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X-fach X-mas

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Tag 19

Jodie saß in einer Bar in in einem eher abgelegenen Stadtteil von Tokyo. Einerseits wollte sie unter Menschen sein, andererseits aber auch nicht. Was aber gar nicht ging waren Menschen, die sie kannte. Sie würde sie nur verurteilen, Mitleid mit ihr haben oder sie nicht aus den Augen lassen. Deswegen entschied sie sich, etwas weiter weg zu fahren. Direkt als sie reingekommen war, musterte sie die Gäste und die Mitarbeiter. Zum Glück war keiner ihrer Kollegen, Freunde oder Bekannte auf die Idee gekommen, ebenfalls in eine entfernte Bar zu fahren.

Die Agentin blickte in ihr Glas Bourbon. Eigentlich präferierte sie Sherry und sie hatte stets welchen zu Hause. Aber um ihm nahe zu sein, entschied sie sich um. Bourbon mit Eis war sein Lieblingsgetränk. Allerdings schien der Barkeeper zu wissen, dass das Getränk ihr nicht entsprach. Dennoch servierte er es ihr souverän und stellte ihr auch eine kleine Schale mit Snacks hin. Alkohol auf nüchternen Magen war nie eine gute Idee und sie hatte tatsächlich seit Stunden nichts mehr gegessen.

Jodie schwenkte die Flüssigkeit im Glas gegen den runden Eiswürfel und nahm immer wieder einen kleinen Schluck. Der Bourbon brannte in ihrer Kehle. Tränen stiegen auf. Unweigerlich dachte sie an Shuichi. Er war wie immer er selbst gewesen. Sie kannte es gar nicht anders. Was er tat, tat er immer zur Zufriedenheit des FBIs, allerdings nicht zu ihrer. Früher hatten sie sich darauf geeinigt, dass die Arbeit immer vor ging und danach handelte er. Er stieß sie weg oder involvierte sie nicht. Es tat weh.

Auch wenn Jodie es nie laut aussprechen würde, manchmal hatte sie das Gefühl, dass sie das fünfte Rad am Wagen war. Keiner brauchte sie, aber sie war trotzdem da. Ihre Unsicherheit überspielte sie oftmals durch ihre fröhliche Art. Sie war immer die Amerikanerin, die kein Wässerchen trüben konnte. Aber die Fassade konnte sie nicht immer aufrechthalten. Gerade zu Hause – wenn sie alleine war – ließ sie ihren Gefühlen freien Lauf. Manchmal kam sie am nächsten Morgen nur schwer aus dem Bett und manchmal weinte sie auch einfach ohne Grund.

Jodie nahm einen weiteren Schluck aus dem Glas. Sie war alleine und das würde sich auch im Laufe des Abends wohl nicht ändern. Selbst die Männer, die an die Bar kamen und das Gespräch mit ihr suchten, ignorierte sie. Nicht, weil sie gemein sein wollte oder kein Interesse hatte, sondern eher, weil sie sie gar nicht wahrnahm. Ihre Gedanken hatten sich selbstständig gemacht. Sie dachte an die gemeinsame Zeit mit Shuichi zurück, wie zärtlich er war, sie im Arm hielt, sie liebte und dann wie kühl und abweisend er sich ihr gegenüber verhielt. Sie seufzte. Warum konnte sie sich nicht einfach in einen anderen Mann verlieben? Es gab eine beträchtliche Anzahl an Männern in Japan und wenn Jodie wollte, könnte sie vermutlich schnell einen Freund finden – oder eine lockere Bindung eingehen. Theoretisch gab es da sogar jemanden: Camel.

Sie hatten sich während der Arbeit kennengelernt und das in einer schlimmen Phase von Jodies Leben. Er war für sie da und kümmerte sich um sie. Er tröstete sie und versuchte sie auf andere Gedanken zu bringen. Auch als sie den toten Shu gesehen hatte, unterstützte Camel sie in ihrer Suche. Er war derjenige, der sie in ihrer Trauer auffing. Er und James. Aber mit James konnte sie nicht so unbefangen umgehen, wie sie wollte. Daher war es gut, dass Camel da war. Sie wurden Freunde und sie war ihm dankbar, dass er an ihrer Seite war. Manchmal glaubte sie allerdings, dass es einfacher gewesen wäre, wenn sie mit Camel etwas angefangen hätte. Aber ohne Gefühle für ihn, kam sowas nicht für sie in Frage. Vor allem dann nicht, wenn es eine Freundschaft zerstören konnte oder derjenige, etwas für sie empfand. Es war auch nicht gerade einfach, wenn man miteinander arbeitete – sie hatte es am eigenen Leib mit Shu erlebt. Leider war sie bei Camel nicht sicher, ob er Gefühle für sie hatte. Er errötete regelmäßig in ihrer Nähe und wirkte sehr unbeholfen. Aber er hatte ihr nie ein Geständnis gemacht. Manchmal war sie sich auch nicht sicher, ob sie sich das nicht nur einbildete oder sich wünschte, dass ein anderer Mann sie begehrte.

Jodie seufzte ein weiteres Mal. Warum konnte das Leben nicht einfach sein? Es war immer kompliziert und egal was sie tat, es änderte sich kaum etwas. Die Agentin blickte in ihr Glas und trank den restlichen Bourbon in einem Rutsch aus. In dieser Menge brannte er noch stärker und das warme Gefühl breitete sich in ihr aus. „Noch einen“, sagte Jodie zum Barkeeper. Ob sie ihn trinken würde, war eine andere Sache. Vielleicht würde sie dieses Mal einfach nur ins Glas blicken.

„Das solltest du lieber sein lassen.“

Jodie sah zur Seite. „Shu?“, murmelte sie. „Was…was machst du denn hier?“

Der Agent musterte sie. „Camel sagte mir, wo ich dich finde.“

„Ach so…“

Shuichi schaute zum Barkeeper. „Sie verzichtet auf ein weiteres Glas.“

Der Mann war unschlüssig und starrte zwischen den Beiden hin und her.

„Ich bin kein kleines Kind, Shu…“, gab Jodie von sich. Sie seufzte abermals. „Gut, lassen Sie das Glas“, sprach sie dann zum Barkeeper. Jodie zog ihre Handtasche zu sich und kramte darin herum. Sie holte ihre Geldbörse heraus und legte einen Geldschein auf den Tresen. Dann stand sie auf und zog sich ihre Jacke über.

Shuichi beobachtete ihr Treiben – genau so wie der Barkeeper.

„Kommst du?“, wollte Jodie wissen, als sie Anstalten machte, zu gehen.

Er sah sie irritiert an. „Du willst gehen?“

„Ja.“

Akai hatte nicht gedacht, dass es so einfach werden würde, Jodie zu überzeugen. Meistens war sie gerade bei solchen Dingen sehr stur. „Ehrlich gesagt, habe ich gedacht, dass es schwerer werden würde, dich hier rauszubekommen.“ Vielleicht hätte er sie sogar tragen müssen.

Jodie zuckte mit den Schultern. „Du bist doch hier, um mich nach Hause zu bringen. Natürlich könnte ich dagegen argumentieren und dir hier eine kleine Szene machen, aber du wirst trotzdem darauf bestehen. Dann werden wir streiten, etwas trinken, wieder darüber streiten und noch mehr trinken. Und am Ende sind wir beide angetrunken, ich vermutlich mehr als du und dann bringst du mich ja doch nach Hause. Allerdings wird es mir morgen deutlich schlechter gehen, deswegen kürze ich das alles einfach ab.“ Sie ging zum Ausgang und drehte sich um. „Also? Kommst du und bringst mich nach Hause?“

Shuichi schmunzelte. Jodie konnte ihn immer noch überraschen.



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