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Das Leben danach

Magister Magicae 12
von

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Der schwierige Plan

Katerina beobachtete eine Weile mit gerunzelter Stirn, wie Serhii den Sandsack vermöbelte, und gesellte sich schließlich dazu. Sie legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter. Daraufhin hörte er auf, wie ein Wahnsinniger auf das Trainingsgerät einzudreschen, und atmete erstmal tief durch.

"So sauer hab ich dich lange nicht mehr erlebt. Was ist passiert?", wollte die schwarzhaarige Bodybuilderin wissen.

"Ein Malheur ist passiert", maulte Serhii. "Und zwar ein echt beschissenes."

Sie griff kommentarlos nach dem herumliegenden Handtuch und gab es ihm, damit er sich das verschwitzte Gesicht trockenwischen konnte.

"Waleri und Olha sind sich nähergekommen."

Katerina zog ein saudummes Gesicht. "Du meinst, die beiden haben ...?"

"Ja!", unterbrach Serhii sie genervt. "Genau das meine ich! Und es sieht nicht danach aus, als wäre es ein einmaliges Versehen gewesen."

"Dermo", kommentierte sie völlig perplex. "Ich hatte wirklich gehofft, dass er mich nimmt."

"WAS!?"

"Ach, nichts", wiegelte Katerina schnell ab.

"Ob DU was von ihm willst, ist mir Schnuppe. Aber an Olha darf er sich definitiv nicht halten."

"Warum nicht? Das ist doch nicht schlecht, oder? Wenn er sich eine von uns Frauen nimmt, wird ihn das stärker an unsere Gruppe binden und er wird nicht so leicht wieder abhauen. Ist doch eigentlich egal, für wen er sich entschieden hat."

"Olha ist ´ne scheiß Wahl", murrte Serhii trotzdem weiter. "Sie ist jung und viel zu beeinflussbar. Eher wird Waleri sie umkrempeln, als dass sie ihn ..." Er ließ den Satz unvollendet, als hätte er Angst, jemand könnte mithören, und rettete sich stattdessen in ein frustriertes Schnauben. Er verschränkte verdrießlich die Arme und überlegte. "Ich hätte ihm nicht einreden sollen, dass er sich eine von euch aussuchen kann. Es war naiv von mir, zu glauben, dass er sich wohl kaum so ein junges Huhn nehmen wird. Er ist dreimal so alt wie sie!"

"Alter ist bei uns relativ, das weißt du. Wir Elasmos werden locker 150 Jahre und älter. Und wir sind bis zum Schluss fortpflanzungsfähig. Er hat also noch nichtmal seinen Zenit erreicht. Olha wird noch jede Menge Zeit mit ihm haben."

Serhii gab nur ein schlecht gelauntes 'hmpf' von sich. Es war bei Elasmotherium-Frauen gar nicht so unüblich, sich ältere Männer zu suchen, das wusste er selber. Sie wurden mit zunehmendem Alter immer stärker. Er hatte ja im Ring am eigenen Leib erfahren, wie knallhart Waleri ihn plattgemacht hatte. Ältere Männer hatten außerdem mehr Lebenserfahrung. Hatten sich bereits bewiesen. Hatten mehr Status. Sie konnten eine Familie besser versorgen und beschützen als ein Jungspund. Es war normal, dass sie erst mit zunehmendem Alter für die Frauen immer begehrenswerter wurden. Serhii hatte sich nie gewundert, warum die beiden Frauen keinen aus ihrer Gruppe hatten haben wollen. Die Kerle aus seiner Herde waren alle zu jung. Selbst er mit 39 war den Mädels immer noch zu jung, das war kein Geheimnis. Andersrum war es bei den Elasmotherium-Männern auch durchaus gewollt und gängig, sich wesentlich jüngere Frauen zu suchen, die noch gesunde Gene hatten und noch viele Kinder austragen und aufziehen konnten. Aber so ein krasser Unterschied wie bei Olha mit ihren 20 Jahren, und Waleri mit 65, das war selbst bei Elasmotherium Sibiricum nicht die Norm. "Sieh zu, dass Waleri die Finger von ihr lässt!", trug er der Bodybuilderin in vollem Ernst auf und drehte sich wieder dem Sandsack zu, um weiter seinen Frust daran zu entladen.

"Das brauchst du mir nicht zweimal sagen", schmunzelte Katerina.
 

Es war fast 4 Wochen später, als das erste Mal wieder Action in den Alltagstrott kam, der inzwischen Einzug gehalten hatte. Waleri hatte zwar sein eigenes Zimmer in der WG bekommen, wohnte aber de facto mehr in Olhas Zimmer als in seinem. Zwischen ihnen hatte sich tatsächlich eine Beziehung angebahnt, die vom Rest der Truppe auch akzeptiert wurde. Jedenfalls hatte keiner ihm etwas Gegenteiliges ins Gesicht gesagt. Abgesehen davon gingen sie alle ihren mehr oder weniger langweiligen Jobs nach, verbrachten ihre Freizeit in Serhiis Fitness-Studio, oder frönten ihren anderen, kleinen Hobbies. Es war ein geruhsames und harmonisches Leben, in dem wenig Unvorhergesehenes geschah.

Waleri schaute fragend auf, als an diesem Nachmittag, der so entspannt wie jeder andere zu werden schien, jemand wie eine Furie in die Küche gestürmt kam. Noch ehe er ganz begriff, dass es Olha war, hieb diese ihm bereits stinksauer eine Tageszeitung um die Ohren. Reflexartig riss er die Arme hoch, um sich zu decken.

"Du elender Hund!", brüllte sie ihn an. "Du Penner!"

"Was zur Hölle ...!?", quietsche Waleri empört, kam aber aus seiner Deckung nicht heraus weil schon wieder die Zeitung auf seinen Schädel herunterdonnerte.

"Ich dachte, das zwischen uns wäre was Ernstes!"

"Olha!"

"Du untreuer Schuft!"

"Wie bitte!?" Waleri griff mit einer schnellen Bewegung nach der Zeitung und riss ihr diese aus der Hand, um sie endlich zu entwaffnen. "Du unterstellst mir Untreue?"

"Tu nicht so scheinheilig!", zeterte die junge Frau ungehalten weiter. "Du weißt ganz genau, was ich meine!

"Nicht wirklich, nein!"

Sie spulte weiter einige nicht sonderlich kreative Beschimpfungen ab, die Waleri, halb ratlos, halb bestürzt, einfach über sich ergehen ließ, in der Hoffnung, dass sie sich irgendwann abregte und wieder auf eine normale Gesprächsebene zurückfand. Aber statt sich zu beruhigen, machte sie ziemlich bald auf dem Absatz Kehrt und stürmte davon. Die ins Schloss fliegende Vorsaaltür kündete davon, dass sie nicht nur in ihr Zimmer verschwunden war, sondern die Wohnung ganz verlassen hatte.

Waleri blieb verständnislos zurück und atmetet tief durch. "Zicken-Terror, ey. Das kann ich brauchen", murmelte er leise in sich hinein und schüttelte unterschwellig den Kopf. Er hatte keine Ahnung, was in Olha gefahren war. Aber irgendwann würde sie ja wieder auftauchen müssen. Dann konnte er sie immer noch danach fragen. Er beschloss, das Thema bis dahin abzuhaken.
 

Katerina kam Augenblicke später angeschlichen und schaute vorsichtig durch die Küchentür. "Was war denn gerade los? Was hast du angestellt?"

"Das wüsste ich auch gern", seufzte Waleri und pappte die einkassierte Zeitung neben sich auf die Tischplatte.

Die Bodybuilderin setzte sich zu ihm an den Tisch, als ob sie ihn trösten müsse, fand dann aber doch keine rechten Worte dafür. Also hoffte sie einfach, ihre bloße Anwesenheit würde reichen. Sie nickte in Richtung des Laptops. Inzwischen hatte Waleri seinen eigenen hier und musste sich nicht mehr ständig einen ausleihen. "Du verbringst schon wieder mehr Zeit an dem Ding als im Fitness-Studio. Was machst du gerade?"

Waleri schmunzelte müde. "Kennst du Kabanov?"

"Wer kennt den nicht? Der Kerl war eine Legende, bevor wir Elasmos aus dem Profi-Sport ausgeschlossen wurden. Er hat im Oktagon jeden zu Brei gehauen. Er war bis zum Schluss unbesiegt."

"Das ist er immer noch. Er kämpft inzwischen in Kanada, weil er hier in Russland nicht mehr darf, und mischt dort fröhlich die kanadische Liga auf. Ich hab Kontakt zu ihm. Ich versuche ihn zu überreden, dass er nach Russland zurückkommt."

Katerina zog ein unschlüssiges Gesicht. "Warum sollte er? Er dürfte hier maximal noch als Trainer arbeiten, aber nicht mehr selber ins Oktagon steigen."

"Nicht, wenn ich ihm eine Perspektive bieten könnte. Ich will wieder eine Profi-Liga auf die Beine stellen. Einen eigenen Dachverband, nur für Elasmotherium. Überall in Russland sind ein Haufen Elasmotherium in Lauerstellung, die nur darauf warten, wieder kämpfen zu dürfen. Kabanov als Zugpferd würde uns genug Publicity einbringen. Er ist medienwirksam. Er würde Sponsoren anziehen. Mit ihm als Gesicht unserer Kampagne könnte das wirklich was werden."

"So große Pläne haben aber für gewöhnlich einen Haken", vermutete Katerina.

Waleri nickte unglücklich in sich hinein. "Das ganze Ding ist Kabanov zu klein und zu unbedeutend. Er will nicht in einer reinen Elasmotherium-Liga kämpfen. Er will Meister ALLER Klassen sein. Er will beweisen, dass er JEDEN schlagen kann, egal welche Art von Mensch oder Genius."

"Und? Hast du schon eine Idee, wie du es ihm trotzdem schmackhaft machst? ... Ich schätze, du wirst den Dachverband öffnen müssen. Du kannst halt nicht nur Elasmos als Mitglieder aufnehmen. Du musst jeden Wahnsinnigen reinlassen, der sich traut, sich mit einem Elasmo anzulegen."

"Genau das geht halt nicht. Das ist ja eben das, was die Sport-Branche verhindern will und warum sie uns überhaupt erst aus allen anderen Ligen rausgeschmissen haben. Nein, mein Plan ist momentan der hier!" Er drehte Katerina den Laptop hin, um ihr ein Video auf dem Bildschirm zu zeigen. Auf dem Standbild war deutlich ein Kämpfer in einem MMA-Ring zu sehen, dem typischen, als Oktagon bezeichneten, 8-eckigen Käfig.

"Der 'Hammerhai'? Wirklich?", meinte sie zweifelnd, als sie den Fighter erkannte. Auch der war eine ziemliche Hausnummer und in der Kampfsport-Szene berühmt. "Er war früher nicht gerade dafür bekannt, fair zu kämpfen. Er hat einen ganz miesen Ruf. Mit so einem würde ich nicht unbedingt Werbung machen."

"Ich weiß. Aber er war Kabanovs Nummer-1-Kontrahent. Die beiden waren gerade dabei, den WM-Titel im Mixed Martial Arts unter sich zu klären, als alle Elasmotherium plötzlich aus dem Kampfsport ausgeschlossen wurden. Sie haben ihren Finalkampf nie austragen dürfen. Ich hoffe, dass ich Kabanov damit ködere, dass er das noch nachholen kann und seinen Kampf gegen den 'Hammerhai' doch noch bekommt."

"Hm", machte Katerina nur und sah immer noch nicht ganz überzeugt aus.

"Aber die zwei sind alle beide voll die Pussies", erzählte Waleri weiter. Man hörte einen unterschwelligen Frust aus seiner Stimme heraus. "Kabanov sagt, er kommt nur zurück, wenn der 'Hai' auch zusagt, zurückzukommen. Und der 'Hai' sagt, er kommt nur zurück, wenn Kabanov zuerst zusagt. Sie schieben sich den Ball hin und her. Keiner will den Anfang machen. Kann ich ihnen nichtmal verübeln. Mein Name hat für sie zu wenig Gewicht, um als Bürgschaft herzuhalten. Mich kennt keine Sau. Ich hab noch nie im Oktagon gekämpft, geschweige denn mal irgendwas Belangloses gewonnen."

"Was treibt der 'Hammerhai' denn heutzutage überhaupt, seit er nicht mehr kämpfen darf? Wäre der überhaupt noch fit für so ein Event?"

"Im Wesentlich handelt er mit Sportnahrung. Sein offizielles Geld macht er mit dem Versand von Aufbaupräparaten. Mit Protein-Pulver, Kreatin-Kapseln, Kollagen, und solchem Zeug. Aber er sagt, er stünde immer noch im Training. Ich tippe mal ganz stark auf illegale Straßenkämpfe, schon aus preisgeldtechnischen Gründen. Aber da hab ich natürlich nicht blöd nachgefragt."

Katerina rutschte mit ihrem Stuhl so nah an Waleri heran, dass sie ihm aufmunternd über den Rücken reiben und sich danach an seiner Schulter anlehnen konnte. "Ich finde, du machst hier was echt Großes. Bleib an der Sache dran, ja? Gib nicht auf."



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