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Again and again and again

von

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Prolog: Du verstehst es einfach nicht


 

Flordelis hasste Galas. Statt Zeit bei der Arbeit zu verbringen, musste er sich mit Personen umgeben, die sich von der Gesellschaft abheben wollten, sich als etwas Besseres fühlten, obwohl sie genau dieselben Bedürfnisse, Wünsche und Instinkte hatten wie jeder andere – nur mit mehr Geld. Und sie gaben nichts davon zurück.

Perfekte Zähne strahlten einem wie Perle entgegen, wenn sie einander begrüßten, Hände wurden geschüttelt, während in der anderen bereits Dolche verborgen wurden, nur darauf wartend von dem metaphorischen Blut des Opfers zu kosten.

Natürlich wurde niemand wirklich ermordet. Aber nach den süßen Worten, die sie einem ins Gesicht sagten, wandten sie sich ab, um mit vor Gift triefenden Aussagen jene Person bei anderen zu diskreditieren. Nur um gespielt empört abzuwehren, sobald die Intrige ans Licht kam. Dann gab es reuevolle Tränen und Küsse, man schwor sich, nie wieder auch nur ein böses Wort über den jeweils anderen zu verlieren.

Und dann begann das Spiel von vorne.

Aber Flordelis weigerte sich, mitzuspielen. Er grüßte betont distanziert, unterhielt sich mit – möglichen – Geschäftspartnern, funkelte Personen an, mit denen er keinesfalls reden wollt – an diesem speziellen Abend gab es nur ein – und stand ansonsten mit seinem viel zu teuren Glas Champagner an der Seite und betrachtete die Spielenden mit gerunzelter Stirn.

Zusammen mit der einzigen Person, der er zwischen all diesen Ariados vertraute – und die natürlich mal wieder Partei für alle ergriff: »Heute sind sie wirklich gut drauf.«

»Platan.« Flordelis atmete tief durch. »Das hast du auch schon bei der letzten Gala gesagt. Und am Ende gab es einen großen Skandal um Madame Enora, ausgelöst von Madame Josette.«

»Aber Madame Josette hat sich doch entschuldigt.«

Flordelis sah Platan an, der den Blick mit seinen grauen Augen unschuldig erwiderte. Sein Freund konnte sich wirklich glücklich schätzen, dass es hier offenbar niemandem möglich war, ihm zu schaden, sonst wäre Platan von diesen politischen Ränkespielen schon längst zerfetzt worden. Oder alle besaßen zu viel Respekt vor dem Pokémon-Professor der Region.

Nein, Flordelis wollte lieber glauben, dass niemand in der Lage war, diesen gutgläubigen, viel zu optimistischen Mann zu verletzen. Das bewahrte ihm seinen letzten Glauben an die Menschheit.

»Du verstehst es einfach nicht«, urteilte Flordelis schließlich.

»Offenbar«, gab Platan unbekümmert zu. »Aber weißt du, was ich auch nicht verstehe? Dass du keinen Ton mit Julie gewechselt hast. Bist du immer noch wütend auf sie?«

»Bei dir klingt es, als wäre der Zwischenfall schon ewig her.« Flordelis runzelte die Stirn, während er zwischen den Gästen nach Julie Ausschau hielt. »Dabei waren es gerade einmal ein paar Monate – und diese Gala ist das Ergebnis davon.«

Da er Julie nirgends entdeckte, fiel sein Blick auf das Podest in der Mitte des Saals auf dem eine gläserne Vitrine stand. In deren Inneren befand sich ein facettiert und in Tropfenform geschliffener lila-farbener Edelstein. Ein Pendeloque-Schliff, sehr elegant, aber auch eine unfassbare Verschwendung, wie Flordelis fand. In seiner Rohform hatte der Stein vor Energie vibriert – nun schien davon nichts mehr übrig zu sein.

»Ich weiß, dass du enttäuscht bist, weil sie ihn dir nicht verkauft hat«, sagte Platan, in einem neuerlichen Versuch der Versöhnung, »aber sie hatte bestimmt ihre Gründe, warum sie ihn lieber Monsieur Henri überlassen hat.«

Enttäuscht war wirklich untertrieben. Flordelis war immer noch wütend deswegen, besonders nachdem er ausgiebig mit Julie darüber gesprochen hatte, welche Bedeutung ein derartiger Fund für die Zukunft der Menschheit und deren Energiegewinnung haben könnte. Wenn sie den Stein wenigstens an eine andere Firma verkauft oder ihm gesagt hätte, wo sie ihn gefunden hatte – aber nein, sie verkaufte ihn an einen Sammler, der ihn auch noch ruiniert hatte, nur um jetzt damit vor der versammelten Elite Kalos' angeben zu können!

»Der Grund scheint einfach nur Schmuck zu sein«, bemerkte Flordelis säuerlich, als ihm Julie doch endlich zwischen den Gästen auffiel.

Bei der letzten Gala hatte sie genauso wenig dazu gepasst wie er, hatte in ihrem demonstrativ getragenen Laborkittel mit ihm am Rand gestanden und den Kopf geschüttelt, wann immer eine neue Lästerei an ihre Ohren gedrungen war. Heute trug sie ein goldenes Kleid, das jedes ihrer Schritte mit einem Rascheln begleitete und damit sogar die brutalen Geräusche ihrer viel zu hohen Absätze übertönte. Mehrere Perlenschnüre waren in ihr kastanien-farbenes, schulterlanges Haar geflochten, das heute noch gewellter war als sonst. Und an ihrem linken Handgelenk trug sie einen auffallenden Reif, an dem silberne Ketten befestigt waren, die einen rosa-farbenen Edelstein im Marquiseschliff auf ihrem Handrücken festhielten. Dieses Schmuckstück hatte sie gegen einen möglichen Paradigmenwechsel getauscht. Und dann hatte sie die Dreistigkeit besessen, ihm diesen Armreif auch noch triumphierend zu präsentieren, ohne jede Form von Reue oder auch nur eine Entschuldigung.

Natürlich redete er da nicht mehr mit ihr. Auch wenn das Platan zu schmerzen schien.

»Sie wird bestimmt ihre Gründe dafür gehabt haben«, sagte er auch direkt. »Du kennst sie doch.«

»Genau deswegen wunderte mich diese Entscheidung. Ich habe sie nicht als derart egoistische Person kennengelernt.« Er sah Platan an. »Oder hat sie dir gegenüber eine Erklärung abgegeben?«

Betrübt schüttelte er mit dem Kopf. »Ich habe sie gefragt, aber sie sagte nur, dass ich das ohnehin nicht verstehen würde.«

Was auch dafür sprach, dass es rein egoistische Gründe gewesen waren. Warum sonst sollte Platan es nicht verstehen können?

Plötzlich hellte sich Platans Gesicht wieder auf. »Eigentlich hatte ich gehofft, ihr würdet euch heute Abend wieder versöhnen. Das ist doch der perfekte Zeitpunkt, oder?«

Wenn Flordelis beobachtete, wie ungezwungen Julie sich mit den anderen Gästen unterhielt, wie sie lächelte und ihre Brillengläser manchmal im Licht blitzten und damit ihre seltsam gelangweilten Augen verbargen, gab es für ihn nur eine Antwort: »Ganz bestimmt nicht. Jedenfalls nicht, bevor sie sich entschuldigt.«

Und bei Julies Sturheit konnte das ewig dauern.

Platan seufzte darauf. »Ihr seid beide richtige Pampuli.«

Flordelis sah ihn mit gerunzelter Stirn an. »War das eine Beleidigung?«

Er kannte dieses Pokémon nicht, da es in Kalos nicht heimisch war. Platan lächelte unschuldig und hob die Schultern. »Nein, nur die Wahrheit.«

Leicht genervt leerte Flordelis den Rest seines Glases und stellte dieses dann auf dem Tablett eines vorbeieilenden Kellners ab. »Ich denke, ich beende diesen Abend an dieser Stelle.«

»Oh, wirklich?« Platan wirkte tatsächlich geknickt; hatte er sich so sehr eine Versöhnung erhofft? »Es ist noch nicht einmal ganz Mitternacht. Um diese Zeit beginnen solche Feste doch erst wirklich, das sagen auch alle Märchen.«

Er zwinkerte Flordelis zu, aber dieser schüttelte nur mit dem Kopf.

»Ich habe mit allen gesprochen, mit denen ich reden wollte. Und ich muss morgen wieder arbeiten.«

Anders als manch anderer Teilnehmer dieser Gala.

»Dann sehen wir uns wohl ein andermal wieder.« Platan lächelte ihm zu, das einzig ehrliche Lächeln an diesem Abend. »Schlaf gut. Und melde dich, falls du Redebedarf hast.«

Flordelis versicherte ihm, dass er anrufen würde, falls er reden müsste – worüber auch immer Platan meinte, dass es notwendig sei –, dann stahl er sich möglichst unauffällig aus dem Saal. Jenseits der Tür waren Musik und Stimmen nur noch gedämpft, genau wie das Licht, das auf dem Gang hier draußen nicht derart grell war wie dort drinnen.

Flordelis atmete auf, als er das alles hinter sich lassen konnte und schritt in Richtung des Ausgangs. Je mehr er alles hinter sich ließ, umso befreiter fühlte er sich, als falle der Druck dieser Gesellschaft mit jedem Schritt mehr von ihm ab. Außerdem wuchs die Erleichterung, da niemand ihm nachkam. Es hätte ihm gerade noch gefehlt, wenn jemand doch noch ganz kurz mit ihm hätte sprechen wollen, abseits aller anderen. Das war auf solchen Galas nie ein Zeichen für etwas Gutes.

Ohne einen Zwischenfall konnte er den Magnum-Opus-Palast verlassen und direkt seinen Wagen aufsuchen, in dem sein wartender Chauffeur ihn überrascht empfing. »Sie brechen schon auf?«

»Ja. Mir liegt nicht viel daran, die Edelstein-Sammlung anderer Menschen anzusehen.«

Was danach klang, als besäße er selbst eine, wie ihm gleich danach stirnrunzelnd auffiel. Aber sein Chauffeur kommentierte das glücklicherweise nicht, stattdessen startete er einfach den Motor, aber eine Kleinigkeit konnte er sich offenbar doch nicht verkneifen: »Reiche haben wohl ihre ganz eigenen Probleme.«

Flordelis schmunzelte darauf. »Das stimmt wohl.«

Er lehnte sich zurück, als der Wagen losfuhr und den Magnum-Opus-Palast mit seinen hellen Lichtern rasch hinter sich ließ. Als sie die Palais-Allee entlangfuhren, fiel Flordelis' Blick unter seinen schwer werdenden Lidern auf die Uhr auf dem Armaturenbrett: 23:59 Uhr.

Dann müsste Platan wenigstens nicht mehr warten, bis das Fest wirklich begann. Bestimmt würde er ihm alles erzählen, was er verpasst hatte, also müsste er sich keine Gedanken machen.

Stattdessen könnte er einfach die Augen schließen und darauf warten, zu Hause anzukommen. Verbunden mit den sanften Vibrationen des Fahrzeugs fiel er rasch in einen tiefen Schlaf, der durchzogen war von dem mysteriösen Glitzern des heute markant ausgestellten Edelsteins, der für so viel böses Blut zwischen ihm und Julie gesorgt hatte – und der ihm in diesem seltsamen Traum einen Schauer über den Rücken jagte, ohne dass er den Grund dafür benennen könnte.
 



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