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Der Feensammler

von

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Da stand er nun. Die Fotos der zwölf Kinder lächelten ihn hämisch an. Das Netz zwischen den Pinnnadeln wirkte als hätte es eine Spinne auf Drogen gefertigt. Nicht einmal als er den letzten Sichtungspunkt des jüngsten Opfers befestigt hatte, konnte er ein Muster erkennen. Sie alle bewegten sich in ihrem gewohnten Umfeld. Kein Kind verschwand weiter als fünf Kilometer von seinem Wohnungsort, dennoch betrug der höchste Abstand gute hundert Kilometer. Der Radius war einfach viel zu groß für eine Suche und nur weil sie in diesem Bereich verschwanden und wohnten hieß es noch lange nicht, dass sie auch dort irgendwo festgehalten wurden.

Immer wieder sah John auf den Zettel mit der Notiz eines schwarzen Zweitürers. Er hatte die Datenbank schon danach durchforstet, aber auch da war das Feld viel zu riesig für einen Beamten alleine. Schließlich hatte er nicht einmal eine Automarke, um es ansatzweise einordnen zu können. Doch das Nummernschild war zumindest von hier. Vielleicht sollte er doch noch einmal...

„Na? Endlich eine neue Spur?“ Tom trat an ihn heran. In der Hand hielt er zwei Tassen Kaffee von denen er eine John reichte und dieser schwer seufzte. „Ja, irgendwie schon. Der Besitzer der Disco, vor dem der Junge wahrscheinlich verschwunden ist, hat einen schwarzen Zweitürer dort parken sehen. Er hat sich aber nicht das Kennzeichen gemerkt, nur dass er scheinbar aus unserem Landkreis ist.“

„Also, dann haben wir doch schon einen Anhaltspunkt. Lass es durchs System laufen und dann statten wir jeden davon einen Besuch ab. Allemal besser als hier zu sitzen und blöd zu schauen.“

„Ja, da hast du Recht, Tom. Hilfst du mir dabei? Oder bist du gerade noch an deinem Drogenfall dran?“ John nahm einen kräftigen Schluck aus seiner Tasse. Hui war der heiß, doch dann machte er wenigstens richtig wach. Er brauchte seine ganze Konzentration.

Der Drucker surrte und spuckte eine Seite nach der anderen aus. „Es sind echt viele. Wir werden wohl noch den ein oder anderen brauchen.“

„Wie sieht es mit Beka aus? Sie war doch sonst an deiner Seite.“

„Sie ist an einem anderen Fall dran.“ Johns eher plumpe Antwort ließ Tom eine Braue nach oben ziehen und er sah den anderen eine Weile an.

„Was denn?! Das hat sie mir so geschrieben!“

„Ja, genau und Frauen schreiben ja immer genau das, was sie auch meinen. Ach, komm. Du bist zwar aktuell solo unterwegs, aber so viel Hirn solltest du schon besitzen, sonst hast du hier wirklich nichts verloren. Wobei, das würde vielleicht erklären, dass du seit Wochen auf der Stelle trittst.“

Das war jetzt nicht Toms Ernst. John tötete seinen Kollegen gerade mit Blicken, aber er tat ihm nicht den Gefallen zu sterben. „Du kannst es gerne selber übernehmen. Ich finde bestimmt auch einen anderen interessanten Fall.“

„Ne, danke. Du wolltest solchen Psychos hinterher laufen. Ich bin mit meinen Junkies mehr als zufrieden.“ Tom hob abdankend die Hände, dennoch trat er an die Tafel heran. John schritt neben ihn und ließ seinen Blick noch einmal über all die Infos wandern. Zwölf Kinder, die gemeldet wurden. Wer wusste wie viele es gab, deren Fehlen gar nicht aufgefallen ist?

Nein, John wollte soweit nicht denken und schloss die Augen, um sich zu zwingen von diesen Gedanken abzulassen. „Welches kranke Schwein tut so etwas? Das sind Kinder, die haben doch keinem was getan.“

„Kinder bringen viel Geld auf dem Menschenmarkt.“

„Glaubt ihr wirklich, dass es sich um einen Ring handelt?“

„Na ja, wir haben immer noch keine Leichen und an sich alles abgesucht in der Umgebung. Es liegt also durchaus sehr nahe, dass sie noch am Leben sind und irgendwo...“ John wollte es nicht aussprechen und das musste er auch nicht. Tom verstand auch so und seufzte schwer.

„Dann findet ihr sie nie wieder. Das ist dir doch klar, oder?“

„Ich darf die Hoffnung nicht aufgeben, Tom. Dann sind diese Kinder wirklich verloren. Wenn wir den Ring finden und sprengen, dann haben wir auch eine Chance sie zu finden. Kontaktmänner und alles. Erst wenn ich die Flinte ins Korn werfe, dann sind sie wirklich verloren.“

„Ich weiß ja, ohne Leiche kein Mord und so. Aber könnte es nicht möglich sein, dass sie nur gut versteckt sind? Vielleicht sind sie ja doch noch irgendwo und vielleicht ist es auch kein Ring, sondern ein Einzelner und hält sich die Kinder im Keller. Du weißt ja, der menschliche Abgrund kennt keine Grenzen.“

„Ja, ich weiß und irgendwie hoffe ich, dass sie noch irgendwo am Leben sind. Aber sieh dir doch diesen Radius an. Das macht doch kein einzelner Mensch, Tom.“

„Aber ein Ring konzentriert sich nicht auf einen Umkreis. Die holen sich ihre Menschen oder in dem Fall Kinder doch überall her. Ich bin jetzt dafür, dass du Beka anrufst, dich für den Bullshit, den du mal wieder verzapft hast, bei ihr entschuldigst und wir noch ein paar Kollegen fragen, ob sie uns helfen diese Liste abzuarbeiten. Vielleicht kriegen wir dann eine neue Spur. Das klingt doch nach einem Plan, oder?“

John besah sich das Brett noch einmal auf dem die Fäden langsam ineinander verschwammen und auch die Gesichter der Kinder zu einer einzigen Maske der Schmach verschmolzen. Sie alle waren verschwunden und wenn er nicht bald größere Fortschritte machte, dann würden noch viele weitere folgen. Nur weil er nicht fähig war etwas zu finden gesellten sich immer mehr zu  ihnen.

„Bitte! Bitte, helfen sie mir! Meine Tochter! Meine Tochter ist nicht mehr vom Spielen zurückgekommen!“ Panisch stürmte eine Frau in die Wache. In der einen Hand hielt sie ein Foto und in der anderen ein Taschentuch mit dem sie ihr eh schon verschmiertes Make-Up weiter zerstörte. Ihr rotes Haar hing wirr in ihr Gesicht. Strähnen hatten sich aus dem Zopf gelöst und flogen mit jeder Bewegung enthusiastisch mit.

Dann erblickte sie John und die blauen Augen fixierten ihn sofort, bevor sie dann auf ihn zu stolperte. „Bitte, sie müssen mir helfen. Meine kleine Amelie ist gestern nicht mehr vom Spielplatz zurückgekommen. Sie wollte um sechs Uhr Zuhause sein. Freunde haben sie pünktlich gehen sehen, aber sie kam nicht an. Ich habe schon alles abgesucht und...“

Die Tränen erstickten ihre Stimme und sie versteckte ihr Gesicht hinter dem Taschentuch. John stellte seine Tasse auf den Tisch ab und nahm dann das Foto entgegen. Erneut ein Kind, das ihn voller Lebensfreude anlächelte. Sie hatte das feuerrote Haar ihrer Mutter, doch grüne Augen.

„Wie alt ist ihre Tochter?“ Er deutete ihr Platz zu nehmen und folgte dann seiner eigenen Anweisung, bevor er sich einen Notizblockschnappte und bereit machte ihre Worte aufzuschreiben. Tom blieb neben ihm stehen, nahm das Bild entgegen und hängte es zu den anderen Kindern.

„Sie ist sieben Jahre alt. Noch nie war sie zu spät. Sie weiß, dass sie mit keinen Fremden mitgehen soll und kommt auch immer zur abgemachten Zeit nach Hause. Es ist ganz normal, dass sie sich alleine mit Freunden auf den Spielplatz trifft. Das hat schon seit sie sechs Jahre alt ist ganz gut funktioniert. Denn wissen Sie, mein Mann und ich müssen sehr viel arbeiten und ich kann sie doch nicht den ganzen Tag in ihrem Zimmer einsperren. Kinder müssen raus. Sie wollen rennen und sich bewegen.“

„Alles gut, Frau...“

„Schmidt. Marie Schmidt. Meine kleine Amelie ist so fröhlich. Wer würde einem kleinen Kind denn etwas antun?“

„Haben Sie bei Ihren Freunden nachgefragt?“

„Natürlich! Ich bin doch nicht dumm, Herr Polizist! Sie war mit ihnen auf den Spielplatz! Ist aber dann sogar früher gegangen, um pünktlich Zuhause zu sein! Keiner hat sie danach mehr gesehen! Und... ich habe gehört... Oh mein Gott, ich hätte sie nicht alleine gehen lassen dürfen. Aber... aber mein Chef... ich sollte noch etwas für einen Kunden erledigen. Ich... ich hätte sie begleiten müssen. Bitte! Bitte! Sie müssen meine kleine Amelie finden! Ich... ich könnte mir das nicht verzeihen, wenn ihr etwas passiert! Ich lasse sie dann auch nie wieder aus den Augen! Versprochen! Aber bitte! Bitte bringen sie mir mein Kind zurück!“

Plötzlich umklammerte sie schmerzhaft das Handgelenk von John. Er zuckte zurück und legte dann sanft eine Hand auf ihre. Tätschelte diese und löste sie dann zärtlich aber mit Nachdruck, um sie kurz in seine zu nehmen.

„Frau Schmidt. Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um ihnen Amelie zurück zu bringen. Bitte nennen sie mir die Adressen von Amelies Freunden und den Spielplatz, auf den sie normalerweise geht. Ich werde mich mit ihnen unterhalten und den Ort genauer ansehen. Sie können mir glauben, ich werde nicht eher ruhen, bevor ich ihre Tochter und all die anderen Kinder gefunden haben. Ihr Leid ist bei uns in guten Händen. Sie können uns vertrauen. Wir finden ihre Kleine. Ganz bestimmt. Sollte Ihnen noch etwas einfallen, dann können Sie mich jederzeit anrufen. Egal ob Tag oder Nacht. Ich werde abheben.“ Er überreichte ihr seine Visitenkarte und stand dann mit ihr gemeinsam auf, um sie aus der Wache zu führen.

Kaum hatte er die Tür hinter ihr geschlossen, seufzte er schwer und massierte sich die Schläfen, um das leichte Drücken auf sie zu minimieren. Das durfte doch nicht wahr sein? Was für einen Rhythmus hatte dieser Kerl? Das war doch nicht normal.

„Da haben wir Nummer Dreizehn.“ Mit einem mitleidenden Lächeln trat Tom an John heran, der sich von der Tür abstieß und zurück zu seinem Schreibtisch ging.

„Ja, er wird immer schneller oder es ist doch ein Ring. Wo versteckt er die Leichen?! Die müssen doch irgendwem auffallen!“ Er griff nach seinem Telefon und tippte eine kurze Nachricht an Beka: Es tut mir Leid. Ein weiteres Kind ist verschwunden. Wir brauchen dich. Komm bitte sofort ins Revier.

Er schnappte nach der Liste mit den Autos und hielt sie in die Luft: „Wir haben einen Spinner zu schnappen! Wer will helfen?!“ Drei weitere Kollegen hoben die Hand und kamen zu ihm.

„Also, ich habe hier eine Liste von Autos, die auf die Beschreibung des Punks passen. Wenn jeder ein paar davon übernimmt, dann kriegen wir das vielleicht sogar heute noch über die Bühne. Leiht euch am Besten noch einen Hund aus. Wir haben hier noch ein paar Shirts der Kinder. Vielleicht finden sie eine Spur in irgendeinem der Wägen.“ Er zerschnitt das Papier und drückte jedem einen Streifen in die Hand, wodurch die vier Männer um ihn herum nickten, bevor sie dann schon ihre Jacken holten und das Revier verließen.

Kurz darauf vibrierte sein Handy, doch der Anfang der Nachricht gefiel ihm schon gar nicht: Tut mir Leid. Ich werde hier auch gebraucht. Du schaffst das bestimmt auch mit ein paar Kollegen, die diesen Fall ernst genug nehmen.

John schnaubte und schickte nur ein kurzes Okayzurück, um sich dann seine Jacke anzuziehen und mit zwei Papierstreifen aufzubrechen. Wenn sie noch auf eingeschnappte Pute machen wollte, dann sollte sie ruhig. Er schaffte es auch ohne sie. Ihm taten nur die Kinder Leid, aber das war etwas mit dem musste Rebeka selber fertig werden. Das war nicht sein Problem. Nein, definitiv nicht sein Problem...



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