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Juli 1970

Pathologie eines Philologen
von

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Die Masken fallen

Als sie das Hotel erreicht hatten gab Hiller endlich seine Aufmunterungsversuche auf. Michael ging geradewegs zur Rezeption und erkundigte sich, ob er Post erhalten hatte. Ein Umschlag mit dem Hotelschriftzug wurde ihm überreicht. Michael ignorierte, daß Hiller neugierig an seiner Seite stand und öffnete den Umschlag. "Wir sind zum Tee verabredet", stand dort nur.
 

"Was ist denn das für eine Sprache?" fragte Hiller und deutete auf den Text. Diesmal hatte Michael gar nicht bewußt wahrgenommen, daß es die verschlungene Linie war, die sich erst auf den zweiten Blick zu einem Satz ordnete - aber offenbar nicht für Hiller.
 

"Hebräische Schreibschrift", behauptet Michael einfach, denn er wußte, daß Hiller kein Hebräisch beherrschte. "Ashmody erinnert mich an eine Verabredung. Ich fürchte, du mußt allein essen, Max."
 

Hiller wünschte Michael einen netten Nachmittag und verschwand im Restaurant. Doch Michael kam nicht weit. Anwar Hawke und ein unbekannter Mann kamen zwischen Rezeption und Hinterausgang auf ihn zu.
 

Hawke begrüßte Michael als Professor Drake und stellte ihn und den Fremden einander vor. Bei dem etwa fünfzigjährigen, schlanken Mann handelte es sich um Sir George Harper, Lord Starling of Cumberland, den obersten Untersuchungsbeamten der Protektoratspolizei, der höchstpersönlich die Untersuchung des Mordes an Maria Theodorou leitete.
 

Die drei Männer ließen sich in einer ruhigen Ecke des Foyers in den dort stehenden Sesseln nieder, und seine Lordschaft erklärte kurz, wieso er Michael sprechen wollte: "Wir haben unter den Papieren im Hotelzimmer der Toten einen Taschenkalender gefunden, in dem sie ein Treffen mit ihnen vorgemerkt hatte, für...", seine Lordschaft überlegte eine Sekunde, "...den 16., also gestern. In ihrer Bemerkung dazu stand: 'unbedingt vor D. warnen'. Haben sie eine Idee, wer 'D.' sein könnte?"
 

Michael runzelte die Stirn, um sich den Anschein angestrengten Nachdenkens zu geben. Der Geist der Griechin hatte ihn vor dem Dämon, nein, genauer dem 'Daimon' gewarnt, die Briefe warnten vor dem Druiden und dann gab es ja noch den Dämon, von dem der Tiarna-na-Sidhe gesprochen hatte. Oder hatte sie Danielle Ashmody gemeint, David O'Sullivan? "Ich habe nicht die geringste Ahnung. Ich kannte Frau Theodorou nicht einmal persönlich, obwohl wir an der selben Universität lehren... lehrten."
 

"Sie sagten mir doch heute morgen, sie wäre ihnen gestern im Zug erschienen", erinnerte Hawke Michael plötzlich. Damit erntete er konsternierte Blicke von seiner Lordschaft und von Michael, aber Hawke bestand darauf. "Sie sagten mir ausdrücklich, die Griechin sei ihnen erschienen und habe sich 'Weisheit und Vernunft' genannt."
 

Michael verwünschte sein loses Mundwerk. "Ich habe auf der Zugfahrt hierher irgendetwas geträumt und dann, als ich gestern abend das Bild der Toten in der Zeitung sah, dachte ich, das müsse sie gewesen sein. Aber ich bin mir dessen keineswegs mehr sicher", versuchte er, sich herauszureden.
 

"Eine Geistererscheinung?" fragte seine Lordschaft skeptisch. "Das ist ja nun kaum etwas Verwertbares." Michael wollte schon aufatmen, aber da fuhr seine Lordschaft fort: "Aber sie haben doch wohl ein Gespräch geführt, mit dem 'Geist', wenn sie sich vorgestellt hat. Was sagte sie denn noch?"
 

Michael bekam einen ganz trockenen Mund und der gestohlene Ring in seiner Hosentasche wurde kalt. Er hatte den genauen Wortlaut noch im Ohr, aber was ging das die Polizei an?
 

"Sagen sie schon, was sie wissen, Professor", redete ihm seine Lordschaft gut zu. "Es könnte uns helfen, den Mörder zu finden."
 

Hatte Hawke seinem Vorgesetzten schon mitgeteilt, was Michael ihm über den Inhalt des verschwundenen Briefes gesagt hatte? Er wünschte sich, ebenso wie Ashmody die Gedanken seiner Gegenüber lesen zu können, steckte die Rechte in die Hosentasche, spielte mit dem eisigkalten Ring, zog die Hand wieder aus der Tasche. "Sie sagte: Sie begeben sich in Gefahr und sie werden Verbündete brauchen im Kampf gegen den Daimon."
 

"Was für einen Daimon meinte sie? Den Daimon 'Eros' wie in Sokrates' Rede?" fragte seine Lordschaft.
 

"Was für eine Rede des Sokrates?" fragte Michael nun wieder, völlig überrascht über die Deutung von 'Daimon'.
 

"Es wurde eine griechische Ausgabe des Symposions von Plato unter den Besitztümern der Toten gefunden und gerade in der Rede des Sokrates gibt es an den Stellen Anstreichungen und Randbemerkungen von der Hand der Toten, wo die Natur des 'Eros' als Daimon hervorgehoben wird", erklärte Hawke.
 

"Sie hat sie also vor einem Daimon gewarnt, das könnte das 'D.' bedeuten - oder aber es steht für 'Druide' wie der Brief vermuten läßt, von dem sie dem Coroner erzählt haben, Professor", folgerte seine Lordschaft und notierte sich etwas mit einem goldenen Drehbleistift in einem kleinen Block, der in eine silberne Halterung geklemmt war.
 

Den 'Daimon' als 'Eros' zu deuten, gab natürlich dem Angebot, im Kampf 'Weisheit und Vernunft' als Verbündete zu wählen, einen echten Sinn. Gerade diese beiden... Tugenden wurden durch den Eros ja zumeist ausgeschaltet. Michael empfand bisher unbekanntes Unbehagen über seine körperliche Sehnsucht nach Ginger. Vor dem Begehren, das Ashmody bei jeder Begegnung in ihm entzündete, mußte ihn kein Gespenst warnen. Mit Sicherheit war sie der Dämon, von dem der Tiarna-na-Sidhe gesprochen hatte, denn ihre dämonische Natur verbreitete sie um sich, wie ein reichlich aufgetragenes Parfum. Doch Ginger konnte nicht der Druide sein... durfte es nicht sein. Michael hielt den Kopf gesenkt und hoffte, daß die in ihm widerstreitenden Gefühle nicht an seiner Miene ablesbar waren. Er bemühte sich um Ruhe, sah auf, gerade in Hawkes Gesicht. Der junge Arzt mit den goldenen Augen im dunkelhäutigen Gesicht erwiederte Michaels Blick mit einem völlig undeutbaren Ausdruck. Für einen kurzen Moment hatte Michael den Eindruck, einem verwandten Geist gegenüberzusitzen, der sich, ebenso wie er selbst, vor die Entscheidung zwischen Dämon und Druide gestellt sah. Doch dieser Moment verging.
 

Michael stand auf. "Wenn sie keine weiteren Fragen an mich haben, würde ich mich jetzt gerne entschuldigen, denn ich habe eine Verabredung", sagte er zu seiner Lordschaft und verneigte sich knapp. Und an Anwar Hawke gewand fügte er noch hinzu: "Wir sehen uns ja wohl heute abend bei der Aufführung in St.Michael."
 

Und er ging, ohne einen Blick zurückzuwerfen, zum Hinterausgang des O'Sullivan'S, um Ashmodys Einladung nachzukommen.
 

In dem düsteren Gang, kurz vor der äußeren Glastür, die hinaus zur Promenade führte, stellte Ginger sich Michael in den Weg, schob ihn freundlich lächelnd an die Wand und rückte ihm nahe auf den Pelz. "Du hast dich so sang- und klanglos aus dem Staub gemacht, heute morgen", sagte er mit einem leichten Schmollen. Jetzt duftete er nach frisch gemahlenem Kaffee. "Und was wollte die Polizei von dir?"
 

Michael versuchte mit den Schultern zu zucken, was durch den geringen Raum, den Ginger ihm ließ und den Muskelkater erschwert wurde. "Ich habe keine Ahnung, was sie wirklich von mir wollen", behauptete Michael. "Ich hoffe doch, daß sie zur Kenntnis nehmen, daß ich zum Zeitpunkt des Todes der Griechin irgendwo zwischen Lahr und Bannstedt auf der Eisenbahn war."
 

Ginger rückte, wenn möglich, noch näher, steckte seine Hände in Michaels weite Hosentaschen, ging ein wenig in die Knie um bis an ihren Grund zu reichen, küßte Michael flüchig auf die Lippen und zog mit einem triumphierenden "Aha!" den Ring aus Michaels rechter Tasche. "Habe ich mir doch gedacht, daß du ihn gefunden hast. Aber laß dich damit nicht von der Polizei erwischen." Er drückte dem verdutzten Michael den Siegelring wieder in die Hand.
 

"Wie kannst du...", begann Michael, aber Ginger kraulte ihn mit einem so süßen Lächeln am Kinn, daß ihm die Worte in der Kehle steckenblieben.
 

"Inzwischen sieht man dir deine Natur schon an, wenn man einen Blick dafür hat, mein Engel. Sieh zu, daß du dir deinen freien Willen bewahrst und dich nicht vom Dämon einwickeln läßt." Ginger küßte Michael noch einmal spielerisch auf die Wange, trat dann ein Stückchen zurück. Nun war er ernst geworden. "Ich bin der Überzeugung, daß du ein Anrecht auf Selbstständigkeit hast und ich werde auch dafür kämpfen."
 

"Zusammen mit deinem Großvater", stellte Michael fest.
 

Ginger nickte. "Zusammen mit meinem Großvater", bestätigte er Michaels Vermutung, "und für dich, Taranis." Ohne ein weiteres Wort drehte Ginger sich um und verschwand den Gang hinunter in Richtung Hotelfoyer.
 

Gingers Nähe, seine Berührungen und Küsse hatten Michaels Blutdruck wieder hochschnellen lassen, und er fühlte sich in angenehmer Weise fiebrig. Der Ring war kühl und diesmal widerstand Michael nicht, ihn sich an den Ringfinger der Rechten zu stecken. Es war, als sei er dadurch plötzlich ganz geworden, ohne gewußt zu haben, daß ihm zuvor etwas gefehlt hatte. Er fühlte, wie das Feuer wieder durch seine Adern jagte, aber er gab dem Impuls, die Flügel wachsen zu lassen, nicht nach. Er ging zu Fuß zum Leuchturm des Dämons.
 

*
 

Als Michael die Bucht zu etwa einem Drittel umrundet hatte und zurück zum Hotel und der Burgruine schaute, sah er, daß noch immer ein Stück des Badestrandes unterhalb des Hotels abgesperrt war. Eine ganze Horde Polizisten war anscheinend damit beschäftigt, den Sand durchzusieben. Das mußte der Tatort sein. Michael suchte an der der Bucht zugewandten Fassade des O'Sullivan'S nach Gingers Schlafzimmer mit der zerstörten Balkontür, aber er konnte es nicht entdecken.
 

Er setzte seinen Weg fort und endlich war der Leuchtturm näher als die ihm gegenüberstehende Burgruine. Aufgemauert aus roten und gelben Ziegeln, mit rundem Grundriß, sich nach oben leicht verjüngend, bis zu einer stählernen Galerie rund um das alte Leuchtfeuer, das sicher schon Jahrzehnte nicht mehr in Betrieb war. Dennoch stellte Michael Ähnlichkeiten zu seiner Vorstellung vom Wohnturm der Hannah von Tyros fest. Hatte er diese Vorstellung von Hannah und dem Astartetempel der phönikischen Stadt schon gehabt, bevor er Ashmody kennenlernte? Er konnte es nicht sagen. Danielle B.Ashmody hieß sie und Michael war sicher, daß B.Ashmody für bat Aschmodai stand und sie die Tochter eines Fürsten der Dämonen war.
 

Eine Zugklingel war neben der Tür des Leuchtturms angebracht und schon kurz nachdem Michael sie betätigt hatte, wurde ihm geöffnet.
 

Ashmody trug ein weites, buntbedrucktes Kleid, eine Art bodenlangen Kaftan, die Haare hatte sie zu einem Zopf geflochten. "Schön, sie zu sehen", begrüßte sie Michael und gab ihm mit einer einladenden Handbewegung den Weg in den Turm frei. Michael fiel auf, daß sie keinen Ring trug.
 

Er trat ein und Ashmody schloß die Tür. "Der Tee ist schon fertig, folgen sie mir hinauf", sagte sie dann und ging zur Treppe, die an der Wand entlang nach oben zu einem Loch in der Decke führte. Michael folgte Ashmody in einigem Abstand und stellte fest, daß ihre Rückenansicht mit ihren breiten Schultern, den schmalen Hüften und schlanken Beinen sehr maskulin wirkte. Und sie trug keine Schuhe an ihren recht großen Füßen.
 

Die nächste Etage wurde von einer reichhaltig gefüllten Bibliothek oder - angesichts zweier großer Schreibtische - vielleicht eher einem Arbeitszimmer eingenommen, und die Treppe führte weiter nach oben in eine Wohnküche. Es stand tatsächlich eine große Kanne Tee auf einem Stövchen bereit und eine Platte mit Sandwiches. Beim Anblick der gebutterten Brotscheiben mit Kresse merkte Michael, daß er inzwischen nicht unerheblichen Hunger hatte.
 

Ashmody lud ihren Gast ein, Platz zu nehmen, schenkte Michael und sich selbst eine Tasse Tee ein und fragte, ob er auch Zitrone oder Milch und Zucker wünsche. Doch Michael trank seinen Tee, ebenso wie seine Gastgeberin, schwarz.
 

Er nahm ein Sandwich und sah sich um. Die Wohnküche hatte ein großes Fenster in Richtung Bucht, gerade auf die Ruine der Burg und ein zweites, kleineres unter der Treppe, die weiter nach oben führte. Es bot einen Blick auf die Stadt: der Michael auf dem Engelsturm wandte dem Leuchtturm den Rücken zu und seine von der Sonne angestrahlten hellgrünen Flügel hoben sich auffällig von dem nun tiefblauen, nahezu unbewölkten Himmel ab.
 

Michael griff nach einer Weile des Schweigens nach seiner Tasse, um an dem noch dampfend heißen Tee zu nippen.
 

"Sie tragen ihn also", bemerkte Ashmody leise mit Blick auf seine Rechte und den antiken Siegelring.
 

"Wieso wissen alle Leute, denen ich hier begegne, besser über diesen Ring Bescheid, als ich?" fragte Michael etwas pikiert.
 

Ashmody sah ihn einen Moment nur an, stützte das Kinn auf ihre Faust, an der jetzt der Ring mit dem roten Stein zu sehen war. Den konnte sie nicht aus dem taschenlosen Kaftan hervorgezogen haben. "Es ist zweifellos dein Ring, Michael", sagte Ashmody. "Spürst du nicht, wie du wieder Anteil am Ganzen hast?" Ashmodys Augen begannen, ihren Zauber zu wirken. "Kehre zurück vor Sein Angesicht", schlug sie vor, und ihr süßes Lächeln konnte sich mit dem Gingers messen.
 

"Sie sind bat Aschmodai, nicht wahr?" fragte Michael nun geradeheraus. Was hatte er mit diesem Dämonenkind gemein?
 

Ashmody lachte fröhlich. "Das glaubst du wirklich? Von wievielen weiblichen Engeln hast du bisher gehört? Ben Aschmodai trifft es eher! Aber du hast recht, ich war nie vor Seinem Angesicht. Mein Vater zeugte mich mit einer der Menschentöchter. Du jedoch hast nur Zuflucht gesucht in diesem menschlichen Körper, den du jetzt schon fast völlig verwandelt hast. Nimm den Bart fort und du wirst dein wahres Antlitz sehen."
 

Ashmody griff hinter sich, nahm einen Handspiegel von der Ablage des Küchenschranks und reichte ihn Michael.
 

Der Handspiegel war aus Bronze, der Griff eine weibliche Figur, die mit ausgestreckten Armen die polierte Spiegelscheibe hielt. Solche Gegenstände kannte Michael nur aus Museen. Die Rückseite zeigte eine eingravierte Liebesszene, ein Satyr und eine Nymphe in inniger Umarmung. "Wie komm..st du an einen solchen Spiegel?" fragte Michael neugierig.
 

Ashmody zuckte mit den Schultern. "Sowas sammelt sich im Laufe der Jahre halt an", sagte sie oder er mit verschmitztem Lächeln. Noch immer sah Michael in Ashmody Hannah, doch Gewißheit über das Geschlecht ließ das androgyne Gesicht des Dämonen- oder Engelkindes nicht zu. Es schien geradezu zu oszillieren zwischen Mann und Weib. Und der Name, den sie oder er verwendete, war zumindest akustisch zweigeschlechtlich, denn 'Danielle' sprach sich wie der hebräische Männername 'Daniel' und wahrscheinlich stand es in Ashmodys Fall für 'göttlicher Richter' - vielleicht sogar für 'Scharfrichter' -, nicht für 'Gott richtet' wie im Falle von Großvater Dumeloille.
 

Michael betrachtete die Spiegelung seines Gesichtes auf dem polierten Rund. Er war möglicherweise noch jünger geworden und sein Bart wirkte in diesem jugendlichen Gesicht tatsächlich Fehl am Platze. Dieser Gedanke reichte offensichtlich, denn plötzlich blickte ihm aus dem Spiegel ein bartloses, ebenso androgynes Gesicht entgegen wie von der anderen Tischseite. Aber es war doch sein Gesicht im Spiegel.
 

Ashmody stand auf, kam um den Tisch herum zu Michael und nahm ihm den Spiegel aus der Hand, von dem - und vor allem von der Spiegelung darin - Michael selbst sich nicht losreißen konnte. Ashmody legte den Spiegel auf den Tisch, neben die Platte mit den Sandwiches. Dann enthüllte sich das Engelkind, stand, mit zusammengefalteten Flügeln aber völlig unbekleidet vor Michael. In dem Moment wurde Michael klar, daß er bisher nur von den Begegnungen mit Ashmody geträumt haben konnte oder sich an die Begegnungen nicht mehr recht erinnerte, denn tatsächlich hatte Ashmody keine Ähnlichkeit mit einem weiblichen Menschen. Sein Körper leuchtete golden, und seine dunklen Flügel bestanden nicht aus Federn sondern aus tausenden von sanft glimmenden Flammen. Michael hörte, wie das Feuer in Ashmodys Adern pulsierte und sich seinem noch menschlichen Körper mitteilte. Nie hatte Ashmody nur mit den Augen zu Michael gesprochen, stets war es der ganze Körper gewesen. Und Michael antwortete auf diese unausgesprochene Frage, nahm seine wahre Gestalt an, vereinigte sich mit seinem Artgenossen.
 

Doch etwas in Michael war sich weiterhin seiner menschlichen Natur bewußt, hatte weiterhin eine Neigung, Individuum zu sein, sträubte sich dagegen, aufzugehen in der Geborgenheit des Ganzen, verweigerte sich der vollkommenen Vereinigung, und Ashmody spürte das natürlich. Seine Frage mußte er nicht äußern, Michael fühlte sie, doch er hatte keine Antwort darauf. Und sie trennten sich.
 

Ashmody kehrte zurück zu seiner menschlichen Gestalt und sah Michael traurig an. "Noch ist die Erinnerung nicht vollständig zurückgekehrt, wie es scheint", sagte er, aber Michael hörte, daß Ashmody Ginger dafür verantwortlich machte, daß Michael sein menschliches Dasein nicht ablegen wollte. "Erinnere dich doch an den 'König für eine Nacht', in dem du für deinen Helden intuitiv die richtige Seite und die richtigen Beweggründe gewählt hast. Suche keinen Gewinn für dich, sondern strebe nur danach, die Pläne unseres Gegners scheitern zu lassen - auch wenn du deine Individualität dafür aufgeben mußt. Vertraue nicht auf die Versprechen, mit denen der Druide dich einzuwickeln versucht. Er wird sie nie erfüllen können!"
 

Doch Michael dachte an keine alten Geschichten, sah nur Ginger schlafend zwischen seinen schwarzen Laken liegen. Er sprang durch das große Fenster der Wohnküche, um zu ihm zu gelangen.
 

* * *
 



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