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Colorblind

Take your glasses off
von

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Reluctant confrontation

„Ein Nephilim ist das Ergebnis aus der Kreuzung zwischen Mensch und Dämon.“

Yukio horchte auf.

„Die erste Generation der Nephilim erbt die meiste Kraft von ihren dämonischen Elternseite, doch mit der Zeit wird das Dämonenblut so weit verzüchtet, dass die Nachkommen der Nephilim nicht mehr von normalen Menschen zu unterscheiden sind. Ein Nephilim hat eine längere Lebenserwartung als ein Mensch, wobei ein langlebiger Nephilim etwa zweihundert Jahre alt wird. Das ist aber nicht immer der Fall, denn manche von ihnen haben Körper, die sich schnell zersetzen. Zirka so, wie es bei der Besessenheit durch einen Dämonen der Fall ist. Einige Nephilim haben körperliche Merkmale ihrer dämonischen Eltern wie beispielsweise blasse Haut, andersfarbige Augen und spitze Ohren. Sie können in einigen Fällen auch mit anderen Dämonen kommunizieren.“

Der Lehrer schrieb mit einem Stück Kreide und das kurze Kratzen von Fingernägeln auf der Tafel ließ die Novizen zusammenzucken. Entschuldigend hob der Mann die Hand und führte seinen Satz fort.

Yukio konnte in seinem Augenwinkel erkennen, wie seine Banknachbarin die Hand hob und eine Frage auf der Seele zu haben schien. Nach kurzem Schreiben wurde sie auch aufgerufen.

„Wie verhält man sich einem Nephilim gegenüber?“

„Gute Frage, Moriyama. Nur leider kann ich dir diese nicht beantworten, da man nie weiß, wer Dämonenblut in sich trägt. Ich gehe davon aus, dass alle Personen in diesem Raum nur eine Masho erlitten haben und nicht aufgrund ihrer Eltern Dämonen sehen können.“

„Also könnte jeder theoretisch ein Nephilim sein, der sich nur gut tarnt?“, fragte Yukio und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.

„Korrekt, Okumura.“

„Reagieren sie dann auch auf Weihwasser und all den Kram?“

„Wieder korrekt.“

Nachdenkend biss Yukio sich auf die Unterlippe und nickte verstehend. Dann griff er wieder nach seinem Kugelschreiber und führte seine Notizen fort.
 

Selbst nachdem die Stunde vorbei war blieb Yukio an seinem Platz sitzen und ging seine Notizen ein weiteres Mal durch. Er fügte Dinge hinzu, die er im Schreibfluss vergessen hatte.

Danach nahm er seine Brille kurz ab und rieb sich über die Augen. Währenddessen wurde ihm etwas auf den Tisch gelegt und eine weitere Person hievte sich auf den aufgeräumten Tisch. Direkt setzte Yukio sich seine Brille wieder auf und griff nach dem in Plastik eingewickelten Yakisoba-Brötchen. Ein Milchbrötchen gefüllt mit japanischen Bandnudeln und der typischen Yakisoba-Soße.

„Vielen Dank.“

„Du warst die Stunde ganz schön auf Zack“, sagte Shima mit vollgestopftem Mund, und Yukio winkte nur ab und ließ das Brötchen in seinem Rucksack verschwinden. „Gibt's 'nen Grund dafür?“

„Die Gier nach Wissen“, antwortete Yukio und lächelte mit geschlossenen Augen.

„Wer's glaubt. Bist du etwa einem Nephilim begegnet?“

„Was? Nein. Vater würde mich auslachen würde er wissen, dass ich von einem Nephilim getäuscht worden wäre. Wie sieht's bei euch aus?“

Auch Suguro und Konekomaru nahmen nun Platz auf Yukios Tisch und schüttelten verneinend die Köpfe.

„Aber wer weiß... vielleicht lauert ja hinter dieser Tür einer von ihnen“ Shima versuchte irgendwie angsteinflößend zu wirken, versagte damit aber auf ganzer Spur. „Aber muss cool sein so alt zu werden.“

„Bis du dich mit einem Menschen anfreundest und dieser so viele Jahre vor dir stirbt“, bemerkte Suguro, und Shima schürzte die Lippen.

„Man, Bon, verdirb einem doch nicht immer alles! Es muss bestimmt romantisch sein, bis an sein Lebensende zu wissen, dass man geliebt wird.“

„Können diese Dinger denn überhaupt Liebe empfinden?“

„Und nachdem du tot bist suchen sie sich für den Rest ihres Lebens wieder jemanden“, sagte Yukio stumpf und verstaute seinen Block im Rucksack. „Wie romantisch...“

„Kann mir ja egal sein, wenn ich tot bin-“

„Es kann dir auch so egal sein, weil nicht mal ein Nephilim sich auf dich einlassen würde“, mischte sich nun Izumo in das Gespräch ein und lief an der kleinen Gruppe vorbei zu ihrem Platz. „Warum sollte ein Nephilim die Hälfte seines Lebens mit einem Kerl wie dir verbringen?“

Überdramatisiert griff Shima sich an die Brust und imitierte den schlimmsten Herzschmerz, den er je in seinem kurzen Leben gespürt hatte.

„Holla...“, sagte Yukio mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Ach, das meint Izumo nicht so, du kennst sie do-“, winkte der Pinkhaarige ab, wurde aber von dem Mädchen direkt unterbrochen: „Und wie ich das meine!“

Suguro kicherte leise in sich hinein und der braunhaarige Brillenträger hielt nur angespannt die Luft an. Die konnte aber auspacken... Da kannte er aber auch jemanden, der das mehr als nur gut konnte. Ein gewisser Jemand, der ihm ein Buch mit sieben Siegeln war. Aber er würde Rin schon noch knacken. Und wenn es Yuri war, die ihm Antworten auf seine Fragen gab. Doch Suguros Hand, die vor einem Gesicht wedelte, riss ihn aus seinen Gedanken.

„Ist alles in Ordnung mit dir, Okumura? Du bist so schweigsam und nachdenklich, schon den ganzen Tag.“ Suguro betrachtete ihn prüfend, doch Yukio winkte nur ab.

„Ich mache mir nur Gedanken über meinen Geburtstag, das ist alles“, log er spontan und kratzte sich verlegen am Hinterkopf.

„Du hast Geburtstag? Wann denn?“ Shima lehnte sich von der Seite ins Blickfeld.

„A-am siebenundzwanzigsten.“

„Das sind doch noch gut zwei Wochen. Und dann auch noch in den Ferien, ich kann nur eifersüchtig sein“, stöhnte der Pinkhaarige und warf sich einen Arm über die Stirn.

Yukio lachte leise und nickte. Ja, es waren noch gut zwei Wochen bis zu seinem Geburtstag und er plante auch noch gar nicht groß – er war keine Person, die gerne feierte. Es war lediglich eine Notlüge gewesen, um sich nicht irgendwie über Yuri und Rin zu verplappern.
 

Die Pause endete damit, dass Shiro das Klassenzimmer mit zwei Büchern unter dem Arm geklemmt betrat und seine Studenten kurz, aber dennoch nett, begrüßte. Anti-Dämonika stand auf dem Stundenplan.

Shiro war ein guter Lehrer und ein noch besserer Exorzist, dem war nichts entgegenzustellen. Er wählte Worte, die man als Anfänger verstand und schrieb die Notizen an die große Tafel, die man zum Lernen und Nachschlagen brauchte. Fragen beantwortete er ausführlich und brachte sogar eigene Erfahrungen mit ein.

Und als er eine Aufgabe für den Rest der Stunde aufgegeben hatte, winkte er seinen Ziehsohn leise zu sich ans Pult. Mit einem prüfenden Blick sah Yukio sich im Klassenraum um, ob auch wirklich er gemeint war, und erhob sich dann leise von der Sitzbank. Mit schnellen Schritten lief er an das Pult, wo Shiro saß und sich Notizen über die Beteiligung der Schüler machte.

„Ja, Sie haben nach mit verlangt?“ Yukio stellte sich ordentlich hin – Shiros Meinung nach ZU ordentlich.

„Versteif dich nicht so, Yukio. Hör zu, ich möchte, dass du Yuri nach der Schule bei etwas behilflich bist. Ist das in Ordnung?“ Er lächelte lieb und hielt Yukio einen Schlüssel entgegen. „Den brauchst du mehr als ich.“

„Ich...“, stotterte Yukio, ergriff dann aber den Schlüssel. „Kann... er das nicht tun?“ Er formulierte die Frage um, um keinen Verdacht schöpfen zu lassen, denn Suguro beobachtete sie aus dem Augenwinkel heraus und hatte die Ohren gespitzt. Yukio hatte es genau bemerkt.

„Ihr habt euch nun seit über einer Woche nicht gesehen, ich denke, ihr kriegt das zusammen hin. Sieh' es als einen neuen Versuch.“

Widerwillig nickte Yukio.

„Wenn es sein muss...“, murrte er, und sein Vater zog eine Augenbraue hoch.

„Wie?“

„Jawohl, ich habe verstanden.“

„Setzen.“

Er kam der Aufforderung stumm nach und umklammerte den Schlüssel in seiner Hand nur noch fester. Was sollte das denn jetzt schon wieder? Er sollte helfen gehen und bekam am Ende doch eh wieder nur einen von Rin auf den Deckel, darauf konnte er schwören. Und wenn das wirklich der Fall sein würde, konnte seine Freundlichkeit und sein Interesse auch ganz schnell zu Wut und Desinteresse werden. Normalerweise war sein Geduldsfaden äußerst ausgeprägt, etwas, was sein Vater ihm seit seiner Kindheit beigebracht hatte. Denn es machte wenig Sinn, Energie in etwas zu stecken, was einen herunterzog. Aber Rin war ein wandelnder Eisblock, der alles an Hilfe ablehnte und vermutlich sogar lieber sterben würde, als mit ihm noch ein weiteres Wort zu wechseln. Was nach ihrem letzten Gespräch nicht gerade verwunderlich war, um ehrlich zu sein... Mit dem Ministerium zu drohen war wirklich absolut uncool gewesen, jetzt wo Yukio über seine Worte so nachdachte...

Als er die Mine seines Bleistiftes abbrach, indem er zu feste auf das Papier aufdrückte, horchte er auf und wurde aus seinen Gedanken gerissen. Verwirrt starrte er auf das Graphit, das nun vor ihm auf dem Blatt lag und nur darauf wartete, auf den Boden gewischt und ersetzt zu werden. Doch anstatt seinen Spitzer rauszuholen legte Yukio den Stift weg und las den fast fertigen Satz vor sich.

Die Art der Besessenheit eines Dämonen ist unterschiedlich; manche Dämonen dringen in die Herzen von Menschen ein, indem sie deren emotionale Labilität ausnutzen. Der Wirtskörper muss stark genug sein, u-

„Was geht denn mit dir ab?“

Der Junge zuckte zusammen und sah neben sich. Suguro starrte ihm tief in die Seele und Schweißperlen liefen Yukios Stirn im Wettrennen hinab.

„N-nichts.“

„Du bist kein guter Lügner, Okumura.“ Damit hielt er ihm einen Spitzer entgegen, den der Braunhaarige nur anstarrte. „Für deinen Stift.“

„Ach so, danke, Suguro!“ Lachend spitzte er seinen Stift wieder an und brach die Mine bei diesem Vorgang noch zwei Male im Spitzer ab. Bevor er Suguro das kleine Gerät wiedergab, erhob er sich und lief extra langsam zum Mülleimer, um die Späne wegzuwerfen.

„Vielen Dank“, sagte Yukio und gab Suguro den Spitzer zurück, um sich dann wieder an seine eigenen Notizen zu setzen. Der Andere erwiderte nichts, sondern betrachtete ihn nur stumm von der Seite.

Innerlich kochte Yukio vor Wut. Das konnte doch jetzt nicht ernsthaft alles so blöd gelaufen sein, dass Suguro irgendeinen Verdacht zu schöpfen schien, oder? Und dass er dann noch ein Gespräch hatte anfangen wollten. Der Kerl roch Lunte, das war nicht zu übersehen. Man, und all das jetzt nur wegen eines blöden Bleistifts...

Yukio drückte wieder zu und zerbrach die Mine erneut.
 

„Ich danke dir, Yukio. Wir bestellen uns zum Abendessen etwas nach deinem Wunsch“ mit diesen Worten drehte Shiro den Schlüssel im Schloss um, zog ihn heraus und drückte ihn Yukio wieder in die Hand. Der Teenager stöhnte genervt. „Du wirst schon Spaß haben.“

„Amen.“

Dann schubste Shiro ihn leicht durch die geöffnete Tür und schloss diese wieder hinter ihm. Mit beleidigt hochgezogenen Lippen sah Yukio hinter sich zu der Hüttentür, an de er gleich wieder klopfen müsste. Schnaubend richtete er sich seine Krawatte und inhalierte die frische Luft hier draußen. Es war schön, wenn auch kalt. Allgemein war es verrückt, was für einen Unterschied das Stadtleben machte. Man war immer auf Zack, konnte spontan mit öffentlichen Verkehrsmitteln Freunde oder Läden besuchen und man stand quasi immer unter Strom. Hier draußen war das nicht so. Keine Autos, keine lauten Geräusche, kein Geschrei, außer vielleicht von einem Tier und einfach nur... Ruhe.

Wie als würde er eine Mücke töten wollen schlug Yukio seine Hände zusammen und zerstörte damit eines der Kohletierchen, das ihm vor die Nase flog. Angewidert wischte er seine Hände an seiner Jacke ab und klopfte dann auch schon an die Tür.

„Ah, Yukio ist da!“, hörte er Yuri von innen freudig rufen, und ein ironisches „Wooho“ von Rin ertönte ebenfalls.

Schon zuckte Yukios Augenlid, doch er atmete tief ein und aus. Denn Yuri machte ihm freudig die Tür auf und hielt sich zurück, ihn zur Begrüßung nicht zu umarmen. Deshalb verbeugte sie sich kurz, was der größere Junge direkt erwiderte.

„Guten Tag, Yuri.“

„Es ist sehr nett, dass du dich bereiterklärt hast, uns ein wenig zu helfen“ Yuri trat zur Seite und ließ den verwirrten Yukio eintreten. Diesem kam kein Wort über die Lippen, aber die Verwirrung war ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Bereiterklärt? Indirekt dazu gezwungen würde eher passen. Trotzdem... sah Yuri viel zu glücklich darüber aus als dass er ihr nun die Stimmung mit diesem Fakt vermiesen wollen würde. Es war krass, wie man ihre Positivität in der Luft spüren konnte. Sobald man mit ihr in einem Raum war, hob sich die Stimmung immens und man konnte diese nur erwidern. Außer bei ihrem Miesepeter von Sohn, der auf der Couch saß und an der Konsole am Fernseher hing.

„Rin, willst du Yukio denn nicht auch begrüßen?“, hakte Yukio etwas strenger nach und wuschelte ihrem Sohn durch die schwarzen Haare. Doch dieser zögerte kurz, schluckte seinen Konter dann aber herunter.

„Hey, Essen steht in der Küche, falls du noch nichts gegessen hast“, sagte Rin nun für Yukios Überraschen äußerst zivilisiert.

Doch Yukio zog sich erst Schuhe und Jacke aus und gesellte sich dann in das angenehm warme Wohnzimmer. Rin trug nur ein normales Shirt, während seine Mutter dann doch zu einer Strickjacke gegriffen hatte. Lag vielleicht auch daran, dass ihr als Frau schneller kalt wurde... oder weil Rins Temperament ihn wärmte, man weißt ja nie.

„Danke, aber ich habe etwas aus der Schule dabei.“

Vorsichtig nahm er am Holztisch Platz und kramte in seiner Umhängetasche, in der sich auch noch sein Schulzeug befand, herum. Endlich würde das Yakisoba-Brötchen, das Suguro ihm mitgebracht hatte, seinen Nutzen erfüllen. Denn ihm knurrte schon seit der letzten Stunde der Magen. Doch auch das sollte ihm verwehrt bleiben.

Das Geräusch des Plastiks ließ Rin sich umdrehen und er fiel fast über die Rückenlehne der Couch als er erblickte, was Yukio in der Hand hatte.

„Boah, ist ja der Hammer, du hast ein Yakisoba-Brötchen dabei!“, schrie Rin glücklich und riss Yukio aus seinen Gedanken. Danach schüttelte er den Kopf und ohrfeigte sich innerlich dafür, dass er gerade so überreagiert hatte. „Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken.“

Der Jüngere sagte nichts dazu, sondern betrachtete das Szenario nur stumm. Was auch immer heute mit Rin los war, das sah ihm nicht ähnlich. Hatte Yuri ihm zu viel Zucker ins Müsli geschüttet?

„Magst du die etwa?“

„Man kann nicht mit ihm einkaufen gehen, ohne dass er am Ende eins absahnt“, antwortete Yuri für Rin, der mittlerweile seinen Kopf in die Lehne der Couch gepresst hatte und seinen Impuls eben bis auf den Tod verfluchte. Seine Nägel krallten sich in den Stoff und er nickte dann noch als Antwort.

„Hier, nimm“ Yukio hielt ihm das Brötchen entgegen, und Rin riss den Kopf hoch.

„Aber du hast doch heute nach der Schule noch nichts gegessen, oder?“ Er legte den Kopf schief, doch sein Gegenüber am Tisch winkte ab.

„Nein, alles gut, nimm es ruhig“, lachte Yukio lieb und reichte ihm das in Plastik eingepackte Brötchen. Kurz zögerte Rin, nahm es dann aber dankend an.

Zufrieden betrachtete Yukio ihn dabei, wie er das halbe Brötchen mit nur einem Bissen herunterschlang und sich dabei auch noch verschluckte. Immer wieder klopfte er sich mit der Faust gegen den Brustkorb. So lange, bis er wieder atmen konnte und die zweite Hälfte dann mit zwei weiteren Bissen herunterschlang. Kopfschüttelnd betrachtete Yuri ihren Sohn dabei, wie er sich gerade fast selber umgebracht hatte.

Der verhielt sich ja fast, als hätte er sein Lebtag nichts ordentliches zu Essen bekommen. Dabei wirkte er mehr als nur gesund genährt. Er war nicht groß, vielleicht kratzte er gerade so an den einen Meter siebzig, wohingegen Yukio schon an den einen Meter achtundsiebzig kratzte. Okay, zugegeben hatte er über die letzten Monate einen riesigen Schub gemacht, also würde er Rin nicht auf seine Größe degradieren. Die kleinsten Hunde bellten ja bekanntlich am lautesten.

„Aber bitte, Yukio, du musst doch bestimmt Hunger haben“ Yuri erhob sich sofort wieder von der Couch und machte bei der Gelegenheit Rins Konsole aus.

„Hey, ich hab noch nicht gespeichert gehabt?!“, rief Rin fassungslos und ließ die Schultern hängen.

„Du isst Yukio sein Essen weg, der Junge hat hart gearbeitet in der Schule.“

„Mit dem Kopf vielleicht“ schmollend sank er tiefer in den Couchsitz und ließ den Controller auf den Boden fallen.

„Rin.“

„Yuri, es ist wirklich nicht schlimm, ich habe es ihm doch angeboten“ abwehrend hob Yukio die Hände, und Yuri packte Rin am Ohr und zog ihn mit in die offene Küche am Ende des Raumes.

„Aua, aua, aua, was soll das denn werden?!“

Yukio fühlte sich schuldig, dass er dem gleichaltrigen sein Essen angeboten hatte. Nur deswegen schien er nur leichten Stress mit seiner Mutter zu haben.

„Wir haben noch Reis, mach bitte ein Omelett für Yukio“, antwortete Yuri lieb und ließ Rins Ohr los, als sie vorm Herd standen. Das Gesicht des Jungen hellte sich sofort auf.

„Nichts lieber als das!“

Wollten die zwei ihn vielleicht vergiften? Wollte Vater Fujimoto ihn von der Bildfläche verschwinden lassen und hatte Mutter und Sohn angeheuert? Nein, da gingen seine Pferde mit ihm durch. Weder Yuri, noch Rin... wobei, Rin vielleicht schon, hatten einen Grund, ihn umbringen zu wollen.
 

Noch immer von Skepsis angehaucht erhob Yukio sich vom Tisch und gesellte sich zu Rin in die Küche, wo der Junge summend die Gasplatte andrehte und eine Wokpfanne auf diese stellte. Mit einer flüssigen Bewegung schüttete Rin etwas Öl in die Pfanne und brach zwei Eier in einer Schale auf, um diese dann zu verrühren. Binnen kurzer Zeit schüttete er die Eier in die Pfanne und begann mit der linken Hand die Pfanne zu schütteln. Dabei griff er mit der rechten Hand nach Stäbchen und vermischte die Eier immer weiter – achtete genau darauf, dass sie nirgendwo an der Pfanne kleben blieben. So lange, bis das Ei halb fertig aussah. Dann begann Rin mit gekonntem Klopfen und Schieben darauf in einer Ecke der Pfanne ein Omelette zu machen. Er schob das Ei immer weiter um sich selber herum, bis es eine perfekte ovale Form hatte.

Sich selber zunickend griff er nach dem Teller, auf dem ebenso ovalförmig ein Gemisch aus Fleisch, Reis und Gemüse präpariert worden war. Er hielt Yukio den Teller entgegen und gerade als der Junge diesen ergreifen wollte, hob Rin die Pfanne noch und mit einem eingeübten Wurf ließ er das Omelette aus der Pfanne fliegen, sodass es perfekt über dem Reis landete und sich wieder öffnete. Wie ein Vulkan lief das Ei den Reis hinab und bedeckte bald schon den ganzen Teller. Und mit einem letzten Griff verzierte Rin das Essen mit etwas Soße und Kräutern, ehe er den Teller in Yukios Hände gleiten ließ.

Dieser war sprachlos von dem, was er eben gesehen hatte. Noch nie hatte er jemanden gesehen, der ihm live und in Farbe Omurice zubereitet hatte. Und dazu roch es auch noch abgöttisch gut. Rin schien ja doch irgendwo talentiert zu sein. Außerdem gab es keine Anzeichen von irgendwelcher Giftzugabe.

„Bon appétit“, sagte Rin und verbeugte sich leicht, ehe er Yukio eine Gabel zum Essen auf den Teller legte und sich dann wieder auf das Sofa neben seine Mutter pflanzte und seinem verlorenen Spielprogress hinterher trauerte.

Noch immer sprachlos setzte Yukio sich wieder an den Tisch, bedankte sich für das Essen und nahm den ersten Bissen. Seine Augen weiteten sich fasziniert, als das heiße Ei und der lauwarme Reis ihm auf der Zunge zerliefen. Anscheinend hatten sie erst kurz vor seiner Ankunft etwas gegessen, sonst könnte er sich nicht erklären, warum der Reis noch lauwarm war...

Nicht glaubend, was er gerade aß, nahm Yukio einen weiteren Bissen und wurde nur noch verblüffter.

Rin sah ihm heimlich von der Couch aus zu und freute sich dabei einen Ast ab. Es gab doch nichts Besseres, als wenn sein Essen jemanden schmeckte! Und so wie Yukio nun reinhaute war zu sagen, dass es ihm schmeckte UND dass er doch Hunger gehabt hatte. Weshalb Rin sich nun nur noch schlechter fühlte, dass er das Brötchen des Jungen gegessen hatte. Na, hatte Yukio nun eben etwas Warmes im Magen, darüber würde sich bestimmt auch niemand beschweren.
 

„Das war echt gut. Danke, Rin“, sagte Yukio, legte die Gabel auf den komplett leeren Teller, und beschämt lachend kratzte Rin sich am Hinterkopf. Als seine Mutter ihm von der Seite einen Arm um den Hals warf und ein stolzes „Ist auch das Einzige, was er gut kann“ von sich gab, zog Rin einen Schmollmund.

„Du bist manchmal so peinlich“, grummelte er, und Yuri zuckte mit den Achseln.

„Du hast mich auch schon oft genug blamiert, mein Großer! Also, darf ich euch nun auf eure super tolle mega Geheimmission schicken?“

„Unsere was?“ Yukio zog eine Augenbraue in die Höhe.

„Das sagt sie weil wir eine Axt brauchen“, erklärte Rin. „Holz hacken. Hast du überhaupt die Muskeln dafür?“

„Fürs Tragen bestimmt.“

„Perfekt, vier Arme tragen mehr als zwei“ Yuri klatschte in die Hände und lächelte die Jungs abwechselnd an.

Yukio seufzte. Er sollte beim Holzhacken helfen? Hatte Rin das nicht vermutlich die letzten Jahre auch schon alleine gemacht? Was brauchte er denn plötzlich dabei Hilfe? Gott, was sollte das? Doch Rin erhob sich plötzlich von der Couch und griff nach seinem dunkelblauen Pullover, der über einem der Holzstühle hing. Er schlüpfte in diesen hinein und streckte sich dann ausgiebig.

„Los, lass uns gehen“, meinte er und deutete Richtung Haustür. „Ich will weiterspielen.“

Anstatt Widerrede zu geben nickte Yukio zögernd, legte seine Tasche unter die Garderobe und schlüpfte in Schuhe und Jacke. „Die brauchst du nicht, dir wird schnell warm werden.“

„Ich ziehe sie trotzdem an, danke.“

Schulterzuckend öffnete Rin die Wohnungstür und sprang die wenigen Stufen hinab in den frischen, unberührten Schnee. Sein Gesicht hellte sich auf als er sprintend hinter das Haus rannte.

Fröstelnd griff Yukio nach seinen Handschuhen, die in seiner Jacke lauerten. Yuri legte ihm einen von Rins Schals um und richtete den Kragen seiner Jacke ein wenig. Dass es sich um einen von Rins Schals handelte, wusste Yukio dabei nicht.

„Vielen Dank, Yukio.“

„Wenn er mit 'ner blutverschmierten Axt zurückkommt, sucht nicht nach mir“, murrte Yukio und folgte Rin. Seine Hände hatte er in den Jackentaschen vergraben und sein Gesicht vergrub er bis zur Nase im Schal. Yuri lächelte schwer. Der konnte ja genauso ein Miesepeter sein wie ihr Sohn. Da hatte er sich Shiro wohl zu sehr zum Vorbild genommen, denn dieser konnte auch nett wirken, obwohl er innerlich total zerstreut war.
 

Summend kam Rin mit der Axt über seine Schulter gelegt zurück zu Yukio.

„Wir gehen in die Richtung“, meinte er und deutete in irgendeine Richtung.

„Und warum genau in die?“

„Weil der Wind aus der entgegengesetzten Richtung kommt und uns dann keine Tiere riechen.“

„Gib mir die Axt“, forderte Yukio monoton und hielt seine Hand auf.

„Ehm... nein.“

„Ich vertraue dir mit dem Ding nicht.“

„Ich vertraue dir auch ohne das Ding nicht“, erwiderte Rin und zuckte mit den Achseln.

„Siehst du, dann kannst du mir sie ja genauso gut geben“ Yukio lächelte provozierend.

„Ich kann's auch sein lassen.“

Yukio rollte mit den Augen und kapitulierte somit stumm. Triumphierend reckte Rin die Brust und lief los Richtung Wald. Widerwillig und mit einem letzten Blick auf die Hütte folgte Yukio ihm langsam und schmollend. Er hatte kein Problem mit der Kälte, er verarbeitete sie sogar ganz gut, aber er hasste es, wenn seine Nase kalt war und seine Ohrspitzen sich anfühlten, als würden sie jede Sekunde wie Eiszapfen abbrechen. Und Rin rannte nur mit einem Pullover vor ihm her, turnte dabei auch noch wie ein Affe hin und her, spielte mit Stöcken und genoss das Leben. Dass er nicht schwitzte war ein Wunder. Denn Kälte und Schweiß vertrugen sich nicht gut. Nasse Klamotten bedeuteten, dass man schneller zu unterkühlen drohte.

Rin würde doch auch bestimmt halbnackt wie Tarzan im tiefsten Winter hier herumtollen...

Yukio schüttelte wild den Kopf und versuchte dieses Bild irgendwie aus dem Kopf zu bekommen.

„Fang, du wolltest sie ja haben!“, rief Rin plötzlich, und Yukio riss den Kopf hoch als Rin auch schon die Axt nach ihm werfen wollte.

Panisch sprang Yukio hinter den nächstbesten Baum und ließ seinen Kopf gegen diesen fallen, als er das schadenfrohe Lachen seines Mitstreiters hörte. Er würde ihm noch den Hals umdrehen, früher oder später, das stand fest. Oh ja, das stand definitiv fest.

„Ich hasse dich“, knurrte Yukio und stieß Rin im Vorbeigehen mit der Schulter gegen die Brust. Dieser lachte nur weiter und folgte ihm. Dabei hatte der Braunhaarige absolut keinen Plan, wo er überhaupt langlief. Er wartete nur darauf, dass Rin ihn unterbrach, doch dieser folgte ihm nur wie ein Hund und summte irgendwelche ihm fremden Lieder vor sich hin.

„Weißt du wo wir hingehen?“, unterbrach der Schwarzhaarige dann doch irgendwann die Stille.

„Nein“, antwortete Yukio entschlossen und lief weiter.

„Ah, cool. Na dann, mach weiter so!“ Er reckte den Daumen und sah sich dann wieder weiter um.

Als ein Knacken seitlich von ihnen ertönte wirbelte Yukio sofort herum, bereit, von irgendetwas angefallen zu werden. Dabei hätte es auch einfach Schnee sein können, der von einem Ast gefallen war. Aber das war es auch nicht.

Die Augen des Novizen weiteten sich fasziniert und seine schlechte Laune war wie weggeblasen.

„Schau mal, Frischlinge“, sagte Yukio fasziniert und ging in die Hocke. Dabei streckte er den sieben Frischlingen seine rechte Hand entgegen. „Ich hab noch nie welche in freier Wildbahn gesehen.“

„Wirst du auch vielleicht nie wieder“, sagte Rin vorsichtig und ging einige Schritte zurück als er eine dunkle Gestalt von der Seite auf die Babys zulaufen sah.

„Wie...so?“ Yukio richtete sich sofort wieder auf und betrachtete den Keiler, der samt Bache vor den Frischlingen stand und den Jungen tödlich im Blick behielt. Mutter samt Babys verschwand im Wald und der, wahrscheinlich, Vater der Frischlinge blieb an Ort und Stelle zurück.

„Verhalt dich einfach ruhig“, flüsterte Rin und entfernte sich immer mehr von Yukio, der dem Tier nur leicht Schnee entgegen kickte, um es auf Distanz zu bringen. Nur brachte das das genaue Gegenteil.

Mit einem Satz kam das Tier näher und blieb wieder stehen. Es schien Yukios Angst förmlich zu riechen, denn es machte keinerlei Anstalt, ihn in Ruhe zu lassen und abzuziehen.

„Du machst das schon, Kollege“, sagte Rin, klopfte Yukio aufmunternd auf den Rücken und brachte mit seinem Blick dann das Tier sogar dazu, kurz zurückzuweichen. Zumindest so lange, bis er genug Distanz zu Yukio aufgebaut hatte.

Dann stand Yukio dem Tier alleingelassen gegenüber.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Yuna_musume_satan
2023-05-11T15:05:03+00:00 11.05.2023 17:05
Hach ist das Kapitel herrlich aber Rin ist schon ein Biest Yukio mit dem Keiler alleine zulassen
Antwort von:  Neku_off
11.05.2023 17:41
Hehe, danke :D
Tja, Rin bleibt eben trotzdem Rin, was? Yuri is ja nicht anwesend, um ihm den Kopf zu waschen xD


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