshoumaru auf die Knie. Ihr Blick bohrte sich in seinen und hielt ihn unbarmherzig fest.

„Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du damit aufhören musst?“

„Womit? Darüber, über uns nachzudenken?“

„Es gibt kein uns, Chi und das weißt du.“

Chidori überbrückte die Entfernung zwischen ihnen und kam rittlings auf seinem Schoß zu sitzen. Er ließ sie erstaunlicherweise gewähren.

„Doch, das gibt es und du lügst, wenn du das Gegenteil behauptest.“, erklärte sie zischend und nahm sein Gesicht zwischen ihre Hände. Auch das ließ er zu.

„Willst du mir sagen, dass es dir nichts ausmacht, wenn mich ein anderer Mann ansehen würde?“

„Ich sehe dich nicht an.“

„Willst du mir sagen, es wäre dir egal, wenn ich einem anderen Mann gestatte, sich mir zu nähern?“

„Es wäre mir egal.“

„Du willst allen ernstes sagen, es würde dich nicht wütend machen, wenn ich einen Jungen aus dem Dorf küsse, wenn ich mich von ihm anfassen lasse, wenn ich ihm Hoffnungen mache? Das alles wäre dir egal?“ Ihr Blick bohrte sich tief in seinen und Sesshoumaru erwiderte ihn ohne mit der Wimper zu zucken.

„Das alles wäre mir egal.“, erklärte er schonungslos und blickte sie weiterhin an. Chidori schien das einen Moment lang sprachlos zu machen. Wut erfasste ihren Körper. Wut verursacht durch den Kummer, den seine Worte in ihr ausgelöst hatten. Ihre Hände fuhren in sein Haar und zwangen seinen Kopf leicht zurück, sodass er nun zu ihr aufsehen musste. Sie rückte näher an ihn, so dass ihr Bauch gegen seinen stieß. Dass er ihren Atem auf seinem Gesicht fühlen konnte.

„Es wäre dir egal?“, echote sie deutlich verletzt.

„Dann lass dir gesagt sein, du sturer, egoistischer, kaltherziger Mistkerl, dass es mir nicht egal wäre. Das es mir nicht egal IST.“, schleuderte sie ihm wütend und verletzt entgegen.

„Es verletzt mich, wenn du eine andere ansiehst. Es verletzt mich, dass du mich nicht einmal ansatzweise in Erwägung ziehst. Ich bin mächtiger und verflucht noch mal auch schöner als jede andere Frau, die dir bisher begegnet ist und trotzdem ziehst du es nicht in Erwägung. Warum zur Hölle willst du mich nicht?“ Ihre Stimme brach und Tränen brannten in ihren Augen, während sie ihn weiterhin ansah. Sesshoumaru schluckte kurz, doch mehr Reaktion ließ er nicht erkennen.

„Du sagst es doch selbst, Chidori. Du bist mächtiger als jede andere. Welche Begründung brauchst du noch? Du bist mächtig, ich bin mächtig. Wir beide kennen die Regeln. Ein uns wird es nie geben.“

Sie schüttelte verbissen ihren Kopf.

„Ich akzeptiere das nicht, Sess. Ich werde das niemals einfach so hinnehmen. Ich finde einen Weg und bis dahin, werde ich es hassen, dass dich andere Frauen ansehen. Bis dahin wird es mich verletzen, wenn du sie ansiehst. Es wird mich wahnsinnig machen, wenn du sie küsst, wenn deine Lippen ihre berühren und es doch meine sind, die sie berühren sollten. Es wird mich wütend machen, wenn du sie umarmst und es doch ich bin, die du in deine Arme schließen solltest. Und ich werde dich verflucht noch mal hassen, wenn du dich mit einer anderen paarst, bevor ich eine Möglichkeit gefunden habe, diese Regel zu umgehen.“

Damit erhob sich Chidori von ihm, sammelte ihren Haori und ihr Bambusschwert auf und ging ohne ihn noch ein weiteres Mal anzusehen. Sesshoumaru saß noch immer in dem weichen Gras und blickte ihr nach, während sie davon ging. Als sie dann aus seinem Blickfeld verschwunden war, seufzte er sehr tief, so als würde die Last der Welt auf seinen Schultern liegen und ließ sich dann nach hinten fallen. Er legte einen Arm über seine Augen und murmelte leise: „Oh man …“
 

„Nun, ich weiß nicht, ob sie sein Schicksal war, aber auf jeden Fall war sie etwas, das sein Leben nicht gerade einfacher gemacht hat.“, murmelte Rijan. Einen Moment lang betrachtete sie Sesshoumaru noch, ehe sie sich wieder umdrehte und erneut auf der Lichtung stand, an der alles angefangen hatte. Ihr junger Begleiter sah sie neugierig an.

„Und?“, fragte er wieder. Kurzzeitig wollte sie ihn erwürgen. Sie nervte sein ewiges und. Im Moment konnte sie sich drauf noch nicht wirklich einen Reim machen. Sie hatte auch schon vorher gewusst, dass alles nicht so einfach gewesen war. Und im Grunde überraschte es sie auch nicht sonderlich, dass Chidori offenbar sehr konsequent ihr Ziel verfolgt hatte. Und ihr Ziel war ohne Zweifel von Anfang an Sesshoumaru gewesen.

„Das stimmt doch oder?“

„Sieh selbst.“
 

Ein weiteres Kampftraining offenbarte sich ihr. Diesmal kämpfte Sesshoumaru als recht junger Bursche gegen Kazuki. Sesshoumaru trug sein schulterlanges Haar zu einem hochgebunden Zopf. Dieser wedelte lustig hin und her, während er den gezielten Schlägen von Kazuki auswich. Und vielmehr tat Sesshoumaru damals wirklich nicht. Sie schätzte ihn auf ungefähr 10 Jahre, Kazuki war nicht viel älter aber erstaunte Rijan mit einer enormen Schwertkampftechnik. Er führte sein Bambusschwert als hätte er nie etwas anderes getan. Das überraschte sie etwas. Sie hatte nicht gewusst, dass er kämpfen konnte. Hielt ihn eher für einen adeligen Freund von Sesshoumaru. Offenbar hatte sie sich geirrt. Denn ohne Zweifel lernte Sesshoumaru das Kämpfen von ihm. Die Art wie er das Schwert führte kam ihr sehr bekannt vor. Sesshoumarus Fähigkeiten waren damals noch sehr begrenzt gewesen. Er hatte ohne Zweifel den Willen, aber sein Körper gehorchte seinen eigenen Anstrengungen noch nicht so ganz. Daher beschränkte er sich darauf, Kazukis Angriffen auszuweichen und höchstens jeden fünften zu parieren.

„Du bist zu langsam.“, erklärte Kazuki auch gerade.

„Das weiß ich auch selbst.“, blaffte Sesshoumaru ihn ungehalten an. Er hatte es wohl noch nie gemocht auf seine Schwächen aufmerksam gemacht zu werden.

Kazukis nächste Angriffe saßen allesamt und jeder einzelne Schlag fand sein Ziel. Sesshoumaru schien nicht in der Lage zu sein noch länger seine Abwehr aufrecht zu erhalten.

Erneut hob Kazuki sein Schwert und in einer einzigen fließenden Bewegung ließ er es niedersausen und traf Sesshoumaru hart am Oberarm. Dieser stöhnte gequält auf und ging in die Knie. Um seine Niederlage offensichtlich zu machen, senkte er den Kopf.

„Genug für heute.“, erklärte Kazuki daraufhin und ließ sein Schwert sinken. Sesshoumaru nickte schweigend und ließ sich unsanft auf seinen Hintern fallen. Er keuchte schwer, der Schweiß ließ ihm übers Gesicht und sein weißer Haori klebte deutlich an seinem dünnen Körper.

Kazuki selbst machte keinen allzu erledigten Eindruck. Rijan erstaunte das ziemlich. Wer genau war dieser Junge eigentlich? Es war nicht normal in solch jungen Jahren so kämpfen zu können.

„Wozu das eigentlich alles? Du brauchst nicht so hart zu trainieren.“ Das interessierte Rijan allerdings auch.

Sesshoumaru blickte zu seinem Freund auf und lächelte leicht.

„Eines Tages werde ich meinen Vater besiegen. Und bis dahin muss ich trainieren. So oft und so viel ich kann.“

Kazuki nickte nachdenklich, sagte aber nichts weiter dazu. Stattdessen drehte er sich um. Rijan folgte seinem Blick und stellte erst jetzt fest, dass Chidori ebenfalls bei den Jungen war.

Sie saß nicht unweit im Gras und beobachtete die beiden bei ihrem Training. Ihr Blick hing anbetungsvoll an Sesshoumaru. Kazuki lächelte als er sah wie sie Sesshoumaru anhimmelte.

„Was ist mir dir, Chi-chan?“, fragte er lächelnd. „Was möchtest du einmal erreichen?“

Chidori blickte Sesshoumaru direkt an. Ihre großen roten Augen leuchteten in der Abendsonne. Winzige Sommersprossen zeichneten sich auf ihrer kleinen Nase ab. Ihr Haar umrahmte in leichten Locken ihr hübsches Gesicht. Es leuchtete wie die Farbe von Klatschmohn im Licht der untergehenden Sonne.

„Wenn ich groß bin, werde ich Sesshoumarus Frau.“ Sie sprach mit dem Brustton ihrer Überzeugung. Kazuki verzog die Lippen noch tiefer zu einem Lächeln und blickte zu Sesshoumaru, der ein wenig genervt dabei stand und sich das ganze anhörte.

„Meine Frau? Chi, wenn du einmal dafür alt genug sein solltest, bin ich ein alter Mann.“

„Hai, dann werde ich dich pflegen und dir Suppe kochen.“ Offenbar hatte sie das gründlich durchdacht.

„Suppe?“, wiederholte er wenig intelligent.

„Hai!“ Sie strahlte ihn weiter an und schein seine Verwirrung nicht einmal zu bemerken.

„Wenn du einmal älter bist, wird es tausend andere Jungs geben, die um dich werben. Glaub mir.“

„Die will ich aber nicht. Du bist der Einzige. Glaub mir, eines Tages werde ich deine Frau sein.“

„Das geht aber nicht.“, erklärte er.

Chidori ließ sich aber nicht beirren und strahlte ihn weiter an.

„Wirklich, Chi, das geht nicht. So mächtigen Dämonen wie uns ist es verboten jemals etwas miteinander anzufangen.“

Doch Chidori schüttelte nur ihren Kopf. „Dann werde ich eben einen Weg finden, das zu ändern.“

Er seufzte schwer und schüttelte seinen Kopf.

„Und warum muss es Sesshoumaru sein?“, wollte Kazuki nun wissen.

Chidori schloss einen Moment die Augen und lächelte verträumt.

„Weil er mein Schicksal ist.“

Sesshoumaru seufzte genervt und hob sein Bambusschwert wieder auf.

„Dein Schicksal, hm?“

Sie nickte bekräftigend.

„Und was genau ist an ihm so toll?“

„Kazuki!“ Sesshoumaru versuchte offenbar diese Unterhaltung zu unterbinden. Kazuki lachte herzlich und ging zu seinem Freund zurück. Beide nahmen das Training wieder auf.

„Er ist der tollste Junge, den ich kenne.“

Sesshoumaru knurrte missmutig.

„Ich bin neben Kazuki auch der einzige Junge, den du kennst. Und wenn du weiter so an mir klebst, wird sich daran auch nichts ändern.“ Rijan musste lachen. Sie hätte es gerne verhindert, aber es ging nicht anders. Es war einfach zu komisch wie ein zehnjähriger Sesshoumaru deutlich angenervt von einer Unterhaltung mit einer vierjährigen war. Noch dazu mit einer, die ihn zu ihrem Traummann auserkoren hatte. In seinem Alter hatte er mit dem anderen Geschlecht wohl noch nicht allzu viel am Hut gehabt. Einen Moment lang dachte sie bissig darüber nach, dass sich an dieser Einstellung bis heute nicht gerade viel geändert hatte.

„Was erheitert dich so?“

„Es ist ihm peinlich, dass sie ihn so anhimmelt. Das ist irgendwie niedlich.“

Ihr junger Begleiter schüttelte nur seinen Kopf.

„Ich muss keine anderen kennenlernen. Ich weiß bereits, dass es niemanden gibt, der besser ist als du.“ Chidori schien wirklich sehr von dieser Sache überzeugt zu sein. Sesshoumaru gab einen unwirschen Laut von sich und konzentrierte sich mehr auf den Übungskampf.

Rijan und ihr junger Begleiter schauten dem Treiben schweigend zu. Es war erstaunlich diesen Kindern bei einem Schwerttraining zuzusehen. Kazuki war ohne Zweifel ein Meister. Vermutlich war er wirklich mit einem Schwert geboren worden. Wenn er in so jungen Jahren bereits so gut war, wie gut vermochte er es dann wohl später erst zu beherrschen. Sesshoumaru war noch lange nicht auf dem Niveau, dass Kazuki vorgab, aber sein Wille war bereits so ausgeprägt wie später einmal. Wenn er etwas wollte, hielt er daran fest, bis er es auch bekam. Ein Dämon nahm sich was er wollte. Wie oft hatte er ihr das erzählt? Sie sah zu, wie Sesshoumaru sich um die eigene Achse wirbelte und so einem Schlag von Kazuki mehr als geschickt auswich. Er sprang in die Luft, ging in die Hocke, rollte sich über den Boden. Ihm ausweichen war er sehr geschickt. Die wenigen Angriffe die er führte, waren sicher und klar ausgeführt. Sie sah zu wie er sein Schwert hob. Kazuki griff an und Sesshoumaru sprang elegant in die Luft. Mit einem Überschlag überwand er seinen Gegner und kam hinter ihm sicheren Fußes wieder auf. Das erhobene Schwert sauste unbarmherzig nieder. Rijan hielt die Luft an. Er würde doch nicht wirklich einen Treffer landen. Kazukis Blick veränderte sich. Ein wahrer Schwertkämpfer fühlte die Gefahr, bevor sie eintraf. Sie selbst hatte diese Gabe auch. Deutlich erkannte Rijan das nun auch in Kazukis Blick und sie sah ebenfalls, dass er das ernst nahm. Der Angriff war überraschend gekommen. Es war wohl auch der erste dieser Art, den Sesshoumaru ausführte. Der Bruchteil einer Sekunde entschied über diesen Treffer und dieser Bruchteil lag auf Kazukis Seite, denn gerade noch rechtzeitig drehte er sich seitwärts und parierte den Schlag mit seinem Schwert. Rijan sah wie das Bambusschwert beim Aufprall vibrierte. Der Schlag war mächtig gewesen. Ein leichter Schock lag in Kazukis Blick. Sesshoumaru selbst stand schweratmend mit breiten Beinen da. Seine Arme zitterten so mächtig war der Schlag gewesen. Beide starrten sich einen Moment schweigend an, ehe Kazukis sein Schwert zurückzog und in deutlicher Anerkennung seinen Kopf senkte.

„Das war unglaublich.“, lobte er seinen Schüler. Sesshoumaru ließ sein Schwert sinken und schüttelte abfällig seinen Kopf.

„Wenn ich getroffen hätte, wäre es unglaublich. So hast nur wieder einmal du gewonnen.“

„Sei nicht so streng mit dir. Du hättest mich beinahe gehabt.“

Rijan nickte. In der Tat, wenn sich nicht Kazukis siebter Sinn eingeschaltet hätte, wäre dieser Kampf anders ausgegangen. Er war überrascht gewesen von diesem Angriff, hatte damit offenbar nicht gerechnet. Und nur wirklich gute Schwertkämpfer konnten mit einer solchen Situation umgehen. ES nötigte ihr Respekt ab, was dieser junge Kerl bereits konnte. Warum war jemand mit so jungen Jahren ein so guter Kämpfer?

„Genug für heute. Besser als das wird es nicht mehr.“ Kazuki nickte und nahm das Schwert von Sesshoumaru entgegen. Dieser atmete tief durch und streckte sich dann ausgiebig, ehe er langsam zu Chidori hinüber ging. Sie war eingeschlafen. Sie lag zusammengerollt im Gras und schlief. Er kniete vor ihr nieder und berührte sanft ihre Wange, doch sie rührte sich nicht weiter. Er seufzte leise und flüsterte schließlich ihren Namen. Sie murmelte etwas undeutliches und Sesshoumaru erkannte, dass es keinen Sinn machte, sie aufzuwecken.

„Sie sollte längst im Bett sein.“, meinte er missmutig.

„Sie ist dort wo du bist. Daran wirst du nichts ändern können.“

„Ja, ja …“ Kazuki lächelte nur und sah zu wie sein Freund das kleine Geschöpf vorsichtig hochnahm. Automatisch schlang sie die Arme um seinen Hals und die Beine um seine Taille, bis sie wie ein kleines Äffchen an ihm hing. Sie tat das so selbstverständlich, dass Rijan zu erahnen begann, dass Sesshoumaru sie schon sehr häufig schlafend nach Hause getragen hatte. Ohne große Mühe stand er auf und umfing sie mit seinen Armen. Sie barg ihr Gesicht an seiner Schulter. Einen Moment lang berührte er mit seiner Hand ihren Hinterkopf und verharrte in dieser Position.

Diese Berührung schien sie kurzzeitig aufzuwecken, denn sie hob schläfrig den schweren Kopf und blickte in Sesshoumarus Gesicht.

„Das Tollste …“, murmelte sie und Sesshoumaru runzelte die Stirn.

„Hm?“

„Das Tollste ist, dass ich mich bei dir sicher fühle.“ Sie küsste ihn auf die Wange und schlief dann wieder ein. Rijan beobachtete wie Sesshoumaru sie einen Moment lang fassungslos anstarrte, ehe sich seine Gesichtszüge entspannten und weicher wurden. Er blickte Kazuki an, der ebenfalls lächelte.

„Ich trainiere um meinen Vater zu besiegen. Es gibt für mich kein höheres Ziel.“, erklärte er und wirkte plötzlich sehr viel älter als er wirklich war.

„Aber gleich danach kommt, Chidori zu beschützen. Niemand wird ihr jemals ein Leid zufügen. Das verspreche ich.“

Kazukis Gesicht wurde ebenfalls ernst. „Versprich nichts, was du nicht halten kannst.“ Doch Sesshoumaru schüttelte entschieden seinen Kopf. „Niemand, verstanden?“

Einen Moment lang sah Kazuki seinen Freund nachdenklich an. Dann trat er einen Schritt auf ihn zu und senkte demütig den Kopf vor ihm. Rijan sah das mit Erstaunen.

„Befehlt Ihr mir, sie zu beschützen, Sesshoumaru-sama?“

Rijans Augen wurden größer. „Sama?“

„Rede keinen Unsinn. Ich sagte doch gerade, ich werde stärker werden um sie zu beschützen.“

„Meine Aufgabe ist es dich zu beschützen. Mit meinem Leben, wenn es sein muss. Wenn du dein Leben für sie aufs Spiel setzt, heißt das nichts anderes als dass ich auch sie beschützen muss.“

Zorn flackerte in Sesshoumarus Augen auf.

„Ich brauche keinen Beschützer. Und ich habe nicht vor mein Leben für sie zu riskieren. Hör mir besser zu. Ich sagte ich beschütze sie und genau das werde ich auch tun. Das hat nichts mit dir zu tun. Aber wenn du es so sehen möchtest, dann werde ich eben besser werden als du es bist. Damit hätte sich dieses Problem dann gelöst.“

Sesshoumaru setzte sich in Bewegung und ließ einen nachdenklichen Kazuki zurück. Rijan war nicht weniger nachdenklich. Ihn beschützen? Das war es also. Kazuki war vielmehr Sesshoumarus persönlicher Beschützer als sein Freund. Ein sehr hartes Los für einen so jungen Dämon.
 

Fortsetzung folgt ...
 

Nun, was soll ich sagen? Es ist nicht so geworden wie ich das wollte. DAs hier ist Version nummer drei, bestehend aus Version eins und zwei *sigh* Mir fehlt einfach die Zeit um das ganze mit der nötigen Inbrunst zu schreiben. Und das finde ich ehrlich gesagt selbst schade, denn ich würde gern mehr aus den Rückblenden machen. Ich hoffe dass ich die restlichen tiefgehender hinbekomme. Es geht hier immerhin um seine nicht gerade leichte VErgangenheit. Ich hoffe ihr bekommt langsam einen Einblick von Kazuki, auch wenn er ja wirklich nur eine Nebenerscheinung ist. Wichtig wird er erst in einer anderen Story. Und Chi? Wird sie euch sympathischer oder zickt sie euch zu sehr? Also ich liebe sie. Ich finde sie hat ein sehr schweres Schicksal. Ausgerechnet diesen sturen Dämon zu lieben ist nicht grad einfach. Naja, ich hoffe ich bekomme demnächst auch den WEchsel zwischen rückblick und tatsächlichem Kampf ihn. Während Rijan so schön in seinen Erinnerungen verweilt kämpfen Akiko und Chidori schließlich den Kampf ihres Lebens.
 

Ich habe derzeit mal vor diese Story in absehbarer Zeit zu Ende zu bringen, ich weiß nur nicht, ob ich das auch hinbekomme. Im Grunde passiert nicht mehr so viel ...
 

Wie auch immer, danke fürs treue Weiterlesen. Und danke auch an all jene nochmal im besonderen, die mich immer wieder wissen lassen, dass sie gerne diese Story zu ENde lesen wollen. ES gibt nichts was mich mehr zum Schreiben motiviert als mir ein schlechtes GEwissen zu machen *grins*
 

mata ne

Rogi
 

Edit: Oh my f... goodness, habt ihr den Verstand verloren? Ich seh grad, dass 86 Leute diese Story in ihren Favos haben? Ähm ja, danke fürs Lesen, kann ich da nur sagen 0_0

Die Wahrheit ins uns

Oh man, oh man, oh man, die Zielgerade, meine Lieben, die absolute Zielgerade ist das hier.
 

Ich sage am besten im Vorfeld mal wieder gar nichts dazu, sondern lasse alles unvorbereitet auf euch niederprasseln.
 

Fangen wir also an:
 

Ein Schmerz durchfuhr Rijan unerwartet und heftig. Sie keuchte erschrocken auf und ging gepeinigt und nach Luft ringend in die Knie. Verdammt! Was war das gewesen?

Sie atmete ein paar Mal tief ein und aus. Ihre Augen waren geschlossen um den Schmerz deutlicher zu fühlen. Woher kam er? Als die Schmerzwelle langsam nachließ, berührte sie automatisch ihren rechten Oberarm. Deutlich fühlte sie den Schmerz nun von dort ausströmen. Sie öffnete die Augen und blickte auf ihre blutverschmierte Hand. Alle Farbe wich ihr kurzzeitig aus dem Gesicht. Sie war verletzt. Wie war das möglich? Eben noch hatte sie Sesshoumaru in jungen Jahren beobachtet und im nächsten Moment war sie verwundet. Sie betrachtete die Wunde an ihrem Arm und stellte fest, dass es ein tiefer Schnitt war. Blut quoll unerlässlich daraus hervor.

Entgeistert blickte sie zu ihrem jungen Begleiter, der sie nachdenklich musterte.

„Was soll das?“

Einen Moment schien er darüber nachdenken zu müssen.

„Nun, du bist nur eine geistige Form von dir selbst. Dein Körper liegt nach wie vor in der realen Welt.“

Sie schluckte schwer.

„Sie greift mich an, richtig?“ Er nickte und runzelte leicht die Stirn, während er ihre Wunde betrachtete.

„Scheint so als solltest du dich beeilen, wenn du das hier überleben möchtest.“ Sie warf ihm einen giftigen Blick zu. Das hatte sie auch schon selbst gewusst. Rijan hatte nur angenommen, dass ihr mehr Zeit blieb. Einen Moment lang gestattete sie sich an Chidori und Akiko zu denken. Wenn sie verwundet war, hieß das, die beiden hatten verloren? Panik drohte in ihr aufzukeimen, doch sie erstickte sie sofort. Nein, das war nicht möglich. Hätte Yamiko gewonnen, wäre sie jetzt nicht nur verwundet sondern vermutlich tot. Offenbar beschützten Akiko und seine Mutter sie nach wie vor. Sie war ihnen dankbar dafür und wagte sich nicht einmal vorzustellen, wie übel die beiden zugerichtet waren. Ihre Wunde war dagegen wohl nur eine Kleinigkeit.

Rijan seufzte tief und beschloss, dass es keinen Sinn machte, ihre Wunde zu versorgen. Wie ihr junger Begleiter richtig festgestellt hatte, war sie lediglich eine geistige Form ihrerselbst. Was sie hier tat, wirkte sich nicht auf ihren Körper aus. Es nützte ihr also nichts, diese Wunde zu verbinden.

Ihr Blick kreuzte den ihres Führers und sie bemerkte, dass er sie abwartend anblickte. Richtig, sie hatte eine Mission zu erfüllen und wie es aussah wurde das ein Wettlauf gegen die Zeit. Erschwert dadurch, dass sie nicht einmal wusste, wie viel Zeit man ihr noch zugestand. Sie sollte sich also besser beeilen.

„Lass uns weitergehen.“, sagte sie entschlossen.
 

„Uff!“ Ein schmerzhafter Laut kam über Chidoris Lippen, als sie quer durch den Raum flog und mit lautem Getöse gegen die gegenüberliegende Wand krachte. Sie fühlte das Holz unter ihrem Gewicht borsten. Schmerz bemächtigte sich ihres Körpers und sie verzog geqäult das Gesicht. Das war nicht gut. Das war gar nicht gut. Ihr sollte besser etwas einfallen. Ihr Blick fiel auf die bewusstlose Rijan. Sie war am Arm getroffen worden. Blut floss unablässig ihren Arm hinab. „Chikuso!“, fluchte sie herzhaft und rappelte sich schwerfällig wieder auf. Natürlich hatte sie gewusst, dass sie außer Form war. Sie hatte jahrzehntelang keinen Kampf mehr ausgefochten. Hatte nicht einmal ansatzweise trainiert um auf das hier vorbereitet zu sein. Ein abfälliges Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Was dachte sie da? Nicht einmal ein Training hätte sie auf das hier vorbereiten können. Ihr Blick heftete sich auf Yamiko, die gerade gelangweilt ihre Fingernägel betrachtete.

„Das ist wirklich nicht sehr unterhaltsam.“, murmelte diese gelangweilt und Chidori fühlte eine enorme Wut in ihr erwachen. Das war gut, sehr gut sogar. Sie mochte untrainiert und außer Form sein, aber ihr bester Begleiter war schon immer ihr hitziges Temperament gewesen. Sesshoumaru hatte sie dafür mehr als einmal getadelt, aber schon immer war sich Chidori im klaren gewesen, dass Wut ihr stärkstes Mittel war. Denn allein dadurch konnte sie innerhalb von Sekunden Kraft freisetzen, für die sie anders kein Ventil gefunden hätte. Er würde erstaunt sein, wenn er das sehen könnte. Dessen war sie sich sicher. Mit leichtem Unbehagen blickte sie zu Sesshoumaru hinüber. Sein Anblick trieb ihr immer noch die Farbe aus dem Gesicht. Wie hatte man ihm das antun können? Wie hatte seine Mutter ihm das antun können? Sie verstand es einfach nicht. Wie konnte eine Mutter jemals ihrem eigen Fleisch und Blut so etwas antun. Ihr Blick wanderte weiter zu Akiko, der schwer atmend vor Rijan kniete und versuchte sie zu beschützen. Nein, sie würde nie verstehen, was in Yamiko vor sich ging. Tief atmete sie ein und bündelte die Wut in ihrem inneren um diese als Kraft verwenden zu können.

Sie mussten Rijan Zeit verschaffen. Nicht einmal in ihren Träumen konnte sich Chidori vorstellen, nach was Rijan genau suchen musste, aber sie wusste mit Sicherheit, dass man dafür Zeit brauchte. Sesshoumaru war kompliziert, niemand wusste das besser als sie. Einen Moment lang überkam sie eine leise Traurigkeit, wenn sie an Rijan und ihre Mission dachte. Sie wusste noch nicht wie hoch der Preis war, den sie für Sesshoumarus Rettung zahlen würde. Arme Rijan … Wer sollte ihr dann noch helfen können?

Doch sie verbannte diesen Gedanken sofort wieder. Jetzt war nicht die Zeit sich darüber Sorgen zu machen. Wichtigeres stand auf dem Spiel als die Zukunft einer jungen Frau.

Langsam bewegte sie ihren Kopf erst nach rechts, dann nach links. Es knackte verdächtig bei dieser Bewegung, doch Chidori ignorierte es. Sie blendete alle Emotionen und Gedanken aus. Ganz so wie es Sesshoumaru sie einst gelehrt hatte. Wenn man einen Kampf gegen einen übermächtigen Dämon gewinnen wollte, musste man das Denken ausschalten. Nur das Gefühl allein konnte einem dann noch helfen. Und so befolgte sie seine Lehren. Sie begrub jeden noch so kleinen Gedanken in sich und schaltete ihren Verstand einfach aus. Die Wut in ihrem Bauch pulsierte, wurde mächtiger und mächtiger und sandte Schauer in jeden noch so kleinen Teil ihres Körpers aus. Sie fühlte die Kraft in ihren Adern pulsieren. Ein Hochgefühl durchströmte sie und Chidori war nicht in der Lage ein tiefes sehr zufriedendes Stöhnen zu unterdrücken. Wie lange war es her, dass sie sich so gefühlt hatte? Macht, pure Macht und Energie wallten durch ihren Körper. Überspielten einfach alles. Sie schloss die Augen um es besser fühlen zu können. Jeden Augenblick zu genießen. Sie atmete tief ein und langsam wieder aus.

Akiko wusste nicht wie ihm geschah. Eben noch hatte er sich ganz darauf konzentriert, Rijan zu beschützen. Wenn es sein musste mit seinem eigenen Körper, doch dann hatte er plötzlich etwas gefühlt. Er blickte nach wie vor Yamiko an, die sehr offensichtlich ihre Langeweile zur Schau stellte. Einen Moment lang schüchterte es ihn gewaltig ein, dass diese große Dämonin so wenig aus der Ruhe zu bringen war. Den Schlag, den er hatte einstecken müssen um Rijan zu beschützen, hatte ihn bis aufs Mark erschüttert. Mit einem einzigen Schlag hatte er dutzend Kratzer und Wunden davon getragen. Es hatte ihn in die Knie gezwungen wie mächtig diese Frau war und doch schien das nichts gewesen zu sein, was ihr übermäßig viel Kraft abgenommen hätte. Nein, es war eher ein kleiner Zeitvertreib für sie. Wie sollte er dagegen bestehen können? Wie sollten sie alle dagegen auch nur den Hauch einer Chance haben. Nicht einmal sein Vater hatte eine Möglichkeit gehabt, sich durchzusetzen. Im Grunde war es das, was ihn an meisten erschütterte. Sein Verhältnis zu seinem Vater mochte sein wie es war, aber er hatte nie einen Zweifel daran gehabt, dass Sesshoumaru der mächtigste Dämon war, den er kannte, den er sich vorstellen konnte. Und wenn selbst er nicht gegen Yamiko hatte bestehen können, wie sollte es dann irgendwer anders können? Doch er unterdrückte diesen Gedanken, verbannte ihn aus seinem Verstand, aus seinem Bewusstsein und starrte Yamiko weiterhin an. Und gerade als er sie so intensiv anstarrte, fühlte er etwas. Etwas, das er nie zuvor gefühlt hatte. Kraft, Macht und noch etwas, etwas das sehr viel ursprünglicher war. Die Haare auf seinem Unterarm stellten sich langsam auf. Akiko sah, dass auch Yamiko diese plötzliche Veränderung wahrnahm, denn sie verharrte in der Bewegung und ließ langsam ihre Hand sinken, ehe ihr Blick an ihm vorbei ein Ziel fixierte. Einen Moment lang weigerte sich jede Faser in ihm, ihrem Blick zu folgen, doch irgendwie konnte er auch nicht anders. Also wandte er langsam seinen Kopf und sah direkt in das Gesicht, das ihm vertrauter war als jedes andere auf dieser Erde. Das Gesicht seiner Mutter. Er schluckte schwer. Nicht, dass sich etwas an ihr veränderte hätte, nein, das war keineswegs der Fall. Auch sie hatte Wunden und Abschürfungen davon getragen. Der Schlag gegen sie war sehr heftig und gewaltig gewesen. Doch sie stand dort, aufrecht und stolz. So wie Chidori eben war. Ihre Augen waren geschlossen und ein dämonisches Lächeln zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. Es hatte etwas mit Freude zu tun und das verstand Akiko so rein gar nicht. War das der dämonische Instinkt, von dem man ihm erzählt hatte. Die Freude an einem Kampf? Er hatte das selbst noch nie gefühlt, denn kämpfen war ihm zuwider. Bis vor kurzem hatte er sich damit noch nicht einmal beschäftigt gehabt. Eine Aura umgab Chidori. Eine Aura, die man sogar mit bloßem Auge sehen konnte. Es war als würde die Luft um sie herum flimmern. Als würde ein Funke genügen und alles würde explodieren. Er wusste nicht warum, denn immerhin war Chidori seine Mutter, aber dennoch jagte es ihm gerade eine gehörige Portion Angst ein. Sie schien sich zu verändern – vor seinen Augen und ohne dass er es großartig hätte beschreiben können. Doch etwas war anders, SIE war anders. Und dann öffnete sie mit einem Schlag die Augen und Akiko fiel unsanft auf seinen Hintern. Als würde allein diese eine kleine Bewegung eine Welle an Energie aussenden, die den Gegner umwarf. Schwarz wie die Nacht blickten ihre Augen drein und fixierten Yamiko, die sich zu einem herablassenden Lächeln hinreißen ließ.

„Oh wie schön.“, meinte sie und ihr Lächeln vertiefte sich und wirkte dadurch dunkel wie die Nacht. „Willkommen zurück, Chidori.“

Und damit brach die Hölle aus. Chidori stürmte nach vorne, bewegte sich, ohne dass Akiko das wirklich wahrnehmen konnte. Sie fletschte ihre Zähne und knurrte. Doch ihr Knurren war anders als das seines Vaters. Im Gegensatz zu ihm war sie schließlich auch kein Hundedämon. Eigentlich hatte er nicht den Hauch einer Ahnung welche Art Dämon seine Mutter war. Doch das Knurren das sie von sich gab, erschütterte ihn bis ins Mark. Es war so ursprünglich, wild und energiegeladen, dass es ihn buchstäblich in die Knie zwang. Er konnte nicht anders als dort zu sitzen, gerade vor Rijan um sie notfalls zu beschützen und dem Szenario zuzuschauen. Chidori griff Yamiko an – mit einer Kraft und einer Energie, die nicht wirklich sichtbar war. Es war als würde sie ein unsichtbares Geschöpf mit ihren eigenen Bewegungen steuern, das wiederum Yamiko angriff. Und diese schien gefallen an dem Kampf zu finden. Denn das Lächeln auf ihrem Gesicht sprach Bände. Akiko war anwesend, im gleichen Raum mit diesen beiden Frauen, die plötzlich wie entfesselt waren und verstand doch nicht wirklich, was eigentlich geschah. Er sah wie die Dinge um ihn herum zu Bruch gingen. Wie Feuer aufstieg und Dinge in Brand aufgingen. Er sah das Ergebnis, doch er sah nicht wie es dazu kam. Wie gebannt starrte er seine Mutter an, die plötzlich nicht mehr seine Mutter war. Sie sah aus wie Chidori, doch sie verhielt sich nicht mehr wie die Frau, die er sein Leben lang kannte. Er verstand plötzlich, sah plötzlich was es hieß, ein Dämon zu sein. Freude an einem Kampf zu haben. Chidori musste einstecken. Wieder und wieder flog sie gegen eine Wand, gegen einen Pfosten, wurde in die Knie gezwungen oder Yamikos Krallen verletzten sie schwer, doch es schien sie nicht weiter zu kümmern. Sie gab einen ursprünglichen Laut von sich, der so alt zu sein schien wie die Erde selbst und griff einfach wieder von neuem an und so unvorstellbar es auch war, diese entfesselte Dämonin vermochte es Yamiko zu verletzen. Mit einem Mal gab diese einen schmerzhaften Laut von sich und hielt sich den rechten Oberarm. Akiko roch das Blut ehe er es sehen konnte. Wie ein gehetztes Tier blickte sie Chidori an und entblößte beeindruckende Reißzähne. Der Schmerz in ihrem Blick war groß und Akiko wusste wirklich nicht, ob er daher rührte verletzt worden zu sein oder doch eher daher, dass man sie überhaupt verletzt hatte. Chidori grinste bis über beide Ohren und attackierte Yamiko ohne auch nur eine Sekunde innezuhalten. Es schien sie wirklich nicht zu überraschen, dass sie in der Lage war diese mächtige Dämonin zu verwunden. Mit jeder Minute, die seine Mutter kämpfte, schien sie mächtiger zu werden und mehr Spaß an dem zu finden, was sie gerade tat. Akiko konnte sie einfach nur anstarren. Wie konnte das sein? Sie war doch seine Mutter. Sie hatte ihn großgezogen. Wie war es möglich, dass er über diese Frau im Grunde genommen nichts wusste? Hätte er nicht ahnen müssen, dass sie mächtig war? Dass sie kämpfen konnte als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan?

Er schluckte schwer als ihm klar wurde, was genau es bedeutet hatte, dass ihre Kraft versiegelt gewesen ist. Ihm war das nicht so schlimm erschienen, denn er hatte nicht geahnt, dass SOLCH eine Kraft in ihr schlummerte. Sie war so viel mächtiger als es ihm je in den Sinn gekommen war. Ob sein Vater das wusste? Ob er wirklich das Ausmaß ihrer Kraft kannte? Er bezweifelte es irgendwie.
 

Chidoris Augen schienen in Flammen zu stehen, als sie weiter und weiter ihre Angriffe ausführte. Es war egal was Yamiko ihr entgegensetzte, sie konnte sie nicht aufhalten. Jahrzehnte, nein sogar Jahrhunderte lang war ihre Kraft versiegelt gewesen. Gebannt durch einen Fluch, den sie selbst gesprochen hatte. Doch nun, hier an diesem Ort hatte sie diesen Fluch gelöst, hatte sich selbst freigesprochen von allen Dingen, die sie einst verbrochen hatte. Hier und jetzt war sie erwacht und es fühlte sich berauschend an, endlich wieder kämpfen zu können. Es lag in der Natur eines Dämons zu kämpfen. Tat er es nicht, fehlte ihm etwas. Ein Dämon fühlte sich nur wirklich frei, wenn er kämpfen konnte, wenn er herausgefordert wurde. Wenn sein Gegner eine wirkliche Herausforderung war und Yamiko war dies ohne Zweifel. Sie war mächtig, vermutlich sogar mächtiger als Chidori selbst, doch auf Chidoris Seite war die Zeit. Die Zeit in der ihre Kraft geruht hatte. Jede Faser ihres Körpers lechzte nach Blut, nach Energie, nach diesem Kampf. Sie hatte so lange auf diese Freude verzichtet, dass sie nun kaum noch aufhören konnte. Sie wurde getrieben und weiter getrieben von dem Wunsch all ihre Kräfte freizusetzen. Und sie brachen sich bahn. Aus jedem Winkel ihres Körpers, aus jeder Faser, jedem einzelnen Haar strömte ihre Kraft heraus. Sie hatte vergessen wie berauschend das sein konnte. Wie mächtig es sie machte. Sie hatte tatsächlich auch vergessen wie mächtig sie war. Die Kräfte, die in ihr ruhten, waren ursprünglicher als alles andere, was es auf dieser Welt gab. Die Macht ihrer Vorfahren verbündete sich mit ihrer eigenen und ließ sie, sich lebendig fühlen. Sie liebte dieses Gefühl. Als wäre sie aus einem nie enden wollenden Schlaf erwacht. Als er wäre sie praktisch neu geboren. Das Lachen, das die Luft erfüllte war ihr eigenes und es wunderte sie wie fremd es sich in ihren Ohren anhörte. Hatte sie wirklich so lange nicht mehr gelacht? Wie hatte sie ohne diese Freude ohne diese Energie, ohne das Gefühl lebendig zu sein existieren können? War sie verrückt gewesen, dass alles für einen Mann aufzugeben? Offensichtlich schon. Sie griff Yamiko erneut an, erfreute sich daran, ihr eine richtige Verletzung zugefügt zu haben. Die Wut, die sie vorhin noch gefühlt hatte, war vollkommen verschwunden. Pure Freude durchströmte sie. Mit jeder Bewegung merkte sie wie Leben in sie zurückkehrte. Wie es ihr leichter fiel, wie sie sich an jede erlernte Kampftechnik erinnerte. Wie es ihr vollkommen normal erschien, zu kämpfen, als hätte sie nie etwas anderes getan. Adrenalin pumpte durch ihre Adern. Pures Adrenalin und ließ sie vergessen, dass sie vollkommen untrainiert war, dass ihr Körper dieses Tempo wohl nicht lange gehen konnte. Es interessierte sie nicht. Sie lebte, sie fühlte, sie existierte endlich wieder. Was sollte da noch von Bedeutung sein? Sie sprintete los, ließ die Luft um sie herum in Flammen aufgehen und traf Yamiko einmal mehr. Diesmal direkt in den Magen, mit einer Macht, die nur sie allein beherrschte. Chidori setzte zu einem Sprung an, um dann doch in einer einzigen fließenden Bewegung eine Rolle über den Boden zu machen, sich dabei ein Schwert zu greifen, dass ohne Zweifel Sesshoumaru gehörte und lautlos hinter Yamiko zum Stillstand zu kommen. Sie drehte sich ohne viel Aufhebens und rammte die Schwertspitze unbarmherzig in Yamikos Rücken. Die Dämonin heulte gequält auf und es klang wie Musik in Chidoris Ohren.

„Versager, hm?“, wisperte sie dicht an Yamikos Ohr, während sie das Schwert weiter in sie hineintrieb und schließlich dicht hinter ihr stand.

„Was glaubst du wer mir das beigebracht hat?“
 

Rijan hielt einen Moment in der Bewegung inne.

„Was ist?“

„Nichts.“, meinte sie kopfschüttelnd. „Ich dachte einen Moment ich hätte etwas gehört. Ein Lachen oder etwas, das so ähnlich klang.“ Und es hatte ihr Blut gefrieren lassen. Sie schüttelte sich kurz und blickte dann ihren jungen Begleiter wieder an.

„Mir läuft die Zeit davon. Du musst mir helfen, bitte. Es kann doch auch nicht in deinem Interesse sein, dass Yamiko siegt.“ Er schien darüber nachzudenken. Es stimmte, was sie sagte. Der Gedanke war ihr eben erst gekommen. Wenn Sesshoumaru starb, starb auch diese junge Variante von ihm. Sie hoffte, ja spekulierte darauf, dass jeder Teil von Sesshoumaru diesen unbändigen Überlebenswillen hatte. Niemand auf dieser Erde hatte einen so starken Überlebensinstinkt wie Sesshoumaru. Es konnte nicht sein, dass ein Teil von ihm, diesen nicht besaß. Hoffnungsvoll blickte sie ihn an.

„Du bist auf dem richtigen Weg. Mehr kann ich nicht für dich tun.“, meinte er schließlich, schien davon aber nicht so ganz überzeugt zu sein. Rijan schöpfte Hoffnung und blickte ihn möglichst verzweifelt an. Er ließ unsicher seine Schultern kreisen.

Rijan musste sich ein Lächeln verkneifen als vor ihr eine neue Szene offensichtlich wurde.

Sie befanden sich nun auf einem Bankett oder einem Empfang oder etwas ähnlichem. Viele Menschen waren anwesend und es war sehr laut. Sie blickte sich suchend um, konnte Sesshoumaru aber nirgends finden. Statt dessen entdeckte sie einen anderen Dämon, dessen Macht ihn so deutlich umgab, dass er der Einzige in diesem Raum war, der einigermaßen Platz um sich herum hatte. Offenbar verdiente er so viel Respekt, dass niemand ihm zu nahe kam. Er hatte silbernes Haar, zu einem hochgebunden Zopf zusammengefasst. Und seine Statur war mehr als nur beeindruckend. Rijan schluckte schwer als sie diesen Mann betrachtete. Die Aura, die ihn umgab, zog sie mehr als nur an. Sie zweifelte keinen Moment daran, dass er auf jede Frau eine derartige Ausstrahlung hatte. Er drehte sich herum, beinahe so als könnte er fühlen, dass sie ihn anstarrte. Rijan errötete, wohlwissend dass das Unsinn war, denn er konnte sie nicht sehen, sie war nicht wirklich hier, dennoch starrte dieser mächtige Dämon direkt in ihre Richtung. Sie schluckte schwer und versank unvorbereitet in seinen goldenen Augen.

„Sein Vater …“, meinte sie schwach und ihr junger Begleiter nickte, während er ihn ebenfalls anblickte.

„Hai, höchst persönlich.“ Rijan atmete tief durch und versuchte zu verarbeiten, was sie hier sah. Sie hatte geahnt, dass sein Vater sehr imposant und beeindruckend gewesen war. Sie hatte sich sehr oft sogar versucht vorzustellen, wie er wohl gewesen war. Man hatte ihr berichtet von ihm, von seinem Verhältnis zu einer Menschenfrau. Von dem Kind, dass sie gezeugt hatten. Inuyasha, Sesshoumarus einziger Halbbruder, jedenfalls soweit sie selbst davon wusste. Man hatte ihr berichtet, dass er gütig gewesen ist, dass er sich gerne mit Menschen umgeben hatte, doch mit dem hier hatte sie nicht gerechnet. Aufgrund dieser zugegeben wenigen Informationen hatte sie sich ein Bild zurechtgelegt von diesem Mann, der ohne Zweifel Sesshoumarus Vater war. Sie war solche eine Närrin gewesen. Gütig war nicht das Wort, das ihr nun zuerst einfiel. Zu aller erst wurde ihr bewusst wie überaus männlich dieser Dämon war. Keine Frau konnte sich dieser Ausstrahlung wiedersetzen. Dessen war sie sich sehr sicher. Und er wusste das. Anders als Sesshoumaru wusste dieser Mann das sehr genau und ließ das auch deutlich andere wissen. Sie blickte sich im Raum weiter um und bemerkte wirklich, dass jede Frau immer wieder zu ihm blickte. Einige offen andere versteckt, doch jede war sich seiner Nähe bewusst. Rijan bemerkte wie ihr wirklich warm wurde. Das durfte doch nicht wahr sein. Sie ärgerte sich über diese Reaktion. Ihr Begleiter fand das offenbar amüsant, denn er grinste spitzbübisch, was Rijan nur noch wütender werden ließ. Am liebsten hätte sie ihm in seinen Hintern getreten. Das wiederum bemerkte er wohl auch sehr deutlich, denn sein Grinsen wurde noch breiter.

„Stattlich, nicht wahr?“

Sie antwortete darauf nicht, sondern blickte wieder Sesshoumarus Vater an. Das nächste was ihr bewusst wurde, war die Macht, die er ausstrahlte. Jeder Mann in diesem Raum schien das zu bemerken, denn sie blickten ihn alle sehr wachsam an und hielten einen gewissen Abstand zu ihm. Und dann blickte sie erneut in seine Augen, nahm die Gesichtszüge des Dämons wahr, von dem sie sich sicher gewesen war, dass er seinem Sohn sehr ähnlich war. Oder dass besser gesagt sein Sohn ihm ähnelte und wurde sich dann doch bewusst, dass er sehr viel kerniger und männlicher wirkte als sein Nachwuchs. Sie hatte Yamiko gesehen und bereits da gewusst, dass Sesshoumaru seine Gesichtszüge mehr von ihr hatte als von seinem Vater, dennoch erstaunte es sie, dass die Züge seines Vaters so viel härter wirkten. Nein, Güte war dort wirklich keine vorhanden. Er lächelte und war charmant, dass sah sie auch sehr deutlich, doch ihn umgab eine gewisse Härte, die Rijan mehr als nur erstaunte. Und das zeichnete sich auch in seinem Blick ab. Neben all der Freundlichkeit und Wärme, spiegelte sich auch eine Härte darin wieder, die Rijan nie dort erwartet hätte. Sie schluckte erneut schwer, doch diesmal aus einem ganz anderen Grund.

„Wo ist Sess?“ Ihr junger Begleiter wandte sich um und sie folgte seinem Blick. Dort in einer wenig beleuchteten Ecke, so dass man ihn leicht übersehen konnte, stand Sesshoumaru. 16 oder 17 mochte er damals gewesen sein. Jedenfalls in ihrer Zeitrechnung. Er trug ein adliges Gewand, sehr ähnlich dem, das er heute immer trug. Nur die Rüstung fehlte und die Farbe seines Gewandes war dunkelblau mit schwarzen Ornamenten. Es stand ihm sehr gut, wie Rijan sogleich feststellte. Sein Haar war zu einem Zopf zusammengebunden. Sehr ähnlich der Frisur seines Vaters. Und doch sah er ihm eigentlich gerade heute nicht sonderlich ähnlich. Rijan erstaunte das. Denn selbstverständlich kam er auch nach seinem Vater, dennoch war der Unterschied zwischen beiden an diesem Tag so deutlich wie er nur sein konnte. Sie bemerkte seinen Blick. Dunkel und mit wenig Sympathie getränkt. Sie folgte seinem Blick und war nicht weiter verwundert, dass er seinen Vater fixierte. Das erklärte auch den intensiven Ausdruck vorhin. Sesshoumarus Vater hatte nicht sie angesehen, sondern durch sie hindurch seinen Sohn bemerkt. Spannung lag zwischen beiden deutlich in der Luft. Offenbar waren sie nicht unbedingt gut miteinander ausgekommen. Zumindest zu diesem Zeitpunkt nicht.

Rijan ging näher zu Sesshoumaru und blieb unweit von ihm stehen. Einen Moment begnügte sie sich damit ihn einfach nur anzusehen. Er sah gut aus. Seine Ausstrahlung war bei weitem nicht so intensiv wie die seines Vaters, aber er hatte ohne Zweifel bereits damals eine eigene Art auf Frauen zu wirken. Sie bemerkte nun auch, dass sich junge Damen immer wieder nach ihm umdrehten. Sein finsterer Blick sorgte aber wohl dafür, dass man ihm nicht zu nahe kam. Ein wenig brachte sie das zum Lächeln. Sie mochte das, sie mochte das sogar sehr. Es wäre schwer für sie gewesen, ihn mit anderen Frauen zu sehen.

„Wo ist Kazuki?“, fragte sie dann plötzlich. Richtig, er war sein Beschützer, sollte er dann nicht irgendwo in der Nähe sein? Gerade als sie die Frage gestellt hatte, hörte sie ihn näher kommen und galant eine junge Frau abwimmeln, die ihn wohl darum bat, sie Sesshoumaru vorzustellen. Er seufzte als er vor seinem Freund stehen blieb und milde belustigt den Kopf schüttelte.

„Versteh mich nicht falsch, ich finde es eine äußerst gelungene Taktik unliebsame Gäste abzuwimmeln, aber es wird deinen Vater nicht gerade glücklich stimmen, wenn du ihn weiterhin mit finsteren Blicken attackierst.“

Sesshoumaru ließ leicht die Schultern kreisen, was ein deutliches Zeichen dafür war, dass er wohl sehr angespannt war. Er warf seinem Freund einen der besagten finstern Blicke zu und schüttelte dann seinen Kopf.

„Gelinde gesagt, ist es mir herzlich egal, was meinen Vater glücklich stimmen würde.“

Kazuki seufzte und blickte kurz zu Sesshoumarus Vater hinüber. Ihrer beider Blicke kreuzten sich. Sie schienen kurz zu kommunizieren, denn Kazuki schüttelte entschuldigend den Kopf und wandte dann hastig den Blick ab. Sesshoumarus Laune hob sich dadurch nicht unbedingt. Er reichte seinen Kelch seinem Freund und ließ ihn damit stehen.

„Wo willst du denn hin?“, fragte dieser resigniert.

Sesshoumaru antwortete nicht und ging zielstrebig auf die Tür zu, die sich in diesem Moment gerade öffnete. Was immer er auch vorgehabt hatte, plötzlich blieb er wie angewurzelt stehen. Rijan konnte erst nicht sehen, was diese Veränderung hervorrief, doch wenig später wurde es ihr klar. Chidori betrat den Raum und was Rijan vorhin an Sesshoumarus Vater bemerkt hatte, strahlte nun auch diese junge Dame aus. Man konnte über Chidori sagen was man wollte, aber Ausstrahlung besaß sie. Mehr als ihr vermutlich lieb sein durfte. Und auf jeden Fall deutlich mehr als Sesshoumaru lieb war. Sein Blick verfinsterte sich noch weiter, als er sie anstarrte. Und er starrte tatsächlich. Rijan hätte das kaum für möglich gehalten, aber es entsprach der Wahrheit. Sie war sich sicher, dass er gern woanders hingesehen hatte, oder einfach gerne gegangen wäre, doch er stand dort, unfähig sich zu bewegen und starrte sie wie eine Erscheinung an. Sie bemerkte seinen Blick und lächelte flüchtig, während sie an ihm vorbeischritt und ihn nicht weiter beachtete. Zielstrebig ging sie zu Kazuki, der hingerissen lächelte.

„Du siehst bezaubernd aus, Chi-chan.“, meinte er aufrichtig und sie lächelte ihn dankbar an. Ein Knurren erfüllte die Luft und Rijan drehte sich erstaunt um. Sesshoumaru hatte die beiden beobachtet und seine Laune war – so fern das überhaupt möglich war – noch schlechter geworden. Chidori ignorierte das und ging zu einer Gruppe junger Frauen um sich angeregt mit ihnen zu unterhalten. Sesshoumaru schien seine Meinung zu ändern und nun doch zu bleiben. Kazuki registrierte das mit einem leichten Lächeln.

Rijan stand eine Weile mitten im Raum und beobachtete fasziniert das Schauspiel. Sesshoumaru schien etwas aufgeschlossener zu werden und sich mit einigen jungen Männern zu unterhalten. Hier und da sprach er auch mit einigen Bekannten seines Vaters sowie deren Töchtern, die sich eindeutig Hoffnungen machten. Rijan fragte sich allerdings ernsthaft, wie man so blind sein konnte. Sie sah zwar, dass die jungen Frauen, an Sesshoumarus Lippen hingen, egal was er auch sagte und jeder seiner Bewegungen folgten, doch sie schienen nicht zu bemerken, dass seine Blicke einzig und allein Chidori folgten. Er bemühte sich zwar sich auf seinen Gesprächspartner zu konzentrieren doch immer wieder glitt sein Blick zu Chidori zurück, die seine Blicke auch stets erwiderte. Man musste blind sein um das nicht zu bemerken. Zwischen den beiden lag eine Spannung, die kurz vorm Explodieren war. Irgendwann verabschiedete sich Sesshoumaru höfflich und verließ recht schnell den Saal. Rijan folgte ihm, nur um festzustellen, dass er draußen stehen blieb und sich gegen die nächstbeste Wand lehnte. Er seufzte tief und schien mit einem mal sehr müde zu sein. Sie hätte ihn gerne in den Arm genommen und seine Schläfen massiert, doch natürlich war dies nicht möglich. Sie mochte diesen jungen Sesshoumaru irgendwie, auch wenn recht offensichtlich war, dass er eine ziemliche Affinität zu Chidori hatte. Doch irgendwie bekümmerte es sie nicht, sich das alles hier anzusehen. Es war Vergangenheit, es spielte keine Rolle mehr, denn Rijan wusste wie es enden würde. Es überraschte sie nur ein wenig, das war alles.

„Sess!“, donnerte es durch den Flur und Kazuki kam um die Ecke geschossen. Sesshoumaru hob den Kopf und blickte seinen Freund an, während dieser schnellen Schrittes näher kam. Er schien sauer zu sein.

„Verdammt, was sollte das werden?“

Sesshoumaru war mindestens genauso verwirrt wie Rijan, nur schien er noch weniger den Nerv zu haben sich Vorhaltungen von seinem Freund anzuhören.

„Was sollte was?“, fragte er daher mit leicht aggressivem Unterton.

Kazuki zeigte in Richtung großer Saal und blickte seinen Freund direkt an.

„Du weißt genau, dass sie für dich tabu ist. Dein Vater hat das doch wohl sehr deutlich gemacht, oder? Was glaubst du wird er von diesem Verhalten nun denken?“

Sesshoumaru verdrehte genervt die Augen.

„Mir ist egal, was dieser alte Mann denkt. Zwischen Chi und mir ist nichts, also was soll der Aufstand?“

Kazuki packte Sesshoumaru unerwartet am Kragen seines Gewandes und stieß ihn heftig gegen die Wand.

„Nichts?“, meinte er wütend.

„Du hast sie seit sie den Raum betreten hat, nicht mehr aus den Augen gelassen. Es ist vollkommen egal, ob zwischen euch etwas läuft oder nicht, wenn du sie anblickst, als würdest du sie verschlingen wollen. JEDER hat das gesehen, Sess, jeder einzelne in diesem Raum.“

Sesshoumaru knurrte bedrohlich, während Kazuki ihn weiterhin festhielt.

„Dein Vater scherzte heute Mittag nicht. Er hat alle Hände voll damit zu tun, seine Verbündeten davon zu überzeugen, dass sein hormongesteuerter Sohn nicht jegliche Regeln außer Acht lassen und sich mit der einen Dämonin paaren wird, die wohl mächtiger werden kann als jede andere vor ihr. Und dein Auftritt von eben wird nicht gerade dazu beitragen, ihm das alles leichter zu machen. Willst du unbedingt einen Krieg heraufbeschwören?“

Sesshoumaru wich Kazukis Blick aus, allerdings wohl eher um seine Wut in den Griff zu bekommen als weil er sich ertappt fühlte. Rijan betrachtete die beiden interessiert. Einen Krieg? War es wirklich so verheerend, wenn die beiden sich anziehend fanden? Hatte es die anderen Dämonen so unsicher gemacht, dass sie damit drohten Bündnisse zu lösen, die den Frieden wahrten? Neue Erkenntnisse, die Rijan wirklich erstaunten und ihr erstmals bewusst machten, dass die Geschichte von Chidori und Sesshoumaru sehr viel bedeutender gewesen ist, als sie bisher angenommen hatte. Ein seltsames Gefühl löste das in ihr aus.

„Lass mich auf der Stelle los.“, meinte Sesshoumaru schließlich so ruhig er konnte und Kazuki schien tatsächlich zu wissen, dass es besser für ihn wäre, wenn er dem nachkäme. Er verzog kurz das Gesicht, ließ Sesshoumaru aber schließlich los.

„Sess, ich bin dein Freund, das weißt du, aber so kann das nicht weitergehen. Die Situation ist ernst und das da drin hat deinen Vater nur noch wütender gemacht. Du musst das mit Chidori in den Griff bekommen.“

Sesshoumaru lachte trocken.

„In den Griff bekommen? Nichts, das mit Chi zu tun hat, lässt sich einfach so in den Griff bekommen. Das weißt du so gut wie ich. Rede besser mit ihr und nicht mit mir.“

Kazuki seufzte tief und blickte seinen Freund schließlich resigniert an.

„Ich kann nicht glauben, dass ich dir so was vorschlage, aber wenn ich mir euch so ansehe, dann glaube ich nicht, dass es eine andere Lösung dafür gibt. Offensichtlich – und glaub mir, jeder hat das gerade gesehen – willst du sie derzeit mehr als alles andere. Also bei allem was uns heilig ist, nimm dir was du willst und gut ist. Eine andere Lösung sehe ich derzeit nicht.“

Sesshoumaru starrte seinen Freund einen Moment lang fassungslos an, ehe sich eine seltsame Veränderung auf seinem Gesicht abzeichnete. Kazuki schien das auch zu bemerken, denn er runzelte die Stirn und versuchte zu erahnen, was in seinem Freund vor sich ging.

Schließlich schien Sesshoumaru zu einer Entscheidung zu kommen, denn er blickte angestrengt zu Boden und meinte schließlich leise: „Mit einem Mal ist nichts wieder gut.“

Kazuki lachte leise: „Naja, du musst das ‚einmal’ ja nicht so wörtlich nehmen.“, feixte er und blickte Sesshoumaru weiterhin an. Dieser hob schließlich den Kopf und blickte seinen Freund mehr als nur gequält an. Kazukis Lächeln verblasste.

„Nein, Kazuki, du verstehst nicht. Was ich möchte, lässt sich damit nicht erfüllen. Wenn es so wäre, kannst du dir sicher sein, dass wir dieses Gespräch nicht mehr führen müssten.“

Jegliche Farbe wich aus Kazukis Gesicht während er begriff was Sesshoumaru ihm da gerade versuchte zu erklären.

„Aber Sess …“, setzte Kazuki an, brach dann aber wieder ab, weil er wohl nicht wusste, was er dazu sagen sollte. Offensichtlich war er nie zuvor auf diesen Gedanken gekommen.

„Richtig, mir ist nicht zu helfen.“ Und in diesen Worten klang das Unglück der ganzen Welt mit, als Sesshoumaru sie aussprach.
 

„Aber …“ Rijan setzte zu einer Aussage an, doch wusste sie eigentlich gar nicht, was sie sagen sollte. Es war ihr nicht mehr neu, dass Sesshoumaru offenbar für Chidori etwas empfunden hatte. Akikos Existenz zeigte auch deutlich, dass es damit nicht getan gewesen ist. Die beiden hatten einen Weg gefunden, doch war ihr nicht so ganz klar, wozu sie das dann hatte sehen sollen. Das alles war nicht des Rätsels Lösung. Nichts, was die beiden betraf, konnte so tief sitzen, dass es Sesshoumaru gebrochen hatte. Dessen war sie sich sicher.

„Ich verstehe das nicht.“, sagte sie daher schließlich und ihr junger Begleiter seufzte tief.

„Ich zeige dir nur den Weg, alles andere musst du selbst herausfinden.“ Sie seufzte schwer und nickte schließlich.

„Dann zeig mir was danach geschah.“
 

„Sesshoumaru!“ Es hallte von allen Wänden wieder und schien ein Echo nach sich zu ziehen, als Inu no Taishou mit großen Schritten durch die Korridore seines Anwesens stürmte und seinen Sohn suchte.

Rijan stand neben Sesshoumaru, der offenbar im Trainingsraum war und gerade versuchte auf andere Gedanken zu kommen. Er verharrte in der Bewegung und ein wenig blasser schien er zu werden. Ein seltsames Verhältnis, das die beiden zueinander hatten. Sie hätte es sich ja denken können, trotzdem überraschte es sie.

Die Tür wurde aufgestoßen und Sesshoumarus Vater stand wie der Rachegott höchstpersönlich im Türrahmen. Wütend funkelte er seinen Sohn an, der trotzig die Arme verschränkte und ganz rebellischer Teenager, der er war, nicht klein beigeben wollte.

„Wenn du nicht mein Sohn wärst, würde ich dich auf der Stelle hinrichten lassen.“

Sesshoumaru zuckte nur mit den Schultern und blickte seinen Vater feindselig an.

„Meinetwegen musst du auf diese lächerliche Blutsbande keine Rücksicht nehmen.“

Das hatte gesessen. Inu no Taishou wurde nur noch wütender und durchquerte mit einer enormen Schnelligkeit den Raum, packte seinen Sohn am Hals und hob ihn leicht an, so dass er nur noch mit den Zehenspitzen den Boden berührte. Doch Sesshoumaru war bereits damals mehr als nur stur gewesen. Er nahm es einfach hin. Zappelte nicht, versuchte nicht sich zu befreien, sondern starrte seinen Vater einfach nur direkt an. Inu no Taishou knurrte bedrohlich, ließ dann aber schließlich von seinem Sohn ab – nicht jedoch ohne diesen in eine Ecke des Zimmers zu schleudern, wo er laut krachend gegen die Wand knallte. Sesshoumaru warf seinem Vater einen finsteren Blick zu und rappelte sich mühsam wieder auf. Der Schlag war wohl sehr heftig gewesen.

Ein Seufzer erfüllte die Luft. Inu no Taishou schien seine Taktik zu ändern. Mit Wut kam man bekanntlich nicht weit. Als gebildeter Mann wusste er das wohl. Er war ein Anführer und wusste, dass man Probleme sachlich angehen musste.

„Meine Verbündeten drohen mir offen mit Krieg, wenn ich das mit dir und Chidori nicht unterbinde.“

Sesshoumaru schien das wenig zu beeindrucken.

„Und wie möchtest du das unterbinden?“

„Indem ich es dir ausdrücklich verbiete.“

Beinahe hätte Rijan gelacht. Das war nun wirklich eine sehr utopische Lösung. Sesshoumaru sah das wohl ähnlich.

„Nun, da ich nichts Verbotenes tue, kannst du mir auch nichts verbieten.“

„Mach dich nicht über mich lustig, Sohn.“

„Das tue ich nicht, Vater.“ Weder die Bezeichnung Sohn noch Vater klangen bei den beiden wie wohlgesonnene Worte. Eher hörte es sich nach einer abgrundtiefen Beleidigung an.

Inu no Taishou atmete tief ein und wieder aus. Offenbar versuchte er sich zu beruhigen. Schließlich setzte er sich auf eine der Trainingsmatten und blickte seinen Sohn abwartend an. Doch Sesshoumaru weigerte sich, dieser wortlosen Aufforderung nachzukommen. Demonstrativ verschränkte er die Arme und blickte seinen Vater an. Rijan schmunzelte bei dieser Geste.

„Fein, dann bleib eben stehen. Sesshoumaru, ich bin dein Vater und ob du es nun glaubst oder nicht, ich möchte nur dein Bestes.“ Sesshoumaru schnaubte abfällig und Rijan sah deutlich wie allein dieser Laut seinen Vater beinahe wieder zur Weißglut trieb. Teenager waren wohl wirklich anstrengend. Ihr war nur nie in den Sinn gekommen, dass Sesshoumaru diese Phase wohl ebenfalls durchlebt hatte.

„Und Chidori ist nicht dein Bestes.“, erklärte er weiterhin. Daraufhin sagte Sesshoumaru nichts, denn offenbar schienen sie sich darin einig zu sein. Rijan wunderte das nicht. Sie fragte sich, ob Inu no Taishou wusste, wie sehr Sesshoumaru darum bemüht war, Chidori auf Abstand zu halten und wie schwer es diese wiederum ihm tatsächlich machte.

„Ich kann verstehen, wie schwer das ist. Wirklich. Chidori ist atemberaubend schön. Ich bin ein Mann, ich kann das wirklich verstehen.“ Sesshoumaru ließ nicht erkennen, was er von dieser Aussage hielt.

„Und ich weiß, dass sie dich vergöttert seit sie geboren wurde. Das schmeichelt einem jungen Mann wie dir. Aber Chidori ist ein besonderes Mädchen. Ihr beide versteht das noch nicht, aber in ihr schlummern Kräfte, die niemand genau kontrollieren kann. Die sie selbst vermutlich nicht einmal kontrollieren kann. Du wirst eines Tages lernen mit deinen Fähigkeiten umzugehen. Dir wird man dabei helfen können. Chidori …“ Er brach ab, weil es ihm offenbar schwer fiel, darüber zu reden. “Nun, Chidori, hat dieses Glück nicht. Sie ist aus einer Verbindung entstanden, die niemals hätte stattfinden dürfen. Deswegen haben wir diese Regeln. Chidori hat das Potenzial in sich, mächtiger zu werden als jeder Dämon auf dieser Welt. Und sie wird daran vermutlich irgendwann zugrunde gehen, weil die Kraft in ihr zu stark ist um sie kontrollieren zu können.“

Sesshoumaru blickte seinen Vater nicht an. Rijan fragte sich, ob er all das wusste oder ob es neu für ihn war. Sie selbst kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Chidori war also der Grund warum es diese Regel überhaupt erst gab. Dass mächtige Dämonen sich nicht mehr paaren durften. Und man verschwieg ihr das. Auch das hatte Rijan deutlich aus dieser Aussage herausgehört. Ob es Sesshoumaru jedoch überraschte konnte sie nicht sagen. Seine Mine war undurchschaubar.

„Chidori selbst ist ein Dämon, den meine Verbündeten fürchten und einzig und allein meine schützende Hand über ihr sorgt dafür, dass sie noch am Leben ist. Ich möchte nicht, dass ihr jemand einen Schaden zufügt. Und ich weiß, du möchtest das auch nicht. Wenn du das mit dir und ihr aber nicht in den Griff bekommst, dann kann ich sie nicht länger schützen.“ Harte, sehr deutliche Worte. Im Grunde erpresste Inu no Taishou gerade seinen Sohn mit Chidoris Leben. Rijan schluckte schwer und blickte zu Sesshoumaru, der seinen Vater emotionslos anstarrte. Sie wusste, dass es in ihm gerade arbeitete und sie hätte gerne gewusst, über was genau er nachdachte. Seinem Vater ging es wohl nicht anders.

„Glaub mir, dieser Schritt fällt mir nicht leicht. Chidori ist wie eine Tochter für mich. Wir kennen sie beide seit sie geboren wurde, aber ich habe ein Reich für das ich Sorgen muss, Sess. Ich kann ihr Wohlergehen nicht über das aller anderen stellen. Es liegt einzig und allein in deiner Hand, wie es weitergehen wird.“

Rijan hätte in diesem Moment Inu no Taishou am liebsten gepackt und geschüttelt. Wie konnte er seinem jungen Sohn solch eine Bürde auferlegen? Sicher, Sesshoumaru hatte eine ausgeprägte Schwäche für Chidori. Vermutlich liebte er sie bereits, aber er tat doch auch alles um sie auf Abstand zu halten. Er war gemein und grausam zu ihr und doch ließ sich Chidori davon nicht abschrecken. Sie wusste was sie wollte und daran konnte nichts auf dieser Erde etwas ändern. Konnte Inu no Taishou das nicht sehen? Was mehr sollte Sesshoumaru noch tun? Wie sollte er Chidori davon abbringen, weiterhin nur ihn zu wollen? Sein Vater hatte ihm eine Bürde auferlegt, die er nicht tragen konnte. Denn Sesshoumaru selbst hatte keinerlei Einfluss darauf, was Chidori wollte.

„Habe ich deine Erlaubnis, für Chidori einen Partner zu finden?“ Sesshoumarus Worte klangen gepresst und tiefer als gewöhnlich. Ein deutliches Zeichen wie sehr ihn die Situation gerade bewegte. Rijan starrte ihn sprachlos an. Hatte sie eben richtig gehört? Er wollte für Chidori einen Mann finden? Wie wollte er das bewerkstelligen? Selbst wenn er einen fand, mit dem er selbst leben konnte – und das wagte Rijan sehr zu bezweifeln – Chidori würde dem nie zustimmen.

Inu no Taishou sah seinen Sohn an. Blickte auf das gesenkte Haupt seines einzigen Kindes und Rijan schluckte schwer als sie den Ausdruck in seinen Augen sah. Was Sesshoumaru selbst nämlich nicht sah, war der Kummer, der sich darin spiegelte. Der Kummer seinem eigen Fleisch und Blut das einzige Glück zu verwähren, das dieser ersehnte. Die Wut, die sie vorher gefühlt hatte, verblich angesichts dieser Erkenntnis. Inu no Taishou wusste darum wie unmöglich es war, was er seinem Sohn hier auferlegt hatte und doch konnte er nicht anders handeln. Sesshoumaru war sein einziger Sohn und natürlich wollte jeder Vater nur das Beste für sein Kind, doch Inu no Taishou war eben auch ein Anführer, er hatte für mehr als nur sein eigen Fleisch und Blut zu sorgen. Letztendlich hatte er auch für Chidori zu sorgen und wie er selbst gesagt hatte, sie war wie eine Tochter für ihn. Auf die einzige Weise die ihm möglich war, versuchte er alle zu schützen, für die er die Verantwortung trug. Die Last, die auf seinen Schultern ruhte, war an manchen Tagen wohl wirklich zu schwer zu tragen.

„Chidori ist noch viel zu jung um sich bereits zu paaren, aber hai, du hast meine Erlaubnis.“ Damit erhob er sich und verharrte dann einen Moment in der Bewegung. Es schien als wollte er seinem Sohn die Hand auf den Kopf legen, denn er streckte seinen Arm leicht, doch offenbar entschied er, dass es besser war ihn nun in Ruhe zu lassen. Also schüttelte er nur stumm seinen Kopf und verließ den Raum. Sesshoumaru wartete bis sein Vater die Tür geschlossen hatte, ehe er mit einem wütenden und sehr verzweifelt klingenden Laut seine Hand in die nahe gelegene Wand rammte.
 

Rijan wandte sich schnell ab. Sie ertrug den Kummer, der ihn plötzlich umgab nicht länger. Sie verstand seinen Vater, aber trotzdem war es nicht richtig, Sesshoumaru so viel Verantwortung zu übertragen. Er konnte ihm doch nicht das Leben eines anderen Wesens anvertrauen. Er war noch so jung. Es zerriss ihr das Herz, das mitansehen zu müssen.

„Hat er jemanden gefunden?“

Ihr Begleiter nickte und blickte sie forschend an.

„Hai, den einzig möglichen Kandidaten.“

Rijans Augen wurden groß.

„Kazuki?“ Er nickte und schien angenehm überrascht, dass sie so schnell verstand.

Sie seufzte tief und schüttelte dann traurig ihren Kopf. „Ich habe nicht geahnt, dass sein Leben so kompliziert gewesen ist.“

Ihr junger Freund lachte trocken und sie sah ihn erstaunt an. „Was hast du erwartet? Er ist der Sohn einer der mächtigsten Dämonen dieser Welt. Von Kindheitstagen an war ihm auferlegt worden, eines Tages dieses Erbe anzutreten.“

Rijan schluckte und ließ die Worte auf sich wirken. Richtig, das hatte sie in der Tat vergessen. Wie mochte es wohl gewesen sein, von klein auf dazu erzogen worden zu sein, eines Tages die Verantwortung für alles und jeden in der eigenen Umgebung zu übernehmen? Bedachte sie diese Bürde wunderte es sie eigentlich nicht, dass Sesshoumaru sich letztendlich für die Einsamkeit entschieden hatte.

„Zeig mir wie es gewesen ist, Verantwortung übernehmen zu müssen.“
 

Sie sah Sesshoumaru unweit vor sich stehen. Er war jung, sehr jung. Vielleicht fünf Jahre, wenn es hochkam. Ihr ging das Herz über, als sie diesen Knirps dort stehen sah. Ohne Zweifel Sesshoumaru und doch so absolut niedlich, dass sie automatisch lächeln musste. Sein Gesicht war blass und er starrte ungläubig auf das kleine Bündel in seinen Armen. Chidori - wie Rijan sofort schlussfolgerte. Sie hatte ihr gesagt, dass sie ihn seit ihrer Geburt kannte. Nun verstand Rijan, was Chidori damit gemeint hatte. Er war wirklich am Tag ihrer Geburt anwesend gewesen. Einen Moment betrachtete sie das rührende Bild. Den kleinen Jungen, der ein Baby im Arm hielt und pure Angst in seinem Blick zeigte. Angst davor, diesem schutzlosen Geschöpf weh zu tun. Es womöglich fallen zu lassen. Sie lächelte weiterhin, als sie ihn dabei beobachtete, wie er unsicher die Kleine festhielt. Ihre roten Augen blickten vertrauensvoll zu ihm auf und als sich ihre Blicke kreuzten, veränderte sich etwas in seinem Wesen. Plötzlich drückte er den Rücken gerader durch und hielt sie sicherer fest. So als hätte er beschlossen, sie zu beschützen.

„So fing es also an.“, murmelte Rijan und wandte sich dann dem Rest des Bildes zu. Und augenblicklich wurde auch sie blass im Gesicht. Unweit auf einem großen Lager mit weisen Decken lag eine Frau. Ohne Zweifel Chidoris Mutter, das feuerrote Haar verriet sie. Doch ihre Augen waren weit aufgerissen und sie blickte ausdruckslos an die Decke. Die Laken waren blutverschmiert und als Rijan näher kam, bemerkte sie, dass man ein Schwert in das Herz der Frau gebohrt hatte. Sie würgte heftig und bekämpfte den Wunsch sich übergeben zu müssen. Hatte man sie ermordet? Inu no Taishou stand nicht unweit neben ihr und Blut bedeckte seine Hände. Sein Kopf war gesenkt und er murmelte etwas. Ein weiterer Mann war anwesend. Er saß neben der toten Frau, weinte bittere Tränen und verfluchte die Welt und jeden, der anwesend war. Rijan blickte zurück zu Sesshoumaru. Verstand nun, was ihn so blass hatte werden lassen. Ein kleines Kind und doch hatte er offenbar gerade grausames mitansehen müssen.

„Warum?“, fragte sie tonlos und ihr junger Begleiter seufzte schwer, als würde er sich daran erinnern, was damals geschehen war.

„Es hat nicht dürfen sein. Um Chidoris Existenz zu sichern, um sie retten, musste ihre Mutter sterben. Niemand durfte wissen, wessen Kind sie war.“

Die Regel, richtig. So langsam verstand sie das Ausmaß dieser ganzen Geschichte.

Rijan sah schweigend zu, wie Inu no Taishou sich vor seinen Sohn kniete und dessen Blick gefangen nahm. Er zwang ihn dazu, ihn anzusehen, in dem er sanft sein Kinn umfasste. Sesshoumarus Augen waren klar und blickten deutlich älter drein, als es hätte der Fall sein dürfen.

„Sie wird von nun an das Wertvollste in deinem Leben sein, mein Sohn.“

Sesshoumaru nickte, seine Schultern zitterten jedoch leicht, als er seinem Vater zuhörte und dabei fest das kleine Wesen in seinen Armen hielt.

„Es wird deine Aufgabe sein, sie zu beschützen.“ Wieder nickte er und Rijan wurde schwer ums Herz.

„Beschütze sie mit deinem Leben wenn es sein muss.“ Das folgende Nicken war kaum noch wahrzunehmen und Rijans Herz brach, als sie es bemerkte. Wie konnte er nur? Einem kleinen Kind solche eine Last aufzuerlegen. Wie sollte dieser kleine Junge in der Lage sein, ein anderes Lebewesen zu beschützen?

Und doch ergab alles andere plötzlich einen Sinn. Es hatte nur so enden können, dass Chidori in ihm ihren Helden fand. Er war für sie da und beschützte sie vor jedem Unheil, das ihr widerfahren wollte. Es war vollkommen natürlich, dass sie ihn anhimmelte. Wie hätte sie anders darauf reagieren sollen? Der Grundstein für diese verfluchte Verbindung war an diesem Tag gelegt worden. Und Rijan war sich sehr sicher, dass das nicht die Absicht von Inu no Taishou gewesen war. Sie verstand langsam, wie Sesshoumaru aufgewachsen war. Ob es nun richtig gewesen war oder nicht. Sie verstand zumindest den Grund für all das. Sesshoumaru hätte einmal Führer eines ganzen Landes werden sollen. Schwäche hatte dabei nichts zu suchen. Und das hatte man ihm offenbar bereits als Kind beigebracht.
 

Rijan drehte sich um und eine andere Szene erschien vor ihren Augen. Wieder sah sie Sesshoumaru – diesmal jedoch deutlich älter. Annähernd seinem heutigen Aussehen entsprechend. Nur sein Blick war noch nicht so verschlossen, noch nicht so kalt wie er es heute war. Sein Haar reichte nur bis zu seinen Hüften. Es wehte lose im Wind. Rijan kniff die Augen zusammen um deutlicher sehen zu können. Es war Nacht, doch vielleicht irrte sie sich auch. Dunkelheit umgab sie. Qualm verhinderte, dass man besonders weit sah. Obwohl es ihr nicht möglich war tatsächlich etwas zu fühlen, war es doch, als würde sie die Hitze des Feuers wahrnehmen. Es brannte um sie herum. Die Flammen drohten alles zu verschlingen. Offenbar waren sie in einem Raum oder was davon noch übrig war. Rijan ging ein paar Schritte zu Sesshoumaru und sah eine unbändige Wut in seinem Blick. Er kniete sich gerade nieder. Inu no Taishou lag am Boden, begraben von Bruchstücken der Decke, die wohl über ihm zusammengebrochen war. Sesshoumaru räumte die Teile unter größter Anstrengung beiseite. Half seinem verwundeten Vater leicht auf, indem er ihn mit seinen eigenen Armen stützte. Er hustete. Der Qualm musste seine Lungen längst verätzt haben. Rijan schluckte schwer. Sie ahnte, welcher Moment das hier war.

„Vater.“, meinte Sesshoumaru gerade, doch seine Stimme ging unter, als erneut ein Teil der Decke einstürzte und unweit von ihnen niederging. Sesshoumaru blickte hektisch in die entsprechende Richtung und danach wieder seinen Vater an. Auch er sah wohl gerade die schweren Verwundungen, die Inu no Taishou davon getragen hatte. Zu schwer um sie zu überleben. Nicht einmal als Dämon. Sie erinnerte sich dunkel daran, dass man ihr davon berichtet hatte. Von dem Tag als dieser mächtige Dämon gestorben war. Er hatte seine Frau und sein Kind gerettet. Doch der Kampf, den er zu fechten hatte, war zu groß gewesen um ihn zu überleben. Sie hatte jedoch nicht gewusst, dass Sesshoumaru damals dabei gewesen war. Sie blickte ihn an. Sah, dass sich in seinem Gesicht, in seinem schönen ihr so vertrauten Gesicht, tausend Emotionen abzeichneten. Sie war es nicht gewohnt, ihn so zu sehen. Er sah beinahe aus wie der Mann, den sie so sehr liebte, aber nie zuvor hatte sie erlebt, dass man ihm so deutlich ansah, was in ihm vorging. Und was sie am deutlichsten sah war Wut, blanke alles verzehrende Wut. Rijan schlang die Arme um sich und starrte ihn schweigend an. Wie viel Wut mochte in diesem Mann tatsächlich schlummern. Nach all den Dingen, die er erlebt hatte? Sie konnte es sich nicht einmal ansatzweise vorstellen.

„… zu spät.“, murmelte sein Vater gerade und Sesshoumaru fletschte ungehalten mit seinen Zähnen. Von jetzt auf nachher wurden seine Augen blutrot und Rijan kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Sie kannte diese heftige Verwandlung. Sie hatte sie bei Akiko gesehen. Eine Verwandlung, die man nicht kontrollieren konnte. Er wäre wohl sehr überrascht, wenn er wüsste, dass auch sein Vater das einmal durch gemacht hatte. Und es war mehr als nur deutlich, dass Sesshoumaru diese Gefühlsregung gerade nicht in den Griff bekam.

„Inuyasha …“, setzte Inu no Taishou an und blickte Sesshoumaru aus blassen Augen an. Das Gold darin war wässrig und kaum noch als solches zu erkennen.

„… dein Bruder.“, flüsterte er weiter und Sesshoumaru schüttelte ungehalten seinen Kopf.

„Ein Halbblut kann niemals mein Bruder sein.“ Zorn, sehr viel Zorn sprach aus ihm. Sie fragte sich, woher dieser kam. Natürlich kannte sie seine Abneigung gegen die menschliche Schwäche und die daraus resultierende Verachtung für seinen Bruder, aber trotzdem erstaunte sie das alles sehr.

„Er IST dein Bruder.“ So schwach sein Vater auch sein mochte, die Worte kamen mit Nachdruck und wurden von einem tiefen Grollen begleitet. Beinahe so als hätte es in der Ferne gedonnert.

„Und er wird nie so stark sein wie du. Er kann niemals so stark werden. Er braucht jemanden, der auf ihn aufpasst. Der ihn beschützt. Diese Welt wird grausam zu ihm sein. Es wird dauern, bis er seinen Platz findet und bis dahin musst …“

Sesshoumaru stand auf, ließ seinen Vater ohne Vorwarnung zurück auf den Boden fallen. Ein schmerzhafter Laut kam von diesem, während Sesshoumaru mit funkelnden Worten über ihm stand.

„Du hast kein Recht, irgendetwas von mir zu verlangen.“, fauchte er ihn an. Keinerlei Rücksicht darauf nehmen, dass sein Vater im Sterben lag.

„Du bist mein Sohn, ich hab jegliches Recht.“

„Nicht mehr.“ Zornerfüllt starrten sich nun beide an, ehe Inu no Taishou sich schmerzerfüllt aufbäumte und seinen Sohn schließlich etwas ruhiger anblickte.

„Versprich mir, dass du auf ihn aufpassen wirst.“

Sesshoumaru verschränkte die Arme und sah seinen Vater störrisch an.

„Ich sterbe, verflucht noch mal. Kannst du nicht dann einmal nachgeben?“

Unruhig bewegte der jüngere Dämon seine Schultern. Rijan kannte dieses Verhalten von ihm. Etwas bewegte ihn und er wollte es nicht zeigen.

„Du hast dir das selbst ausgesucht.“, meinte er schließlich und wandte sich ab.

„Hai, denn ich verstehe plötzlich alles.“

„Wirklich?“ Sesshoumaru klang mäßig interessiert an den letzten Weisheiten seines Vaters.

„Wirklich.“

Er drehte sich wieder zu seinem Vater um und ging neben ihm in die Knie. Sein Blick fixierte den des älteren Dämons und langsam verschwand das pulsierende Rot in seinen Augen. Er schien ruhiger zu werden.

„Vergib einem alten Mann die Fehler, die er bei dir gemacht hat.“ Sesshoumaru senkte den Kopf und weigerte sich seinen Vater noch länger anzusehen.

„Und lass sie nicht an einem unschuldigen Kind aus. Er braucht einen Beschützer. Versprich mir, dass du für ihn sorgst. Dass du ihn vor den Angriffen beschützt, die man auf ihn verüben wird. Beschütze ihn mit allem was du hast.“

„Mit meinem Leben?“ Sesshoumarus Worte klangen müde und Rijan verstand warum. Es war nicht das erste Mal, dass Inu no Taishou dieses Versprechen von ihm haben wollte. Sie schluckte schwer. Sicher, er war nun älter, dennoch war es nicht richtig. Was war mit seinem Leben? War das so wenig Wert, dass er es ständig für einen anderen opfern sollte? Sein Vater lag im Sterben, richtig, aber viel gelernt schien er doch nicht zu haben. Es war nicht richtig, ihm diese Bürde schon wieder aufzulegen.

„Hai, mit deinem Leben, wenn es notwendig ist.“

Und Sesshoumaru schwieg dazu. Verweigerte seinem Vater diesen letzten ausdrücklichen Wunsch. Statt dessen sah er ihn an und was fixierte seinen Blick. Was immer Inu no Taishou auch sah, ließ ihn ruhiger werden. Seine Augenlider flackerten.

„Du hättest gewonnen, mein Sohn. Du hättest verdammt schnell gewonnen.“ Die letzten Worte, die er sprach, danach verdrehten sich seine Augen und das Heben und Senken seiner Brust endete.

Rijan vergaß zu atmen, als sie die beiden betrachtete. Er hatte seinen Vater sterben sehen? Mein Gott nahm das Leid seines Lebens denn gar kein Ende? War es das, was ihn hatte zerbrechen lassen. Das er den letzten Wunsch seines Vaters nicht erfüllt hatte. Dass er ihm dieses Versprechen nicht gegeben hatte? Sie wusste, dass Inuyasha nicht mehr lebte. Sie hatte von seinem Tod gehört. War es das, was ihn nach wie vor so nachhaltig beschäftigte. Dass er seine Pflicht nicht erfüllt hatte?
 

„Nein, das ist es nicht.“ Das Bild verblasste und ihr junger Freund sah sie neugierig an.

„Ich kenne ihn. Das kann ihn nicht so beschäftigen. Ich glaube sein Vater hat etwas damit zu tun, aber es muss etwas anderes sein. Sesshoumaru zerbricht nicht daran, seinem Vater nicht den letzten Wunsch erfüllt zu haben. Das kann unmöglich sein. Es muss etwas wichtigeres sein. Etwas, dass ihn selbst betrifft.“

Eine Antwort erhielt sie nicht, statt dessen erschien ein neues Bild vor ihr.
 

„Sesshoumaru!“ Erneut hallte es von allen Wänden wieder als sein Vater durch die Korridore stürmte und seinen Sohn suchte. Rijan hörte die schweren Schritte, fühlte die Wut, die ihm vorauseilte. Sesshoumaru selbst saß recht entspannt auf einem Stuhl und studierte gerade einige Papiere, die vor ihm ausgebreitet lagen.

Die Tür wurde aufgestoßen und sein Vater stürmte mit blutroten Augen herein. Rijan schwante böses. Sesshoumaru blickte kurz auf, bemerkte seinen Vater und dessen Gemütsverfassung, blieb jedoch selenruhig sitzen.

„Schließe bitte die Tür, diese Papiere sind empfindlich.“ Das war mehr als sein Vater ertragen konnte, mit einer einzigen Handbewegung fegte er die besagten Papiere vom Tisch und packte seinen Sohn unsanft am Hals. Deutlich bohrten sich seine Krallen in die Haut seines Nachwuchses. Blut floss seine Finger entlang und Rijan hatte kurzzeitig wirklich Angst, dass er seinen Sohn umbringen wollte.

„Was soll das heißen?“, fragte er wütend und blickte seinen Sohn direkt an. Sesshoumaru antwortete mit einer Gelassenheit, die Rijan nur zu gut kannte.

„Du wärst nicht so wütend, wenn du es nicht verstanden hättest.“ Das stimmte wohl, denn Inu no Taishou zog seine Krallen zurück und entfernte sich deutlich von seinem Sohn.

„Du wagst es mich zu erpressen?“

Sesshoumaru erhob sich mit einer geschmeidigen Bewegung und wischte sich das lästige Blut von seinem Hals.

„Ich erpresse dich nicht, Vater. Ich sage dir die Tatsachen. Was du damit anfängst, ist allein deine Wahl.“

„Wenn ich dich nicht falsch verstanden habe, erwartest du von mir die Absegnung einer Paarung mit Chidori oder ich muss auf dich als meinen Erben verzichten.“

Sesshoumaru dachte einen Moment darüber nach, ehe er seinen Vater mit einem kalten Lächeln anblickte.

„Wenn du es so sagst, könnte es doch Erpressung sein. Andererseits hattest du die Wahl. Chidori gehört zu mir, das war dein eigener Wille.“

Inu no Taishous Augen begannen sich zurückzufärben. Er schien seine Wut in den Griff zu bekommen. Gerade als er sich einigermaßen unter Kontrolle hatte, stürmte Chidori reichlich aufgelöst in das Zimmer und heizte allein durch ihre Anwesenheit die Stimmung wieder auf. Finster betrachtete er nun die beiden jungen Dämonen.

„Ihr müsst den Verstand verloren haben.“

Chidori verharrte in der Bewegung und wagte es nicht, sich Sesshoumaru noch weiter zu nähern. Rijan betrachtete die beiden gespannt. Sesshoumaru wirkte erstaunlich gelassen dafür, dass er gerade drauf und dran war alles zu verleugnen, was man ihm beigebracht hatte. Er war seit seiner Geburt darauf vorbereitet worden, seinen Vater zu beerben und wollte das alles nun für Chidori aufgeben? So sehr sie sich auch bemühte, das passte einfach nicht zu ihm. Sie hätte nie für möglich gehalten, dass seine Gefühle für Chidori so tief gingen. Dass er alles für sie aufgeben würde. Sie betrachtete Chidori genauer. Sie war wirklich aufgelöst. Ein Schatten ihrer selbst. Etwas musste geschehen sein, dass den Ernst dieser Lage heraufbeschworen hatte. Sie schien sich nach Sesshoumarus Schutz zu sehnen, wollte näher zu ihm, aber schaffte es doch nicht. Zu sehr schüchterte sein Vater sie wohl ein. Dieser betrachtete sie gerade sehr finster.

„Ich dachte wir hätten das endlich geklärt.“, meinte er deutlich verärgert.

„Kazuki wird dein Partner.“

Richtig, wo war eigentlich Kazuki? Hatte sie vorhin nicht erfahren, dass Sess selbst ihn für Chidori auserkoren hatte. Und Kazuki war mit Sicherheit nicht abgeneigt gewesen. Chidori war mächtig, das schmeichelte jedem Dämon und er mochte sie, das hatte sie mehr als einmal gesehen. Dennoch war er bei dieser wichtigen Entscheidung nicht anwesend. Schlimmer noch, Sess schien seine eigene Meinung geändert zu haben. Was war nur geschehen?

„Kazuki …“ Sesshoumarus Stimme brach einen Moment lang, ehe er seinen Vater direkt anblickte. „Kazuki ist tot.“

Rijan blickte erstaunt von einem zu anderen. Tot? Wie war das geschehen? Wann war das geschehen? Hatte man sie angegriffen und er hatte Chidori beschützt? Das würde ihren aufgelösten Zustand erklären und auch dafür sprechen, dass Sess nun doch selbst ihren Schutz übernehmen würde. Hatten die anderen Dämonen beschlossen, sie auszulöschen? Trotz der Bündnisse mit Sesshoumarus Vater? Oder gab es diese Bündnisse nicht mehr.

„Seit du geboren bist, Sesshoumaru, wurdest du dazu erzogen eines Tages mein Nachfolger zu werden. Seit du existierst und denken kannst, bist du einzig und allein von dem Gedanken erfüllte, mich eines Tages besiegen zu wollen. So würdest du mein legitimer, anerkannter Nachfolger werden. Schon immer war es das was du wolltest, Sess. Es ist dein Recht, mich eines Tages herauszufordern und zu besiegen.“

Sesshoumaru stand aufrecht vor seinem Vater. Die Worte prallten an ihm ab, doch Rijan wusste, dass jeder einzelne Satz ihn traf. Richtig, selbst heute noch beschäftigte es ihn, trieb es ihn an, dass er seinen Vater nicht hatte besiegen können, weil es zu dem Kampf nie gekommen war. Ein Verdacht erwachte in Rijan. Sie blickte ihren Begleiter an, doch der betrachtete ebenfalls die Szene vor sich und schien ganz darin versunken zu sein.

„Ich werde niemals gutheißen, dass ihr beide euch über Regeln hinwegsetzt, die ihren Sinn haben. Du bist mein Sohn, Sess, mein Einziger, aber auch für dich gelten diese Regeln. Sie haben einen Sinn, deswegen bestehen sie. Was ihr wollt, darf nicht sein.“

Chidori zitterte leicht und Sess schien das zu bemerken, denn er griff nach ihr, zog sie näher an sich heran. Sie schien ruhiger zu werden, als sie hinter seinem Rücken Schutz fand.

„Du bist mein Sohn.“, meinte Inu no Taishou erneut und diesmal klang er dabei sehr unglücklich. „Ich kann dich nicht aufhalten, wenn du dich mir widersetzen willst. Aber solltest du dich über unsere Regeln hinwegsetzen, verwähre ich dir das Recht, das dir seit deiner Geburt zusteht. Du wirst mich niemals herausfordern können. Alles, was du immer hast haben wollen, wird dir verwährt bleiben. Überleg dir das, überleg es dir sehr gut. Ist es das alles Wert?“

Sesshoumaru blickte seinen Vater ausdruckslos an. Er schwieg einen Moment, aber Rijan glaubte nicht daran, dass er darüber nachdenken musste, was er zu tun hatte. Dieses Gespräch würde er sonst erst gar nicht führen müssen. Inu no Taishou schien das auch zu wissen.

„Ich kann nicht auslöschen, was mein eigen Fleisch und Blut ist. Aber ich kann dich auch nicht länger schützen. Weder dich noch sie. Von nun an seid ihr auf euch gestellt. Und sie werden kommen. Das kann ich dir versichern. Dein Anspruch auf mein Erbe endet hiermit.“ Plötzlich schien es als wäre Inu no Taishou um Jahre gealtert. Wie ein gebrochener Mann verließ er den Raum und ließ die beiden jungen Dämonen allein zurück. Chidori brach in Tränen aus und wollte weglaufen, doch Sesshoumaru hielt sie fest und zog sie in seine Arme. Er sagte kein Wort, Rijan konnte in seinen Augen sehen, wie schwer ihm das alles gefallen war. Denn es stimmte, Zeit seines Lebens war das Wichtigste für ihn gewesen, eines Tages seinen Vater zu besiegen. Das Recht dazu hatte er hiermit aufgegeben. Und Rijan wurde den Verdacht nicht los, dass er im Grunde sich selbst damit aufgegeben hatte.
 

Sie schüttelte sich, um diese Bilder loszuwerden.

„Ich verstehe es.“, erklärte sie schließlich und als sie diese Worte ausgesprochen hatte, befand sie sich plötzlich an einem ganz anderen Ort wieder. Ihr junger Freund war verschwunden. Sie war allein an einem dunklen, finsteren Ort. Kein Lichtstrahl drang hierher durch. Beinahe war es als würde sie in einem feuchten, sehr alten Verließ sitzen. Sie bewegte sich unruhig, fragte sich, was genau sie hier zu suchen hatte. Und dann hörte sie es. Ein Geräusch, ein vertrautes Geräusch. Tief und wild klingend. Ein Knurren, ein Knurren, das ihr Herz fast zum Überlaufen brachte.

Sie hatte ihn gefunden!

Beinahe konnte sie es selbst nicht glauben, doch sie hatte ihn gefunden. Rijan folgte dem Geräusch in der Dunkelheit. Es wunderte sie, dass sie sicheren Schrittes voranging, obwohl sie nichts sehen konnte. Doch sie vertraute auf ihn, wie sie es immer getan hatte. Sie war in seiner Nähe, nichts konnte sie jetzt noch aufhalten.

„Haltet durch.“, flüsterte sie.
 

Ein Lachen hallte durch den Raum. Finster und dunkel wie Akiko es nie zuvor gehört hatte. Er starrte auf die beiden Frauen, die unweit von ihm gekämpft hatten. Unfassbar erschien es ihm, dass seine Mutter Yamiko wirklich getroffen hatte. Und doch bohrte sich ein Schwert deutlich durch ihren Bauch. Blut spritzte hervor und tränkte den Boden zu ihren Füßen dunkelrot. Ungläubig blickte er in Yamikos Gesicht. Doch es bestand kein Zweifel, dort wo eigentlich Schmerz oder Überraschung zu sehen sein sollten, verzogen sich ihre Gesichtsmuskeln zu einem bösartigen Lächeln. Ein Lächeln, das schließlich in ein schallendes, durch und durch böses Lachen überging. Er wechselte einen Blick mit Chidori, die nicht minder überrascht zu sein schien. Ihre Augen funkelten nach wie vor dunkel wie die Nacht, doch die Gelöstheit, die Freude, die er zuvor auf ihrem Gesicht gesehen hatte, war verblasst. Dieses Geräusch, dieser seltsame Laut, schien sie auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt zu haben. Sie verstand offenbar auch nicht, was gerade geschah. Verlor Yamiko etwa den Verstand? Hatte es sie so überrascht, dass man sie verwunden konnte? Nein, das Lachen hatte eine andere Bedeutung und Akikos Blut schien zu gefrieren, als er ihr lauschte.

„Närrin. Hoffnungslose Närrin. Das bist du schon immer gewesen.“ Akiko war unfähig sich zu bewegen, als er sah wie sie selbst ihr Schwert hob und es mit einem einzigen Ruck tief in sich selbst bohrte, durch ihren Körper hindurchschob und in den Leib seiner Mutter stieß. Dann zog sie es wieder heraus. Blutgetränkt war nun die Klinge. Chidori keuchte erschrocken auf und ließ irritiert ihr eigenes Schwert los. Das reichte Yamiko um auch dieses Schwert aus sich herauszuziehen. Beide schleuderte sie dann achtlos zur Seite und drehte sich zu Chidori herum. Genüsslich schob sie ihre Krallen in die offene Wunde und Akiko roch das Gift mehr als dass er es sehen konnte. Er musste etwas tun, etwas unternehmen. Aber wenn er von hier wegging, würde der nächste Angriff ohne Zweifel gegen Rijan gehen. Unschlüssig saß er auf seinem Platz und wusste nicht, was er tun sollte.

„Du kämpfst wie der Dämon, der du hättest sein sollen.“, meinte Yamiko gerade leise. „Doch du lebst wie die Frau, die du sein wolltest.“ Unbarmherzig hob sie Chidori an und schleuderte sie ohne viel Aufhebens erneut quer durch den Raum. Chidori kam hart auf dem Boden auf und blieb dort bewegungslos liegen. Akiko starrte schockiert zu ihr herüber. Sie konnte nicht so schnell besiegt sein. Eben noch hatte doch alles so ausgesehen, als hätten sie endlich einen kleinen Sieg errungen und dann das. Ohne noch weiter darüber nachzudenken, sprang er auf und griff Yamiko frontal an. Ein hoffnungsloses Unterfangen, denn sie packte ihn lediglich an seinem Hals und schien ihm die Luft abdrücken zu wollen. Er röchelte und versuchte sich zu befreien, doch ihr Griff war so eisern wie er nur sein konnte. Er hatte keine Chance gegen sie. Das wusste er sofort.
 

„Kannst du mich hören?“ Rijan kauerte vor Sesshoumaru. Er lag in Ketten, schweren Eisenketten und schien kaum er selbst zu sein. Er fletschte Furcht einflößend die Zähne, knurrte lautstark und blickte sie hasserfüllt aus blutroten Augen an. Er war nicht ihr Sesshoumaru, doch sie kannte diesen Teil seiner Seele. So wie sie jeden Teil seiner Seele kannte. Also saß sie vor ihm, dicht genug, dass er ihre Anwesenheit fühlen musste. Dicht genug, dass er sie ohne Probleme mit seinen Klauen vernichten konnte. Doch sie vertraute darauf, dass er das nicht tun würde. Das hier also hatte Yamiko ihm angetan. Sie hatte ihn in Ketten gelegt, sein Selbst ausgelöscht und damit seinen Willen gebrochen. Ihm deutlich gemacht, dass unter heutigen Gesichtspunkten, er alles was er einmal gewesen ist für eine Frau aufgegeben hatte, die er nun nur noch hasste. Sesshoumaru hasste es Fehler zu begehen und dieser eine schien zu groß zu sein, als dass er damit leben konnte. Sie wusste nicht, wie genau Yamiko das angestellt hatte, doch sie sah das Ergebnis. Diese Bestie, dieses Wesen ohne Verstand, das vor ihr angekettet war, war nur noch ein Schatten von dem, was Sesshoumaru ausmachte. Es war der Grund warum er nicht aus eigenen Kräften zurückkommen konnte. Dieses Wesen existierte nur. Es konnte nicht denken oder handeln. Es trug nur all die Wut in sich, die Sesshoumaru wohl fühlte. Rijan fragte sich wie sie das beheben sollte. Wie sie jemals in der Lage sein sollte, ihm zu helfen. Doch es musste ihr gelingen. Sie war nicht bis hierher gekommen um dann aufzugeben. Also sprach sie erneut zu ihm. Sagte ihm ihren Namen und hoffte auf eine Reaktion. Doch er knurrte nur und fletschte erneut mit den Zähnen. Es schmerzte sie das mit ansehen zu müssen. Dieser stolze Mann, beherrscht von einem Tier in ihm, das mächtiger zu sein schien als alles andere. So konnte es nicht enden. So durfte es einfach nicht enden.
 

Chidori öffnete langsam die Augen. Schmerz durchzog ihren ganzen Körper. Sie konnte das Gift wirken fühlen. Verdammt, wie hatte das passieren können? Sie war doch auf der Siegerseite gewesen. Wie war es möglich, dass Yamiko das alles nichts ausgemacht hatte. Ein Röcheln drang in ihr Bewusstsein sein und sie erhob sich schwerfällig. Wut erwachte erneut in ihr, als sie ihren Sohn in den Händen dieser grausamen Frau sah. Nein, sie würde nicht zulassen, dass man ihrem Kind etwas antat. Er war ihr Fleisch und Blut und auch wenn Yamiko offenbar andere Empfindungen für ihren Nachwuchs hegte, so konnte sie nicht anders, als ihren Sohn mit allem zu beschützen, was sie hatte. Mühsam rappelte sie sich auf und machte dadurch Yamiko erneut auf sich aufmerksam.

„Du lebst noch, hm?“, meinte diese wenig überrascht. Chidori nickte und sah zu, wie Yamiko von Akiko abließ und diesen wie ein lästiges Insekt in ihre Richtung stieß. Er ging neben ihr in die Knie und Chidori hatte alle Mühe ihn zu stützen.

„Er ist dein Fleisch und Blut. Wie kannst du so etwas tun?“, fragte sie und vermochte es nicht, ihre Stimme nicht zittern zu lassen. Das Gift forderte seinen Tribut. Es war die zweite Ladung, die sie an diesem Tag abbekommen hatte. Zuviel, als das ihr Körper das verkraften konnte. Zumindest nicht in so kurzer Zeit. Sie müsste sich erholen, doch dafür gab es keine Gelegenheit. Es lag an ihr, alle zu beschützen, die hier anwesend waren.

„Warum? Du kennst die Antwort. Mein Sohn hat mächtig werden sollen. Und nicht wegen eines törichten Weibes alles aufgeben.“ Chidori gab einen missmutigen Laut von sich.

„Das ist kein Grund ihn zu töten.“

„Hai, da hast du Recht. Aber nach all den Dingen, die er erlebt hat. Nach all den Opfern, die er hat machen müssen, sank er noch so viel tiefer, in dem er einen Menschen hat wichtig werden lassen.“ Yamiko betrachtete Sesshoumaru und Rijan. „Einen Menschen! Ich weiß nicht, wie er unser Erbe, unser Blut hat so schwach werden lassen können. Er ist doch genau wie sein Vater.“

Sie blickte zurück zu Chidori und deren Blut begann zu gefrieren. Sie konnte eine Macht fühlen, eine Macht, die sie alle bedrohen würde. Die jeden, den sie liebte, den sie einmal geliebt hatte, vernichten konnte. Und sie war zu schwach um das aufzuhalten. Zu schwach um zu beschützen, was ihr wichtig war. Die Erkenntnis erschütterte sie und ließ sie in die Knie gehen.

„Ich dulde nicht länger, dass mein Blut verweichlicht. Dass mein Erbe entehrt wird. Ich werde das heute und hier beenden. Wir sind auserkoren um mächtig zu sein. Um Großes zu vollbringen, nicht um einen unnützen Menschen zu schützen. Doch es hat so enden müssen. Bei dem Vater wundert es mich nicht weiter.“

Ihr Blick haftete nun auf Akiko. „Und er ist genauso. Ich kann es in seinen Augen, in seiner Seele sehen. Ein Mensch bewegt ihn. Ein Mensch, für den er alles tun würde.“

Sie sah zurück zu Chidori.

„Wie kannst du das zulassen? Du bist ein Dämon. Du bist mächtig. Jedenfalls warst du es einmal. Wie kannst du gegen einen Menschen verlieren?“

Chidori schüttelte ihren Kopf und erhob sich schwerfällig. Doch ihre Knie gaben erneut nach. Verdammt!

„Ich verliere nicht gegen einen Menschen. Das habe ich nie getan und das werde ich auch niemals. Ich möchte, dass mein Sohn glücklich ist. Und wenn dazu ein Mensch notwendig ist, dann sei es eben so. Siehst du nicht, was wir geschaffen haben? Schau dir Akiko an. Er ist auch dein Fleisch und Blut. Wie kannst du nicht sehen, welche Macht in ihm ruht?“

Yamiko blickte ihn erneut an, schien mit ihren Augen in seine Seele einzudringen. Chidori hörte ihn nach Luft schnappen.

„Ich sehe seinen schwachen Geist. Ich sehe, dass er diese Macht nie so verwenden wird, wie es seine Vorfahren geplant haben. Er wird der Untergang für uns Dämonen sein. Die Vernichtung der Zeit wie wir sie kennen.“

Sie ging auf Chidori zu. Kniete sich vor sie auf den Boden und blickte ihr direkt in die Augen.

„Man fürchtet uns nicht länger. Man wird es noch weniger tun, wenn sich weitere Dämonen mit Menschen einlassen. Wir werden ausgelöscht werden. Unsere Macht wird vergehen und irgendwann wird sich niemand mehr daran erinnern, dass wir einst hier gewesen sind.“

Beinahe zärtlich umfasste Yamiko Chidoris Kinn.

„Ich werde nicht zulassen, dass wir so einfach in Vergessenheit geraten. Nicht wegen eines Menschen. Und noch weniger wegen eines Dämons, der unseren Untergang einleitet. Diese Familie ist verflucht, Chidori. Sie war es schon immer. Von Beginn der Tage an. Inu no Taishou war der Erste. Sesshoumaru setzt das fort und dein Sohn wird es besiegeln. Andere haben versucht das aufzuhalten, doch sie waren zu schwach. Daher werde ich es eben sein müssen, die das alles beendet. Diejenige, die die alte Werteordnung wieder herstellt. Man wird uns wieder anbeten, wie es seit Anbeginn der Zeit immer gewesen ist.“

Chidori lauschte den Worten dieser Frau und versuchte zu begreifen, was das alles sollte. Auf eine sehr kranke Art und Weise machte es Sinn. Yamiko war ein alter Dämon, zu einer Zeit herangewachsen, als die Dinge anders gewesen sind. Sehr viel anders als heute. Es stimmte. Der Einfluss der Dämonen schwand. Es würde nur eine Frage der Zeit sein, bis es keine reinrassigen Dämonen mehr gab. Doch das war eine Entwicklung, die man nicht aufhalten konnte. Inu no Taishou war irgendwann in der Lage gewesen sich den neuen Begebenheiten anzupassen. Obwohl er in der gleichen Zeit herangewachsen war wie Yamiko. Doch Yamiko schien zu einer Sorte Dämon zu gehören, die mit den Veränderungen nicht leben konnte. Die an der Art zu leben hing, wie sie es getan hatte. Im Grunde ihres Herzens wollte Chidori sie nicht vernichten. Sie kannte diese Frau seit sie geboren worden war. Sie selbst hatte nie eine Mutter gehabt. Doch Yamiko war ein weiblicher Bezugspunkt für sie gewesen. Sie hing an ihr, selbst jetzt noch, wo sie versuchte sie zu vernichten. Wie sollte sie das einfach alles ignorieren können? Und doch wusste Chidori, das es keinen anderen Weg gab. Yamiko würde nicht ihre Meinung ändern. Sie konnte es nicht, denn sie hatte Recht. Sie war eine aussterbende Rasse. Nichts auf dieser Welt konnte daran etwas ändern. Und so eng die Bindung an Yamiko auch sein mochte, es gab eine Bindung, die nichts auf dieser Welt überstieg. Und das war die Bindung an ihren Sohn. Für ihn hatte sie alles gegeben, was man ihr abverlangt hatte. Niemals würde sie zulassen, dass all ihre Anstrengungen umsonst gewesen sind.

Yamiko zog sich von ihr zurück. Blickte zu Rijan und ihrem Sohn hinüber. Sie näherte sich den beiden, berührte kurz die Wange ihres Sohnes. Trotz allem war er ihr Sohn. Sie hatte andere Pläne für ihn gehabt. Es war mit Sicherheit nicht leicht, wenn nichts davon wahr werden würde. Dann stand sie auf und ging zurück in die Mitte des Raumes. Stellte sich dort aufrecht hin und konzentrierte ihre Kraft in ihrer Mitte. Chidori war in der Lage zu sehen, welches Kraftfeld sie um sich herum aufbaute. Ein Kraftfeld, das sie schützen sollte. Eines, das kein anderer durchdringen konnte. Ihr wurde schwer ums Herz und sie blickte zu ihrem Sohn, der das ebenfalls alles sehen konnte. Sie hatte nie gewollt, dass er solche Dinge erleben musste. Sie wollte, dass er in dieser neuen Welt lebte. In der Dämonen nicht länger die gefürchteten waren. In der nicht jeder ihn jagte, nur weil er eine Gefahr darstellte. Er war ihr Sohn. Sie kannte Akiko seit er existierte. Wie könnte er je eine Gefahr für einen anderen sein? Welch eine absurde Vorstellung. Sie lächelte leicht und brachte ihn damit dazu sie verstört anzublicken.

„Ka-san?“, fragte er verwirrt und war sich nicht sicher, was er von dem Lächeln seiner Mutter halten sollte.

Er war ihr Leben. Für ihn allein hatte alles Sinn gemacht. Egal wie die Dinge heute waren, egal was sie dafür geopfert hatte, was sie aufgegeben hatte. Es spielte keine Rolle, solange es nur einfach ihn gab. Für ihn war sie immer noch bereit alles zu opfern und aufzugeben, was ihr möglich war.

Sie streckte ihren Arm aus und berührte sanft mit der Hand seine Wange. Er blickte sie ein wenig genervt an. Natürlich war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für Sentimentalität. Aber sie konnte gerade nicht anders. Das hier war ein Kampf der einzig und allein um die Familienbande ging. Um Fleisch und Blut und das Erbe selbst. Wie hätte sie sich diesen Gefühlen entziehen sollen?

„Ich liebe dich.“, sagte sie schlicht und Akiko verzog kurz das Gesicht.

„Jetzt ist wirklich nicht der Zeitpunkt für so etwas.“, meinte er und errötete leicht. Es brachte sie noch mehr zum Lächeln. In diesen Momenten war er wirklich noch sehr jung.

„Aber es entspricht der Wahrheit. Du bist das Wichtigste auf der Welt für mich. Und ich möchte, dass du weißt, dass kein Opfer für dich zu groß ist. Ich bereue rein gar nichts, was mit dir zu tun hat. Ich würde alles noch einmal genau so machen wie ich es getan habe.“ Und damit erhob sie sich und verließ ihn. Kraft strömte erneut durch ihren Körper. Sie konnte es fühlen. Eine Kraft von der sie nie zuvor etwas gefühlt hatte. Sie hatte nicht gewusst, dass sie so mächtig werden konnte. Doch hier und jetzt war es notwendig, dass alles was ihr zur Verfügung stand in die Waagschale geworfen wurde. Denn das hier war IHR Kampf. Sie würde beschützen, was ihr am Wichtigsten war. Sie würde Rijan beschützen. Sie würde Sesshoumaru beschützen. Doch am wichtigsten: Sie würde ihren Sohn beschützen. Jetzt endlich würde sich ihr Schicksal erfüllen.
 

Rijan lief eine Träne über die Wange. Was für ein Gefühl war es, das sie plötzlich durchströmte. Als würde etwas Gewaltiges geschehen. Sesshoumarus Knurren wurde leiser, seine Eckzähne bildeten sich zurück. Das Tier in ihm schien langsam schwächer zu werden.

„Was …“ Sie brach ab, als ihr junger Begleiter plötzlich wieder neben ihr stand.

„Es endet hier und jetzt. Alles endet hier und jetzt, Rijan. Es dauert nicht mehr lange und Sesshoumaru wird erwachen. Nutze die letzten Momente hier in seinem Geist und zeige ihm etwas, das ihn zurückholen wird. Erinnere ihn daran, dass seine Opfer alle einen Sinn hatten. Dass es nicht umsonst gewesen ist.“

Sie blickte ihn an, schweigend, darüber nachdenkend, was er ihr gesagt hatte. Dass es einen Sinn hatte? Einen Sinn aufgegeben zu haben, was ihn ausgemacht hatte? Ihre Augen wurden größer. Das stimmte nicht. Er irrte sich. Natürlich! Es war sein Wunsch gewesen, einmal mächtiger als sein Vater zu sein. Aber das war nur der Wunsch eines Sohnes gewesen, die Anerkennung seines Vaters zu erlangen. Irgendwann kam immer der Moment, an dem man sich abnabeln musste. An dem man aufgab, was man für sein Lebensziel gehalten hatte und ab welchem man plötzlich seinen eigenen Weg gefunden hatte. Sesshoumaru hatte das alles zu dem Mann gemacht, den sie heute liebte. Zu dem Mann, der er hatte sein wollen. Er hatte keinen Traum aufgegeben. Nicht sich selbst verloren, wie sie selbst gedacht hatte. Sesshoumaru hatte den Weg gefunden, der für ihn der Richtige war.

Ihr junger Freund lächelte weise und blickte sie fragend an: „Bist du bereit das zu sehen?“ Sie nickte. Es ging hier nicht um sie. Sesshoumaru musste das sehen. Sie war in diesem Moment unwichtig. Es spielte keine Rolle, dass sie es vorgezogen hätte, davon nicht Zeuge zu werden. Jetzt und hier war es allein wichtig, dass er zu sich selbst zurückfand. Und dafür war Rijan bereit alles zu tun.
 

Als Rijan sich umdrehte schoss ihr automatisch das Rot in die Wangen. Sie schlug augenblicklich die Lider nieder und senkte den Kopf nach unten. So sehr sie auch verhindern konnte, das Bild vor ihr zu betrachten so wenig konnte sie die dazugehörigen Geräusche ausblenden.

„Was ist mit dir?“

Ihre Scham wandelte sich in Wut, die über ihrem jungen Begleiter wie ein plötzlich aufziehendes Gewitter hereinbrach.

„Das ist privat.“, fauchte sie ihn ungehalten an.

Einen Moment schien er über ihre Worte nachzudenken, ehe sich seine Mundwinkel nach oben zogen und er sie mit einem belustigten Blick ansah.

„Und was glaubst du sind seine anderen Erinnerungen?“ Rijan wollte etwas erwidern, unterließ es aber doch. Natürlich hatte er Recht. Egal, was sie hier betrachtete oder miterlebte, es waren alles Sesshoumarus Erinnerungen. Nichts davon war ansatzweise dazu gedacht, dass sie es betrachten sollte. Dennoch … Ein intimer Moment war etwas, dass irgendwie doch zu weit ging.

Sie blickte zu ihrem Begleiter zurück und stellte wenig überrascht fest, dass er ohne Scheu hinsah. Automatisch legte sie ihre Hände über seine Augen.

„Das ist nichts für Kinder.“

Ein Lachen drang an ihre Ohren, ehe er die Berührung unterband.

„Ich habe dieses Aussehen lediglich angenommen um dich zu führen. Ich bin bei Leibe kein Kind mehr, Rijan. Außerdem bin ich ein Teil von ihm. Ich kenne all diese Erinnerungen bereits.“

Natürlich hatte er damit Recht, sie vergaß es nur einfach wieder, wenn sie in sein unschuldiges Gesicht blickte. Kopfschüttelnd wandte sie sich ab.

„Das hier ist es also?“, fragte sie leise und versuchte weiterhin krampfhaft nicht zu Chidori und Sesshoumaru zu blicken.

„Ich führe dich, wohin du möchtest. Nichts weiter.“, erklärte er und Rijan erinnerte sich schwach, dass er das schon einmal zu ihr gesagt hatte. Sie blickte ihn erneut an und die verräterische Röte auf ihren Wangen strafte ihren ungehaltenen Blick Lüge.

„Du musst hier nicht beschämt sein, Rijan. Das alles ist bereits geschehen.“

Sie seufzte frustriert und gab es auf mit ihm zu diskutieren. Ihr Blick schweifte zu dem Paar zurück und die Röte in ihren Wangen nahm zu. Dennoch konnte sie nicht wegblicken.

Das hier war er also der Moment, der das Schicksal der beiden für immer besiegelt hatte. Der Moment, der Sesshoumaru hoffentlich daran erinnerte, dass er richtig gehandelt hatte. Oder dass er zumindest alles wieder so machen würde. Er hatte seine Gründe gehabt, sich gegen seinen Vater aufzulehnen. Nun ja, zumindest hatte er exakt einen Grund gehabt. Einen Grund, mit feuerrotem Haar und brennenden Augen.

Chidori war jünger, um einiges jünger als heute. Ihre Haare reichten ihr gerade mal bis kurz über die Schultern. Ihre Haut schimmerte elfenbeinfarben in dem schwachen Licht, dass von draußen durch das Fenster hereindrang. Rijan sah die kleinen Abschürfungen, die sie sich offenbar vor wenigen Minuten zugezogen hatte. Ein dünner Schweißfilm glänzte auf ihrer zarten Haut, ihre Wangen waren gerötet und über ihren ganzen Körper konnte man Zeichen seiner Berührungen sehen. Kratzer, rote Striemen, von seinen Krallen gezeichnet. Manchmal blassrosa glänzend, manchmal tiefrot. Ohne es verhindern zu können, wurde Rijan selbst furchtbar warm. Es war als würde sie hier keine Luft mehr bekommen. Dennoch sah sie nicht weg, als Sesshoumarus Finger in ihr seidig weiches Haar glitten und ihren Kopf nach hinten bogen. Seine Zunge glitt über ihren Hals und Chidori stöhnte leise.

Rijans Blick glitt weiter zu dem Dämon, der ihr ganzes Herz in Beschlag genommen hatte. Auch er war jünger, seine Gesichtszüge waren noch nicht so ausdruckslos wie heute. Er war schön, bildschön um genau zu sein. Die weichen Gesichtszüge, die er seiner Mutter zu verdanken hatte, das Gold seiner Augen, das einen Ton angenommen hatte, den Rijan nie zuvor bei ihm gesehen hatte. Einzelne Haarsträhnen klebten an seinem Gesicht, die Feuchtigkeit, die von diesen beiden ausströmte, glaubte Rijan auf ihrer eigenen Haut fühlen zu können. Sie sah die halbmondförmigen Male auf seinem Rücken, die ohne Zweifel Chidori mit ihren Krallen dort hinterlassen hatte. Sah die Abdrücke ihrer Zähne an seinem Hals, als er seinen Kopf leicht zur Seite neigte. Sein Haar, umfloss seinen Körper wie eine seidig weiche Masse. Es war als würde sein kühles, wunderschönes Haar seinen erhitzten Körper kühlen.

Er schob sich ein Stück höher, ihre Körper dicht aneinander gepresst und blickte in ihr Gesicht. Ihre Augen waren geschlossen. Sein Haar fiel über sie beide herab und vermischte sich in einem fremdartigen Mix mit ihrem roten Haar. Die Mischung, die später ihr Sohn tragen würde. Es war seltsam, dass hier in diesem Moment zu sehen. Keiner von beiden wusste wohl gerade, dass ihr Sohn genau diese Mischung haben würde. Doch Rijan wusste es. Sie wusste, so sicher wie dass nach einem Regenschauer irgendwann wieder die Sonne auf das feuchte Gras schien, dass genau in dieser Nacht, Akiko gezeugt worden war. Woher sie diese Gewissheit nahm, wusste sie nicht, aber als sie sah wie sich das Haar der beiden mischte, wusste sie es mit Sicherheit.

Sesshoumaru verharrte einen Moment als er Chidoris Gesicht betrachtete.

„Sieh mich an.“, meinte er schließlich und der tiefe Bariton seiner Stimme jagte Rijan Schauer über den Rücken. So hörte er sich also an, wenn er erregt war. Sie hatte bereits darüber nachgedacht, aber bisher war ihr nie in den Sinn gekommen, dass seine Stimme derartig rau und männlich klingen würde. Er hatte immer eine tiefe Stimme, doch nun klang etwas Ursprüngliches, wildes darin mit und Rijan konnte nicht verhindern, dass es ohne Zweifel eine Wirkung auf sie hatte.

„Iie!“ Chidori stieß dieses Wort zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und mit einem Mal sah Rijan was Sesshoumaru offenbar zuvor gesehen hatte. Ihr Körper spannte sich krampfhaft an. Jeder Muskel von Chidoris Körper schien zu verkrampfen und eine so deutliche Ablehnung auszustrahlen, dass es ihren Partner eigentlich von ihr stoßen musste. Doch Sesshoumaru verharrte einfach nur. Wohlwissend, dass Chidori ohne Zweifel seine Gegenwart spürte. Seine Berührungen wahrnahm. Fühlen konnte, wo sich sein Körper an den ihren presste. Rijan fragte sich, ob er wusste, was in Chidori vorging. Sie selbst begriff es nicht. Bis gerade eben schien sie keine Bedenken gehabt zu haben. Waren ihr damals während ihres Liebesspiels Zweifel gekommen? Hatte er Chidori vielleicht Gewalt angetan? Einen Moment lang dachte sie über diese Möglichkeit nach, doch Sesshoumaru war nicht der Typ Mann, der sich einer Frau aufdrängte. Bis vor kurzem wäre sie sogar davon überzeugt gewesen, dass er körperlichen Vereinigungen gar nichts abgewinnen konnte.

Aber trotzdem blieb die Tatsache bestehen, dass je länger Sesshoumaru schweigend verharrte, etwas mit Chidori geschah. Eine Erinnerung vielleicht oder auch nur eine Vision. Irgendetwas, das sie steif wie ein Brett werden ließ. Sie erinnerte Rijan etwas an einen gespannten Bogen. Kurz davor einen Pfeil abzuschießen, der den Gegner tödlich verwundete. Einen Augenblick lang hatte sie Angst um Sesshoumaru. Doch genauso sehr hatte sie Mitleid mit der jungen Frau. Ohne Zweifel peinigte sie etwas. Etwas, dass mit seiner Berührung zu tun hatte. Sah er das nicht? Warum ließ er nicht von ihr ab, wenn es sie schmerzte? Sie erinnerte sich an ihren Kuss. Einen Kuss, der aus seiner Sicht keiner gewesen war. Für sie hatte es sich jedoch so angefühlt. Und während er sie damals geküsst hatte, war etwas mit ihr geschehen. Etwas von ihm hatte von ihr Besitz ergriffen und sie durch eine wahrgewordene Hölle geschickt. Sie hatte sich versucht dem zu entziehen, doch Sesshoumaru hatte es nicht zugelassen. War das hier etwas ähnliches? Wenn ja, konnte sie verstehen, was Chidori plötzlich lähmte.

Chidori begann sich nun doch zu winden. Versuchte die Berührungen mit ihm zu unterbinden, doch je mehr sie sich bewegte, desto mehr stieß sie mit seinem Körper zusammen und das wiederum schien blanke Panik in ihr zu wecken.

Rijan runzelte die Stirn. Was ging hier eigentlich vor?

„Chidori.“, meinte er nun leise, doch sie schien ihn gar nicht zu hören. Rijan war sich nun sicher, dass Chidori mit ihrer Seele gerade ganz woanders war. Erinnerte sie sich vielleicht an etwas?

„Mach deine Augen auf und sieh mich an.“ Seine Stimme klang belegt und Gefühle wallten deutlich darin mit. Er schien sehr genau zu wissen, woran sie dachte.

„Chi!“, meinte er nun energischer und umfasste ihr Kinn mit seinen Händen.

„Ich kann nicht!“, keuchte sie. Ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern. Gepeinigt von Schmerzen, die längst nicht mehr real zu sein schienen.

„Chi!“, wiederholte er und erinnerte Rijan damit deutlich an sein jetziges Ich. Gebieterisch, keine Widerworte duldend. Doch selbst das schien Chidori nicht zur Besinnung zu bringen. Rijan konnte ihren Schmerz beinahe körperlich fühlen. Sie bäumte sich unter Sesshoumaru auf, der seine liebe Mühe zu haben schien, sie mit seinem eigenen Gewicht unter sich begraben zu können.

Tränen rannen über ihre Wangen, während sie sich weiter und weiter versuchte von seinem Gewicht zu befreien. Sie versuchte ihn zu treten, was beinahe unmöglich war. Ihre Krallen bohrten sich tief in seinen Rücken. Kratzten über seine Oberarme und hinterließen deutliche Wunden. Sesshoumaru unterdrückte einen schmerzhaften Laut. Offenbar schmerzten ihre Krallen mehr als Rijan für möglich gehalten hatte.

„Chikuso!“, fluchte er ungehalten und zog Chidori in eine feste Umklammerung, während er sie beide auf die Knie zog. Sie zitterte. Erst jetzt sah Rijan, dass Chidori am ganzen Leib zitterte, das der Schweiß, der nun ihre Haut befeuchtete, reiner Angstschweiß war.

„Komm schon, sieh mich an.“, meinte er erneut und sein Ton hatte jegliche Gefühlsregung verloren. Vermutlich mit Absicht.

„Ich kann nicht. Ich kann einfach nicht.“ Ihre Worte gingen in den Schluchzern unter, die ihrer Kehle entrannen. Sesshoumaru rückte etwas von ihr ab. Seine Umarmung löste sich und er umfasste stattdessen ihr Gesicht. Zwang es direkt vor seines und wiederholte, was er schon die ganze Zeit von ihr wollte: „Sieh mich an!“

Etwas an seiner Art schien sie einigermaßen ruhiger werden zu lassen. Sie zitterte nach wie vor unkontrolliert und verharrte mit krampfhaft geschlossenen Augen vor ihm. Doch sie wich nicht zurück, sie bewegte sich keinen Millimeter. Kniete einfach vor ihm und schien Angst davor zu haben ihn anzusehen.

„Sag mir, wer ich bin.“

„Sesshoumaru.“, flüsterte sie.

„Richtig. Und jetzt sieh mich an. Ich bin hier. Du weißt das.“

Chidori schüttelte ihren Kopf. „Ich kann nicht.“

„Doch du kannst.“

„Aber wenn ich meine Augen öffne und du es nicht bist …“ Sie konnte den Satz nicht zu Ende bringen.

„Vertrau mir. Ich bin hier, wenn du deine Augen öffnest.“

Und dann, noch bevor Chidori selbst handeln konnte, umfasste er ihr Kinn so abrupt und fest, dass Chidori starr vor Angst die Augen aufriss und ihn aus großen roten Augen ansah. Verängstigt wie ein kleines Kind, dass man einer Horde Wölfe zum Fraß vorgeworfen hatte. Sie wusste wie Chidori sich fühlte. Jede Faser ihres Körpers, verstand die Angst, die von dieser sonst so mächtigen Dämonin ausging. Auch wenn Rijan nicht wusste, was diese Angst in ihr verursachte, so verstand sie sie doch vollkommen. Einmal mehr wurde Rijan bewusst, dass sie beide sich vielleicht doch nicht so unähnlich waren. Damals als Sesshoumaru sie ins Leben zurückgeholt hatte, damals musste ihm das auch bewusst gewesen sein. Wenn man einmal mit so viel Angst angeblickt wurde, vergaß man diesen Blick mit Sicherheit nicht mehr. War das vielleicht der Grund, warum er sie sozusagen bei sich aufgenommen hatte? Weil ihn ihre Angst an Chidori erinnert hatte? An jenen Moment hier…

Und dann, als Chidori erkannte, dass er wirklich hier war und sie sich nicht geirrt hatte, da verschwand die Angst langsam und sie brach in Tränen aufgelöst in seinen Armen zusammen. Schluchzte und weinte wie ein hilfloses Baby, unfähig sich aus seiner Umarmung zu lösen.

Sesshoumaru hielt sie fest. So lange bis die Geister, die sie zuvor heimgesucht hatten, verschwunden schienen. Bis sie wieder frei atmen konnte und sich darüber klar war, wo sie war und mit wem sie hier war. Ihre Tränen trockneten auf ihren Wangen.

„Gomen nasai.“, flüsterte sie und blickte fest in seine Augen. Einen Moment lang verharrten sie in dieser Position, ehe Sesshoumaru tief seufzte und sich dann auf den Rücken fallen ließ. Sein silbern glänzendes Haar breitete sich wie ein Fächer um ihn aus und erinnerte Rijan in dem schwachen Mondlicht an das Wasser eines Flusses, das sich sanft über Steine hinweg seinen Weg suchte.

„Ich hab alles ruiniert, richtig?“ Ihre Stimme hallte in dem stillen Raum wieder. Eine Weile lang sagte er dazu nichts. Chidori zog die Beine an und umklammerte sie mit ihren dünnen Armen. Immer noch sah man auf ihrer Haut die Male, die seine Berührungen hinterlassen hatten. Rijan konnte sehen, dass ihr Blick daran haftete, während sie über etwas nachzudenken schien.

„Alles, was ich jemals gewollt habe, ist diese Nacht. Ich kann nicht glauben, dass ich es vermasselt habe.“

„Hast du nicht.“ Seine Antwort kam leise, sehr leise. Sekundenlang reagierte Chidori darauf nicht, ehe sie zu begreifen schien, was er da eben gesagt hatte. Sie streckte die Beine von sich und drehte sich zu ihm um. Rijan starrte einen Moment lang auf ihren nackten Körper. Es erstaunte sie, wie vollkommen normal es für Chidori zu sein schien, ihm unbekleidet gegenüber zu sitzen. Nicht, dass Chidori Komplexe hätte haben müssen. Sie war einfach perfekt. Von oben bis unten und Rijan musste das leider anerkennen. Sie war eben ein Dämon. So perfekt ihr Körper war, so perfekt war auch seiner. Es war kein Wunder, dass Akiko dabei herausgekommen war. Dennoch … Rijan vermisste das natürliche Schamgefühl, dass jeder Mensch hatte. Dämonen schienen dies wirklich nicht zu haben. Andererseits waren beide drauf und dran gewesen, miteinander intim zu werden, warum sollte man sich dann noch etwas aus einem Schamgefühl machen? Er hatte sowieso schon alles an ihr gesehen.

Rijan sah, wie er sich langsam aufrichtete und seine Hand erst ihre Wange berührte und dann in ihr Haar fuhr. Chidori schloss kurz die Augen und blickte ihn dann wieder an. Der Ausdruck darin hatte sich nun wieder verändert. Von jetzt auf nachher schien die Luft zwischen den beiden wieder zu prickeln. Als müsste man nur noch einen Funken sprühen lassen und alles um sie herum würde explodieren.

Seine Finger glitten tiefer in ihr Haar und zogen ihr Gesicht dicht zu seinem. Ehe seine Lippen sich über ihre legten und er sie küsste. Erst langsam und sanft, dann fordernder und energischer. Rijans Gesicht erhitzte sich automatisch als sie den beiden zusah, wie sie sich küssten. Wie ihre Zähne leicht an seiner Unterlippe kauten und seine Zunge in ihren Mund eindrang. Während der ganzen Zeit berührte er sie nicht weiter. Drückte nur ihren Kopf näher an seinen. Seine andere Hand schien sein Gleichgewicht zu stabilisieren. Chidori tat es ihm gleich, berührte ihn an keiner weiteren Stelle. Ließ nur zu, dass er sie küsste, ihren Mund mit einem Anflug von Gewalt einzunehmen schien. Rijans Kehle wurde zunehmend trockener. Sie konnte förmlich selbst spüren, wie jeder Zentimeter ihrer Körper nacheinander zu lechzen schien und es ihnen ohne Zweifel schwer zu fallen schien, sich nicht weiter zu berühren. Einen Moment lang bewunderte sie die Selbstdisziplin der beiden. Feuchtigkeit zeichnete sich auf beider Haut ab und es schien als würde die Temperatur im Zimmer deutlich steigen. Er bog ihren Kopf leicht zurück und vertiefte den Kuss. Doch eigentlich hatte es kaum noch was mit einem einfachen Kuss zu tun. Er wollte etwas von ihr. Sie entweder bestrafen, für das, was zuvor geschehen war oder ihren kompletten Willen brechen. Er wollte, dass sie sich ihm unterwarf, ihm vollkommen die Kontrolle überließ und sich ganz seiner Macht hingab. All das schwang in seinem Kuss mit. In seiner Eroberung ihres Mundraumes. Sie stöhnte tief und unterdrückt.

Und dann kurz bevor Rijan glaubte, dass er gewinnen würde, dass sie sich ihm ohne Gegenwehr ergeben würde, da schien Chidori wieder zu erwachen und sprang ihn förmlich an. Sie überbrückte mit einer einzigen Bewegung die Entfernung zwischen ihnen und kletterte auf seinen Schoß. Ihr Oberkörper mit jeglicher Kurve die sie hatte, presste sich an seine breite Brust. Nicht einmal ein einfacher Grashalm schien nun noch Platz zwischen ihnen zu haben.

Rijan starrte auf den nackten Rücken von Chidori und erkannte dort ein schwarzes Mal. Eine Linie die über ihre Wirbelsäule gezeichnet war und von dort in dünne schwarze Kringel und Ranken jeweils nach rechts und links abglitt. Seine Arme umschlossen sie und das Zeichen wurde beinahe komplett verdeckt.

„Ich will mit dir eins werden.“, flüsterte sie in sein empfindliches Ohr und bewegte zur besseren Veranschaulichung ihre Hüften auf seinem Schoß.

„Ich dachte du würdest das nun nicht mehr wollen.“, flüsterte sie weiter und presste sich noch ein Stück dichter an ihn.

„Baka!“, entgegnete er und ein tiefes Stöhnen begleitete diese Beleidigung. „Wie kannst du so deutlich dein Ziel verfolgen und dabei eine unleugbare Tatsache übersehen?“

Sie verharrte kurz und blickte fest in seine Augen.

„Und was habe ich übersehen?“

„Ich bin ein Mann, Chidori. Vor allem anderen bin ich ein Mann.“ Und dieses Eingeständnis schien nichts zu sein, was er besonders gerne zugab. Rijan hörte das deutlich in seiner Stimme.

Chidori runzelte verwirrt die Stirn.

„Ähm, DAS ist mir durchaus bewusst. Andernfalls würde das hier alles keinen Sinn machen.“ Sesshoumaru knurrte leicht, brachte sie damit aber nur leise zum Lachen.

„Egal was passiert, Chi, wenn ein Mann mit so etwas erstmal anfängt, gibt es eigentlich so gut wie gar nichts, was ihn davon abhalten würde, es auch zu Ende zu bringen.“

Sekundenlang schwiegen daraufhin beide.

„Oh.“, meinte Chidori dann irgendwann in die Stille hinein, ehe sie ein wesentlich bedeutungsvolleres „Oh!“ folgen ließ. Und dann küsste sie ihn erneut.

„Gut zu wissen.“

Sesshoumaru drückte sie sanft auf ihr weiches Lager nieder, ehe er sich über sie schob und ihr Becken leicht anhob.

Chidori erstarrte erneut und er blickte ihr reichlich ungehalten ins Gesicht.

„Sag mir nicht, ich soll jetzt aufhören.“, mahnte er sie leise, doch sowohl Rijan als auch Chidori wussten, dass er aufhören würde, wenn sie das wollte.

„Nein, nur könnten wir …“ Sie brach ab und eine tiefe Röte überzog ihre helle Haut. Er runzelte die Stirn.

„Könnten wir was?“ Seine Stimme klang misstrauisch.

„Nun ja …“

Rijan schüttelte ihren Kopf. Sie verstand vielleicht nicht viel von solchen Dingen, aber sie wusste ohne Zweifel, wie absolut verheerend sich auf einen erregten Mann eine verlegene und schüchterne Frau auswirkte. Sesshoumaru wusste das ohne Zweifel auch, denn er schloss gequält die Augen, während Chidori so damit beschäftigt war, zu formulieren, was immer sie von ihm wollte, dass sie seine Anspannung gar nicht wahrnahm.

„Was?“, zischte er ungehalten. „Sag endlich, sonst ist das hier schneller vorbei, als dir lieb ist.“

Chidori starrte ihn aus großen Augen an und wirkte dadurch nur noch naiver und unschuldiger.

„Oh Himmel, Chi …“

„Äh ja, ich meine … Nun ja … Könntest du …“ Sie errötete noch tiefer. „.. von hinten?“

Sesshoumaru erstarrte kurzzeitig und sah sie entgeistert an.

„Nani?“

„Du weißt schon …“

Er knurrte ungehalten. „Vergiss es. Das kommt überhaupt nicht in Frage.“

„Warum denn nicht?“, fauchte sie zurück.

„Weil ich verdammt noch mal möchte, dass du mich ansiehst.“

Sie öffnete den Mund um etwas zu entgegnen, schloss ihn dann aber wieder.

„Bitte.“, meinte sie stattdessen dann leise.

Sesshoumaru sah sie eine Weile lang schweigend an und schien darüber nachzudenken.

„Ich weiß, warum du das möchtest. Aber nein, Chi, obwohl ich beinahe alles für dich tun würde, kann ich das nicht. Wenn du mich nicht ansiehst, vergisst du wieder, dass ich es bin und wir beide wissen, was dann passiert.“

Sie schüttelte ihren Kopf, leichte Panik zeichnet sich dabei auf ihrem Gesicht ab.

„Aber so rum … Ich kann das so nicht.“

Rijan blickte betreten zu Boden. Sie war kein Narr. Chidoris Verhalten vorhin und ihre jetzigen Worte, ließen deutlich erkennen, was ihr widerfahren war. Und Sesshoumaru schien das ebenfalls zu wissen.

„Doch, genau so. Ich vertreibe die Geister, die dich heimsuchen. Das verspreche ich dir.“

Chidori schien davon nicht überzeugt zu sein, doch Sesshoumaru schien darüber nicht länger verhandeln zu wollen.

„Vertrau mir, Chi.“

Und ehe Chidori dazu auch nur noch etwas sagen konnte, war es bereits zu spät und Rijan blickte weiterhin zu Boden.

„Oh bitte …“ Sie konnte hören, dass Chidori leise weinte.

„Es ist in Ordnung.“, murmelte er, um sie zu beruhigen und Rijan konnte nicht anders als sein Gesicht anzublicken. Nie zuvor hatte sie sein Gesicht so von Emotionen gebeutelt gesehen. Nein, das hier war keineswegs, was er wollte. Vermutlich wäre es ihm auch lieber gewesen, ihr nicht ins Gesicht blicken zu müssen. Nicht daran erinnert zu werden, dass man ihr wehgetan hatte. Dass man ihrer Seele und wohl auch ihrem Körper einst große Schmerzen zugefügt hatte. Und doch konnte er wohl nicht anders. Denn offenbar war dies der einzige Weg Chidori von ihren Geistern zu erlösen. Und das schien es zu sein, was er wohl vergessen hatte. Dass er nicht einfach nur so alles aufgegeben hatte. Nein, er hatte sich für diesen Weg entschieden, weil für ihn nichts auf dieser Erde wichtiger gewesen war, als Chidori zu helfen. Sie zu beschützen. So wie er es am Tag ihrer Geburt geschworen hatte.

Er umfing sie fest mit seinen Armen und bewegte sich nicht einmal.

„Ich…“ Sie keuchte und schluckte schwer.

„Weine ruhig und lass die Erinnerungen zu.“

Sie schüttelte heftig ihren Kopf.

„Ich will nicht daran denken.“

Doch Sesshoumaru ließ sich nicht beirren.

„Wenn ich einmal anfange, werde ich nie wieder aufhören können zu weinen. Ich finde den Weg vielleicht nicht mehr zurück zu dir.“

Seine Umarmung wurde noch enger.

„Ich trockne deine Tränen, Chi. Und wenn du dich verirrst, führe ich dich nach Hause.“

Und dann fing sie an zu weinen. Weinte erneut in seinen Armen. Doch diesmal noch tiefer noch schmerzerfüllter als zuvor. Irgendwann versiegten ihre Tränen und der Schmerz schien zu verschwinden. Und immer noch hielt er sie in seinen Armen. Sicher und fest, so dass kein Leid dieser Erde ihr etwas antun konnte. Und Chidori ergab sich ihm. Mit jeder Faser ihres Körpers hieß sie ihn willkommen. Akzeptierte, dass er nun ein Teil von ihr war und ängstigte sich nicht länger davor. Sie blickte in seine Augen und sah ihn leicht lächeln.

„Willkommen zurück.“

Und sie überließ sich ihm, ergab sich seiner Führung und ließ geschehen, was er tat. Und dann als ein Zittern ihren Körper erfasste und sie an einen anderen Ort zu spülen schien, die Welt vergessen ließ und sie fühlen konnte, wie die Wunden in ihrem Inneren zu heilen begannen, gerade dann fühlte sie wie er in ihren Armen heftig erzitterte und ein tiefes Stöhnen, die Luft erfüllte. Sie hielt ihn fest und genoss das Glücksgefühl, das sie durchströmte, ehe sie fühlte wie ihre Wangen wieder feucht wurden. Noch mehr Tränen an diesem Tag.

Sesshoumaru hob seinen Kopf und blickte in ihr Gesicht. Seine Miene veränderte sich und Besorgnis machte sich in seinem Blick breit.

„Was hast du?“, fragte er verunsichert.

Chidori schluckte schwer und blickte ihm fest in die Augen.

„Ich dachte, dass hier wäre, was ich immer gewollt habe.“

Sesshoumaru spannte sich deutlich an.

„Doch gerade wird mir klar, dass das nicht stimmt. Ich will nicht nur das hier. Ich will alles von dir.“

Sie küsste ihn sanft auf die Lippen und schmiegte sich an ihn. Sesshoumaru entspannte sich.

„Baka!“, murmelte er, während er sie von seinem Gewicht erlöste und sie anschließend fest in seine Arme zog.

„Alles was ich geben kann, gehört dir doch schon längst.“
 

Akiko versuchte das Gefühl in sich unter Kontrolle zu bekommen. Eben noch war seine Mutter neben ihm gesessen und hatte einen Gefühlsausbruch gehabt, der unpassender nicht hätte sein können und dann war sie plötzlich aufgestanden und in einer Seelenruhe Yamiko entgegengegangen, die ihn einfach nur entsetzt hatte. Sie hatte ihn angelächelt, als sie aufgestanden war. Nein, das stimmte nicht. Sie hatte nicht ihn angelächelt. Sie hatte einfach nur so gelächelt. Und das ängstigte ihn mehr als er sagen konnte. Die Panik, die ihn plötzlich überfiel, war kaum zu ertragen, denn er wusste, woher sie kam. Unmöglich hätte er jemandem sagen können, woher er das alles plötzlich wusste, doch mit absoluter Sicherheit war ihm klar, dass seine Mutter gerade von ihm Abschied genommen hatte. Er sprang auf, wollte ihr nach, doch seine Beine versagten ihm den Dienst. Hilflos fiel er zu Boden und starrte ihr schockiert nach. Die Berührung! Verfluchte sollte sie sein. Sie hatte ihn gelähmt. Er wusste nicht wie sie das geschafft hatte, aber ohne Zweifel war dies ihr Werk. Damit er ihr nicht helfen konnte.

„Verdammt!“, fluchte er verzweifelt und starrte auf den Rücken seiner Mutter. Sie näherte sich dem Kraftfeld, das Yamiko umgab. Diese sah Chidori interessiert an. Offenbar fest davon überzeugt, dass nichts und niemand ihr Kraftfeld durchdringen konnte. Doch sie irrte sich so sehr wie Akiko sich wünschte, dass sie es nicht tun würde. Verdammt! Seine Hilflosigkeit trieb ihm die Tränen in die Augen. Verdammt, verdammt, verdammt. Er bemühte sich erneut aufzustehen, doch der Effekt blieb der Gleiche. Er würde ihr nicht zu Hilfe eilen können. Sie hatte ihn dazu verdammt, ihrem eigenen Ende zuzusehen. Ein Schock griff von ihm Besitz, der ihn nur noch mehr lähmte, der jedes Gefühl in ihm abtötete. Als wäre das alles nicht real, betrachtete er seine Mutter. Sah zu, wie sie das Kraftfeld erreichte. Wie sie die Hände ausstreckte und das Gesicht verzog, weil sie Schmerzen erlitt. Doch sie ließ sich nicht beirren. So war sie schon immer. Nichts und niemand konnte sie aufhalten, wenn sie einmal einen Entschluss gefasst hatte. Also ging sie voran. Drang langsam in das Kraftfeld ein. Er konnte ihre Schmerzen beinahe fühlen. Sie schrie nicht, gab keinen Laut von sich, doch er sah, wie die Kleidung von ihren Armen gefetzt wurde. Wie ihre Haut Wunden davon trug. Wie Adern aufplatzten und Blut spritzte. Er ballte ohnmächtig vor Wut die Hände zu Fäusten und verfluchte sie mit dem gleichen Maß, mit dem er gerade alles getan hätte, um sie zurückzuziehen. Doch Chidori war wild entschlossen. Sie ging voran. Trat immer weiter in das Kraftfeld ein, ihre Verletzungen nahmen zu, schienen sie in die Knie zu zwingen. Yamiko hielt inne, betrachtete Chidori mit einem Ausdruck von Bewunderung und Verblüffung. Sie hatte damit wohl nicht gerechnet. Offenbar hatte noch niemand ihr Schutzschild durchdringen können. Chidori drehte leicht den Kopf und blickte zu ihrem Sohn zurück. Sie lächelte ein letztes Mal, ehe ihre Augen tiefschwarz wurden und sie einen markerschütternden Schrei ausstieß. Kraft strömt von ihr aus und mit einem Mal setzte sie zu einem Sprint an. Durchstieß mit enormer Kraft das Schutzschild und drang ein. Akiko konnte nur zusehen, wie ihr sämtliche Kleidung vom Leib gerissen wurde. Nur einzelne Fetzen blieben zurück. Und was darunter zum Vorschein kam, erstaunte ihn mindestens so sehr wie seine Ahnin. Denn Chis Haut war nicht länger so blass und hell wie sie immer gewesen war. Von ihren Fußgelenken bis hin zu ihren Fingerspitzen zeichneten sich tiefschwarze Ornamente auf ihrem ganzen Körper ab. Er hatte sie zuvor gesehen. Einige wenige auf ihrem Rücken. Das hier war etwas vollkommen anderes. Er verstand es nicht. Wie gebannt starrte er auf ihre verfärbte Haut. Sah trotzdem die zahllosen Wunden, das spritzende Blut je näher sie Yamiko kam. Und schließlich war sie hindurch, im Zentrum angekommen und umarmte Yamiko so fest, dass diese sich kaum noch bewegen konnte.
 

Chidori lächelte zufrieden und erleichtert, als sie endlich Yamiko in die Arme schließen konnte. Sie fühlte keinen Schmerz, fühlte nicht, was ihr widerfuhr. Sie wusste nur, dass sie es geschafft hatte. Und dann nahm sie unerwartet noch etwas anderes wahr. Etwas, dass sie sehr lange nicht mehr gefühlt hatte. Sicherheit. Sie wusste was das bedeutete. Ihr Lächeln vertiefte sich, ehe sie den Kopf wandte und leise meinte: „Willkommen zurück!“ Danach explodierte die Kraft die Yamiko heraufbeschworen hatte und um Chidori herum wurde es schwarz.
 

Yamiko starrte benommen über sich. Konnte die Erscheinung erst nicht zuordnen. Doch dann lächelte sie. Das Lächeln einer Frau, die wusste, dass es vorbei war. Dass sie verloren hatte. Und aus einem sonderbaren Grund erfüllte sie das mit Erleichterung. Das hier war nicht länger ihre Welt. Sie konnte das alles nicht ertragen, sich dem Wandel nicht anpassen. Und nun würde es vorbei sein.

Ihr Lächeln vertiefte sich, als sie zu ihrem Sohn aufblickte. Er stand über ihr. Sein Schwert fest umklammernd und auf sie hinabblickend. Die Augen so golden wie die seines Vaters. Und mächtiger als jemals zuvor. Er kniete sich nieder und blickte sie weiterhin an.

„Sie hat es also geschafft.“, meinte Yamiko wirklich überrascht. Sie hatte das diesem Menschenweib nicht zugetraut. Und doch waren ihre Fesseln durchbrochen worden und sieh hatte ihn zurückgebracht. Beachtliche Kraft und Leistung für ein so schwaches Geschöpf. Sie blickte ihren Sohn an, hob die Hand und berührte seine Wange. Drei Streifen. Der Kampf mit ihr hatte ihn mächtiger werden lassen. Die Höchste aller Stufen hatte er nun erreicht. Ein wenig stimmte sie das glücklich. Dann war doch nicht alles umsonst gewesen.

„Sayonara, Mutter.“, meinte er leise, ehe er die Spitze seines Schwertes in ihr Herz trieb.
 

Fortsetzung folgt ...
 

Wo bitte soll ich dabei anfangen? Ist ziemlich lang geworden, hm? Hatte ich ehrlich gesagt nicht erwartet. Ich mein, ich wusste, dass das mehr oder weniger noch alles passieren würde, aber ich hatte nicht erwartet, dass es ausformuliert so viele Zeilen ergibt. Nun denn, ihr beschwert euch eh immer, dass es zu wenig ist. Das jedenfalls könnt ihr jetzt nicht mehr sagen. Ich befürchte eher, dass es ein wenig zu viel gewesen ist. Die Hälfte vergesst ihr mir garantiert zu kommentieren. ICh bin dieses Mal noch mehr auf eure GEdanken gespannt als ich das sonst schon immer bin ^^
 

Hm, Anmerkungen der Autorin zum SChluss noch? Lasst mich nachdenken. Es hat Spaß gemacht SEss Vergangenheit aufzurollen. Ich meine sie kommt nur auszugsweise hier vor, aber die wichtigsten Eckpfeiler aus meiner Sicht habe ich einbringen können. Einige wenige ERinnerungen sind auf der Strecke geblieben. Den part mit Yasha hab ich komplett umgekrempelt. Der ein oder andere erinnert sich vielleicht daran, dass ich eine Story mit einem Bild im Kopf beginne. Das Bild sah eigentlich so aus, dass Sess mit ansieht, wie sein VAter furchtbar stolz auf Klein-Yasha ist. Im Grunde hat es also darum gehen sollen, dass er glaubt sein VAter hätte für ihn nie Gefühle empfunden, aber während der Entwicklung der Story funktionierte das plötzlich nicht mehr. Sess ist nicht so auf Gefühle angewiesen, richtig? Es wäre vollkommen ooc mit dem Verlauf gegangen. ERstaunlicherweise fand ich die Lösung für mein Problem dann aber recht schnell. Im Grunde ist das ein Kapitel nach meinem GEschmack. Denn ich habe es nicht fünfzig mal geschrieben. Das hier ist tatsächlich die erste (!) Version, mit wenigen Nachbesserungen, aber ansonsten stand sie von Anfang. Mir scheint gegen Ende bin ich beflügelt und kann endlich wieder so schreiben wie ich das gerne möchte.
 

Ich habe versucht Spannung aufzubauen, indem ich zum SChluss häufige Perspektivenwechsel eingebracht habe. Ich glaube das ist mir auch recht gut gelungen. Lasst mich wissen, ob ihr es spannend fandet oder ob es euch eher genervt hat. Und Sess ERwachen wollt ich eigentlich ausführlicher schreiben, so von wegen mit Augenaufschlag und allem drum und dran. DAs hat aber nicht geklappt und irgendwie gefällt es mir so auch besser. Er ist einfach plötzlich wieder da um diesen Kampf zu beenden. Wie wir Sess doch alle kennen und lieben, richtig?
 

Yamiko fiel mir irgendwie schwer zuzuordnen. Ich mag keine klassischen Bösewichte, finde die Vorstellung besser, dass jeder so etwas in sich trägt. Gut und böse im klassichen Sinne gibt es bei mir nicht. Daher hab ich versucht ihre Sicht mitreinzubringen. Ich meine sie hat einen an der KLatsche, das definitiv, aber vielleicht kanns der ein oder andere ja ein wenig nachvollziehen was sie da redet.
 

Oh und der letzte Rückblick ... Ja nun, fast jeder hat mich gebeten, dass ich etwas ERotik wenn man das so nennen will in die ganze Sache reinbringe. Rin und Sess das geht zu diesem Zeitpunkt einfach noch nicht (mal schaun was ich im nächsten Kap noch rausholen kann *grins*) und daher bin ich auf Chi und Sess ausgewichen. Pflicht erfüllt, ich hoffe dem ein oder anderen gefällt es und man steinigt mich nicht dafür. Aber hey, jeder von euch weiß, dass Akiko irgendwie entstanden sein muss ;) Hach, die zwei sind so dramatisch irgendwie. Und Sess ist einfach nur ... Omg, wie kann man diesen Kerl nicht lieben?
 

Fein, ich bin auf Feedback gespannt und bedanke mich mal wieder in aller Form dafür, dass ihr mir die Treue gehalten habt. Es wird jetzt im übrigen definitiv nur noch ein Kapitel und der Epilog. Macht mich iwie froh, wenn ich mit durch bin, aber andererseits lässt es mich gerade sehr sentimental werden. ICh arbeite an diesem Werk schon so lange *snief*
 

mata ne

Rogi

Erlösung

there we go. 4 Jahre und zwei Monate hat es gedauert, aber jetzt endlich ist dieses finale Kapitel verfasst. Finale? Nein, es wird noch ein richtiges Finale geben, aber für mich ist das hier mein finales Kapitel. Denn ich habe meine eigene Dunkelheit überwunden, habe unendlich viele Versuche benötigt, um dieses Kapitel in dieser Form fertigzustellen. Und auch wenn es lange, sehr lange gedauert hat, es hat so sein müssen, denn nur so und in dieser Form ist dieses Ende möglich geworden. Ich wusste was geschehen wird, das wusste ich immer, aber ich habe die richtigen Worte nicht gefunden. Doch jetzt denke ich, ist es so wie es sein soll.
 

**********************
 

Als Rijan das Bewusstsein zurückerlangte, wusste sie erst nicht wo sie war. Ihr Kopf fühlte sich unendlich schwer an, als wäre ein harter Gegenstand darauf gefallen. Vorsichtig hob sie die Hand und betastete ihr Haupt, kein Schmerz stellte sich ein. Sie blinzelte einige Male und starrte die Decke über ihr an: Dunkel, in ein seltsames Licht getaucht.

Was war geschehen?

Warum war sie hier?

Wo war sie überhaupt?

Fragen, deren Antworten ihr vorerst verwehrt blieben. Sie setzte sich auf, schwerfällig und blickte sich suchend um. Ihre Augen wurden groß. Feuer, jetzt konnte ihr Verstand das seltsame Licht einordnen. Es brannte um sie herum! Panisch stand sie auf, bereute das aber sofort wieder, denn ihre Beine versagten ihr den Dienst. Sie fiel unsanft zurück auf den Boden. Schutt und Asche umgab sie. Was zur Hölle …

Ihr Blick fiel auf Akiko und sie versuchte zu verstehen, was er hier tat. Er sah mitgenommen aus, als hätte er einen unendlich schweren Kampf hinter sich. Richtig, er hatte sie beschützt, weil …

Ihre Augen wurden groß und ihr Blick schweifte panisch umher. Sesshoumaru! Richtig, das war das fehlende Stück in ihrer Erinnerung gewesen. Seinetwegen war sie hier. Dieses mal stand sie vorsichtiger auf, belastete ihre Beine zögerlich. Es funktionierte, wenn auch schwierig. Sie blickte sich weiter um, versuchte das ihr so vertraute Gesicht zu entdecken.

Hatte sie es geschafft?

War er zurückgekehrt?

Der Platz neben ihr war leer, eigentlich hätte er dort liegen müssen. Oder hatte sie versagt und Yamiko gewonnen? Hatte sie ihn ihr für immer entrissen?

Panik bemächtigte sich ihrer, doch schließlich blieb ihr Blick hängen, fixierte sich auf der Person, die ihre Welt bedeutete. Er stand etwas weiter entfernt im Profil zu ihr. Den Griff eines Schwertes haltend, das er gerade zurückzog. Erleichterung durchflutete sie, trieb ihr die Tränen in die Augen.

"Danke!" Ein einfaches Wort - ausgesprochen an niemand bestimmten, doch sie hatte das Gefühl sich bedanken zu müssen. Sie hatte es wahrhaftig geschafft, ihn zurückzuholen. Ihre Beine gaben wieder nach und sie fiel wie ein Stein zu Boden, blieb dort sitzen und starrte ihn einfach nur an. Sah ihm dabei zu wie er atmete, wie sein Haar sich leicht bewegte, wie er einfach nur dort stand - in diesen Trümmern, besudelt mit Blut und Asche, umrahmt von Flammen, sein Körper misshandelt und beinahe zerstört, aber dennoch stehend, atmend, lebend … Er drehte leicht den Kopf, blickte direkt in ihre Richtung und sie versank. Versank endlich wieder in den ihr so vertrauten goldenen Augen, die emotionslos auf sie niederblickten, ihren Blick gefangen hielten, nie den Augenkontakt unterbrachen.

Sie wusste nicht, wie lange sie einander in die Augen sahen, wie viel Zeit verging, was um sie herum geschah, das alles spielte keine Rolle, denn ER war endlich wieder hier, zurückgekehrt von den Toten, aus seinem Gefängnis ausgebrochen. Jetzt würde endlich wieder alles gut werden, sie wusste das, fühlte das. Egal was geschah, es war in Ordnung, denn ER war wieder da. Sie lächelte, konnte nicht aufhören ihn anzusehen, jede noch so kleine Faser von ihm in sich aufzunehmen.

"Raus hier!"

Seine Stimme! Seine wunderschöne, tiefe Stimme! Wie lange hatte sie die nicht mehr gehört? Es kam ihr wie ein Leben vor, eine Ewigkeit. Es spielte keine Rolle was er sagte, wichtig war nur, dass er redete, dass er in der Lage war mit ihr zu kommunizieren.

"Sofort!"

Gebieterisch wie eh und je. Wie sie ihn kannte. Selbst jetzt, selbst hier, selbst unter diesen Umständen war er genau der Mann, den sie schon immer liebte, vermutlich auch immer lieben würde. Seine eigene Mutter hatte ihn gefoltert, ihn beinahe gebrochen, die Welt um ihn herum versank in den Flammen und sein Körper musste unendliche Schmerzen ertragen, aber dennoch war seine Stimme kalt, überheblich, streng, duldete keine Widerrede, erforderte absolute Unterwürfigkeit. Sie liebte diese Stimme, liebte diesen Tonfall, liebte die Art, wie er andere herumkommandierte. Sie fühlte sich so erfüllt von ihrer Liebe zu ihm.

Rijan nahm nicht wahr, wie Akiko sie am Arm packte und ihr langsam wieder aufhalf, wie er an ihr zog und sie damit dazu brachte, ihm zu folgen. Denn er hatte nicht nur den Tonfall gehört, sondern auch die Worte vernommen. Hatte verstanden, dass Sesshoumaru unabhängig von den Umständen wollte, dass sie beide gingen. Dass sie dieses Haus, dieses Flammenmeer verließen. Und sie ließ Akiko gewähren, ließ zu, dass er sie langsam aus dem Zimmer führte, ihren Blick immer auf Sesshoumaru gerichtet, seinen stolzen erhabenen Rücken, aufrecht, als wäre alles in bester Ordnung. Selbst hier und jetzt noch alle Würde ausstrahlend, die nur ein mächtiger Dämon konnte. Rijan hatte keine Augen für etwas anderes, nahm nicht wahr, was aus Yamiko geworden war, was mit Chidori geschehen war, sah einfach nur ihn und konnte nicht aufhören, ihn anzustarren. Und gerade als sie die Tür durchquerte, sicher geführt von Akiko, gerade als ihr klar wurde, dass sie von ihm weg sollte, riss sie sich los und rannte zu ihm, ihre schweren Beine ignorierend, die deutlich protestierten, ihren Körper ausblendend, der Schmerzen hatte. Sie wollte zu ihm. Wollte sicher sein, dass die Erscheinung nicht nur eine Solche war, dass er wirklich dort stand, lebendig und echt.

Und als sie ihn erreichte, schlang sie die Arme um seinen Brustkorb. Ignorierte, dass er Schmerzen hatte, dass sein Körper ein einziger wunder Punkt war, dass sie ihm wohl beinahe die Rippen brach. Sie ignorierte alles, wollte ihn einfach nur fühlen, seinen Herzschlag unter ihrem Ohr wahrnehmen, jeden Sinn auf ihn konzentrierend. Ihn riechend unter all dem Blut, der Asche, dem Staub, unter all diesem roch sie ihn, seinen eigenen Duft: männlich, ursprünglich und unglaublich anziehend. Fühlte sein Haar, durchzogen von Blut und Staub, aber dennoch irgendwie seidig wirkend, lang und fest unter ihren Händen. Fühlte seine Haut, welche, wenn auch kälter als ihre Eigene, dennoch warm war.

Sie hielt ihn fest, unfähig loszulassen, unfähig sich von ihm zu trennen. Ihre Tränen liefen unaufhörlich. Sie konnte sie nicht stoppen, konnte nicht aufhören, unendlich glücklich zu sein. Er war hier - in ihren Armen. Er war keine Einbildung, war echt und lebendig und er ließ es zu. Ließ zu, dass sie ihn umarmte.

"Wir müssen gehen, Rijan." Akikos Worte drangen in ihr Bewusstsein, ergaben jedoch keinen Sinn. Er stand neben ihr, war ihr wohl gefolgt, doch sie bedachte ihn keines Blickes. Konnte nicht anders als jede Kleinigkeit von Sesshoumarus Gesicht in sich aufzunehmen: die goldenen Augen, die Striemen auf seinen Wangen, die schmalen Lippen, die aristokratische Nase, die hohen Wangenknochen. Alles, wirklich alles war perfekt. Selbst jetzt noch! Und sie liebte diese Perfektion.

"Ich kann nicht.", flüsterte sie. Doch Akiko ließ nicht mit sich reden. Er wusste, dass sein Vater einen Befehl ausgesprochen hatte und obwohl er ihn nicht verstand, nicht einmal ansatzweise wusste, was das sollte, befolgte er ihn. Also nahm er Rijan bei der Hand, löste sie vorsichtig von seinem Vater und zog sie hinter sich her, einen letzten Blick auf seinen Vater und seine Mutter werfend, die durch ein offensichtliches Wunder kaum verwundet schien und sich langsam neben Sesshoumaru erhob. Er lächelte sie kurz an, sah aber, dass auch sie nur ihren Vater anblickte. Es musste ein Wunder sein, dass sie alle das überlebt hatten, anders konnte er das nicht erklären. Unbarmherzig zog er Rijan hinter sich her, ließ ihr Handgelenk nicht los, wohlwissend, dass die feste Berührung sie wohl schmerzen musste. Er hatte keine Ahnung, was nun geschehen würde, aber solange sein Vater und seine Mutter zugegen waren, musste man mit allem rechnen. Und Akiko hatte über die vergangenen Jahrzehnte gelernt, dann besser das Weite zu suchen.
 


 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Chidori stand aufrecht und stolz wie nur sie es konnte. Die Tatsache ignorierend, dass ihr Körper schmerzte, dass ihre Beine sie kaum trugen, dass sie kaum noch einen Fetzen Kleidung an sich trug. All diese Dinge blendete sie aus, stand einfach nur wie erstarrt da, versuchte dabei erhaben und unversehrt zu wirken und wartete. Zählte die Sekunden bis ihr Sohn und Rijan aus dem Zimmer verschwunden waren, bis sie sicher sein konnte, dass man sie nicht mehr hörte, dass sie nicht zurückkommen würden. Sie blickte Sesshoumaru an, der ebenso wie sie stolz und erhaben dastand. Einen Anblick, den sie liebte, den sie in den vergangenen Jahren vermisst hatte, den sie sich ins Gedächtnis prägte. Es würde das letzte Mal sein, dass sie ihn so sah. Und anders als bei ihr, wusste sie, dass ihn seine Schmerzen nicht kümmerten, dass seine körperliche Verfassung keine Rolle spielte bei diesem stolzen, anmutigen Dämon. Sesshoumaru hatte eine Ebene seiner Macht, seines Selbstes erreicht, die den Körper unwichtig werden ließ. Schmerzen waren nichts, was ihn irgendwie beeinträchtigte und bei allem was ihr heilig war, sie beneidete ihn darum. Und sie lieh sich seine unglaubliche Stärke, denn solange sie ihn ansah, solange sie den Blick nicht abwandte, solange konnte auch sie stehen und stark und würdevoll wirken, solange konnte sie die Fassade, die sie nach außen trug aufrechterhalten. Erst als sie sicher war, dass ihr Sohn außer Reichweite war, dass er SICHER war, ließ sie die Maske fallen. Und der schöne Schein, der ihrem Sohn eben noch verdeutlicht hatte, dass ihr trotz der vergangenen Ereignisse nichts geschehen war, verflog.

Sie sackte in sich zusammen, schlug hart auf dem Boden auf, der harte Aufprall ihre Schmerzen verstärkend. Blut floss ihren unbekleideten Körper entlang, vermischte sich mit den schwarzen Ornamenten, welche ihren ganzen Körper überzogen. Sie versuchte zu begreifen was geschehen war, warum ihre Haut sich derartig verändert hatte, doch konnte es einfach nicht verstehen. Und letztlich spielte es auch keine Rolle mehr.

Da lag sie nun auf dem Boden und starrte an die Decke über ihr. Betrachtete die Flammen, die dort tanzten. Die Schatten, welche die Dunkelheit ankündigten, der sie sich bald ergeben würde. Sie wusste was geschehen würde, fühlte es mit jeder Faser ihres Körpers. Hatte es bereits gewusst, bevor sie Yamiko umarmt und dadurch mit ihrem bloßen Körper die volle Wucht der Explosion abgefangen hatte. Sie war vollen Bewusstseins in Yamikos Schutzschild hineingegangen, wohlwissend, dass die einzige Möglichkeit ihren Sohn und alle, die sie liebte, die ihr wichtig waren, retten zu können, nur das für sie größte Opfer bedeuten konnte.

Und so lag sie nun hier auf dem verschmutzten Boden, umgeben von Schutt und Asche, von Flammen, deren Hitze sie doch nicht mehr fühlen konnte und blickte eine Decke an, die vielleicht das Letzte sein würde, was sie zu Gesicht bekam. Der Gedanke erschütterte sie einen Moment, doch er verflog so schnell wie er gekommen war.

Jetzt werde nicht pathetisch, Chidori, rief sie sich selbst zur Ordnung.

Es war gut, so wie es war. Sie hatte immer gewusst, dass sie ihr Leben für ihren Sohn lassen würde. Sie hatte nur nicht geahnt, dass es so früh geschehen würde, dass sie ihn zurücklassen musste, wo er sie noch so lange brauchen würde. Doch Akiko war längst ein Mann. Er würde in dieser Welt leben können, so wie sie es auch vermocht hatte. Sie hatte ihm mit auf den Weg gegeben, was sie konnte, hatte ihm versucht den Unterschied zwischen richtig und falsch beizubringen, hatte versucht ihm nahezubringen, dass ihre Kraft nichts war, womit man spielte. Sie dachte an Jamie und einen Moment fürchtete sie, dass sie es ihm nicht deutlich genug gesagt hatte. Husten peinigte ihren Körper, ließ ihn sich zusammenkrümmen, unendliche Schmerzen verursachend.

Ihr Blick blieb an Sesshoumarus Erscheinung hängen, an den langen silbernen Haaren, teilweise angesengt durch das Feuer, besudelt mit Asche und Blut, aber immer noch deutlich leuchtend in diesem seltsamen Inferno. Sie musste keine Angst haben, brauchte sich nicht zu fürchten, egal was in der Vergangenheit geschehen war, heute und hier war er bei ihr. Er hatte sie nicht zurückgelassen, mehr noch, hatte gewusst, was ihr wichtig war und Akiko fortgeschickt, damit er den Zusammenbruch seiner Mutter nicht miterlebte. Damit sie ihm in Erinnerung blieb, wie sie eben für ihn ausgesehen hatte: stolz und erhaben, unversehrt und perfekt. Sie wusste, dass sie seinen Verstand umnebeln konnte, dass sie Bilder erzeugen konnte, die keiner je verstand. Der Einzige, bei dem das nie funktioniert hatte, war Sesshoumaru gewesen. So sicher, wie sie wusste, dass ihr Bild für Akiko funktioniert hatte, so sicher wusste sie, dass Sesshoumaru die ganze Zeit ihren wahren Zustand wahrgenommen hatte. Vielleicht war er gegen ihre Macht immun, weil er bei ihrer Geburt zugegen gewesen war. Sie wusste es nicht, hatte es nie verstanden und würde ohne des Rätsels Lösung sterben.

STERBEN

Da war es. Dieses Wort, das plötzlich in ihrem Bewusstsein angekommen war, dass nun direkt und offensichtlich nicht mehr übersehbar schien.

Sterben

Chidori hatte einmal gedacht, sie würde mehr Angst in einem solchen Moment haben. Dass es sie erschüttern würde, dass es sie wütend oder verzweifelt werden lassen würde, doch nichts davon geschah. Jetzt und hier konnte sie sich eingestehen, dass sie des Lebens schon lange überdrüssig geworden war. Sie hatte auf diesen Moment gewartet, mehr noch, hatte instinktiv bei ihrem Aufbruch hierher gewusst, dass es nun soweit sein würde. Hatte mit jeder Faser ihres Körpers gefühlt, dass sie ein letztes Mal ihre wunderbare Macht benutzen und dadurch sterben würde.

Es ängstigte sie nicht, sie bedauerte nichts, war einfach nur unendlich dankbar, dass er hier bei ihr war. Ein leichtes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel, während ihr Blick immer noch auf seinem Rücken haftete.

"Danke." Mehr sagte sie nicht, mehr konnte und wollte sie nicht sagen. Zu kostbar war der Augenblick für sie, zu groß die Angst davor, dass er doch noch gehen würde, obwohl sie irgendwie wusste, dass er das nicht tun würde. Sie mochte für ihn sein, was immer es auch war, aber er würde sie nicht allein sterben lassen. Dazu hatten sie zu viel erlebt, waren ihre Wege zu sehr miteinander verschlungen.

Chidori sah ihm dabei zu, wie er sich langsam umdrehte, der Oberkörper aufrecht, die Schultern zurückgenommen, Stärke ausstrahlend. Mächtig, ehrfurchtgebietend, adlig. Ihr Lächeln vertiefte sich. Richtig, selbst Jahre nachdem er auf seinen Titel und alles damit verbundene verzichtet hatte, konnte er sein adliges Blut nicht verleugnen. Es war in seine Seele gebrannt, in seinem Wesen, war ein Teil dessen, was sie so sehr liebte. Sesshoumaru blickte auf sie nieder: goldene, leicht dunkel wirkende Augen. Ohne eine einzige Reaktion, kein einziges Gefühl in ihnen, aber dennoch blickte er sie an: direkt, ohne Abneigung, ohne Hass. Sie wusste nicht, wann er sie zuletzt so angesehen hatte.

Doch es spielte auch keine Rolle mehr. Heute würde nichts mehr eine Rolle spielen. Es war vorbei. Schlicht und ergreifend. Und obwohl sie nicht schwach sein wollte, obwohl sie versuchte die Fassung zu wahren, verriet ihr Körper sie aufs Schändlichste. Einzelne Tränen bildeten sich in ihren dunkelroten Augen, sammelten sich in den Augenwinkeln und rannen schließlich die verwundete Wange hinab, hinterließen eine angenehme Kühle auf der erhitzten Haut.

"Es ist gut, alles ist gut.", flüsterte sie. Ihre Stimme kaum mehr als ein Krächzen, der Rauch setzte ihrer Lunge zu. Sie hustete erneut, spuckte dabei Blut, doch nahm das kaum noch wahr.

"Ich bin nur so unendlich dankbar, dass es hier und jetzt geschieht, dass ich endlich meinen Frieden finde. Ohne dich …"

Sie sprach nicht zu Ende. Es war unwichtig. Sesshoumaru wusste, was sie sagen wollte. Er verstand ihre unausgesprochenen Worte, wie nur er sie jemals verstehen konnte. Ohne dich bin ich nicht ich, kann ich nicht sein, will ich nicht leben. Mein ganzes Leben hat es immer nur dich gegeben. Wenn ich die Augen öffnete, warst du es den ich sehen wollte. Wenn ich sie schloss, wollte ich von dir träumen. Wenn du nicht da warst, dachte ich an dich. Und wenn du mich angeschaut hast, kam ich mir wichtig und wertvoll vor. Du allein hast alle Gefühle in mir besetzt, hast alles verursacht, hast mich zu dem gemacht, was ich bin. Ohne dich, hatte das alles keinen Sinn mehr. Und bei allem was mir heilig ist, ich hab's versucht. Habe versucht ohne dich zu leben, aber ich konnte nichts mehr fühlen und das Leben ist so unendlich lang, wenn man nichts fühlen kann. Und nun bin ich einfach nur dankbar, dass es endlich endet, dass ich in deiner Gegenwart sterben kann.

Nichts davon musste sie sagen, sie wusste, dass er das alles auch ohne Worte verstand. Sie waren einmal eins gewesen, etwas von diesem früheren Zauber war immer noch vorhanden. Sie glaubte daran, wollte - KONNTE - nicht damit leben, wenn es anders wäre. Sie waren Alles füreinander gewesen, so etwas konnte nicht spurlos verschwinden.

"Am Ende habe ich Recht behalten."

Die Worte hingen bleischwer in der Luft, ließen ihn leise knurren. Gott, wie hatte sie dieses einfache Geräusch vermisst … Und dennoch, obwohl er wohl nicht hören wollte, was sie zu sagen hatte, es aber dennoch längst wusste, ging er wie durch ein Wunder auf sie zu, blieb neben ihr stehen und sank langsam auf seine Knie. Chidori blickte zu ihm auf, wie sie es ihr ganzes Leben getan hatte, erinnerte sich an das kleine Mädchen, das ihn angebetet und damit in den Wahnsinn getrieben hatte. Aber sie konnte es wieder fühlen: diese bedingungslose Hingabe zu ihm. Er war der Mittelpunkt ihres Lebens gewesen! Letztlich hatte sich daran nie etwas geändert. Ihr Lächeln vertiefte sich.

"Ich habe dir gesagt, dass ich dich mein ganzes Leben lang lieben werde."

Mühsam hob sie ihre Hand, legte sie auf seine linke Wange. Fühlte die kühle Haut oder glaubte zumindest sie zu fühlen, denn im Grunde war ihr Körper kaum noch fähig etwas wahrzunehmen. Ein Seufzen durchdrang die Stille, doch Chidori war längst nicht mehr in der Lage einordnen zu können, ob sie es sich einbildete oder es tatsächlich geschehen war.

Und dann endlich - nach all den Jahren, nach all diesen endlosen Jahren voller Kummer, Schmerz, Verrat, voller Selbstbestrafung, voller Vorwürfe und endloser Bedeutungslosigkeit - sprach er endlich wieder mit ihr, wie er es früher einmal getan hatte. Frei von Vorwürfen, von Hass, von Erniedrigung, frei von allen Gefühlen, einfach nur er, ein Schatten von dem, wer er früher gewesen war, aber dennoch IHR Sesshoumaru. Denn er blickte sie an, nicht durch sie hindurch, nicht um sie zu verurteilen, nicht um sie zu bestrafen, er blickte sie einfach nur aus seinen unendlich schönen Augen an und senkte leicht den Kopf.

"Du musst nicht sterben, um das zu beweisen."

Gefühle durchströmten sie. Gefühle, von denen sie nicht gewusst hatte, dass sie noch da waren, dass sie es noch fühlen konnte. Gefühle, die ihr deutlich zeigten, was sie alles vermisst hatte in den letzten Jahren. Glück, Erleichterung und das Wichtigste von allem: LIEBE.

Wie sehr sie diesen Mann liebte!

Er sprach wieder mit ihr, er sah sie an, er beachtete sie.

Es spielte keine Rolle mehr, dass ihr Körper zerbrach, dass ihre Seele sich längst löste, dass alles dem Ende zuging, jetzt in diesem Moment war die Welt perfekt. Jetzt und hier fühlte sie zum ersten Mal seit einer sehr langen Zeit, wer sie einmal gewesen war. Bevor sie angefangen hatte, ihn zu erdrücken, ihn festhalten zu wollen, obwohl er nichts anders gewollt hatte, als weit von ihr entfernt zu sein. Jetzt und hier spielte ihre Vergangenheit keine Rolle mehr, ER allein schaffte es, dass sie sich wieder komplett fühlte. Und daher lächelte sie ihn an, wie sie nur ihn jemals angelächelt hatte: ehrlich, offen und frei von Berechnung. Unendlich viel jünger wirkend als noch vor wenigen Stunden.

Und ihre Augen sagten ihm, was sie nicht mehr in der Lage war auszusprechen: Ich liebe dich! Bei allem was mir heilig ist, ich liebe dich. Immer noch wie ganz am Anfang, als es nur dich und mich gegeben hat und nichts anderes zählte. Und es tut mir leid, was ich getan habe, was ich dir aufgezwungen habe. Dass ich nicht in der Lage war loszulassen, als es angebracht gewesen wäre. Aber ich liebe dich, liebe dich mehr als irgendetwas anderes. Du bist mein Held! Warst es immer und wirst es auch dann noch sein, wenn ich längst nicht mehr bin. Mit dir begann meine Existenz, mit dir endet sie.

Schweigen lag zwischen ihnen, aber eines der angenehmen Sorte, denn er wich nicht zurück, kniete nur neben ihr. Ließ zu, dass ihre Hand auf seiner Wange festgefroren war. Akzeptierte ihre ganzen Gefühle, die ohne Zweifel aus ihr strömen mussten, wie das Leben, das sie gerade verließ.

"Ich hatte Recht!", flüsterte sie, fuhr alle Kräfte noch einmal auf, die in ihr verblieben waren.

"Hai, das hattest du."

Und diese vier kleinen Worte - unspektakulär und ohne großes Aufheben gesprochen - bedeuteten ihr die Welt, denn sie erlösten ihren Geist endlich von all den Bürden und Strafen, die sie sich selbst auferlegt hatte. Nun war sie endlich wieder frei, erlöst von ihrer Vergangenheit, von ihren Fehlern. Und in der Stunde ihres Todes, als ihr Geist sich beinahe komplett gelöst hatte, als kaum noch etwas sie an dieses Leben band, da fielen ihr tausend Dinge ein, die sie ihm noch sagen musste, die sie ihm sagen WOLLTE, doch die Zeit lief gegen sie. Und während ihre Tränen weiterliefen, sie um die Dinge weinte, die sie in ihrem Leben falsch gemacht hatte, die Zeit die sie vergeudet hatte, sie aber auch gleichzeitig so dankbar war, dass er sie nicht allein sterben ließ, dass er wusste, dass sie genau hier und jetzt und auf diese Art und Weise mit ihm an ihrer Seite das Leben verlassen wollte, da handelte sie wie der Dämon, der sie hätte sein können, wenn das Leben es anders mit ihr gemeint, sie sich anders entschieden hätte. Sie dachte nicht mehr an sich, für sie war alles zu spät und spielte keine Rolle mehr, nein, sie dachte an die beiden Wesen, die sie zurückließ.

"Akiko …" Sie hustete erneut, längst nicht mehr die Schmerzen fühlend, die eigentlich da sein müssten. "… er wird deine Hilfe brauchen."

Was hätte er darauf sagen sollen? Jede andere Antwort wäre eine Überraschung gewesen. "Hilfe ist ein Zeichen von Schwäche."

Sie lächelte schwach, wusste auch ohne dass er es aussprach, dass er auf Akiko aufpassen würde. Dass er über ihn wachen würde und ihn notfalls verteidigte, sollte es je soweit kommen. Er war ihr Erbe, er war für Sesshoumaru genauso wichtig wie für sie selbst.

"Rijan …"

Was sollte sie sagen, was konnte sie sagen, dass das Geschehene ungeschehen machte? Gab es Worte, die etwas bewirken konnten?

"Vergib ihr schneller als mir. Ein Menschenleben ist so kurz …"

Er erwiderte darauf nichts, blickte sie nur aus diesen undurchdringlichen Augen an, die ihr nicht einmal ansatzweise sagten, was er dachte Ob er überhaupt über ihre Worte nachdachte. Und doch wusste sie mit absoluter Sicherheit, dass sie ihn erreicht hatte, denn er hörte ihr zu, kniete hier neben ihr und machte nicht einmal Anstalten sie zu verlassen. Er würde bei ihr bleiben, bis es vorbei war und sie wusste, er würde sie danach nach Hause bringen.

Das Glück, das sie erfüllte, war nicht in Worte zu fassen. Wärme breitete sich in ihr aus, während die Welt langsam um sie herum verblasste. Sie starrte ihn weiter an, nahm jede Faser seines Gesichts wahr: jede Wimper, jedes feine Haar seiner perfekt geschwungenen Augenbrauen. Nahm die farbigen Zeichen seiner Macht wahr, wie die silbernen Haare sich leicht bewegten, seine wunderbaren Lippen, die Linien um seinen Mund herum, die in den letzten Jahren hinzugekommen waren, die Augen in dieser nichtmenschlichen, jedoch schönsten Farbe, die sie kannte. Ihre Hand rutschte von seiner Wange, sie bemerkte es nicht mehr, lag nur dort auf dem Boden und starrte ihn an. Und während ihr Geist sich immer weiter löste, erschien er ihr in ihrem umnebelten Zustand wie ihr persönlicher Todesengel: mit diesem silbern glänzenden Haar, das durch das Feuer um ihn herum leuchtete und mit diesen wunderschönen, vollkommen ausdruckslosen Augen.

Sie hustete erneut, meinte zu bemerken, dass ihr Körper seinen letzten Kampf ausfocht.

"Es ist gleich vorbei."

Waren das seine Worte?

Oder waren es ihre?

Sie wusste es nicht, verstand nicht einmal mehr ihre Bedeutung. Sie blickte ihn nur weiter an und erinnerte sich an die Stationen ihres Lebens, an kurze aufblitzende Momente, an Augenblicke, die perfekt waren, als die Welt um sie herum noch nicht so kompliziert geworden war. An das kleine Mädchen, das sie einst gewesen war. An den hitzköpfigen Teenager, der ihn in den Wahnsinn getrieben hatte. An die junge Frau, der er letztlich doch nachgegeben hatte. An die Frau, die er nicht einmal mehr hatte ansehen wollen. Erinnerte sich an Akikos Geburt, an den Anblick, als Sess seinen Sohn - seinen Erben - das erste Mal auf dem Arm gehalten hatte, die Perfektion, die beide ausgestrahlt hatten. So viele Momente, so viele Ereignisse, die sie geteilt hatten, die wohl auch er nie vergessen würde. Und als sie diesen Gedanken erreicht hatte, hielt sie ihn fest, während sie den Mann an ihrer Seite anblickte: fest, ohne zu blinzeln, nur um auch keinen Moment mit ihm zu verpassen. Er würde sie nicht vergessen! Hatte die gleiche Erinnerung an ihre Vergangenheit wie sie.

Und es gab ihn: AKIKO! Für immer der Beweis, dass sie gelebt hatte, dass sie diesen großen mächtigen Dämon dazu gebracht hatte, alle Regeln außer Kraft zu setzen Dass er für sie alles aufgegeben hatte, nur um schließlich dieser beeindruckende Dämon zu werden, vor dem sich heute jeder fürchtete. Und ein Teil davon war ihr Verdienst. Sie hatte ihn geprägt wie er sie geprägt hatte.

Ich liebe dich, deinetwegen war ich perfekt …
 


 

************************
 

Chidoris Leben endete wie es einst begonnen hatte: in einer stürmischen, regnerischen Nacht. In einem Haus, das lichterloh in Flammen stand, umgeben von Tod, Schmerz und Qualen. So hatte sie damals das Licht der Welt erblickt, so endete ihr Dasein heute. Vermutlich hatte es so kommen müssen. Vielleicht war ihr Schicksal vorherbestimmt gewesen.

Sesshoumaru hob den leblosen Körper auf seine Arme - die einzige Art, wie er ihr Respekt zollen konnte. Den letzten Respekt.

Er würde sie nach Hause bringen und sie dort ihre letzte Ruhe finden lassen. Langsam richtete er sich auf und blickte auf die nunmehr friedlich aussehende Frau hinab. Ihr rotes Haar umfloss ihren markant gekennzeichneten Körper. Er hatte immer gewusst, dass Chidori weitaus mächtiger sein konnte, als sie vorgab zu sein, jedoch musste er zugeben, dass er mit dieser brachialen Gewalt nicht gerechnet hatte. Vermutlich hatte es sie selbst überrascht.

Er verließ den Raum, durchwanderte die Flure und Gänge zielsicher, als wäre er nie fort gewesen. Er beachtete nichts von dem, was ihn umgab, ignorierte die Flammen, die Hitze, das Knarren des Holzes, wenn es vom Feuer verschlungen wurde. Er blickte nicht zurück, hatte für seine tote Mutter keinen Blick mehr übrig. Unterwegs zog er eine frisch entbrannte Gardine von einem Türrahmen, trat das Feuer achtlos mit den bloßen Füßen aus und verhüllte Chidoris nackten, verwundeten Körper. Sie sollte der Nachwelt in ihrer Perfektion in Erinnerung bleiben. Er verließ begleitet von Rauchschwaden sein Geburtshaus und trat in die wohltuende Frische der Nacht hinaus. Regen prasselte auf ihn nieder, durchweichte sein Haar, säuberte es dadurch ein wenig von dem Blut, das sich darin festgesogen hatte, ließ ihn jedoch auch eine blutrote Spur hinter sich herziehen.

Er ignorierte Rijan, bedachte seinen Sohn mit keinem Blick, trug die tote Frau auf seinen Armen nur fest und sicher. Es kümmerte ihn nicht, ob Akiko verstand, was geschehen war. Dass er ihm die Möglichkeit nahm, sich zu verabschieden.

Sie hatte es so gewollt. Hatte gewollt, dass Akiko nicht Zeuge ihres Untergangs wurde. Und er verstand das. Verstand sie, wie er es schon immer getan hatte.

Also trug er sie davon, weit weg von diesem furchtbaren Ort, der mehr Albträume barg, denn schöne Erinnerungen.

Als er die Anhöhe vor dem Haus erreicht hatte, der Wald sich dunkel und mächtig vor ihm ausbreitete, blickte er ein letztes Mal zurück. Sah das Haus, das nun lichterloh in Flammen stand. Der dunkle Himmel gespenstig erleuchtet. Es regnete, als wollte der Regen dieses verfluchte Haus vor dem Untergang bewahren. Doch der Sturm, der mächtige, kalte Sturm, trieb die Flammen empor. Flammen, die diesen Ort bald niedergebrannt haben würden.

Sesshoumaru lebte lange, schon sehr lange auf dieser Welt. Ihn berührte dieser Tage kaum noch etwas. Weder der Tod seiner Mutter, noch Chidoris Ende. Für derartige Gefühle gab es in ihm keinen Platz mehr. Doch hier und jetzt, im Schutz der Dunkelheit, gestattete er sich vermutlich zum letzten Mal ein Gefühl, das so tief und ursprünglich war, dass er es nicht aufhalten konnte. Erleichterung und eine Spur Genugtuung. Mitdem Niedergang dieses Hauses würde die Vergangenheit endlich abgeschlossen sein.

Und so verließ er diesen Ort, blickte nicht mehr zurück und verschwand mit Chidoris Leichnam in der Dunkelheit des Waldes.
 

zum letzten Mal: Fortsetzung folgt ...
 

Hm, vermutlich versteht ihr jetzt, warum es so lange gedauert hat, wobei ich sicher bin, dass es eigentlich absehbar war, was geschehen würde. Angedeutet war es zu mindest in den letzten Kapiteln sehr oft. Und nennt mich verrückt, aber Chidori war mein GEschöpf und ich hab sie geliebt, obwohl ich von Anfang an wusste, dass ich sie sterben lassen würde. Und ihr Abgang musste groß werden. Doch die richtigen Worte ... sie wollten nicht kommen. Ich hab glaube ich zehn verschiedene versionen dieses Kapitels verfasst. Mehr oder weniger komplett verfasst, ich war also die letzten Jahre nicht untätig, aber es stimmte einfach nicht. Es war ihr nciht angemessen. Und Sess, nun Sess ist wie wir alle wissen schwer zu beschreiben. Wie ihn an einer Todesszene teilhaben lassen, ohne ihn ooc werden zu lassen? Doch ich denke, ich habe es geschafft. Für mich ist er jedenfalls so. Anwesend und allein dadurch so viel sagend, aber dennoch sie nie berührend, sie nicht in den Arm nehmend. Denn das hätte einfach nciht gepasst. Und nun, vier Jahre (ich kann nicht fassen, dass es so lange her ist) fühl ich mich gut, unendlich erschöpft und erleichtert, dass ich dieses für mich schwerste Kapitel meines Schreiberlingdaseins abgeschlossen habe. Dieses Kapitel war mein Nemesis, mein persönlicher Untergang, weil es so schwer ist, den eigenen Chara sterben zu lassen. Sterben zu lassen auf große Art und Weise, denn das war mir wichtig. Nun ja, ich wünsche jedenfalls niemandem solch ein Kapitel, denn es hat so viel nerven so viel Kraft gekostet, es hat mich an Abgründe getragen, und die tiefste Schaffenskriese meines Lebens hervorgerufen, aber ich habe diese Blockierung gelöst und ich bin zufrieden, doch das bin ich wirklich (und das bin ich eher selten ...).
 

Es fehlt zum krönenden Schluss noch ein Kapitel. Denn Rin und Sess sind noch nicht fertig miteinander, aber DAS ist gegen dieses Kapitel echt ein Klacks, von daher folgt das wohl die nächsten Wochen. Und dann hab ich dieses große, nie enden wollende Ding endlich abgeschlossen.
 

Ich bedanke mich an dieser Stelle, bei jedem, der das hier jemals gelesen hat, der mich unterstützt hat, an die unglaublichen Menschen, die mich wieder und wieder in den Hintern getreten haben, um diese Story zu Ende zu bringen. Aber bevor ich zu rührselig werde, hör ich besser auf. Das große Ende kommt schließlich noch,d ann auch mit passenden Worten meinerseits.
 

Bis dahin verabschiedet sich eine nunmehr furchtbar erleichterte Rogi

Ohne Worte

Kapitel 22 - Ohne Worte
 

Rijan lag auf ihrem Futon und starrte an die dunkle Decke über ihr. Das Licht des Tages neigte sich dem Ende zu und ließ ihr Zimmer in einem schummrigen Licht erscheinen.

Sie hatte vergessen, wie lange sie bereits hier lag. Es spielte auch keine Rolle, denn sie hatte das untrügliche Gefühl, dass nichts mehr eine Rolle spielen würde.

Tagelang hatten Akiko und sie den Rückweg schweigend zurückgelegt. Sie hatten länger benötigt als erwartet, der schwere Kampf hatte ihre beiden Körper mehr mitgenommen als angenommen. Jeder Schritt, jede Bewegung war Rijan wie die Hölle erschienen. Manchmal hatte sie den Wunsch verspürt etwas zu ihrem Begleiter zu sagen, doch dessen ausdruckslose Miene hatte sie meist innehalten lassen, bevor ein Wort über ihre Lippen kam. Akiko hatte seit dem Tod seiner Mutter kein Wort mehr gesprochen und so war Rijan nichts anderes übrig geblieben als sich mit der ihr bevorstehenden Situation auseinander zu setzen.

Ein Teil von ihr hatte zu ihm gewollt. Ihm, diesem mächtigen und großen Dämon, der sie ohne ein Wort zurückgelassen hatte, darauf vertrauend, dass Akiko sie nach Hause führen würde. Sie hatte sein Gesicht sehen wollen, verfiel wieder und wieder in die panische Annahme, alles nur geträumt und ihn doch nicht gerettet zu haben. Aber ein Blick auf Akiko hatte ihre Panik vertrieben. In seinem Gesicht, so ausdruckslos es auch war, sah sie mehr als deutlich, dass Chidoris Tod keine Einbildung gewesen war. Dennoch hatte sie zu Sesshoumaru gewollt, einfach nur um sich zu vergewissern, dass er hier war, dass er lebte, dass er atmete, dass es tatsächlich ihr - einfacher Mensch, der sie war - gelungen war, ihn zurückzuholen. Sie staunte jedes Mal wieder über diese Tatsache.

Der andere sehr viel dunklere Teil von ihr, hatte nicht zu ihm gewollt. Hatte sich verstecken oder weglaufen wollen. Nicht weil sie etwas gesehen hatte, was ihre Gefühle verändert hätte, nein, einfach nur von dem Wunsch getrieben zu verhindern, was kommen würde.

Er würde sie verlassen.

Endgültig!

Und sie wusste das...

Fühlte es seit sie wieder erwacht war.

Im ersten Moment war sie überwältigt gewesen von seiner bloßen Anwesenheit, berauscht von der einfachen Faszination ihm beim Atmen zuzusehen. Danach hatte sie ein Schock überfahren, geboren aus der erschreckenden Tatsache, dass Chidori diesen Kampf verloren hatte. Und im Anschluss daran, hatte sie sich ihrer eigenen Verwirrung hingegeben, als nach und nach die Erinnerungen, die sie gesehen hatte, in ihr Bewusstsein zurückkehrten, die Dinge langsam wieder in geregelte Bahnen fanden und sie anfing, das Geschehene zu verarbeiten.

Und nun, endlich wieder zurück, zurück an einem Ort, der irgendwie zu ihm gehörte, der jedoch noch so viel mehr zu Chidori zu gehören schien und umso erschreckender vor Augen führte, was verloren gegangen war, fand sie sich auf ihrem Futon wieder und starrte blindlings an die Decke, versuchte sich zu motivieren aufzustehen, etwas zu unternehmen, die Dinge nicht einfach hinzunehmen.

Sie hatten ihr Ziel heute Nacht erreicht, beide vollkommen erschöpft und ausgelaugt. Akiko hatte sie wie ein kraftloses, kleines Kind auf seinem Rücken getragen und obwohl sie wusste, dass er selbst vollkommen erschöpft war, hatte sie es zugelassen. Zugelassen, dass er sie an den Ort zurückbrachte, der ihre Welt verändert hatte.

Rijan hatte zu ihm gewollt, zu diesem einen Mann, der ihre Welt bedeutete und das, obwohl sie nicht sicher war, für dieses Treffen schon gewappnet zu sein.

Doch weil sie ein Mensch war - ein kleiner, schwacher Mensch - hatte sie die Konfrontation hinausgeschoben, sich eingeredet, dass es besser war, erst einmal niederen Bedürfnissen nachzugehen: waschen, essen, schlafen. Sie wusste selbst, dass sie sich belog; nichts auf dieser Welt würde besser machen, was vor ihr lag.

Dennoch hatte sie sich mit ihrer letzten Kraft gewaschen, hatte den Schmutz des Kampfes, die Asche des niedergebrannten Hauses aus ihrem Haar gespült und war schließlich in einen neuen, sauberen Yukata gekleidet in einen traumlosen, beinahe komatösen Schlaf gefallen.

Sie drehte leicht ihren Kopf, starrte zu der aufgeschobenen Tür hinaus, fühlte die frische Luft hereinströmen, ihren Körper umfangen.

Es regnete. Wie überaus passend.

Irgendjemand musste ihr einmal erklären, warum es an den entscheidenden Tagen im Leben immer regnete. Die graue Wolkendecke schob sich unaufhörlich über den Horizont.

Ein Seufzer erfüllte die Luft. Ein Laut, der nicht von ihr kommen konnte, denn ihre Stimme, ihr menschliche Stimme, konnte nicht so resigniert klingen. So unglücklich.

Sie hatte keinen Grund unglücklich zu sein. Was kommen würde, war ihr klar gewesen, hatte sie von Anfang an gewusst. Sie war kein Narr, kannte Sesshoumaru besser als jedes andere Geschöpf auf dieser Welt. Es spielte keine Rolle, dass sie nicht genau gewusst hatte, was passieren würde - sie hatte nie damit gerechnet einen Teil seiner Vergangenheit zu sehen - dennoch war ihr bewusst gewesen, dass in seinen Geist einzudringen, eine Todsünde war - vermutlich sogar die Einzige, die Sesshoumaru nie vergeben konnte. Chidori war der lebende Beweis dafür gewesen. Ihr wurde schwer ums Herz als sie an die rothaarige Dämonin dachte. Wie hatte das geschehen können? Die Welt war doch in Ordnung gewesen, als sie erwacht war?

Und doch kannte sie diese stolze Frau mittlerweile gut genug, um ihr klar zu machen, dass Chidori irgendetwas mit ihren Sinnen angestellt hatte. Offenbar war es nicht ihr Wille gewesen, Akiko oder sie über ihre wahre körperliche Verfassung in Kenntnis zu setzen. Und etwas in Rijan war unendlich froh darüber. Sie behielt Chidori lieber in Erinnerung wie sie gewesen war. Sie verspürte keine tiefe Freundschaft zu dieser seltsamen Frau, aber etwas Sympathie hatte sich über die gesehenen Erinnerungen aufgebaut. Hatte sich angebahnt seit Chidori ihren inneren Frieden gefunden hatte. Seit dem Moment als sie alle aufgebrochen waren, um diesen einen mächtigen Dämon, der für sie alle wohl die Welt bedeutete, zu retten.

Die Unsinnigkeit dieser Aussage ließ ihre Mundwinkel leicht zucken.

Retten

Als müsste man einen derartig mächtigen Mann retten. Als würde Sesshoumaru auch nur zulassen, dass irgendjemand ihn rettete.

Das angedeutete Lächeln verschwand wieder. Es spielte keine Rolle, was geschehen war, wie er es sehen würde. Sie WUSSTE, dass er gehen würde.

Und hatte sie anfangs noch panisch reagiert, weil sie dachte, er wäre längst fort, wenn sie hier ankommen würden, wusste sie nunmehr, dass dem nicht so war. Sie fühlte seine Gegenwart, fühlte seine Unruhe, fühlte diesen unbändigen Wunsch, von hier wegzugehen. Doch etwas hielt ihn zurück, ließ ihn an diesem Ort voller Erinnerungen verweilen. Und weil Rijan wusste, dass sie dieser Grund war, lag sie eben heute hier und konnte sich nicht überwinden, ihm Lebewohl zu sagen.

Ein Schmerz ließ sie sich zusammenkrampfen und ein gequälter Laut kam aus der Tiefe ihrer Kehle. Ihre Augen wurden feucht, doch sie kämpfte den Schmerz, kämpfte die Tränen tapfer nieder. Sie würde nicht mehr weinen, würde keine einzige Träne mehr vergießen. Sie hatte ihn verloren lange bevor sich die neusten Geschehnisse zugetragen hatten. Das hier war nichts mehr. Den Schmerz, ihn verloren zu haben, hatte sie längst ertragen und wichtiger, hatte ihn überstanden. Sie lebte noch, sie atmete und wann immer sie abends schlafen ging, wachte sie am nächsten Morgen wieder auf – in einer Welt, die keine Farben mehr hatte, die nur noch aus regnerischen Tagen zu bestehen schien.

Für den Moment gab sie sich dem Gedanken hin, dass sie die Trennung verhindern konnte, wenn sie einfach nie wieder aufstand. Er würde nicht gehen, ohne ihr die Chance zu geben, sich zu verabschieden.

Aber letztlich war sich selbst zu belügen weit einfacher gesagt als getan. Denn natürlich wusste sie, dass er nicht ewig warten würde. Er tat das für sie. Ihm selbst bedeutete ein Abschied nichts, er würde lieber heute als morgen gehen, mit absoluter Sicherheit konnte sie das fühlen.

Plötzlich ging alles wie von selbst. Lag sie eben noch auf dem Boden ihres Gemaches, rannte sie im nächsten Moment barfuß durch den Regen. Fühlte nicht die Kälte unter ihren Sohlen, bemerkte nicht, wie sich ihr dünner Yukata durch die Nässe um ihren abgemagerten Körper schmiegte, ignorierte die kurzen schwarzen Haare, die ihr im Gesicht klebten. Sie rannte, so schnell ihre Füße sie zu tragen vermochten.

Sie wollte zu ihm, nur zu ihm. Konnte ihn nicht gehen lassen, konnte nicht zulassen, dass es so endete. Sie musste etwas tun, etwas sagen, etwas unternehmen.

Und dann … stand sie still, mitten in einem schattigen Wald, fühlte die Kälte, die sich ihrer bemächtigte, bemerkte das Wasser, das ihre Wangen hinunterlief – unsicher, ob es nun Regen war oder doch ihre Tränen. Tränen, die sie nicht mehr vergießen wollte.

Was tat sie hier?

Was sollte das werden?

Hatte sie nicht mehr Stolz als einem Dämon hinterherzulaufen, der sie nicht haben wollte?

Sie sank auf ihre Knie, schlang die Arme um sich und versuchte sich zu beruhigen. Versuchte die Panik, die Verzweiflung in ihr wieder in den Griff zu bekommen. Sie war mehr als er in ihr sah. Sie war nicht schwach, war nicht nur ein Mensch. Sie war eine Frau, eine Frau die liebte und gekämpft hatte, für das was ihr wichtig war. Sie konnte auf eigenen Beinen stehen.

Und so stand sie langsam wieder auf und ging die letzten Meter, die vor ihr lagen. Spielte im Kopf wieder und wieder diesen letzten Moment durch, der nun kommen würde. Verwarf jede einzelne Idee wieder, befand jedes Wort, das ihr einfiel als unwürdig, zermarterte sich einmal mehr den Kopf und stand schließlich auf einer kleinen Lichtung.

Chidoris Grab

Sie wusste nicht wie sie hierhergekommen war. Hatte nicht einmal geahnt, wo er sie begraben hatte. Als Akiko und sie angekommen waren, war weder von Chidoris Leichnam noch von Sesshoumaru auch nur eine Spur zu sehen gewesen.

Etwas hatte sie hierher geführt. Oder besser jemand.

Rijan starrte auf das schmucklose, steinerne Grab, das mit den Schatten um sie herum zu verschmelzen schien. Er hatte einen ruhigen letzten Ort für sie gefunden. Einen, an dem sie kaum einer finden würde. Einen Ort, der von Dunkelheit geprägt war. Dichte Baumwipfel verhinderten, dass zu viele Sonnenstrahlen den Weg hier nieder fanden. Sie wusste nicht, ob er Chidori verstecken wollte, oder sie weiter zu bestrafen versuchte, in dem er sie selbst in ihrem Tod noch im Dunkeln verborgen hielt.

Also stand sie nun hier, keinen Meter vom Grab dieser großen Dämonin entfernt, die diesen Mann mehr geliebt hatte als ihr eigenes Leben. Die sich offenbar geopfert hatte, um sie alle zu retten. Rijan kam sich plötzlich furchtbar klein und unwichtig vor. Was konnte sie dagegen schon in die Waagschale werfen?

Ihr wurde überdeutlich klar, wie sie aussah, vollkommen durchnässt, nur mit einem viel zu dünnen Yukata bekleidet, barfuß mit vom Wind zerzausten Haaren. Sie fuhr alle Kräfte in sich auf um den viel zu schweren Kopf zu heben, um ihre Augen auf dem Ziel ihrer Suche ruhen zu lassen.

Sesshoumaru stand vor Chidoris Grab, den Rücken ihr zugewandt, den Kopf leicht gesenkt. Sein Haar, ein Meer aus seidig schimmerndem Silber. Die Schultern breit und mächtig, als könnte er die Last der ganzen Welt darauf tragen.

Sie wollte etwas sagen, wollte die Stille durchbrechen, die an ihren Nerven nagte. Doch sie lauschte nur einfach weiter auf das Geräusch des prasselnden Regens, der seinen Weg durch die mächtigen Baumwipfel fand und auf sie beide niederfiel. Keiner von Beiden auch nur Anstalten machend, sich davor schützen zu wollen. Sie hörte den Wind, der leise durch die Blätter pfiff. Und sie hörte ihn atmen. Konzentrierte all ihre Sinne auf das Heben und Senken seiner Brust, auf das Geräusch seines Atems. In diesem Moment für sie das schönste Geräusch dieser Erde.

Sie öffnete den Mund, schloss ihn dann jedoch wieder, ohne auch nur ein Wort zu verlieren.

Was sollte sie sagen?

Was konnte sie sagen, dass der Situation angemessen war?

Sie wusste es nicht, hatte in ihrem Leben noch nie so stark nach Worten ringen müssen, Worten, die einfach nicht kommen wollten. Sie liebte ihn, liebte ihn mit allem was ihr zur Verfügung stand und dass er sie nun verließ änderte rein gar nichts. Aber warum sollte sie aussprechen, was er längst wusste, was Ihnen Beiden mit absoluter Sicherheit bewusst war. Sie hatte diese drei Worte schon so oft zu ihm gesagt, dass sie irgendwie nicht genug Bedeutung zu haben schienen, um diesem Moment gerecht zu werden.

Ihre Hände ballten sich zu Fäusten.

Oh Kami, wie unfähig konnte man sein?

Gab es denn nichts, was sie ihm noch sagen wollte?

Wollte sie wie eine dumme Gans hier stehen, vollkommen atemlos und unansehnlich nur um schweigend die Zeit verstreichen zu lassen?

Es durfte - es konnte - so nicht enden.

Doch wieder und wieder fragte sie sich, spielte in kurzen Szenen durch, was sie sagen könnte, nur um festzustellen, dass nichts, wirklich nichts ausreichend war.

Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals, ließ sie schwer schlucken. Ihre Knöchel traten weiß hervor, Gänsehaut überzog ihren Körper.

So hatte das nicht sein sollen.

Auf dem langen Weg hierher, als Akiko sie mit ihren Gedanken allein gelassen hatte, hatte sie diesen Moment wieder und wieder durchgespielt und so viele Worte in sich gehabt, so viele Ideen gefunden, wie sie auf noble und große Art und Weise Sayonara sagen würde. Wo waren all diese Worte hin verschwunden?

Rijan fühlte sich klein, dreckig, unbedeutend, verstand nicht, warum sie so fühlte, während er wie die absolute Perfektion vor ihr stand, keine Regung ausstrahlend, keinen Versuch unternehmend etwas zu sagen. Er würde warten, warten bis ihr etwas einfiel, was sie sagen wollte.

Doch vermutlich war genau das das Problem: Sie wollte nicht Sayonara sagen.

Wie konnte man Worte für etwas finden, dass man nicht wollte?

Dass einen vernichten würde?

Dass die eigene Welt in Dunkelheit versinken lassen würde?

Es gab keine Möglichkeit, der Liebe seines Lebens auf noble und große Art und Weise das Gehen zu gestatten, denn wer liebte wollte nicht zurückbleiben. Sie wollte nicht schon wieder allein sein, wollte nicht ein Leben ohne ihn führen. Sie wollte, dass er bei ihr blieb, dass er ihr gestattete an seiner Seite zu sein. Und es war ihr egal, wie erbärmlich das wirken musste. Wie schwach es wohl war, damit zufrieden zu sein, geduldet zu werden. Aber zur Hölle mit dem Stolz. Was nützte es, wenn es einen von dem trennte, was man wollte?

Ihre Füße trugen sie zitternd näher zu ihm - bis sie die Hand ausstrecken und ihn berühren konnte. Eine feste, verlässliche Größe. Ruhe ausstrahlend, die ein wenig auf sie übergriff. Sie öffnete erneut den Mund, um einmal mehr festzustellen, dass ihre Stimme verschwunden war, dass immer noch keine Worte in ihrem Inneren waren. Also stand sie einfach nur dort, klammerte sich mit ihrer rechten Hand an den Ärmel seines Gewandes und blickte stumm zu Boden. Sah die Regentropfen, die sich von ihrer Nase lösten und leise zu Boden fielen, dort verschmolzen mit der durchweichten Erde.

Es brachte nichts ihn zu bitten. Er würde gehen, egal was sie sagte, egal wie sehr sie weinen oder betteln würde, wie sehr sie sich auch erniedrigte. Nichts, absolut nichts auf dieser Welt konnte seine Meinung ändern. Er blieb nicht hier und er duldete ihre Anwesenheit nicht länger.

Sie sollte froh darüber sein, dass er ihr überhaupt diese Möglichkeit gab.

Aber wie hätte sie das so sehen können?

Ein Teil von ihr war unendlich wütend auf ihn, weil er sie in diese Lage brachte. Weil er ihr die Chance eines Abschiedes gab, ohne ihr zu erklären, wie man sich von dem Mann verabschiedete, der einfach alles war. Der, wenn er ging, ihre Seele mit sich nahm und ihre Hülle zerschmettert und leer zurücklassen würde.

Sollte sie ihm dafür etwa dankbar sein?

So standen sie minutenlang ohne sich zu bewegen, sie krampfhaft sein Gewand festhaltend, nah genug an ihm, um ihn wirklich berühren zu können und doch emotional so weit von ihm entfernt, dass selbst der größte Sprung ihres Lebens nichts ändern könnte. Als wäre er längst schon nicht mehr hier. Sie blickte auf, stand nun so dicht, dass sie sein Profil sehen konnte. Bemerkte, dass die Wunden fast alle verschwunden waren, lediglich einige verkrustete Kratzer waren noch zu sehen. Sie zeichnete mit den Augen jede Kurve seines wunderschönen Profils nach, betrachtete die halb geschlossenen Lider, unter denen er auf Chidoris Grab niederblickte, die dichten Wimpern, die an einem Mann völlige Verschwendung waren, die perfekte, gerade Nase, die geschwungen Lippen, die Zeichen seiner Macht, die sich auf seiner Haut abzeichneten. Nahm jedes einzelne Haar in sich auf, das in sein bildschönes Gesicht fiel.

Nein, es gab keine Worte, überhaupt keine, die beschreiben konnten, was sie fühlte, wie ungeheuerlich die Vorstellung war, ohne ihn zu sein, wie unerträglich auch nur der Gedanke eines Abschiedes war. Für einen Moment wie diesen gab es auf dieser ganzen weiten Welt nicht ansatzweise passende Worte. Und wenn sie tausend Bücher lesen würde und hundert Sprachen erlernte, trotzdem würde sie nie die passenden Worte finden. Denn auf dieser Welt war es einfach nicht vorgesehen, dass man sich von dem Mann, den man über alle Maßen liebte, trennte.

Er hätte gehen sollen.

Ohne sich umzudrehen, ohne ihr diesen grausamen Moment hier zu geben.

Vielleicht sollte sie gehen.

Sich einfach umdrehen und ihn stehen lassen.

Womöglich war das die richtige Reaktion auf diese Begegnung hier.

Aber sie konnte nicht …

Konnte gar nichts unternehmen, stand einfach nur hier und starrte ihn weiter an.

Und plötzlich wollte sie mehr, so viel mehr, als er ihr geben konnte. Wollte seine goldenen Augen sehen, den Glanz darin, wollte sehen wie sie sich darin spiegelte. Aber damit er sie ansah, hätte sie ihre Stimme erheben müssen. Jene Stimme, die irgendwie verschwunden war…

Die Zeit verstrich. Quälend langsam und doch viel zu schnell. Waren es Sekunden oder doch schon Stunden, die sie hier verharrte, sein Gewand fest in ihrer Hand haltend, als würde sie ihn dadurch aufhalten können, als hätte er dann keine Möglichkeit zu gehen.

Ein Ruck ging durch seinen Körper, leicht, kaum wahrnehmbar, aber für sie doch so deutlich offensichtlich, dass sie beinahe zurückgetaumelt wäre. Er hob den Kopf und wandte ihn leicht zur Seite, blickte sie nun direkt an, direkt in ihre dunklen, viel zu großen Augen. Sie fragte sich, was er dort sah, was ihn veranlasst hatte, sie anzusehen. Doch die Frage beantworte sich selbst. Irgendetwas in ihr, flüsterte die Antwort  in ihr Bewusstsein, ließ die lähmende Angst noch größer werden.

Es war so weit.

Er hatte gewartet, hatte lange genug gewartet, wollte nicht länger auf Worte warten, die sie doch nicht fand.

Rijan wollte den Kopf senken, den Blick abwenden, wollte ihm nicht zeigen, dass sie verstand. Dass sie verstand, dass das hier sein Abschied war, dass er nicht länger gewillt war, auf sie Rücksicht zu nehmen, aber sie konnte es nicht.

Sein Blick fesselte sie, fesselte sie wie er es schon immer getan hatte. Und so stand sie nur da und starrte in dieses unfassbare Gold, dass ihr nichts sagte und doch alles verriet, was sie wissen musste. Eine Aufforderung, für seine Verhältnisse schon sehr deutlich bemerkbar. Die Aufforderung endlich etwas zu sagen, diesen Moment nicht zu vergeudend, denn er würde ihr keine zweite Chance geben, würde ihr nie wieder die Möglichkeit geben, dass hier zu beenden, so zu beenden, dass sie damit leben konnte. Denn sie sah, und das quälte sie noch mehr, sah, dass er um ihr Innerstes wusste, dass sie nicht leben wollte, leben konnte ohne ihn. Und obwohl er das wusste, änderte es nichts. Er wollte sie nicht, hatte sie nie gewollt und würde sie nie wollen. Die Endgültigkeit dieser Erkenntnis erschütterte sie. Ihre Augen weiteten sich und sie fühlte, dass etwas in ihm vorging, eine Regung, ein Gedanke, ein Gefühl. Irgendetwas, dass sie nicht greifen konnte, aber dennoch fühlte, trotzdem wahrnahm.

Sag etwas …

Als würde er die Worte aussprechen, so deutlich hörte sie sie in ihrem Kopf. So deutlich brannte er sie in ihr Bewusstsein durch einen einzigen Blick aus diesen unendlich ausdruckslosen Augen. Reden ohne Worte. Sie verstand nicht, wie er das machte, würde es wohl nie begreifen und konnte sich doch nicht dagegen wehren.

Schlug ihr Herz eigentlich noch?

Sie fühlte es nicht mehr, wusste nicht, ob es raste oder aufgehört hatte zu existieren. Fieberhaft suchte sie nach Worten, suchte sie nach Sätzen, die einen Sinn ergeben würden, doch waren da nur bedeutungslose Silben in ihrem Kopf, die sie nie und nimmer zu einem vollständigen Satz bilden konnte.

Rijan öffnete ihren Mund, nur um ihn sekundenlang offen zu halten und ihn dann wieder ohne einen einzigen Laut zu schließen. Sie hatte keine Worte, würde sie vermutlich nie wieder haben …

Er wandte sich ihr nun ganz zu. Sie blickte zu ihm auf, nahm seine Macht war, seine Ausstrahlung, die sie gefangen hielt, nicht weichen ließ und vollkommen lähmte. Sie fühlte sich von ihm überwältigt, fühlte sich von ihm umgeben, verstand nicht wie er das machte, warum er immer noch diese Auswirkung auf sie hatte. Verstand im Moment eigentlich nichts mehr.

"Rin …"

Ihre Augen wurden noch größer, sofern das überhaupt möglich war. Seine Stimme hallte von allen Seiten wieder, schien ihren Geist vollkommen auszufüllen. Sie zuckte leicht zusammen, war nicht vorbereitet auf seine tiefe Stimme, die diesen viel zu ruhigen Ort plötzlich auszufüllen schien.

"Wenn du etwas sagen möchtest, dann sag es jetzt!"

Ihr Verstand versuchte zu begreifen, was er ihr sagen wollte, versuchte die einzelnen Worte aufzunehmen und zu einem ganzen Satz zusammenzufügen, doch ihr Verstand schien plötzlich nicht mehr komplett zu arbeiten. Sie begriff nicht, was er von ihr wollte, was er meinte, starrte ihn daher einfach nur weiter an und versuchte diese Befangenheit in ihr loszuwerden.

Schließlich ergaben seine Worte doch Sinn und einmal mehr wusste sie nicht, was sie erwidern sollte, was ihre letzten Worte an ihn sein könnten. Sie blickte ihn an, bemerkte wie der Regen sich in seinen Haaren verfing, sie dunkler werden ließ, schwerer, sah wie sich einzelne Tropen aus seinem Haar lösten und sein Gesicht hinunterliefen. Doch es kümmerte ihn nicht. Kümmerte ihn nicht, wie ihn nichts kümmerte, was seinen Körper anging. Sie beneidete ihn darum, fühlte selbst plötzlich die Kälte, die der Regen in ihr auslöste. Sie zitterte leicht, konnte es nicht unterdrücken, verfluchte ihren Körper, der ihm einmal mehr vor Augen führte, wie erbärmlich schwach sie war. Sein Blick hielt immer doch den ihren gefangen – abwartend, ungeduldig.

Ihr musste etwas einfallen, irgendetwas, Hauptsache sie sprach endlich.

"Es regnet."

War das ihre Stimme gewesen?

Hatte sie diese unsinnigen Worte ausgesprochen?

Nein!

Nein, das konnte nicht sein. Das durfte nicht wahr sein, konnte nicht ihre Stimme gewesen sein. Von allen Worten dieser Erde hatte sie nicht gerade angefangen über das Wetter zu sprechen. Warum war das Leben so grausam zu ihr, warum spielte es mit ihr? Was hatte sie getan, dass einfach alles schiefgehen musste?

Er schüttelte seinen Kopf, ganz so als wäre er nunmehr vollkommen sicher, dass sie den Verstand verloren hatte. Sie hätte ihm wohl zugestimmt wären die Umstände anders.

"Rin, es ist nicht so schwer. Sag es einfach."

Wie zu einem kleinen Kind…

Das Kind, das sie einmal gewesen war.

Das er wohl immer noch in ihr sah.

War sie für ihn nie erwachsen geworden? Konnte er deswegen nicht sehen, was sie war? Dass sie eine Frau war, die ihn liebte, ihn wollte, ihn nicht gehen lassen konnte? War das der Grund für all die Dinge, die geschehen waren? Konnte es so einfach sein?

Die Einfachheit dieser Erkenntnis ließ sie beinahe zusammenbrechen, doch wenigstens dieses eine Mal verriet ihr Körper sie nicht und Rijan stand weiterhin aufrecht vor ihm, sank nicht auf den morastartigen Untergrund. Sie fühlte den Schlamm unter ihren Füßen, doch kümmerte es sie nicht weiter. Sie stand nur einfach weiterhin vor ihm und blickte zu ihm auf, wie sie es vor Jahren bereits getan hatte, wie sie es auch in hundert Jahren noch tun würde, würde er sie nur einfach bei sich bleiben lassen.

Aber er ging, ging und ließ sie allein zurück. Allein in einer Welt, die keinen Sinn mehr ergab, die nur noch grau war und kein Sonnenlicht mehr beinhaltete. Mit nichts als faden Erinnerungen,  die doch kaum der Rede wert waren. Mit nichts als ihren eigenen Gefühlen, die nie auf Widerhall stoßen würden. Er ließ sie allein, beendete die Verbindung, die sie beide vor so vielen Jahren eingegangen waren. So wie er es mit Chidori getan hatte, sie erst in sein Leben gelassen hatte um sie dann zurückzustoßen. So wie er es nun mit ihr tat. Dafür gesorgt hatte, dass er alles war, dass ihre Welt nur aus ihm bestand, um sie dann zerbrochen zurückzulassen.

Sämtliche Verbindungen zu lebenden Personen abbrechend…

In ihrem Schmerz sah sie nicht,  wie einsam das sein eigenes Leben machen würde, sah nur die Hölle, in die er sie entlassen würde. Verdammt zu unendlicher Einsamkeit, die kein Wesen dieser Welt jemals würde vertreiben können.

Niemand außer ihm.

Ihn, den es nicht kümmerte, dem es egal war, wie sehr sie litt, wie sehr sie ihn brauchte.

Bitterkeit erwachte in ihr. Bitterkeit, die sie nicht fühlen wollte, denn sie beschmutzten ihre Gefühle, verdarben was Gutes in ihr war. Doch auch das war ihm wohl egal. Was kümmerte schon das Leben eines einfachen Menschen...

Und plötzlich waren da Worte in ihrem Kopf, Worte, die sie würde sagen können, Worte, die aber so unendlich hässlich waren, dass sie nicht über ihre Lippen kommen wollten.

Sesshoumaru stand weiterhin still vor ihr, ließ auch diese Gefühlsregung über sich hinweg rollen ohne darauf zu reagieren. Wohl wissend, dass sie all das hier in seiner Anwesenheit erleben musste um nicht daran zu zerbrechen.

War das sein Abschiedsgeschenk an sie? Dass er ihr durch all die Gefühle, die eine Trennung von ihm verursachen würden, durchhalf, dass er ihr einen Weg zeigte damit leben zu können, dass er nicht bei ihr bleiben wollte? Sie schluckte schwer, versuchte zu verstehen was in diesem großen mächtigen Dämon vor sich ging.  Wollte er nicht bei ihr bleiben? Oder konnte er es nicht? Konnte er nicht ertragen, dass sie so schwach war? Wieder und wieder hatte er das schließlich zu ihr gesagt. Sie suchte nach einer Hoffnung, nach irgendetwas, dass ihr helfen würde, ihn zu verstehen, dass er doch Gefühle für sie hatte, dass sie ihm nicht egal war und übersah dabei das Offensichtliche. Er war schließlich hier, stand vor ihr und ging nicht einfach. So aber verzweifelte sie an der Hoffnungslosigkeit, die ihr Leben ihr von nun an zeigen würde. Es gab keine Hoffnung, keine Rettung, keine Lösung für ihr Dilemma. Er würde gehen, egal was sie sagte, egal was sie für Worte finden würde. Sie wusste, dass er es in ihrem Blick sehen konnte, dass er verstand, was sie nicht sagen konnte, dass sie nie die richtigen Worte für diesen Moment finden würde. Sie wollte ihm sagen, dass sie ihn liebte, dass sie ihn mehr liebte, als alles andere auf dieser Welt, doch die Worte hatten ihre Bedeutung verloren, machten die Sache nur hoffnungsloser und so schwieg sie weiter, starrte ihn an, aus ihren großen dunklen Augen, während der Regen weiter ihr Gesicht mit unvergossenen Tränen überzog. Denn Rijan hatte keine Tränen mehr, das wurde ihr jetzt und hier überdeutlich bewusst. Sie hatte keine Tränen mehr, die sie noch vergießen konnte, von nun an bis zu ihrem Ende würde sie nie wieder weinen. Sie hatte verloren was am Wichtigsten war, alles andere konnte sie nun nicht mehr berühren.

Erneut fühlte sie eine Schwingung von ihm, eine Welle, etwas, dass ihr unklar blieb. Sie fühlte nur, dass etwas in ihm war, dass da ein Gefühl herrschte, aber sie konnte es nicht greifen, konnte nicht verstehen, was sie da von ihm wahrnahm, so mächtig waren ihre eigenen Gefühle in ihr.

Es endete, endete hier und jetzt in genau dieser Minute. Sie würde für immer den Moment benennen können, in dem das Leben seinen Sinn verloren hatte.

Es endete mit den Worten: "Sayonara, Rin."

Rijan sah Sesshoumaru dabei zu, wie er sich wegdrehte, sie verließ, einfach ging und sie zurückließ. Sie hatte gedacht ihr Kopf wäre zuvor leer gewesen, doch das war nicht vergleichbar mit dem was nun kam. Da war nichts mehr, kein Gedanke, keine Überlegung - nur absolute Leere und Stille in ihren Gedanken. Sie sah ihn an, bemerkte, wie er sich wegdrehte, langsam, quälend langsam, als könnte sie jede einzelne Sekunde, in der er sie verließ für alle Zeiten wieder und wieder rekonstruieren. Als wollte die Zeit, selbst die verfluchte Zeit sie quälen, quälen bis in alle Ewigkeit.

Er wollte einen weiteren Schritt machen, bemerkte, aber ihre Hand, die immer noch seinen Ärmel festhielt, die nicht losließ. Ihr Blick war nun gesenkt, ebenfalls auf diese eine Hand, auf ihre Hand, die letzte Verbindung, die zu ihm bestand.

Loslassen, einfach nur loslassen…

Wie schwierig konnte das schon sein?

Es stellte sich heraus, dass es in diesem Augenblick das Schwerste der Welt war.

"Ri…"

"NICHT!", unterbrach sie ihn mit einer Stimme, die sie nie zuvor gehört hatte. Tief und gepeinigt von allem, was sie derzeit quälte.

" … nicht mehr Rin …"

Ganze Sätze waren nicht mehr möglich, waren in diesem Moment vollkommen undenkbar. Sie stotterte und hoffte, dass er dennoch verstand, was sie damit sagen wollte. Sie ertrug es nicht, wenn er sie auch nur noch einmal Rin nennen würde. Sie war nicht mehr dieses Kind, das er gekannt hatte. Sie war ein anderer Mensch geworden, eine erwachsene Frau, eine Person, die er nie hatte näher kennenlernen wollen. Und das schmerzte sie, denn er verurteilte sie für etwas, das sie einmal gewesen war, nicht für das was sie heute war. Erkannte nicht an, dass Menschen sich veränderten, älter wurden, an Reife gewannen.

Im Nachhinein konnte sie nicht mehr sagen, wie genau alles geschah, aber plötzlich ließ sie ihn los und warf sich gegen seine Brust, schlang die Arme um seinen Hals, zog sich dabei auf die Zehenspitzen hoch und presste ihren Lippen auf seine.

Zeit verschwand, verlor an Bedeutung, existierte nicht mehr als sich ihre Lippen berührten.

Irgendwo in ihr existierte der Wunsch, ihm zu beweisen, dass sie kein Kind mehr war, dass sie sich ganz wie ein Dämon auch alles nehmen konnte, was sie wollte. Doch dieser Gedanke, so klein er auch gewesen war, verschwand, verschwand in dem Moment als Rijan endlich nach all der Zeit diesen von ihr so geliebten Dämon küsste. Den Mut irgendwo hergenommen hatte, die Angst zurückgewiesen zu werden überwand und endlich den Kuss bekam, den sie schon immer von ihm hatte haben wollen. Hatte haben wollen, als er sie das erste Mal geküsst hatte, unter Umständen die nach seinen Aussagen kein Kuss waren, als sie seinen Sohn geküsst hatte, während er es war an den sie gedacht hatte.

Sie hatte ihn überrascht, sie fühlte es plötzlich mehr als deutlich, und dennoch hatten sich seine Arme automatisch um sie geschlungen, vermutlich mehr um ihnen beiden Stabilität zu geben als weil er wirklich den Wunsch nach einer Umarmung verspürte. Doch es spielte keine Rolle mehr.

Hier war sie nun, fest in seiner Umarmung, während sie den einen Kuss erhielt, den sie immer hatte haben wollen. Von dem sie geträumt und sich ausgemalt hatte, den sie mehr gewollt hatte als irgendetwas sonst auf dieser Welt.

Er hatte ihr einmal gesagt, dass sie ihn würde küssen müssen, wenn sie das wollte. Das fiel ihr jetzt wieder ein.

Sie hatte es nie getan, weil sie Angst gehabt hatte, Angst davor, dass er sie von sich stoßen würde, dass er ihr Ego vollkommen ruinieren würde. Doch sie war ein Idiot gewesen, heute und hier wusste sie das. Er wies sie nicht ab, hätte sie nie abgewiesen. Ihre Angst war nur Feigheit gewesen.

Sie fühlte seine Lippen unter ihren, fühlte diesen perfekten Mund sich unter ihrem sanften Druck entspannen. Die Überraschung verflog, der Moment jedoch dauerte an. Er wich nicht zurück, keinen Millimeter, kam ihr aber auch nicht weiter entgegen. Rijan würde sich nehmen müssen, was sie wollte, das wusste sie nun, fühlte es mit brachialer Gewalt.

Das Denken verblasste, zurück kamen Gefühle, unendlich viele Gefühle. Nie erlöschende Liebe, der unbändige Wunsch, das hier überdauern zu lassen. Sie liebte diesen Mann mehr als alles andere, wollte ihn mehr als alles andere und wusste doch dass sie nie bekommen würde, was sie wollte. Doch es war in Ordnung, es schmerzte sie plötzlich nicht mehr. Sie konnte von ihm bekommen, was er zu geben bereit war, damit konnte sie leben, damit konnte sie weitermachen.

Sie teilte ihre Lippen für ihn und hieß ihn willkommen, ließ zu, dass er sie fest an sich zog, dass er ihren Kuss vertiefte, ihr den Atem nahm, ihren Kopf berauschte, ihre Sinne umnebelte. Sie fühlte ihn, fühlte ihn in jeder Faser ihres Körpers, verschmolz mit ihm auf eine Art und Weise, die eigentlich nicht möglich war. Sie wusste nicht mehr wo sie endete, wo er begann, alles war plötzlich eins. Sie war er und er war sie. Kein Mensch, kein Dämon, weder Mann noch Frau, sie waren eins, eins auf die perfekteste Art, die es geben konnte. Er war ihr Gegenstück, ihre Perfektion, ihr alles. Das wusste sie, hatte es immer gewusst, fühlte es nunmehr aber überdeutlich. Sie keuchte nach Luft, konnte den Kuss aber trotzdem nicht unterbrechen, wollte nicht, dass er endete. Sie schob ihre Hände in sein dichtes Haar, fühlte die nasse Fülle und berauschte sich an dem Gefühl ihn berühren zu dürfen. Ihre Hände wanderten über seinen Rücken, seine Arme, zurück in sein Haar.

Ein Geräusch erfüllte die Luft, eines, das sie nie zuvor gehörte hatte, eines das irgendwie aus ihrer Kehle gekommen war. Sie stöhnte in seinen Mund, fühlte die Hitze in ihrem Bauch, in ihrem ganzen Körper, als würde sie brennen, lichterloh in Flammen stehen.

Sie hatte nie gedacht, dass es so sein würde, ihn zu küssen. Sie hatte es sich so oft vorgestellt und doch nie und nimmer in Erwägung gezogen, dass es so vollkommen ausfüllend war, ihm nahe zu sein.

Immer noch dauerte ihr Kuss an, sie japste nach Luft, küsste ihn dann jedoch weiter, saugte an seiner Unterlippe, lehnte sich in seinen Armen weiter zurück, damit er den Kuss noch mehr vertiefen konnte. Sie konnte nicht genug von ihm bekommen, er war wie eine Sucht, wie eine Droge, die sie vollkommen benommen machte, ihre Sinne umnebelte, ihr Sein auflöste. Sie war nicht mehr, existierte nur noch und fühlte sich so lebendig wie nie zuvor in ihrem Leben. Manchmal meinte sie zu fühlen, wie seine Mundwinkel unter ihrem hungrigen Kuss leicht zuckten, als würde er lächeln wollen, doch sie konnte nicht weiter darüber nachdenken, wollte mehr von ihm, wollte diesen Kuss für immer andauern lassen.

Doch das war nicht möglich, würde nie möglich sein. Es war sein Abschiedsgeschenk für sie, ihres für ihn. Oder was auch immer …

Es würde reichen um sie weitermachen zu lassen, um sie diese Welt überstehen zu lassen, um sie ihr Leben leben zu lassen.

Sie brachte alle Kraft auf die sie in sich hatte, wurde stärker als sie es jemals für möglich gehalten hatte, küsste ihn noch einmal mit aller Liebe, die sie fühlte, an seinen Lippen ein kaum wahrnehmbares "Sayonara" murmelnd.  Dann ließ sie von Sesshoumaru ab und löste sich in einer einzigen fließenden Bewegung von ihm, drehte sich um und ging.

Gerade als sie zwischen den Bäumen verschwinden wollte, sprach er ein letztes Mal zu ihr. Seine Stimme noch tiefer als gewöhnlich, ein donnerndes Grollen, beinahe wie ein herannahendes Gewitter. Bewegt von einem Gefühl, das sie nicht greifen konnte.  

"Ich komme zu dir zurück. Ganz am Ende komme ich zu dir zurück."

Sie wirbelte herum, die Augen riesengroß, obwohl sie wusste, was sie sehen würde.  

Nichts …

Sesshoumaru war fort!
 

*******************
 

So, das war es, it's over. Ich fühle mich ehrlich gesagt ein wenig leer, aber ich werd hier noch keine großen Abschiedsreden schwingen, ein Epilog wird noch folgen....
 

Das Kapitel selbst ... Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht. Dieses und das Letzte waren wohl das Schwierigste, was ich bisher geschrieben habe, weil es dieses unendliche große Thema Abschied zum Kernpunkt hat. Man kann über Abschiede ganze Romane schreiben, richtig? Ich hätte nicht gedacht, dass ich hinbekomme, das Ende von Rin und Sess zu schreiben, Chidoris Tod war schon schlimm genug, das hier. ICh weiß nicht ,das hier ist schlimmer, weil Chidori in ihrem Tod Erlösung fand, Rin jedoch ... naja, nicht, dass jemand auch nur noch eine Ahnung davon hat, was in diesen 22 Kapiteln alles geschehen ist, aber dass es nie auf Happy End hinauslaufen würde, war für mich jedenfalls schon immer klar. Würde man die Story im kompletten Lesen, wäre das wohl dem Leser klar. Jedenfalls hoffe ich das. Ich will nichts schreiben was überraschend passiert. Mit Sess ein Happy End zu schreiben liegt irgendwie nicht in meinen Möglichkeiten, es passt irgendwie nicht zu ihm. Aber immerhin ein wenig Hoffnung gibts ja am Ende. Ansonsten habe ich mir lange GEdanken darüber gemacht, was Rin in diesen letzten Zeilen sagen oder tun könnte, doch ich glaube das stärkste Bild ist letztlich wirklich das, dass es keine Worte dafür gibt und sie daher nichts sagen kann. Ich hoffe ich habe dieses Bild in Worte packen können (welch Ironie: Dass man Sprachlosigkeit in tausend Worte packen kann, hm?) Der Kuss - nya, sehts mir nach. Ich wollt immer nen Kuss zwischen den beiden beschreiben und wusste auch immer, dass sie ihn noch bekommt, allerdings würde Sess nicht von sich aus etwas unternehmen, wozu auch? Also musste Rin irgendwann mutig genug werden und ich denke ihn zu verlieren ist dafür der richtige Augenblick. Habe versucht es so zu beschreiben, dass sie aktiv ist, man aber dennoch irgendwie zwischen den Zeilen liest, dass er offensichtlich nicht abgeneigt ist. Ob mir das gelungen ist, könnt nur ihr beurteilen.
 

Mehr gibts dazu nicht zu sagen, fühl mich wirklich gerade sehr leer ...
 

ein letztes Mal:

bis demnächst

Rogue



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Von:  scippu
2012-04-14T16:28:21+00:00 14.04.2012 18:28
Oh weh...mir sind gerade zwei große blöde Sachen aufgefallen...
1. ich hab doch schon mal kommentiert. Ups...nun gut, der war ja nicht sonderlich wertvoll =)
2. ich habe deinen Namen falsch geschrieben. Und zwar dachte ich an eine andere Autorin, die sich tatsächlich Rouge nennt... Verzeih mir! Mein Gehirn setzt neuerdings Wort ganz automatisch in meinen Kopf, die dort eigentlich gar nicht stehen...ich sah wohl nur die Buchstabenkonstellation die der von Rouge ähnlich ist. Verdammich, es tut mir leid.
Rogue! =)

Grüße
Von:  scippu
2012-04-14T16:21:47+00:00 14.04.2012 18:21
Rouge, Rouge, Rouge...

Oh je, wo fang ich an.

Hallo erst mal.
Als ich deine Geschichten das erste Mal las, war ich jung und unreif und habe sie wohl nicht ganz verstanden. Gewürdigt habe ich sie wohl überhaupt nicht genug, denn ich hab nie etwas hinterlassen, um dir zu sagen, wie sehr ich es dennoch immer genossen habe, in deinem Geschreibsel zu schwimmen ;-)

Also, hier der erste Kommentar, der, und das kommt hoffentlich bei dir an, für all die stehen soll, die ich vor langer Zeit hätte hinterlassen sollen..nein MÜSSEN!

Heute bin ich älter und zum Glück auch etwas reifer, deswegen bilde ich mir ein, mit deinen Texten besser zurecht zu kommen. Wie außergewöhnlich dein Talent und auch diese Geschichte ist, war mir damals nicht klar, umso deutlicher weiß ich das jetzt! =)
Glücklicherweise habe ich die Geschichte nie aus der Favoritenliste aussortiert. Wahrscheinlich weil ich irgendwie immer wusste, dass es sich hierbei um etwas ganz besonderes handelt, bzw. dass sie es einfach wert ist, auch, wenn ich dann als Schwarzleser an den Pranger gestellt als Favorisierer deiner Geschichte auftauche. =) Ich hab immer gehofft, dass ich mal den Mut finde, mich dafür zu entschuldigen und dir letzlich doch noch zu huldigen.
Aaaalso: pass auf.

Es gibt wenige, die den Charakter Sesshoumarus so zu behandeln wissen, wie du es tust. Allen Dank der Welt dafür für dich, denn du bist eine der wenigen Raritäten in dem Fanuniversum, die es wirklich als das aufrecht erhält, weiß es eigentlich sein sollte. Nämlich eben als Fanuniversum. Denn wir lieben diese unzähligen Bücher, Spiele, Filme, Mangas usw. im Allgemeinen ja genau für die Einzigartigkeit ihrer Charaktere. Oder nicht? Nun, wahrscheinlich auch noch für vieles anderes, ich möchte hier keine Abhandlungen darüber verfassen...*hust*

Aber diese Abänderungen, diese charakterliche Verschandlungen, zu denen es zugunsten der persönlichen Wunschvorstellungen und Träume der "Autoren" leider nur zu häufig kommt...nun, ich kann es einfach nicht mehr ertragen. Dass es schwer ist, möchte ich ja hier nicht abstreiten. Es ist schwer!!! Ja!
Und deswegen bist du und diese Geschichte so sehr zu bewundern!

Sesshoumaru darf bei dir bleiben, wie er ist. Und das ist wunderbar. Allein, dass du dir von vornherein verboten hast, etwas happy-end ähnliches zuverfassen, zeugt von dieser Stärke. Und Gott, ich danke dir dafür! Denn das macht diese Geschichte zu dem, was sie ist: wie Kiero vor mir so treffend schrieb- ein Meisterwerk!
Und so etwas von mir...der Happy End Queen! ;-)

Das Kapitel ist absolut bezaubernd. Ich war so gefangen in den Worten, in der Stimmung. Ich liebe deiner Art die normale Syntaxe aufzubrechen und Sätze zu schreiben, die sich nur auf die Vorangegangenen beziehen, wenn du Dinge oder Situationen beschreibst.
Ich erinnere mich nicht mehr an ein Beispiel, aber ich meine z.B. so Sätze wie...."Die Haare silbern, die Augen schwarz." Das kam bei dir nicht vor, so banal würdest du wahrscheinlich nur selten und nur in passenden Situationen schreiben, aber ich hab das Gefühl nicht richtig beschreiben zu können, was mir gefällt, an deiner Art zu schreiben. Und ich möchte gern, dass du es erfährst!

Die Thematik des Abschieds...bombastisch!
So ergreifend und überaus passend. So menschlich!
Die Worte ergaben so viel Sinn für mich, dass ich Rin (darf ich sie noch so nennen? ;-)) verstehen konnte, auch wenn ich mich noch nie in so einer Situation befunden habe.

Die Übereinkunft des Wetters mit ihrem Innenleben. Wie gut es harmonisiert und verschmilzt, zu einer Realität, die fast greifbar ist. Zwischendurch hatte ich nicht mehr einfach nur das Gefühl eine Geschichte zu lesen. Wahrscheinlich, weil du einfach so viel Herzblut und Gedanken in dieses Kapitel gesteckt hast. Mit so viel Hintergrund schreiben wohl Wenige.

Du bist deinen Charakteren die gesamten Kapitel über treu geblieben. Sie waren immer dieselben und haben sich höchstens als solche, in ihrer persönlichen Art entwickelt.

Die Idee hab ich von Anfang an als absolut toll empfunden.

Rin als Erwachsene und ihre Beziehung zu Sesshoumaru. Realistisch, so wie es nur geht, wenn man eigene Fiktion zu einem Manga auf virtuelles Papier bringt. Aber das heißt ja nichts. Fanfiktion sollte sich ja eben gerade in den Regeln und Gesetzen dieser Welt bewegen, in der sie eben handelt. Und dir gelingt das....zur Perfektion würde ich sagen.

Aus dem Inu Yasha Fandom bin ich lange heraus gewachsen, aber ich wage trotzdem zu bezweifeln, dass es eine Geschichte (vor allem im deutscsprachigen Raum) gibt, die an diese hier von dir heran kommt!
Und das meine ich mit all der Ernsthaftigkeit, die ich aufbringen kann. Nach diesem Kapitel ist das ne anständige Menge, glaub mir.

So, nun hab ich lang nicht das gesagt, was ich irgendwie sagen möchte, da geht es mir wie deiner Protagonistin ;-) aber mir fehlen die Worte. Das ist vielleicht ein wenig plump, das würde ich nicht abstreiten, aber ich habe das Gefühl, egal was ich auch sage bzw. schreibe, es wird dem was du hier geschrieben hast in keinster Weise gerecht.

Also lass ich es und sag dir einfach nur, dass ich tief begeistert und beeindruckt bin.

Danke, dass du das hier geschrieben hast...und noch daran schreiben wirst. Auf den Epilog freue ich mich wie ein kleiner Schneekönig, oder eher wie dessen Frau ;-)

Es könnte in alle möglichen Richtungen gehen...


Und ich danke dir für diesen Kuss. Nie habe ich einen Kuss von Sesshoumaru so genießen können, denn nie, gott, nie war er so passend! Ich gebe dir vollkommen recht, nie würde er dahingehend die Initiative ergreifen.
Dass du ihn den Kuss erwidern lässt war Balsam für mein Herz, das für Rin kleine, schmerzhafte Blutstropfen tropfte.
Du verleihst ihr in gerade diesem Kapitel eine solch tiefgehende menschliche Stärke.
Der Wahnsinn.

Für mich wird sie immer unsterblich bleiben!!!

Voller Hochachtung

Lena

Von:  Lyndis
2012-04-12T22:38:48+00:00 13.04.2012 00:38
ich kann nciht viel sagen.
ich bin am heulen...
das hat mich gerade mal voll umgehauen...

auch wenn cih zu meiner schande gestehen muss dass ich das kapitel nciht ganz gelesen habe.. es ist furchtbar langatmig und macht es einem schwer es wirklich voll zu lesen..
ich hab (zu meiner schande) ein paar absätze übersprungen.. du mögest es mir verzeihen..

ich sag dir auch ganz ehrlich.. ich finde es schade dass es kein happy end ist aber es hätte auch irgendwie nicht gepasst...
die story war düster von beginn an und das ist eben das düstere ende davon...

Ich bin gespantn auf den epilog..
ich wünsche mir eine zusammenfassung von rins leben und die letzten augenblicke darin wenn sess sich nochmal verabschieden kommt^^

ich verabschiede mich in höchster hochachtung

Lyn
Von:  Lynnnn
2012-04-12T11:01:46+00:00 12.04.2012 13:01
Übrigens ist Sesshoumarus letzter Satz GOLD Wert! xD
Von:  Lynnnn
2012-04-12T10:51:06+00:00 12.04.2012 12:51
Scheiße!! Hab grad voll lust noch ein RIN SESS Doujin anzufangen. Auf der Stelle!! Um dieses traurige.... ARG... zu beseitigen! xD'' Sorry übrigens, dass ich schon länger nicht mehr da war bei deiner FF. Irgendwann les ich sie mir nochmal komplett durch!! xD Hach~ Ich liebe dich nach wie vor für diese FF... fallst noch weißt wer ich bin. xD''
Von:  Kiero
2012-04-10T22:36:50+00:00 11.04.2012 00:36
Deine FF ist einfach ein wahres Meisterwerk... Puh... also... ich bin noch ganz aufgewühlt.
Als ich angefangen habe, dieses Kapitel zu lesen, wurde es mir mit jeder Zeile schwerer ums Herz. Du kannst mit so einer Ausdruckskraft schreiben, das ist unglaublich!

Es ist als... wie soll ich es sagen... als würden alle Gefühle der Personen zu einem rüber schwemmen, einen mitreißen und... ja...
Auf jeden Fall ist mir dieses Kapitel sehr viel wert, da ich selbst schon so viel mit Abschieden zu tun hatte und damit auch zum Teil Probleme habe. Du hast Rins gefühle, ihren Schmerz und ihre Verzweiflung, sehr gut vermittelt, ich glaube man kann das nicht besser machen.

Ich persönlich mag Happy Ends viel lieber, aber in diesem Fall hast du schon Recht. Ein Happy End im Sinne von "Alles Supi! :D" ist mit Sessho nicht wirklich möglich, das passt einfach nicht zu ihm...
Daher finde ich dein Ende sehr gut und auch eher in Richtung Happy End, für Sessho Verhältnisse, wenn du verstehst was ich meine... xD Hab manchmal Probleme mich auszudrücken. ^^"
Du hast ihn einfach perfekt getroffen, meiner Meinung nach.

Die Kuss Szene ist überragend! Du beschreibst das mit so viel Gefühl... auch hier kann man sich sehr gut in die Charakter hineinversetzen.
Ich sag das sehr selten... Aber meiner Meinung nach bist du unglaublich talentiert in Sachen schreiben.
Es kommt nicht oft vor, dass ich von einer FF, von einem Schreibstil, so begeistert und mitgerissen wurde.
Ich lese sehr viel und auch die unterschiedlichsten Sachen und mir gefallen viele Dinge, aber... Ja, dein Schreibstil gehört zu einem der wenigen, die mich ganz und gar ansprechen.
Woah... ich fühl mich gerad wirklich komisch. :)
Ich bin froh, dass ich diese FF lesen durfte, bzw. lesen darf und das du sie nicht aufgegeben hast! :D
Auf den Epilog freue ich mich natürlich auch. ^^
Von:  Aarilyn
2011-12-05T12:24:03+00:00 05.12.2011 13:24
Hiho^^

ich bin eigentlich nur über deine Story gestolpert weil ich eine mit dem selben Namen habe xD
Aber da siegte die neugierde, und ich muss sagen: Super! Deine Story is der Hammer. (Hab mir auch den ersten Teil durchgelesen!)

Hoffentlich geht es bald weiter :D Ich bin schon ganz neugierig

Luxx
Von:  La-Issis
2011-11-08T15:36:51+00:00 08.11.2011 16:36
Wow, ich hatte eigentlich auch total damit abgeschlossen, dass diese ff jemals noch weitergehen würde, und hatte vor ner halben Stunde so ne Eingebung haha und dachte mir: guck dochmal nach, vllt gehts doch weiter!" und dann wars tatsächlich der Fall :) find ich super, hab nur leider den roten Faden verloren un dmuss mich nochmal durchlesen :D aber trotzdem toll, dass es weitergeht =)
Von:  MorgainePendragon
2011-10-09T16:38:51+00:00 09.10.2011 18:38
Oh Rogilein...
Ich weiß gerade überhaupt nicht... ich bin so durcheinander, so gerührt, so tief bewegt. Ich glaube ich sollte besser nicht sofort einen Kommie schreiben, weil er wahrscheinlich viel zu rührselig ausfällt, in der Stimmung in der ich jetzt bin. Aber herrjeh, ich mag auch nicht warten. Denn genau das ist es ja, dieses Gefühl, das ich exakt nach dem Lesen eines wirklich guten, befriedigenden, schlimmen und anrührenden Kapitels, einer Geschichte, eines Buches immer auch festhalten möchte. In Worten, im Herzen, im Geist. Irgendwie, irgendwo festhalten.
Keine Ahnung, ob ich das schaffe.
Vor Jahren hab ich immer mal, wenn ich ein gutes Buch, eine tolle Geschichte beendete, und sei es nach Mitternacht, mich auf meinen Hintern gesetzt und meine Gedanken dazu aufgeschrieben. Gedanken, die nur ich verstand, und die mir Jahre später schwer fielen selber zu verstehen, als ich das las, was ich da geschrieben hatte. Es ist dieser eine, magische Moment, der so schnell vergeht, der aber so verdammt wichtig für mich als Leser ist.
Und das hier, ja, das hier Hasi ist ein Meisterstück an das ich mich erinnern WILL. Ungelogen und unbedingt.
Es ist dein Herzblut. Jede einzelne Zeile atmet dich und deine Liebe zu einem Chara, die ich schon fast nicht mehr als greifbar angesehen habe. Wie konnte ich? Sie war da. Und "bei allem was mir heilig ist" (<-eine deiner neuen Lieblingswendungen in diesem Kapi^^), du hast sie erneut und so viel heftiger zelebriert als sonst. So heftig, dass ich weinen musste. So inbrünstig. So glaubhaft innerhalb eines fiktiven Universums.

Ich habe vorhin "The Legend of Gingko" geschaut und war in einer ganz seltsamen Stimmung. Ich glaube, es war die richtige Stimmung, um das hier zu lesen. Ich habe auch TATSÄCHLICH nochmal das komplette Kapi davor gelesen und meinen Kommie dazu. Hat mich anderthalb Stunden gekostet, da ich mich wieder richtig "hineinfühlen" wollte in die Situation. Hat gut funktioniert, wirklich. Und mehr oder weniger war ich ja nun vorbereitet auf das was kam, durch dich, durch die Stimmung, in die ich mich selbst versetzt hatte, durch das Lesen der Vorgeschichte. Aber irgendwie... Man kann noch so oft davon hören und es angekündigt bekommen. Wenn man das dann liest... Heilige Scheiße...

Ich habe so geweint, Hasi. Was machst du nur mit mir?
Ich begann zu weinen, als die kleine Rijan sich aus Akikos Griff losriss und zu Sess lief, der ungebrochen und stolz inmitten des Chaos stand und ich weinte noch mehr, als sie ihn umarmte und ganz festhielt… Oh Gott… Das tat weh, richtig weh… Ich WAR in dem Moment Rijan… Wollen wir das nicht alle sein??? Es tat weh. Aber es war auch so gut, denn es war das, worauf ich so lange gewartet hatte irgendwie. Dass er dies auch nicht verhindert. Dass er ihre Umarmung zulässt. Und sie so viel Trost darin findet.

Und wie du ihn beschreibst. Auch durch Chis Augen am Schluss. Das sind nicht ihre Gedanken. Das sind DEINE. Und ich lese das aus jedem einzelnen Wort heraus, dass es DEINE Gedanken und Gefühle sind Hasi. So viele verdammte Jahre. Aber DARAN hat sich nie etwas geändert und es wird sich auch nicht ändern. Diese Hingabe, diese Liebe. Jedes noch so kleine Detail seines Gesichtes, seiner Gestalt. Gott wie ich das verstehen, wie ich das nachvollziehen kann. Und wie sehr ich verstehe, dass Chi selbst in ihrem Tod dann auch glücklich ist, DAS ALLES noch einmal zu sehen. Wie er bei ihr bleibt bis zum Ende. Wie er ihr Recht gibt. Wie er sie versteht… Au… AU! Das tut so weh…
Und sie ist so selbstlos…
Wie sie über Akiko, über Rijan spricht! Dass er ihr schneller verzeihen soll als ihr selbst, weil ihr Leben so viel kürzer ist…
Ganz wunderbare Worte hast du gefunden, Hasi, um all das zu beschreiben. Dieses, mit dir fand ich meinen Anfang und mit dir endet es auch, oder so ähnlich. Wunderschön und tieftraurig.
Wenn auch nur für sie.
Denn er fühlt ja nichts. Aber dass er zuvor auch nichts gefühlt und eigentlich nie etwas gespürt oder ihn etwas berührt haben soll, selbst jetzt der Tod dieser beiden Frauen nicht, das glaube ich nicht. (Also, der Tod seiner Mutter schon, keine Frage. Klar lässt ihn das kalt.)
Gerade jetzt wo ich das Kapi davor noch einmal gelesen habe… Diese Worte, die er da zu Chi sagt, sowas wie „Ich werde bei dir sein und dich nach Hause führen“, als sie da in seinen Armen beinahe den Verstand verliert. Das KANN er nicht ohne Gefühl dahinter gemeint haben! Oder doch? Er fühlt sehr wohl manchmal was und Aussagen wie diese implizieren das doch wohl… *sigh* Sess ist so schwierig. Aber gerade das macht ihn auch so faszinierend und anziehend… Hast du extremst gut beschrieben… Diese Aura… Dieses Myteriöse. Dieses überirdisch Schöne. Und zugleich so vollkommen UNverständliche… *megasigh*
Adelig durch sein Auftreten. Immer noch. Völlig gleichgültig, ob ihm sein Vater dieses Geburtsrecht nun absprach oder nicht. So wie du ihn beschreibst, wie er sie trägt. Wie er sie nach Hause bringt.
Omg, ich konnte die Zeilen nicht mehr sehen, weil sie vor meinen Augen verschwammen.

Ich liebe es, ich liebe jedes einzelne Wort davon. Und es hätte auch das Ende sein können, keine Frage, wobei ich natürlich als absoluter Rin(n)janxSess-Fan geradezu ERPICHT darauf bin, was nun zu DIESEM Thema wohl noch kommen mag.
Außerdem…
Magst du meinen Alter Ego Saya nicht mal in einer deiner nächsten Storys mit Akiko verkuppeln???? Ich mache ihm hiermit offiziell einen Heiratsantrag! *lach* Ich vergaß, wie unglaublich verliebt du mich in SEINEN Sohn gemacht hast, allein durch Worte. So sehr, dass ich mich sogar zu einem Bild hinreißen ließ! *sigh* Wie kann man den Sohn von Sess NICHT lieben???? (Also, der Antrag ist ERNST gemeint!^^)

Ich finde, du hast dir damit ein kleines Denkmal gesetzt, Hasi. Das ist DEINS. Dein Chara, dein Herzblut, deine Liebe, deine Welt. Und egal was du davor und danach noch schreibst, es wird alles immer um dieses hier kreisen und sich darum herum gruppieren und ansammeln, denn dies hier ist das Zentrum aller deiner Empfindungen. Ich sehe das. Ich erfasse und versteh das. Und ich weine mit dir um einen fantastischen Chara, eine starke Frau, eine mutige Dämonin, die letztendlich doch schwach sein durfte und weinen konnte, die alles getan hat für ihren Sohn und ihre Liebe. Und ich habe sie jetzt, am Ende aller Kapis, nun tatsächlich vollkommen ins Herz geschlossen. Wer kann das nicht, bei DIESEN Abschiedsgedanken, die sie da hat???

Hasi, oh mein Gott, Hasi, dein Kapitel macht mir Mut. Ich werde eines Tages vielleicht auch die Kraft haben, Shinta zum Ende zu führen. Auch wenn es mich vor seinem Ende graust…
Und was das Zugrabetragen des eingenen Charas angeht… Nun ja… Ich bin auch durch diese Hölle gegangen. Genau wie du. Und nirgendwo war es so schlimm wie bei Kenshin in The waves of time. Denn mit ihm habe ich dort eine Liebe zu Grabe getragen. Und ganz gleich was davor und danach kam, das hat sich tief in mich hineingebrannt und verdammt weh getan. Und Kenshin sterben zu lassen war, ist und bleibt immer das Schwerste für mich. Ich weine während ich schreibe, verdammt noch mal. Das MUSS doch etwas bedeuten. Und daher kann ich dich so gut verstehen, dass dir das unendlich schwer fiel das zu schreiben. Noch viel schwerer, weil du deine persönliche Hölle durchlebt hast nur an diesem Punkt anzukommen.
Aber soll ich dir was sagen?
Ich bin verdammt stolz auf dich. Und ein wenig auch auch mich. Denn da, wo wir jetzt angekommen sind, ist nun die richtige Zeit gewesen, damit du DAS HIER vollenden konntest.
Ich freu mich so!
Aber zugleich heule ich schon wieder.
Es ist dieses Gefühl des absoluten Verlassenseins, wenn eine wunderbare Geschichte endet, wenn man sich von geliebten Charas verabschieden muss. Wenn man eine Geschichte schließt, ins Regal zurückstellt und genau weiß, beim nächsten Lesen empfinde ich es nicht mehr genau so, wie ich es jetzt empfand. Und deshalb nun diese Worte. So viel Kommentar für so viel Herzblut deinerseits, mein Hasi. Denn es hat mich echt umgehauen. Ich werde mich durch diese Worte hier hoffentlich in der Lage sehen, mich DOCH an das zu erinnern was ich empfand, als ich es las.^^
Also auch ein wenig… Eigennutz^^.

Ich denke nicht, dass dein Byakuya jemals an diese Darstellung eines geliebten Charas heranreichen wird. Und ich sage das nicht, um dir den Wind aus den Segeln zu nehmen für alles was du noch schreibst. Überrasche mich! Vielleicht klappt es ja doch! Aber ich denke es nicht. Ich sage das nur, weil ich möchte, dass du dich nicht selbst unter Druck setzt, weil ich will, dass du dich von dem Gedanken löst das womöglich mit Byakuya gleichzutun, es genauso schaffen zu MÜSSEN. Das musst du nicht. Mach es, wie es dir in den Sinn kommt, wie es sich für dich richtig anfühlt. Das ist dann DEIN Weg und der für dich richtige. ^O~ Und das ist dann auch perfekt. Wie Chidori so schön sagte: Für dich war ich perfekt.
Für mich bist du das schon lange.

Vielen Dank für’s Teilen, Hasi.
Freu mich immer wieder etwas von dir zu lesen.
*verbeug*
Ich verzieh mich besser. Ich wird echt rührselig gerade…
R32!
Immer!^^

Von:  Lyndis
2011-10-06T11:09:54+00:00 06.10.2011 13:09
*mich tief vor dir verneige*

ich weiß gar nciht so rehct was ich sagen soll...
du hast mir mit diesem kapitel etwas gegeben.. was ich so lange nciht gehabt hab...
tiefe und vollständige zufrieden.. diese ganze stimmugn hat sich unglaublcih auf mcih übertragen, ich bin so gerührt, dass ich am weinen bin, aber es ist ein gutes gefühl... es fühlt sich richtig an... ich bin zufrieden...

es ist so großartig, dass ich keine worte dafür finde...
es war ein würdiger abgang, eines solche komplexen charakter...
ich bin stol auf dich obwohl ich dich nicht kenne..
und ich bin so unendlich froh udn dankbar, dass du mir diesen augenblick noch geschenkt hast

vor ein paar tagen ist mir diese story hier wieder in den sinn gekomme, ehrlich, hätte ich nicht heute eine klausur geschrieben, hätte ich mir wohl die zeit genommen dich mal zu fragen ob es weitergeht, aber die frage hast du mir ohne zu wissen hiermit beantwortet..


ich ziehe meinen Hut vor dir

und verabschiede mich sprachlos


Lyndis


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