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Von erfüllten und unerfüllten Träumen

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Das Ende eines Traumes?

„Take your marks!“

Die Stimme des Ansagers vibrierte laut durch das Mikrofon. Mit erwartungsvoll klopfendem Herzen erklomm Randy das Podest. Er schielte unauffällig nach rechts. Haruka Nanase schwamm direkt neben ihm. Er konnte sein Glück kaum fassen. Wie lange hatte er darauf gewartet?

Der Schuss ertönte und Randy stieß sich mit Schwung ab. Er flog ein paar Meter über das Wasser gleich eines Adlers, sah seinen Schatten über das glitzernde Nass schweben und fühlte sich unglaublich frei, bevor er kopfüber eintauchte und begann, sich mit schwungvollen Bein- und Armschlägen fortzubewegen. Er spürte die kraftvollen Wellen der Konkurrenten und wurde dadurch noch mehr angespornt. Randy verschmolz regelrecht mit dem Wasser, konzentrierte sich auf das Hier und Jetzt. Zwar wusste er, dass die Zuschauermenge mit verschiedenen Anfeuerungsrufen die Schwimmer unterstützte, richtig wahrnehmen tat er dies jedoch nicht. Die letzte Wende kam und er beschleunigte sein Tempo. Er konnte Haruka neben sich spüren und gab alles, was er hatte. Die anderen Teilnehmer blendete er aus. Es war ein Wettkampf zwischen ihnen beiden. Nur noch wenige Meter und er hatte es geschafft. Seine Hand berührte den Beckenrand und er tauchte nach Luft schnappend auf. Tosender Beifall empfing ihn. Randy öffnete die Lider, als sein Herz begann, sich zu beruhigen, blickte auf die Anzeigetafel und traute seinen Augen nicht. Er war zeitgleich mit Haruka ins Ziel gekommen. Sie belegten beide den ersten Platz. Als er sich nach rechts umwandte, blickte ihm sein Idol ernst an und hob ihm die Hand entgegen. Haruka öffnete die Lippen …

Das nervtötende Piepen ´des Weckers riss ihn aus seinen Schlaf. Müde rieb sich Randy die Augen und tastete nach dem Ausschaltknopf. Was für ein schöner Traum. Er ärgerte sich, dass er ausgerechnet jetzt hatte aufwachen müssen. Was hatte Haruka ihm mitteilen wollen?

„Verfluchter Mist“, murmelte er schlaftrunken und hievte sich aus dem Bett. Mit einem Schlag wurde er hellwach. Heute würde er wieder mit Hotohori und den anderen schwimmen! Motiviert machte er sich für die Schule fertig.
 

Die Schulstunden zogen sich quälend in die Länge und Randys Herz vollführte Freudensprünge, als die Glocke endlich das lang ersehnte Ende einläutete. Mit einem Satz war er auf den Beinen, schob seine Hefte und Stifte unachtsam in die Tasche und wartete ungeduldig auf Hotohori. Der lächelte ihn amüsiert an und ließ sich extra etwas mehr Zeit, was seinen Klassenkameraden nervös von einem Bein auf das andere tänzeln ließ.

„Manno, jetzt beeil dich doch, bitte“, jammerte der Brünette, worauf der blonde Junge lachte.

„Schon gut, schon gut. Ich bin so weit. Lass uns gehen. Wer als letztes beim Bad ist, gibt ein Eis aus!“

„Was? Wa… warte! Das ist unfair!“, rief Randy empört und rannte ihm hinterher. Sie lieferten sich ein spannendes Wettrennen und lagen kurz vor dem Ziel gleich auf. Nael und Cosmo warteten bereits vor der Schwimmhalle auf sie.

„Da sind heute aber welche übermotiviert“, meinte Nael und streckte sich gähnend, während die beiden Neuankömmlinge eifrig nach Luft schnappten. Cosmo zerkaute den letzten Rest seines Lollys und wandte sich an Randy.

„Wartest du wieder hinter dem Baum bis wir dir das Zeichen geben?“

Der Junge nickte in freudiger Erwartung und verabschiedete sich von den drei Schwimmern, bevor er sein Versteck bezog. Er konnte es kaum erwarten, bis er selbst wieder ins Wasser durfte, auch wenn er den anderen noch so gerne beim Training zusah.

Coach Tamahome kannte heute kein Erbarmen und Randy schluckte. Er bewunderte seine Freunde, die trotz des harten Trainings so ausdauernd und mit Freude bei der Sache waren. Selbst Nael machte es Spaß, auch wenn er dies meistens mit Murren und frechen Kommentaren überspielte. Cosmo jammerte zwar gern oder setzte einen mitleidserhaschenden Blick auf, den er wirklich ausgezeichnet beherrschte – Randy selbst fiel jedes Mal aufs Neue darauf herein – doch auch er war mit vollem Eifer dabei. Nur Hotohori zeigte offen seine Freude beim Schwimmen.

Der Brünette fragte sich, wie er es wohl handhaben würde. Würde er sein Glück offen zeigen oder würde er es genauso zu überspielen versuchen wie Nael und Cosmo? Er war sich nicht sicher, doch er tendierte zu ersterem. Warum etwas verbergen, was ihn komplett erfüllte? Randy schüttelte leicht den Kopf und beobachtete seine Freunde voll freudiger Erwartung weiterhin beim Training.
 

„Schau, dass du die Hüfte etwas höher hältst und mit den Beinen aus der Hüfte mehr Schwung nimmst“, korrigierte Hotohori seinen Freund, der nachdenklich nickte. Zwar war ihm die Theorie klar, doch die Ausführung war schwerer als gedacht. Wenn er sich auf eine bessere Wasserlage konzentrierte, kam er automatisch mit dem Beinschlag nicht mehr so hoch.

„Wir könnten ihm die Schwimmnudel über den Kopf ziehen, jedes Mal, wenn er es falsch macht“, schlug Nael mit einem fiesen Grinsen vor und Randy schaute ihn erschrocken an. Cosmo kam hinzu und schob seinen Kameraden bestimmt zur Seite.

„Hör nicht auf den. Rückenschwimmen ist auch nicht so sein Ding. Sollen wir zum Kopf frei bekommen lieber wieder Brustschwimmen machen?“

„Das ist vom Beinschlag noch komplizierter“, antwortete Randy mit einem schiefen Lächeln.

„Schwimm erst einmal was du möchtest – eine aktive Pause von zwei Bahnen um den Kopf frei zu bekommen“, meinte Hotohori und zwinkerte ihm zu. Randy nickte und wollte gerade losschwimmen, als eine ermahnende Stimme vom Beckenrand erklang.

„Kann mir mal einer erklären, was das hier wird?“

Erschrocken wirbelten die Jungen herum und starrten Coach Tamahome ins Gesicht, der sie streng beäugte. Cosmo quiekte entsetzt auf und sprang einen Satz zurück, während Hotohori sich verlegen am Hinterkopf kratzte und Nael frech grinsend den Blick standhielt.

„Extratraining? Da spricht doch nichts dagegen.“

Der rothaarige Mann rückte ärgerlich seine Brille zurecht.

„Da spricht sehr wohl was dagegen. Ihr wisst ganz genau, dass ihr nicht unbeaufsichtigt ins Wasser dürft! Was ist, wenn einem von euch etwas zustößt?“

„Aber was soll denn schon passieren? Jeder von uns kann schwimmen.“

„Das mag wohl sein, aber so sind die Regeln. Ohne Aufsichtspersonal wird nicht geschwommen und abgesehen davon“, der Coach ließ seinen Blick zu Randy schweifen, der schockstarr im Wasser stand, mit einem Schlag fast all seine Farbe aus dem Gesicht verlor und immer kleiner wurde. Seine Gedanken wirbelten durcheinander und er konnte keinen einzigen davon fassen.

„Dich kenne ich nicht. Du bist nicht im Schwimmclub, also – wer bist du?“

„Ich … ich …“, begann der Junge zu stottern und merkte, wie sich ein dicker Klos in seinem Hals breit machte. Das Ganze war ein einziger Albtraum. Es musste einfach einer sein. Nael kam ihm zu Hilfe.

„Er kann schwimmen. Wir haben es ihm beigebracht.“

„Also genau genommen konnte er sich bereits über Wasser halten. Wir unterrichten ihn nur in Sachen Technik“, fügte Hotohori hinzu, doch Tamahome kniff misstrauisch die Augen zusammen.

„Das habe ich nicht gefragt. Er ist nicht im Schwimmclub. Ich glaube kaum, dass er hier sein darf. Wenn er schwimmen möchte, kann er gerne eintreten, falls er gut genug ist und jetzt raus aus dem Wasser mit euch.“

„Das geht leider nicht“, presste Randy hervor und senkte traurig den Kopf. Das Wasser funkelte tröstend unter ihm, doch dem Jungen wurde eiskalt. Sein Traum, der gerade erst begonnen hatte, wahr zu werden, drohte zu platzen. „Meine Mutter … sie würde das wahrscheinlich nicht erlauben.“

„Das tut mir leid. Rede noch einmal mit ihr, aber es ist wie es ist: ihr dürft hier nicht einfach allein und privat schwimmen. Seid froh, dass ich es war, der euch erwischt hat. Ich drücke noch einmal ein Auge zu und werde eure Eltern nicht kontaktieren. Und jetzt Abmarsch.“

Wie in Trance stieg Randy aus dem Becken, trocknete sich ab und zog sich an. Seine Freunde versuchten ihn zu trösten, doch ihre Worte konnten ihn nicht erreichen. Das Schwimmen konnte er vergessen. Sein Traum war zerplatzt und die grausame Wirklich fraß ihn innerlich auf.



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