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Tenseigas Schutz - I

Wo Gegensätze sich berühren, beginnt die Vorstellungskraft
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ihr lieben Alt- und Neuinteressierten,

willkommen zur Neufassung einer Idee, die noch aus dem Jahr 2008 stammt und 2020 hier bereits schonmal upgeloadet wurde. Vielleicht mag sich der ein oder die andere ja gewundert haben, warum Naraku im Klappentext so prominent vertreten ist.

2008 war noch die große Frage im deutschsprachigen Raum, wie geht es bei Inu Yasha weiter?

(Wer sich im englischsprachigen Raum etwas umsah, kannte die Folgen um den Berg/Mount Hakurei.
Als Manga war mir Kanketsuhen leider erst ab 2009 endlich zugänglich - man mag das Problem erkennen. Ich liebe die Folgen und sehe sie auch heute noch zu gerne.)


Dreisterweise - es mag ein Frevel sein an Takahashi-sensei - habe ich mich dazu entschlossen, die ursprünglich separate Handlung (mit Naraku als Antagonisten) nun zwischen den Kanketsuhenfolgen Episode 10 und 11 zu beginnen – der Kampf Inu Yashas gegen den Spiegeldämon.
Ich versuchte daher, Episode 11 als “was wäre wenn-Szenario“ abzuwandeln (ob mir das gelungen ist, obliegt euch).
Ich tue das mit einem weinenden Auge, dennoch möchte ich die Chance nicht ungenutzt lassen, welche der Spiegeldämon mir eröffnete. Ein ausgefuchster Feind wie Naraku muss einfach genutzt werden mM – ich finde ihn immer noch sehr gelungen.

Weiters hoffe ich, die von uns geliebten Charaktere aus dem IY-verse wiedererkennbar interpretieren zu können, und nicht allzu OOC zu gestalten.
Gerade hier herrscht die größte Unsicherheit und daher bin ich dankbar für jede Rückmeldung/jeden Hinweis, wie es besser geht.

In der Hoffnung, hiermit niemandem die Freude an den Originalkanketsuhenfolgen zu vermiesen, sondern ein nettes Alternativszenario rund um vor allem Sesshômaru entwerfen zu können.

Damit – hoffentlich – viel Vergnügen mit dem Neustart - prüfen wir doch mal euer Wissen! Komplett anzeigen

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Der Shintai

W

enn auch dein Mund nie das Geheimnis bricht, Zweihundert Schleier hüllen Liebe nicht. (Dschami)


 

„Aus dem Weg, es ist echt!“, begleitete Inu Yashas Ausruf das vernichtende Lichtfeuer der Windnarbe, als es diesmal in Richtung der bunt zusammengewürfelten Truppe zuhielt.
 

„Geht weg! Kanna, du bist zu langsam“, das vertraute Feuerrot versperrte ihr die Sicht, als Kagome sich sogleich auf die rosane Kugel schwang.

Shippō schwebte bereits einige Meter über dem saftigen Grün, während Miroku neben Sango rasch auf Kirara fand.
 

„Kongōsōha!“, donnerte der Hanyō in gewohnter Manier über die sonnenbeschienene Lichtung, ehe er auf dem Boden aufkam.
 

Immer noch warf die Oberfläche des Sees das Tageslicht wie ein Spiegel gen Himmel.

Mehr geschah nicht. Keine Energie, nicht mal ein Windzug kündete von dem Yōki, welches einst in seiner Klinge geschlummert hatte.

Das Kongōsōha funktionierte also auch nicht. Instinktiv löste sich ein erbostes Knurren in seiner Brust, sobald die Diamantensplitter auf der gegnerischen Kopie in Übergröße erschienen.

Es sah übel aus. Richtig übel. Sein Tessaiga verweigerte den Dienst, während Kanna Zugriff auf zwei seiner mächtigsten Attacken hatte. Ob sie alle Fähigkeiten des Schwertes kopiert hatte?
 

„Inu Yasha, ich schlage vor, dass wir uns jetzt zurückziehen“, von Miroku überraschte daher nicht, ebenso wenig wie Sangos mahnender Einwurf: „Beeil dich, bevor sie mit dem Kongōsōha kontert!“
 

Er war gerade dabei, sich zähneknirschend einzugestehen, dass seine Freunde wohl recht hatten, setzte bereits zur Drehung an, um ihnen nachzukommen. Da trieb ihm der plötzliche Windzug an seiner Seite die vertraute Witterung in die Nase. In nur einem Bruchteil einer Sekunde hatte er sich umentschieden. Stattdessen schoss sein Gelbgold argwöhnisch hinauf.
 

„Halt du dich aus meinem Kampf gefälligst raus!“, war vorprogrammiert und sparte nicht an Knurr- und Drohgebärden, als Inu Yasha Tessaiga trotzig wieder erhob.
 

Der brauchte ja nicht glauben, dass er Tessaigas Yōki einfach so kampflos aufgab. Wie aus dem Nichts auftauchen und nur einen abfälligen Blick für ihn, das Halbblut, übrig haben. Das sah dem ähnlich!
 

„Hm, das nennst du einen Kampf, Inu Yasha?“, kam gewohnt hochnäsig zurück.
 

Schließlich hatte der sich so einfach die Energie des väterlichen Schwertes abluchsen lassen. Grob fahrlässig.

Doch deshalb war er nicht hier. Zuerst hatte er an eine Möglichkeit geglaubt, um seine Meido Zangetsuha zu schulen, als Tenseiga keine Ruhe gegeben hatte. Doch, nachdem der Spiegelgeist dämonische Energien scheinbar absorbierte, konnte dies nicht Tenseigas Begehr sein. Was also war der Grund dafür, dass sein eigensinniges Erbe ihn hierher gezwungen hatte?
 

Natürlich würdigte Sesshōmaru ihn nicht einmal eines Blickes. Offensichtlicherweise war der Herr Hochwohlgeboren mal wieder der Meinung, er hätte es besser gemacht. Als ob der nicht auch bereits in Narakus Fallen getappt wäre, aus denen er ihn dann wieder rausgeholt hatte.
 

„Keh!“, spuckte Inu Yasha daher förmlich zur Antwort.

„Als wenn du dich jetzt noch traust zu ziehen“, wurde mit einem verengten Blick über die Schulter geahndet.
 

Es ließ Inu Yasha sichtlich kalt.

Kagome hätte nur allzu gerne herzhaft aufgestöhnt, wäre die Situation nicht derart brenzlig.

Was wollte Sesshōmaru auch hier? Natürlich war Mirokus Aufforderung zur Flucht ungehört verklungen. Als ob ihr Halbdämon sich vor dem Älteren die Blöße hätte geben können. Shippō stieß dafür umso entrüsteter die Luft aus. Seine Fuchsmagie war jetzt nicht mehr erwünscht.
 

„Ja klar, steig nur drauf ein und stell dich dem Spiegeldämon ohne Tessaigas Attacken, Inu Yasha“, fand Shippō daher auch längst kein Gehör mehr.
 

Da hob Kanna auch schon erneut den Arm in Richtung beider Hundebrüder, welche ihr nun zwangsläufig gemeinsam gegenüberstanden. Der eine mit seinem nutzlos gewordenen Erbe am Boden, der anderen an seiner Seite schwebend wohlweislich ohne seine Klinge zu ziehen.

Der Hanyō konnte gerade noch Tessaiga in Position bringen und ein „weg!“ ausstoßen, ehe Kanna in ihrem ungerührten Flüsterton die Attacke befahl.
 

„Inu Yasha!“

Sorge trieb Kagomes Stimme charakteristisch in die Höhe, ebenso wie Rins „Sesshōmaru-sama“- Ausruf vom Reitdrachen etwas weiter über ihren Köpfen.

Sesshōmaru folgte mehr einem jahrhundertelang antrainierten Automatismus, als seine Klaue nichtsdestotrotz nach Tenseigas Griff langte, noch während er auswich.
 

Nicht, war eine schiere Unmöglichkeit.
 

Dennoch verklang es klar und deutlich in seinem Kopf. Als stünde sie neben ihm.

Unmissverständlich schnitt die Warnung durch seine Gedanken wie so mancher Überlebensinstinkt durch den des einst jugendlichen Dämons. Es beendete einen jeden davon jäh.

Er folgte -instinktiv. Im vollen Bewusstsein, dass es kein Instinkt war. Er erkannte sie sofort – unverkennbar.

Und hätte es so beinahe verpasst.

Erst das Aufkreischen Rins in seinem Rücken bewegte ihn, sodass er dem nächsten Geschoss gerade noch rechtzeitig auswich. Der Drache hatte sich längst in entsprechend sichere Höhen erhoben, erkannte er mit einem Blick hinter sich. Die Irritation schien so rasch verklungen wie aufgekommen.

Was hatte der vergessliche Tattergreis da nur mit seinem Erbe angestellt, als er es angeblich neu schmiedete?
 

Im Vergleich zu Sesshōmaru hatte Inu Yasha einzig das Feuerrattenfell neben Tessaiga. Die Wucht seiner eigenen Attacke riss ihn förmlich von den Füßen.

Seltsamerweise traf die Freunde kein einziger der Splitter.
 

„Kagome, ich glaube, sie verfehlen uns“, von Shippō öffnete nicht nur Angesprochener ungläubig die Augen.
 

„Beinahe absichtlich“, fügte Miroku hinzu.
 

„Das ist Tessaiga“, grollte Inu Yasha, sodass es nicht nur Kagome die Nackenhaare aufstellte.
 

„Inu Yasha?“, erschrak sie, als der sich nach einem Blick auf seine deutlich gewachsenen Krallen auf die Beine rappelte.
 

Die rotglühenden Augen sowie der jeweils eine Dämonenstreifen auf seinen Wangenknochen entgingen ihm. Kagome dafür nicht.
 

„Sieh dich an!“, entfuhr es ihr fast panisch.
 

Es brachte ihm sogar den Seitenblick seines Bruders ein, wenn auch nur für einen flüchtigen Moment. Diesmal raubte ihm sein Dämonenblut nicht die Sinne. Ein erstaunliches Schwert. Eingedenk der Tatsache, dass der Kagami no Yōkai Tessaiga das Yōki entzogen hatte, schien Tessaiga sich stattdessen der Inu Yashas zu bedienen.

Letztgenannter nahm sich dafür nun keine Zeit. Viel wichtiger war die Erkenntnis, dass Tessaiga nicht nutzlos war. Es kämpfte, wehrte sich – mit seinem Yōki. Sie hatten eine Chance.
 

„Inu Yasha!“
 

„Bleibt weg oder ich mach euch platt", würgte der Angesprochene seine Freunde grollend ab, sodass Sango ihren Hiraikotsu unverrichteter Dinge wieder senkte.
 

„Ihr wisst nicht, wozu ich fähig bin - und du, misch dich ja nicht ein. Nochmal sage ich es nicht!“, ging an Sesshōmaru.

Offensichtlicherweise wollte der Hanyō jedwede Einmischung unterbinden.
 

Da donnerte Kannas unheilvoll leise geforderte „Kaze no Kizu“ bereits erbarmungslos auf die Hundebrüder zu.
 

„Aus dem Weg!“, brach wie aus dem Nichts über Inu Yasha herein.

Wieder traf ihn der Hieb völlig unerwartet, als er sich unerbittlich von Sesshōmaru zur Seite gestoßen fühlte.
 

Nicht nur die Freunde machten große Augen. Auch Jakens gelbe Glubschaugen schienen in ihren Ausmaßen noch zuzulegen. Rin hob sich die Hände vor Angst vor die Augen und vergrub ihren Kopf in der Brust Kohakus. Aus einem Reflex barg der das zierliche Mädchen in einer Umarmung, während er nicht minder gebannt verfolgte, wie das grelle Leuchten der kopierten Windnarbe die schlanke Silhouette des Hundedämons verschlang.
 

Er musste mit diesem elenden Schmied reden. Schleunigst!

Tenseigas Pulsieren dominierte längst all seine Wahrnehmung.

Ihm war, als umschloss ihn die Magie seiner Klinge. Wie ein schützender Kokon umspann sie sich im längst vertrauten blauumrahmten Schwarz um seine Gestalt.

Doch diesmal erreichte Tessaigas Macht ihn nicht. Sie reichte nicht einmal an ihn heran. Stattdessen glaubte er seine Sinne spielten ihm einen Streich, als das Surren im lange nicht mehr vernommenen Brennen in seinen Venen vibrierte, während das Blau an Intensität und Ausmaßen immer mehr zunahm. Es begann zu wachsen – zuerst in die Breite und dann allmählich in die Länge. Direkt vor seinen Augen entfaltete sich so die zierliche Gestalt aus glitzerndem Blau. Es geschah in Bruchteilen von Sekunden und doch glaubte er Äonen vergehen, in denen er einfach nur dabei zusah, wie sich nach und nach die vertrauten Züge vor ihm ausformten.
 

Für die Freunde und seine Begleiter umgab ihn einzig ein blaues Netz, über das die mächtige Attacke hinwegfegte – ohne dabei auch nur tangiert worden zu sein.
 

So traf es sie ebenso wie ihre Kontrahenten völlig überraschend, als es in all ihren Köpfen diesmal verklang: Was tust du da?
 

Es wirkte mehr als befremdlich. Es war beängstigend. Ein völlig unangekündigtes Eindringen in ihre Gedanken – ohne den Hauch einer Chance auf Widerstand. Und doch war es so sanft und natürlich wie das leise Plätschern von Wasser, welches in seichten Wellen über das kieselartige Flussbett streichelte. Schimpfte sie etwa mit ihm?

Inu Yasha war so perplex, dass er sogar Tessaiga sinken ließ und einen Blick hinter sich riskierte. Nur um sicherzugehen, es sich nicht eingebildet zu haben. Seine Freunde sahen nicht minder irritiert drein.
 

„Habt ihr das auch gerade eben ...?“, setzte Miroku ungläubig an – und fing sich den giftigen Seitenblick seiner Angebeteten ein.
 

„Was...?“, war mehr ein Zittern, denn Entrüstung.

Trotzdem, diesmal, befand Miroku, hatte er wirklich noch nichts angestellt. Ganz im Gegenteil hatte er doch für den Moment angenommen, er erträumte sich nun bereits schon die liebliche Stimme hübscher, junger und vor allem gebärfähiger Frauen...
 

Kagome ignorierte es mit einem nach wie vor ungläubigen Blinzeln.

Eindeutig eine Frauenstimme, die den älteren der Hundebrüder da derart vertraut angefahren hatte. Sie wirkte ganz und gar nicht erfreut. Ganz im Gegenteil, wenn die Miko raten sollte, so war sie sogar fast geneigt zu behaupten, dass die fremde Stimme nicht nur das Entsetzen in die Höhe getrieben hatte. Doch, wer würde das bei diesem Dämon wagen? Es war Selbstmord, ihm auch nur in die Quere zu kommen.
 

„Nein, Miroku, ihr irrt euch nicht. Es gibt Wesen, die das vermögen“, bestätigte es urplötzlich von Kiraras Kopf.
 

„Myōga!“, Shippō war unverkennbar verblüfft.

Der tauchte mitten im Kampfgeschehen auf. Wo kam der auf einmal her? Und warum?
 

„Inu Yasha-sama hat also das Yōki Tessaigas verloren und Sesshōmaru-sama hat sich erneut dem Kaze no Kizu gestellt.“
 

„Ja, so sah es jedenfalls aus“, bestätigte Sango Myōgas nüchterne Beobachtung überrascht.
 

„Aber, warum sollte er das tun? Es wirkte fast so, als wollte er Inu Yasha schützen“, quakte Shippō dazwischen.
 

„Hm, ich vermute eher, er hat Tenseiga gespürt“, entgegnete der alte Flohgeist geheimnisvoll.

Für weitere Nachfragen blieb keine Zeit.
 

Kanna schien ebenso abgelenkt sehr zu Inu Yashas Genugtuung. Ein teuflisches Grinsen huschte über seine dämonischen Züge und enthüllte dem strahlenden Sonnenlicht für einen flüchtigen Augenblick seine scharfen Eckzähne. Warum auch immer er hier war. Vielleicht war es gar nicht so schlecht, dass der Ältere sich eingemischt hatte. Er konnte es nutzen.
 

Eigentlich hatte er nur der seltsamen Vertrautheit nachgehen wollen. Hatte nicht recht geglaubt, was er da empfunden hatte. Nur für den Bruchteil eines Augenblicks. Viel zu rasch war die so sorgsam verborgene Empfindung in seinem Inneren aufgeglommen, zaghaft wie das letzte Aufglühen eines Feuerholzes, bevor es endgültig verglühte. Viel zu kurz und unbedeutend, als dass er sie ernst hätte nehmen können. Dennoch war es ihm unmöglich gewesen, sie dieses Mal zu ignorieren. Wie einst hatte ihn seine Machtlosigkeit völlig überfordert. Sie lähmte ihn.

Es spielte keine Rolle, was sie sagte. Auch nicht, was sie da eigentlich tat. Einzig, dass sie mit ihm sprach. Wieso jetzt?

Es ging an ihm vorbei, als Inu Yasha sich längst zielstrebig mit Tessaiga auf dessen überdimensionierte Kopie stürzte.

Er war seit langem außer Gefahr. Einem Impuls folgend wanderte sein Blick auf das väterliche Erbe, dessen Unruhe ihn hierher beordert hatte.

Erneut wagte er, nach dem Griff zu langen. Das Pulsieren wurde drängender. Eine Bestätigung.

Er verengte die Augen, ehe er das abgenutzte Leder fest umfasste und in einer fließenden Bewegung die bläulich-leuchtende Klinge zog.

Da glaubte er zu verstehen – der Kagami absorbierte Energien. Er zog sie an. Wie ein Yorishiro – oder gar ein Shintai?

Das Lächeln, das daraufhin über seine Züge glitt, jagte Jaken einen Angstschauder über den Rücken, sobald der netzartige Kokon aus schützender Energie ihn wie auf Befehl mit einem Mal freigegeben hatte.
 

Inu Yasha sprang gerade zurück an die Seite Kagomes. Das Menschenmädchen hatte wohl einen ihrer Pfeile probiert.

Die Furche, welche sein Tessaiga zuvor in die Kopie gebrochen hatte, war tief. Kannas Antlitz war bereits von unzähligen Rissen durchzogen, der rechte Arm und die linke Hand abgetrennt. Der Hanyō hatte also erkannt, wo er angreifen musste. Warum er abließ, war ihm Einerlei. Vermutlich wieder sein menschliches Erbe. Er erlaubte sich, es großzügig zu ignorieren. Was glaubte der, wie das endete?
 

„Kanna, du musst nicht mehr kämpfen“, von der Miko seines Bruders diente ihm nur zur Bestätigung.
 

Tatsächlich schien die innezuhalten.

Nichtsdestotrotz stieß er sich achtlos vom Boden ab, verfolgt von den irritierten Blicken der Freunde.

Es schien Irrsinn. Sesshōmaru nahm nicht die Klinge in seinen Fokus, auch nicht den Körper des Dämons. Er hatte die Spiegelränder im Visier, traf Inu Yasha die Erkenntnis wie ein Blitz. Was tat der da?
 

Im ersten Augenschein machte es den Eindruck, als bliebe die Attacke mit Tenseiga wirkungslos.

Kein Sprung, nicht einmal ein Faserriss, zeichnete sich auf dem hellen Hintergrund ab, welcher den schlanken Körper des Spiegeldämons umrundete.
 

„Was sollte der Mist?“, von Inu Yasha sollte wohl wieder mit Nichtachtung quittiert werden.
 

Er schien zu warten.

Natürlich wusste auch er nichts von dem Befehl, dem sich die Kindgestalt bereits seit kurzem widersetzte.
 

Inu Yasha wollte das erboste Knurren gerade entkommen ob des scheinbar sinnlosen Angriffs. Dann vernahm auch der Hanyō Glas splittern. Sofort schoss sein Dämonenrot zurück zu ihrem Gegner. Kanna blieb scheinbar unberührt. Doch den Rahmen zierten allmählich feine Risse, nur hauchdünn, jedoch unverkennbar, zogen sie sich wie Maserungen über das helle Material.
 

„Kanna, ich verstehe nicht“, von Kagome zwischen ihnen erschloss sich beiden Hundebrüdern nicht.
 

Keiner hatte auf die Lippen der Mädchengestalt geachtet, die längst wieder zur gewohnten Regungslosigkeit zurückgekehrt waren.

Doch beide hörten sie auf ihren Instinkt.

Er trieb Inu Yasha dazu, sich das Mädchen aus der Neuzeit mit einem „Kagome!“ umgehend zu schnappen und mit einem langen Satz, ähnlich dem, den Sesshōmaru in die Höhe tat, aus dem unmittelbaren Umfeld um Kanna und ihren Dämon zu springen.

Beinahe einen Moment zu spät, sodass ihn die Wucht der Explosion mitsamt der Miko von den Füßen holte. Es kam für alle urplötzlich und völlig zusammenhangslos.
 

„Kagome-chan? Inu Yasha“, verklangen die herbeieilenden Freunde in seinem Rücken, als sein Raubtiergold zu seinen Begleitern in ausreichender Entfernung glitt.

Auf Ah-Uhn verweilte er einen weiteren Moment. Er war unruhig – nach wie vor.
 

„Mein Auge“, war ohne Belang für ihn, als er inmitten des Kraters nicht unweit der Freunde aufsetzte.

Sie standen um das Mädchen mit den Mikokräften herum, die sich besagtes Auge hielt.
 

„Warum hast du das getan?“, fuhr ihn Inu Yasha sogleich aufgebracht an.
 

Der Aufprall auf den Boden schien diesmal “heilsam“ gewesen zu sein für das Halbblut. Inu Yashas Augen und Züge waren zur Normalität zurückgekehrt, als er ihn in seinen zornigen Fokus nahm. Nichts wies mehr auf das Blut seines Vaters hin, nun, abgesehen von den Augen, den Krallen und den auffälligen Hundeohren auf seinem Kopf.
 

„Inu Yasha, ich glaube nicht, dass Sesshōmaru etwas damit zu tun hatte“, kam ihm ausgerechnet der Mönch dazwischen.

Er nahm es ausdruckslos zur Kenntnis.
 

„Sie war Naraku nicht mehr von Wert, deshalb hat er sich wohl ihrer entledigt“, von Miroku hatte er nichts mehr hinzuzufügen.
 

„Also wollte Kanna uns gar nicht umbringen?“, kam es so unschuldig von dem kleinen Kitsunen, wie es nicht einmal Rin vermocht hätte.
 

„Nein, sie wollte nicht sterben“, stimmte Kagome Mirokus Vermutung zu.
 

Es war unerwartet.

Sein Augenpaar wanderte über die schlanke Gestalt der Miko. Kagome kauerte immer noch am Boden und hielt sich ihr eines Auge. Sie schien davon überzeugt. Woher auch immer. Als die Träne seine empfindsame Hundenase beleidigte, wandte er den Blick letztlich ab.
 

„Also hat Naraku sie nur benutzt“, von der Jägerin war längst nicht mehr von Interesse für ihn.
 

Kaum, dass Ah-Uhns massiger Körper zu Boden gelangt war, ereilte ihn bereits das aufgebrachte „Sesshōmaru-sama!“.

Wie stets folgte sein Augenmerk seinen Begleitern beiläufig. Rin schien vergnügter, seitdem der Menschenjunge bei ihnen war.
 

„Kohaku“, erinnerte ihn an die Verbindung der Jägerin zu seinem neusten Begleiter.
 

Dann ereilte ihn das zaghafte Räuspern – unverkennbar. Jaken hing an seinem Kopfstab wie so manch Ertrinkender an der rettenden Holzplanke.

Seine gelben Glubschaugen tennisballgroß zu seinem Meister erhoben wagte er ein Vorsichtiges: „Sesshōmaru-sama, Ihr seid unverletzt?“
 

„Sesshōmaru-sama!“, kam fast wie gerufen.

Es geschah beinahe nebensächlich, als er wie gewohnt über seinen Froschyōkai trampelte.
 

Unverkennbar erschrocken lenkte Rins Ausruf aller Aufmerksamkeit sofort gen Waldrand. Ihr Augenmerk war mitsamt ihrer erhobenen Minihand gen längliche Schatten in die scheinbare Dunkelheit gerichtet, welche die Baumkronen auf das saftige Grün der Wiese warfen.

Kagome und Shippō waren die Ersten, die sie erreichten, danach die Tayjias und der Mönch neben Inu Yasha.
 

Sesshōmaru brauchte scheins einen Moment, was Inu Yashas Interesse weckte. War der nicht für gewöhnlich gleich zur Stelle, wenn die Kleine aufschrie?

Im Augenwinkel verfolgte der Halbdämon sein Gebaren, während er mit verschränkten Armen bei seinen Freunden stand.

Seine Schritte erfolgten fast stockend, nicht, dass es groß auffiel, so majestätisch, wie der immer ging. Dennoch, es erweckte den Eindruck, als wurde er langsamer, lange bevor er tatsächlich knapp zu seiner Seite anhielt.

Sie standen am Rand der Baumgruppe, welche den Wald von der Lichtung abgrenzte. Also etwas weiter ab vom Geschehen, wo Kagome längst an der Seite einer Fremden auf ihre Knie gefunden hatte. Sein Raubtiergold war wie erstarrt auf die ungleiche Truppe gerichtet. Unverkennbar galt auch all seine Aufmerksamkeit dem Geschehen.
 

Kagome kramte verzweifelt in ihrem gelben Rucksack, wie sie das Ding immer nannte. Die zierliche Frauengestalt musste Rins Neugier geweckt haben. Nun, zumindest war das Menschenmädchen schlau genug gewesen, Abstand zu halten. Inu Yasha hatte Sesshōmarus Einfluss schwer im Verdacht. Gut so. Denn, er konnte sich keinen Reim darauf machen, wo die so urplötzlich hergekommen war. Sie schien bewusstlos und zitterte am ganzen Leib unaufhörlich. Es war offenkundig, dass mit ihr etwas nicht stimmte. Doch die Witterung, die nicht nur ihm das Gemisch aus persönlicher Duftnote, Naraku und Schweiß in die Nase trieb, weitete ihm die Augen. Instinktiv wanderte sein Gelbgold zurück zu der zementierten Miene an Ausdruckslosigkeit neben sich. Sesshōmaru war weniger an seinen Freunden interessiert, erkannte er da.
 

„Ich hatte dich früher hier erwartet“, löste Inu Yasha tatsächlich ein Blinzeln beim Älteren aus.
 

Es wäre ihm entgangen, hätte er sich nicht so akribisch auf dessen Züge fokussiert. War es möglich und Sesshōmaru war tatsächlich unaufmerksam gewesen?
 

„Ich hatte deine Witterung in der Nase - und irgendwie auch nicht“, führte er daher weiter aus.

Sesshōmaru zeigte mit keiner Regung, ob er ihm überhaupt zugehört hatte.
 

Es war auch nicht nötig, befand der. Inu Yasha schien auf etwas hinauszuwollen. Er musste sich geirrt haben. Schließlich hatte er nur eine halbe Hundenase.
 

„Ich glaube, sie...“, war ein erneuter Versuch, eine Reaktion, wie auch immer geartet, aus dem stoischen Bruder herauszukitzeln.
 

Es machte fast Spaß - und ließ die Aufregung, welche die Bemühungen um die Unbekannte bei seinen Freunden verursachte, beinahe zur Nebensache werden. Natürlich hatte er stets ein Auge auf Kagome. Sie schlug sich gut. Soweit er das erkennen konnte, vermuteten sie und Miroku ein Gift und suchten längst ein Gegenmittel.
 

„Ishizu“, traf Inu Yasha in erbarmungsloser Härte – und völlig überraschend.
 

Es blieb nicht unbemerkt, auch wenn der Winzling bewusst stumm auf der Schulter der Miko verharrte.

Erst verstand Inu Yasha nicht. Es klang zu fremdartig. Dann erkannte er einen Namen dahinter – und staunte Bauklötze. Sesshōmaru kannte sie also. Der Name war ihm wichtig, dämmerte ihm da. Sehr wichtig.
 

„Nun, ich denke, Ishizu...-sama könnte nicht allein gewesen sein“, räusperte sich Inu Yasha daher.
 

Er ließ den Älteren nicht aus den Augen. Jetzt glaubte er zu verstehen. Er beobachtete nicht sie. Er wachte mit Argusaugen darüber, was Kagome an ihr tat! Ihm wurde flau im Magen.
 

Welch unerwartete Umsichtigkeit der Jüngere da doch beweisen konnte. Er nahm sich nicht die Zeit, darauf weiter zu reagieren. Stattdessen erlaubte er sich endlich einen Blick auf ihre vor Schmerz und Pein gezeichneten Züge, sobald die Miko sich erneut nach ihrem fremdartigen Utensil bückte und ihm so unfreiwillig die Sicht freigab.

War sie also der Grund für Ah-Uhns Unruhe der letzten Tage? Weil er ihre Anwesenheit vernommen hatte?

Er selbst hatte die letzten Geschehnisse, die Schulung Tenseigas im Verdacht gehabt. Damit hatte er nicht gerechnet. Er hatte rein gar nichts gespürt. Tat es auch jetzt nicht. Alles war wie leer gefegt in ihm.

Penibel beobachtete er die Bemühungen der menschlichen Gottesdienerin. Ob sie ihr wirklich helfen konnte?

Dann ereilte ihn Inu Yashas Vermutung wie ein Fausthieb. Er musste sich irren. Das würde sie nicht riskieren. Es konnte nicht sein. Oder war Ishizu gar deshalb hier?
 

„Was geschah, als ihr ankamt?“, wirkte nüchtern wie immer.
 

Es war unmöglich eine Regung in dem Älteren auszumachen, dennoch trieb es Inu Yashas Augenbrauen in Skepsis über seinem Nasenbein zusammen. Sesshōmaru stand stocksteif neben ihm. Es klang wie immer - und doch irritierte ihn irgendetwas daran. Er konnte es nur noch nicht genau spezifizieren.
 

„Nichts. Als wir ankamen, waren da nur der spiegelglatte See, aus dem Kanna dann kam - mit diesem Ding“, verdiente wohl nichtmal ein tonloses Aufseufzen, als Sesshōmaru keine Reaktion zeigte.
 

„Moment, du glaubst, es könnte zusammenhängen? Dann muss es aber vorher passiert sein. Die Bauern, die wir trafen, erwähnten ein unnatürliches Leuchten in der Nacht zuvor", dämmerte Inu Yasha dann.
 

Damit glaubte er sich bestätigt. Doch ein Shintai. Er wagte nicht die Augen zu verengen, solange er den Blick des Jüngeren auf sich wusste.

Dennoch vermeinte Inu Yasha, die Anspannung in dem Yōkai deutlich anwachsen zu sehen – mochte es auch unmöglich erscheinen. Er wirkte ja immer, als hätte er einen Stock verschluckt. Also hatte er keine Ahnung, wie er das nun beschreiben sollte. Aber sein Bruder war eindeutig sauer.
 

„Oh nein!“, von Kagome unterband dann jeglichen weiteren Gedanken augenblicklich.

Sie hatte eines ihrer verschließbaren Gläser vor sich gegen die letzten Sonnenstrahlen erhoben. Der Deckel fehlte. Es war leer.
 

„Was ist, Kagome?“
 

Umgehend ließ Inu Yasha den großen Bruder großer Bruder sein und sprang an ihre Seite. Sie wirkte wahrlich geknickt. Jetzt konnte er den Atem ihrer Patientin deutlich rasseln hören. Oh, er wollte einzig hoffen, dass das gut ausging.
 

„Miroku-sama und ich glauben, dass sie von Narakus Saimyōshō vergiftet wurde. Ich habe aber keine Tausendjahresblume mehr von Jinenji. Sie muss in der Tasche aufgegangen sein.“
 

„Kannst du nicht was Anderes, eines deiner speziellen Kräuterdinger, nehmen?“, versuchte Inu Yasha dem Neuzeitthema auszuweichen.
 

Manches ging den Älteren wirklich nichts an. Kagome schüttelte den Kopf.
 

„Wir müssen sie holen“, erfolgte entschlossen von ihr wie immer.
 

Undenkbar, dass sie jetzt locker ließ. Vermutlich war das auch besser so. Dennoch graute ihm davor, sollten ihre Fähigkeiten an dem erbärmlichen Zustand ihrer Patientin scheitern.
 

Zur Überraschung aller meldete sich da Rin eifrig zu Wort: „Ich weiß auch, wo wir sie finden- und wie sie aussieht. Ich kann helfen.“
 

„Gut Rin-chan, das ist gut“, bestätigte Kagome nickend.
 

So musste sie die Kranke nicht allein lassen.

Emsig kramte die Miko damit bereits wieder in ihrer übergroßen Tasche, um wenig später ihre buntbemusterte Decke hervorzuholen. Sie hatte nun keine Zeit, sich ob der Teddybär-Optik zu schämen. Ihre Mutter dachte doch immer auch an alles – nur daran nicht.

Ein Raunen ging um und hob ihren Blick. Der Reitdrache war der Grund für all den Aufruhr, erkannte sie umgehend. Er walzte sich regelrecht mit seinem massigen Körper einen Weg hinter und zwischen den umstehenden Freunden bis an die Fremde heran.

Miroku, Shippō und Sango konnten gerade noch so ausweichen, ehe er sich einfach hinter der Schwarzhaarigen mit einem lauten Rumpsgeräusch niederließ. Sie zitterte wie Espenlaub. Er schmiegte sie somit an seinen warmen Bauch, erkannte Kagome. Das war natürlich auch eine Möglichkeit, um sie vor der Kälte zu schützen.
 

„Rin“, verklang in alter Manier.
 

Artig kam Angesprochene sogleich an die Seite ihres Meisters.

Klar, er war schneller, dämmerte der Miko aus der Zukunft, ehe sie einen verwunderten Blick zu Inu Yasha sandte. Warum mischte er sich ein? Sie war menschlich und dazu noch verletzt.

Inu Yasha schien nicht minder überrascht. Warum nicht Hilfe annehmen, wenn sie einem schon angeboten wurde- erst recht mit der Fähigkeit zu fliegen? Damit langte sie ein letztes Mal in ihren Rucksack, fand treffsicher, was sie wohl noch gesucht hatte und erhob sich. Unter dem wachsamen Blick des rotgekleideten Hanyōs kam sie dann mit dem länglichen Utensil in der Hand auf den Hundeyōkai und seine menschliche Begleiterin zu.
 

„Hier, Rin-chan. Das wird dir helfen, die Tausendjahresblume auch in der Dämmerung zu erkennen“, reichte ihr Kagome da bereits das seltsam längliche Ding.
 

Angesprochene sah erst etwas verdutzt drein. Ihre Miene hellte sich dann aber schnell auf, sobald Kagome die Taschenlampe einmal an- und ausgeknipst hatte.
 

„Hai, vielen Dank, Kagome-sama“, strahlte ihr förmlich die kindliche Begeisterung entgegen.
 

Inu Yasha behielt derweil die Miene Sesshōmarus im Auge. Er schien weniger am Ursprung des neuzeitlichen Utensils interessiert - sehr zu seiner Erleichterung.
 

In der Tat nahm sich Sesshōmaru nicht die Zeit für derlei unbedeutende Kleinigkeiten. Sein Raubtiergold wanderte hinauf zum Firmament, welches sich allmählich in der Dämmerung abzuheben begann. Die Mondsichel spendete nur unzureichend Licht für schwach ausgeprägte Menschenaugen. Es hätte ihn weit mehr irritiert, wäre diese Nacht eine Andere.

Damit senkte sich sein ausdrucksloses Dämonengold auf die ausgelassene Miene seiner menschlichen Begleiterin.
 

„Halte dich fest“, wurde nickend befolgt, als sich ihre Hand sogleich in sein Fell krallte.
 

Mit dem Aufwallen seines Yōki verschwand die helle Kugel alsbald gen Osten. Nicht nur die Blicke der Freunde verfolgten ihre rasante Flugbahn für noch einen weiteren Moment ungläubig.
 

Jaken beschlich eine mehr als nur unheilvolle Ahnung, als seine gelben Glubschaugen missgünstig über den verräterischen Reitdrachen schweiften, welcher gar so auf Tuchfühlung mit der offenkundigen Menschenfrau ging. Der hatte ja schon Rin mit offenen Klauen empfangen.

Dennoch, er hatte die Magie nicht vergessen, welche seinen Meister umschlossen hatte. Das war nicht Tenseiga gewesen, nicht nur. Sesshōmaru war stark, ihm hatte der heilige Berg Hakurei bereits nicht merklich zugesetzt. Dennoch, das war alles höchstbedenklich.

Zumal, was tat sein Meister da?

Wurde das eine erneute Überraschung für ihn, wie bei Rin? Oh, das nahm beängstigende Ausmaße an. Die ehrwürdige Frau Mutter mochte doch nicht recht behalten - und sein Meister trat endgültig in die Fußstapfen seines Herrn Vaters, zumindest was die Schwäche für Menschenkinder im Allgemeinen betraf? Er hatte angenommen, Rin sei die Ausnahme. Wo sollte er dann hin?
 

Kagome war sich spätestens jetzt sicher, dass es die Fremde gewesen war, deren Stimme in ihrer aller Köpfe verklungen war - wie auch immer das möglich war. Nichts Anderes erklärte Sesshōmarus Handeln.

Sie und Miroku meinten auch eine Form von Magie in ihr zu spüren – heller Magie. So unwirklich es schien. Insgeheim war die junge Frau längst davon überzeugt, dass jede einzelne Silbe, welche nur an den Dämon gerichtet gewesen sein konnte, von so viel Sorge getragen gewesen war, wie sie es niemals auch nur für möglich gehalten hätte.

Sie hatte es schlichtweg bis dato für unmöglich erachtet, dass auch nur irgendwer dem stolzen Yōkai so viel Zuneigung entgegenbringen durfte abgesehen von Rin – und selbst die wahrte die Etikette. Auch Kagura hatte lediglich nur eine Form von Interesse gewagt ab und an dezent zu offenbaren- und erst ihr Tod hatte dem stolzen Yōkai einen Hauch der distanzierten Fassung geraubt, wenn auch nur dadurch bemerkbar, weil er vor Ort gewesen war.

Also fand sich der Einzige, von dem sie sich Antworten versprechen konnten, umgehend von Inu Yashas Krallen erfasst wieder.

Aller Aufmerksamkeit richtete sich allein auf den Kleinsten unter ihnen, sodass Myōgas Schlucken laut über die ins dämmerige Licht des abklingenden Tages getauchte Lichtung hallte.
 

„Nun spuck‘s schon aus, Jiji. Wer ist sie?“, forderte Inu Yasha barsch.
 

Reichlich unbehaglich baumelte der Flohgeist in der Luft und senkte den Blick. Der Winzling gab sich keine Mühe, sein Unwohlsein zu verbergen.

Oh, er konnte einzig hoffen, dass der Ältere der beiden Söhne des großen Hundedämons ihn nie zu fassen bekam, ohne Inu Yasha-sama. Der würde ihn doch schützen? An ihre schützende Hand wagte Myōga gar nicht recht zu glauben. Nicht nach all der langen Zeit des absoluten Schweigens. Andererseits... Wer wagte es schon, ihre Motive auch nur zu erahnen. Er hätte auf Tōtōsai hören sollen, statt seiner Neugier zu frönen.

Am Ende hatte Sesshōmaru ihn vielleicht tatsächlich nicht bemerkt. Das wäre zu schön, um wahr zu sein. Wieso sollte der sich auch damit aufhalten, wie er, der unwichtige Berater des so übermächtigen Herrn Vaters, auf ihre Magie in dieser Welt reagierte?

Natürlich war den Freunden – und allen voran Inu Yasha - dagegen nicht entgangen, dass er urplötzlich aufgetaucht war, mitten im Kampf. Und, dass er seither penibelst darauf geachtet zu haben schien, ja nicht den Mund aufzumachen oder irgendwie sonst Sesshōmarus Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Innerlich seufzte der Flohgeist schwer auf. Wenn der halbe Hund nur in allen Bereichen eine solche Aufmerksamkeit und Hingabe zeigte...
 

„Nun ja, Inu Yasha-sama“, druckste es da ungewöhnlich wortkarg herum.
 

Myōga suchte noch nach dem geeigneten Maß, um möglichst heil davon zu kommen - für den Moment noch einzig aus Inu Yashas Klauen; wie ein jeder Anwesende jedoch ahnte, wohl alsbald auch aus denen des Älteren.
 

„Wenn Ihr Euch erinnern wollt, Inu Yasha-sama, so neigte Euer ehrenwerter Herr Vater zuweilen dazu, unvernünftige Sachen zu machen. Eine Angewohnheit, welche er...,“
 

„Jajaja, die alte Leier schon wieder. Komm gefälligst zum Punkt“, donnerte Inu Yasha dazwischen.
 

Er hatte Sesshōmaru noch nie zuvor derart perplex erlebt. Inu Yasha konnte sich auch nicht erinnern, jemals irgendjemanden seinen Bruder so vertraut ansprechen erlebt zu haben. Es war schlichtweg bisher nie jemand lebensmüde genug gewesen, selbst Naraku nicht. Und, dass das eindeutig mehr als nur Vertrautheit gewesen war, erkannte sogar er.

Was auch immer die Fremde und seinen Bruder also verband, es ließ den Yōkai definitiv alles andere als kalt. Selbst wenn Rin in Gefahr schwebte, verlor der nicht derart die Fassung. Einzig sein anfängliches Begehr nach Tessaiga kam vielleicht annähernd da heran...
 

Oh, wie undankbar, dass der Schwur ihn nicht betraf, dachte Myōga derweil in arger Bedrängnis. Andererseits, mochte es ihn auch nicht zur Gänze betreffen, so musste er das ja nicht erwähnen... Also räusperte er sich auffällig lautstark unter den Argusaugen aller Umstehenden.
 

„Nun, Inu Yasha-sama, es ist mir leider unmöglich, genauere Auskünfte zu geben.“
 

„Was soll denn der Blödsinn jetzt wieder heißen“, polterte Inu Yasha sofort aufgebracht zur Antwort.
 

„Inu Yasha“, säuselte es daher wieder gefährlich von Kagome an seiner Seite, sodass dem Halbdämon die Ohren nervös zuckten.
 

Immerhin konnte es nicht zuträglich sein, wenn der Angstfuß von Flohgeist gar so angefahren wurde. Sie wollten schließlich Antworten.
 

„Wie gesagt, es ist mir unmöglich“, räusperte es sich auch sogleich heiser zwischen seinen Krallen.
 

„Es gibt Schwüre, welche das Schweigen erzwingen, Inu Yasha“, eilte letztlich Sango dem Flohgeist zur Hilfe, als der aufgebrachte Hanyō doch glatt Myōga vor sein zornverengtes Blickfeld hob.
 

„Du meinst, er könnte bei seinem Leben geschworen haben, zu schweigen, Sango? Das können nur sehr mächtige Dämonen fordern...“, sinnierte Miroku, dem Kohaku nickend beipflichtete.
 

War Myōga dafür nicht in der Regel viel zu sehr auf sein Wohl bedacht?
 

„Der Herr war unglaublich mächtig!“, demonstrativ verschränkte Myōga sogleich seine beiden Armpaare vor seiner vor Stolz aufgeplusterten Brust.
 

„Das heißt also, du bist wieder zu nichts nutze“, konstatierte Inu Yasha prompt – ungeachtet der Tatsache, was sein Vater für Methoden wohl angewandt hatte.
 

Schließlich war der ein Dämonenherrscher gewesen, der hatte sicher gewusst, wie man mit dem Pack umging.
 

„Das ist...“, setzte Myōga an, sich zu echauffieren.
 

„Aber irgendetwas musst du uns doch sagen können, Myōga“, jammerte Shippō in seiner hellen Kinderstimme kläglich dazwischen, als ihn die Neugierde unbarmherzig zwickte.
 

Darum sah wohl auch Kagome letztlich davon ab, den mürrischen Halbdämon gebührend zurechtzustutzen, um stattdessen den Fuchsdämon an ihre Seite zu nehmen. Sie kniete längst wieder vor der unnatürlich blassen Schwarzhaarigen, die unaufhörlich zitterte. Das Gift musste bereits lange einwirken. Unmöglich zu sagen, wie lange sie dem noch standhielt. Fürsorglich strich Kagome ihr über ihren unsagbar weichen Schopf. Ihr Haar war klebrig, ihr so ansehnliches Gesicht schweißbedeckt und schmerzverzerrt. Dennoch erahnte sie die unnatürliche Schönheit und Anmut, welche ihr zu Eigen war. Sie war eiskalt.
 

„Nicht viel, es gab da einst dieses Bündnis zwischen Eurem verehrten Vater und dem Gott der Götter, auf das sich Euer verehrter Vater, Inu Yasha-sama, sehr zu unser aller Unwohlsein einließ...“, verklang fast ungehört in Kagomes Rücken.
 

„Aber, warum ist das nicht gut?“, begehrte der Kitsune sogleich auf.
 

Sein Vater hatte es stets als Ehre bezeichnet, wenn der Fruchtbarkeitsgott oder die Göttin nach ihren Diensten verlangt hatten. Nur die Zuverlässigsten und Mächtigsten kamen zu diesen Ehren.
 

Doch statt des alten Flohgeists gackerte der Grünling aufgebracht dazwischen: „Klar, dass du verräterischer Kitsunenjunge das nicht verstehst. Deine Art verrät unsere schon seit Anbeginn!“
 

„Ja, auch wenn die mächtigen Yōkai mit den Göttern verfeindet sind, so haben doch letztlich alle sterblichen Wesen eine Wahl. Und die Kitsunen dienen eben Inari... Manche Götter verschrieben sich ja auch dem dunklen Sohn der Mutter Erde“, sprang Miroku schützend dazwischen.
 

Er wollte eine Grundsatzdiskussion nun wirklich vermeiden. Da kein weiterer Einwand, auch nicht von Myōga, erfolgte, glaubte er sich damit auch nicht allein. Es schien zu genügen, um dem Froschdämon das übergroße Mundwerk zu versiegeln- er schnaubte zwar eingeschnappt etwas, das nach “Mönch“ und irgendeiner Beschimpfung klang, die Angesprochener geflissentlich ignorierte, schwieg jedoch dazu.
 

„Momentmal Pakt mit dem Gott der Götter“, wurde Kagome letztlich stutzig.

Automatisch wanderte ihr Dunkelbraun zu dem Mönch.
 

„Kagome, was ist?“
 

„Inu Yasha, Kagome-sama und ich nehmen Magie bei ihr wahr- anders als unsere aber doch irgendwie vertraut“, lenkte Miroku das Gelbgold des Angesprochenen umgehend argwöhnisch zurück auf den Flohgeist.
 

Der seufzte erstmal schwer. Das würde brenzlig werden; das sah er schon. Andererseits waren sie ja eh schon am richtigen Weg...
 

„Myōga!“, war lebensbedrohlich.

Schon allein, weil Inu Yasha sogar auf die übliche Anrede verzichtete.
 

„Sie ist eine Göttin“, verblüffte der Flohgeist dann alle.
 

„Was?!“, entkam es allen Freunden wie aus einem Munde.
 

„Das kann nicht...“, „was will er mit ihr?“, wunderten sich die Freunde wild durcheinander quasselnd, ohne, dass der oder die Verursacher klar feststellbar waren.

Jaken wurde indes schwummerig.
 

„Vielleicht verspricht er sich etwas davon, wenn er ihr hilft?“, kam die Dämonenjägerin mit der ersten brauchbaren These.
 

„Nein, dafür war Sesshōmaru zu aufgebracht.“
 

„Inu Yasha hat recht, Sango“, pflichtete Miroku seinem Freund grüblerisch bei.
 

„Wer weiß, am Ende hat er vielleicht noch eine Rechnung mit ihr offen – und möchte das selbst erledigen? Er folgt doch schon immer so seiner eigenen Logik“, von Shippō rief Jaken auf den Plan.
 

„Sesshōmaru-sama würde niemals mit den Göttern paktieren! Mit denen hat er nichts zu schaffen!“, entrüstete sich der Grünling sogleich.
 

Beide stierten sich daraufhin feindlich nieder, wie es immer irgendwann der Fall war, wenn sie sich trafen.
 

Myōga spürte förmlich die Zornesröte in sein Gesicht steigen und noch ehe er es verhindern konnte, entfuhr es ihm: „Sie ist seine Gefährtin!“
 

Jetzt war es doch raus und er konnte einzig hoffen, dass der Ältere der Brüder ihn nie zwischen die Klauen bekam.
 

Für den Augenblick umfing sie Totenstille. Einzig der Wind und das Keuchen Ishizus durchbrachen diese zuweilen. Selbst Kagome hatte ihr Dunkelbraun kurzzeitig ungläubig von ihr ab zu dem Flohgeist zwischen Inu Yashas Klauen erhoben. Allen stand die Überraschung in ihre Gesichter geschrieben.
 

„Gefährtin bedeutet so etwas wie Ehefrau, richtig?“, wollte Kagome sich mit Blick auf ihre Patientin vergewissern.
 

Es war einfach unvorstellbar.

Auch Jaken glaubte sich verhört haben zu müssen. All die Jahrzehnte hatte Sesshōmaru nichtmal im Ansatz auch nur eine Gefährtin angedeutet! Nun gut, die Frau Mutter hatte er auch erst kürzlich kennen gelernt – er ahnte auch warum. Aber eine Göttin? Sein Meister verachtete einfach alles, wofür sie standen.
 

„Ja, Kagome-chan. Deshalb hat er also gezögert“, fand Sango wieder zu ihrer Sprache, während die Freundinnen sich in ihrem Unglauben ansehen.
 

Kirara setzte bereits zurückgekehrt ins Kleinformat miauend zum Sprung auf ihre Arme an. Wie stets beruhigte es sie, ihr weiches Fell zu streicheln. Kohaku riskierte ein Lächeln, als ihr Blick den Seinen fand. Irgendwie hatte wohl nicht nur sie sich das bei dem Dämon nie vorzustellen gewagt. Nicht, dass sie sich je darüber Gedanken gemacht hätte, woran und ob der überhaupt an so etwas interessiert war.
 

„Stimmt, es schien fast so, als wollte er Tenseiga ziehen, kurz bevor ihre Stimme uns erreichte “, pflichtete Miroku ihr bei.
 

„Dafür wirkte er auf mich aber eher schockiert als erfreut, als wir sie hier fanden“, klang der Fuchsjunge fast enttäuscht.
 

„Das könnte daran liegen, weil er sie heute das erste Mal seit 400 Jahren wiedergesehen hat, Shippō“, sorgte Myōga doch tatsächlich für noch mehr Erstaunen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Und, war wer überrascht? Zu gewagt? Zu schnell gar? Zu OoC?

Ich war ehrlich gestanden ein wenig unsicher, wo ich schneide. Was meint ihr?
Ich muss gestehen, dass ich nicht widerstehen konnte, euch einfach nächstes Mal gerne bereits in die erdichtete Vergangenheit zu entführen. Ich hoffe, das glückt mir. Erwartet also die nächsten Kapitel mit Erinnerungssequenzen bestückt^^

Begriffe wie Yorishiro oder Shintai erklärt der Mönch dann gerne beim nächsten Mal Komplett anzeigen

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