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Der Feensammler

von

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„Okay. Das ist der Ort, an dem man Michael das letzte Mal gesehen hat. Wir haben ein altes Shirt von ihm. Vielleicht finden die Hunde jetzt eine Spur. Der Kerl muss doch irgendwann einen Fehler machen. Er kann nicht perfekt sein.“ John stand zusammen mit Rebeka und ein paar Kollegen vor dem Haus des Jungen. Er hielt ein altes, blaues Shirt in seiner Hand, während fünf Hunde darauf warteten, dass sie endlich loslegen konnten.

„Das ist echt wichtig, Jungs. Wir haben mittlerweile zwölf vermisste Kinder und von ihnen fehlt jede Spur. Die Bevölkerung will endlich Ergebnisse sehen und wir sind es den Kleinen schuldig, dass wir herausfinden was mit ihnen passiert und wenn möglich aus ihren Alptraum befreien.“

John glitt ein eiskalter Schauer über den Rücken. Bis jetzt hatte es noch niemand direkt gewagt auszusprechen, was viele insgeheim dachten. Er hoffte, dass sie die Kinder lebend finden würden, doch mit jedem weiteren Tag und vor allem Opfer schrumpfte diese Möglichkeit ein kleines Stück weiter und machte der Hoffnungslosigkeit mehr Platz. Doch er wollte sich von dieser Möglichkeit nicht unterkriegen lassen. Nicht daran denken. Er musste sie finden. Die Eltern wollten Antworten. Also holte er noch einmal tief Luft und ging dann zu den Hunden, ließ jeden einmal an dem Shirt in der Tüte schnuppern und verschloss die Plastiktüte dann wieder.

Noch einmal holte er kurz tief Luft und ließ gedanklich ein Stoßgebet gen Himmel wandern, dass diese Aktion endlich einmal zu einem Ergebnis führen würde. Langsam war es John egal, was er fand. Er wollte nur endlich wissen, womit sie es hier zu tun hatten und dass sie entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen konnten.

„Also, Jungs, lasst die Suche beginnen“, gab Beka das Startzeichen und schon begannen die Tiere den Weg entlang zu schnüffeln. Immer wieder blieb eines der Tiere stehen, schürte so Hoffnung, nur um dann zu schnauben und weiter zu ziehen. Sie liefen auf dem Weg zu dem Vater des Kindes. Immer weiter. Stück für Stück. Jedes Mal wenn einer der Hunde stehen blieb, besah sich John diese Gegend genauer.

Das erste Mal war es an einer Ansammlung von Mülltonnen. Dort lag ein Stock, der den Hunden besonders gefiel und John hob diesen auf, um ihn dann in einer der Tüten zu stecken, die er mitgenommen hatte. Vielleicht hatte Michael damit ein wenig gespielt und ihn dann nach einem Trommelsolo hier fallen lassen. Bestimmt hatte sich eine der Anwohner über den Lärm beschwert.

„Möchtest du dich mal in den Häusern hier umhören, ob jemand Michael gesehen hat, Beka?“ Sie nickte sofort und nahm das Bild des Jungen an sich, um dann an den Türen der umliegenden Häusern zu klingen.

„Wollen wir auf sie warten, John?“ Einer der Hundeführer sah ihn fragend an, während die Tiere an ihren Leinen zogen und so weiter drängten, wodurch er abwinkte. „Nein, die Tiere folgen noch einer Fährte. Wir sollten sie nicht zu lange warten lassen. Beka macht das schon.“

Nach ein paar Meter wurden die Hunde erneut unruhig. Es war eine kleine Bank, die zu einer Bushaltestelle gehörte. Sie blieben lange dort und schnupperten um das Holzgebilde herum, bevor sie dann weiter drängten. John besah sich den Ort genauer. Der Mülleimer war leer und laut dem Fahrplan kam zu dieser Zeit auch kein Bus. Zumindest nicht, wenn der Junge sich ziemlich beständig fortbewegte. Aber war er wirklich so zuverlässig?

John notierte sich die zwei Linien, die um diese Zeit herum hier vorbeigefahren sein könnten. Vielleicht hat ja einer der Busfahrer den Jungen gesehen und mit etwas Glück sogar noch mehr. Er musste jede noch so kleine Spur verfolgen, denn nach wenigen Schritten war es vorbei.

Die Hunde begannen sich im Kreis zu drehen und hin und her zu rennen. Ihr Winseln zeigte deutlich, dass sie jetzt die Spur des Kindes verloren hatten. Hier musste es also passiert sein. An diesem Ort war der Junge verschwunden. Es war einfach nur ein Straßenrand. Nichts Besonderes. Keine Kreuzung. Keine Ampel. Nichts war hier in der Nähe, in dem man hätte lauern können und das Kind einfach wegreißen.

John sah sich um und versuchte etwas zu finden, doch es gab nichts. Ein leer stehendes Geschäft auf der Seite des Kindes und auf der anderen Seite war eine Diskothek, die zu dieser Zeit auch geschlossen war. Er versuchte in das Gebäude zu sehen, doch die Hunde drängten sich eher zum Straßenrand, als zu diesem Haus.

„John, ich glaube, dass der Junge hier in ein Fahrzeug gestiegen ist. Anders kann ich es mir nicht erklären.“

„Ja, das glaube ich auch. Aber was sollen wir tun? Finden die Hunde hier nichts? Der Junge muss sich doch gewehrt haben, oder nicht? Es war doch bestimmt ein Fremder.“

„Entweder war der Kampf kurz oder er hat nicht existiert. Zumindest gibt es keine Anzeichen dafür. Die Hunde finden nichts, was dem Jungen gehört. Nirgends ist sein Duft dran. Es ist als wäre er hier einfach verschwunden. Aber wahrscheinlich eher irgendwo eingestiegen.“

„Seine Mutter hat gesagt, dass er niemals mit Fremden mitgehen würde.“

„Dann kannte seine Mutter ihn nicht gut genug. Wir finden hier nichts mehr. Die Hunde haben die Spur verloren und es gibt hier nichts mehr.“

„Vielleicht hat die Diskothek eine Überwachungskamera. Sie könnte etwas aufgezeichnet haben.“ John wollte noch nicht aufgeben. Dieser Einsatz durfte nicht zu einem Flop werden. Er hoffte so sehr, dass Rebeka irgendeinen Hinweis auf das Kind bekommen würde. Bestimmt hatte einer der dortigen Anwohner das Kind gesehen. Irgendjemanden hat das Trommeln bestimmt gestört. Das musste so sein.

Kurz sah er nach links und rechts bevor er dann über die Straße lief und erneut etwas notierte: Den Namen des Diskothek „Hot Dancing“. Die Schaufenster waren schwarz, so dass man nicht hineinsehen konnte, während ihr Name mit einer ausgeschalteten Leuchtreklame das Einzige war, was man dort drinnen sah.

„Sie scheinen sehr auf Diskretion zu stehen.“ Erneut stand der Leiter der Hundestaffel neben ihm und besah sich das Gebäude ebenfalls, während sein Hund auf der anderen Straßenseite auf ihn wartete. „Ja, vielleicht sollte ich heute Abend mal vorbeikommen. Man kann zwar keine Kamera erkennen, aber mit etwas Glück ist sie einfach nur gut versteckt.“

„Du hast zumindest nichts groß zu verlieren. Außer ein wenig Zeit. Aber nachdem es eine deiner wenigen Spuren ist, kannst du es durchaus wagen.“

„Danke für deine Aufmunterung“, erwiderte John schnippisch und hoffte, dass sein Kollege jetzt endlich ruhig blieb, doch der Braunhaarige dachte gar nicht daran aufzuhören. „Nicht dafür, Kollege. Ich werde mit meinen Jungs jetzt wieder abziehen. Tut mir Leid, dass wir dich nicht direkt zu dem Kind führen konnten. Aber, du machst bestimmt was aus den neuen Erkenntnissen. Kopf hoch, wir kriegen den Mistkerl.“

„Ja, danke“, grummelte John und nach einem kurzen Schulterklopfen verschwand der Kollege auch schon wieder und nahm seine Jungs mit. John blieb stehen und besah sich den Ort noch einmal genauer. Irgendwo musste doch ein Hinweis auf den Jungen sein, doch die Straße wirkte so sauber, als hätte man gerade erst durchgefegt und egal hinter wie viele Mauern oder Bäume oder Bänke John sah, er fand nichts, was auch nur im Ansatz den Jungen gehören könnte.

„Irgendwem muss doch auffallen, wenn jemand lauter Kindersachen entsorgt, oder nicht?“ Er begriff nicht, wie ignorant manche Menschen sein konnten, doch er hatte in seinem Leben schon so viel gesehen. Zeugen, die neben einem Verbrechen saßen und es als schlechten Scherz abgestempelt hatten. Eltern, die ihre Kinder halb tot schlugen und es für das normalste der Welt hielten. Oder gar es als normale Tat erachteten, wenn sie eine gekränkte Ehre mit einem Mord rächten.

John seufzte und steckte seinen Notizblock ein, als er schon erkannte, dass Rebeka langsam den Weg entlang kam. Ihr Gang ließ nichts Gutes erahnen. Sie wirkte geknickt und schwunglos, wodurch John schon das Schlimmste erwartete, als die Frau vor ihm zum Stehen kam.

„Fehlanzeige. Niemand hat den Jungen gesehen. Man hörte zwar das Trommeln, doch da es relativ schnell wieder nachließ, hat niemand nach draußen gesehen.“ Mit jedem Wort, das über ihre Lippen kam, sanken ihre Schultern tiefer und wäre jetzt eine Bank in der Nähe, dann hätte sie sich wohl drauf fallen lassen.

„Na ja, hier ist der Junge verschwunden. Wir können uns heute Abend mal mit dem Leiter dieser Diskothek auseinander setzen. Klar, wird niemand was gesehen haben, aber mit etwas Glück haben sie eine versteckte Kamera, die uns die andere Straßenseite zeigt und damit was mit dem Jungen passiert ist.“ Er legte ihr aufmunternd eine Hand auf die Schulter und versuchte sich an einem Lächeln. Das kurze, amüsierte Funkeln in ihren Augen zeigte ihm, dass es ihm wohl eher misslang, doch sie straffte sich und richtete sich wieder auf.

„Okay, dann lass uns den Stock ins Revier bringen. Vielleicht finden wir ja mehr als die Fingerabdrücke des Jungen darauf und heute Abend kommen wir hierher zurück. Irgendwann muss er einen Fehler machen.“ Sie lächelte wieder und schlug dann in seine dargeboten Hand ein, wodurch sie ihre Worte in die Tat umsetzen und langsam zurück zu ihrem Wagen gingen.

Sie hatten sich davon zwar mehr erhofft, doch sie gingen nicht ganz leer aus und allein dieser kleine Erfolg fühlte sich auf eine seltsame Weise unbeschreiblich gut an, denn nun war sie wieder da. Die Hoffnung, dass sie ihm doch langsam näher kamen und irgendwann. Ja, irgendwann auch erreichen würden...



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