Elternlos
Einheit 06: Elternlos
Irgendwie waren alle ihrem Ego nicht gerecht...
Kazuhi ging, nach dem Frühstück, langsam den Gang zur Krankenstation entlang.
Sie hatte Phil Phleira noch niemals weinen sehen. Ahnen konnte sie ja nicht, das ihre Freundin, jedes Mal, wenn sie alleine im Wartungsraum war, Tränen vergoss, weil sie diesen Krieg so abgrundtief hasste und sich Sorgen um die Piloten machte. Vorallendingen um ihren eigenen Partner.
Die Tür zu Yus Krankenzimmer ging automatisch auf, als Kazuhi davor trat. Als sie vor dem Bett ihres Bruders stand, durchfuhr ein heftiger Schock ihre Glieder.
...Das Bett war leer...
"Suchst du deinen Bruder?" Dr. Croford stellte sich neben dem verdutzen Mädchen und hatte die Hände in den Taschen verschränkt. "Er wurde vorhin entlassen. Ich weiß nicht wo er jetzt ist..." "Arigato..." Kazuhi eilte aus dem Zimmer.
Plötzlich wurde ihr kalt. Sie fand sich auf einem der ausgestorbenen Flure wieder.
Das Ende des Ganges konnte sie nicht erspähen. Er wurde von einem Pechschwarz verschluckt. Kazuhi fing an zu zittern. Eine dunkle Vorahnung überkam sie. Angst kroch unter ihre Haut, als jeder ihrer Schritte von den kalten Gängen wiederhalte. Ihr stockender Atem ließ sie schaudern.
Auf einmal sah sie vor ihren Augen Blut spritzen. Eine Menge Blut, das ihre Umgebung in ein rotes Meer verwandelte was sie zu verschlucken versuchte.
Der stechender Schmerz in ihrem Herz ließ sie stehen bleiben.
"Oh mein Gott..." flüsterte sie.
"O MEIN GOTT!"
Kazuhi fing an zu rennen, als ob der Leibhaftige hinter ihr her währe.
Sie sputete in das Zeremoniezimmer.
Zufällig war ihr Bruder da, der gerade dabei war ihr Koto zu reparieren und neue Fäden spannte. "Yu!" Sie warf sich ihm an den Rücken und weinte bitterlich. "Sie sind tot..." schniefte sie. "Sie... sind tot... Ich habe es genau gespürt!"
Wenig später standen die Piloten und Lotsen mit Azuma Hijikata im Wartungsraum. "Wie erklären sie sich das?" fragte Teela kalt. Azuma hielt den Blick zu Boden gesenkt. "Ich weiß es nicht..." sprach er ruhig. "Es wurde kein Notruf ausgesandt und auch die Sensoren haben nichts gemeldet." Teela starrte ihn weiter an.
"Ich will das sich jemand darum kümmert. Wenn wir noch eine Kolonie auf diese weise verlieren dann..." Sie brach ab, schaute noch einmal flüchtig in die Runde und verließ dann den Wartungsraum. Kazuhi klammerte sich an den Arm ihres Bruders. Immer noch liefen ihr Tränen über die Wangen aber sie machte keinen Laut. Ihr Stimme und alles andere hatte just in diesem Moment versagt.
Das war der größte Schock, den sie in ihrem Leben je erlitten hatte.
Ihre und Yus Kolonie wurde von einem Victim Schwarm vernichtet.
2 Wochen ist es nun her, seitdem Yu und Kazuhis Kolonie zerstört wurde. Beide waren noch schweigsamer als zuvor. Die anderen machten sich schon Sorgen. Aber ein Trost ist ihnen geblieben, den die beiden Geschwister überhaupt nicht mitteilen konnten.
Yus Bein war wieder genesen und auch Kazuhis Schnittwunde auf ihrer Hand war verheilt.
Yus Verantwortungsgefühl war gegenüber seiner Schwester enorm gestiegen.
Immerhin hatte sie nur noch ihn...
Wie jeden Tag spielte Kazuhi auf ihrem Koto, was Yu schon längst repariert hatte. Auch Tellia Kallisto war wieder voll einsatzfähig.
Den Tod ihrer Eltern und auch der ihrer ganzen Freunde und Verwandtschaft auf der Kolonie hatten die beide zum größten Teil verkraftet. Dennoch fiel es ihnen schwer manchmal die Tränen zurückzuhalten. Das Leben war einfach so hart.
Yu starrte auf den Rücken seiner Schwester. Am liebsten würde er sie jetzt in den Arm nehmen und ihr sanft über den Rücken streicheln. Dabei würde er ihr leise die Worte 'Ich liebe dich' ins Ohr hauchen.
Plötzlich klopfte es an der Tür und Leena kam in das Zimmer. "Yu, ich möchte dich sprechen..." sagte sie leise. Yu nickte. Die Töne des Kotos verstummten. Kazuhi starrte den beiden nach, als sie aus dem Raum gingen.
"Bitte verzeih meine Aufdringlichkeit..." sagte Leena.
Der Pilot der roten Göttin starrte sie an. Was war den mit Leena los? Warum sprach sie so 'höfflich'? Das erinnerte ihn irgendwie an Tune.
"...ich möchte dich was fragen..." beendete sie den Satz. Er nickte leicht verunsichert.
"Mir ist aufgefallen, dass...," sie hielt inne , "Kazuhi jede Nacht erneut im Schlaf deinen Namen flüstert und... ich haben den leisen Verdacht das... sie... in dich verliebt ist."
Yus Atem setzte für einen flüchtigen Moment aus.
Seine Schwester....
Fühlte sie etwa genau dasselbe wie er?
Unmöglich...
"Nein..." sagte er leise. "Sie hat sich nicht in mich verliebt."
Jetzt musste Yu sein grauenhaftes Geheimnis preisgeben.
"Sondern... ich in sie..." sagte er gedämpft.
Die Liebe, dachte Yu, die Kazuhi für ihn empfand war mehr eine Geschwisterliebe.
Niemals fühlte sie so wie er.
Leena Augen erweiterten sich.
Yu konnte verstehen wie entsetzt sie war. Das blonde Mädchen blickte ihn an, dann starrte sie auf ihre Füße. "Gesteh Kazuhi deine Liebe nicht... Es wäre nicht gut." Ruckartig drehte sie sich um und Schritt von dannen. Das sie mitangesehen hat, wie er seine Schwester geküsst hat, hatte sie ihm verschwiegen. Aus gutem Grund...
"Ich werde es versuchen..." flüsterte Yu ihr hinterher und ging zurück in den Zeremonieraum.
Plötzlich fand er sich in einer zärtlichen Umarmung Kazuhis wieder.
Sie hatte jedes Wort, was die beiden miteinander ausgetauscht haben. Mit angehört.
"Du hast gelogen..." wisperte sie.
Er verstand nicht.
