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Escaflowne-Rise of the Goddess

~Fate of Gaia~
von

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~~Forgotten voices and the vision of eternal darkness~~

Hallo Leutz!!!!!
 

Sooo, ich kann es kaum glauben 0.o Wir sind ein Kapitel weiter. Hammerhart, hätte nicht gedacht dass es "so schnell" geht *zwinker*

Nuyah, erstmal sorry dass ich in letzter Zeit so faul war aber..naja, Schulabschluss etc ham mich n bissl auf Trab gehalten^^ Dafür werd ich mich jetzt umso mehr dahinter klemmer *sonst tritt mir Jo in den Allerwertesten^^*

Das is erstmal der Anfang des Kapis, ich weiss es is net viel aber ich liefere noch was im Laufe der Woche nach^^'
 

Ach ja, und natürlich möchte ich mich bei euch mal wieder für eure megalieben Kommis bedanken 0.o *das bin ich, wenn ich die Kommis les* *Augenrausfall*
 

Danke! *alledrückt*

Ich hoffe ich kann euch weiterhin einigermaßen gescheit unterhalten*g*
 

Ach und noch was...ich hab in der zwischenzeit schon ZWEIMAL (!) geupdatet, aber animexx hat das irgendwie nie angezeigt 0.o Keine Ahnung wieso *drop*

Naja ich hoffe mal dass es dieses Mal klaüüt *smile*

Also, ich hoffe ihr seid auch weiterhin dabei bei meiner kleinen, bedeutungslosen FF
 

*alle nochmal drückt*
 

PS: Anfangssong nicht von mir, sondern von X-Japan (Crucify my love) *schmacht* T.T
 

*********************************************************
 


 


 

~*~

Crucify my love - If my love is blind

Crucify my love - If it sets me free

Never know, Never trust

That love should see a color

Crucify my love - If it should be that way
 

Swing the heartache - Feel it inside out

When the wind cries - I'll say good bye

Tried to learn, Tried to find

To reach out for eternity

Where's the answer - Is this forever
 

Like a river flowing to the sea

You'll be miles away, and I will know

I know I can deal with the pain

No reason to cry
 

Crucify my love - If my love is blind

Crucify my love - If it sets me free

Never know, Never trust

That love should see a color

Crucify my love - If it should be that way
 

'Til the lonliness shadows the sky

I'll be sailing down and I will know

I know I can clear the clouds away

Oh is it a crime to love
 

Swing the heartache - Feel it inside out

When the wind cries - I'll say good bye

Tried to learn, Tried to find

To reach out for eternity

Where's the answer - Is this forever
 

If my love is blind

Crucify my love - If it sets me free

Never know, Never trust

That love should see a color

Crucify my love - If it should be that way...

~*~


 

Es grenzte schon beinahe an Grausamkeit, doch die Welt interessierte es nicht welches Leid ihre Geschöpfe in diesem Augenblick erfuhren. Sie war zu schwach, zu gepeinigt von all dem Schmerz, der ihr über Jahrhunderte zugefügt wurde. Wie sehr sie sich nach Erlösung sehnte, wusste insgeheim jedoch nur eine....
 

Nichts war mehr da. Nichts mehr war übrig von der schrecklichen Farbe, die noch vor Momenten an ihren Händen klebte. Etwas hatte sie aus ihrem finsteren Schlaf geweckt, aus einem Traum, der ihr so schrecklich vorkam wie nichts zuvor. Hitomi konnte es sich nicht erklären, doch das, was ihr heute nacht wiederfahren war zog einen solch tiefen Schmerz mit sich nach, das man glauben konnte er existiere gar nicht. Etwas furchtbares hatte stattgefunden, und sie spürte wie sich ihre Kehle zuschnürte wenn sie auch nur daran dachte.

Benommen blickte sie um sich. Die Sonne ging gerade auf und die ersten Strahlen wärmten ihre kühle Haut. Trotz des Schlafes fühlte sie sich erschöpft, und für einen kurzen Moment schloss sie die Augen. Doch als leise Schritte ertönten blickte sie wachsam auf.

Als Hitomi erkannte, wer da auf sie zukam zwang sie sich ein Lächeln auf die Lippen.
 

"Ich habe mir gedacht, dass ich dich hier draußen finde..."

Einen Augenblick zögerte sie, doch schließlich setze sich Aina ebenfalls auf den harten Holzboden.

"Ich....konnte nicht schlafen.." erwiderte Hitomi und blickte zum Himmel. Ein Windhauch kam auf, und sie spürte dass die Luft sich veränderte. Sie roch plötzlich anders...

Aina beobachtete sie und bemerkte ihre Abwesenheit. Es war anders als sonst, dessen war sie sich sofort bewusst.

"Ist irgendetwas passiert?" fragte sie nun vorsichtig, und kurz schien es so als habe Hitomi sie gar nicht gehört. Doch schließlich schüttelte sie nur den Kopf. Aufmerksam musterte Aina ihre Freundin, und dann bemerkte sie sofort die Arme, die sich seltsam fest um ihren Bauch geschwungen waren.

"Hast du Schmerzen?"

Endlich schien Hitomi aus ihrer Starre zu erwachen, und überrascht hob sie die Arme. Zweifelnd blickte sie an sich hinab, und als sie sicher war dass nichts zu sehen war ließ sie sie wieder sinken. Ainas Frage blieb unbeantwortet. Eine Weile herrschte Schweigen zwischen ihnen, bis Aina erneut ansetzte...

"Ich bin aufgeregt....Noch nie war ich so weit weg von Zuhause...Niemals hätte ich gedacht, dass ich darüber einmal glücklich sein werde."

"Niemand kann es dir vergönnen..." antwortete Hitomi leise.

"Weißt du...ich hatte einen Schwester...eine kleine Schwester. Sie war gerade mal sechs, als sie starb..."

Hitomis Blick glitt zu Aina, und schweigend deutete sie ihr an, dass sie weitersprechen sollte.

Dankend nickte sie, und fuhr schließlich fort..

"Ich habe noch nie darüber gesprochen...Ehrlich gesagt, manchmal habe ich es sogar vergessen...Sie war krank, und keine der Kräuter und Heiltränke konnten ihr helfen. Meine Mutter war bei ihrer Geburt damals gestorben, und mein Vater hatte nicht mehr die Kraft sich um sie zu kümmern...Er war ein gebrochener Mann, und schickte uns eines Morgens nach Pallas...Dort wohnte unsere Tante, bei ihr sollten wir leben und sie sollte sich um meine Schwester kümmern. Zuhause habe ich mich um sie gekümmert so gut es ging, doch ich war doch selber noch ein kleines Mädchen...Ich verüble es meinem Vater nicht, wirklich...er wusste ja nicht, in welche Hölle er uns steckte.."

Sie atmete tief ein und erinnerte sich an die lange Fahrt nach Pallas, auf einem Ochsenkarren, ihre Schwester auf ihrem Schoss...

"Eigentlich war sie ein ganz normales Mädchen, doch mit der Zeit wurde sie immer schwächer. Es gab Tage, da konnte sie kaum aufstehen...Und eines Tages stand sie auch nicht mehr auf..."

"Aina du musst nicht..." erwiderte Hitomi leise, doch das andere Mädchen winkte nur ab und blickte sie mit einem gequälten Lächeln an.

"Es tut gut, darüber zu reden...Auch wenn es nur ein einziges Mal ist, es ist befreiend. Und Freiheit, das wünsche ich mir schon lange..."

Über ihren Köpfen flogen einige Vögel hinweg, und ihr Zwitschern hallte leise zu den beiden Gestalten auf dem Flugschiff herab. Es war, als stimmten sie ihren Worten zu...

"In der Nacht, als sie starb da....da wusste ich, ich hatte in diesem Haus keinen Platz mehr. Für meine Tante war die Angelegenheit damit erledigt, sie hatte keine Verwendung mehr für mich. Also schickte sie mich ins nächste Dorf, zum Arbeiten...Sie sagte, ich solle da in einem Gasthaus in der Küche arbeiten...Nun, was soll ich sagen...Quilla hatte wohl andere Pläne mit mir.."

Wissend nickte Hitomi, sie wusste es gab keine Worte die das Vergangene beschreiben konnten.

"Deine Schwester ist bestimmt stolz auf dich...."

Mit einem traurigen Lächeln beobachtete sie, wie Aina vereinzelte Tränen die Wangen hinab liefen während sie antwortete.

"Ich weiß..."

Das laute Zuschlagen einer Tür ließ beide aufschrecken. Die Bordtüre, die zum Inneren des Flugschiffes führte, wurde grob zugestoßen und eine hochgewachsene Gestalt kam auf sie zu. Obwohl ihre Glieder immer noch schwer waren stand Hitomi auf, und Aina tat es ihr gleich.

Hitomi erkannte sofort, wer da auf sie zuging und sie konnte nicht verhindern dass ihre Wangen leicht rot wurden, als sie sich an vergangene Geschehnisse erinnerte..

Schließlich blieb der breitschultrige Mann vor ihr stehen.

"Was treibt ihr euch hier draußen herum, da sucht man ja ewig.." murmelte Kaan gereizt und sein Blick blieb fragend an Aina haften, die sich schnell die Tränen wegwischte.

"Es interessiert mich herzlich wenig, weshalb ihr hier draußen herumlungert, doch ihr solltet euch lieber nach drinnen begeben."

Er wollte schon kehrt machen und wieder verschwinden, doch eine Frage hielt ihn zurück.

"Und warum?"

Hitomi war für einen Moment selbst überrascht, woher sie plötzlich den Mut hatte ihm etwas entgegenzubringen. Doch als er sich erneut umdrehte und sie durchdringend ansah, wich sie innerlich tausend Schritte zurück. Alles, was er in diesem Moment empfand, spiegelte sich in seinem Gesicht wieder. Und während er sie ansah, spürte Hitomi genau was es war..

Er verachtete sie zutiefst. Es schien ihr schon beinahe so, als wollte er sie am liebsten über die Reling stoßen. Sie erinnerte sich genau an die Nacht...
 

"Van bist du..........hier.....?"
 

Seine raue Stimme holte sie aus ihren Gedanken zurück, und ehe er sich abwandte und zurück in Richtung Tür ging antwortete er ihr...

"Wir kommen an....Geht hinein, Sekir wird bald landen...mit oder ohne euch auf dem Schiff.."

Die Art, wie er seine Worte an die beiden Frauen richtete, zeugte von solcher Schwere dass sie noch lange in der Luft zu schweben schien. Hitomi senkte resigniert den Kopf, während sich Aina fragte wieso der Mann eine solche Abneigung gegen sie hegte. Stumm gingen beide zurück in das Innere des Schiffes, doch als Aina bereits eingetreten war hielt Hitomi für einen Moment lang inne...Die Jüngere drehte sich um und fragte nach.

Sie antwortete nicht gleich, ihr war als spürte sie eine kurze Erschütterung, wie der erste Moment eines Sturms nach der unheimlichen Ruhe. Sie konnte es sich nicht erklären, doch in genau diesem Augenblick war sie mehr als froh, nicht mehr im Wald nahe den Grenzen Fanelias herumzuirren. Schnell schüttelte sie den Gedanken an die verlassene Ruine ab, doch als sie die Tür schließen wollte erkannte sie, wie weiter weg etwas zu Boden schwebte.

Eine schwarze Feder tanzte verloren in der Luft, ehe sie mit einem seichten Lufthauch hinfort gestoßen wurde und dann wieder verschwand...
 


 

Sie wünschte sich auf die Erde zu fallen und für ewig einzuschlafen. Ihr Herz schlug wie wild, doch eine unsagbare Furcht lähmte sie. Weg, so weit weg wie möglich wollte sie rennen, aber sie konnte nicht. Ardans teils erschrockener, teils wütender Blick bohrte sich in sie, doch Eries wusste, dass die Wut nicht an sie gerichtet war. Er kannte dieses schreckliche Lachen, die tosende Stimme nicht doch in diesem Moment brauchte er keine Sekunde um zu wissen, wem sie gehören mochten. Seine Hand ballte sich zur Faust und mit aufblitzenden Augen blickte er in Richtung Lager. Nur ein dichter Wall von Büschen trennte sie noch von dem Eindringling. Seine rechte Hand hielt schon beinahe verkrampft das Schwert, aber als er Eries versteinertes Gesicht sah stieg seine Wut .

"Er ist es...nicht wahr?" flüsterte er und wartete. Eries nickte und tat einen Schritt nach vorne.

"Nein!" deutete er energisch an und versuchte, sie zurückzuhalten. Doch sie schien urplötzlich eine enorme Kraft entwickelt zu haben, und mit einem Ruck stieß sie seine zurückhaltende Hand von ihrem Arm. Ihr Gesicht glich nun einer harten Maske, und entschlossen sah sie ihn an.

"Dieses Monster hat Chid....und Faron. Glaubst du, ich lasse zu dass...dass er ihnen..."

Sie wurde sich der Gefahr erst richtig bewusst, als sie alles aussprach. Eries war sicher, dass Dilandau genau wusste dass sie hier war. Zu sehr fürchtete sie um das Leben der Kinder, und zitternd öffnete sie den Mund um laut zu schreien..

Ein seltsames Gefühl durchfuhr sie, als sie Ardans Hand spürte die sich über ihren Mund legte während seine andere ihren Arm hielt. Seine Lippen waren ihrem Nacken näher, als sie es sich jemals vorgestellt hatte, und mit einem leisen Hauch sprach er in ihr Ohr...

"Hör mir jetzt zu. Ich weiß, du hast Angst. Ich weiß auch, dass du keine Angst haben willst. Aber du kannst nichts dagegen tun. Du sollst auch nichts dagegen tun! Gefühle lassen sich nicht abstellen, verstehst du?"

Ein Zittern durchlief sie, und ihre Augen weiteten sich.

"Ich werde jetzt da rausgehen und mir diesen Misthund vorknöpfen, der es gewagt hat Hand an die beiden zu legen. Und du wirst nichts tun, was dich in Gefahr bringt. Du bleibst bei mir, und hörst auch nicht auf seine dreckigen Worte. Verstanden?"

Eries nickte stumm, und als er sie losließ war es als brenne ihre Haut an jeder Stelle, an der er sie berührt hatte...

Langsamen Schrittes ging er auf die letzte Barriere zu, die Prinzessin dicht hinter ihm. Mit einem letzten Satz durchstießen sie die Büsche, ihre Hände krallten sich in ihr eigenes Fleisch, während seine Hände das Schwert fest umklammerten. Und als vereinzelte Blätter umherschwirrten und Äste knackten blickte Eries erneut in Augen, die vor Hass und Mordlust zu glühen schienen...

Ein einziges Wort huschte über ihre Lippen, und sie sprach es so voller Verachtung dass sie selbst überrascht war...

"Dilandau....."
 

Seine roten Augen tanzten hämisch blickend hin und her, und als er die beiden Gestalten erkannte, die aus dem Gebüsch herausgestürmt kamen schlich sich ein diabolisches Grinsen auf sein Gesicht.

"Na also, es geht doch. Wie schön dass man mich noch in so guter Erinnerung hat. Glaube mir, ein solches Mistweib wie dich vergisst man nie. Nicht wahr, Kleiner?"

Mit einem kräftigen Ruck zerrte er Chid am Kragen seines Hemdes vor sich und hielt ihn grob fest.

"Sag Hallo zu deiner verdammten Tante, Herzog."

Triumphierend beobachtete er das entsetzte Gesicht der Prinzessin, doch dann fiel sein Blick auf den Mann, der sich schützend vor sie stellte.

"Und wen willst du darstellen? Den ehrwürdige Ritter oder vielleicht etwas noch lächerlicheres?"

Ardans Augen verengten sich gefährlich, und mit ruhiger Stimme wandte er sich an den Kommandanten.

"Lass die beiden Jungen frei. Sofort."

Nachdenklich lehnte sich Dilandau etwas zurück, mit der freien Hand tippte er sich ans Kinn.

"Lass mich nachdenken....Nein."

Lachend stieß er Chid zurück, dieser landete direkt neben Faron, der die ganze Zeit über stumm dasaß und es nicht wagte, sich zu bewegen. Miguel, ebenfalls mit gezogenem Schwert, stand hinter ihnen und sah dem Schauspiel mit gemischten Gefühlen zu. Er fühlte sich nicht gerade wohl dabei, wehrlose Kinder gefangen zu halten. Doch er wusste auch, dass er sich nicht gegen seinen Kommandanten stellen konnte.

"Ich warne dich..." setzte Ardan an, doch Dilandau zeigte sich wenig beeindruckt von seiner energischen Warnung.

"Wie du siehst zittere ich vor Angst. Aber ich muss schon sagen, für einen Diener hast du ein ziemlich loses Mundwerk..." bemerkte er grinsend.

"Diener?" dachte Eries empört und wollte schon protestieren, doch jemand anderes kam ihr zuvor..

"Du hast keine Ahnung mit wem du da redest, elender Zaibacher!"

"Chid!" rief Eries erschrocken, doch es war schon zu spät. Dilandau ging auf den Jungen zu und verpasste ihm eine schallende Ohrfeige. Durch den harten Schlag fiel der junge Herzog zurück, direkt vor Farons Füße. Dieser half seinem Freund, trotz des drohenden Schwertes im Nacken, wieder auf die Beine. Er sah nicht, das Miguels Hand leicht zitterte...

"Lass ihn zufrieden!" schrie Eries schon beinahe hysterisch. Ardan wagte einen weiteren Schritt nach vorne, während sich Dilandau kurz an seinen Soldaten wandte.

"Pass gefälligst auf, dass diese Bälger nichts anstellen! Sollten sie versuchen, wegzulaufen..."

Miguel blickte ihm standhaft ins Gesicht, doch in seinem Inneren fürchtete er sich vor dem Befehl.

"...töte sie."

Erneut wandte er sich wieder an Ardan.

"Nun zu dir...Dein abartiges Gesicht kommt mir bekannt vor...Hilf mir auf die Sprünge, bevor mir noch langweilig wird und ich kleine Kinder abschlachten muss."

"Dein Ruf eilt dir voraus, Albatou. Ich habe gewusst, du bist ein erbärmlicher Irrer der nur den Mut besitzt, sich an Schwächeren zu vergehen."

"Stimmt, die Abaharakis waren wirklich erbärmliche Schwächlinge, wie sie in Scharen vor mir geflohen sind, allen voran diese Hurensöhne Fanel und Schezar..."

Sowohl Eries als auch Ardans Augen weiteten sich, und in ihren Köpfen taten sich schreckliche Szenarien auf.

"Allen..." flüsterte Ardan, doch es entging Dilandau nicht. Interessiert blickte er auf, die Klinge seines Schwertes drehte sich gefährlich nahe in Richtung der beiden Jungen.

"Aha...Schezar ist dir also ein Begriff. Man könnte gerade meinen, du gehörst zu dieser lächerlichen Rebellion. Immerhin habt ihr es geschafft, aus Freid zu fliehen. Zu dumm dass eure Flucht hier endet...Miguel!"

"Ja, Kommandant?" fragte er zögernd.

"Zeig unseren Gästen, was wir vom Adel halten..." er deutete auf Chid, und Miguel wusste sofort was er von ihm verlangte. Er schluckte schwer.

Als Eries Miguel ansah, erkannte sie die Zweifel in seinen Augen. Was für Dilandau in seinem Wahn unentdeckt blieb, war für sie sofort sichtbar. Er wollte das nicht tun. Sie sah, wie er auf Chid und Faron zuging, der junge Herzog stellte sich schützend vor seinen Freund. Seine Wange war zwar geschwollen, doch er blickte Miguel entschlossen an.

"Na los, worauf wartest du!" rief Dilandau ungeduldig.

Es geschah in genau diesem Moment, in dem Eries Ardan einige leise Worte zuflüsterte, und dieser wie auf Befehl losstürmte...
 

Harter Stahl traf aufeinander, und als das klirrende Geräusch die Lichtung erfüllte schloss Eries kurz die Augen. Das Kampfgeschrei der beiden Männer war zu hören, doch Dilandau war im ersten Augenblick so überrascht dass er Ardans aggressive Angriffe nur schwer blocken konnte. Niemals hätte er erwartet, einem solch guten Schwertkämpfer entgegenzutreten. Doch er fand seinen alten Kampfgeist bald wieder, und mit nicht weniger harten Schlägen griff er nun Ardan an.

Niemand außer den beiden Kontrahenten bewegte sich, alle starrten gebannt auf den Kampf vor ihnen.

"Kommandant, was..." warf Miguel verwirrt ein, doch dieser parierte gerade einen weiteren Hieb und rief ihm danach etwas zu.

"Wage es nicht, mir dazwischen zu funken! Dieser Bastard hier gehört mir!"

Kurz entfernten sich die Gegner, beide schwer atmend, jedoch zum nächsten Schlag sofort bereit.

"Für einen Zaibacher kämpfst du schlechter, als ich erwartet hatte.." provozierte Ardan, und Dilandau ging ihm direkt in die Falle.

"Was bildest du dir überhaupt ein, halt den Rand und kämpfe!!"

Er fixierte sich nur noch auf Ardan, und vergaß somit Eries vollkommen. Diese entfernte sich immer weiter von ihnen, bis sie schließlich nicht mehr weit weg von den beiden Jungen und Miguel war. Dieser bemerkte die Prinzessin auch nicht, die sich langsam an sie heranschlich. Er war zu beschäftigt, seinen Kommandanten zu beobachten und der ganzen Situation überhaupt Herr zu werden. Chid jedoch war der geheime Weg seiner Tante nicht entgangen, und erwartungsvoll blickte er zu ihr hinüber. Auch Faron wartete, doch er bewegte sich keinen Zentimeter. Angst machte sich in ihm breit, die einfach nicht verschwinden wollte. Er kannte diese rote Rüstung des Mannes, der gegen Ardan kämpfte...Er hatte sie zwar noch nie vorher gesehen, aber es wurde ihm davon erzählt...
 

"Nimm dich in acht vor den Männern in den schwarzen Rüstungen, hörst du? Eines Tages werden sie da sein, und dann musst du wissen was zu tun ist."

"Aber wieso?"

"Sie sind böse Menschen...und wenn du irgendwann einmal eine rote Rüstung siehst, gepaart mit roten Augen...dann lauf."

"Aber..."

"Kein Aber! Versprich es mir, Faron. Versprich es mir..."

"In Ordnung, Großmutter....ich verspreche es..."

"Gut. Nun geh hoch zu deiner Schwester, morgen wird ein anstrengender Tag..."
 

Der Klang der Schwerter, die sich kreuzten, drängte sich an ihre Ohren, und mit jedem Schlag schien der Wald mehr und mehr zusammen zu zucken. Vögel flogen hinfort, und in weit entfernten Ecken konnte man leises Heulen hören. Selbst die Wölfe schienen um ein Ende des Kampfes zu betteln...

Und mit einem Male war es vorbei. Eries packte Faron und Chid, während sich Miguel überrumpelt umdrehte und versuchte, sie aufzuhalten. Dilandau war einen Moment unachtsam und konnte gerade noch einem tödlichen Schlag ausweichen. Reflexartig versetzte er Ardan mit dem Fuß einen so harten Stoß, dass dieser taumelnd zu Boden ging. Er rollte ebenfalls zu Boden, einige Meter weiter weg. Doch aus den Augenwinkeln heraus erkannte er, dass die Prinzessin und die Jungen vorhatten zu fliehen. Dilandau war erschöpft und er wusste, dass er im Moment gegen Ardan keine Chance hatte, sollte der Kampf weitergehen. Dies machte ihn rasend, doch er beschloss, nicht einfach aufzugeben.

Er rappelte sich auf und rief Miguel zu, er solle die Pferde bereitstellen. Noch während er ihm diese Anweisung gab sprintete er Eries hinterher.

Sie rannte, so schnell sie konnte, doch auch die Jungen waren nach kurzer Zeit am Ende ihrer Kräfte. Weiter hinten hörten sie Ardan schreien, er warnte sie. Kurz sah sie nach hinten, und als sie Dilandau erkannte beschleunigte sie verzweifelt ihre Schritte.

"Lauft! Ihr müsst laufen!" rief sie den anderen beiden zu.
 

Ardan rannte ihnen hinterher, durch den Dickicht, doch plötzlich preschte etwas an ihm vorbei. Fluchend erkannte er Miguel auf einem Pferd, und neben ihm ging ein weiteres am Zügel.

"Verdammt!"
 

Als Dilandau das Hufgetrappel hinter sich hörte, musste er unwillkürlich grinsen. Miguel hatte sich also endlich einmal als nützlich erwiesen.

Nach wenigen Momenten hatte dieser seinen Kommandanten eingeholt, und ohne weiteres schwang er sich auf das schwarze Pferd.

"Wir holen uns unser Eigentum zurück!" erklärte er, und zusammen verfolgten sie die Prinzessin weiter. Miguel hoffte nur, Dilandau würde nicht zu überstürzt handeln.

"Da vorne sind sie!"

Dilandau erkannte Eries in der Mitte, und an beiden Händen zog sie die Jungen mit sich.

"Du nimmst dir den rechten, ich den linken!" rief er Miguel zu, und dieser konnte nur annehmend nicken. Der Waldboden erzitterte unter den schweren Hufe der Pferde als sie den Weg entlang preschten, bis sie schließlich am Ziel waren.
 

Panisch blickte Eries über ihre Schulter, doch die beiden Zaibacher hatten sie längst eingeholt. Der schwarze Hengst war schließlich neben ihr, und Dilandau entriss ihr den Jungen mit solcher Kraft dass sie auf den dreckigen Waldboden fiel und den anderen mitzog.

Miguel war froh, seine Chance nun verpasst zu haben, doch ehe er sich innerlich freuen konnte deutete ihm Dilandau an, im Wald zu verschwinden.

"Wir haben, was wir wollten! Einer ist besser als keiner! Wir werden uns schon bald wiedersehen, Miststück!"

Sie drehten um und ritten in die entgegengesetzte Richtung, direkt an Ardan vorbei, der nun auch schwer atmend angerannt kam. Er erkannte das Bündel auf Dilandaus Hengst, und voller Zorn rief er ihm hinterher.

"Mein Name ist Ardan Schezar, und ich schwöre beim Namen meines Vaters, dafür wirst du bezahlen, Dilandau!"

Mit dem Echo dieser Worten verschwanden beide in der Dichte des Waldes, nur noch der Laut der Hufe war zu hören, bis auch schließlich dieser nach wenigen Augenblicken verklungen war.
 

Sie durchbrachen Wolken, als würden sie überhaupt nicht existieren. Sachte stieg das Luftschiff höher, die letzte Gebirgswand lag nun vor ihnen. Dunkle Tannen thronten auf dem höchsten Berg, dicht aneinandergereiht als drängten sie sich darum, wer den endlos scheinenden Blick über das Land ergattern durfte. Die Sonne schien hell über ihnen, als sie diese letzte Hürde überflogen.

Und wo noch eben Stein und Baum ihnen entgegenstarrte, tat sich ein Bild vor ihnen auf, so imposant und von solcher Schönheit, dass es so still wurde dass man jedes Atmen hören konnte.
 

"Willkommen.....im Reich der tausend Seen......" sprach Dryden, den Blick aus dem Fenster gerichtet.

Ein mächtiges Tal erschien nun vor ihnen Augen, umringt von Bergen und Wäldern. Selbst von hier oben sahen sie die im Sonnenlicht funkelnden Seen, so viele von ihnen dass man nicht wusste wo man zuerst hinblicken sollte. Wie kostbare Edelsteine brach sich das Licht an ihrer Oberfläche, doch dies war nur ein kleiner Teil des Ganzen. Voller Erfurcht wandten sich ihre Blicke erneut nach oben. Jeder von ihnen wusste, dass es sie gab doch noch keiner hatte sie wahrlich schon einmal gesehen. Und als sie sie erblickten, wussten sie warum sich die Menschen davon erzählten und jeder berichtete, man könne es nicht beschreiben...Man müsse es selbst gesehen haben.

"Bei allen Göttern...." flüsterte Allen ungläubig, und jeder auf der kleinen Brücke stimmte ihm stumm zu.

"Die Havroth....Die Wächter..."

Beschützend blickten die beiden Wesen hinab auf das Land. Auf ewig in Stein gehauen, thronten sie stolz auf den Felswänden, einer im Osten und der andere im Westen. Ein Adler und ein Löwe, die Klauen warnend gegen alle Eindringlinge erhoben, verweilten für alle Zeit hier. Vor mehr als zweitausend Jahren, so erzählt man sich, wurden die Havroth von den Göttern geschickt um das Land in den Bergen zu beschützen. Sie ließen sich im beständigen Stein nieder, und erlaubten nur denen über die Grenzen zu treten, die ohne böse Absicht waren. Es war seltsam, trotz der scheinbaren Ewigkeit, die sie hier schon verweilten waren ihre Gesichter noch vollkommen unversehrt. Ihre Augen schienen jedem, der sie ansah, mit einem warnenden Blick zu entgegnen.

Ehrfürchtig wanderten ihre Augen über das riesige Antlitz des Adlers, und plötzlich war ihr als hörte sie ihn leise flüstern...
 

"Du hast die Grenzen nun überschritten....mit dir kommt das drohende Unheil. Unsere Aufgabe können wir nicht mehr lange erfüllen...das Ende ist nah....Ryujins Blut ist mit euch, wir halten dich nicht....Tritt ein, Göttin....Bring uns den Frieden, und wir werden es dir danken....Bring uns das Verderben, und wir werden dich strafen..."
 

Verwirrt wich sie einen Schritt vom Fenster zurück, doch Hitomi bemerkte nicht dass sie beobachtet wurde. Kaan warf ihr immer wieder prüfende Blicke zu, als wolle er sicher gehen dass sie nicht plötzlich auf irgendjemanden losgehen würde. Niemals hätte er es zugegeben, doch er fürchtete sie. Seit er gesehen hatte, was sie vor der Höhle mit den beiden Dämonen getan hatte, hegte er einen unendlichen Hass gegen sie. Immer wieder hatte er Allen beteuert, dass es nur zum Besten der Gruppe wäre wenn sie gehen würde. Doch Milerna hatte sich immer wieder als hartnäckiger Gegner erwiesen...Somit konnte er nichts anderes tun, als sie im Stillen zu beobachten.

Allen deutete Sekir an, das Zeichen zu setzen. Er betätigte einen kleinen Hebel neben dem Steuerpult und ein kurzes, knarrendes Geräusch ertönte.

An der Unterseite des Schiffes tat sich eine kleine Luke auf, und schließlich kam eine Stange hervor an der symbolisch ein weißes Tuch aufgespannt war..

Allen hoffte nur, die Wachposten auf den Türmen vor der Stadt würden sie auch hören. Er hatte seinen Plan, zuerst in den Wäldern zu landen, verworfen. Es gab keinerlei Chance, unbemerkt nach Basram vorzudringen, also versuchte er es gleich auf dem direkten Weg.

"Wir haben nichts zu verbergen, wir wollen doch nur helfen.." hatte Milerna erklärt, und er beschloss auch so vorzugehen. Wenn er Vertrauen erwecken wollte durfte er kleine Spielchen spielen. Doch es gab Dinge, die wollte Allen dennoch im Dunkel liegen lassen...Wissend fiel sein Blick auf Hitomi, die einige Meter vom Fenster gewichen war aber trotzdem immer noch gebannt nach außen starrte...
 

Es dauerte einige Momente, doch schließlich atmete Sekir erleichtert auf.

"Sie erlauben uns, zu landen!" rief er freudig, und sogar Kaan spürte die Erleichterung. Der Wachturm im Osten hatte zum Zeichen der Einverständnis ebenfalls eine weiße Flagge gehisst. Nun war es an der Zeit, Basram endlich zu betreten..
 

"Oh Himmel, das ist einfach...Das musst du dir ansehen, Majestät!"

Aufgeregt sprang Merle von einem Bein auf das andere, ihre Begeisterung hielt sich kaum noch in Grenzen.

"Ich hätte niemals gedacht, dass sie so...so riesig sind!"

Mit flinken Sätzen begab sie sich zum Bett, in der Hoffnung ihn durch ihre Aufregung dazu zu bringen endlich auch einmal aus dem kleinen Fenster zu sehen. Doch er schien sich durch ihren Enthusiasmus nicht beeindrucken zu lassen, stattdessen nickte er nur und saß weiterhin still auf dem Bett.

"Bitte Van, bitte! Es wird dir sicherlich auch gefallen!" sprach Merle während sie auffordernd an seinem Arm zog. Stumm gab er sich geschlagen, stand schließlich auf und ließ sich von dem aufgeregten Katzenmädchen zum Fenster führen.

"Da, siehst du sie, Majestät? Sie sind wunderschön, nicht?"

Was er dort draußen erblickte, ließ sogar ihn innerlich Verwunderung aussprechen. Noch nie in seinem Leben hatte er solche Bildnisse gesehen, so groß und mächtig dass sie sich über die gesamten Felswände erstreckten. Unter ihnen tat sich das Land auf, und die glitzernde Landschaft funkelte ihnen entgegen. Alles strahlte eine solche Idylle aus dass er nicht glauben konnte, dass sich die Welt insgeheim schon in einem Krieg befand.

Er spürte, wie das Luftschiff immer mehr an Höhe verlor. Die Landung war nah, und sein Blick blieb erneut an den Wächtern hängen...Lange sah er ihn an.

"Sie sind die Havroth. Das hat mir damals die Königin...." sofort verstummte Merle, doch ihre Worte schienen bei Van keinerlei Emotionen auszulösen. Sein Gesichtsausdruck verhärtete sich jedoch, und ruckartig wandte er sich ab.

"Verzeih, Majestät...." flüsterte Merle, als er sich zurück zum Bett begab und erneut hinsetzte. Das Katzenmädchen wusste es nicht, doch es waren nicht ihre Worte die ihn dazu bewegten zurück in die dunkle Ecke zu gehen...

Seltsame Empfindungen schlichen sich in ihn, und es kam ihm vor als würde er immer noch seine tiefe Stimme vernehmen...
 

"......Bring uns den Frieden, und wir werden es dir danken....Bring uns das Verderben, und wir werden dich strafen..."
 

Ein lautes Poltern kam über das Schiff, und nach einer harten Landung standen sie endlich einmal seit Tagen wieder still. Er wusste, es war absurd doch allein der Gedanke daran, dieses Zimmer zu verlassen versetzte ihn in Angst. Niemals würde er es einsehen, doch Van war sich darüber im klaren dass man es nun nicht mehr aufhalten konnte. Sie hatten ihr Ziel erreicht. Nun waren sie hier, in Basram.

Es hing vieles von diesem Land ab, und die Reise, die sie bisher unternommen hatte war nur ein Vorgeschmack auf das, was kommen würde. Er senkte den Kopf, und die dichten Strähnen verdeckten sein Gesicht vollkommen. Die irrsinnigsten Gedanken gingen ihm durch den Kopf, alles was geschehen war schien plötzlich so...präsent. Er dachte an Ruhm und Kadija, an das Grabmal seiner Eltern...und an sie.

Plötzlich fragte er sich, ob sie sich genauso unbehaglich fühlte wie er. Ob sie auch spürte, dass hier etwas Wichtiges geschehen wird.

Weiteres Poltern ertönte, es schien als würden sie die Rampe ausfahren. Schritte erklangen in den Gängen, alles war auf einmal in Bewegung. Nur er schien still zu stehen.

Merle ging zur Tür, und als sie ihm einen auffordernden Blick zuwarf raffte er sich auf und ging mit festen Schritten auf sie zu. Die Wunde machte ihm nicht mehr sonderlich zu schaffen, nur manchmal noch spürte er einen stechenden Schmerz. Trotzdem beschlich ihn immer wieder eine dunkle Vorahnung.

Erst als Merle die Tür hinter sich zuschlug, wurde ihm klar dass er den finalen Schritt in Richtung Ziel gemacht hatte. Nun gab es kein zurück mehr.

Er würde kämpfen, koste es was es wolle.

Doch obwohl sich Van sicher war, nicht die Augen vor dem kommenden zu verschließen, fragte er sich immer wieder ob er sie überhaupt noch beschützen konnte...oder ob er es überhaupt noch wollte.

Sie war zu nahe, zu sehr war sie an ihn herangekommen. Van hatte vor, dem ein für alle Mal ein Ende zu bereiten. Schon zu lange geisterte sie in seinem Kopf herum, ohne dass er etwas dagegen tun konnte. Entschlossen fasste er neuen Mut, und als die Sonnenstrahlen durch die geöffnete Rampe zu ihm hindurchdrangen war er sich sicher, zu gewinnen.

In diesem Augenblick wusste Van jedoch noch nicht, wie sehr er doch verlieren würde....

Schwere Schritte hallten in den Gängen aus Erde wieder, und jeder, der ihr begegnete wich in respektvoller Stille zurück. Sie alle wussten, etwas war geschehen. Selbst Nimrun, ihr eigener Sohn, blickte seiner Mutter stumm hinterher, als sie in der Dunkelheit Richtung der Eingangshalle verschwand.
 

"Er war hier....tatsächlich hier...."

Fragend blickte Ruhm von seiner Arbeit auf, als sie wie geistesabwesend zurück in den einstigen Tempel trat.

"Wer war hier?"

Kadija stellte den Korb auf einer Kommode ab, doch sie tat es so langsam dass er aufstand und zu ihr eilte.

"Bei Ryujin, was ist mit dir?"

Die Wolfsfrau schien ihn erst jetzt richtig wahrzunehmen, und erst als sie erneut auf den Korb blickte fand sie ihre Sprache wieder.

"Erinnerst du dich an die Geschichte des Jungen der tief im Wald ,an einem versteckten Ort, geboren wurde und zusammen mit den alten Geistern lebte? Sie beschützten ihn, sie waren seine Familie...Er wuchs in Einklang mit dem Wald auf, in ewiger Ruhe und Geborgenheit. Die Jahre gingen vorüber, und der Junge war glücklich...Bis..."

Sie hielt inne und schwieg. Ruhm blickte sie leicht verwirrt an, er wartete darauf dass sie weitersprach doch es schien so, als habe Kadija das nicht vor.

"Bis?" wiederholte er, doch sie schloss ihre dunklen Augen und schüttelte den Kopf.

"Genau das ist es ja...Hier endet die Geschichte."

"Du sprichst in Rätseln, mein Liebe.." erklärte Ruhm und ein Lächeln entschwand ihr.

"Vielleicht hast du es einfach vergessen." antwortete sie und öffnete die oberste Schublade der Kommode. Nach wenigen Momenten zog sie ein vergilbtes Blatt Papier hervor..

"Sieh, und erinnere dich..." flüsterte sie, als sie es Ruhm hinhielt und er es schließlich betrachtete. Es war die alte Zeichnung eines Kindes, gemalt mit farbiger Tusche. Mit ihrer Tatze zeigte Kadija nacheinander auf die einzelnen Dinge, die auf dem von der Zeit sichtlich gezeichneten Stück Papier zu sehen waren.

"Ein Baum......Der Himmel....Ein See....Die Vögel...Die Waldgeister.....Ein Junge...."

Ruhms Augen weiteten sich, und ungläubig blickte er die Wolfsfrau an.

"Das...das ist..." Sie nickte.

"Er hat dieses Bild gemalt, kurz nachdem sein Bruder verschwunden war....Einen Tag zuvor hatte er begonnen, ihm die Geschichte des Jungen und der guten Waldgeister zu erzählen. Doch die Nacht war bereits da, und er versprach ihm, das Ende am nächsten Abend zu erzählen...Van hat das Ende nie gehört...."

Ruhm legte die Zeichnung bedächtig zurück und sah sie wissend an.

"Er hat geglaubt, sein Bruder wäre nun ebenfalls bei den Waldgeistern...Er hat geglaubt, er sei glücklich dort, egal wo dieser Ort auch war. Wir konnten sagen, was wir wollten. Van hat niemals geglaubt, dass Folken im Kampf gegen den Drachen gestorben ist. Er....er hat immer gesagt, sein Bruder wäre nur dorthin zurückgegangen, wo es wunderschön sein muss..."

Als das Echo ihrer Worte leise in der alten Erde hallte, lehnte sie sich nach vorne und spürte die Wärme, die sie nun durchfloss. Ruhm drückte sie fest an sich, die Gedanken in seinem Kopf überschlugen sich. Niemals hätte er damit gerechnet. Alles schien zusammenzufallen, das gesamte Bildnis der letzten Jahre musste erneut aufgebaut werden. Er wollte nicht hoffen, doch Ruhm konnte nicht anders als daran zu denken, eines Tages vielleicht doch wieder in seine Heimat zurückzukehren.

Ihr Kopf vergrub sich im Fell seines Halses, und ein weiteres Mal fiel sein Blick auf die Zeichnung. Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag, doch es löste auch eine seltsame Art von Freude aus.

Er konnte es nicht einordnen, doch sein Herz sagte ihm dass die Zukunft Dinge verbarg, die für sie alle von größter Wichtigkeit waren.
 

"Folken...ist am Leben.."

Kadija spürte, wie Tränen in ihre alten Augen stiegen, doch sie zwang sich zur Beherrschung. Sie wollte nicht wegen etwas weinen, das ihr eigentlich Hoffnung gab. Langsam befreite sie sich aus seiner Umarmung und bemühte sich, ihre alte Fassung wieder zu erlangen.

"Hast du...hast du wirklich mit ihm gesprochen?!

"So wahr ich hier stehe, mein lieber Ruhm. Oder denkst du, ich fantasiere?"

"Nein, aber....es klingt alles so...unglaublich. Ich meine, wenn man bedenkt was in den vergangenen Wochen alles passiert ist..."

Mit langsamen Schritten ging sie auf den Sessel in der hinteren Ecke des Raumes zu, auf dem ihr Mann noch vor wenigen Minuten gesessen hatte. Und noch während Ruhm weitersprach begutachtete sie das Stück Holz, das dort abgelegt wurde.

"Nun erzähl doch, was hat er dir alles gesagt? Wieso ist er nicht mit hierher gekommen?"

Ihre Tatze berührte sachte das bearbeitete Holz, und ihr Blick wurde weich..

"Es ist alles.....sehr kompliziert..." antwortete sie leise, als sie über den kleinen Gegenstand strich.

"Aber wieso das alles? Warum kommt er, nach all den Jahren, wieder zurück? Was ist in all der Zeit geschehen? Ich..."

Er hielt inne, als sich Kadija umdrehte, seine unfertige Arbeit in der Hand. Entschuldigend hob er die Hände.

"Ja, ich weiß.. Ich sollte das nicht tun, aber...wenn du darüber nachdenkst, ist es doch irgendwie ein Wunder. Ein Kind kann nichts dafür, dass es entsteht....Die Welt ist dunkel geworden, doch vielleicht gibt es ja doch noch Licht. Ich glaube an das Leben, und..."

"Ich liebe dich."

Verwundert hielt Ruhm in seiner Rede inne und starrte Kadija an. Mit dieser Reaktion hatte er nicht gerechnet, eher mit Zurechtweisung und Tadel über seine Unvorsichtigkeit. Vorsichtig ließ sie das Stück Holz in den Händen kreisen, während sie überlegte was es wohl werden sollte.

"Ist das ein..."

"Ja. Ich dachte mir, es würde am besten passen..."

"Du hast Recht..."

"Glaubst du, sie weiß es inzwischen?" fragte er nun vorsichtig, doch Kadija konnte nur den Kopf schütteln.

"Jede Frau empfindet anders. Manche wissen es sofort, andere spüren es gar nicht. Es sind erst wenige Wochen vergangen, doch die Zeit, dass man es sehen kann, ist nicht mehr fern.. Das ganze wird ein Schock....für beide."

Schweigend betrachtete Ruhm den Drachen aus Holz, von dem man bisher nur den Ansatz des Kopfes erkennen konnte.

"Sie sind bestimmt schon in Basram angekommen. Ich hoffe, sie haben Glück bei dem, was sie vorhaben."

"Es wird bestimmt nicht einfach, alle zu überzeugen. Niemand weiß, wie weit der Black Dragon Clan bereits schon vorgedrungen ist."

Kadija stellte das noch unvollendete Spielzeug zurück auf den Sessel, ehe sie sich erneut zu ihrem Mann umdrehte.

"Du solltest dich beeilen, sonst wird es nicht rechtzeitig fertig." bemerkte sie lächelnd.

Ruhm nickte, setzte sich nieder und nahm das Messer, welches auf einem kleinen Tisch neben dem Sessel lag, wieder in die Hand.

"Wann willst du es ihnen denn geben?"

Er sah schmunzelnd auf, einige Stückchen des Holzes fielen zu Boden. Sie sah den Funken Hoffnung, der sich zwischen seinen Worten versteckte.

"Wenn sie wieder zurückkehren...Aber nun erzähl mir, was da draußen geschehen ist.."

Kadija seufzte leise, das Geschehene kam wieder zurückgeprallt und sie konnte nicht anders als für einen kurzen Moment die dunklen Augen zu schließen, ehe sie tief Luft holte und von ihrem Zusammentreffen mit dem erstgeborenen Sohn von Goau und Varie berichtete.
 


 

Mit einer schier übermenschlichen Kraft drückte sie das Bündel in ihren Armen an sich. Sie hielt es so fest, als fürchte sie man würde ihr auch noch dieses entreißen. Ihre Sicht war verschwommen, alles was sie sah waren die Wipfeln der Bäume, die ineinander zu schmelzen schienen. Eine laute Stimme ertönte, doch sie hörte sich für sie so weit weg an dass sie sich weigerte, hinzuhören. Erst als sie ein leises Wimmern vernahm, kamen all ihre Sinne wieder zurück..

"Tante Eries, du tust mir weh..."

Sie erschrak sich und setzte sich mit einem Schlag auf. Vor ihr saß ein kleiner Junge, das Gesicht mit Dreck verschmiert, die blauen Augen sahen sie ängstlich an.

"Was....was ist hier passiert?" fragte er, doch ehe er aufstehen konnte spürte er erneut die Arme seiner Tante um sich.

"Chid!"

Er hörte das Knacken der Äste hinter sich, und als Eries ihn schließlich wieder losließ blickte er in die ausdruckslosen Augen Ardans. Mit wenigen Worten erfasste er die schreckliche Wahrheit, der sich zwar jeder bewusst war, doch niemand wagte sie laut auszusprechen.

"Er hat den Jungen. Dilandau hat Faron."

Eries schlug die Hände vor das Gesicht, die Verzweiflung, die sich in ihr breit machte schien unerträglich.

"Das ist alles nur meine Schuld...Ich hätte ihn beschützen müssen, aber ich habe versagt.."

"Red keinen Unsinn..." antwortete Ardan und half der knienden Prinzessin auf die Beine. Danach wandte er sich an Chid und stellte ihn ebenfalls auf die noch leicht zittrigen Beine.

"Eries, das hier ist nicht deine Schuld.. Du hattest keine Chance gegen ihn. Außerdem solltest du stolz sein, dass dieser miese..." sein Blick fiel auf Chids fragendes Gesicht, und er entschloss sich seine Worte gut auszuwählen.

"Du solltest stolz sein, dass du es geschafft hast Chid zu verteidigen. Dilandau hat sich Faron mit Heimtücke geholt, niemand von uns konnte dagegen etwas zu. Es war ein mehr als unfairer Kampf. Ich wünschte, ich hätte ihn getötet.."

Seine letzten Worte presste er mit Mühe hervor, und seine Hand ballte sich zur Faust. Eries sah, wie er sich verkrampfte und ehe sie wusste, was sie tat berührte sie sachte seine Hand.
 

"Wir müssen ihn zurückholen..."

"Du weißt, dass wir das nicht können..." flüsterte er so leise, darauf bedacht dass Chid es nicht hören konnte. Eries wollte protestieren, doch schlagartig wurde ihr klar, dass er Recht hatte. Sie hatten nicht den leisesten Schimmer, wohin Dilandau den Jungen bringen würde. Das Zaibacher Reich breitete sich immer weiter aus, es gab über all Stützpunkte und die fliegenden Festungen schienen überall zu sein. Es war aussichtslos, egal wie sehr sie auch darüber nachdachte.

"Tante?"

Ungeduldig zog Chid am Saum ihres Rockes, doch erst nach einigen Momenten schien sie ihn vernommen zu haben.

"Ja?"

"Was machen wir denn jetzt? Und wieso hat dieser Mann Faron mitgenommen?"

"Ich weiß es nicht...Ich weiß es wirklich nicht.."

Ardan sah den beiden missmutig zu, er wusste er musste etwas tun, und zwar sofort.

"Das erste, was wir tun werden ist aus diesem Wald herauszufinden."

"Und wohin sollen wir gehen?" fragte Eries leicht wütend. Seine plötzliche Rationalität verwirrte sie, und auch Chid wusste nicht ganz wie er sich nun verhalten sollte.

"Ich will nicht, dass ihm etwas passiert..." sagte er leise, und Eries strich ihm beruhigend über den Kopf.

"Du brauchst dir keine Sorgen machen, wir lassen nicht zu dass man ihm etwas tut. Er wird schon bald wieder bei uns sein.."

Insgeheim hoffte sie, dass es keine Lüge war die sie dem Jungen in diesem Moment erzählt hatte. Ardan blickte sich suchend um, ehe er erneut zum Himmel blickte.

"Wenn wir weiter nach Westen gehen dann müssten wir.."

Ein lautes Knurren ließ ihn verstummen. Eries presste Chid an sich und wich einige Schritte zurück. Ardan zog sofort sein Schwert und stellte sich schützend vor die beiden. Ein weiteres Mal ertönte das tiefe Knurren, und er konnte die Richtung ausmachen aus der es kam.

"Was....was ist das?" fragte Eries , bemüht ihre Angst vor Chid nicht zu zeigen.

"Bestimmt ein wildes Tier. Keine Angst, es wird euch nichts tun."

Ardan blickte konzentriert auf den raschelnden Busch vor ihm und wartete nur darauf, seinem Angreifer gegenüberzutreten.

"Komm nur heraus, ich warte schon auf dich!" rief er, und Eries zuckte zusammen, als sie seine aggressive Stimme hört. Jedoch wusste sie, dass er allen Grund hatte wütend zu sein.

Doch noch ehe sie weiter ihren Gedanken nachhängen konnte, sprang ein graues Etwas so schnell aus dem Gebüsch dass sie vor Schreck Chid packte und einige Schritte zurückwich. Was da nun wenige Meter vor ihr stand sah aus wie ein riesiger Wolf, seine messerscharfen Zähne blitzen wie Dolche hervor und gefährlich knurrte er, zum Angriff bereit. Ardan schien sich für einen kurzen Moment zu versteifen, und zu Eries entsetzen ließ er das Schwert sinken und steckte es schließlich wieder zurück.

Noch ehe sie irgendetwas dazwischenrufen konnte ging er einen Schritt auf den Wolf zu, die Arme ergebend nach oben gestreckt.

"Darna? Darna, bist du das?"

Die vermeintliche Bestie hörte schlagartig auf, zu Knurren und blickte ihn für einige Momente stumm an. Dann leuchteten ihre dunklen Augen freudig auf, und ein zaghaftes Lächeln fand den Weg auf ihr Gesicht.

"Ardan?"

Erleichtert nickte er, nichtsahnend welche Verwirrung er dabei bei Chid und Eries auslöste. Die sahen mit geweiteten Augen, wie sich das Tier plötzlich auf die Hinterbeine stellte und sich in voller Größe vor ihnen aufbaute.
 

"Ein....ein Wolfsmensch?" dachte Eries und sah Ardan zu, wie er weitere Schritte tat.

"Ich hätte nicht gedacht, Euch noch einmal wiederzusehen." sprach das Wesen, und an der hohen Stimme erkannte Eries, dass es sich um eine Wolfsfrau handeln musste. Es war irgendwie seltsam, noch vor wenigen Augenblicken sah sie ein wildes Tier vor sich, bereit sie mit einem Biss zu töten. Und nun stand eine anmutige Wolfsfrau vor ihnen, die dunklen Augen auf sie gerichtet, von der Bestie war nichts mehr zu sehen.

"Es ist wirklich eine Überraschung..." sagte nun Ardan und verneigte sich leicht vor ihr.

"Wie ich sehe, seid Ihr nicht alleine.." bemerkte Darna schmunzelnd und zeigte auf den Jungen und die Frau. Ardan nickte und deutete den beiden an, zu ihm zu kommen. Anfangs zögerte Eries, doch schließlich fasste sie all ihren Mut zusammen und schritt mit Chid an der Hand auf die anderen beiden zu.

"Das hier sind Eries und Chid. Wir sind schon eine Weile zusammen unterwegs, und wenn ich ehrlich bin hatten wir bisher auch einige Probleme."

Wissend nickte sie, ehe sie sich an die Frau und den Jungen wandte.

"Ich heiße euch in unserem Wald herzlichst willkommen. Verzeiht mir meinen vorherigen Auftritt, doch ich habe schon früh gelernt, unser Revier vor allen möglichen Eindringlingen zu verteidigen. Da ihr aber von solchen weit entfernt seid hoffe ich, ihr nehmt es mir nicht übel."

Eries schüttelte den Kopf, und ehe sie sich versah sprach sie ihre Gedanken frei heraus.

"Das hier ist euer Wald? Wo genau sind wir eigentlich?"

Ardan antwortete für Darna, die diese Geste im Stillen dankend annahm.

"Wir befinden uns in Arzas, der Waldgrenze zu Fanelia...Darna und die anderen ihres Stammes leben immer noch hier, obwohl ihre Heimat bereits vor Jahren zerstört wurde. Der Wald ist das Einzige, was ihnen geblieben ist..."

"Oh, bitte entschuldigt.." erwiderte Eries, doch die Wölfin winkte lächelnd ab.

"Nun kommt, ich war gerade auf dem Weg zum See, doch das kann warten. Gehen wir zurück. Mutter wird sich bestimmt freuen, euch kennen zu lernen...und dich wiederzusehen.."

Sie warf noch einen Blick auf den Jungen, der sie fasziniert anstarrte, sich schließlich von der Frau löste und auf sie zugeschritten kam. Etwas zögerlich streckte er die Hand aus und berührte mit seinen Fingern das dunkelgraue Fell.

"Das ist...weich..." bemerkte er.

"Vielen Dank, das höre ich gerne."

Endlich entschwand auch Eries ein Lächeln, und sie schritt ebenfalls zu den anderen. Als sie Chid zusah, wie er verwundert Darnas Fell begutachtete, fielen ihre Gedanken zurück. Ernst wandte sie sich an Ardan.

"Wir sollten keine Zeit mehr verlieren. Vielleicht können sie uns helfen..."

Er nickte und hörte ebenfalls auf, Chid zu beobachten.

"Darna, es gibt da etwas dass ich mit dir besprechen sollte...."
 

~*~

I cannot help myself

There's something that I should have told you...

~*~
 


 

Das Schiff stand nun endlich still, und die gesamte Mannschaft war bereits eifrig dabei, es so schnell wie möglich zu verlassen. Zu ihnen zählte auch Aina, die eilig die Gänge entlang ging und Hitomi erwartungsvoll mit sich zog.

"Endlich, das wird aber auch Zeit. Noch einen Tag länger auf diesem Schiff und ich wäre freiwillig ausgestiegen." bemerkte sie lächelnd. Doch ihre gute Laune verschwand, als sie in das sich umsehende Gesicht ihrer Freundin blickte.

"Hör auf damit." mahnte sie, und beide blieben stehen.

"Aber ich tue doch gar..."

"Oh doch. Du hörst sofort auf, ihn zu suchen."

Sie wollte es schon erneut abstreiten als sie erkannte, dass Aina Recht hatte. Unterbewusst hatte sie die Gänge abgesucht, in der Hoffnung ihn irgendwo zu erblicken. Hitomi fragte sich, ob sie nun vollkommen den Verstand verloren hatte. Doch sie hatte keine Zeit, sich weiter darüber Gedanken zu machen. Ein unangenehmes Gefühl machte sich in ihr breit und sie spürte, wie ihr etwas schwindelig wurde.

"Aina...warte."

Fragend drehte sich die Jüngere, die bereits einige Meter weitergelaufen war, um. Schnell sah sich Hitomi um, und als sie zu ihrer rechten eines der Zimmer erkannte zögerte sie nicht und ging mit schnellen Schritten auf die Tür zu.

"Hitomi, was....?" fragte Aina, doch ihre Freundin deutete ihr mit einer schnellen Handbewegung an hier zu warten.

"Einen Moment, ich bin gleich wieder da...." brachte sie noch hervor ehe sie die Tür hinter sich zuschlug und in das winzige Waschzimmer eilte.

Es war ein widerliches Unterfangen, und als das Gefühl der Übelkeit auch nach einigen Minuten noch nicht vorüber war kam es ihr vor wie ein Fluch. Doch irgendwann, zwischen stummen Flehen und Betteln es möge doch endlich zuende gehen, verschwand das Gefühl und sie konnte sich kraftlos gegen die Wand fallen lassen. Mit geschlossenen Augen lehnte sie nun da, der kalte Holzboden auf dem sie saß machte die Situation nur noch unangenehmer. In ihrem Mund herrschte eine ekelhafter Geschmack, und mit Anstrengung hievte sie sich hinauf zum Waschbecken, um genau diesen loszuwerden. Sie fühlte sich urplötzlich wie ausgelaugt, und der Wunsch sich einfach schlafen zu legen überkam sie. Doch dann erinnerte sie sich an Aina, die wartend vor der Tür stand und sich bestimmt schon Sorgen machte. Als sie sich umdrehte, um die Tür hinaus in die kleine Unterkunft zu öffnen, verschwamm für einen kurzen Moment alles und sie musste sich an der Wand abstützen.

"Was in aller Welt ist denn los mit mir....?" fragte sich, während sie endlich die Tür öffnete und hinaustrat. Erschrocken zuckte sie zusammen, als sie erkannte dass jemand auf dem Bett saß.

"Es geht dir nicht gut, habe ich recht?"

Nachdem sie den ersten Schock über den ungebetenen Besucher überwunden hatte, nickte Hitomi und trat auf Ethiél zu.

"Was....was machst du hier?" fragte sie unsicher, doch die andere Frau achtete nicht auf ihre Frage. Sie stellte lieber ihre eigenen.

"Hast du dich übergeben? Du siehst sehr blass aus.."

Wieder nickte sie, und Ethiél fuhr gleich fort.

"Es ist wahrscheinlich nur die plötzliche Umstellung. Lange Zeit in der Luft zu sein und dann plötzlich wieder auf der Erde zu stehen kann einem wirklich zu schaffen machen..." erklärte sie lächelnd. Hitomi wusste nicht wieso, doch irgendwie kam sie sich in ihrer Gegenwart unbehaglich vor. Eine seltsame Stimmung lag in der Luft.

"Aina wartet draußen sicherlich auf mich, ich werde wohl lieber..."

"Keine Sorge, ich habe ihr bereits gesagt sie soll vorgehen, ich würde nach dir sehen.."

"Ich danke dir, aber ich denke.."

Ethiél stand auf, und auf ihrem Gesicht zeichnete sich ein gütiges Lächeln ab.

"Ich bitte dich, bleib. Nur noch für einen Moment. Ich möchte dich um etwas bitten..."

Abwartend blickte Hitomi auf die Frau mit den schwarzen Locken. Sie hatte keine Ahnung, um was sie sie bitten wollte. Ethiél jedoch atmete tief durch, ehe sie erneut in ihre Augen blickte und Worte sprach, die schon lange auf ihrer Seele lagen...

"Versprich mir, dass du auf ihn acht gibst."
 

Ungläubig starrte Hitomi auf die Frau vor sich. Sie konnte nicht glauben, was sie da hörte.

"Aber was..."

"Nein, hör mir zu. Lass mich ausreden...." warf Ethiél ein und überlegte kurz, ehe sie fortfuhr.

"Du willst es vielleicht nicht wahrhaben, doch du bedeutest ihm sehr viel. Es ist nicht meine Aufgabe, dafür zu Sorgen dass du die Wahrheit erkennst, doch ich hoffe eines Tages wirst du alles selbst sehen. Jeder von euch hat seine Bürde zu tragen, das Leben hat es euch nicht leicht gemacht. Auf uns allen lastet Verantwortung, doch nur wenige haben die Kraft, etwas zu verändern. Das, was bei der Höhle geschehen ist, ist für mich nun nicht mehr wichtig. Du magst das sein, was in den alten Legenden prophezeit wird, doch für mich bist und bleibst du zuallererst ein Mensch. Ich habe gesehen, wie sehr du gelitten hast, wie sehr du noch immer leidest. Deshalb glaube ich nicht an eine böse Macht, die in dir schlummern soll. Niemand hier weiß, wie die Zukunft aussieht. Darum möchte ich dich nur um eines bitten...Gib dich nicht auf, und gib vor allem Van nicht auf...Es mag verrückt klingen, doch ich spüre wie sehr er sich durch dich verändert. Du musst ihm helfen. Du musst da weiterkämpfen, wo ich versagt habe...."

Emotionen stiegen in ihr hoch, doch Hitomi zwang sich, sie zu unterdrücken. In diesem einem Moment wollte sie stark sein, denn sie spürte wie viel Kraft es Ethiél kostete, nicht weinend zusammenzubrechen. Sie wollte ihr diesen Gefallen tun, denn Hitomi spürte dass es das letzte Mal sein würde, dass sie mit der jungen Frau sprechen konnte....
 

"Du hast es sicher schon erraten.. Ja, ich werde euch verlassen. Es gibt nun keinen Platz mehr für mich hier, doch keine Angst, es macht mich nicht traurig. Ich weiß, dass ich hier meine Aufgabe so gut es ging getan habe, und mit dieser Gewissheit werde ich weiterziehen. Mach dir keine Sorgen, ich kennen einige Menschen in den Vororten von Basram, ebenfalls Kämpfer für die Freiheit, so wie Allen und die anderen. Bei ihnen werde ich nun weitermachen und im Stillen versuchen, für unsere Überzeugung einzustehen. Ich bitte dich nicht um eine bessere Zukunft, Hitomi. Ich will einfach nur mit dem Wissen von euch gehen, dass es ihm gut geht...Das er nie wieder so leiden muss wie einst..."
 

Keine Worte drangen aus ihrem Mund, denn sie wusste nicht wie sie ihr antworten sollte. Das einzige, was sie tun konnte, war stumm zu nicken und die brennenden Tränen zu unterdrücken, die sich in ihren Augen formten.

"Ich danke dir..." flüsterte Ethiél und deutete mit einer Hand zur Tür.

"Es ist Zeit. Sie warten bestimmt schon auf dich. Ich werde erst später gehen, wenn ihr bereits in Dariyon angekommen seid. Abschiede liegen mir nicht, sie sind zu traurig.." erklärte sie lächelnd und sah zu, wie Hitomi langsam zur Tür ging.

"Tu, was immer auch dein Herz dir befiehlt..." dachte sie, als sich das knarrende Holz langsam schloss und Hitomi kaum mehr zu sehen war. Doch noch ehe sie vollkommen und für immer getrennt waren, gab Ethiél ihr noch wenige Worte mit, auf dass sie sie niemals vergessen sollte...Ihr leises Flüstern schien durch alle Fasern zu gehen, und die Bedeutung ihrer Worte war ihr zwar heute noch nicht bewusst, doch schon bald würde sie verstehen.. Und als sie sie hörte, wurde ihr klar dass es nicht das erste Mal war. Die Wahrheit lag verborgen, doch auch der dichteste Nebel muss eines Tages weichen.....
 

"Du wirst niemals erfahren wie sehr er dich liebt....Es sei denn, du hörst genau hin..."
 

~*~

And I, I'm desperate for you

And I, I'm lost without you..

~*~


 

Es war kalt. An diesem Ort hier gab es nichts außer der beißenden Kälte und dem Wind, die unbarmherzig alles verschlangen. Jedes mal, wenn sie hierhin zurückkehren musste, wünschte sie es wäre ein für alle mal vorbei. Doch die Ewigkeit zwang sie, immer wieder hier zu sein. Sora hatte sich niemals ausgesucht, das zu sein was sie war. Es waren nicht sehr viele Jahre, die sie zusammen mit den Menschen hatte, die sie liebte. Die Yalivar, das Volk des Drachengottes, war beinahe entgültig ausgerottet. Und als sich ihre ältere Schwester vom Weg ihrer Ahnen abwandte und entschloss, den Mann zu heiraten, den sie liebte, war es für Sora wie Verrat.
 

"Du verleugnest dein eigenes Blut...Ich schäme mich, denselben Namen zu tragen wie du!"
 

Bereits als junges Mädchen hatte sie es gesehen. Den Tod Goau Fanels, den Untergang eines gesamten Reiches. Ihren Tod. Den Tod ihrer einzigen Schwester. Doch sie schwieg, wusste sie doch dass es nicht ihre Aufgabe war, die Zukunft zu ändern. Die Götter schenkten ihr die Qual der Unsterblichkeit, doch Sora wusste, dass auch diese bald zuende gehen würde.
 

"Ich bin eine Mutter, Sora. Ich habe zwei Kinder. Niemals werde ich zulassen, dass ihnen etwas geschieht. Du kannst mich nicht davon abhalten, zu kämpfen."
 

Varie hatte nicht erkannt, dass sie sie nicht abhalten wollte. Sie wollte sie warnen. Ein einziges Mal verstieß sie gegen die Regeln der Ewigkeit, doch ihre Schwester hörte sie in Wahrheit gar nicht. Sie waren sich fremd, so fremd dass niemand glauben würde, dass dasselbe Blut durch ihre Adern floss.

"Du solltest aufhören, über die Vergangenheit nachzudenken."

Sora blickte in die Ferne, der Wind zerrte an ihr und sie hörte das Meer, wie es sich rauschend gegen die harten Felsen warf.

"Wieso bist du hier, Varie? Glaubst du, sie zeigen dir die Zukunft?"

"Nein, denn ich will sie gar nicht wissen. Ist es nicht deine Aufgabe, das Vorherbestimmte zu empfangen?"

"Ich bin nicht die einzige..." flüsterte sie, und das Jaulen des Windes wurde lauter.

"Das Meer...es ist so dunkel. Beinahe schwarz. Wieso suchen sich die höheren Mächte gerade diesen Ort aus, um dir ihren Willen aufzuzwingen?"

"Schweig.."

"Nein, ich will es einfach nur wissen."

"Weil es der letzte Ort Gaias ist, der noch nicht vom Hass der Menschen zerstört wurde.. Und obwohl er trostlos und unbarmherzig scheint, ist er das letzte, was wir noch haben..."

Sora setzte sich auf den harten Stein, ehe sie ihren Blick von der unendliche Ferne abwandte und in das Meer starrte.

"Es ist nicht schwarz. Für mich ist es rot...So rot wie Blut..."

Varie seufzte, und als sie weitersprach klang eine drückende Traurigkeit aus ihren Worten heraus.

"Wieso verlässt du diesen Ort dann nicht? Sie haben nicht das Recht, dir ihr Wissen, ihre Zukunft aufzudrängen..."

"Ich bin nicht wie du, Varie. Ich laufe nicht vor dem davon, was mich erwartet....Lange schon habe ich mein Schicksal angenommen."

"Und genau das ist dein Fehler...." antwortete die einstige Königin, den Blick auf das unendliche Meer gerichtet.

"Ich weiß, du hast mir niemals verziehen dass ich fortgegangen bin....Aber ich tat es nicht, um dir Kummer zu bereiten, weil ich nicht als aussätziger, verfluchter Dämon leben wollte...Ich tat es, weil ich mich verliebt hatte...."

Ihre plötzliche Wut war verflogen, stattdessen schüttelte Sora nur müde den Kopf. Sie spürte, ihre Kraft wich mit jedem Tag immer mehr aus ihrem Körper. Sie konnte erahnen, was die Götter ihr damit mitteilen wollten...Sora wagte es nicht, ihre Gedanken irgendjemandem mitzuteilen. Vielleicht versuchte sie auch nur gegen ihren Willen Hoffnung zu suchen. Vielleicht wollte sie ebenso unterbewusst, dass nicht das eintraf, was sie seit langem sah...

"Diese Liebe hat dir nichts als Kummer bereitet...."

"Glaubst du, ich wollte dass es so kommt? Ich würde alles geben um die Vergangenheit zu ändern. Nicht nur ich habe damals mein Leben verloren...Goau starb, weil er seine Familie schützen wollte...Meine Söhne bekriegen sich, jeder steht auf einer anderen Seite. Ich weiß, das alles scheint so aussichtslos, so...sinnlos. Oft wollte ich zu ihnen gehen, sie einfach nur ansehen. Doch ich wage es nicht, in ihre Gesichter zu sehen. Ich ertrage den Hass nicht, den Van in sich trägt....ich ertrage nicht die Resignation, die in Folken wohnt.. Irgendwann kommt der Tag, an dem alles eskalieren wird. Und ich kann nichts weiter tun, als hilflos zusehen....und zu hoffen, dass die Eine den richtigen Weg einschlagen wird. Ein Weg, der Escaflowne nicht brauchen wird..."

Ihre Worte klangen zwischen dem Rauschen des Meeres wie verschluckt, und eine drückende Stille zwischen ihnen folgte.

"Varie?"

Überrascht blickte sie zu der Frau mit den hellen Haaren herab, für einen Moment kam es ihr vor, als habe sie ihren Worten zwar zugehört, sich ihnen aber doch nicht angenommen. Ihre Augen schienen wie durch einen Schleier zu blicken und es sah aus, als würde sie in diesem Augenblick etwas ganz anderes spüren als die Kälte des Windes, der sie umgab. Ein leises Geräusch ertönte, so leise, dass man es eigentlich gar nicht hören konnte, doch selbst durch den jaulenden Wind erkannte Varie den Klang. Es war der Klang von etwas das sie, seit sie überhaupt davon wusste, niemals vergaß. Erschrocken wich sie zurück, als sie die pechschwarzen Flügel erblickte, die langsam aus Soras Rücken glitten. Einzelne Federn schwirrten umher, unbarmherzig vom Wind hin und her geschleudert. Sora blickte nicht auf, doch sie konnte die Trauer ihrer Schwester spüren, die sich nun auch in ihr zu formen drohte. Ihre Stimme war erdrückt von einer seltsamen Last, und ein dunkler Schatten legte sich über sie....

"Was ist das schrecklichste, das einer Mutter passieren kann............?"
 

Die Decke starrte auf sie herab. Ihr kam es vor, je länger sie sie betrachtete, desto bedrohlich näher kam sie. Die Geräusche des Abends drangen leise in das kleine Zimmer, direkt unter dem Dach. Kinder hörten auf zu spielen, während die Dämmerung ihren Lauf nahm. Und wenn sie genau hinhörte, konnte sie die Stimme ihres Bruders ausmachen. Ihr Kopf neigte sich schließlich zur Seite, und ihr Blick fixierte die kahle Wand. Nichts war vorhanden, was den kleinen Raum auch nur etwas Farbe geben konnte. Nur ein einfaches Bett, ein Regal und eine Kommode, mehr nicht. Keine Kerze, keine Lampe...wann immer es draußen Nacht wurde, wurde es hier auch dunkel.

Ihr Kopf schmerzte höllisch, das ständige Weinen hatte seinen Preis. Sie war ausgelaugt, beinahe wie starr vor Müdigkeit. Obwohl sie erst ein junges Mädchen war, fühlte sie sich wie eine alte Frau, die schon zu lange auf dieser Welt war. Niemand nahm Notiz davon, dass sie manchmal bei der täglichen Hausarbeit drohte, einfach umzufallen und einzuschlafen. Tapfer hielt sie durch, doch mit jedem Tag wurde es schwerer und schwerer. Und trotz der unendlichen Erschöpfung, die sie verspürte, weigerte sie sich zu schlafen. Keiner wusste, dass sie Nacht für Nacht wach lag, dass sie krampfhaft versuchte gegen den Schlaf zu kämpfen. Gegen das, was die Dunkelheit ihr brachte...

Benommen stand sie auf und ging zum Fenster. Zierliche Finger schoben langsam den Vorhang zur Seite, und ihre Augen blickten auf die Straßen hinunter. In den Häusern gingen die Lichter an, Familien machten sich für das gemeinsame Abendessen bereit. Sie hätte alles dafür gegeben, nur einmal dabei zu sein. Wenigstens um nur kurz zuzusehen. Sie wollte wissen wie es war, eine richtige Familie zu haben...

Bevor sie noch weiter darüber nachdenken musste, ging sie zurück zum Bett und setzte sich mit dem Rücken gegen die Wand.
 

~*~

Lie to me,

Convince me that I've been sick forever...

And all of this,

Will make sense when I get better...

~*~
 

Schon oft war sie hier oben gewesen. Sie schickten sie jedes Mal hierher, wenn sie etwas böses getan hatte. Wenn sie die einzige Wahrheit sprach, die sie kannte...die ihr einfach so aufgezwungen wurde. Hitomi erinnerte sich an das entsetzte Gesicht des Mannes, der trotz seiner Trunkenheit wohl immer noch verstand, was sie zu sagen hatte. Er und ihr Vater tranken zusammen im Wohnraum des Hauses Sake im Überfluss, als sie zu ihnen trat um noch etwas Reis und Fleisch zu bringen. Sie wusste nicht, was sie dazu bewegte diese Dinge zu sagen, sie kamen einfach. Es war, als könne sie ihre eigene Stimme nicht mehr kontrollieren.

Die Zeit in dem kleinen Arbeiterhaus schien stillzustehen, als Hitomi einem potenziellen Kunden ihres Vaters prophezeite, er würde schon bald sterben.

Für einen Augenblick lang wagte niemand zu sprechen, alle der Anwesenden hielten den Atem an. Dem Mann war der Schock direkt ins Gesicht geschrieben, als er die Worte des jungen Mädchens hörte. Erst als das Geräusch eines auf dem Boden zerschellenden Tellers aus der Küche ertönte, erwachten alle aus ihrer Starre.

Nur vage erinnerte sie sich an den harten Griff ihres Vaters, als er sie anschrie und die Treppen hinauf schleifte. Sie leistete keinen Widerstand, schon lange nicht mehr. Seine harten Worte vernahm sie nur bruchstückartig, stattdessen drangen andere, viel schmerzlichere Laute an ihr Ohr. Während ihr Vater sie brüllend in das Dachbodenzimmer brachte und sich ihre Mutter verzweifelt bei dem Mann entschuldigte, hörte und fühlte Hitomi nur eines...Den Tod, der sich schleichend das Leben eines Menschen nahm und die Schreie der entrissenen Seele, die nicht hinab in die Unterwelt stürzen wollte....

Der Schlaf drohte immer mehr, sie zu übermannen. Und obwohl sie todmüde war, fürchtete sie sich davor. Ihr einziges Ziel war wach zu bleiben, solange es nur ging. Ihr Körper verlangte nach Erholung, doch sie hatte nicht vor dem nachzugeben. Auf keinen Fall wollte sie diesen schrecklich real scheinenden Träumen erneut begegnen. Immer wieder fragte sie sich, wieso gerade sie diese Dinge sehen musste. Eigentlich sollte sie doch nur ein ganz normales Mädchen sein, das davon träumt eines Tages einen edlen Prinzen zu treffen, der sie zu seiner Prinzessin macht. Fast jedes Mädchen wünschte sich das, wieso konnte sie es also nicht? Wieso träumte sie nicht von Schlössern, von wunderschönen Gärten und Bällen, sondern von Finsternis, Blut, Zerstörung.....und von dem Gefühl einer schrecklichen Einsamkeit, die sie immer tiefer in ihren Sog rief.

Langsam stand sie auf, der stechende Schmerz in ihrem Kopf kehrte mit einem Schlag unbarmherzig zurück. Und dann wusste sie, was zu tun war...

Ihre Schritte führten sie zu dem kleinen Regal, das direkt neben der abgeschlossenen Tür stand. Hitomi war sich sicher, es gab einen Weg der ihr helfen konnte wach zu bleiben. Mit einem leisen Knacken öffnete sie das Fach, indem die alten Sachen, die nicht mehr gebraucht wurden, verstaut lagen. Suchend blickte sie hinein, und schließlich entdeckte sie das, was sie wollte. Ein Gähnen unterdrückend, nahm sie den alten Handspiegel, und ohne auch nur einen weiteren Moment darüber nachzudenken ließ sie ihn fallen.

Nachdem das Klirren verstummt war, sah sie auf die zahlreichen zerbrochenen Stücke. Zögernd griff sie nach einem der größeren, und betrachtete durch die Dunkelheit die scharfe Kante. Zitternd hob Hitomi den gefährlichen Splitter an ihren Unterarm.

Und in diesem Augenblick fragte sie sich, ob sie sich durch den Schmerz einfach nur wach halten oder ob sie in Wahrheit etwas ganz anderes wollte....

Doch noch ehe sie weiter darüber nachdenken konnte, sah sie mit Ekel und Faszination gleichzeitig auf das Blut, das plötzlichen ihren Arm hinabfloss......
 


 

Meilenweit entfernt wurde ein Junge ganz plötzlich aus seinem Schlaf gerissen. Verwundert griff er nach seinem Arm, der vor wenigen Momenten noch seltsam brannte. Es fühlte sich an, als habe er sich mit einem scharfen Messer geschnitten. Seine dunklen Augen kniffen sich zusammen, und nachdenklich stand er auf. Der freie Himmel, unter dem sie schon seit Tagen übernachteten, war übersäht mit Sternen. Schon lange war es her, dass sie sich so leuchtend zeigten. Es regte sich kein Lüftchen, und eine tiefe Stille legte sich über den Wald nahe Egzardia.

Er verließ das Lager, und keiner der Anwesenden, die alle um das Feuer herum lagen, erwachte aus seinem tiefen Schlaf. Nicht einmal das sonst so aufmerksame Katzenmädchen wurde wach, als er mit dumpfen Schritten in Richtung Wald verschwand. Das Feuer prasselte weiter, und anstatt seine Wärme zu spüren, begrüßte ihn nun die Kälte der Dunkelheit.

Die Nacht schien heute endlos, und während er schweigend an einem Baum lehnte und in die Ferne blickte, fragte sich Van wieso er von tausend zerbrochenen Spiegeln geträumt hatte......
 

~*~

Bleed...

I bleed,

And I breathe...

I breathe,

I breathe...

I breathe no more...

~*~


 

Darna hörte aufmerksam zu, und mit jedem Wort das Ardan sprach, veränderten sich ihre Emotionen von Wut zu Mitleid, von Kummer zu Schrecken. Sie konnte nicht glauben, dass es tatsächlich Menschen gab, die Kindern bewusst wehtun wollten.

Schon seit einer Weile marschierten sie durch den dichten Wald, ein neuer Morgen war bereits gekommen. Und als Ardan mit seiner Erzählung fertig war, schüttelte die Wolfsfrau betrübt den Kopf.

"Viel schreckliches scheint euch widerfahren zu sein. Aber nun könnt ihr beruhigt sein, in unserem Tempel lauern keine Gefahren. Es scheint sich herumgesprochen zu haben, in letzter Zeit hatten wir oft Besuch." erklärte Darna schmunzelnd. Interessiert horchte Ardan auf, und Eries sah die Wolfsfrau ebenfalls fragend an. Chid, der stumm an Eries Hand ging, schien jedoch in seinen eigenen Gedanken versunken zu sein.

"Wie meinst du das?" fragte Ardan.

Mit einigen geschickten Handbewegungen streifte Darna das Gestrüpp beiseite und deutete den Dreien an, hindurchzugehen.

"Nun, es ist noch gar nicht so viele Wochen her, da beherbergten wir zwei Besucher..."

Kurz sah sie sich zweifelnd um, als suche sie nach irgendetwas dass ihren nächsten Worten Schaden zufügen könnte. Ihre Stimme wurde leise, als die Worte ihren Mund verließen.

"Es waren zwei der Abaharakis..."

Abrupt blieb Eries stehen. Mit geweiteten Augen starrte sie Darna an.

"Was hast du gesagt?"

Verwundert stoppte die andere Frau ebenfalls.

"Abaharakis. Die Rebellen. Ich bin mir sicher, man hat hier und da schon von ihnen gehört."

"Wer...wer war es, der bei euch war? Ich bitte dich, sag es mir..."

Ardan erkannte die Hoffnung in ihren Augen, doch sie erlosch in dem Moment als Darna erneut begann, zu sprechen.

"Nun, eine junge Frau und ein Mann...um genau zu sein war es...."

Zögernd brach sie ab, ehe sie den Kopf schüttelte.

"Wir sollten hier draußen nicht darüber sprechen. Es ist sowieso besser, ihr unterhaltet euch mit Mutter darüber wenn wir ankommen...Hier, der Tempel ist nicht mehr weit..." Nachdenklich setzten sie ihren Weg fort, eine lange Zeit herrschte Schweigen ehe Chid zum ersten Mal seit langem wieder die Stimme erhob.

"Tante Eries, wo sind wir hier?"

"Im Wald..." kam die ohnehin offensichtliche Antwort, doch die Prinzessin schien so tief in Gedanken versunken zu sein, dass Darna lächelnd für sie antwortete.

"Nun, eigentlich sind wir im Wald von Arzas, doch dieser ist groß. Wir haben den Wald in verschiedene Bereiche geteilt, damit wir uns besser zurechtfinden. Und im Moment befinden wir uns im Gebiet ganz nahe an der Grenze zu Fanelia, das wir auch den Drachenwald nennen. Aber keine Angst, hier gibt es seit Jahren keine Drachen mehr. Nein, die sind alle weitergezogen in Richtung Osten...hinein in die Ruinen....."

Aufmerksam beobachtete Chid, wie sich der Gesichtsausdruck der Wölfin veränderte. Ihre Augen wurden traurig, und selbst ihre Ohren schienen leicht herabzuhängen.

"Welche Ruinen?"

"Chid, ich denke das reicht..." mahnte Ardan bestimmt, und der junge Herzog senkte etwas beleidigt den Kopf.

"Nein, das ist schon in Ordnung." warf Darna ein, und deutete dem Jungen an, zu ihr zu kommen. Eries schien es nicht einmal zu bemerken, als er ihre Hand losließ...

"Wenn wir Zuhause ankommen, werde ich dir eine Geschichte erzählen...Ja?"

Freudig nickte er, und für einen Moment lang vergaß er sogar, welche Lage sie überhaupt hierher geführt hatte. Ardan erblickte schließlich Eries, wie sie langsam hinter ihnen herschritt. Und gerade als er zu ihr gehen wollte, um sie aus dieser trauernden Gedankenwelt herauszuholen, ertönte nochmals die Stimme der Wolfsfrau.

"Hier ist es...Erinnerst du dich, Ardan?"

Nickend blickte er auf das einst so imposante Bauwerk, halb versunken in der Erde...

"Ja......ich erinnere mich..."
 


 


 

Mit einem triumphierenden Grinsen brachte der erfolgreiche Jäger seine Beute zurück in das Lager. Das Strampeln des Gefangenen beachtete er kaum, stattdessen riss er erneut am Kragen des hilflosen Geschöpfes, bis dieses vor Angst erstarrte und still blieb. Miguel beobachtete argwöhnisch, wie grob sein Kommandant mit dem Jungen umging, doch er dachte nicht daran auch nur für einen Moment die Stimme zu erheben. Er wusste, was ihn erwarten könnte und er hatte nicht vor, das zu erleben wovon man sich unter den Soldaten nur hinter vorgehaltener Hand erzählte. Er fragte sich, ob sie wohl auch nur einen Funken Wahrheit enthielten...

Der Wald war schnell an ihnen vorbeigezogen, sie ritten so schnell dass man glauben könnte, der Tod wäre hinter ihnen her. Nun hatten sie also einen der Jungen. Miguel war sich sicher, dass es Dilandau herzlichst egal war, welchen er da erwischt hatte. Die Hauptsache war, dass er sich an der widerspenstigen Prinzessin gerächt hatte.

Dilandaus Blick glitt erneut über den Jungen, und ein weiteres Mal kroch die Wut in ihm hoch. Sein eigentliches Ziel war der Herzog, doch als er erkannte dass es ihm von seiner Position aus unmöglich war diesen zu ergreifen gab er sich eben mit dem anderen zufrieden. Jedoch hatte er keine Ahnung, was das überhaupt für ein Junge war und ob er ihm von Nutzen sein konnte. Für Dilandau sah er eher aus wie ein dahergelaufenes Straßenkind, nichts wodurch er sich irgendeinen Vorteil erhoffen konnte außer vielleicht der Trauer der Prinzessin.

"Das muss wohl vorerst genügen...Wir werden sehen...." dachte er.
 

Hastig sprang er vom Pferd und wollte sich so schnell wie möglich entfernen, doch noch ehe er etwas sagen konnte ertönte Dilandaus herrische Stimme.

"Miguel!"

Sofort blieb er stehen und drehte sich langsam um.

"Ja, Kommandant?"

"Bring sofort dieses....dieses Etwas hier in eine Zelle, und beeil dich gefälligst!"

Als Miguel sich hilfesuchend umsah, jedoch niemanden erblickte der ihm aus dieser Situation heraushelfen konnte, senkte er entschuldigend den Kopf.

"Kommandant....wir haben hier keine Zellen, das ist schließlich nur ein einfaches Basislager, das übrigens morgen wieder.....nun ja...abgebaut wird."

Dilandaus Augen verengten sich, und mit einem Satz schwang auch er sich von seinem Hengst, den Jungen immer noch fest am Arm packend. Mit festen Schritten trat er zu Miguel, und ein weiteres Mal hob er die Hand zum Schlag. Sein Opfer wartete bereits auf den stechenden Schmerz, doch der kam nicht. Stattdessen ertönte plötzlich ein leises Lachen.

"Nein...ich habe eine viel bessere Idee."

Während Miguel sichtlich verwirrt die Augen öffnete, kam ihm der Körper des kleinen Jungen entgegen. Nur mit Mühe konnte er ihn vor einem weiteren harten Sturz bewahren.

"Du hast die wahrhaftig ehrenvolle Aufgabe, ab jetzt für diesen Bengel verantwortlich zu sein. Da ich keinerlei Lust habe, mich damit abzugeben, gebe ich dir diese wundervolle Verantwortung weiter. Du wirst dafür Sorgen, dass der Knirps uns hier keinen Ärger macht, und sollte es dennoch so sein, wirst du die schmerzhaften Konsequenzen tragen! Haben wir uns verstanden?"

Zuerst war er so verwundert, dass er beinahe vergaß zu nicken. Doch ehe sich Dilandau erneut in seiner geliebten Wut suhlen konnte, trat Miguel einen Schritt zurück und verneigte sich. Zu seinem Leidwesen musste er erkennen, dass er in genau diesem Moment sein baldiges Todesurteil unterzeichnet hatte. Er wusste, würde auch nur eine Kleinigkeit schief gehen und irgendetwas nicht so von der Hand gehen wie Dilandau es wollte, war er nicht nur seinen Posten als Soldat des Zaibacher Reiches los..

"Na, dann wäre das ja schon geklärt. Wunderbar..."

Ohne weiteres drückte er seinem Untergebenen die Zügel des Pferdes in die Hand und schritt in Richtung der Zelte.

"Aber Kommandant, was soll ich....?" rief er ihm noch hinterher, den verängstigten Jungen im Arm und ein scharrendes Pferd an der Hand, doch Dilandau dachte nicht daran den Soldaten noch eines weiteren Blickes zu würdigen. Er hatte im Moment andere Dinge zu tun..
 

"Na wunderbar...." murmelte er, und erst als ein leises Schluchzen ertönte erinnerte er sich daran, dass er einen kleinen Jungen festhielt. Schnell lockerte er den Griff um ihn uns sah ihn das erste mal überhaupt richtig an. Die von Dreck bedeckten Haare hingen ihm wirr ins Gesicht, das auch kaum noch eine saubere Stelle aufwies. Seine Kleider waren an einigen Stellen zerrissen und nicht weniger dreckig als sein Gesicht. Tränen fielen seine Wangen hinab, und ängstlich blickte er sich um.

Miguel seufzte erneut, und kniete sich vor den Jungen. Er musste in seiner schweren, schwarzen Rüstung mehr als bedrohlich aussehen...

"Kleiner....he Kleiner." sprach er ihn ruhig an, und nach einigen Momenten blickte er in das verdreckte Gesicht. Er erkannte die Furcht, die in ihm lag, und obwohl er auf Befehl jeden Mann töten würde hatte Miguel nicht vor, diesem unschuldigen Kind auch nur ein Haar zu krümmen.

"Wie ist dein Name?"

Der Junge antwortete nicht, aber immerhin hatte er aufgehört zu weinen. Das Pferd am Zügel wurde immer unruhiger, und Miguel bemerkte wie diese Unruhe auch auf den Jungen überging.

"Hör zu, ich muss das Pferd anbinden. Willst du mir dabei helfen? Gleich da drüben, bei den Holzbalken. Ja?"

Skepsis entgegnete ihm, doch je länger sich Miguel ein in dieser Situation eigentlich völlig unangebrachtes Lächeln aufzwang, desto mehr verschwand sie aus den Augen des Jungen. Schließlich nickte er stumm, und lief geduldig neben dem Soldaten her.

Faron hätte fliehen können, doch er war viel zu verwirrt und müde um sich den Strapazen einer ohnehin aussichtslosen Flucht hinzugeben. Stattdessen sah er fast schon apathisch zu, wie der Soldat das schwarze Pferd anband. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wo er war. Nachdem ihn die Arme gepackt und von der Prinzessin weggerissen hatten, war alles wie verschwommen. Er hatte verkrampft die Augen geschlossen, in der Hoffnung so seinem Schicksal zu entgehen. Und dann schrie er...

Doch der Mann in der roten Rüstung hatte ihn gepackt und geschüttelt, bis er es nicht mehr wagte auch nur einen Ton von sich zu geben. Faron erwischte sich bei dem Gedanken, dass ihm das alles erspart geblieben wäre, wenn er Zuhause geblieben wäre...Schnell verbannte er diese Vorstellung, als er sich an seine Schwester erinnerte. Er wusste es zwar nicht, doch das Ausreißen aus dem kleinen Dorf hatte ihm das Leben gerettet. Wäre er weiter dort geblieben, wäre auch er ein hilfloses Opfer von zwei der mächtigsten Dämonen Gaias gewesen. Und wären sie nicht von etwas noch viel mächtigerem vernichtet worden, hätten sie auch ihn gefunden.

"So....das wäre erledigt.." hörte er den Soldaten leise murmeln. Erneut blickte sich Faron fragend um, zum ersten Mal jedoch nahm er seine Umgebung auch wirklich wahr.

"Na komm. Ich bringe dich erst einmal ins Warme."

Es war wahrlich eine seltsame Wandlung. Vergangene Nacht noch half er dem Mann in der roten Rüstung, Chid und ihn gefangen zu halten, doch jetzt erschien er ihm nicht mehr gefährlich. Beinahe kam es ihm so vor, als wolle er ihm helfen....

Man hatte ihm oft gesagt, dass nicht immer alles so ist, wie es einem erscheint.
 


 

Unter den neugierigen, teils spöttischen und teils misstrauischen, Blicken der Soldaten führte Miguel den Jungen durch das Lager. Er erntete auch hier und da einen hämischen Kommentar, doch er beschloss dem nicht weiter nachzugehen. Stattdessen brachte er den Jungen in sein Zelt, der einzige Ort an dem er ihn sicher verwahrt wusste. Die spärliche Unterkunft schien gerade Platz für zwei zu haben, und als beide eintraten war diese Stelle anscheinend schon belegt.

"Was wird denn das, Miguel? Hast du irgendetwas verbrochen oder holt dich deine Vergangenheit ein?" ertönte eine amüsierte Stimme.

"Halt den Rand, Gatti..."

Entschuldigend hob der Mann, der auf der linken der beiden Matratzen lag, die Hände.

"Ist schon gut...Aber im ernst, es würde mich schon interessieren wie du plötzlich zu einem Kind kommst. Klär mich auf."

Miguel achtete zuerst nicht auf die Frage seines Zeltkumpanen, denn er wandte sich erneut an den Jungen.

"Das da drüben ist Gatti. Du brauchst keine Angst vor ihm zu haben, er wird dir nichts tun. Er ist harmlos."

"Bei allen Göttern was redest du da?" warf der andere nun ein.

"Hast du draußen keine Wache zu halten?" fragte Miguel sichtlich genervt.

"Nein, heute nicht. Würdest du mir jetzt bitte erklären, was hier vor sich geht?"

"Später....Wo ist die Wanne mit Wasser?"

Verwirrt deutete Gatti auf eine hölzerne Wanne im Eck.

"Gut...."

Miguel nahm den Jungen an der Hand und führte ihn hin.

"Hier kannst du dich waschen. Ich denke, du hast diese dreckigen Sachen satt, oder?"

Er nickte, und zufrieden wandte sich Miguel nun erneut an Gatti.

"Besorg was zum Essen."

"Aber..."

"Tu es einfach, du wirst schon noch früh genug erfahren was heute Nacht passiert ist!"

Mit leisem Brummen stand Gatti auf und schritt aus dem Zelt. Er konnte sich einfach nicht erklären, was hier gerade vorging und warum er eben aus seiner eigenen Unterkunft geworfen wurde.

Nachdem Gatti unter leisem, jedoch sinnlosen Protest, das Zelt verlassen hatte suchte Miguel erfolglos im Haufen seiner Hemden nach etwas, was er dem Jungen überziehen konnte. Im Hintergrund hörte er das Plätschern des Wassers... Er gab es schließlich auf in seinen Sachen nach etwas Brauchbarem zu suchen. Dann fiel sein Blick auf die ordentlich aufgeräumte Kiste neben der Matratze...

"Gatti hat sicherlich nichts dagegen..." dachte er sich und begann sofort, darin zu wühlen. Der im Moment abwesende Soldat war etwas jünger als Miguel, und auch nicht so hoch gewachsen wie er. Vielleicht konnte er hier etwas für den Übergang finden, denn er hatte nicht vor den Jungen erneut in seine verdreckten und zerfetzten Kleider zu stecken. Seine Wahl fiel auf ein schon verwaschenes, schwarzes Hemd das von den Soldaten normalerweise unter der Rüstung getragen wurde. Es war zwar immer noch viel zu groß, doch es würde wohl gehen müssen.
 

Faron beobachtete den Mann, wie er eine Kiste durchwühlte und dann ein schwarzes Kleidungsstück hervorholte. Er hatte sich so gründlich es ging gewaschen und abgetrocknet, doch jetzt schlug ihm die Kalte Luft wie ein Donnerschlag entgegen und er schlang fröstelnd die Arme um sich. Der Soldat schien das bemerkt zu haben, und hastig ging er auf ihn zu.

"Hier, zieh das an. Es ist zwar zu groß für dich, aber etwas anderes lässt sich wohl nicht auftreiben."

Hastig streifte er sich das Hemd über, und Miguel sah zufrieden wieder langsam aufhörte zu frieren. Er betrachtete den Jungen vor ihn nun genauer, das braune Haar das ihm ins Gesicht fiel erinnerte ihn in gewisser weise an sich selbst, als er noch ein Kind war...
 

Miguel schüttelte den Gedanken an die Vergangenheit sofort ab, anstatt in trüben Erinnerungen zu schwelgen startete er einen neuen Versuch.

"Willst du mir vielleicht jetzt sagen, wie du heißt?"

Zuerst zögerte der Junge, doch schließlich brach er sein Schweigen.

"Faron...."

"Na siehst du, das war doch gar nicht schlimm. Und woher kommst du, Faron?"

Plötzlich dachte er an Chid. Und an Ardans warnende Worte, dass sie niemals gefunden werden dürfen. Er fürchtete, wenn er ihm verraten würde woher er kam und wie er zu der Prinzessin und dem Ritter gefunden hatte, einen Fehler zu begehen. Deshalb schüttelte er nur den Kopf und sah zu Boden.

Miguel gab sich vorerst nur mit seinem Namen zufrieden. Vielleicht war es auch besser, wenn er seinem Kommandanten keine Informationen berichten konnte. Dann war der Junge nicht so sehr in Gefahr, und Dilandau würde sich wieder anderen Dingen zuwenden.

"Ich weiß, es war ein harter Tag für dich. Und ich möchte mich entschuldigen...Ich wollte weder dir noch irgendjemand anderem etwas böses, das musst du mir glauben...Es ist nur...ich hatte keine andere Wahl..."

Er hatte niemals die Wahl gehabt. Bereits vom ersten Tag an, als er dem Black Dragon Clan beitreten musste, wollte er weg. Falsche Versprechungen, Lügen...mit all diesen Mitteln hatten sie ihn gelockt, ihm gesagt, dass für alles gesorgt sei. Aber in Wahrheit interessierten sie sich nicht für das Leiden der Bürger Zaibachs. Sie brauchten nur billige Söldner, mehr nicht..

Ein leises Räuspern holte ihn in die Gegenwart zurück, und als er Farons schläfrigen Ausdruck erkannte deutete er ihm an, zu der Matratze zu gehen.
 

Gatti beobachtete argwöhnisch, wie der Junge nun auf dem Bett saß und in das Laken eingewickelt wurde. Der dampfende Teller in seiner Hand wurde heiß, und schnell ging er zu Miguel.

"Hier, dein Essen. Ich habe viel Überredungskunst gebraucht, um mir noch eine Schüssel zu holen und jetzt halten mich alle wahrscheinlich für einen verfressenen Vollidioten."

"Du wirst es überleben.. Kein Brot?" erwiderte Miguel und nahm ihm die Suppe ab.

"Soll ich dir vielleicht noch Porzellan vom asturianischen Hofe bringen? Oh, ich vergaß...der steht ja schon lange nicht mehr..."

Gatti lachte leise auf, doch er fing sich sofort einen scharfen Blick von Miguel ein, als dieser spürte wie Faron für einen Moment kurz zusammenzuckte.

"Hör sofort auf damit!"

Der andere Soldat winkte nur ab und sah Miguel fragend an.

"Jetzt erklär mir, was hier los ist."

Doch der Angesprochene ignorierte ihn, wandte sich lieber erneut an Faron und hielt ihm die Suppe hin.

"Du hast sicherlich schon besseres gegessen, aber vorerst muss es reichen..."

"Danke..." murmelte er und begann scheu zu essen.

Schweigen erfüllte das Zelt, und nach einigen Minuten war der Teller leer. Zufrieden lächelte Miguel ihn an, und drückte Gatti, der nun neben ihm stand, das schmutzige Geschirr in die Hand. Der sah zuerst verdutzt auf und ab, doch stellte es dann auf den kleinen Tisch in der Ecke.

"Nicht zu fassen..." presste er hervor, ehe erneut Miguels Stimme ertönte.

"Schlaf jetzt ein bisschen.. Du wirst sehen, sobald du wieder aufwachst sieht die Welt schon wieder anders aus.."

Faron wollte nicht weiter über das heute Geschehene nachdenken. Müde ließ er den Kopf in das Kissen sinken und spürte die Wärme, die ihn nun umgab. Er schloss die Augen und schon wenige Momente später war er eingeschlafen.

Erleichtert stand Miguel auf und begann schweigend, seine Rüstung abzunehmen. Gatti fühlte sich mit jeder Sekunde mehr und mehr lächerlich, und als er es nicht mehr aushielt ging er zielstrebig auf Miguel zu und zischte ihm leise Worte zu.

"Verdammt Lavariel, würdest du jetzt endlich mal den Mund aufmachen? Ich lasse mich doch hier nicht von dir zum Affen machen!"

Ohne weiteres packte er den verärgerten Gatti am Arm und zerrte ihn nach draußen, wo er mit gedämpfter Stimme erzählte, was in dieser Nacht alles geschehen war. Gatti nickte nur als er seinen Worten zuhörte, und ein wissender Ausdruck erschlich sich in seine Augen...
 


 

Die Sonne des noch nicht allzu lange erwachten Morgens schien im sanften Licht auf sie herab, und es war als erfülle eine seltsame Magie die Luft, die sie atmeten. Viele beschlich sogar Erfurcht, als sie auf die aus hellem Stein gebauten Wachtürme blickten, die Banner Basrams wehten in stolzem Rot im Wind. Auf ihnen prangten die weißen, feuerspeienden Schlangen, Wächter über Land und Wasser. Die Berge, die sie umgaben, waren vom grün der Bäume übersäht, und die Havroth blickten von ihrem steinernen Thron hinab auf die so unbedeutend erscheinenden Menschen. Jahrhunderte alte Zeugen einer längst vergangenen Zeit trafen auf doch so kurze Menschenleben, und in diesem einen Augenblick wurde die Pracht und Würde der Natur so präsent wie noch nie.

Überwältigung. Ehrfurcht. Dankbarkeit. All diese Gefühle strömten durch ihre Körper, ohne dass sie es verleugnen konnten.
 

Der helle Klang eines Horns ertönte, und von weitem sahen sie zwei Reiter auf weißen Pferden auf sie zureiten. Beide hielten Lanzen in den Händen, deren Spitzen im Licht der Sonne glänzten. Die Hufe schlugen heftig auf die Erde, und als sie immer lauter wurden und schließlich verstummten standen sie vor ihnen. Auf der Brust ihrer Rüstungen wanden sich stolz die beiden Schlangen, Symbole des Lebens, egal ob an Land oder im Wasser.

Beide blickten die Gruppe musternd an, als ob sie herausfinden wollten in welcher Absicht sie ihr Land aufgesucht hatten.

"Seid gegrüßt, Fremde. Ihr seid hier an den Grenzen Basrams, mit weißer Flagge habt ihr eure Ankunft angekündigt. Was führt euch alle hierher?."

Ohne zu zögern trat Dryden nach vorne, Allens argwöhnischen Blick im Nacken.

"Wir danken euch, dass ihr uns gestattet habt auf eurem Boden zu landen. Ich bin Dryden Fassa aus Asturia, und mit mir reisen die, die den schrecklichen Fall Pallas' überlebt haben. Wir konnten gerade noch fliehen, und nun erbitten wir euch um eure Hilfe..."

Der rechte der Männern nickte und lockerte den Griff um die Lanze.

"Wir haben schon davon gehört, und es erfüllt uns mit Trauer zu wissen, dass so viele Menschen ihr Leben lassen mussten. Ihr kommt in friedlicher Absicht, wie ihr es vorgegeben habt, und ihr habt Frauen und Kinder bei euch. Folgt uns, wir werden euch nach Dayron bringen."

Dankend senkte Dryden den Kopf, ehe er antwortete.

"Ich stehe in eurer Schuld, und bedanke mich für das Vertrauen."

"Was ist mit dem Schiff?" fragte nun der andere.

"Oh ja natürlich, das Schiff..." Dryden wandte sich leise an Allen.

"Es wäre wohl besser, wenn wir es vorerst hier lassen, im Schutz der Bäume. In der Stadt könnte es unter Umständen Ärger geben. Wir wissen nicht, wer sich hier alles herumtreibt.."

Allen nickte nur stumm, und gab Sekir das Zeichen das Schiff an seinem jetzigen Platz zu lassen.

"In Ordnung. Lasst uns gehen..."

Bedächtig schritten die Reiter nun voraus, über den steinigen Weg hinab in Richtung der weißen Wachtürme. Hinter ihnen die kleine Menschengruppe, in der jeder im Moment seinen ganz eigenen Gedanken und Vorstellung über die Wendung der Reise nachhing. Oft blickten einige erneut nach oben, um die steinernen Wächter anzusehen. Alles war so...anders und überwältigend, dass sie sich irgendwie fremd vorkamen.
 

Van konnte sich einfach nicht mit dem Gedanken anfreunden, hier nach Hilfe zu suchen. Irgendetwas sagte ihm, dass dieses Land mehr verbarg als man erahnen konnte. Er blickte kurz zu Allen, dessen verspannter Gesichtsausdruck auf nichts Gutes schließen ließ. Merle ging schon fast überschwänglich fröhlich neben ihm her, ihr Kopf drehte sich hin und her, als wolle sie die gesamte Umgebung in sich aufnehmen. Ein Windhauch kam auf, und vertrieb die plötzliche Hitze, die er spürte. Für einen kurzen Moment schien sich seine Brust zusammen zu schnüren, und ihm war, als würde man versuchen ihm die Luft zum Atem aus seinem Körper zu pressen. Doch so schnell dieses Gefühl auch gekommen war, so schnell war es auch wieder vergangen. Van fragte sich, ob man sich solche Schmerzen einbilden konnte...

Nach geraumer Zeit verschwand das Schweigen, welches unter ihnen herrschte, und man begann sich zu unterhalten. All die Stimmen kamen ihm plötzlich erdrückend vor, doch bei jedem Geräusch das ertönte bemerkte er, das eine einzige Stimme nicht dabei war..
 


 

Verblüfft blickte Aina an den Gebirgen entlang, die um sie herum lagen. Es war das erste Mal, das sie so etwas erblicken durfte. Nicht einmal die mächtigen Chatal Berge konnten es mit den imposanten Steingebilden Basrams aufnehmen.

"Bei allem, so etwas habe ich noch nie gesehen. Es ist einfach unglaublich, findest du nicht?"

Mit einem Lächeln auf dem Gesicht drehte sie sich zu ihrer schweigsamen Gefährtin um. Seit sie aus dem Luftschiff traten, hatte sie kein einziges Wort mehr gesagt. Aina fragte sich, ob sie überhaupt wahrnahm, wo sie im Moment war..

"Wenn du weiter so vor dich hinsiechst, fällst du noch auf die Nase." bemerkte sie, und endlich schien Hitomi aus ihrer Gedankenwelt zu erwachen.

"Entschuldige..."

"Ist irgendetwas?" fragte das jüngere Mädchen vorsichtig.

"Nein..."

So ganz nahm sie ihr diese Antwort nicht ab, doch sie beschloss nicht weiter danach zu bohren. Stattdessen hob sie die Hand und deutete auf den steinernen Adler.

"Ich würde zu gerne wissen, wer sie erschaffen hat. Du nicht auch?"

Hitomi nickte stumm und senkte den Blick in Richtung Boden. Sie musste sich regelrecht dazu zwingen, ihre Augen nicht geradeaus zu wenden. Immer noch hallten die Worte in ihrem Kopf wider, doch sie konnte sie einfach nicht verstehen. Für sie war es ein Widerspruch in sich selbst, alles was sie gesagt hatte ergab so gar keinen Sinn.

In dem Augenblick, als sie aus den dunklen Gängen des Luftschiffes in den Tag schritt, kreuzten sich ihre Blicke für den Hauch eines Moments, und ehe sie realisieren konnte was geschah wandte er sich abrupt ab. Ihr war, als könne er ihren Anblick nicht ertragen...
 

"Versprich mir, dass du auf ihn acht gibst."
 

Innerlich schimpfte sie sich einen Dummkopf, dass sie ihr dieses Versprechen gab. Hitomi wusste, sie würden niemals normal miteinander umgehen können. Wie sollte sie dann also das tun, was man von ihr verlangte? Kopfschüttelnd setzte sie ihren Weg fort, ehe sie glaubte ein leises Geräusch zu hören. Es hörte sich an wie das Öffnen einer Luke. Sie verlangsamte ihre Schritte bis sie es schließlich wagte, sich umzudrehen. Aina ging bereits einige Meter voraus und reckte den Hals in die Höhe, immer noch vollkommen eingenommen von der Schönheit der Natur und dem, was sie hervorbrachte.

Der plötzlich aufkommende Wind zerrte an ihrem losen Zopf, und sie dachte an das, was vor einigen Minuten in dem kleinen Zimmer passiert war..

Ihr Blick glitt zurück zum Schiff, und ehe sie sich versah erkannte sie die Silhouette einer Person, die aus einer der Seitenluken heraus geschlüpft kam. Hitomi brauchte nicht zweimal hinsehen um zu wissen, dass es Ethiél war, die nun ihren Weg gehen würde...
 

"Es gibt nun keinen Platz mehr für mich hier..."
 

Es war mehr als Ironie, die aus diesen Worten heraus zu finden war. Immer dachte sie, sie wäre diejenige ohne Platz, vor allem hier. Hitomi wollte nicht der Grund sein, weshalb Ethiél fortgehen musste. Sie wollte sie niemals aus der Gruppe herausstoßen, doch dann kam alles anders.. Und je mehr sie darüber nachdachte, umso mehr wurde ihr klar, dass es hierbei gar nicht um die Abaharakis selber ging..

Es ging einzig und allein um Van.

Erschrocken hielt sie kurz den Atem an, ehe sie beobachtete wie die Frau anmutig vom Schiff auf die Erde sprang. Ihre dunklen Haare fielen wirr umher, und ehe sie ihre Schritte in Richtung Wald lenkte, sah sie noch einmal hinab auf die kleine Gruppe, die sich immer mehr und mehr entfernte. Ethiél lächelte, als sie die einsam stehende Person etwas abseits erkannte, die zu ihr hochblickte. Sachte hob sie die Hand und winkte ihr zu. Tränen des Abschieds flossen, als ihr Winken erwidert wurde, und sie hoffte die andere Frau würde sie nicht sehen. Ein letztes Mal schwang sie ihre Hand, dann stand sie still und sprach leise ihre Gedanken aus.

"Geh deinen Weg, Göttin, und bewahre unsere Welt vor dem drohenden Untergang....ich weiß, du wirst die richtige Entscheidung treffen...."
 


 

Ihm war es zuvor noch nie aufgefallen, doch die Kälte der Festung hatte etwas schützendes. Er erinnerte sich an die Bäume, die Felder. Alles war so voller Leben, voller Farben. Das genaue Gegenteil von dem, was hier herrschte. Und doch war er froh, sich wieder in der grauen Dämmerung der fliegenden Festung von Direto zu wissen, der größten Kommandostation des Zaibacher Reiches.

Das Zusammentreffen mit der alten Wolfsfrau hatte ihn mehr Kraft gekostet, als er zugeben wollte. Er war dankbar, die Erde seiner Heimat ein letztes mal zu betreten, doch sie erinnerte ihn auch schmerzvoll daran, was er genau dieser angetan hatte..
 

"Er hat dir noch immer nicht verziehen...doch vergessen hat er dich auch nicht.."
 

Folken schüttelte den Kopf, doch er wurde aus seinen Gedanken gerissen als ein aufgeregtes Klopfen an der Tür ertönte.

"General Folken!" kam eine laute Stimme von draußen, und das Hämmern gegen die Tür wurde immer aufdringlicher. Schließlich öffnete die Tür sich ohne Antwort, und ein schwer atmender Soldat trat ein.

"General....verzeiht mein plötzliches Eindringen aber....es ist wichtig..."

Mit seiner atemlosen Ansprache hatte er Folkens Neugier geweckt, deshalb deutete er dem Soldaten mit einer Handbewegung an, fortzufahren.

"Sie...sie haben es geschafft...Die Hexer...sie haben...ihn geöffnet...."

Noch ehe er die letzte Silbe aussprechen konnte sprang Folken von dem mit dunklem Samt bezogenen Sessel auf und ging eilig auf die Tür zu, den Soldaten nicht mehr beachtend. Er konnte nicht glauben, was er da hörte. Er musste es mit eigenen Augen sehen. Mit schnellen Schritten ging er die in ein seltsames Blau gehüllten Gänge entlang, immer weiter hinunter bis er endlich vor der stählernen Tür stand, beschützt von zwei Wachmännern. Als sie ihn erblickten gingen sie ohne zu zögern zur Seite und öffneten sie....

Ein starker Windhauch stieß ihm entgegen, beinahe so kalt wie der Stahl, der erneut auf ihn herabblickte. Die beiden Wachmänner bedeckten kurz ihre Gesichter, um der beißenden Kälte zu entgehen, doch sie war schon längst wieder verschwunden.

Sein schwarzer Mantel wehte noch einmal kurz auf, legte sich dann aber wieder zurück. Folken konnte es deutlich spüren. Die Kälte. Die Macht. Die Furcht, die wieder in ihn kroch.

Die zufriedenen Gesichter der Hexer sahen zu ihm hinunter, es waren sieben an der Zahl. Sechs von ihnen standen auf der Brüstung, direkt über dem größtem Werk der Ispano.
 

Die gefürchteten sieben Hexer Zaibachs. Sie verfügten über solch enormes Wissen, dass sich selbst die ältesten unter den Gelehrten vor ihnen respektvoll verneigten. Keiner kannte ihre Namen, es war fast schon so als hätten sie keine. Niemals sprach mehr als einer von ihnen, während die anderen schweigend im Hintergrund verweilten. Lange Zeit hatten sie damit verbracht, die alten Schriften der Ispano zu studieren, und nun hatten sie dem Objekt, dass sie über so viele Jahre hin beschäftigte, eines seiner vielen Geheimnisse entlockt. Aus den Schatten trat der siebte, erhob seine Hand und deutete auf den nun offenen Kopf des Guymilefs.

"Es gibt nichts, dass sich der Macht eines wissenden Geistes verwährt..."

Folken folgte seiner Geste und blickte hinauf. Er konnte es kaum verstehen, doch die Hexer schienen ihre Arbeit gut gemacht zu haben. Escaflownes Cockpit war nun offen, doch je mehr man hineinstarrte, desto dunkler schien alles herum zu werden. Folken spürte es in seinem Blut, jetzt da er ihm so nahe war...Die Dunkelheit des Cockpits zog ihn magisch an, und er konnte nur schwer wieder seinen Blick abwenden ehe er sich an den Mann vor ihm wandte.

"Wie konntet ihr ihn öffnen? Wie habt ihr es geschafft, ohne den heiligen Energisten?"

Der Hexer entgegnete ihm mit einem leisen Lachen, und für einen Moment schien es, als wolle er ihn somit verspotten.

"Es ist Ironie, wenn Wissenschaft und Magie aufeinandertreffen, findet Ihr nicht auch, General?"

Er hätte es sich denken können. Niemals würden sie ihm verraten, wie sie dieses Wunder vollbracht hatten. Irgendetwas geschah hier, von dem Folken nicht sicher war ob es ihm gefiel. Der Legende nach konnte Escaflowne nur von einer Person geöffnet werden...Dem Piloten, den er sich selbst aussuchte, und auf den er bereits gewartet hatte. In den alten Geschichten gab es nicht viele Männer, die es wagten ihn zu kontrollieren. Nur ein einziges Mal wütete er in einer wahren Schlacht, doch der Mythos war vergessen niemand wusste mehr um die Wahrheit.. Zu viele Jahrhunderte sind vergangen, vielleicht wollten die Menschen auch nur vergessen, was einst geschehen war, als der große Drache sein Schwert erhob... Beinahe die gesamte Welt lag in Trümmern, und man sagte sich der Guymilef habe seinen Herrn in den Wahnsinn getrieben, ihn in immer wieder neue Schlachten geschickt, bis er schließlich nur noch eine wandelnde Hülle war, ohne Seele und Gewissen.

Er war eine zu mächtige Waffe, und wenn die Eine es wollte, würde er das Ende der Welt einleiten. Die Zeit der Ruhe war vorbei....

"Es ist soweit..." erklärte der Hexer, und die sechs anderen nickten ihm stumm zu.

"Was habt ihr vor?" fragte Folken, und er musste acht geben seine Nervosität nicht nach außen dringen zu lassen.

"Wir haben eines der größten Geheimnisse Gaias vor uns, das nur darauf wartet erforscht zu werden. Oder wollt Ihr nicht auch wissen, was hinter all dem verborgen liegt, General Folken?"

Nur widerwillig konnte er nicken. Er war sich nicht sicher, doch sein Gefühl sagte ihm dass es falsch war, den Willen eines so mächtigen Dinges einfach herauszufordern. Das zufrieden lächelnde Gesicht des Hexers strahlte plötzlich ein unheimliches Wissen aus, ehe er zur Tür blickte.

"Bringt mir einen Eurer Soldaten...Es sei denn, Ihr wollt Euch selbst die Ehre zukommen lassen...."

Folken ahnte schon, was sie vorhatten, und es gefiel ihm überhaupt nicht. Doch er verzichtete darauf, sich das Misstrauen der Hexer zu verdienen, deshalb nickte er nur mit dem Kopf und deutete einem der Wachposten an, herzukommen. Mit leichtem zögern leistete dieser dem Befehl seines Generals folge, und etwas unsicher sah er zwischen dem Hexer und dem anderen Mann hin und her.

"Mein General, was...?"

Doch weiter kam er nicht, denn der Hexer trat auf ihn zu und schien ihn mit seinem Blick zu durchbohren.

"Folge mir, Soldat."

Zielstrebig gingen sie auf den einst schlafenden Riesen zu, immer begleitet von wachsamen Augen oberhalb der Brüstung. Schließlich standen sie vor ihm, und der Soldat konnte seine Blicke nicht von der Schwärze abwenden. Der Hexer beugte sich zu ihm und flüsterte ihm leise Worte ins Ohr. Folken trat einen Schritt zurück, als er beobachtete wie der Soldat an den Beinen des Guymilefs hochkletterte bis er durch geschickte Züge am Kopf angelangt war. Sein Blick verfinsterte sich, Folken wusste genau was ihm das plötzliche Geschick verliehen hatte. Normalerweise erreichten die Piloten das Cockpit über eine Rampe, nur wenige hatten die Kraft ihren Platz so zu erreichen. Doch wer von einer unsichtbaren Macht umhüllt wird, kann manchmal Wunder vollbringen...

Ein beinahe lautloses Flüstern ging um, doch niemand beachtete es.
 

Mit fasziniertem Blick starrte er in das Innere, doch er konnte nichts erkennen. Nichts außer der Dunkelheit, die ihm entgegenkam. Der Energist zeigte keine Regung, doch als er seine Hand ausstreckte und in die Finsternis fasste, durchströmte ein Schlag seinen stählernen Körper. Der Soldat schrie plötzlich auf, doch niemand eilte ihm zur Hilfe als er von einer unsagbaren Kraft ins Innere gezogen wurde. Stahl verschloss mit einem Ruck das Dunkel, das Cockpit hatte sich wie von Geisterhand geschlossen.

Die Hexer sahen zufrieden auf, und nickten einander zu. Folken jedoch schüttelte den Kopf und wandte sich an den Hexer, der abwartend vor dem Riesen stand.

"Hört auf damit. Brecht es ab."

Ohne ihn anzusehen gab er seine Antwort.

"Das können wir nicht. Er hat ihn sich bereits genommen."

Seine Augen weiteten sich, und gebannt blickte auch er auf den mächtigen Guymilef. Immer wieder ertönten Schreie aus seinem Inneren, so laut und qualvoll dass man glauben konnte, der Mann würde bei lebendigem Leibe ausgeweidet werden. Doch der Energist blieb leblos, kein Herzschlag rührte sich.

Nach und nach verstummten die verzweifelten Rufe des Soldaten, und schließlich kehrte eine schreckliche Stille ein. Folken wollte es vertreiben, doch er konnte nichts gegen den Geruch von verbranntem Fleisch tun, der sich plötzlich in seine Nase drang. Noch ehe er etwas tun konnte, ertönte ein zischendes Geräusch, und das Cockpit wurde erneut geöffnet. Leichte Rauchschwaden stiegen auf, und noch während der Hexer einen Schritt zur Seite tat, wurde der leblose Körper unbarmherzig auf den harten Steinboden geschleudert.

Folken sah ungläubig auf die verschmorte Leiche, die Augen weit aufgerissen und die Hände zu Fäusten geballt.

"Nun, das ist nicht ganz die Reaktion, die wir uns erhofft hatten...Aber nun wissen wir, wie die Dinge sind...."

Unglaubliche Abscheu stieg ihn ihm hoch, und bevor er etwas falsches sagte zwang er sich, den Guymilef erneut anzusehen.

"Ihr habt keine Ahnung von dem Hass, der in ihm steckt. Diese furchtbare Macht , ihr könnt sie nicht einfach erforschen und verwenden, wie es Euch gerade beliebt. Seht Ihr nicht, was Ihr anrichtet, Hexer?" presste er mühevoll hervor, und zeigte mit dem Finger auf den toten Soldaten.

"Genau das ist es, wonach er verlangt. Was ihn nur noch stärker macht. Krieg, Wut, Zerstörung..."

"Nun...und was unterscheidet ihn dann von uns? Von Euch, General? Wir führen Krieg. Wir sähen Wut. Wir bringen Zerstörung. Escaflowne ist nichts weiter als ein Mittel zum Zweck...Euer Mann ist tot, weil er ihm nicht gewachsen war. Weil er ihn nicht kontrollieren konnte. Es gibt nur einen, der das vermag, das wussten wir. Doch dass er jedes Leben auslöscht, dass ihm nicht zusagt, dies steht nirgendwo geschrieben. Es gibt viele Geheimnisse auf dieser Welt, doch manche sind so schrecklich, dass die Welt noch nicht bereit für sie sind. Wir werden dafür sorgen, dass sie bereit sein wird. Ob sie es will, oder nicht..."
 

~*~

In the darkness

the dragon wakes

the dragon awakens

to a heart that is numbed with cold

the dragon takes...

~*~


 


 

Die Wachtürme bauten sich wie riesige Mahnmale vor ihnen auf, und als sie endlich vor ihnen standen erschienen sich noch größer und heller als zuvor. Die beiden Reiter wendeten ihre Pferde, und schützend stellten sie sich vor das verschlossene Stadttor.

"Bevor wir euch Zutritt gewähren, hört mich an. Die Stadt der Seen verlangt nicht viel von euch, außer dass ihr sie achtet. Das Wasser schenkt uns Leben, doch wir müssen es gebührend behandeln. Stört es niemals in seinem Lauf, es ruht in tiefem Schlaf."

Als der Reiter seine Worte abgeschlossen hatte, schlich sich ein skeptischer Blick auf Drydens Gesicht. Er konnte sich nicht helfen, doch er spürte dass sich hinter diesen Worten mehr verbarg, als man erahnen konnte. Irgendetwas wollte er ihnen damit sagen, doch er erkannte noch nicht was es war..

Die Hände der beiden Männer hoben sich, und wie von Geisterhand bewegten sich die massiven Steinblöcke.

"Öffnet das Tor!"

Es vergingen wenige Momente, und als sich langsam die Stadt vor ihnen erhob konnten sich viele ein erstauntes Aufatmen nicht verkneifen. Wenn man nur lange genug hinsah konnte man glauben, sie sei aus einem einzigen weißen Stein geschlagen. Hohe Türme reckten sich in den Himmel, und die Häuser standen anmutig aneinander. Selbst die Strassen waren aus hellem Stein, und überall schossen mächtige Bäume aus der Erde.

Die Reiter machten den Weg frei, doch als Allen den ersten Schritt in die fremde Stadt tun wollte hielt ihn eine tiefe Stimme auf.

"Wer verlangt Eintritt nach Dayron, die Stadt die von Berg und Wasser beschützt wird?"

Verwirrt blickten sie umher, und als ihre Blicke nach oben auf den Wachturm glitt erkannten sie den Träger der Stimme. Keiner wagte es, Antwort zu geben und ohne weiteres schritt die Silhouette eines hochgewachsenen Mannes die Treppen auf die Erde. Auf seiner Schulterrüstung hingen je zwei Bänder hinab, in den Farben weiß und rot, den Farben Basrams. Sein Helm war nicht der eines einfachen Soldaten, und schon allein an seinem Auftreten waren sich alle sicher, dass es sich um einen Offizier oder sogar General handeln musste. Als er schließlich vor ihnen stand und sich aufbaute, schien er beinahe bedrohlich. Blaue Augen sahen prüfend aus seinem Helm hervor, und als er durch die Menschengruppe spähte blieb sein Blick an einer Person länger haften als an allen anderen.

Er wusste, es war nicht gerade klug so zu handeln, doch als Van beobachtete wie der Mann vor ihm intensiv auf einen Punkte starrte, brauchte er sich nicht umzudrehen um zu wissen dass sie sein Ziel war. Der Drang, zu beschützen machte sich erneut in ihm breit und seine Hand glitt langsam an den Griff seines Schwertes.

Sein unfreiwilliger, plötzlicher Kontrahent schien diese Geste bemerkt zu haben, und stumm führten seine Hände den Helm vom Kopf. Erst jetzt konnten sie erkennen, dass er lächelte...

"Ich dachte schon, ihr kommt niemals an. Nun, wie mir scheint hast du wieder getrödelt, Dryden."
 

Augenpaare blickten erstaunt auf die beiden Männer, die sich in plötzlicher Vertrautheit gegenüberstanden und sich nach wenigen Momenten die Hände reichten.

"Verzeih mir, aber es gab Dinge um die ich mich kümmern musste.." erklärte Dryden, während er aus den Augenwinkeln heraus Milernas argwöhnischen Blick erhaschte.

"Und Ihr seid sicherlich der, für den ich Euch halte.." wandte sich der Offizier an Allen.

Als dieser nur stumm nickte, schüttelte er lachend den Kopf und deutete auf die Strasse.

"Ihr seid wirklich zahlreich. Nun kommt, wir wollen ja nicht ewig hier herumstehen. Folgt mir, ich werde euch über die Schwelle zur Stadt der Seen bringen."

Milerna war sich sicher, diese Euphorie war nicht nur sinnloses Gerede. Dieser Mann war wirklich froh, sie alle und besonders Dryden zu sehen. Sie wollte unbedingt wissen, warum dies so war...

"Schließt das Tor!" rief eine fremde Männerstimme, und ehe sie sich versahen hatten sie die geheimnisvolle Stadt betreten. Das Steintor viel tosend hinter ihnen zu, der Weg war nun versperrt. Hitomi konnte nichts dagegen tun, doch als der schwere Stein zurück in seine alte Position fiel, fühlte sie sich wie eingeschlossen. Irgendetwas wartete hier im Stillen, und sie wusste nicht ob sie dazu bereit war, diesem etwas im Licht zu begegnen.
 

Sie wurden durch die Strassen geführt, und neugierig sahen sich alle umher. Es herrschte ein reges Treiben, selbst jetzt in den frühen Morgenstunden. Geschäfte öffneten ihre Türen und aus den Küchen der Gasthäuser drang köstlicher Dampf.

"Sieh mal, Van! Sind die nicht wunderschön?" fragte Merle aufgeregt und deutete auf einen der zahlreichen Stände, auf dem ein Händler gerade Stoffe und fertige Kleider aufstellte. Er erinnerte sich an das letzte Mal, als er an solch einem Stand vorbeigelaufen war...

"Ich sterbe fast vor Hunger..." bemerkte Aina leise, doch anscheinend hatte ihr Stadtführer ein besseres Gehör, als sie angenommen hatte. Amüsiert drehte er sich um und hob wissend die Hand.

"Noch ein klein wenig müsst ihr euch gedulden, wir sind gleich da. Nach einem ausreichenden Mahl werdet Ihr sicher wieder bei Kräften sein, kleines Fräulein."

Beschämt senkte sie den Kopf, konnte sich jedoch ein leises Lachen nicht verkneifen.

"So, gleich da hinten ist es."

Weiter schritten alle durch die Strassen, bis sie schließlich in eine kleine Seitengasse einbogen. Plötzlich blieb der Mann stehen und steckte Dryden einen Zettel zu, ehe er ihm etwas ins Ohr flüsterte. Dieser nickte nur und deutete Sekir an, zu ihm zu kommen. Ein rascher, leiser Wortwechsel folgte ehe der Pilot kehrt machte und unter verwunderten Blicken in einer angrenzenden Seitengasse verschwand.

"Was....was geht hier vor?" fragte Milerna verwirrt, doch Dryden winkte nur ab.

"Nichts weiter. Nur eine Formalität..."

"Nur eine Formalität?" fuhr sie ihn an, und Angesprochener machte ihr verständlich, still zu sein.

"Ich bitte dich, nicht hier..."

"Für dich ist es niemals der richtige Ort, geschweige denn die richtige Zeit.." presste sie hervor und schob sich an ihm vorbei. Allen warf ihm einen warnenden Blick zu, doch Dryden schüttelte nur den Kopf.

"Pyras, begleite sie bitte bis zur Herberge. Ich komme gleich nach.."

"Wie du willst...Nun dann, folgt der temperamentvollen Dame, wie mir scheint kennt sie den Weg." erklärte er schmunzelnd.
 

Es dauerte nicht lange und sie fanden sich zusammen in einer gemütlich eingerichteten Herberge wieder, deren Torbogen über und über mit Efeu bedeckt war. Sogar eine kleine Eingangshalle war vorhanden, wo eventuelle Gäste empfangen wurden. Das war eher eine Seltenheit, und Aina kam es beinahe vor als würde sie sich in einem Palast wiederfinden. Unwillkürlich dachte sie an ihr einstiges Heim in Tavion, die schmuddelige Schenke mit den Holzbänken und den knarrenden Treppen, die immer laute Geräusche von sich gaben wenn betrunkene Männer sie hinauf schlurften. Schnell verbannte sie diese Gedanken, und der Geruch von frischem Brot stieg ihr in die Nase. Die Küche befand sich direkt hinter der kleinen Halle, und daneben befand sich ein geräumiger Speiseraum. Von außen kam ihr das Gebäude eher unscheinbar vor, doch im Inneren eröffnete sich ihr eine zwar schlichte, jedoch einladende Welt. Es war der erste Ort, an dem sie sich seit langem einigermaßen wohl fühlte. Noch ehe sie ihre Freude der Frau neben sich mitteilen konnte, hielt sie inne. Hitomi stand teilnahmslos neben ihr und starrte gedankenverloren vor sich hin. Einige Male erwachte sie aus ihrer Starre und blickte unsicher umher, als suche sie etwas, das Gefahr bedeuten könnte. Aina trat einen Schritt auf sie zu.

"Hitomi? Alles in Ordnung?"

Etwas erschrocken blickte sie in ihre Augen, doch dann nickte sie schnell mit dem Kopf.

"Ja....Ich war nur...in Gedanken.."

"Wann bist du das denn nicht?" fragte Aina mit einem Lächeln, doch in ihrer Stimme schwang schwere Besorgnis. Pyras fröhliche Stimme riss sie jedoch aus ihrer Unterhaltung, indem er ankündigte dass sie, bevor sie sich von der schweren Reise erholten, etwas essen sollten. Seine Worte fanden Zustimmung, und zusammen schritt die Gruppe nun durch die Tür zum Speiseraum. Noch ehe sie hindurchging, fiel Hitomi der stille Junge hinter der Empfangstheke auf, der wie aus dem Nichts aufgetaucht war und sie mit durchbohrendem Blick ansah. Seine blauen Augen schienen sie zu durchstechen, und als die Tür mit einem leisen Knarren zufiel war sie sicher, dass Pyras Sohn die Freude seine Vaters über das Auftauchen der Fremden ganz und gar nicht teilte.
 

"Ich muss schon sagen, ihr habt wirklich euer bestes gegeben als ihr dieses Haus übernommen habt. Als ich das letzte Mal hier war, war dies hier das letzte Loch." erklärte Dryden überrascht. Wie auf Kommando ging die Tür zur Küche auf, und eine Frau, vollbepackt mit Tellern, trat heraus. Ein breites Lächeln schwang sich um Pyras Mund, und stolz sah er die Frau an.

"Danke nicht mir. Danke der Königin, die über mein bescheidenes Heim herrscht."

Hitomi folgte angespannt seinem Blick, doch als sie in das sanfte Gesicht der Frau blickte wurde sich ruhiger. Ihre Gesichtszüge waren weich, die Augen strahlten eine unbestreitbare Güte aus. Das dichte, braune Haar war zu einem traditionellen Dutt gebunden, doch einige lose Strähnen nahmen ihm seine Strenge. Diese Frau hatte ein gutes Herz, das erkannte sie sofort. Würdevoll verbeugte sie sich leicht, darauf bedacht die Teller in ihren Händen nicht fallen zu lassen.

"Willkommen." sagte sie mit einem Lächeln, und stellte das Geschirr auf dem Tisch ab.

"Ihr seid sicherlich erschöpft und hungrig. Setzt euch, das Essen muss jeden Moment fertig sein."

Als ihre erlösenden Worte fielen, setzten sich die Reisenden nieder und dankten der Frau für ihre Gastfreundschaft mit einer Verbeugung, wie es Sitte war. Lediglich Hitomi war stehen geblieben und sah die andere Frau unschlüssig an. Ein Lachen unterdrückend blickte die Dame des Hauses sie an, ehe sie zu ihr trat.

"Du kannst gerne im stehen essen, doch ich denke nicht dass das sinnvoll wäre."

Ihre Worte klangen weder verärgert noch anmaßend, sondern fröhlich und sogar etwas neckisch.

"Ich wollte nur fragen....vielleicht kann ich Ihnen helfen?"

Aina sprang, nachdem sie diese Worte gehört hatte, sofort auf und stellte sich neben ihre Freundin. Auch die anderen sahen den Frauen interessiert zu, außer Milerna, die beobachtete wie Dryden und Pyras beinahe schon heimlich den Raum verließen..

"Wie dämlich von mir...verzeiht bitte. Wir fallen hier so einfach ein und besetzen ihr Haus, und dann fragen wir nicht einmal ob wie irgendwie behilflich sein können. Wie gut, dass du bei uns bist, Hitomi." erklärte sie entschuldigend, doch die Frau winkte nur lächelnd ab während sie ihren Blick erneut auf ihr Gegenüber richtete.

"Hitomi....das ist also dein Name...Sehr ungewöhnlich....genau wie deine Augen..." dachte sie, und als Aina erneut nachfragte, gab sie nach.

"Nun, ihr könntet mir helfen aus dem Lagerraum im Keller zwei Säcke Reis zu holen, doch die werden für euch bestimmt zu schwer sein. Und dann noch die ganzen Treppen.. nein, das soll lieber.."

Sie hielt inne, als einer der Männer aufstand und zur Tür schritt.

"Wo ist der Keller?" fragte er, und als sie seine Stimme hörte spürte sie sofort, dass es etwas gab das er zu verbergen versuchte. Dankend zeigte sie auf die Tür.

"In der Eingangshalle, rechts neben der Treppe. Es ist jedoch wirklich nicht nötig, ich..."

Das Schließen der Tür unterbrach sie, als der junge Mann ohne weiteres den Raum verließ.

Etwas verwundert blickte sie auf den nun leeren Platz, doch ihr entging nicht der plötzliche, niedergeschlagene Blick der Frau mit den grünen Augen. Ihr war, als sehe sie eine unsagbare Trauer in ihnen, die einfach nicht verschwinden wollte. Nun begriff sie, dass es wohl Dinge gab die sie niemals verstehen würde. Sie fragte sich, wieso es sich manche Menschen doch so schwer machten...

"Also, wenn ihr mir helfen wollt dann folgt mir! Ich verspreche euch, es wird auch nicht allzu schwere Arbeit sein. Ach und bevor ich es vergesse...Ich bin Elayra." erklärte sie aufmunternd, und die beiden anderen nickten.
 


 

"Was? Entführt?"

Kadija blickte ihn entsetzt an, doch Ardan konnte ihr nur betrübt zustimmen.

"Ich weiß, ich alleine bin dafür verantwortlich. Ich hätte ihn beschützen müssen, aber ich habe versagt...."

Bei diesen Worten schloss Eries verzweifelt die Augen und schwieg. Sie hatte aufgehört, ihm zu widersprechen, er würde ja sowieso nicht auf sie hören. Ardan war davon überzeugt, dass er die alleinige Schuld an Farons Entführung trug, doch dass er gegen den hinterhältigen Angriff der beiden Zaibacher nicht ankommen konnte sah er einfach nicht...Sie erwachte aus ihren Gedanken, als Darna ihr eine heiße Tasse mit Tee hinhob. Stumm nickte die Wolfsfrau, ehe sie sich zu ihrer Mutter stellte.

"Der Junge schläft....Er war ziemlich erschöpft, aber es geht ihm gut..." sagte sie leise, und Kadija dankte ihr, während ihre dunklen Augen erneut auf Ardan blickten.

"Hör auf, solch einen Unsinn zu reden." sagte sie mit Nachdruck, doch der Mann ließ sich von ihren Worten kaum beeindrucken.

"Du kannst sagen was du willst..."

"Das werde ich auch, und ich sage dir nun etwas: Es geschehen Dinge, die zusammengehören. Du kannst nicht gegen das, was vorbestimmt ist, ankommen, aber du kannst versuchen das bereits geschehene zum Guten zu wenden. Ich habe genug dunkle Gedanken gedacht, dass es mir für mein altes Leben reicht. Aber ich habe nicht vor, auf mein Ende zu warten. Zaibach hat beinahe mein gesamtes Volk ausgelöscht, und irgendwann wird die Zeit kommen, das man uns vollkommen vergisst. Sie werden dafür bezahlen, dies weiß ich. Aber ich lasse nicht zu, dass man ihnen das Recht gewährt, einen kleinen Jungen für ihre dreckigen Zwecke zu benutzen. Und ich lasse noch weniger zu, dass sich ein einstiger Ritter, der geschworen hat alles Leben vor Gefahr zu schützen, niederlegt und sich geschlagen gibt. Nicht, wenn er alles dafür getan hat, ein Leben zu verteidigen und dank einer schrecklichen List besiegt wurde."

Ihr Herz hämmerte gegen die mächtige Wolfsbrust, und kopfschüttelnd setze sie sich auf den Baumstumpf.

Ardan sah sie verwundert an. Ihre energischen Worte waren voller Tatendrang, doch er konnte auch eine gewisse Traurigkeit erkennen. Irgendetwas musste hier geschehen sein.

Kurz blickte er zu Eries, doch die saß immer noch schweigend da und hielt die dampfende Tasse in den Händen. Er musste zugeben, er machte sich schreckliche Sorgen um sie. Mit jedem Tag schien sie mehr an Lebensmut zu verlieren, und er konnte nichts dagegen tun.

"Weißt du, wer noch vor wenigen Wochen genau hier saß?"

Ardan folgte erstaunt ihrer Hand, die auf seinen Platz zeigte. Er schüttelte den Kopf und wartete gespannt auf ihre Antwort.

"Genau hier saß er....und auch wenn er es niemals sagen würde, wusste ich dass er sich, wie du, ebenfalls die Schuld für etwas gab das einfach nicht zu verhindern war. Ihr Menschen seid so leicht zu verwirren...Nie seht ihr das, was vor euch liegt. Ihr wollt es einfach nicht sehen. Stattdessen sucht ihr den Nebel, der all die Wahrheiten verdeckt...."

"Kadija, wovon sprichst?" fragte Ardan sichtlich verwirrt, doch die Wolfsfrau winkte erschöpft ab.

"Langsam bin ich es wirklich leid, euch allen immer den Weg zu weisen. Ihr seid viel zu stur und zu stolz, um hinter die Fassade zu blicken..."

"Wer soll genau hier gesessen haben?" erwiderte er nun ungeduldig, die ganzen Rätseln brachten ihn noch um den Verstand.

"Ich weiß, du würdest dir wünschen es wäre dein Bruder, doch leider ist dem nicht so.. Aber zwei der Abaharakis waren hier. Vielleicht erinnerst du dich ja noch an den kleinen Jungen, den ihr einst vom Baum heruntergeholt habt..."

Ardans Augen weiteten sich.

"Van...?"

Kadija nickte, und kurz blickte sie zu der Frau, die regungslos dasaß und den Blick zu Boden gesenkt hatte.

"Wieso waren sie hier?"

"Um Schutz zu suchen."

"Schutz wovor?!" rief er und stand energisch auf.

Die Wolfsfrau ließ sich von seiner plötzlichen Aufgebrachtheit nicht beeindrucken, sie wusste worum er sich in Wahrheit sorgte.. Betrübt schloss sie für einen Moment die dunklen Augen.

"Sie wurden angegriffen, das Lager wurde vollkommen ausgelöscht. Das ist die Wahrheit, und du musst sie akzeptieren, auch wenn es schmerzt.."

Ein leises Schluchzen ertönte, und besorgte Blicke trafen die einstige Prinzessin die nun mit dreckigen Händen ihr Gesicht vor der Welt verbarg. Ardan wollte zu ihr gehen, doch eine beklemmende Angst schlich sich in ihn, und er wusste plötzlich nicht was zu tun war. Der Fall Pallas schlich sich erneut in seine Gedanken, und er konnte nicht anders als an die Gräber der Unschuldigen zu denken.

"Ist er....ist Allen..."

"Nein. Er lebt. Es waren nicht sehr viele, die diese Nacht überlebt haben. Doch er ist dem Tod entkommen..."

Wissend blickte sie erneut zu der Frau, die still weinte, ehe sie weitersprach...

"Genauso wie auch sie dem Tod entronnen ist. Lass die Trauer also nicht zu sehr in dein Herz, Liebes..."

Erschrocken fuhr Eries auf, die Worte die gerade gesprochen wurden hinterließen ein schmerzhaftes Pochen in ihrer Brust. Doch es war der Schmerz der Erleichterung, und als sie begriff was Kadija sagte, spürte sie zum ersten Mal die Erschöpfung.

"Milerna....lebt." dachte sie immer wieder, und warf der Wolfsfrau einen dankenden Blick zu.

"Du solltest dich hinlegen, Eries."

Ardans Stimme klang plötzlich seltsam ruhig, als er auf sie zutrat. Schließlich hielt er ihr abwarten die Hand hin, die sie zögernd annahm. Ihre Blicke trafen sich, und lange verweilten sie in dieser Geste.

Kadija beobachtete die beiden mit ernster Miene, doch als sie näher hinsah begriff sie. Sie fragte sich, ob es der Wille der Götter war, den Menschen die Bürde der Liebe aufzuerlegen. Manche behaupteten, die Welt wäre viel einfacher und friedlicher ohne Liebe. Und noch während sie diese Gedanken hatte, ahnte Kadija nicht dass sie etwas dachte was vielleicht die Zukunft beeinflussen könnte...
 

"Mein Kind, es gibt noch so vieles auf der Welt was du noch nicht kennst. So vieles, wofür es sich zu leben, zu hoffen lohnt...."
 


 

"Du hast einige interessante Mitreisende, Dryden.." erklärte Pyras mit leiser, jedoch immer noch gut gelaunter Stimme. Es schien, als könne nichts seine freudige Stimmung beeinflussen.

"Wie meinst du das?"

"Nun..." gemächlich setzte er sich auf einen gepolsterten Stuhl und bot Dryden den Platz gegenüber an. Dankend setzte sich der andere Mann und sah ihn abwartend an.

"Zuallererst bin ich froh, dass ihr überhaupt heil angekommen seid. Gab es irgendwelche Zwischenfälle?"

Drydens Miene verdunkelte sich, doch er wusste nicht ob es bereits an der Zeit war, Pyras an der vollen Wahrheit teilhaben zu lassen. Doch dann erinnerte er sich daran, was das höchste Gut war das er gegen seinen Feind in der Hand hatte. Vertrauen. Er vertraute Pyras, bereits seit Jahren kämpften sie gemeinsam im Verborgenen. Er hatte nicht vor, diese Freundschaft aufgrund der Tatsachen aufs Spiel zu setzen.

"Wer ist die junge Frau, die das blaue Kleid trägt und Augen hat, als sehe sie das Ende der Welt?"

Pyras witzelnde Worte hinterließen einen bitteren Nachgeschmack, und kopfschüttelnd blickte Dryden zu Boden.

"Du wirst es mir sowieso nicht glauben..."

"Nun, so schlimm kann es wohl nicht sein. Immerhin hat sie ja ihre persönliche Leibgarde gleich mitgebracht." bemerkte er grinsend, und Dryden fragte sich ein weiteres Mal, wovon er sprach. Doch noch ehe er nachhakte, konnte er sich die Antwort plötzlich denken.

"Van. Natürlich."

"Für den Bruchteil einer Sekunde dachte ich, er schlägt mir den Kopf an, so wie er mich angesehen hat. Dabei habe ich sie mir doch nur kurz angesehen. Immerhin erblickt man nicht jeden Tag eine leibhaftige Göttin, oder?"

Es war nicht zu fassen, dieser Mann bemerkte Dinge die jedem anderen verborgen blieben. Selbst eine Erkenntnis wie diese ließ seine gute Laune und seinen Optimismus nicht schwinden.

"Du hast es gewusst?" rief Dryden empört, senkte jedoch sofort wieder die Stimme.

"Du hast es gewusst, und nichts gesagt? Ich habe dich ein weiteres Mal unterschätzt.." wiederholte er und fragte sofort nach.

"Wie?"

Pyras lehnte sich zurück, und zum ersten Mal seit langem wurde sein Gesicht ernst.

"Entweder du nennst es reine Intuition...oder es war diese mächtige Aura, die sie umgibt."

"Was hast du gespürt, als du sie angesehen hast? Ich bitte dich, sag es mir.." sprach er leise und wartete angespannt auf Antwort.

"Du willst es wirklich wissen? Bei den Göttern, es ist bereits Jahre her...Ich dachte, ich hätte es nach all der Zeit verlernt. Vielleicht habe ich gehofft, es zu verlernen. Doch wie mir scheint, haben sich die Fähigkeiten der Hexer in mich gebrannt..."

"Es war nicht deine Schuld. Sie haben dich auserwählt, weil du die Gabe hattest. Ich weiß, du wolltest das alles niemals..."

"Sein Name ist Van, sagtest du?" wechselte Pyras abrupt das Thema, und Dryden nickte.

"Woher stammt er?"

Kurz zögerte er, ehe er die Antwort gab.

"Fanelia..."

"Ich wusste es." sprach er, und in Gedanken fügte er noch einige Worte hinzu.

"Ich wusste, ich kenne diese Aura....diese Kraft...diesen Schmerz....."

Gedankenverloren blickte Pyras vor sich hin, ehe Dryden aufstand und zum Fenster ging.

"Du spürst die Finsternis, nicht wahr?"

Lange schwebte die Frage wie unsichtbar über ihren Köpfen, wie dunkle Wolken die einfach nicht weichen wollten. Und als Pyras endlich seine Antwort gab, fuhr Dryden verwundert herum.

"Nein. Das ist es ja, was mich so verwirrt. Ich spüre beides. Den drohenden Tod....und das Leben....Es ist, als ob sie gegeneinander kämpfen...Ein ewiger Kampf, an dessen Ende es vielleicht nur Verlierer geben wird..."
 

~*~

Your wishes...

Can bring forth a destructive future...

Or you can bring salvation...

~*~


 

Schweigend traten sie in ein kleines Zimmer ein, und Eries war froh über die einzige Öllampe, die angezündet war und ihr tränenverschmiertes Gesicht verdeckte. Sie spürte seine Nähe direkt hinter ihr, und es erschreckte sie in gewisser Weise. Doch während sie noch darüber grübelte, machte er einen Schritt nach vorne und deutete auf die angrenzende Tür.

"Darna meinte, dort kannst du dich waschen...."

"Wo ist Chid?"

"Mach dir keine Sorgen, er ist bei Ruhm...Er wird sich um ihn kümmern."

Sie atmete tief durch und trat auf das Bett zu. Das weiche Laken schien beinahe nach ihr zu rufen, doch etwas hielt sie plötzlich davon ab, sich einfach niederzulegen und einzuschlafen.

Unschlüssig drehte sie sich zu ihm um.

"Glaubst du.....glaubst du, es geht ihnen auch wirklich gut?"

Ardan wusste, dass er auf diese Frage keine ehrliche Antwort geben konnte. Er kannte das Leben als Gejagter, und jeder Tag konnte der letzte sein den man erlebte, hatte man erst einmal die Grenzen überschritten.. Es war lange her, dass er seinen Bruder das letzte mal gesehen hatte. Vielleicht sogar schon zu lange...

"Ardan.....was ist mit dir?" fragte sie leise, und schnell schob er all seine düsteren Vorahnungen beiseite. Er hatte nicht vor, ihr einen Grund zu geben noch mehr zu verzweifeln.

"Ich bin mir sicher, es geht ihnen gut."

Sein zuversichtliches Lächeln wirkte gequält, doch Eries war zu erschöpft um es zu bemerken.

"Ich mache mir solche Vorwürfe...Was wird nun mit Faron geschehen?" flüsterte sie, während sie das Laken zurückschlug. Ihr Blick blieb an ihren dreckigen Händen haften, und schnell zog sie sie zurück, als würde sie das frische Wäschestück beschmutzen.

"Alles, was ich anfasse wird über kurz oder lang ruiniert...Es ist wie ein Fluch.." dachte sie als die alte Lampe die letzten Tropfen Öl in Licht verwandelte.
 

~*~

Back row to the left, a little to the side

Slightly out of the place

Look beyond the light...

~*~


 

Erschrocken zuckte sie zusammen, als sie plötzliche zwei warme Hände spürte, die sich sachte auf ihre Schultern legten. Eries wagte kaum zu atmen, sie blieb starr als könne sie so der Wahrheit entfliehen, die sie so lange immer wieder bekämpft hatte. Der Gedanke, von jemandem geliebt zu werden kam ihr so schrecklich und wunderbar zugleich vor. Sie dachte an ihre Schwestern. Beide gingen fort, weil sie etwas hatten an dem sie sich festhalten konnten. Beide gingen fort, weil sie liebten. Und immer wieder fragte sie sich, ob ihre Liebe weniger wichtig war. Lange Nächte lag sie wach und verdrängte all die Wünsche, die sie insgeheim hatte. Eries hielt es immer für das Beste, allein zu sein. Es gab nichts anderes, nur sie und die Einsamkeit, die sie begonnen hatte zu akzeptieren. Wann hat sich alles verändert? Wieso musste sich überhaupt etwas verändern?

Sie saß fest, und sie wusste es. Doch je mehr Zeit verging, desto weniger Kraft hatte sie dagegen anzukämpfen.

"Ich will nichts für dich empfinden.....ich will nicht..." wiederholte sie in ihren Gedanken immer wieder, doch ihr Herz schrie erbarmungslos gegen sie an. In ihrem Kopf pochte es unerträglich, als sie seine leise Stimme vernahm.

"Damals gab es so vieles, was ich dir sagen wollte....Doch ich habe immer geschwiegen, in der Hoffnung dir eines Tages erneut gegenüber zu stehen. Und jetzt, da du hier bist...weiß ich nicht einmal, ob du es überhaupt hören willst."

Eine unerträgliche Stille tat sich zwischen ihnen auf, und gerade in dem Moment als sie sich dazu durchrang, ihm leise zu antworten, verschwanden die Hände auf ihren Schultern und ließen einen kühlen Schauer zurück. Ardan wandte sich ab und ging zur Tür. Das beinahe lautlose Klicken der Türklinke war wohl das schrecklichste Geräusch, das sie jemals gehört hatte. Sie wollte ihn aufhalten, ihn bitten nicht zu gehen. Aber die Furcht hatte sich zu tief in ihr verankert, alles erschien ihr so.. weit weg, einfach unerreichbar. Seine Stimme klang seltsam hohl, als er ihr noch einige Worte zuwarf.

"Leg dich ein wenig hin und versuch, zu schlafen."
 

Die Tür fiel zu, und zurück blieb das Bild, das sie nun immer wieder vor Augen haben würde. Das Bild eines Mannes, der versuchte eine undurchdringliche Mauer zu durchbrechen, und sich nach jeder Niederlage erneut zurückzog, um es vielleicht eines Tages erneut zu versuchen. Eries wusste, es waren schon zu viele Versuche gezählt worden...Sie konnte nur hoffen, dass er nicht einfach so aufgab...Die Mauer hatte schon längst Risse, und es wurden langsam aber sicher immer mehr. Verzweifelt ließ sich die gefallene Prinzessin auf die Bettkante sinken. Ihr Blick glitt durch den Raum, und je länger sie dasaß, desto quälender wurden ihre Gedanken. Endlich raffte sie sich auf und ging in den kleinen Waschraum. Sie tauchte ihre Hände in das mit warmem Wasser gefüllte Waschbecken, erhitzt durch die heißen Steine auf denen es stand. Sie zitterte, als ihre kühlen Hände langsam erwärmt wurden. Keine Lampe brannte, es war beinahe dunkel, doch durch die offene Tür drang ein wenig Licht aus dem Schlafraum herein. Eries war froh darüber, nicht viel zu sehen. Mit sachten Bewegungen wusch sie ihr Gesicht, und als sie aufblickte wich sie erschrocken zurück. Das Wasser tropfte an ihr herab, doch als sie in die schattigen Umrisse ihres eigenen Gesichts blickte, formten sich leise Worte in ihrem Mund. Sie fragte sich, wie sie ihm das antun konnte. Wie sie nur so grausam sein konnte und einfach vergessen wollte...Das Gesicht einer Frau, die sich so sehr wünschte gerettet zu werden, es aber niemals laut aussprechen würde, starrte ihr entgegen. Der Schmutz war endlich aus ihrem Gesicht gewichen, einige der hellen Haarsträhnen klebten an ihren Wangen. Es war wohl dass erste Mal, dass sie sich nicht als perfekt maskierte Prinzessin betrachtete. Eries wollte es nicht, doch ihr wurde plötzlich klar dass mit dem Niedergang Pallas auch alles andere verschwunden war. Alles, was sie bisher gefangen hielt, existierte nun nicht mehr. Sie alleine war übrig. Der Palast brannte, und sie konnte entkommen. Wie vieles musste erst geschehen, bis sie es wagte ihre geheimsten Gedanken der Dunkelheit anzuvertrauen.

Traurig beobachtete sie ihr Spiegelbild, wie die stummen Tränen ihr Gesicht hinabflossen und in ihren Augen brannten.

"Weil er bei uns ist. Er wird uns beschützen. Du brauchst nicht mehr zu weinen, Tante. Er wird dich sicher nicht alleine lassen..."
 

"Aber ich.....ich habe ihn alleine gelassen..."

Schwerfällig trat sie aus dem Waschraum heraus. Noch während sie das Laken beiseite schlug, fiel ihr Blick zurück zur Tür. Ihr war, als könne sie ihn noch immer dort stehen sehen. Sie spürte die Müdigkeit in sich aufsteigen und legte sich schließlich erschöpft nieder. Die wohlige Wärme umschloss sie, und zum ersten Mal seit langem fühlte sie Erleichterung. Selbst ihre Sorgen um Faron verschwanden für einen kurzen Moment. Doch bevor sie die Augen schloss, atmete sie tief durch und sprach so leise, dass man es gar nicht mehr wahrnehmen konnte, einsame Worte in die Nacht....

Worte, die sie noch nicht bereit war, laut zu sprechen...nicht einmal vor sich selbst.

"Ich liebe dich...."
 

~*~

Where you'd least expect

There's someone special...

~*~


 


 

Die Tür hinter ihm ging endlich zu, und plötzlich war er froh nicht mehr in diesem Raum zu sein. Er hatte keine Erklärung warum er diese Enge spürte, doch je länger er ihre Anwesenheit fühlte desto schlimmer wurde es. Immer mehr drifteten seine Gedanken ab, und das gefiel ihm gar nicht. Nicht einmal ansehen brauchte er sie, um zu wissen dass sie hier nicht sicher war, und genau das machte ihn rasend. Van wusste, es war absolut lächerlich so zu denken doch sein Gefühl sagte ihm, dass dieser vermeidlich sichere Ort etwas verbarg. Forschend blickte er umher, während er auf die Kellertür zuging.

"Wo wollt Ihr hin?"

Er wandte den Kopf und blickte einem Jungen, etwa fünf Jahre jünger als er selbst, ins Gesicht. Die Arme vor der Brust verschränkt saß er auf der Treppe. Seine tiefblauen Augen sahen ihm kalt entgegen, und er spürte die Ablehnung die er absichtlich preisgab. Van hatte nicht vor, sich mit einem Kind zu streiten, deshalb beschloss er ihn nicht zu beachten und ging einfach weiter.

Der Junge fühlte die Wut in ihm hochsteigen, als der Mann ihn schlichtweg ignorierte und die Tür öffnete.

"Wo wollt Ihr hin?" wiederholte er mit gepresster Stimme, und beobachtete abwartend die Reaktion des Angesprochenen. Erst jetzt erkannte er das Schwert, welches an seiner Seite baumelte.

"Es kann falsch verstanden werden, in einem friedlichen Haus solch eine Waffe zu tragen."

Van spürte seine schwer aufgebaute Ruhe, die er noch vor wenigen Momenten erschaffen hatte, zerbrechen. Um dem ein Ende zu machen zog er ohne weiteres die scharfe Klinge und sah sie prüfend an.

"Wirklich....?"

Die impulsive Handlung hatte ihre Wirkung nicht verfehlt, denn für einen kurzen Moment weiteten sich die Augen des Jungen. Er schien sich jedoch wieder schnell gefasst zu haben, und sein starren Blick fixierte die Spitze des Schwertes.

"Ich möchte nicht wissen, wie viele Unschuldige bereits durch dieses Schwert ihr Leben lassen mussten."

Van hatte nicht vor, ihm auf diese provozierende Frage zu antworten. Er hatte genug, und ließ gemächlich das Schwert zurück in die Scheide gleiten. Der Junge beobachtete ihn verärgert, doch als der Mann begann auf ihn zuzugehen stand er auf.

Als sie sich gegenüberstanden, wurde ihm klar dass er einem Krieger in die Augen blickte. Sein Blick durchbohrte ihn mit einer seltsamen Kälte, und der Junge erkannte die Entschlossenheit. Trotzdem hatte er nicht vor, sich geschlagen zu geben.

"Ihr seid hier nicht erwünscht. Ihr alle." zischte er.

Ein einziger Blick genügte, und er verstummte wieder. Niemals hätte er es zugegeben, doch er fürchtete diesen Mann. Endlich wandte er sich von ihm ab und ging erneut auf die Tür zu.

"Nur wegen euch gibt es dieses sinnlose Kämpfen! Ihr seid an allem Schuld!" rief er, und in diesem Moment ertönten Schritte, die rasch die Treppe hinabgeeilt kamen.

"Raahan! Hör auf damit!"
 


 

Elayra griff sich scherzend an die Stirn, während sie das Fleisch in der Pfanne wendete.

"Gerade jetzt sind mir die Pilze ausgegangen. Das kommt davon, wenn man nicht auf seine Küchenvorräte achtet."

Ihr Lachen erfüllte die riesige Küche, in der sich mehrere Kochplatten und sogar ein Ofen zum Brotbacken befanden. Es roch genüsslich nach gedünstetem Fleisch und frischem Gemüse, während in einem großen Topf die Suppe gemächlich vor sich hinbrodelte. Aina hatte noch nie eine solch schöne Küche gesehen, sie kannte nur die dunklen, nach verdorbenen Speiseresten riechenden Hinterhofküchen wie in Tavion. Doch hier schien es, als fände das richtige Leben während des Kochens statt. Überall standen kleine Blumentöpfe, in denen die verschiedensten Kräuter heranwuschen, und in den Körben lag Gemüse und Obst.

Als sie Elayras scherzhaften Ausruf hörte, musste sie lächeln. Diese Frau schien so voller Lebenslust und Frohsinn zu sein, dass es sie beinahe schon verwunderte.

"Pilze? Ihr könnt euch wirklich Pilze leisten?" fragte Aina mit Erstaunen, doch Elayra winkte lachend ab.

"Ja, das scheint wohl einer der Vorteile zu sein, die diese Republik mit sich bringt. Die Preise sind erträglich geworden, selbst für normale Leute wie wir es sind."

"Republik?"

"Die Monarchie hat uns nichts als Ärger gebracht...Ich bin froh, dass es zuende ist. Ich war damals zwar noch ein Kind, als sie den Kaiser stürzten, doch ich denke dass ich schon einst verstanden habe...Es ist schön, auch als Bürger das Recht zu haben, selbst zu entscheiden."

Aina nickte, während sie langsam die Suppe umrührte.

"Also ich glaube, wenn ich sie noch länger kochen lasse wird sie so dick wie Leim." erklärte sie schließlich. Die ältere Frau stimmte ihr zu.

"Wenn du willst, kannst du sie schon nach draußen bringen. Ansonsten lasse ich..."
 

"Nein, auf gar keinen Fall. Ich will doch damit angeben, dass ich eine so leckere Suppe zur Hälfte zubereitet habe." erklärte sie kichernd.

"Na dann...Bring sie deinen hungrigen Freunden da draußen, ehe sie sich noch beschweren."

Geschickt hob Aina den Topf vom Herd und balancierte ihn leicht in den Speiseraum hinaus, während Elyara ihr die Tür aufhielt. Als sie von draußen das freudige Aufatmen über die erste richtige Mahlzeit seit Tagen hört, schüttelte sie amüsiert den Kopf.

"Was haben sie euch nur während eurer Reise gegeben." sagte sie, doch als sie den abwesenden Blick der anderen Frau bemerkte, verschwand ihr Lächeln. Sie hatte schon die ganze Zeit über geschwiegen, und Elyara fragte sich, was so schwer auf ihrer Seele lastete. Mit immer gleichen Bewegungen führte sie den Holzlöffel durch den dicken Reis, obwohl die Butter bereits längst mit ihm verschmolzen war.

"Ich denke, du kannst jetzt aufhören, es sei denn du willst den Reis solange bearbeiten bis er nicht mehr da ist." bemerkte sie neckisch, und endlich schien sie aus ihrem Tagtraum zu erwachen. Etwas verwirrt sah sie auf den Topf und legte schließlich den Löffel beiseite.

"Ja, Ihr habt recht...." antwortete sie, und ihre Stimme klang erschöpft.

"Du machst das wirklich gut. Ich kenne nicht viele, die wirklich wissen, wie man Reis zubereitet. Da fällt mir ein...wir brauchen dringend neue Säcke, sonst reicht es uns nicht für all die hungrigen Mäuler da draußen."

Beinahe schon automatisch wusch Hitomi den Löffel in dem Waschbecken ab und hängte ihn zurück an seinen Haken.
 

"Kann ich Euch sonst noch irgendwie helfen?" fragte sie, und Elyara beobachte amüsiert, wie sie sich immer wieder einige dichte Haarsträhnen aus dem Gesicht streichen musste. Sie beschloss, ihr nach dem Essen erst einmal dabei zu helfen ihr Haar wieder zu richten.

"Ich hoffe es ist nicht zu unhöflich, aber könntest du mir ein paar Pilze holen? Wir müssten im Keller noch welche haben...Ich bin auch wirklich zu dämlich, verzeih mir."

"Nein, das mach ich gerne." erwiderte Hitomi, und meinte es auch so. Sie war erleichtert, wenigstens nur für kurze Zeit eine Aufgabe zu haben. Es lenkte sie ab, und für einen kurzen Moment fühlte sie sich gebraucht. Ein Gefühl, dass sie bisher mehr als selten verspürt hatte. Es schien, als gab es immer nur einen Menschen, der sie brauchte, doch sie hatte sich bereits an den Gedanken gewöhnt, ihn wohl nie wiederzusehen. Der Schmerz, den sie dabei empfand wurde von Tag zu Tag stärker, doch sie tat alles um ihn zu unterdrücken.

Hitomi wusste nur zu gut, dass es nur einen gab, der sie ihr Leid vergessen ließ. Doch diese kurze Zeit hatte einen zu hohen Preis, denn alles was danach kam wurde umso schlimmer. Elyara erklärte ihr kurz noch einmal den Weg, ehe sie eilig wieder zu ihrer Fleischpfanne ging und etwas Pfeffer über die dampfende Masse streute.

Schnellen Schrittes verließ sie die Küche, und war ebenso schnell am Ende des Speiseraums angekommen. Sie spürte Ainas fragenden Blick im Nacken, ging aber nicht darauf ein und schloss leise die Tür.

Kurz atmete sie durch und lehnte sich an das schwere Holz. Doch sie hatte keine Zeit, sich zu erholen, denn laute Stimmen rissen sie aus ihren Gedanken.

"Wieso hast du das getan? Wie oft hat Mutter dir schon erklärt, dass du damit aufhören sollst!"

"Sei still, ich lass mir von einem kleinen Mädchen doch nichts sagen!"

"Das sind unsere Gäste, du kannst sie doch nicht behandeln als seien sie Verbrecher!"

"Aber genau das sind sie! Du hast doch keine Ahnung! Wieso mischst du dich überhaupt ein?"

Hitomi sah mit erstaunten Blicken, wie sich ein Junge und ein kleines Mädchen mitten auf der Treppe anschrieen. Sie schätzte sie auf vielleicht neun Jahre, während der Junge in Ainas Alter zu sein schien. Trotz ihres jungen Alters schien das Mädchen jedoch kein Blatt vor den Mund zu nehmen.

"Du hast ihn wütend gemacht und ihn respektlos behandelt! Man könnte meinen, du kommst aus der Gosse, Bruder!" rief sie, und als sie den Kopf drehte erkannte sie die junge Frau, die etwas verloren an der Tür stand. Ein letzter, wütender Blick galt ihrem Bruder ehe sie die Treppen vollends hinabstieg und zu der Fremden eilte.

"Er hat mich mit seinem Schlachtmesser bedroht, er hat es verdient!" schrie er aufgebracht, doch das Mädchen schüttelte nur den Kopf und seufzte, bevor sie sich freundlich vor Hitomi verneigte.

"Entschuldigt bitte, ich hoffe Ihr nehmt sein Gerede nicht allzu ernst. Willkommen in unserem Haus, mein Name ist Nisha....und das da ist Rahaan, mein Bruder. Verzeiht, er hat einfach keine Manieren." fügte sie lächelnd hinzu, und Hitomi fragte sich wie ein junges Mädchen bereits so erwachsen sein konnte. Selbst ihr Aussehen war anders als das eines kleinen Kindes, ihr Gesicht hatte kaum mehr kindliche Züge und das beinahe schon schwarze, lange Haar war wie das ihrer Mutter zu einem Dutt gebunden. Noch etwas überrascht verbeugte sie sich, während sie einen kurzen Blick auf den Jungen warf. Dieselben eisblauen Augen starrten ihr entgegen wie schon bei ihrer Ankunft, und sie fragte sich was ihn so wütend gemacht hatte. Er verließ nun ebenfalls die Treppe und schritt auf die Tür zu ihrer Linken zu.

"Ich wusste es....zuerst fallen sie in dein Haus ein, und dann schnüffeln sie auch noch herum..."

"Rahaan!" zischte das Mädchen, doch er gab keine Antwort sondern schlug die Tür mit einem lauten Knall hinter sich zu.

"Ich kann mich nur erneut entschuldigen.." sagte sie an Hitomi gewandt und strich sich etwas nervös über das Kleid. Das unfreundliche Verhalten ihres Bruders schien sie aus dem Konzept gebracht zu haben, es schien beinahe so als habe sie Angst, die Frau vor sich verärgert zu haben.

"Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, wirklich..." erwiderte sie.

"Ich hoffe, Ihr nehmt es ihm nicht übel.. manchmal weiß er nicht, wann er den Mund halten soll.."

"Du brauchst mich auch nicht so förmlich anzusprechen...Ich bin Hitomi."

Freudig sah Nisha sie an und musterte sie.

"Du bist wirklich hübsch, wäre dein Kleid nicht unten etwas zerrissen würde ich dich für eine Adelige halten." erklärte sie lachend und deutete auf den aufgerissenen Bund. Etwas verlegen senkte sie den Blick und zupfte an den losen Fäden.

"Ja, ich weiß...ich sollte es nähen, aber...ich hatte einfach noch nicht die Zeit..."

"Das kann ich für dich machen. Ich bin ziemlich gut im Nähen, sagt zumindest Mutter."

"Nein, das ist wirklich nicht..."

"Oh doch, das mach ich doch gerne. Gib es mir einfach heute Abend. Du kannst mir auch zusehen, wenn du willst."

Dankend nickte Hitomi, sie war irgendwie erleichtert diesem Mädchen begegnet zu sein, das eine so außergewöhnliche Persönlichkeit aufwies. Sie dachte an die Zeit zurück, als sie noch so jung war...

"Suchst du nach etwas, oder möchtest du zum Markt?" fragte Nisha und holte sie in die Gegenwart zurück.

"Oh, nein ich....ich wollte nur ein Pilze für das Essen holen. Deine Mutter meinte, im Keller wären noch..."

Plötzlich fiel ihr ein, wer vor einigen Momenten in den Keller gegangen war und Reis holen sollte. Und die Worte Rahaans hallten in ihrem Kopf wieder. Sie wusste, um wen sich die beiden Geschwister gerade eben gestritten hatten.

Überrascht blickte Nisha die Frau an.

"Ist alles in Ordnung?"

"Nisha...darf ich fragen, weshalb ihr gerade miteinander streiten musstet?"

Das Mädchen senkte den Kopf, als wäre es ihr peinlich darüber zu sprechen. Doch sie antwortete trotzdem...

"Rahaan.....er hat einen eurer Gefährten schlecht behandelt. Er hat ihn beschimpft, ich konnte es leider nicht verhindern. Aber der Mann hat kaum etwas gesagt, er hat ihn einfach nur wütend angeschaut und ist dann im Keller verschwunden. Rahaan meinte, er habe ihn mit seinem Schwert attackieren wollen, aber das glaube ich nicht."

Hitomi nickte abwesend, ihre Gedanken glitten in diesem Moment nur um eines. Sie wollte wissen, weshalb Rahaan eine so feindselige Haltung gegenüber ihnen allen hatte.

"Wenn du ihn im Keller triffst, richte ihm bitte eine Entschuldigung aus..." sagte Nisha gepresst. Mit ein paar weiteren Worten entschuldigte sie sich, ehe sie die Vorhalle verließ. Sie versprach aber, das Kleid heute Abend auf jeden Fall zu nähen.
 

Die Kellertür blickte ihr drohend entgegen. Sie wusste, dass sie dort hinunter musste, doch gleichzeitig gefiel ihr der Gedanke, sich hinter der Theke zu verstecken und zu warten immer mehr. Einige Minuten des Wartens vergingen, und irgendwann fragte sie sich warum er nicht schon längst wieder oben war. Zwei Säcke Reis waren für ihn kein großes Problem, das wusste sie als sie sich daran erinnerte, wie er damals den erlegten Hirsch hinter sich herzog. Hitomi beschloss, sich nicht mehr vor einer Begegnung mit ihm zu fürchten und ging mit langsamen Schritten auf die Tür zu. Doch während sie den Türknauf herunterbog und sich ihr die Dunkelheit, die in den untersten Stock hinabführte, öffnete zweifelte sie an ihrem Vorhaben. Es war ruhig, man konnte kein Geräusch vernehmen, und der Gedanke vielleicht doch alleine zu sein beruhigte sie etwas.

An der Wand hingen vereinzelte Lampen, die etwas Licht in das Dunkel brachte, doch gerade soviel dass sie nur wenige Schritte weit sehen konnte. Vorsichtig stieg sie die Treppe hinab, das alte Holz knarrte unter ihren Füßen. Als Hitomi endlich unten angekommen war, taten sich vor ihr die Überreste einer ehemaligen Tür auf. Das Holz selber war entfernt worden, und das dadurch entstanden Loch war nur mit einem langen Vorhang bedeckt. Durch den Stoff hindurch drang ein schwacher Lichtschimmer, und mit einem Mal wusste sie, dass sie nicht doch nicht alleine war. Der Drang, umzudrehen und einfach zu rennen überfiel sie, doch sie zwang sich ihre Aufgabe zu erfüllen. Ihre Hände zitterten, als sie den Vorhang beiseite schob.

Der Vorratsraum war eine groß angelegte Kammer, mit vielen Fässern, Säcken und anderen, in Körben gepackten, Dinge. Mehrere Regale waren nebeneinander angeordnet, auf denen verschiedene Töpfe und Krüge standen. Hastig blickte Hitomi umher, um das auszufinden weshalb sie überhaupt hier war, doch im Schein der seichten Öllampe konnte sie kaum etwas sehen. Nach einer kurzen Weile hatten sich ihre Augen an die schwummrige Dunkelheit gewöhnt, doch sie spürte wie ihr Herz immer heftiger gegen ihre Brust schlug. Sie konnte ihn zwar nicht sehen, aber sie wusste dass er hier war. Endlich konnte sie einen kleinen Topf auf dem Regal direkt vor ihr ausmachen, aus dem bereits mehrere Pilze herausgefallen waren. Sie griff nach oben, doch wie sehr sie sich auch streckte, es war zu hoch. Nicht einmal mit den Fingerspitzen konnte sie den Topf berühren, geschweige denn herunterholen. Verzweifelt blickte sie umher, in der Hoffnung einen Hocker oder irgendetwas zu erspähen, dass ihr helfen könnte. Doch es ließ sich nichts finden. Missmutig blickte sie hinauf, und versuchte es erneut. Schließlich stand Hitomi auf den Zehenspitzen, doch es half alles nichts. Geschlagen ließ sie sich in eine normale Position zurücksinken, und als sie den Arm zurückzog erstarrte sie.

Sie spürte seine Wärme direkt hinter ihr, und obwohl er sie nicht berührte fühlte sie sich wie ein Zündholz, das langsam verbrannte.. Seine Hand griff mühelos nach oben und griff nach dem Topf, der bis eben noch unerreichbar schien.

Hitomi hätte ihn ergreifen, sich bedanken und einfach wieder nach oben gehen können, doch sie tat es nicht. Der ihr so bekannte Geruch ließ sie beinahe vergessen, wo sie überhaupt war, und die Mischung aus Furcht und Schwäche ließ sie innerlich erschaudern. Es war lange her, dass er ihr so nahe war, und fast hatte sie dieses Gefühl vergessen. Seit sie aus dem Zimmer gegangen war, indem er verwundet lag, spürte sie einen so tiefen Schmerz, von dem sie nicht einmal wusste woher er kam. Ihre Entscheidung, ihn nie wieder zu fühlen, löste sich mit einem Male in Luft auf...
 

~*~

If ever the river

could whisper your name,

Would the choices you made

still be the same?

~*~


 

Er wusste nur zu gut, dass er sie einfach zurücklassen hätte können. Er hatte in der dunklen Ecke bleiben und ihr schlichtweg weiter zusehen können, wie sie verzweifelt versuchte an etwas heranzukommen, was unerreichbar war. Die Art, wie sie ihren Körper streckte, wie ihr Haar wirr umherirrte als spiele ein unsichtbarer Wind damit...all das erinnerte ihn daran, wie wunderschön er sie in Erinnerung hatte. Und als er seinen Platz in der Dunkelheit verließ, fragte er sich warum er das alles eigentlich tat.

"Das alles...ergibt keinen Sinn..." dachte er immer und immer wieder, doch je öfter er es wiederholte desto mehr schien es an Bedeutung zu verlieren. Das Licht warf einen sanften Schimmer auf ihre helle Haut, und als er schließlich hinter ihr stand durchströmte ihn eine plötzliche Ruhe. Den Topf in seiner Hand haltend stand er da und wartete. Es war die bloße Nähe, die ihn vor einigen Augenblicken noch beinahe umbrachte, die ihn fast um den Verstand brachte wenn er sie fühlte, und noch mehr wenn er sie nicht fühlte. Es war Wahnsinn, und das wusste er.

Sie sprachen kein Wort, niemand wusste was überhaupt zu sagen war. Es gab gleichzeitig so vieles, und doch so wenig was in ihren Gedanken umherschwirrte. Van hasste sie dafür, was sie aus ihm machte, und sie hasste ihn für all die Schmerzen, die sie wegen ihm erleiden musste. Manche Augenblicke erscheinen länger als ein ganzes Leben. Van spürte ihre Hände, die sich zittrig um den Topf schlangen und ihn nur mit Mühe festhalten konnten. Etwas in ihm übernahm die Überhand, und mit einer einzigen Bewegung fasste er sie sachte an den Schultern und drehte sie zu sich um. Der Topf fiel klirrend auseinander, als er den Boden berührte, doch sie hörten es nicht. Plötzlich erinnerte er sich an die Worte seiner Mutter, die ihm erklärt hatte wie schrecklich war, zu lügen. Doch in dieser Minute seines Lebens fragte sich Van, ob es nicht noch schrecklicher wäre die Wahrheit zu sprechen. Es war viel einfacher zu hassen, als zu lieben.

Ihre Augen blickten ihm flehend entgegen, auf dass er die einzige Wahrheit sprach, die sie kannte...Die falsche Wahrheit.

Ein Kuss wurde im Schein des schwindenden Lichts nicht geschenkt. Er wurde erschaffen. Und mit ihm gingen erneut zwei Welten, die durch das Schicksal nichts als Dunkelheit kannten, unter. Liebe bahnt sich ihren Weg wie die Flüsse durch das Land. Man kann sie stauen, jedoch niemals aufhalten.....

"Ich hasse dich......."
 

~*~

Like a flower that dies

from angry rain,

Why do we hurt ourselves?

~*~


 


 


 


 

Während der neue Tag die Welt bereits erreicht hatte, schlief er noch immer so tief, als wäre er in einen Ozean aus Träumen eingetaucht. Und während er träumte, sah er immer wieder einen von Flammen umgebenen Menschen, der seine glühende Hand ausstreckte und ihn packen wollte. Er wollte wegrennen, doch seine Beine versagten während alles um ihn herum verschwamm..

Unruhig wälzte er sich hin und her, doch die Zeit zum Aufwachen schien noch nicht gekommen zu sein. Unbewusst kroch Faron immer mehr unter die Decke, als würde sie ihm Schutz gewähren.

"Der wird dir noch ziemliche Probleme machen..."

Miguel warf dem anderen Soldat einen warnenden Blick zu, ehe er antwortete.

"Was habe ich denn für eine Wahl? Soll ich ihn einfach dahinsiechen lassen? Ich habe die Verantwortung übernommen.."

"Nein, sie wurde dir aufgezwungen."

"Würdest du einen Befehl von Kommandant Dilandau ablehnen?" bemerkte er spitz und Gatti schüttelte geschlagen den Kopf. Die beiden Männer saßen abseits des Bettes auf dem kalten Boden, darauf bedacht den Jungen nicht zu wecken. Jeder hielt einen Krug Bier in den Händen, welches sie bei Laune halten sollte. Keiner hatte es bisher angerührt.

"Miguel, du weißt ich will dir nichts Böses. Aber wie soll das weitergehen? Du kannst doch nicht plötzlich zu seinem Vater werden."

"Das habe ich auch nicht vor. Aber was kann er denn dafür, dass er nun hier gelandet ist? Er hat weiß Gott ein besseres Schicksal verdient."

"Kommandant Dilandau hat etwas mit ihm vor. Da bin ich mir sicher."

Miguel antwortete nicht, er wandte den Kopf zur Seite und betrachtete den schlafenden Jungen.

"Falls er diesen Shezar damit erpressen will...ich denke nicht, dass das funktioniert. Wer weiß, wo sich diese Bande jetzt herumtreibt." bemerkte Gatti grimmig.

"Er wollte den Herzog.. stattdessen hat er jetzt einen verängstigten Jungen, der ihm in keiner Weise von Nutzen ist. Was glaubst du, wird er mit ihm tun wenn wir nach Zaibach zurückkehren?" zischte Miguel, und eine seltsame Wut tat sich in ihm auf.

"Zurückkehren?"

"Sie rufen die Truppen zurück...Wir sollen uns erneut nach Xantilon begeben, um uns neu zu formieren. Selbst die Stützpunkte hoch oben im Norden werden bis auf ein paar zurückgerufen. Alle besetzten Gebiete sind anscheinend gesichert. Die Generäle planen etwas großes, sonst würden sie nicht ihre Armee mit den Außenposten aufrüsten. Man munkelt, sie suchen die besten Guymilefpiloten aus jeder einzelnen Einheit heraus...."

"Woher weißt du das alles?"

Gatti blickte ihn verwirrt an, er konnte kaum glauben was er hört. Sie wurden von Standort zu Standort geschickt, ohne dass man die Soldaten richtig über die Vorgehensweise aufklärte. Man bläute ihnen die Gedanken ein, sie seien unbesiegbar und auf dem Weg, die gesamte Welt zu beherrschen. Die Aussicht Macht verändert die Menschen, und ebenso ihre Herzen. Schweigend führten sie ihre Befehle aus und nahmen es widerstandslos hin, auch in der Angst man würde sie bei zu vielem Nachfragen bestrafen. Gatti jedoch beobachte besorgt eine gewisse Veränderung, die er besonders in Miguel wieder erkannte. Er hoffte nur, er würde nichts unüberlegtes tun.. Und gerade als er hoffte, nie wieder darüber nachdenken zu müssen, hörte er Miguel leise seufzten.

"Ich glaube, wir machen einen Fehler....."

"Hör auf damit. Sprich nicht weiter.." flüsterte Gatti und sah sich unsicher um. Er fürchtete, man könnte hören wie ein Soldat, der dem Zaibacher Reich seine Treue schwören musste, seine Zweifel ans Licht brachte.

"Aber es ist die Wahrheit...wo liegt der Sinn in unserem Tun?" zischte er und sah Gatti herausfordernd an. Der hatte jedoch keinerlei Interesse daran, mit ihm zu diskutieren und deutete mit der Hand in Richtung des schlafenden Jungen.
 

"Das hier lässt dich zu sehr nachdenken. Lass es sein! Wir sind hier, um das zu tun was man uns befiehlt. Wir haben keine Wahl."

Miguel hasste diese Worte. Schon zuoft hatte er sie gehört, sie gedacht. Er war es leid, nicht selbst entscheiden zu können was mit seinem Leben geschah. Und obwohl er in diese Welt der Befehle und des Gehorsams hineingeboren war, verlangte er nach etwas anderem..

"Es war nicht immer so..."

"Oh doch, es war schon immer so...ganz Zaibach ist überflutet von Dunkelheit und Hass...der Boden hat nichts als Blut gesehen, die Erde ist verflucht. Ganz Gaia lebt im Licht...nur wir nicht...Wieso sollten sie besser sein als wir..."

Miguel schwieg. Für seine unehrenhaften Worte könnte er hingerichtet werden, kämen sie jemals ans Tageslicht. Doch er hatte nicht vor, zu sterben. Jetzt noch nicht. Er spürte, wie eine Idee in ihm keimte, die ihm mit jeder Minute besser gefiel...

Die Decke raschelte, und sein Blick lag sofort auf dem Jungen, der nun erwachte. Hastig stand er auf und deutete Gatti an, das Zelt zu verlassen.

"Miguel, ich warne dich.. Wenn du irgendetwas vorhast, vergiss es so schnell wie möglich wieder. Du weißt, jeder Soldat muss über mögliche Unruhen Bericht erstatten...selbst wenn es die engsten Vertrauten sind..."

Faron öffnete schläfrig die Augen, seine braunen Haare hingen ihm wirr in das kindliche Gesicht. Er war immer noch verstört, doch er begann langsam zu begreifen, was um ihn herum geschieht. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen als er Miguel sah, der sich zu ihm herabbeugte und ihm zuversichtlich über den Kopf strich. In seinen Augen erkannte er eine starke Entschlossenheit, und als der andere Soldat das Zelt schweigend verließ hörte Faron leise seine Worte...

"Ich bin kein Soldat....."

"Was bist du dann?"

Erstaunt blickte Miguel ihn an, anscheinend hatte er seine Gedanken leise ausgesprochen. Noch ehe er vom Thema ablenken konnte, bemerkte er dass der Junge zum ersten mal aus freiem Willen heraus etwas sprach. Erleichtert über diese positive Wendung startete Miguel einen neuen Versuch, wie er es bereits vor einigen Tagen getan hatte.

"Faron...willst du mir nicht sagen, woher du kommst?"

Das Misstrauen kehrte in ihn zurück, und er wich unmerklich tiefer in die Matratze. Faron wollte diesem Mann vertrauen, aber all die Geschehnisse, die ihm seit Verlassen seines Heimatdorfes wiederfahren sind, hielten ihn davon ab. Bevor er gegangen war, hatte er nichts gewusst von der Welt und all dem Bösen, das in ihr herrschte.

"Du brauchst wirklich keine Angst vor mir zu haben..."

Er nahm all seinen Mut zusammen und blickte dem Mann ins Gesicht, ehe er leise antwortete.

"Chatal...."
 

Erstaunt sah Miguel auf, als der Junge endlich mit ihm sprach. Er kam also aus Asturia, wahrscheinlich aus einem der Dörfer nahe des Chatalgebirges. Der Gedanke an das zerstörte Pallas kam ihm, und plötzlich hoffte er dass der Junge schön länger weg von Zuhause war. Und plötzlich erkannte er es.

Miguel fragte sich, wie ein kleiner Junge von Chatal bis nach Arzas kommen konnte, und vor allem wie er in die Begleitung der Rebellen kam. Schezar und die Prinzessin waren zusammen aus Freid geflohen, doch wie kam er hinzu? Doch noch ehe er eine seiner vielen Fragen stellen konnte hörte er die immer noch leise klingende Stimme des Kindes.

"Weißt du, wo meine Schwester ist?"

Diese Frage verwirrte ihn, doch er beschloss es rein taktisch anzugehen. Zuallererst wollte er wissen, wer dieser Junge überhaupt war und was es mit dieser Schwester auf sich hatte.

"Was ist denn mit ihr passiert?"

"Ich suche sie...ich suche sie, aber ich kann sie nirgendwo finden..." erwiderte er, und begann zu schluchzen.

"Deine Schwester?" fragte Miguel verwundert.

Faron nickte und wischte sich schnell die Tränen weg. Er fühlte sich so schwach, doch er konnte nichts dagegen tun. Immer noch glaubte er an ein Wunder, das ihn und seine Schwester wieder zusammenbringen würde. Doch mit jedem Tag, der verstrich, schwand seine Hoffnung. Die Situation schien so unglaublich aussichtslos...

"Ist sie weggelaufen?"

Faron sah dem Mann zu, wie er aufstand und aus einem Krug etwas Wasser in ein Glas goss.

"Nein.....sie haben sie eines Nachts einfach mitgenommen.." erwiderte er, und seine kindliche Stimme klang plötzlich fest und beinahe wütend.

"Mitgenommen?" wiederholte Miguel langsam, und ließ den Krug zurück auf den einfachen Holztisch sinken. Eine schleichende Vorahnung überfiel ihn, die es ihm schwer machte richtig zu atmen. Er konnte nur hoffen, dass er sich irrte.

Miguel hätte niemals gedacht, dass die Worte eines Kindes ihn mehr erschrecken können als das Geräusch eines Sterbenden, der durch seine Hand sein Leben ließ.

"Ich hab es gesehen....Sie wollte nicht mit ihnen gehen, aber dann....dann war sie plötzlich ganz still und hat sich nicht mehr bewegt. Es war so dunkel, als ich die Treppen hinaufging. Und als ich aufwachte, hatte ich für einen Moment vergessen, was überhaupt passiert war.."

Das Flüstern des Jungen erreichte ihn, und ungläubig starrte er ins Leere.

"Das....das kann doch nicht..."
 

"Vater, was...was wollen diese Leute hier?"
 

Erst jetzt erinnerte er sich wieder an diese eine verregnete Nacht. Doch mit einem Schlag kehrte die vermeintlich unwichtige Anweisung erneut zurück. Die einfachen Häuser, die wenigen Lichter, die aus den offenen Fenstern auf die Straße schienen.

Sein Gesicht war unter der schwarzen Kapuze verborgen, niemand würde jemals wissen dass er überhaupt hier war. Der unmenschliche Händel würde stumm und ohne Erkenntnis von dannen gehen, ohne das jemand Fragen stellte. In dieser Nacht waren sie Händler, und ihre erstandene Ware lebte.
 

"Vater, sind das Freunde von dir? Es ist mitten in der Nacht wieso.."
 

Miguel konnte nicht glauben, dass er so blind sein konnte. Der Junge aus jener Nacht saß plötzlich vor ihm, und eine unsagbare Schuld packte ihn. Er hatte ihm seine Schwester genommen, und seine verzweifelte Suche hatte ich letztendlich direkt in die Arme derer geführt, die er tief in seinem Herzen sicher abgrundtief hasste.

In diesem Moment fasste er einen Entschluss.

Ohne weiter darüber nachzudenken ging er zurück zu dem Jungen und hielt ihm das Glas Wasser hin.

"Hier, trink. Du musst bald wieder auf den Beinen sein..." sagte er leise, doch als Faron ihn verwundert anblickte erwiderte er nichts.

Schweigend saßen sie nun zusammen, während von draußen hektische Geräusche hereindrangen. Allmählich wurde es immer lauter, und kurze Zeit später erschütterte lautes Poltern die Erde. Erschrocken wich Faron zurück, während Miguel ungläubig zum Zeltausgang starrte.

"Nein...bei den Göttern, alles nur das nicht..."

Er kannte dieses Geräusch nur zu gut. Noch nie hatte er es gefürchtet, lediglich nur verachtet. Doch plötzlich fühlte er eine noch nie da gewesene Bedrohung.

"Bleib hier." deutete er Faron an, während er hastig aus dem Zelt ging und somit den verunsicherten Jungen alleine ließ.

Mit einer schnellen Bewegung riss er den Vorhang beiseite und blickte auf das Schauspiel vor ihm. Er hätte vielleicht einen erwartet, jedoch nicht das, was sich da vor ihm aufbaute. Der Himmel schien sich zu verdunkeln, als die Festungen bedrohlich nahe über ihnen schwebten. Es waren insgesamt drei an der Zahl, und in ihrem Inneren befanden sich mehr Waffen und Maschinen, als man es sich vorzustellen wagte.

Einige Guymilefs waren bereits abgeladen, und immer mehr Kampfmaschinen berührten mit kaltem Stahl den Boden Gaias.

Plötzlich überrannte ihn ein schleichendes Gefühl. Miguel konnte es sich nicht erklären, doch seine Gedanken wurden dunkler und er spürte, dass irgendetwas hier war...etwas gefährliches....etwas böses.

Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte er, in Verzweiflung zu stürzen, doch mit einem Mal war alles wieder wie zuvor.

"Was...geht hier vor?" stammelte er verwirrt, doch noch ehe er weiter darüber nachdenken konnte rief jemand aufgeregt seinen Namen.

"Miguel!"
 

Gatti rannte auf ihn zu, und noch ehe er bei ihm angekommen war deutete er mit einer Hand nach oben.

"Es ist soweit!"

"Was ist soweit?" schrie er aufgebracht, als sich die Wut in ihm breit machte.

Schwer atmend schüttelte er über die Unwissenheit seines Kameraden den Kopf.

"Sprich endlich!"

"Unser Feldzug beginnt! Wir gehen nach Basram!"

Miguel versuchte, den Schock so gut es ging zu verstecken, und glücklicherweise ahnte Gatti nichts von seiner inneren Unruhe.

"Niemand hat damit gerechnet, dass sie uns ein gesamtes Heer schicken. Man sagte uns, es würden nur vereinzelte Truppen losziehen, da Basram ein einfaches Ziel ist."

"Einfaches Ziel?" fragte Miguel verwirrt. Er hatte von der Stadt der Seen gehört, sie lag inmitten mächtiger Gebirge. Wie konnten sich die nur Generäle vorstellen, dort einfach so hinein zu spazieren?

"Frag nicht mich, ich wundere mich selbst darüber. Alles, wovon ich weiß ist der Befehl. Kommandant Dilandau hat angeordnet, noch heute Nacht aufzubrechen. Immerhin haben wir einen langen Weg von uns..."

"Das ist doch vollkommen...verrückt!" erklärter Miguel mit leise Stimme, doch Gatti sah ihn sofort warnend an.

"Natürlich ist es das, aber wir hinterfragen es nicht." zischte er.

Seine Worte wurden von einem lauten Knall übertönt, als sich die Ladeluke der Festung über ihnen schloss. Der letzte Guymilef war nun ausgeladen. Miguel betrachtete sie argwöhnisch, etwas kam ihm an den Kampfmaschinen anders vor. Auch Gatti schien es bemerkt zu haben.

"Die Guymilefs...sie sehen anders aus."

Gatti nickte und senkte den Kopf näher an seinen Kameraden.

"Man sagt, sie haben nicht nur die alten aufgerüstet. Sie haben sogar vollkommen neue gebaut. Ich habe vorhin mit Dallet gesprochen und er meinte, die Hexer hätten die Baupläne entwickelt. Sie haben sie verändert, irgendwie."

Als sie ihre neuen Kampfgefährten aus der Weite betrachteten, schlich dieses ungute Gefühl zurück in Miguels Bewusstsein. Die mächtigen Guymilefs standen starr an ihren Plätzen, während um sie herum das Lager langsam verschwand. Die schwarzen Rüstungen strahlten eine beängstigende Dunkelheit aus, als würden sie wissen dass allein ihr Anblick die Menschen zurückweichen ließ. Bereits heute Nacht würden sie also aufbrechen. Eine Reise, die noch mehr Tod und Zerstörung mit sich bringen würde.

"Mir bleibt nicht mehr viel Zeit." erkannte Miguel, und mit jeder Sekunde wusste er, dass er wenigstens einmal in seinem Leben das Richtige tun wollte.

Das Licht drängte sich schmerzvoll in seine Augen, und während er die Gänge entlang schritt wurde ihm klar, wie sehr er die Dunkelheit schätzte. Ein erschreckender Gedanke kam ihm, und er fragte sich ob es an ihm lag, dass er sich nach der Finsternis sehnte. Es waren kaum noch Wachen stationiert, die meisten hatten sich bereits an die Sammelpunkte begeben. Der Haupthangar war leer. Die Guymilefs wurde alle abgeladen und jeder einzelne wurde besetzt. Folken konnte nur erahnen, was als nächstes kommen würde. Die Schriftrolle in seiner Hand bekam vom Druck seiner Hände Risse, als er an die Worte der anderen Generäle dachte. Obwohl er wusste, dass dieser Tag irgendwann kommen würde, verspürte er eine unglaubliche Wut darüber, dass es nun wirklich geschehen war. General Helio Eides war mir einer unglaublichen Verachtung auf ihn zugegangen und hatte ihm den Befehl übergeben. Sie alle wussten, was in dem versteckten Hangar im Bauch der Festung passiert war. Sie waren wütend auf die Hexer, denn sie befürchteten dass sie zuviel Einfluss auf ihre gesamte Vorgehensweise hatten. Genauso waren sie wütend auf ihn, da er ihrer Meinung nach Schwäche gezeigt hat, indem er den Tod des Soldaten mit Mitleid betrachtet. Ein verbittertes Lachen entschwand ihm..

"Sie haben keine Ahnung, wie viel Macht die Hexer wirklich haben...Wo sie überall ihre Finger im Spiel haben..." dachte Folken.

Ihr Feldzug war nicht mehr aufzuhalten, dessen wurde er sich plötzlich bewusst. Energisch schlug er die Tür zu seinem Arbeitszimmer auf und trat in die willkommene Dunkelheit. Ein plötzlicher Anfall von Schwäche überkam ihn, und müde lehnte er sich an die kalte Barriere. Folken musste nicht aufsehen, um zu wissen weshalb plötzlich eine der blau schimmernden Lampen wie von Geisterhand den Raum erhellte.

"Ihr fürchtet euch. Ihr tut es nicht umsonst..."

"Jeder Mensch fürchtet sich vor dem Untergang."

"Nicht jeder, das wisst Ihr..."

Ihre kalten Worten erreichten nicht ihre Augen, doch sie wandte sich nicht ab. Er sollte sehen, was sie schon längst wusste. Die Hoffnungslosigkeit, die sie alle vernichten würde.

"Du weißt, was als nächstes Geschehen wird...nicht?"

Sora nickte, und als sie seinem gesenkten Blick folgte überkam sie plötzlich das Bild ihrer Schwester. Noch nie wurde ihr klar, wie sehr er ihr ähnelte. Folken war wie seine Mutter, still und voller Sorgen. Einst verstanden sie sich wortlos, mit Blicken konnten sie ausdrücken, was sie fühlten. Schon als er das Schloss verließ, um den Drachen zu jagen, wusste sie dass er niemals als der zurückkommen würde, der er vorher war.

Oft fragte sie sich, ob sie es hätte verhindern können.
 

"Komm zurück....Ich bitte dich, Schwester, komm zurück..."
 

Der Wald war dunkel, die Wipfel der mächtigen Bäume wehten sanft im Wind umher. Der Mond ließ seinen Glanz auf die Erde fallen, während sich die Nacht ihrer finstersten Stunde näherte. Adom schlief, das Land der Drachen wurde bereits vom Herbst empfangen. Das Erntefest war zuende gegangen, während die ersten Blätter auf die Erde fielen. In den Schatten des Schlosses schlich sich eine einsame Gestalt in die Gärten, unbemerkt von den Wachen, die im Schein des schwindenden Lampenlichts ihres Weges gingen. Die Stimmen des Abends waren verstummt, jetzt regierte die Stille der Nacht. Ihr Weg führte sie an dem kleinen Pavillon vorbei, der inmitten der endlos scheinend grünen Landschaft hervorragte. Das Schloss baute sich mächtig hinter ihr auf, doch je weiter sie ging desto mehr verdeckten die Wipfeln den Blick zurück. Endlich erreichte sie die mächtige Trauerweide, die ihre unzähligen Äste in den kleinen See tauchte. Winzige weiße Lichter schwirrten in der Luft umher, bis sie irgendwann in der Ferne verschwanden.


 

Plötzlich überkam sie eine friedliche Ruhe, und die Frau setzte sich still an das Ufer, nicht darauf bedacht ihr seidenes Kleid vor der Erde zu schützen.

"Ich habe keine Angst mehr..."

Als die Worte ihren Mund verließen, erschien Sora lautlos neben ihr. Das Flüstern in der alten Sprache hinterließ einen schmerzenden Abdruck in ihrem Herzen, denn ihr wurde klar, dass sie alle schon bald vergessen sein würden. Die Zeit forderte unbarmherzig ihre Opfer.

"Es ist das einzige mal, dass ich dich bitte. Das erste und das letzte mal." flüsterte Sora, doch ihre Schwester schüttelte den Kopf.

"Hier ist mein Zuhause...Hier ist meine Familie...Mein Mann, meine Söhne....mein Volk. Ich werde sie um nichts in der Welt aufgeben...."

Verzweiflung überkam sie, als sie sich auf die Knie warf und energisch Varies Hände packte.

"Hast du mir nicht zugehört? Hast du es nicht bereits selbst gespürt?"

"Ich brauche die Zukunft nicht zu kennen. Ich bin nicht wie du...ich bin glücklich.."

"Du wirst sterben, Varie...." presste sie hervor, ehe sie den Kopf senkte um die Wut über die Sturheit ihrer Schwester zu verbergen.

In der Ferne hörte man den einsamen Ruf eines Wolfes, der sich wie ein leidvoller Vorbote über die Nacht legte.

"Dann werde ich als Mutter sterben, die ihre Kinder beschützt..."

"Nichts kann sie schützen...nichts..."

Varie sah erschrocken auf, doch Sora entzog sich sofort ihrem Blick.

"Bist du gekommen, um mir zu sagen dass das Leben keine Hoffnung mehr hat? Oder bist du gekommen, um mir zu sagen was ich sowieso nicht glaube werde?"

"Heute nacht.....Heute nacht ist sie zu mir gekommen.." flüsterte sie.

"Wer? Wer ist zu dir gekommen?" fragte Varie ungeduldig, als sich plötzlich die Angst in ihr breit machte.

"Ich habe sie gesehen...die ewige Finsternis...Die Vision der Welt, wie sie in Dunkelheit versinkt. Es hat bereits begonnen.."

"Das ist nicht wahr. Du siehst nur, was du sehen willst...Du selbst wünschst dir das Ende, deshalb siehst du es auch."

"Dies war nicht meine Vision...es war ihre.."
 

Energisch stand Varie auf und ballte die Hände zu Fäusten, bis es schmerzte.

"Deine dunklen Vorahnungen werden mir nicht das nehmen, was ich am meisten liebe. Du hast sie alle von Anfang verachtet, genauso wie du mich verachtest. Du gibst mir die Schuld an deinem Elend, doch es war nicht mein Wille dir diese Gabe aufzuerlegen."

"Das ist keine Gabe...das ist ein Fluch. Ein Fluch, den ich akzeptiert habe..." erwiderte Sora, und mit ausdruckslosem Blick starrte sie ihrer Schwester entgegen.

"Du hast niemals geliebt, Sora...niemals....Du weißt nicht, wieso ich dich verlassen haben. Niemals hast du es verstanden. Du wolltest mich mit in den Untergang reißen, weil du genau wusstest dass du dann nicht alleine sein würdest. Aber ich liebe Goau, und ich liebe meine Kinder. Stirbt Goau, sterbe auch ich. Aber ich werde alles dafür geben, dass Folken und Van auf dieser Welt weiterleben, egal was mit mir geschieht."

"Wie kann ich jemanden lieben, der mir meine Schwester entrissen hat? Wie kann ich jemanden lieben, der Städte auslöschen wird und tatenlos dabei zusieht? Wie kann ich jemanden lieben, der aus Rache töten wird und den Hass tief in seinem Herzen trägt!" rief Sora, ehe Varie einige Schritte zurückwich.

"Was redest du da..?"

"Ich spreche von dem, was passieren wird! Goau....Folken....Van...Sie alle werden kläglich zugrunde gehen, weil sie das Leid Gaias nicht akzeptieren!"

"Wie kannst du nur solch schreckliche Worte sprechen..."

"Ich habe das Recht dazu. Sieh es endlich ein, Varie...du kannst nicht ewig davonlaufen. Ich flehe dich an, komm mit mir. Lass all das hier hinter dir und rette dich...ich bitte dich..."

Die Blätter der Trauerweide bewegten sich sachte im Wind, und es war als würden sie ihre ganz eigene Melodie spielen. Die beiden Frauen standen sich stumm gegenüber, ihre Worte hingen wie dichter Nebel über ihnen und versperrte die Sicht auf den jeweils anderen. Die Königin Fanelias schüttelte ungläubig den Kopf.

"Ich habe genug davon.. Deine Worte können mich nicht mehr in Angst versetzen. Versinke in deinen düsteren Träumen, aber verschone mich damit. Und nun geh...dies ist unser Abschied, Schwester..."

Schweigend verschwanden sie in der Stille der Nacht, ihre leisen Schritte hallten wie das Echo eines aufkommenden Sturmes in den Ohren derer, die um die Welt weinten wenn das Ende kam. Niemand entdeckte das verwirrte Paar Kinderaugen, hinter denen verzweifelt versucht wurde das eben gesprochene zu verstehen. Das helle Gewand der anderen Frau schien ihm beinahe unwirklich zu sein, der helle Glanz erinnerte ihn an das Federkleid von hundert schneeweißen Tauben.

Seine Mutter würde niemals erfahren, dass er in dieser Nacht hier war. Van würde nicht die Möglichkeit haben, es ihr jemals zu erzählen.

Feuer und Schwert würden kommen....
 

~*~

A mother's love

Is a sacrifice

Together sleeping

Keeping it all...

~*~


 

Zufrieden beobachtete Elayra, wie ihre Gäste sichtlich gesättigt die Teller von sich schoben. Niemand hatte etwas übrig gelassen und sie war froh, die ausgehungerten Männer und Frauen versorgt zu haben. Dennoch fiel ihr auf, dass nicht alle anwesend waren. Das Poltern der Tür ließ sie hochschrecken, und als sie den Grund des unnötigen Lärms erkannte wurde ihr Gesichtsausdruck ernst. Auch die anderen sahen verwundert auf, als der Junge wütend durch den Saal lief und keinen von ihnen eines Blickes würdigte.

"Rahaan." sagte sie ruhig, dennoch bestimmt. Der Junge blieb stehen, verweilte jedoch stumm.

"Möchtest du unsere Gäste nicht begrüßen?"

Es war keine Frage, sondern eine Aufforderung. Widerwillig drehte er sich zu den Neuankömmlingen um, blickte aber keinen von ihnen direkt an. Doch während er versuchte, einen Punkt zu fixieren, der ihn von all den Augen um ihn herum abhielt, streifte er ungewollt den Blick eines jungen Mädchens. Nur für den Bruchteil einer Sekunde sahen sie sich an, und als sie sich abwandte tat er, was seine Mutter von ihm verlangte. Er verbeugte sich vor den Anwesenden und hieß sie leise willkommen.

Elayra nickte zufrieden.

"Möchtest du nicht auch etwas essen?" fragte sie ihn schließlich, doch Rahaan schüttelte abweisend den Kopf.

"Nein danke. Ich sitze nicht mit Verrätern an einem Tisch."

Ein empörtes Raunen ging durch den Saal, als Elayra geschockt aufstand und ihrem Sohn nachsah, der ohne weiteres kehrt machte und dann die Tür hinter sich schloss.
 

Milerna blickte ihm stumm hinterher. Sie fragte sich, wieso er so auf sie alle reagiert hatte. Es herrschte plötzlich eine schwere Spannung, und Elayra seufzte leise auf, ehe sie sprach.

"Bitte verzeiht. Ich hoffe ihr fühlt euch nicht allzu beleidigt, aber...Rahaan hat nicht gerne Fremde um sich..."

Noch während sie es aussprach, erkannte Milerna die Lüge, die sich zwischen ihren Worten hindurchschlängelte. Sie glaubte nicht, dass der Junge einfach nur scheu war. Er hatte einen Grund, weshalb er seiner Verachtung freien lauf ließ. Kurz sah sie zu Allen, der jedoch nur belanglos nickte und Elayra erklärte, sie brauche sich nicht zu entschuldigen.

"Wir sind es wohl gewohnt, nicht überall willkommen zu sein.." dachte sie resigniert. Milerna konnte einfach nicht verstehen, wieso so viele Menschen an den Motiven der Abaharaki zweifelten. Sie taten doch niemandem Unrecht, sie kämpften einzig und allein für die Freiheit und das Ende der Tyrannei Zaibachs.
 


 


 

Während Dryden und Pyras gemeinsam durch die obere Etage des Hauses schritten, blieb sein Hausherr plötzlich stehen. Dryden drehte sich verwundert um und sah den plötzlich angestrengten Ausdruck in seinen Augen, als habe er etwas erblickt das ihn verwirrte.

"Pyras, ist alles in Ordnung?"

Es dauerte einen kurzen Moment, bis er antwortete, und sein Blick schien immer noch in weite Ferne gerichtet zu sein.

"Ja....es ist nur...mir war, als hätte ich etwas gespürt. Eine riesige Welle von Gefühlen, doch ich habe keinerlei Ahnung woher..." erklärte er nachdenklich. Drydens Miene verfinsterte sich. Die Aussage seines Gefährten beunruhigte ihn, denn er wusste dass er sich auf dessen Ahnungen immer verlassen konnte.

Nachdem er vor so vielen Jahren aus Zaibach geflohen war, hatte sich Pyras in Asturia versteckt. Er hoffte, sie würden ihn dort nicht finden, doch die Hexer hielten sich nicht an solch belanglosen Dingen wie das Verschwinden eines Lehrlings auf. Für sie war er lediglich ein schwaches Glied in der Kette ihrer Hierarchie, das sich selbst aussortiert hatte. Es würden andere kommen, die die dunkle Gabe in sich trugen. Schwarze Magie, gepaart mit Wissenschaft, war eine ausgesprochen starke Waffe.

Niemand wusste, was sich im Inneren der Festung abspielte, nicht einmal die Generäle wussten über alles bescheid.

Sie waren grausame Lehrer, und was sie ihren Lehrlingen beibrachten waren Dinge, die sie niemals mehr vergessen konnten. Immer hielten sie Pyras für zu menschlich, sie verachteten das Mitleid und die Angst, die in ihm keimten. Es war ihr Ziel genau diese auszulöschen, doch es gelang ihnen einfach nicht.
 

"Ach...ich denke, ich werde wohl langsam verwirrt auf meine alten Tage." scherzte Pyras, wohlwissend dass Dryden bei dem Gedanken sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte.

"Damit beleidigst du auch mich, immerhin bist du nur ein paar Jährchen alter als ich. Und ich halte mich sicherlich nicht für alt. Verwirrt vielleicht, aber nicht alt."

"Du bist unglücklich, nicht wahr?"

Seine direkte Frage ließ Drydens Lächeln erstarren, und hastig wandte er sich ab. Mit schnellen Schritten ging er die Treppen hinab, Pyras dicht hinter ihm.

"Was damals geschehen ist, kannst du nicht mehr rückgängig machen. Menschen machen Fehler, aber sie lernen auch daraus."

"Mit diesem Fehler habe ich alles zerstört, das weiß ich. Belass es bitte dabei."

"Wie du willst. Doch je mehr du wegläufst, desto unbarmherziger verfolgt dich dein Herz."

Dryden versuchte, seine Worte zu ignorieren doch sie drängten sich immer wieder in seinen Kopf. Der Geruch von Essen wurde plötzlich deutlich, und kurz kam es ihm so vor als höre er im angrenzenden Speisesaal jemanden laut sprechen. Doch schon nach wenigen Momenten war es verschwunden.

Plötzlich dachte er an Sekir. Er hoffte, der Pilot hatte seine Aufgabe erledigt und würde bald zurückkehren. Es gab wichtige Fragen, auf die er Antworten haben wollte. Obwohl es schon Jahre her war, wünschte er sich inständig zu wissen, dass alles in Ordnung war. Vielleicht würde es ihm dabei helfen, seine immer mehr schwindende Hoffnung wiederzufinden. Und wenn er Glück hatte,

"Wir sollten uns lieber auf den morgigen Tag vorbereiten. Es gibt vieles, was getan werden muss." antwortete er schließlich, und Pyras nickte.

"Ich werde einen Boten schicken.."

"Das wird nicht nötig sein. Darum habe ich mich bereits gekümmert."

"Du bist schneller als ich dachte, Pyras..."

Er streckte die Hand aus und hielt kurz inne, bevor er den Türknauf berührte.

"Ich tue mein Bestes."
 


 


 

~*~

So I took what's mine by eternal right.

Took your soul out into the night....

~*~
 

"Ich hasse dich....."
 

In der Ferne hörte sie jemanden weinen. Ein leises Wimmern, kaum zu vernehmen und doch so laut, dass es beinahe unwirklich schien. Und als er die Worte sprach, deren Wahrheit sie längst kannte, verstummte das Weinen. Träume, an denen einst festgehalten wurde, verschwanden. Sie wollte hinaus aus der Dunkelheit, doch sie fürchtete sich. Wie sollte sie in einer Welt überleben, an die sie nicht einmal mehr glaubte? Eine Realität, die nichts als Kummer für sie übrig hatte.

Sie lebten beide nicht mehr in dieser Welt.
 

"Hass und Liebe liegen nah beieinander. Sie können sich sogar überschneiden...Und manchmal ist Hass nur ein Ausdruck für Liebe. Eine Liebe, die so unerträglich ist dass es keinen Ausweg mehr gibt...."
 

Eine seltsame Dankbarkeit durchströmte sie, als sie an seine Worte dachte. Sie war froh, wenigstens etwas in ihm zu bewegen. All die vielen Male, als sein leerer Blick umherwanderte, fürchtete sie man habe alles zerstört. Die Vorstellung, ihn nur als kalte Hülle zu wissen, brachte sie beinahe um. Nun kannte sie ihren Wunsch, doch Hitomi schwör sich in auf ewig geheim zu halten.

"Hass ist ein Gefühl. Und ist es nicht besser, wenigstens etwas zu fühlen als rein gar nichts?" flüsterte sie, während sie spürte wie sein Griff um sie stärker wurde. Sein Schweigen überraschte sie nicht, sie kannte ihn zu gut um auf eine Antwort zu hoffen.

Die Stille, die nun einkehrte, ließ sie zum ersten Mal bemerken wie schwer sie beide atmeten. Sie erinnerte sich kaum, weshalb sie überhaupt nach unten gegangen war. Er rührte sich nicht, nicht einmal als sie denk Kopf senkte und sich ihre Hände in sein Hemd krallten.

Er war ein König. Dieser Gedanke schoss urplötzlich durch ihren Kopf. Die ganze Zeit wusste sie es, doch niemals dachte sie darüber nach. Es war so seltsam, ihn anzusehen und zu wissen, dass er das Recht hatte über ein gesamtes Land zu herrschen.
 

~*~

It may be over but it won't stop there,

I am here for you if you'd only care...

~*~
 

"Fanelia ist zerstört..."
 

Hitomi hatte es selbst gesehen. Den Untergang eines Reiches, das in einem Meer aus Flammen verschwand. Wie viele Menschen ihr Leben lassen mussten, konnte sie nur erahnen. Für einen Moment schloss sie die Augen, als sie spürte wie ihr mit einem Mal schwindelig wurde. Ein undeutliches Trommeln erklang, und ihr war als hörte sie leise jemanden flüstern. Leicht schwankend versuchte sie, einen Schritt zurückzugehen, als er endlich aus seiner Starre erwachte.

Van sah sie durchdringend an, ein ungutes Gefühl machte sich in ihm breit. Entschlossen hielt er sie fest und wartete darauf, dass sie die Augen öffnete. Er wollte sie ansehen und wissen, dass alles in Ordnung war.

Als es nach scheinbar unendlichen Sekunden geschah, blickte sie ihn beschämt an. Und gerade als sie den Mund öffnen wollte, weiteten sich ihre Augen.

Es dauerte keinen Atemzug, bis Van ihren Blick deuten konnte.

In ihrem Gesicht spiegelte sich die blanke Furcht. Ihr Atem ging nur noch stoßweise, als würde sie beinahe ersticken. Sie starrte auf die Wand hinter ihm, doch als Van sich umdrehte sah er nichts außer dem alten Gemäuer. Erneut wandte er sich zu ihr und packte sie an den Armen.

"Was siehst du?"

Doch Hitomi schien ihn nicht zu hören, während sie voller Angst geradeaus blickte. Ihrer Kehle entschwanden leise Schluchzer, die mit jedem Mal lauter wurden. Verzweifelt versuchte sie, sich die Hände vor das Gesicht zu schlagen, doch sie war wie gelähmt.
 

Sie waren da. Sie waren da, und sie konnte sie sehen. Niemals hätte sie gedacht, etwas so furchtbares zu erblicken. Ihre verzerrten Gesichter starrten sie voller Hass an, schwarzes Blut quoll aus ihren Augen während ihre Münder zu schmervollen Schreien aufgerissen waren. Tote Seelen, dazu verdammt in der Unterwelt auf ewig gefangen zu sein. Sie dürsteten nach Rache, nach Genugtuung für alles, was sie erleiden mussten.

Für alles, was sie wegen ihr erleiden mussten. Die Opfer von Krieg und Hass, erschaffen durch einen einzigen Gedanken der Göttin. Dämonen, die ihre ewige Seele hinab in die Unterwelt reißen wollten, genauso wie man es ihnen angetan hatte.

Ihre Meister, Phobos und Deimos, mussten gerächt werden. Das faulige Fleisch war längst verbannt und hatte ein Stück Erde vernichtet.

Wie ein Echo hallte das widerliche Geräusch zurück, als sich ihre Körper in Stücke teilten.

Immer wieder riefen sie ihren Namen, die schrecklichen Stimmen klangen wie schrille Schreie qualvoll sterbender Menschen.
 

"Sieh, was du getan hast! Du stinkst nach Tod, genau wie wir! Du gehörst uns! Uns!"
 

Unzählige halbverfaulte Hände streckten sich ihr entgegen, aus den löchrigen Körpern kroch widerliches Getier. Leichengeruch drängte sich in ihre Nase, bis sie glaubte sie müsse erbrechen. Ihr Bauch zog sich krampfartig zusammen, und erst viel später bemerkte Hitomi, dass sie es war die laut schrie.

Van wusste nicht, was er tun sollte. Irgendetwas machte ihr furchtbar Angst, doch er konnte nichts dagegen ausrichten. Ihr Schrei ging ihm durch den gesamten Körper, aber all seine Versuche sie aufzuwecken schlugen fehl. Sie reagierte nicht auf ihn, und die Machtlosigkeit machte ihn wahnsinnig.

Plötzlich stieß sie ihn mit einer solchen Kraft von sich, dass er einige Schritte zurückfiel. Panik erfasste ihn, als er bemerkte was sie vorhatte.

Blind rannte sie die Treppe hinauf, und als sie beinahe stürzte war Van sofort wieder auf den Beinen. Ohne darüber nachzudenken eilte er ihr hinterher, hinauf in die Eingangshalle. Die Holztür schlug ihm beinahe ins Gesicht, doch mit einem kräftigen Stoß trat er sie auf. Er erkannte nicht die geschockten Blicke der anderen, die ihm nachsahen.

Er hörte nicht, wie Milerna nach ihm rief und Aina laut Hitomis Namen schrie. Im Moment fixierte sich sein Verstand nur auf eines...
 

Die unsagbare Furcht trieb sie an und verlieh ihr eine beinahe übermenschliche Schnelligkeit. Sie riss die Tür des Gasthauses auf und rannte schließlich auf die Strasse. Die Luft schlug ihr wie stickiger Rauch ins Gesicht und eine drückende Hitze machte sich überall um sie herum breit. Jemand folgte ihr, das spürte sie.

Die Menschen auf der Strasse sahen sie verwundert an, einige fragten sogar ob sie ihr helfen könnten. Doch als sie in die Gesichter ringsum blickte, sah sie nur verbrannte Mienen, Fratzen die sich ihr entgegenstreckten. Die Gebäude um sie herum begannen, vor ihren Augen zu zerfallen. Flammen schossen überall hervor, und der Weg war getränkt in tiefrotes Blut.

"Bitte...bitte nicht..." flüsterte sie, als sich ihre Schritte verlangsamten.
 

"Wo du auch hingehst, die Finsternis wird dir folgen...."
 

In ihren Lungen brannte es wie Feuer, während sich der Himmel über ihr verdunkelte. Donner ertönte, und dann begann es zu regnen. Doch der Himmel weinte keine einfachen Tränen...er weinte Tränen aus Blut. Es prasselte unbarmherzig auf sie herab, und als sie die schreckliche Wärme spürte, schrie sie erneut.
 

Van hastete die Gassen entlang, in der Hoffnung sie noch rechtzeitig einzuholen bevor etwas geschah. Er kümmerte sich nicht um die Leute, die diesem mehr als seltsamen Schauspiel erstaunt zusahen. Nach einigen Metern bemerkte er, dass sie langsamer wurde. Darauf beschleunigte er sein Tempo, und als er sie endlich eingeholt hatte hechtete er nach vorne. Er packte sie an der Hüfte, und zusammen fielen sie zu Boden.

Der Sturz hatte sie in einen noch tieferen Schock versetzt, und panisch versuchte sie sich aus dem Griff zu befreien. Doch es half alles nichts, sie war gefangen. Der Boden fühlte sich an wie heiße Asche, und Tränen traten ihr in die Augen. Hitomi blickte wirr umher, doch sie konnte nicht erkennen wer sie zu Fall gebracht hatte. Alles was sie sah, war ein mächtiger schwarzer Schatten, der sich über sie beugte und ihre Arme festhielt.
 

Ein Mann, wahrscheinlich ein Kaufmann, ging auf das Paar zu und trat vorsichtig an den Mann heran.

"Braucht Ihr Hilfe?" fragte er, doch Van warf ihm einen gefährlichen Blick zu.

"Verschwindet! Geht weg von ihr!"

"Aber..."

"Tut was ich sage! Macht schon!" rief er, und die Anwesenden traten alle schockiert zurück.

Er wandte sich wieder der vor Angst zitternden Frau zu, die im Dreck vor ihm lag. Van hoffte, sie irgendwie aufwecken zu können. Ihre Kopf bewegte sich hektisch hin und her, als würde sie mit jedem Blick eine neue Scheußlichkeit erkennen. Entschlossen legte er seine Hände an ihre Wangen und sah sie durchdringend an.

"Hitomi, kannst du mich hören?"

Sie reagierte nicht, und als immer mehr Tränen ihre Wangen hinabliefen spürte er, wie die Verzweiflung immer tiefer in ihn kroch. Fester umfasste er ihr Gesicht und zwang sie somit, still zu liegen.

Todesangst starrte ihm entgegen.

"Sieh mich an!"

Ihr Atem ging stoßweise ein und aus, als ihr Widerstand schwächer wurde.

"Hitomi, sie mich an!" schrie er.

"Sie....sie sind überall...Sie sind überall! Feuer....Tod.....alles ist tot...niemand ist mehr da.....niemand...." presste sie hervor.

"Verdammt, sie mich endlich an!"
 

Sie atmete tief ein, als eine Stimme sie zurück in die Wirklichkeit holte. Nochmals sah sie sich panisch um, doch all die schrecklichen Bilder waren verschwunden. Kein Blut klebte mehr an ihr, keine Asche verbrannte ihr mehr den gesamten Körper. Das einzige, was sie sah war sein Gesicht. Er hatte sich über sie gebeugt und atmete schwer, die Augen nur auf sie gerichtet.

"Ich dachte...........ich würde.......sterben....." sagte sie leise und schloss erschöpft ihre schweren Lider.

"Das wirst du nicht. Nicht solange ich noch am Leben bin."

Seine Worte waren nur ein leises Flüstern, er wusste nicht einmal ob sie ihn hören konnte. Doch selbst wenn nicht, sein Versprechen würde auf ewig gelten.

Van hob ihren leichten Körper in seine Arme, während sie ich beruhigte und ihre Atmung flacher wurde. Doch anstatt vor Erschöpfung einzuschlafen, umfasste ihre Hand das Zeichen an seinem Oberarm. Er ließ sie gewähren, und ohne sich umzublicken ging er zurück in Richtung Gasthaus. Hitomi fühlte seinen Herzschlag, und für einen Moment vergaß sie, was sich vor wenigen Minuten überhaupt abgespielt hatte. Ihre Gedanken drifteten umher, ohne Ziel, verworren in einem grauen Nebel aus Zweifel und Wissen. Und doch spürte sie, dass sie sich in diesem Augenblick keine Sorgen machen musste.

Sie war sicher, wenn auch nur für jetzt. Das Mal an seinem Arm gab ihr seltsamerweise Halt, doch sie konnte sich nicht erklären wieso. Der Nebel in ihren Gedanken zog weiter, doch schon bald würde er erneut für die Wirklichkeit weichen müssen...

"Du wurdest geboren, um das zu beschützen was dir am meisten bedeutet....."
 

~*~

You just need to heal

Make good all your lies

Move on and don't look behind....

~*~


 

Milerna ließ den Löffel zurück in die Schale fallen, als sie den Schrei hörte. Hastig blickte sie umher, doch alles was sie sah waren die verwirrten Gesichter der anderen. Aina blickte ängstlich an, sie konnte sich denken was das junge Mädchen in diesem Moment wohl dachte.

"Was....was war das?" fragte sie schließlich, doch niemand gab ihr eine Antwort.

Allen war der erste, der das Schweigen brach indem er bestimmend aufstand und erklärte, sie sollen hier warten.

Milerna fühlte die Wut in sich, als sein teilnahmsloser Blick ihren streifte. Schon seit geraumer Zeit fragte sie sich, was mit ihm los war. Er verhielt sich so abweisend und kalt, dass sie ihn kaum wiedererkannte.

"Ich denke, es wäre besser wenn..." warf Dryden ein, doch Allen beachtete ihn gar nicht und schritt zur Tür. Seine Hand glitt langsam an den Griff seines Schwertes.

"Was hast du vor?" rief Milerna, doch auch sie wurde nicht mit einer Antwort belohnt. Sie wollte gerade erneut ansetzen, als sie bemerkte wie Aina hektisch aufstand und in Richtung Tür hastete. Mit einer einzigen Bewegung schlüpfte sie an Allen vorbei, der ihr etwas perplex hinterher starrte.

"Aina! Warte!"

Milerna folgte ihr und stieß Allen von der Tür weg.

"Bei den Göttern, was...."

Er wurde von Pyras tiefer Stimme unterbrochen, und als er seine Worte sprach blickten ihn alle erschrocken an.

"Sie sind hier. Sie sind hier, und sie kann sie sehen...."

Elayra sprang verwirrt auf und zum ersten Mal erhob auch sie ihre Stimme.

"Was soll das heißen? Was ist hier überhaupt los?"

"Meine Liebste, glaube mir...du willst nicht wissen, was geschieht...."

"Und ob ich das will! Was geht in unserem Haus vor?"

"Wir können sie nicht daran hindern....es muss geschehen."

"Wovon zum Teufel sprichst du!" rief sie, und als Dryden den Kopf senkte und die Augen schloss war sie verwirrter als zuvor. In der Hoffnung, er würde reden wandte sie sich an ihn.

"Dryden...was..."

"Elayra...geh hinauf und richte ein Zimmer her. Ich bitte dich."

"Aber..."

"Tu es einfach." erklärte Pyras, der mit einem Male erschöpft aussah, als hätte er den ganzen Tag gearbeitet. Dryden erkannte seine Anstrengung, und deutete ihm an sitzen zu bleiben.

"Ich werde dir helfen...Komm."

Allen hatte nicht vor, sich dieses Schauspiel noch länger anzusehen. Entschlossen öffnete er die Tür und trat hinaus zu Milerna und Aina...Dryden sah ihm zweifelnd hinterher. Er befürchtete, dass sich alles nun überschlug. Erneut wandte er sich an Elayra und bat sie, ihm die Gästezimmer im oberen Stockwerk zu zeigen.

Mit zweifelnder Miene folgte Elayra dem Freund ihres Mannes, doch sie konnte sich nicht erklären was all das hier zu bedeuten hatte. Als sie die Tür hinter sich schloss und durch die Küche in den oberen Stock schritten, hörte sie Milerna schreien. Sie konnte nicht genau verstehen, was sie sagte, doch sie war sich sicher dass von nun an alles anders werden würde. Die Zeit der Ruhe war vorbei..
 

Pyras hatte den Kopf in die Hände gestützt, sein Atem ging in tiefen Zügen ein und aus. Er wusste, er hätte es schon viel früher spüren müssen, doch seine Sinne waren nach all den Jahren nicht mehr so geschärft wie zu seiner Zeit in Zaibach.

Zaibach. Allein der Gedanke daran ließ ihn erschaudern. Er wusste genau, mit welchen Künsten man ihn dort zu dem gemacht hat, was er nun war.

Niemals hatten sie vor, aus ihnen das zu machen was sie immer vorgaben.

Schwarzmagier, die die Kraft hatten die Elemente zu kontrollieren. Die die Kraft hatten, ihre Gegner zu manipulieren indem sie ihnen ihren Willen aufzwangen. Die die Kraft hatten, Menschen dazu zu bringen sich selbst auf grausamste Art und Weise zu töten...

Pyras würde es niemals laut zugeben, doch ein paar der Dinge, die man sie lernen ließ waren manchmal äußerst hilfreich.

Eine dunkle Energie war plötzlich aufgetaucht, sie schien alles um sie herum zu erdrücken. Er spürte es, wie ein schweres Gewicht das auf seinen Schultern lastete. Doch Pyras wagte nicht sich vorzustellen, was sie gesehen hatte....

Das einzige, was ihn überraschte war das Verschwinden der Schwere. Von einer Sekunde auf die nächste war alles weg, als wäre es niemals da gewesen. Irgendetwas hatte die Dunkelheit vertrieben. Pyras war verwundert, denn er wusste welche Kraft nötig war, um eine solch finstere Energie zu vertreiben.

"Ich frage mich, wie...."

Grübelnd starrte er auf die Kerze, die vor ihm auf dem stand. Elayra hatte sie in eine Glasschale gestellt, um den Kessel mit Tee warm zu halten, der darauf gestellt wurde. Er beobachtete die Flamme, die bis vor wenigen Momenten noch eifrig hin und her tanzte. Nun war sie starr, als wäre sie auf einem Gemälde festgehalten. Er blies einen leichten Lufthauch hinaus, doch immer noch blieb das kleine Licht bewegungslos. Wissend wandte er sich ab und stand auf.

"Selbst das Feuer wurde vertrieben....Die Dunkelheit hat schon längst begonnen, Besitz von ihr zu ergreifen...."
 

~*~

Tears are falling from heaven

but no one sees..

Silence is death

Each time a world falls...

~*~


 


 


 


 

"Das ist wunderbar. Einfach nur wunderbar."

Zufrieden blickte Dilandau auf die knienden Riesen, die sich vor ihm in den Himmel reckten. Er spürte den Drang in sich, das Ausmaß ihrer Zerstörung zu erkunden. Doch er hatte seinen Befehl, und der lautete bis zum Einbruch der Dunkelheit zu warten. Mit einem letzten Blick auf die mächtigen Guymilefs wandte er sich ab und schritt zurück in sein Zelt.

"Diese ewige Warterei...wie ich sie hasse...da wird man ja wahnsinnig." murmelte er, während er sich ein weiteres Glas Reiswein einschenkte. In einem Zug schluckte er die bittere Flüssigkeit herunter, und obwohl es in seiner Kehle brannte leckte er sich genüsslich über die Lippen. Die Nachricht über die Truppenverstärkung hatte ihn zuerst wütend gemacht, Dilandau fühlte sich beinahe beleidigt da er es nicht für nötig empfand, noch mehr Männer zu postieren. Doch er nahm den Befehl der Generäle ohne Beschwerden an, da er sicher war dass dies etwas zu bedeuten hatte. Endlich wurden sie losgeschickt, um Basram zu besetzen.

"Dieses verdammte Pazifistenpack. Nur weil sie glauben, durch den Sturz ihres Kaisers und ihrer sogenannten Demokratie wären sie vor Krieg sicher, haben sie sich aber gewaltig geirrt..."
 

Das leise Geräusch eines Vorhangs, der beiseite geschoben wurde ertönte und er wandte seinen Blick in die Richtung der Störung. Ein einfacher Soldat trat ein, verbeugte sich demütig und stand anschließend in militärischer Starre vor ihm. Dilandau bemerkte plötzlich, dass dieser Mann keinerlei Furcht vor ihm verspürte wie es sonst die meisten der Männer taten. Als der gefürchtetste Befehlshaber der Black Dragon Einheiten kostete er diesen Ruf voll aus, und die Ungerührtheit des Soldaten verärgerte ihn bis über alle Maßen.

"Kommandant Dilandau, General Folken wünscht einen Lagebericht über den letzten Vorfall."

Der einfache Satz überraschte ihn so sehr, dass sich seine Augen zu engen Schlitzen verengten. Dilandau fragte sich woher Folken nur immer wusste, was er gerade tat. Wüsste er es nicht besser würde er glauben, er habe seine Spione auf ihn angesetzt...

"Folken....dieser elende..." dachte er und ballte die Hand zur Faust, ehe er den ruhig wartenden Soldaten wieder beachtet.

"Wer hat dich geschickt?"

"Ich erhielt einen schriftlichen Befehl direkt von General Folken." erklärte er und hielt ihm ein zusammengerolltes Pergament hin, dass Dilandau ihm auch sofort aus der Hand riss. Hastig überflog er die sauber geschriebenen Zeilen, die Wut wuchs mit jedem Wort. In kurzen, deutlichen Sätzen wurde ihm befohlen zu erklären, wieso er bei Nacht unerlaubt das Lager verlassen hatte und einen Gefangenen zurückbrachte.

"Wieso schickt mir dieser Ignorant noch einen nutzlosen Soldaten, mit dem ich sowieso nichts anfangen kann?! Was soll das überhaupt?" presste er hervor.

"Kommandant, verzeiht, aber Ihr solltet nicht so respektlos über General Folken sprechen, wenn sein Rang den Euren übersteigt."

Dilandaus Augen fixierten den Soldaten mit solch unglaublicher Wut, dass man glauben konnte er würde ihn auf der Stelle sein Schwert durch die Brust stoßen. Die Unerschrockenheit, die ihm entgegengebracht wurde erinnerte ihn plötzlich an seinen ärgsten Feind. Doch statt erneut in Gedanken der Wut zu versinken richtete er seine Aufmerksamkeit in eine ganz andere Richtung.

"Wie ist dein Name?"

"Kahdil, Kommandant."

"Seit wann kämpfst du in dieser Armee?"

"Diesen Winter sind es neun Jahre."

Selbst Dilandau konnte die plötzliche Verwunderung aus seinem Blick nicht verbannen. Er musterte den Soldaten vor ihm, der sicher nicht älter war als 25 Winter. Wer schon in solch jungen Jahren zum Töten ausgebildet wurde trug den Kampf tief in sich...
 

"Hör zu, Soldat. Ich habe weder die Absicht noch das Bedürfnis, irgendwem mitzuteilen was ich in meinem Lager anstelle. Hier habe ich das Kommando, und das wird auch so bleiben."

"Ich habe meinen Befehl, und den werde ich auch ausführen, Kommandant. General Folken wartet auf meinen Bericht. Wenn Ihr euch der Anweisung widersetzt, verlangt General Folken, dass ihr bei ihm persönlich Eure Gründe vorbringt."

"Ach, ich soll auch noch selbst bei ihm vorbeischauen? Wieso kommt er dann nicht selbst her und schickt dich? Ich fühle mich persönlich beleidigt." teilte Dilandau ihm mit einer deftigen Spur Sarkasmus mit, doch Kahdil ließ sich nicht beeindrucken. Er beharrte auf seinem Standpunkt und dachte nicht daran, sich geschlagen zu geben.

Eine ganze Weile standen sich die beiden Männer stumm gegenüber, ehe Dilandau erneut sprach.

"Nun gut...Damit Folken keinen Nervenzusammenbruch erleidet, soll er eben wissen was passiert ist. Richte ihm aus, ich habe mich auf die Suche nach den entflohenen Gefangenen gemacht und sie in den Wäldern gestellt. Dabei ist mir dieser Bengel in die Hände gefallen, und weil mir danach war hab ich ihn mitgenommen anstatt ihn auf der Stelle zu töten. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen."

Das ihm Schezar, die Prinzessin und der Herzog dabei entwischt sind ließ er dabei aus.

"Kommandant, bei allem gebührenden Respekt...ich glaube nicht, dass General Folken dieser lückenhafte Bericht genügt."

"Was du glaubst, interessiert mich nicht im geringsten! Sieh zu, dass du zurück in die Festung kommst und bleib dort." antwortete Dilandau herablassend.

"Verzeiht, dass ich Euch erneut widersprechen muss....aber auf Befehl General Folkens wurde ich eurem Drachenschwadron zugeteilt."
 

Hätte er das Glas Reiswein noch in der Hand gehabt, hätte er es wütend auf den Boden geschleudert. Dilandau konnte nicht glauben, mit welchen Mitteln Folken versuchte ihn in die Enge zu drängen. Es reichte ihm anscheinend nicht, ihn ständig zu kontrollieren. Jetzt schickte er ihm auch noch die größte Plage, die die Worte Loyalität und Kodex förmlich auf der Stirn eingeritzt trug.

"Das ist absolut....schwachsinnig! Wir brechen bereits nach Basram auf, was soll ich denn bitte mit dir?"

"Ich bin Soldat, Kommandant. Ich kämpfe."

Kahdil schien Dilandau zu behandeln als sei er ein dummes Kind, dem man erklären musste wieso der Himmel blau ist. Seine unangreifbare Pose machte den Mann in der roten Rüstung wütend, doch er wusste auch dass es nichts brachte sich mit ihm anzulegen. Folken würde seinen Willen wohl doch bekommen.

"Wie du meinst, Soldat. Hast du wenigstens einen einsatzfähigen Guymilef?"

"Ja."

"Wann wir aufbrechen, sollte dir ja bekannt sein. Ich wette, Folken hat dich in seiner unglaublichen Güte bereits bestens informiert."

"Ja."

"Dann kannst du ihm gleich noch ausrichten lassen, dass ich im Moment keine Zeit habe mich um...solch kleinliche Probleme zu kümmern. Ich habe eine Stadt einzunehmen."

Somit machte er kehrt und goss sich erneut ein Glas Reiswein ein. Kahdil sah ihm ungerührt zu, doch in seinem Inneren hatte er längst erkannt was für ein Mann da vor ihm stand. Doch er würde ihn sicher nicht davon abhalten können, seine Arbeit zu tun.

"Wenn du mit deinem lächerlichen Dienstbotengang fertig bist, geh zu Miguel und lass dir sagen was zu tun ist. Und zwar sofort."

"Sehr wohl, Kommandant Dilandau."

Kahdil verließ nach einer angemessenen Verbeugung das Zelt und ließ einen höchst unzufriedenen Dilandau zurück. Er spürte, dieser einfach Soldat würde ihm sein Leben nicht unbedingt leichter machen. Er beschloss, ihn an der vordersten Front zu platzieren, vielleicht würde das ja sein Problem lösen. Es gab beinahe nichts, was er mehr verachtete als die Bücklinge der obersten Generäle, die ohne eigenen Willen deren Befehle befolgten. Dilandau wartete nur darauf, diesen Kahdil in Einsatz zu sehen.

Basram war zwar nun eine Republik, aber die ehemalige kaiserliche Armee war bekannt für ihre Standhaftigkeit. Von den zahlreichen Rebellen, die sich in Dayron aufhielten ganz zu schweigen.

"Nicht, dass ich mit Widerstand rechne...Ich will sehen, ob er auch so gut kämpft wie er sinnlose Befehle befolgt." dachte er amüsiert, während der brennende Geschmack des Reisweins langsam nachließ...
 


 


 


 

Dumpfe Schritte zeugten von der plötzlichen Kraftlosigkeit, die wie ein Regenschauer über seinen Körper gekommen war. Das Geräusch einer Tür, die zugeschlagen wurde wirkte in seinen Ohren mit einem Male unglaublich laut. Sie waren gerettet von den fragenden Blicken der Menschen, doch es sollte hier noch kein Ende nehmen.

Die geschockten, ungläubigen Gesichter sahen ihm unbarmherzig entgegen, doch er konnte ihnen nicht das geben wonach sie im Moment wohl am meisten verlangten. Selbst wenn er es gekonnt hätte, seine Gedanken waren viel zu fixiert auf eine einzelne Sache hinter der andere keinen Platz mehr hatten. Das Gewicht in seinen Armen war beängstigend gering, es erschien ihm beinahe zerbrechlicher als Glas.

Stille überkam sie, und obwohl viele noch vor wenigen Sekunden am liebsten laut aufgeschrieen hätten legte sich nun ein Schleier des Schweigens über sie. Niemand wagte, auch nur einen Ton von sich zu geben, in der Angst die Antwort nicht erfassen zu können.

Stumm schritt er an ihnen vorbei, bis er endlich an der Treppe ankam. Doch noch ehe er die erste Stufe nehmen konnte hörte er hinter sich eine leise, verzweifelte Stimme.

"Was....was ist passiert?"
 

Van hielt inne. Er neigte den Kopf, und als sein Blick den ihren streifte wusste Aina, dass er ihr auf diese Frage keine Antwort geben konnte.

Keine Antwort, die alles erklären und somit einfacher machen würde. Sie sah die kraftlose Gestalt einer Frau, deren schlaffe Glieder einfach so herabhingen als wäre sie eine vergessene Puppe. Die zierliche Hand umklammerte den starken Arm, darunter ragte die Farbe blau hervor.

Aina senkte den Kopf, als die Stufen begannen unter seinen Schritten zu knarren.

Sie hatte verstanden. Ihre Fragen würden warten müssen, doch sie hatte das seltsam beständige Gefühl, dass ihr im Moment nichts schlimmes passieren konnte. Irgendetwas hatte begonnen, Hitomi zu verändern. Aina erinnerte sich an die Momente, in denen sie nicht einmal im Hier und Jetzt zu sein schien. Als gäbe es etwas weit entfernt, das nach ihr rief. Und sie folgte diesem Ruf, ob sie es erkannte oder nicht...

Eine schnelle Bewegung, die von der Tür zur Küche kam, ließ sie aufschrecken. Sie erkannte das Katzenmädchen, das mit offenem Mund und anklagenden Augen auf den König und die Frau blickte. Zuerst schien sie verwirrt, dann wütend.

Lautlose Katzenpfoten traten rasch in Richtung Treppe, doch Aina hob stumm den Arm. Diese einfach Geste genügte, um Merle von ihrem Vorhaben abzuhalten. Sie starrte das ältere Mädchen fassungslos an, als habe sie ihr ins Gesicht geschlagen.

"Was soll das? Was glaubst du eigentlich, wer du bist?" fuhr Merle sie an, doch Ainas bedrückendes Schweigen hatte selbst auf das sonst so aufmüpfige Katzenmädchen Wirkung. Sie blickte an ihr vorbei und sah in die undeutbaren Gesichter von Milerna und Allen.

Niemals hätte sie es zugegeben, doch sie machten ihr Angst.
 

Die wenigen Stufen kamen ihm wie die undurchdringlichen Pfade eines mächtigen Berges vor. Als er die letzte hinter sich ließ und in das schwummrige Licht der oberen Etage trat, überkam ihn für einen Augenblick so etwas wie Erleichterung. Der lange Gang war auf der linken Seite versehen mit Türen, die alle zu den einzelnen Gästeräumen führten. Im Moment jedoch war keines der Zimmer von Fremden bewohnt. Lediglich die Abaharaki waren hier, niemand sonst. Doch die Etage schien menschenleer....

Van war froh, niemandem eine Erklärung machen zu müssen. Alles, wonach er sich nun sehnte war Stille.

Plötzlich ertönten leise Geräusche, und kurz danach öffnete sich eine der zahlreichen Türen. Zwei Schatten traten in den Gang, und nach wenigen Sekunden konnte Van die bekannten Umrisse von Dryden und Elayra ausmachen. Ohne Worte winkte ihn Dryden zu sich. Am liebsten wäre er an den beiden vorbeigerannt, weg von ihren fragenden aber vor allem wissenden Blicken. Doch er dachte an das, was in den Armen trug, und jeder einzelne seiner Schritte schien qualvoll vorsichtig.

Endlich kam er bei ihnen an, fast am Ende der Etage. Van vermied es so gut es ging, sie anzusehen. Doch Drydens Augen wandten sich ruhig ab, auch Elayra starrte bedrückt zu Boden. Keiner sprach ein Wort, als er in das Zimmer eintrat und sich kurz umsah.

Dryden griff nach dem Türknauf, doch ehe er sie vollends schloss wandte er sich leise an den Mann vor ihm.

"Einst sagtest du, sie wäre nur ein Ding. Doch es scheint, als gäbe man dir die Möglichkeit deine Worte wieder gut zu machen. Verschwende sie also nicht.....nicht nur um ihretwillen."
 

Worte waren manchmal schmerzvoller als die Klinge eines Schwertes, die sich tief ins eigene Fleisch bohrte. Es gab dann nur zwei Möglichkeiten. Entweder man starb, oder man trug eine weitere Narbe davon, die einen immer an diesen Schmerz erinnern würde....
 

~*~

My heart is like a river

My heart is like these hills

They never change...

I never change and I never will....

~*~


 

Ihre halb geöffneten Augen nahmen die Umgebung wie hinter einer dichten Nebelwand wahr. Von irgendwoher drang seichtes Licht, doch sie konnte nicht erkennen durch ein Fenster oder eine Lampe. Die Welt schien auf einmal so unwirklich wenn man gerade aus einem Traum erwachte, der so real war dass man die glühend heiße Asche auf seinem Körper spüren konnte.

Die Stimme eines Mannes ertönte, dann das Knarren einer Tür die leise geschlossen wurde.

Doch es war genau dieses unscheinbare Geräusch, dass sie aus ihrer Trance herausriss. Die beruhigende Wärme, die sie bis eben noch umhüllt hatte, schien sich in Feuer zu verwandeln. Hastig sah sie sich um, ehe sie blind gegen den anderen Körper ankämpfte. Sie gab ihm keine Zeit, auf ihre plötzlichen Bewegungen zu reagieren. Sie stieß nach vorne und prallte auf dem harten Holzboden auf. Schmerz durchfuhr sie, doch sie wagte es nicht aufzuschreien.
 

"......Du stinkst nach Tod, genau wie wir!"
 

Das Echo der grausamen Worte erklang erneut in ihrem Kopf, während sich die Panik in ihr breit machte. Wo war sie hier überhaupt? Wie war sie hierher gekommen?

Hitomi wollte aufspringen, doch ihre Beine versagten. Sie fühlte sich so hilflos, so schwach dass sie am liebsten einfach die Augen geschlossen hätte. Doch jemand packte sie an den Armen und riss sie nach oben. Erneut wollte sie sich wehren, aber das Licht ließ sie innehalten. Nur wenige der wärmenden Strahlen drangen durch das kleine, runde Fenster neben dem Bett. Jedoch genügten sie, um ihren trüben Blick etwas zu klären. Der Nebel nahm langsam Formen an und verwandelte sich in einen Schatten. Hitomi erschrak, als sie eine flüsternde Stimme eines Mannes vernahm. Erstarrt verharrte sie, ihre Augen weit offen in die Dunkelheit gerichtet. Sein Atem berührte sacht ihren Nacken, während ihr Herz wie besessen zwischen Angst und Erleichterung um die Wette schlug.

"Ich will, dass du aus diesem Traum zurückkehrst. Nicht vorher werde ich dich loslassen. Und wenn es die ganze Nacht dauert. Hast du mich verstanden?"

Sein Ton war herrisch, doch es war ein verzweifelter Versuch das Zittern in seiner Stimme zu verbergen.

"Das...das ist kein Traum....Ich träume nicht....das ist...kein Traum..."

"Oh doch, ist es. Sie wollen dir Angst machen. Sie sind nicht real. Sie existieren nicht!"

"Du lügst.....du lügst...sie werden niemals verschwinden...niemals....."

"Dann befehl ihnen, dass sie gehen! Zwing sie!"

Er konnte nicht glauben, dass er gegen Trugbilder ankämpfte von deren Existenz er nicht einmal etwas erahnen konnte.

"Ich kann nicht......."

Wütend packte er sie an den Schultern und drehte sie zu sich um. Van wusste nicht, was er tun sollte. Sein Schwert war nutzlos, er hatte keinen sichtbaren Gegner den er besiegen konnte. Es gab nichts, was er tun konnte. Diese Ohnmacht verdeutlichte ihm seine Schwäche, und der Gedanke daran machte ihn wahnsinnig.

Sie wankte, und ehe er sich versah sanken beide zu Boden. Ihre Hände stützten ihren Körper, doch Van konnte erkennen wie sehr sie zitterte.

"Ich habe Angst. So furchtbare Angst....." presste sie hervor. Wenige Tränen fielen auf das Holz und färbten es für kurze Zeit dunkler als es in Wahrheit war..

"Ich weiß...."
 

~*~

You called and I came running

You cried and now I'm here...

~*~


 

Hätte er sich selbst sehen können, er hätte sich sicher als Narr bezeichnet. Kein Krieger Gaias hätte ihn als ebenwürdigen Gegner angesehen. Auf Knien kauernd saß er stumm vor einer Frau, wusste nicht wohin mit seinen Worten, wohin mit seinen Gedanken. Die Hände ruhten immer noch auf ihren Schultern, doch er bewegte sich keinen Zentimeter.
 

"Versprich mir, dass du nicht aufgibst...Dass du kämpfen wirst...Nicht mit den Händen oder dem Schwert, sondern mit dem was in dir ist...."
 

Ethiéls Worte kamen ihm auf einmal in den Sinn, und er fragte sich verwundert ob sie wusste, dass dies hier passieren würde. Van wusste, sie hatte die Gruppe bei ihrer Ankunft in Basram verlassen, und im Stillen hatte er sich von ihr verabschiedet. Ihre einfachen Worte sprachen eine unausweichliche Wahrheit, doch wie sollte er etwas tun wenn er nicht einmal ahnte wie? Je länger er überlegte desto verworrener wurde der sonst so klare Pfad vor ihm. Es gab immer nur ein Ziel, doch Van fragte sich weshalb er immer mehr vom Weg dorthin abkam...

Schweigen hüllte sie ein, die Geräusche der Welt drangen von außen gedämpft zu ihnen. Alles um sie herum bewegte sich, nur sie selbst schienen stillzustehen.

Van raffte sich schließlich auf und zog sie mit sich erneut auf die Beine. Er versuchte, einen kurzen Blick auf ihr Gesicht zu werfen, doch sie hielt den Kopf gesenkt und starrte zu Boden.

"Du solltest schlafen."

Hitomi wollte protestieren, doch ihr fehlte die Kraft dazu. Sie war erschöpft, jeder einzelne Knochen schmerzte und ihr Körper verlangte nach Ruhe. Das Kleid, das sie trug, war schmutzig und verrissen. Plötzlich erinnerte sie sich an das Versprechen des kleinen Mädchens, es zu nähen...

Mit wackeligen Schritten ging sie zum Bett und stützte sich auf der weichen Matratze ab. Die weißen Laken sahen ihr einladend entgegen, aber sie machte keinerlei Anstalten sich hineinfallen zu lassen. Stattdessen blickte sie ausdruckslos auf das Kissen, ehe sie leise Worte sprach.

"Ich habe nichts, worin ich schlafen kann. Das Bett wird schmutzig werden."

Das alles klang in Vans Ohren so banal, so unbedeutend dass er nicht verstehen konnte wieso sie sich darüber überhaupt Gedanken machte. Doch er erkannte, dass nicht die Vernunft aus ihr sprach, sondern die Hilflosigkeit in der sie sich gefangen fühlte.

Er ging zum Schrank schräg gegenüber des Bettes, in der Hoffnung dort irgendein sauberes Kleidungsstück zu finden. Doch er sollte kein Glück haben, der Schrank war leer. Ebenso die Schubladen im Inneren. Geschlagen drehte er sich wieder um. Für einen Moment glaubte er, sein Herz hätte einen Schlag ausgesetzt.

Wie hypnotisiert stand er da als sie die vorderen Knöpfe ihres Kleides öffnete. Erinnerungen an einzelne Momente, einzelne Bewegungen kamen ihm wieder in den Sinn doch Van versuchte, ihnen nicht erneut zu verfallen.

Sie griff nach hinten, um das Band um ihre Hüfte zu lösen das ihr als Gürtel diente. Alles geschah wie in Trance, als habe sie vergessen wo sie eigentlich war. Schlaf war nur eine kurze Erlösung, die sie manchmal sogar noch tiefer in die Dunkelheit führte. Es war egal ob sie schlief oder wachte, sich selbst konnte sie niemals entkommen...

Einige Male zog sie an dem Band, ehe sie bemerkte dass es sich verknotet hatte. Sie ließ die Arme sinken während sich ihre Augen erschöpft schlossen.

Im Licht der wenigen Sonnenstrahlen, die ihren Weg in das kleine Zimmer fanden, tanzten winzige Staubflocken umher.
 


 

"Schwester, gibt es die Götter da oben wirklich?"

Der Dachboden war erfüllt vom roten Schimmer des Abends. Das Haus blieb still, nur sie beide waren zu dieser Stunde hier. Neugierig starrte der Junge aus dem Fenster, den Blick zum Horizont gerichtet. Vor ihm bauten sich die mächtigen Chatalberge auf, als wollten sie die Wolken berühren. Das junge Mädchen saß mit gekreuzten Beinen auf dem Boden, ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen.

"Ich weiß nicht, Faron.."

"Wenn es sie geben würde, und du einen von ihnen treffen würdest...was würdest du ihn fragen?"

"Wieso denkst du über so etwas nach?" fragte sie verwundert.

"Jeder sagt, Götter sind allwissend. Dann kann ich sie alles fragen, was ich wissen will."

"Und was möchtest du wissen?"

"Das verrate ich erst, wenn du mir sagst was du sie fragen würdest." erklärte er grinsend.

"Ich weiß nicht...Ich glaube nicht, dass die Götter überhaupt zu Sterblichen sprechen. Sie sind sicher viel zu beschäftigt."

"Warum beten dann Menschen?"

"Nur weil wir keine Antwort bekommen heißt das nicht, dass niemand zuhört....Vielleicht bedeutet es auch nur, dass man sich Zeit nehmen sollte um sich selbst zuzuhören...um auf das zu hören, was unser Herz uns sagt."

Faron hüpfte vom Fenstersims hinab und setzte sich mit großen Augen neben sie.

"Schwester?"

"Ja?"

"Du wärst eine wunderbare Göttin..."


 


 


 


 

Eine unglaubliche Wut machte sich in ihr breit, wusste sie doch dass sie niemals verstehen würde was mit ihnen geschieht. Sie schwamm hin und her, kein Ziel vor Augen und dennoch verlangte man, dass sie Verständnis hatte. Verständnis für ihn, für sie....Dafür dass sie ihr Leben seit Jahren für etwas hergab, an das sie schon längst nicht mehr glauben konnte.

Immer noch hörte sie die Stimmen, die sich gedrückt und leise miteinander unterhielten. Merle beschloss, vor ihnen zu fliehen. Sie wusste, für die anderen war sie nur ein Kind, ein naives Mädchen das keine Ahnung hatte was in der Welt geschah. Wütend stampfte sie ihre Krallen in die Rinde des Baumes, den sie vorhatte zu erklimmen.

Das Gasthaus besaß einen kleinen Garten, nicht besonders groß doch für Merle war es ein Ort, der ihr für einen Rückzug geeignet erschien. Hochgewachsenes Gras ragte zwischen den Steinen hervor, unbeachtet wuchs es vor sich hin. Doch nur einige Meter daneben lag ein kleiner Kräutergarten, dessen verschiedene Düfte die Luft erfüllten. Rosmarin, Thymian, Basillikum und andere kleine Pflanzen wuchsen aus dem gepflegten Boden. Ein plötzliches Gefühl von Frieden überkam sie, und für einen kurzen Moment schien alles still zu stehen.

Eine verschwommene Erinnerung an damals ereilte sie, als sie noch nichts von Verzweiflung und Trauer wusste.

Auf grausamste Art hatte man sie aus ihrem behüteten Leben gerissen. Flamme und Schwert zerstörten alles, was Merle einst Heimat nannte. Und trotz allem verspürte sie Dankbarkeit. Dass sie noch am Leben war, war keine Selbstverständlichkeit. Der schreckliche Verlust hatte sich tief in Herz gebrannt, doch niemals vergaß sie die Opfer, die gebracht wurden um die Leben so vieler anderen zu retten...

So wie es Varie für sie getan hatte.
 

Merle hatte es satt, in die ständig bedrückten und betrübten Gesichter zu blicken die ihr begegneten.

"Sie haben alle keine Ahnung...Sie können sich nicht einmal vorstellen, was wir durchmachen mussten..."

Die Äste knackten nur leicht unter ihrem Gewicht, und mit wenig Anstrengung erreichte sie ihr Ziel. Knapp unter der Baumkrone ließ sie sich auf einem stabilen Ast nieder und blickte um sich. Von hier oben sahen die gewundenen Straßen und die Häuser aus wie auf einem alten Gemälde. Die Menschen erschienen ihr wie winzige Punkte, die hin und her sprangen. Merle seufzte, und ihre Wut verflog während sie in ihre Tasche griff. Das Schmuckstück fühlte sich kalt an. Kurz betrachtete sie den schimmernden Stein, doch schnell steckte sie die Kette wieder weg. Schuld kroch plötzlich in sie, denn sie wusste dass sie es nicht hätte tun sollen. Warum sie die Kette gestohlen hatte, wusste sie nicht einmal mehr genau. Alles an was sie in diesem Augenblick denken konnte war das Bild, das sich ihr bot.
 

"Du solltest etwas essen, Majestät..."
 

"Van, bitte...."
 

Merle gab allein ihr die Schuld für das, was passiert war. Niemand schien zu erkennen, welche Gefahr diese Frau brachte. War sie denn die einzige, die es sah?

Das leise Knarren der schon etwas morschen Gartentür ließ sie blitzartig aufhorchen. Die leichten Schritte einer Frau drangen an ihr Ohr, während sie sich gespannt hinabbeugte um zu sehen wer den Garten betreten hatte.

"Merle? Bist du hier?"
 

Etwas hilflos blickte sich Aina um, doch nirgends war etwas von dem jungen Katzenmädchen zu sehen. Ob ihre Worte Gehör finden würden wusste sie nicht, doch sie beschloss dennoch es zu versuchen.

"Wenn du hier bist, dann....Ich wollte nur...ich wollte dich nur fragen, ob alles in Ordnung ist. Du bist so plötzlich hinausgestürmt.."

"Vielleicht hättest du mich dann noch etwas stärker festhalten sollen!"

Eine wütende Stimme erklang von hoch oben, und für den Bruchteil einer Sekunde glaubte Aina, die Wipfeln sprechen zu hören. Doch sie erkannte Merles Stimme und sah suchend in das Geäst der alten Eiche.

"Merle...ich.."

"Nein danke, ich verzichte auf Erklärungen. Und entschuldigen brauchst du dich auch nicht!"

"Du verstehst nicht.."

"Oh doch, ich verstehe sehr wohl."

Mit einem einzigen Satz sprang sie hinab auf die Rinde des Baumes, ehe sie nach nur wenigen Sprüngen auf dem Boden direkt vor Aina aufkam. Ihr Schwanz peitschte wild umher, und auf allen Vieren beäugte sie das Mädchen mit wütenden Augen.

"Hast du sonst noch etwas zu sagen?"

Aina schüttelte den Kopf, ihre Erschöpfung wurde mit jedem Augenblick sichtbarer. Selbst sie stand am Rande ihrer eigenen Kraft, wusste sie doch genauso wenig was die Zukunft brachte. Jeder Tag begann und endete in Unsicherheit.

"Du bist ungerecht."
 

Ein leichter Wind kam auf und ließ die grünen Blätter leicht umhertänzeln. Merle starrte ihr stumm hinterher, als sie den Weg zurück in Richtung Haus antrat. Die plötzlich ausgesprochene Anschuldigung traf sie tiefer, als sie zugeben wollte.

"Niemand hat mir vorzuwerfen, ich sei ungerecht!" rief Merle ihr hinterher. Aina blieb stehen. Hinter ihrem lauten Ausbruch erkannte sie die Unsicherheit, die im Verborgenen schlummerte und langsam zum Vorschein kam.

"Glaube mir, ich mache dir diesen Vorwurf weil ich es genau erkennen kann. Du verurteilst Menschen, ohne sie überhaupt zu kennen. Wenn das fair ist, dann ist Gerechtigkeit nichts weiter als eine Erfindung, die den Menschen das Leben einfacher machen soll."

"Ich bin kein Mensch." erwiderte Merle mit gepresster Stimme.

"Gerade dann solltest du wissen, wie es ist gegen all die Vorurteile anzukämpfen, nur weil man nicht so ist wie die anderen."

"Trotzdem hat sie nicht das Recht, ihn mir einfach so wegzunehmen!"
 

Die Erkenntnis lag plötzlich vor ihr wie ein prachtvolles Gemälde, in dem sich so viele verschiedene Farben an einem einzigen Punkt treffen um dann dort mit einem einzigen Blick die Wahrheit, den Kern des ganzen, aufzudecken.
 


 

~*~

So hold this faith...

accept our faith

These are little fears...

~*~


 


 


 

Stumm war sie die Gänge entlanggegangen, nachdem sich Dryden ohne etwas zu sagen von ihr abgewandt hatte. Ihr Leben war von einem Tag auf den anderen vollkommen verändert. Nun war sie inmitten eines Kampfes, der noch nicht einmal begonnen hatte. Ganz am Ende der obersten Etage befand sich eine kleine Treppe, die in privaten Gemächer ihrer Familie führte. Schon Dutzende Male hatte sie durch das kleine Fenster, das neben der Treppe prangte, auf ihren kleinen Kräutergarten geblickt. Doch in diesem Augenblick war ihr, als sähe sie alles wie durch einen grauen Nebel...Die Farben verblassten, als würde man ihnen das Leben aussaugen.

Es war bedrückend still, das gesamte Haus schien einen unsichtbaren Schleier um sich zu tragen, der versuchte die Stille zu wahren. Das Knarren der Treppenstufen schien plötzlich so laut wie das Geräusch von tausend Soldaten, die im Gleichschritt den Boden des Waldes zertrampelten. Mit einem leisen Seufzer öffnete sie die Tür und trat direkt in ihr Schlafgemach.

Die beiden großen Fenster, die sich je nah am Kopfende des Bettes befanden, waren etwa bis zur Hälfte geöffnet, und ein angenehmer Windhauch spielte mit dein einfachen, goldgelben Vorhängen.

Überrascht stellte sie fest, dass sie nicht alleine war. Sein Rücken war ihr zugewandt und angestrengt beugte er sich über ein Buch, das ausgebreitet vor ihm auf dem Tisch lag. Er schien tief in seinen Gedanken versunken zu sein, denn er bemerkte nicht wie sie mit bedächtigen Schritten auf ihn zukam..

Elayra hoffte, bei ihm den Halt zu finden den sie im Moment so dringend brauchte. Doch als sie auf die aufgeschlagenen Seiten blickte, die sich nun vor ihr auftaten, wandte sie den Blick ab und schloss kurz die Augen.
 

Ihr leises Atmen holte ihn aus seinem abwesenden Zustand zurück. Langsam streckte er die Hand aus und legte eine einfach Landkarte über die offenen Seiten, als hätte er nun kein Interesse mehr an ihnen. Hast war etwas verräterisches, und er hatte nicht vor noch mehr Sorgen in seiner Frau heraufzubeschwören. Seine Hoffnung wurde jäh zerschlagen, als er ihre flehende Stimme vernahm.
 

"Ich bitte dich, Pyras. Tu es nicht."

Elayra versuchte, der Verzweiflung nahe, auf ihren Mann einzureden. Doch dieser schenkte ihr als Antwort nur einen einzigen, vielsagenden Blick der keine Widerworte duldete.

"Wenn sie den schrecklichen Klang der Zerstörung hört und ihn annimmt, gibt es nichts mehr...Sie darf ihm nicht folgen, niemals. Ihre Seele muss sterben. Ein für alle mal."

"Das kannst du nicht tun..... Wer weiß, was dort geschieht....."

Er erkannte ihre Angst, und ein leichtes Lächeln umspielte plötzlich seine Lippen.

"Du glaubst wirklich, ich würde sie ihnen ausliefern? Damit sie sie gefangen nehmen und in den tiefsten Katakomben des Tempels langsam sterben lassen?"

Pyras machte eine kurze Pause, während sie ihn ungläubig ansah und den Kopf schüttelte.

"Selbst wenn ich es täte, würde es nicht viel nützen. Die Seele der Cerridwen lebt ewig. Sie verschwindet erst, wenn ihre Aufgabe erfüllt wurde. Und glaube mir, Elayra....diese Frau ist die einzig Wahre, die Eine. Niemand würde es ohne Furcht wagen, sie anzurühren. Sie ist so alt wie Gaia selbst, sogar noch Jahrhunderte älter, und sie weiß es nicht einmal. Endlich hat sie ihre andere Hälfte gefunden, die die Götter so lange vor ihr versteckt hatten. Zwei Teile wurden wieder zu einem zusammengefügt."

"Aber...es gab doch einst schon mehrere von ihnen. Sie alle sind gestorben, sie alle waren nicht die Eine....was macht dich so sicher, dass sie es nun ist? Wieso jetzt? Wieso.....?"

"Wenn ich es wüsste, gäbe es keine Geheimnisse mehr auf dieser Welt. Niemand kann erklären, warum es genau jetzt geschieht, warum es überhaupt geschieht. Unsere Welt wird von Dingen zusammengehalten, die nicht dafür geschaffen sind sich dem menschlichen Verstand zu offenbaren. Das habe ich damals in Zaibach gelernt....."

Pyras schwieg, als müsste er sich an etwas erinnern dass zu schwer zu ertragen war als das man es in Worte fassen konnte. Erst als er die Hand, die sich sachte auf seine Schulter legte, spürte sprach er weiter.

"Hast du dich niemals gefragt, warum der Sommer, egal wie warm und hell er auch sein mag, immer wieder der Dunkelheit des Winters weicht? Warum auch das schönste Licht des Tages irgendwann vorübergeht? "

"Sprich nicht in Rätseln zu mir, Pyras..."

"Es sind aber genau diese Rätsel, auf die ich eine Antwort suche. Und ich hoffe, sie im Tempel zu finden. So vieles kann davon abhängen, und wenn es nur ein einziger Gedanke ist....Der Feind hat seine Augen überall, und ich spüre wie er näher kommt."

Er hielt inne und atmete tief ein, als bereue er seine Worte.

"Verzeih mir. Ich rede wohl zuviel Unsinn......"

"Es kann kein Unsinn sein, denn dieser würde mir nicht soviel Furcht einflößen."

"Ich bin ein schlechter Mann. Ich war es, der die Quelle deiner Angst in unser Haus eintreten ließ."

Überrascht blickte Elayra auf, ehe sie rasch den Kopf schüttelte.

"Nein. Du willst helfen. Und das ist Grund genug. Vielleicht ist es seltsam, aber.....ich kann nicht glauben, dass sie das ist, wofür sie alle halten. Sie erscheint mir so...hilflos und verloren.."

"Ja, doch....vergiss nicht, sie hat jemanden der auf sie acht gibt, wenn es auch im Verborgenen geschieht."

Elayra lächelte zum ersten Mal, seit sie den Raum betreten hatte. Doch sie konnte ihrem Mann keine Antwort geben, den plötzlich ertönte ein hektisches Klopfen an der Tür und eine aufgeregte Stimme sprach durch das Holz zu ihnen.

"Mutter, Vater! Schnell, ihr müsst sofort hinunterkommen!"

Pyras und Elayra sahen sich erstaunt an, als sie die Worte ihrer Tochter hörten.

"Worauf wartet ihr, kommt!"

Das Poltern schneller Schritte war zu hören, die sich in sekundenschnelle in den langen Gängen verloren. Pyras erhob sich und folgte der Aufforderung Nishas, doch vorher berührte er sanft die Hand seiner Frau.

"Vertrau mir...."

Elayra nickte, ehe sie zusammen das Schlafgemach verließen. Als die Tür zufiel, hob sich der Vorhang am linken Fenster nahe des Bettes und flatterte tänzelnd umher. Ein beinahe unmerklicher Windhauch durchstreifte den Raum, als suche er gemächlich sein Ziel. Die Landkarte, die die alten Aufschriebe verdeckte, bewegte sich wie von Geisterhand und schwebte für kurze Augenblicke in der Luft, ehe sie zu Boden geworfen wurde. Der Wind war verschwunden und der Vorhang stand still, als habe er sich niemals bewegt. Die Seiten, soeben noch verdeckt, zeigten nun ihre Wahrheit, mit schwarzer Tinte zu Papier gebracht. Ein schleichender Schatten schien sich über sie zu legen, und je länger man hinsah desto mehr schienen die Buchstaben zu verschwimmen. Doch mit nur einem Augenblinzeln war alles wieder normal, und man meinte die Augen hätten sich einen Scherz erlaubt..
 

"...und so erhebt sich der schwarze Drache, und sein Name ist Escaflowne, der Gott des Krieges, Diener der Zerstörung.

Der Tod wird kommen, rettet euch.

Sie wird es befehlen, rettet euch.

Alles ist still. Niemand ward gerettet.

Vergebt uns...wir wussten es nicht.."


 

Das Bild eines Drachen, der sich aus den Schatten der Schlacht erhob, die stählerne Rüstung befleckt mit Blut zierte die rechte Seite.

Unheilvolle Worte, von denen niemand wusste wer sie überhaupt verfasst hatte. Sie waren in der alten Schrift, den vergessenen Runen, geschrieben worden. Viele Gelehrte hatten versucht, sie zu übersetzen und doch gelang es ihnen nie ganz. Eine letzte Rune blieb immer übrig, deren Bedeutung im Laufe der Zeit verloren ging. Der untere Teil des Textes war fast verwischt, doch man konnte sie noch schwach erkennen.

Die unübersetzte Rune, die wahrscheinlich den Namen des Verfassers preisgab. Ein einfaches Zeichen, ein schräg auf den Kopf gestelltes blaues Rechteck unter dem ein simpler Punkt prangte.

Das Zeichen für Beschützer, ein alter Name der seinen Träger unwissend dazu verpflichtete, alles in seiner Macht stehende zu tun um das Leben zu schützen.
 

"Sieh genau hin, Slanzar. Das tut man mit Menschen, die sich gegen das Königshaus Fanel und die Götter stellen."
 

"Verzeih uns...Verzeih uns..."
 

"Er ist mein Sohn und sein Name ist Van Slanzar de Fanel ...Fanelia hat nun einen Thronerben...So wie ich es sage, so soll es sein.."
 

Selbst der gütigste König vermag es, um Gnade zu flehen.
 


 


 


 


 

Lautes Getöse begleitet von den dumpfen Klängen des Metalls, das sich schwerfällig fortbewegte, hallte zwischen den Bäumen wieder. Reihen von Guymilefs wurden bereits aufgestellt und warteten nur darauf, endlich loszumarschieren. Ein kühler Wind ging umher, doch die Sonne schien wärmend herab. Es war ein unwirkliches Bild, Kriegsmaschinen die im Licht schimmerten, Soldaten die ungeduldig umhergingen um sich auf den Präventivschlag vorzubereiten. Einige standen vor der kleinen Waffenschmiede, um ihre Schwerter noch ein letztes Mal für den Kampf bereit zu machen.

Kahdil beobachtete die Männer um ihn herum, während ihn sein Weg zum Guymileflager führte. Sie brannten darauf, ihre Waffen zu benutzen. Manche warfen ihm grimmige Blicke zu, für sie war er ein Fremder der aus den Festungen zu ihnen nach unten geschickt wurde. Doch dies störte ihn nicht im geringsten. Kahdil wusste, dass es in diesem Lager keinen einzigen Krieger gab, der ihm ebenwürdig war. Hinter seiner Loyalität versteckte sich nicht nur Gehorsam, sondern auch die kaltblütige Absicht alle gnadenlos auszulöschen die sich gegen seine Ideale stellten. Man muss immer jemandem folgen, um eines Tages selbst zu führen....
 

"Das ist alles, was ich zu berichten habe."

Schweigend nickte er, während der Soldat ruhig wartend vor ihm stand. Seine Einschätzung war also richtig gewesen.

"Dilandau ist so einfach zu kontrollieren. Er bemerkt nicht einmal, was um ihn herum geschieht."

"Wenn Ihr keine weiteren Anweisungen habt, werde ich zum Drachenschwadron zurückkehren. Kommandant Dilandau hat angeordnet, sobald wie möglich aufzubrechen."

"Er ordnet nicht an, er führt lediglich Befehle aus. Es ist also kein großer Unterschied zwischen euch. Du hast eine Aufgabe. Achte darauf, dass er nichts unüberlegtes tut und halte die Augen offen." erwiderte Folken.

"Ich werde mein bestes tun, General Folken."

Langsam öffnete er eine Schublade des großen, aus schwarzem Ebenholz gefertigten Schreibtisches und griff hinein.

"Hier....du wirst es brauchen."

Verwundert blickte Kahdil auf die ausgestreckte Hand seines Generals. Ohne zu zögern nahm er den ihm angebotenen Gegenstand und steckte ihn in einen Lederbeutel an seiner Hüfte.

"Du kannst gehen...."


 

Er musste zugeben er konnte dem Gedankengang des Generals nicht ganz folgen, doch er hielt sich nicht mit Spekulationen auf. Es war nicht seine Aufgabe, zu wissen was die Generäle unter sich beschlossen. Schließlich schritt er auf eine Gruppe Männer zu, die sich anscheinend in einer heftigen Diskussion befanden. Als er zu ihnen trat, bemerkten sie ihn nicht einmal.

"Ich suche Miguel Lavariel."

Sie verstummten und sahen ihn abschätzend an. Nur einer von ihnen lehnte stumm an einem abgebrochenen Baumstamm, seinen Blick in die Ferne gerichtet.

"Was hast du mit Miguel zu schaffen?" fragte einer der Männer.

"Allerdings. Wer bist du überhaupt?" warf nun der nächste ein.

Kahdil hatte nicht vor, sich mit aufmüpfigen Soldaten abzugeben. Er wandte sich ab, um sich kooperativere Informanten zu suchen. Doch noch ehe er einige Schritte gegangen war rief ihn eine Stimme zurück.

"Er ist dort hinten, bei den Pferden."

Obwohl der junge Mann durch seine Worte wütende Blicke erntete, deutete er in Richtung der noch nicht abgebauten Zelte. Es waren nur eine handvoll, und neben ihnen standen mehrere Pferde. Die Tiere streckten die Köpfe in die Höhe, ungeduldig und nervös trippelten sie umher. Es war als ob sie etwas ahnten, als ob sie wussten dass sie schon bald in den Kampf ziehen mussten.

Kahdil erkannte den Mann, der zwischen ihnen umherging. Er sattelte gerade eines der Pferde, doch die Art wie er es tat schien ungewöhnlich langsam und bedächtig. Ohne die anderen Männer eines Blickes zu würdigen ging er auf Miguel zu. Lediglich dem jungen Mann, dem er die Information zu verdanken hatte, schenkte er ein fast unmerkliches Nicken.
 

"Was sollte das denn?"

"Wieso hast du es diesem aufgeblasenen Hund auch noch gesagt?"

"Du bist wirklich ein absoluter Schwächling, Gatti."

Er spürte den harten Schlag auf seiner Schulter, doch anstatt irgendetwas darauf zu erwidern schweifte sein Blick dem Soldaten hinterher, der geradewegs auf Miguel zu ging.

"Ich würde gerne wissen, was er von ihm will..." dachte er. Es passierte einfach zuviel um Miguel herum, und Gatti wusste dass dies nicht mit rechten Dingen zugehen konnte.

Die Soldaten ließen sich noch einige Zeit weiter über den Unbekannten aus, doch Gatti enthielt sich allen weiteren Wortgefechten.
 

"Siehst du, und so macht man es dann fest." erklärte er. Zufrieden beobachtete er, wie der Junge erstaunt nickte.

"Bist du schon mal alleine auf einem Pferd geritten?"

"Nein..."

"Hat es dir dein Vater denn niemals beigebracht?"

Faron ließ seinen Blick auf dem mächtigen, grauen Hengst ruhen. Sein Schweif schwang langsam hin und her, die dunklen Augen sahen aufmerksam umher.

"Mein Vater....hat mir kaum etwas beigebracht. Alles was ich weiß, hat mich meine Schwester gelehrt..."

Miguel hielt inne, den Steigbügel auf die richtige Höhe zu bringen.

"Deine Schwester....du scheinst sie wirklich zu vermissen.." bemerkte er mit gedämpfter Stimme. In der Nacht, als sie sie wegbrachten, erinnerte er sich an den verzweifelten Ausdruck ihrer Augen, und wie sie sich dank des Betäubungsmittels langsam schlossen.

"Eines Tages werde ich sie finden...und dann wird alles anders. Niemand wird uns mehr trennen.."

Miguel nickte, doch seine Aufmerksamkeit fixierte sich plötzlich auf etwas anderes. Ein Mann von großer Statur kam auf sie zu, und allein an der Art wie er ging erkannte Miguel, dass dies kein angenehmes Treffen werden würde. Vorsichtig stellte er sich einige Meter vor Faron und die Tiere, als wolle er den Fremden dadurch zwingen nicht weiterzugehen. Als er schließlich vor ihm stand blickte er in dunkle, kalte Augen.

"Lavariel."

"Wer will das wissen?"

"Unter General Folkens Befehl wurde ich dem Drachenschwadron zugeteilt. Euer Kommandant hat mich zu Euch geschickt."

"Und.....was soll ich jetzt mit dir machen?" fragte Miguel beiläufig. Er fühlte sich durch die bloße Anwesenheit des Soldaten gestört, eine unausweichliche Gefahr schien von ihm auszugehen. Kurz fiel sein Blick auf Faron, der dem Geschehen interessiert zusah.

"Wie lauten die Befehle?"

"Es wäre angebracht, wenn ich zuerst Euren Namen erfahren würde bevor ich Euch von den Anweisungen des Drachenschwadrons berichte."

"Kahdil. Zuerst diente ich unter General Helio Eides, Befehlshaber der Bronze Armee. Vor einigen Wochen wies man mich dem Kommando General Folkens zu."

"Welch glorreicher Aufstieg, von der Bronze Armee hinab in das Dreckloch Drachenschwadron. Was hast du angestellt dass man dich dermaßen bestraft?" bemerkte Miguel zynisch und ging zurück zu Faron. Kahdils Augen verengten sich für einen kaum merklichen Moment, doch er antwortete nicht auf Miguels beleidigende Worte.

"Eine Waffe hast du ja schon...wo ist dein Guymilef?"

"Er wurde mit den anderen bereits abgeladen und ist vollkommen einsatzbereit."

"Dann hast du nichts weiteres zu tun als zu warten, bis wir heute nacht aufbrechen. Da hinten in den Zelten kannst du dich ausruhen..."

"Seit wann nimmt die Armee eigentlich kleine Kinder auf?"

Hastig drehte sich Miguel um und blickte Kahdil warnend an.

"Ich wüsste nicht, was dich das angeht."

"Er sieht nicht so aus als wäre er deiner."

"Kümmere dich um deinen eigenen Dreck."

Faron spürte den prüfenden Blick des Fremden und sah verlegen zu Boden. Der Hengst neben ihm begann leise zu wiehern.

"Nun gut....der Aufbruch ist nicht mehr fern. Basram wird eingenommen. Wir sehen uns auf dem Weg zur Schlacht, Lavariel....pass gut auf dein Anhängsel auf, Kinder tendieren dazu wegzulaufen..."

Mit ausdruckslosem Gesicht wandte er sich ab und verließ die beiden in Richtung der Zelte.

Innerlich konnte sich Miguel einen kleinen Schock nicht verkneifen. Er fragte sich, ob Kahdil etwas wusste...Doch dann schüttelte er den Kopf und überzeugte sich selbst von der Absurdität dieses Gedankens.
 


 


 


 


 

Sie erschrak, als sich ihre eigenen Worte in ihrem Kopf wiederspiegelten. Sie hatte gesagt, was niemals jemand erfahren sollte.

Sie liebte ihn. Schon immer. Er war alles, was sie hatte, alles was sie kannte. Er war ihre Welt, in der sie sicher war. Nichts war jemals zwischen ihre Freundschaft gekommen, niemand kannte ihn so genau wie sie. Merle wusste, es war nicht die Liebe die man normalerweise zwischen Mann und Frau kannte. Das Schicksal verband sie, es hatte sie gemeinsam vor dem sichere Tod bewahrt. Immer war sie an seiner Seite, sie wusste was in ihm vorging. Auch wenn er nie darüber sprach, sie verstand. Was damals passierte war tief in ihrer Erinnerung eingeschlossen und sollte sie auch nicht verlassen.

Van war ihre Welt, doch sie spürte wie er immer weiter aus genau dieser verschwand. Merle glaubte, die Ursache ganz genau erkannt zu haben, und allein der Gedanke daran machte sie wütend. Wütend und verzweifelt.

Das Mädchen vor ihr sah sie stumm an, und an ihrem Blick erkannte Merle dass sie sie längst durchschaut hatte. Plötzlich überkam sie das Gefühl von Schuld, und rasch senkte sie den Kopf.

"Ich weiß, was es bedeutet mit einem male alleine zu sein....aber wir vergessenen in unserem Leid manchmal, dass wir es gar nicht sein müssen..."

Erstaunt sah Merle auf, als sie die leisen Worte hörte. Aina blickte in die Wipfeln des riesigen Baumes, als suche sie etwas. Ein paar Vögel hatten sich auf den Ästen niedergelassen und sangen ihre Lieder vor sich hin. Der Himmel war klar und blau, kaum eine Wolke störte die reine Farbe.

"Aber...das alles darf nicht passieren. Er darf mich nicht alleine lassen...."

"Wieso glaubst du das?" fragte Aina.

"Weil ich es sehe! Ich habe doch Augen im Kopf! Alles ist verdreht, alles wendet sich in eine schreckliche Richtung...und das nur, weil sie aufgetaucht ist! Wegen ihr verliere ich ihn...sie ist an allem schuld. An allem..."

Tränen der Wut brannten in ihren Augen, doch Merle weigerte sich sie fließen zu lassen. Nur durch Stärke konnte sich alles wieder so verändern, dass es war wie früher.

"Du kannst ihr nicht die Schuld daran geben...wir alle tragen unsere Bürden. Und ihre ist vielleicht größer als all unsere zusammen."

"Das ist mir egal! Ich will doch nur, dass sie ihn in Frieden lässt. Dass das alles hier zuende geht."

"Jeder von uns wünscht sich den Frieden, doch es wird Zeit aufzuwachen. Ich weiß nicht welche Rolle ich in diesem Alptraum spiele, doch ich weiß dass er auch irgendwann vorbei sein wird. Und dafür sollten wir kämpfen, auch wenn es uns schwer fällt."

"Er liebt sie nicht.....er kann sie nicht lieben. Ich weiß, dass er es nicht tut...er ist nur...nicht er selbst."

"Ich glaube es liegt nicht in unserer Macht, das zu beurteilen." erwiderte Aina wissend, und ein trauriges Lächeln fand den Weg auf ihr Gesicht. Merle öffnete den Mund, doch schließlich blieb sie stumm und schüttelte nur den Kopf.

Das Geräusch von schlagenden Flügeln ertönte als sich die Vögel in die Luft erhoben. Binnen weniger Momente waren sie fort, und nun war es vollkommen still in dem kleinen Garten.

Die Ruhe sollte aber nur für einige Augenblicke zurückkehren. Merles Ohren bewegten sich aufmerksam hin und her, und angestrengt versuchte sie die für Aina kaum hörbaren Geräusche zu ordnen. Ihre Augen verengten sich, während sie angespannt lauschte. Aina bemerkte die plötzliche Veränderung in der Mimik des Katzenmädchens, wartete aber ab. Schließlich sah Merle sie kurz an, als überlege sie sich genau was sie sagen sollte. Doch war sie selbst nicht sicher, was das alles zu bedeuten hatte. Sie hörte Schritte vom Hof, das Öffnen einer Tür und das leise Murmeln von Stimmen. Doch nur eine davon war ihr bekannt...

Ein lauter Ruf holte sie aus ihren Überlegungen zurück, und mit klarem Blick sah sie Aina in die Augen.

"Jemand ist hier.....Jemand fremdes...."
 


 

„Er sprich nicht. Kein Wort. Er isst nicht, keinen Bissen. Sagt mir, was soll ich tun?“

„Keine Sprache der Welt, weder menschlich noch göttlich, vermag es das zu sagen, was gesagt werden will. Und genauso gibt es nichts, was den schrecklichen Hunger stillt, der langsam in ihm erwacht.“

Die Seherin schüttelte den Kopf, und ihr langes graues Haar fiel schwer auf ihre Schultern herab. Sie hatte es gespürt, bevor und während es geschah..

Tausende Leben wurden ausgelöscht, das Blut Unschuldiger klebte auf der alten Erde der Drachenstadt. Der dichte Rauch löste sich langsam auf, während diejenigen, die noch am Leben waren, über das Land wanderten und zwischen all den toten Gesichtern nach den ihren suchten.

Es waren einige Wochen vergangen, seitdem das Königreich Fanelia untergegangen war. Jahrhunderte der glorreichen Herrschaft verschwanden unter Staub und Stein. Und die, die nicht darunter begraben lagen wünschten sich manchmal, sie wären es.

„Dann soll ich ihn einfach sterben lassen? Ist es das, was Ihr mir damit sagen wollt?“

„Sterben?“ verwundert starrte die Seherin ihn an, als habe er gerade verkündet der Himmel sei nicht blau sondern grün.

„Oh nein, er wird nicht sterben. Noch lange nicht. Es gibt noch so vieles zu tun, zu lernen.“

„Euer Wissen in Ehren, Seherin....aber wenn es so weitergeht, wird er nicht mehr die Möglichkeit haben etwas zu lernen.“

„Was hatte er bei sich, als ihr ihn gefunden habt?“

„Nichts...zerfetzte Lumpen an seinem Leib waren alles.“

„Wirklich alles?“

Kurz überlegte er, ehe es ihm wieder in den Sinn kam.

„Nein...da war noch etwas. Ein altes, unscheinbares Schwert.“

„Habt ihr es ihm abgenommen?“

„Natürlich haben wir das, was wäre ich für ein Mensch wenn ich ein Kind eine Waffe behalten ließe.“

„Gebt es ihm zurück.“

„Was? Das ist wohl ein schlechter Scherz..“

„Gebt es ihm zurück, denn es gehört ihm allein. Ihr werdet sehen, es ist gut so...“

„Tut es, Dryden Fassa aus Asturia, oder ihr werdet es eines Tages bitter bereuen....“
 


 


 

Während die Sonne hoch am Himmel stand und die Hitze des Sommers über das Land brachte, schritt Dryden aus dem Schutz des Baldachins seines Zeltes. So sehr er auch über die Worte der alten Frau grübelte, er kam einfach nicht hinter das was sie ihm sagen wollte. Es verärgerte ihn irgendwie, nicht zu wissen wieso er etwas tun sollte was doch so unsinnig erschien.

„Was soll ein Junge, der seit Wochen nicht ein Wort gesprochen hatte, mit einem Schwert?“ fragte ihn Allen, einer der jüngeren Männer der Abaharakis. Er war von Anfang an wenig begeistert von den Neuankömmlingen gewesen, behielt seine Vorbehalte jedoch meistens für sich. Dass sich Dryden genau dieselbe Frage stellte, verschwieg er ihm. Sein Weg führte ihn hinunter an den Bach, der aus den tiefen des Waldes zu ihnen herabfloss. Sie hatten die Grenzgebiete um Arzas längst verlassen, doch er erwischte sich dabei wie er sich immer wieder nach Westen wandte. Manchmal glaubte er, die riesige Wolke aus Asche würde immer noch den Himmel verdunkeln.

Das alte Schwert besaß keine Scheide mehr, deshalb hatte er es notdürftig mit einem alten Ledertuch umwickelt. Die Männer hielten sein Vorhaben sowieso für Zeitverschwendung, doch Dryden hoffte sie seltsamerweise sie vom Gegenteil überzeugen zu können. Von weitem sah er bereits die Umrisse des Jungen, wie er mit überkreuzten Beinen an Fuße des Baches saß und starr in die Ferne zu blicken schien. Das kleine Katzenmädchen war nicht zu sehen..

Der Junge rührte sich keinen Zentimeter, als Dryden an ihn herantrat. Sein Blick verharrte weiter in der Ferne, als wolle er bis in die hintersten Gefilde Gaias vordringen.

Langsam ging er auf ihn zu, bis er schließlich neben ihm stand. Doch der Junge ohne Namen

schien ihn nicht einmal zu bemerken.

Dryden seufzte leise und setzte sich zu ihm in das von der Hitze schon ausgetrocknete Gras.

„Ich weiß, du willst nicht sagen woher du kommst oder wer du bist....Aber vielleicht möchtest du mir erzählen, woher du das hier hast...“

Mit einer geschickten Bewegung löste er das Lederband und offenbarte dem Jungen das Schwert. Nur ein kurzer Blick genügte, und er sprang sofort auf um sich auf die alte Waffe zu stürzen. Doch Dryden, der diese Tat bereits geahnt hatte, packte den Jungen unsanft mit einer Hand am Arm und brachte ihn mit leichtem Druck zum Stillstehen. Er gab keinen Laut von sich, stattdessen blickte er zornig in seine Augen.

„Du willst es also wieder? Nun, mich würde interessieren warum....“

Erneut betrachtete er das Schwert, der einst glänzende Griff an dessen Unterseite einst ein Wappen prangen sollte. Es schien herausgebrochen, nur der winzige Kopf eines kleinen Drachen war noch zu erkennen.

Nach einigen Minuten des Schweigens ließ er den Jungen los. Der starrte ihn jedoch weiter an, sein Blick voller Verachtung. Das dichte, schwarze Haar hing wirr um seinen Kopf und verdeckte beinahe die wütenden, dunklen Augen. Dryden erinnerte sich, dass es Stunden gedauert hatte ihn sauber zu bekommen. Mit Händen und Füßen wehrte er sich dagegen, und als sie es endlich geschafft hatten waren alle mehr als froh ihn in vor Erschöpfung eingeschlafen zu sehen.

„Hör mir nun gut zu, Junge...ich will dir nichts böses. Im Gegenteil, ich würde es begrüßen wenn du mir nichts böses wollen würdest. Es gibt zwei Möglichkeiten....entweder du schweigst weiterhin und gehst, wo auch immer du hinwillst....oder du gibst uns eine Chance, zu verstehen. Doch dazu musst du endlich anfangen, zu sprechen. Ich sehe eine gewaltige Kraft in dir, doch auch Wut und Trauer....“

Die Stille währte weiter, nur durch das leise Plätschern des Baches wurde sie unterbrochen.

„Hast du jemals das Meer gesehen, Junge?“

Ein verstohlener Blick kam Dryden entgegen, doch es kam keinerlei Reaktion.

„Das Meer...tiefblau, an manchen Stellen sogar so schwarz dass man glaubt man blickt in die Unendlichkeit. Schiffe gehen auf ihm auf reisen und kehren manchmal niemals wieder. Salzig ist die Luft an den Stränden, voller Leben, voller Freiheit. Und wenn die Sonne hinter den mächtigen Weiten des Wassers verschwindet, dann kann man in weiter Ferne die Melodien des Ozeans vernehmen....Es ist wunderschön. Schöner als alles andere auf der Welt. Kannst du es dir vorstellen? Kannst du dir vorstellen, wie riesige Wellen gegen Stein schlagen und mit lautem Getöse brechen? Ich bin mir sicher, du kannst es nicht. Denn niemand kann das Meer beschreiben. Man muss es mit eigenen Augen gesehen haben, sonst glaubt man es sein nur ein Märchen...Genau wie die Drachengebirge, von denen man jenseits des Ozeans nicht einmal den Namen kennt. Die gesamte Welt ist ein Märchen für den, der sich in seiner eigenen verschließt. Erinnerungen, Gedanken...Jeder Schmerz macht uns stärker, zwingt uns Wege zu gehen die uns missfallen. Der Himmel ist uns noch so fern...doch wenn wir auf das unendliche Wasser blicken fühlen wir uns ihm schon etwas näher. Du hast die Wahl....Willst du sehen, oder willst du blind bleiben?“

Dryden hielt ihm den Griff des Schwertes hin, ein leichtes Lächeln hatte sich auf seine Lippen geschlichen.

Der Junge blickte unschlüssig auf den harten Stahl, der sich ihm entgegenstreckte.

„Es gibt noch so vieles, wofür es sich lohnt zu kämpfen...Vertrau mir, eines Tages wirst du dich an meine Worte erinnern. Nun, was sagst du? Möchtest du das Meer sehen? Irgendwann, und mit irgendwem?“

Zwei zierliche, zittrige Hände griffen nach der Waffe. Als er sie berührte, fühlte sie sich seltsam schwer an, aber dennoch vertraut. Er erinnerte sich an das Gesicht seiner Mutter, wie sie mit geschlossenen Augen zu Boden fiel...Und obwohl er noch so jung war, erkannte er die Ausmaße des Wortes Verrat. Schon bald würde er wissen, was es bedeutet wahren Hass zu empfinden. Plötzlich, doch nur einen einzigen Augenaufschlag lang, lag sein Weg klar und deutlich vor ihm. Zeit war nun alles, was er brauchte....Zeit, um zu lernen. Und seine Zeit würde eines Tages kommen.

Trauer und Wut waren mächtige Verbündete, und genug davon gab es tief in ihm.
 


 

~*~

Joy is converted

to bitterest tears...

~*~


 


 

Wie lange er schon dastand und sie einfach nur ansah, wusste er nicht mehr. Er beobachtete das Band, wie es sachte hin und her wehte und bei jeder kleinsten Bewegung mitwippte. Ihre Hände umfassten es erneut und versuchten, es zu öffnen. Ein leiser Seufzer veranlasste ihn instinktiv, zu ihr zu gehen..

Doch noch bevor er bei ihr stand drehte sie sich schlagartig um und blickte ihn mit trüben Augen an.

„Wann ist es Morgen? Wann geht endlich die Sonne auf?“

Das blaue Kleid hing lose an ihrem Körper herab, sie schien plötzlich so verloren darin..Er sah kurz zum Fenster, durch das die seichten Strahlen der Sonne schienen. Van fragte sich, ob sie sie überhaupt sehen konnte.. Wortlos hob sie ihm das Ende des Bandes entgegen.

„Hilf mir....bitte...“ flüsterte sie, während sie sich erneut umdrehte.

Van griff nach dem Band, darauf bedacht seine Hand vom ständigen Zittern abzuhalten. Er starrte verbissen auf den Knoten, und als er ihn endlich gelöst hatte blieb er stumm an seinem Platz stehen. Ein von ihm oft verfluchter, dennoch unvergessener Duft drang in seine Nase. Für einen Moment schloss er die Augen, ehe ihre schwache Stimme den Raum erfüllte.

„Jedes mal, wenn ich dich zu lange ansehe, sehe ich dich sterben......Und jedes mal ist es, als würde auch mein Leben enden.....“

„Es sind nur Träume...nichts weiter...“ sprach er, doch noch ehe die Worte seinen Mund verließen wusste er, wie verlogen sie waren.

„Mein gesamtes Leben ist ein Traum....Ein Albtraum, der kein Ende nimmt, egal wie sehr ich mir das Ende herbeiwünsche.“

Ihre Augen weiteten sich, als sie die Hand spürte die sich vorsichtig, dennoch bestimmt, auf ihren Mund legte.

„Sei still. Sag es nicht. Denk es nicht einmal. Ich verbiete es dir..“

Verzweiflung, die tief im Innersten verschlossen war, kam nun durch fordernde Worte an die Oberfläche. Es war lange her. So lange, dass er beinahe nicht mehr wusste wie es sich anfühlte. Doch plötzlich erinnerte er sich, und ihm war als stoße man ihm die Klinge eines Schwertes direkt in die Brust. Die schwarze Klinge des Dämonen von einst kam ihm dagegen nichtig vor. Körperlicher Schmerz war so leicht zu ertragen...Van verfluchte sich selbst dafür, dass er der Angst Einlass gewährte.

Er fürchtete, etwas wichtiges zu verlieren. Etwas, das ihm eigentlich egal sein sollte...
 

Hitomi spürte, wie ihre eigene Furcht auf ihn überzugehen schien.

„Van...lass mich los...bitte..“ sprach sie leise.

„Nein.“

Ihr Atem stieß warm gegen die Innenfläche seiner Hand, und es war als raube ihm dieser banale Vorgang seinen Verstand.

„Ich tue dir weh...ich weiß es...“
 

~*~

Life's just in vain

For us to gain

Nothing but all the same…

~*~


 

Van riss sie mit einer einzigen Bewegung zu sich. Wut, Verzweiflung und Begierde verankerten sich zu einem ganzen und er tat, wonach seine innere Stimme schrie.

Verdrängte Empfindungen drängten sich erbarmungslos in seine Gedanken. Und für den Bruchteil einer Sekunde schien sie vollkommen ihm zu gehören.....
 

Hitomi spürte den Griff um ihre Arme stärker werden, und sie erinnerte sich an das Geräusch von Wasser.. Ihre Haut schien an den Stellen zu verbrennen, an denen er sie berührte. Es war die Art von Schmerz, die sie leise seufzten ließ. Ihre Augen schlossen sich, als das letzte Stück Entfernung zwischen ihnen verschwand.. Gedanken drifteten dahin, während sich ihre Körper in stummer Verweiflung aneinander pressten. Ihre Lippen berührten sich gierig, wie ein Verdurstender dem ein letzter Schluck Wasser gewährt wurde.

Das Kleid, das lose an ihrem Körper hing, raschelte leise unter den Händen die sich darüber bewegten. Zierliche Finger vergruben sich haltlos in nachtschwarzem Haar, und für einen Moment war ihr als habe sie vergessen wie man atmet...

Er kannte den Körper, der sich ihm entgegenstreckte, auswendig. In all seiner schrecklichen Schönheit, den Narben und den Spuren der Erschöpfung. Einst wollte er ihn nur besitzen, doch jetzt war es als besitze dieser Körper, diese Seele ihn.

Dunkelheit erschien manchmal schöner als Licht...

Hitomi fühlte die Welt um sich herum verschwinden, als würden sie in einem Meer aus unendlicher Schwärze ertrinken. Und als sie selbst immer tiefer sank erkannte sie, wie sie ihn immer tiefer mit in den Abgrund zog.

Erschockene Augen öffneten sich, hinter ihnen ein Schleier in grüner Farbe...

Ihr Herz schlug wie wild, es schrie förmlich. Doch sie ließ hastig und ohne Warnung von ihm ab, die Lippen rot, ihrer Unschuld längst beraubt. Der Dieb atmete schwer, doch kein Wort kam aus seinem Mund. Er schwieg, vielleicht weil er wusste wie tief der Schmerz saß..oder vielleicht weil er es nicht einmal ahnte.
 

„Siehst du nicht wohin das alles führt? Siehst du es nicht?“ rief Hitomi verzweifelt, doch sein ausdrucksloser Blick zeigte ihr, dass er es sehr wohl sah. Dass er wusste, und zugleich vollkommen ahnungslos war.

„Das alles....ist wie ein Fluch....Ich bin verflucht. Sie hatten Recht...sie hatten alle Recht...“

Ihre Finger berührten sachte ihre Lippen, während sie sich umdrehte und in die Leere starrte. Und als er leise zu ihr sprach, formten sich Tränen in Augen, die in ihrem kurzen Leben schon zuviele davon vergossen hatten.

„Wir sind beide verflucht...“
 

~*~

No healing hand

For your disease

Drinking scorn like water

Cascading with my tears….

~*~


 

In der Ecke des Raumes formten sich langsam die Umrisse eines Menschen. Er stand an der dunkelsten Stelle, wohin beinahe kein Sonnenlicht reichte.Und als die Zeit begann, langsamer zu vergehen und schließlich zum Stillstand kam, wurde aus dem Schatten die Gestalt einer Frau.

Alles war ruhig. Hitomi starrte sie verwirrt an, als suche sie die Wahrheit hinter einem Trugbild. Das halb verbrannte Leinenkleid roch nach Asche, und ihr Gesicht war mit Ruß bedeckt. Die einst langen, braunen Haare waren bis zur Schulter hoch angesenkt und gekräuselt. Ihre Hände waren in schwere Ketten gelegt. Und als sie anfing zu sprechen, war ihr Stimme nur ein Flüstern, zerstört durch das Feuer...

„Du bist gefangen.“

Ihr Gegenüber schwieg. Vielleicht hoffte sie, den Schatten so zu vertreiben. Sie drehte ihren Kopf zur Seite, doch als sie erkannte dass er sich nicht bewegte wusste sie, was geschah.

„Lass ihn frei...“ murmelte sie.

„Alles steht still. Niemand braucht zu wissen, was gesprochen wird. Er ist keine Ausnahme. Er ist ein Mörder. Lass ihn stillstehen, nur für jetzt...“

„Du lügst...“

„Sein Blut hat mich in die Flammen geschickt.“

„Warum.....haben sie dir das angetan?“

„Weil ich nicht du bin. Ich hätte niemals werden können, was du bist. Ich war ein Versuch. Ein Versuch, du zu sein. Doch es ist gut. Alles geht seinen Weg.“

„Aber es war nicht Van.....“

„Nein. Doch wo ist der Unterschied, ob er dich oder mich ins Verderben schickt?“

Hellias Gesichtszüge, unter Schmutz verborgen, wurden sanfter und ein gequältes Lächeln erschien auf ihren Lippen.

„Die Vergangenheit erscheint manchmal so unerreichbar wie die Zukunft....Du weißt und siehst so vieles, doch der Nebel lichtet sich nicht....Worte, die noch gesprochen werden müssen erscheinen so nichtig....Du musst vertrauen...“

„Vertrauen? Wem soll ich.....auf was soll ich vertrauen, in dieser Welt die nur leidet?“ flüsterte sie, während sie an einen König ohne Königreich dachte....

„Du musst vertrauen....in das Ende....“
 

~*~

Beneath the candle bed..

two saddened angels

in heaven…

in death..

~*~



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Kommentare zu diesem Kapitel (14)
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Von: abgemeldet
2006-06-06T11:24:50+00:00 06.06.2006 13:24
Büdde büdde schreib bald weiter!
Ich bin sicher ich spreche für alle kommi- schreiber wenn ich sage wir sind soooo gespannt wie es weiter geht!!!!
*knuddel*
cu Schwiwiwi
Von: abgemeldet
2006-05-21T14:43:39+00:00 21.05.2006 16:43
hello mal wieder,

wollte mich mal wieder zu worte melden und fragen wanns wieder weitergeht langsam wirds ja zeit ;P also hop hop

lg
Von: abgemeldet
2006-03-19T10:42:34+00:00 19.03.2006 11:42
geht dieses geschichte irgedwann weiter bitte ich will das ende lesennnnnnnnnnnnnnnnnnn bitte mach weiter
Von: abgemeldet
2006-03-06T23:40:34+00:00 07.03.2006 00:40
wahnsinn die geschichte is einfach immer wieder der hammer mehr kann man dazu schon gar nicht mehr sagen ich freu mich wie ein idiot darauf dass es endlich weiter geht langsam werd ich schon ungeduldig weils mich ja wahnsinnig macht nicht zu wissen wie es weiter geht aber nebenbei ist ja genau das was die geschichte so einzigartig macht man weiß nie wie es weitergeht und die handlungen sich immer so fortsetzen dass man immer denkt boah naa hoffentlich sehn wir alle bald nen neuen teil zum lesen

bye bye
Von: abgemeldet
2006-02-19T20:45:37+00:00 19.02.2006 21:45
TOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOLL

Ich find diese Geschichte vol toll!!!!
Freu mich schon riesig wenns weiter geht!!!
Hoffe Van und Hitomi kommen trotz allem irgendwie noch zusammen!!!
Wäre voll schön ^^
HDL
Schwiwiwi
Von: abgemeldet
2006-01-31T11:28:07+00:00 31.01.2006 12:28
Hey, ich schon wieder.
Hab noch was zu sagen und dies mal zu dem aktuellen Update.
Also....
Tja, Dilandau du wirst auch immer unter der Fuchtel eines Fanels stehen, Hahaha. Keine Chance!
Pyras gefällt mir (dir fallen immer coole und besonders ausdrucksstarke Namen ein.) und auch sein Sohn scheint sehr interessant zu sein.
Freu mich auf die Fortsetztung.

Ciao

P.S. Der Vergleich in den letzten Sätzen ist hammer gut getroffen...
Wann löst du endlich das Geheiminis seiner legendären Tätowierung?
Von: abgemeldet
2006-01-31T11:27:46+00:00 31.01.2006 12:27
Da ich nicht dazu kam zum letzten Update dir ein Kommentar zu hinterlassen, folgt dieses jetzt...
Ich war ja ganz gespannt auf Hitomis Reaktion auf Vans "Lüge" (Ich hasse dich)------VON WEGEN!!! WENN DAS NICHT GLATT DIE GRÖßTE LÜGE DER WELT IST! VAN, KOMM GESTEH ES DIR EIN...;-)------
Aber du hast mich ja wieder super überrascht, ich hatte einen depressiven Anfall von Seiten Hitomis erwartet, aber hey, deins war besser. VIEEllll Besser.
Ich liebe es wenn Van die "ich beschütze dich"-Sätze sagt. Einfach zum dahinschmelzen.

ciao

P.S. Du schaffst es super Vans innere Zerissenheit darzustellen!
Von: abgemeldet
2006-01-21T15:11:50+00:00 21.01.2006 16:11
arghhhh!!!!!! ich halt das nicht mehr aus!!!
wieso kann man das neue update immer noch nicht lesen?
ist es überhaupt schon freigeschaltet?
könntest du mir den neuen teil vielleicht per ens schicken?
das wäre super lieb, denn ich halte diese anspannung bald nicht mehr aus...
Von: abgemeldet
2006-01-19T19:00:35+00:00 19.01.2006 20:00
und wieder ein klasse teil von der story kann man e indeutig nicht genug bekommen ....

bye
Von:  MasterJules
2006-01-12T21:31:11+00:00 12.01.2006 22:31
Hoffe, dass du bald weiter schreibst! ^o^ Die FF ist echt genial... *hüpf*
Neues Jahr, neues Glück. Also bitte hopp! xD


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