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Süß wie Glühwein

Türchen 12 für den Adventskalender des YuKa-Zirkels
von

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Süß wie Glühwein

Da standen sie nun, Mathilda, Julia, Yuriy, Kai und Boris. In der Kälte. Winzige Schneeflocken wirbelten durch die Luft. Wie immer im Dezember wurde es in Berlin den ganzen Tag nicht richtig hell, das Grau des Himmels veränderte lediglich seine Nuance. Ohne die Festtagsbeleuchtung wäre sicherlich die gesamte Stadt in einem einheitlichen Winterblues versunken. Während Zugezogene wie Kai und Julia auch unter Lichterketten jede Hoffnung verloren und verzweifelt Vitaminpillen warfen, um ihre Körper funktionstüchtig zu halten, machten die Urberliner seit jeher das Beste aus der dunklen Jahreszeit. Oder zumindest versuchten sie es.

„Leute, denkt doch mal nach! Die U7 ist quasi der Weihnachtsmarkt-Express!“ Mathilda zählte an den Fingern ab. „Zuerst der in der Altstadt in Spandau. Dann Charlottenburg. Dann Rixdorf. Und am Schluss der in Britz!“

Die Reaktionen fielen verhalten aus. Yuriy murmelte etwas davon, dass die U7 alles andere als ein „Express“ war. Boris fragte laut: „Aber wer fängt denn bitte in fucking Spandau an?“ Und Kai erklärte, dass er sowohl zu alt für S-Bahn-Raves als auch für U-Bahn-Saufen war.

Enttäuscht über das fehlende Commitment des männlichen Teils ihrer Clique, drehte Mathilda sich zu Julia. „Na?“, fragte sie, aber natürlich ließ sich ihre Partnerin nach vier gemeinsamen Jahren nicht mehr unter Druck setzen.

„Lass uns doch einfach auf das RAW-Gelande gehen, Babe“, sagte sie.

„Aber da ist es matschig!“, wandte Yuriy ein.

Mathilda beschoss ihn mit einem eisigen Blick.

„Sagt der, der im August bis zu den Knien im Matsch an den Decks stand und trotzdem sein Set gespielt hat!“

„Ja, aber da wurde ich bezahlt, nicht andersrum!“

Mathilda holte tief Luft. „Haltet einfach mal alle kurz die Schnauze, ja?! Wir haben gemeinsam beschlossen, dass wir zum Weihnachtsmarkt gehen. Wir haben einen Termin gefunden, an dem wir, oh Wunder, alle Zeit haben. Wir ziehen den Scheiß jetzt durch, klar? Mir ist egal, ob es friert oder schüttet, ob die scheiß Ringbahn fährt oder nicht – ich will meinen Glühwein, und wenn es das letzte ist, was ich tue!“

„Wir könnten auch in meiner Wohnung…“, setzte Kai an, doch dieses Mal war es Boris, der ihn unterbrach.

„Wir wissen, dass du von allen die geilste Wohnung hast“, sagte er, „Aber der Sinn von Glühwein ist nunmal, dass man zu viel Geld dafür bezahlt, ihn eingequetscht zwischen zu vielen Menschen trinkt und sich dabei den Arsch abfriert.“

Mathilda deutete mit dem Finger auf ihn. „Er versteht mich!“

Sie blickte sich um: Zugegeben, sie hatten sich im trostlosesten Teil Berlins getroffen: Mitte. Neben ihnen steckte der Fernsehturm seinen Kopf in die Wolken. Ein paar Meter weiter blinkten die Lichter des von Touristen und Teenagern überrannten Weihnachtsmarktes, der so schlecht war, dass selbst Mathilda nicht das Verlangen verspürte, ihn zu betreten.

„Na los, dann halt RAW”, bestimmte sie und setzte sich in Bewegung. Die anderen folgten ihr wie eine brave Entenfamilie in die S-Bahn, mit der sie zur Warschauer Straße fuhren. Nur wenig später stand sie endlich zwischen Markthütten, zusammen mit einer unüberschaubaren Anzahl von Hipstern, Touristen und Studierenden. Der Boden war tatsächlich mit irgendetwas bedeckt, das sicher sehr matschig werden konnte. Doch dank der leichten Minusgrade fühlte es sich nur ein wenig weich an.

Sie kauften einem wirklich hinreißenden Punk die erste Runde Glühwein ab, und Julia, Mathildas kleiner Sparfuchs, holte den Flachmann aus ihrer Manteltasche, um sie reihum mit Schuss zu versorgen. Als die Wärme ihrer Tassen auf ihre Hände und der Alkohol in ihre Gehirne überging, hörte selbst Yuriy auf zu murren. Kurz darauf stieß Garland zu ihnen, insgesamt anderthalb Stunden zu spät, wie ein Star zu einer Awardshow. Er hatte eine passende Ausrede, irgendwas mit einem Kunden in Australien, aber das glaubte niemand so recht. Schließlich hatte Garland für den krassesten Plottwist der Welt gesorgt, als er angefangen hatte, ausgerechnet mit Miguel zu flirten. Mathilda hätte Geld gewettet, dass das entweder ein Rebound sein oder auf irgendeine verdrehte Weise einen Keil zwischen Kai und Yuriy treiben sollte. Doch aus dem Rebound schien etwas erstaunlich Ernstes geworden zu sein. Und Kai und Yuriy waren unerschütterlich, sie waren so sehr mit sich beschäftigt, dass sie sich vermutlich nichts dabei gedacht hatten, als ihre Ex-Affären etwas miteinander anfingen.

Mathilda rieb ihre Schulter an Julias Arm und blickte glücklich in die Runde. Es passierte viel zu selten, dass sie so zusammenkamen. Aber auch wenn sie ihre Clique gerne öfter sehen würde, so schaffte sie es doch nicht, traurig über ihre erfüllten Leben zu sein. Denn erfüllt waren sie: Julia war Teamlead in einer Marketing-Agentur geworden und liebte das Arbeiten in Kreuzberg, die grundverschiedenen Aufträge und die Reisen zur Kundschaft. Garlands trieb sich als selbstständiger Projektmanager und Scrum Master mal in diesem, mal in jenem Unternehmen herum. Boris trainierte inzwischen irgendwelche Schauspieler für ihre nächste Rolle in öffentlich-rechtlichen Krimiserien. Kais Consultingfirma lief so gut, dass er vermutlich bald mit dem Hustle aufhören und ein paar Stunden weniger die Woche arbeiten konnte. Yuriy war als DJ gefragt wie nie und machte sich gerade auch als Producer einen Namen. Und sie selbst? Sie war ins Management-Team eines neuen Clubs eingestiegen und hatte sich somit einen lang gehegten Traum erfüllt.

Ja, verdammt. Es ging ihnen gut.

Mathilda hob ihre Tasse, als sich ihr Blick mit Yuriys traf, und prostete ihm grinsend zu. Im selben Moment schlang Kai einen Arm um Yuriys Tallie und rückte fröstelnd an ihn heran. Yuriy zog ihn an sich und rieb über seinen Oberarm.

Die beiden waren in etwa so eklig süß wie der Glühwein.

Ach, dieser Nachmittag würde Mathilda über den Rest des Dezembers hinweghelfen. Sie mochte den Jahreswechsel wesentlich mehr als Weihnachten. Zu den Feiertagen besuchten Julia und sie ihre Familie, doch nach spätestens drei Tagen zog es sie wieder zurück in die große Stadt. Natürlich würde ihr Club eine Silvesterparty schmeißen. Sie hatte Yuriy dafür eingekauft. Also würden auch Kai und Boris kommen, und Julia war sowieso dabei. Mathilda fand, dass sie das sehr geschickt eingefädelt hatte. Nach der Arbeit, also in den nicht mehr ganz so frühen Morgenstunden, würden sie gemeinsam noch ein paar Schnäpse kippen, vielleicht sogar irgendwo frühstücken, und das war dann der Beginn des neuen Jahres. Mehr musste es nicht sein.

Zunächst einmal musste sie aber ihren Glühweinverbrauch des laufenden Jahres decken. Sie ergatterten eine Feuertonne, die dafür sorgte, dass sie nicht erfroren. Kai zahlte eine Runde, dann Boris, dann Garland, und spätestens zu diesem Zeitpunkt hatten sie die Wolken und die frühe Dunkelheit vergessen. Der Schein des Feuers tauchte sie in warmes Licht und der Alkohol rötete ihre Wangen zusätzlich.

Yuriy sammelte die Tassen ein und machte Anstalten, eine weitere Runde zu holen.

„Fuck, ich muss morgen arbeiten”, stellte Kai fest. Er lallte schon ein wenig.

„Fuck, ich auch”, sagte Garland. „Yu… Yuriy! Bring mir irgendwas ohne Alkohol mit, okay?!”

„Ich versuch’s”, entgegnete Yuriy.

„Nicht versuchen!”, rief Garland ihm hinterher. „Ich kann wirklich nicht mehr…” Seine Worte verloren sich, denn Yuriy setzte unbeirrt seinen Weg fort.

„Ich werde weitersaufen müssen, oder?”, fragte Garland.

Sie brummten zustimmend.

„Zieht Yuriy jetzt eigentlich wirklich zu dir, Kai?”, fragte Julia, als hätte sie sich gerade daran erinnert. Tatsächlich hatten die beiden jetzt monatelang darüber debattiert, ob sie diesen Schritt wagen sollten. Bis Boris Yuriy erklärt hatte, dass er nichts gegen eine Zweiraumwohnung für sich alleine hätte. Und Kai auf der anderen Seite argumentierte, dass in seiner neuen Wohnung genug Platz für zwei Menschen und ein kleines Tonstudio war. Seitdem erklärte Yuriy jedem, der es hören wollte, dass er aus seiner Wohnung gedisst worden war.

„Im Januar”, antwortete Kai und nickte. „Da ist er nicht ganz so viel unterwegs und wir haben genug Zeit für den Umzug.”

„Wie aufregend!”, sagte Julia theatralisch. „Ich kann es nicht glauben, dass ich diesen Moment noch erleben darf!”

„Fang doch nicht schon wieder damit an…”

Mathilda lachte. Wenn sie Kai oder Yuriy aufziehen wollten, dann mussten sie die beiden nur daran erinnern, dass sie drei Jahre gebraucht hatten, um ihren Shit zusammenzukriegen. Wie konnte man nur jahrelang ineinander verschossen sein und es nicht merken? Sie würde nie verstehen, wieso manche Menschen so gut darin waren, das Offensichtliche zu ignorieren. Hätte sie Julia jahrelang aus nächster Nähe anhimmeln müssen, ohne je einen Move zu machen, sie wäre durchgedreht. Gar keine Frage.

In diesem Moment kam Yuriy wieder und verteilte neue Becher.

„Viermal Glühwein für euch”, verkündete er. „Und einmal Schokolade für Garland.” Er reichte ihm die Tasse mit einem verschmitzten Grinsen.

Garland sah ihn misstrauisch an, schnupperte an der Tasse und trank dann vorsichtig einen Schluck. Er verzog das Gesicht.

„Hast du was in die Schokolade getan?”

„Ich nicht!”, rechtfertigte Yuriy sich. „Das war der Punk mit den Snakebites da drüben.”

Garland seufzte. „Prost.”

„Cheers, Babe”, sagte Julia nahe an Mathildas Ohr. Als sie sich zu ihr drehte, hauchte sie ihr einen Kuss auf die Lippen, der nach Alkohol und Gewürzen schmeckte. Mmh.

Mathilda bemerkte ihren Schwips und die leichte Übelkeit, hervorgerufen durch den vielen Zucker. Eventuell würde Julia sie nach Hause bringen müssen. Egal. Das war es wert. Hier zu sein, mit ihren Freunden, mit der Liebe ihres Lebens, war das beste Geschenk.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Phoenix-of-Darkness
2022-12-15T17:07:37+00:00 15.12.2022 18:07
Ich lieb es.
Natürlich war mein süßer Moment der fröstelnde Kai und Yuriy, der ihn wärmt. 😍
Aber Mathilda hat es echt drauf und ich finde, dass sie wunderbar belohnt wurde. Wirklich ein schöner Glühwein "Nachmittag" .
Ich schließe mich Wolfi an... auf zur Silvesterparty ✌🏻😁
Von:  FreeWolf
2022-12-15T13:11:37+00:00 15.12.2022 14:11
Einfach nur LIEBE für die Truppe und für Berlin, weil die Berlingefühle haben sich definitiv eingestellt - die Weihnachtsmarktgefühle auch, aber denen kann ich gut begegnen, haha :-)
Ich liebe Mathildas trockenen Humor und ihre Art, alle sehr bestimmt durch die Weltgeschichte zu dirigieren. Ich feiere sie sehr, genauso wie Garlands Starallüren und die Party zu Silvester, die wir vielleicht auch noch sehen werden...? ;)
Antwort von:  lady_j
15.12.2022 15:05
Gib mir doch keine Ideen, Mensch!! <3
Antwort von:  Persades
15.12.2022 21:57
Gib ihr Ideen, Mensch!
Aber lady_j ist doch ohnehin mit dem Silvesterthema dran, steht zumindest in der Planung.
Antwort von:  lady_j
15.12.2022 22:00
Wis?
Antwort von:  Persades
15.12.2022 22:01
Siehe Tür 24: Countdown Silvester. Mit WeißeWölfinLarka zusammen, offenbar.
Antwort von:  FreeWolf
17.12.2022 09:17
JA ich gebe dir Ideen, DUAS!


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