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Melone zum Frühstück

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Melone zum Frühstück


 

Melone zum Frühstück
 

New York City ächzte unter den Temperaturen, die der Sommer mit sich brachte. War das Wetter zur ersten Jahreshälfte als wechselhaft bis angenehm zu beschreiben, so erlebte die Stadt, die niemals schlief, im Juli eine Hitzewelle, wie sie zuletzt vor sieben Jahren über die Ostküste hereingebrochen war und nun in den August einfiel, wie ein Schwarm blutsaugender Moskitos.

Die Regierung bat die Bevölkerung, in klimatisierten Räumen Schutz zu suchen, um gesundheitlichen Schäden zu entgehen und zugleich den Stromverbrauch für Lüftungsanlagen zu reduzieren. Eine prekäre Situation, die das Leben der New Yorker vor eine große Herausforderung stellte. Am einfachsten schien es, zuhause zu bleiben und sich nur ins Freie zu begeben, wenn es die Umstände nicht anders zuließen. So rief die Regierung dazu auf, Einkäufe und sonstige Besorgungen in die Morgenstunden zu verlegen. Spekulationen über eine Ausgangssperre zur Mittagszeit wurden laut, da die steigenden Temperaturen eine Gefahr für Leib und Leben darstellten.

Seufzend warf Kate die Fernbedienung auf den Couchtisch vor sich. Wieder zeigte der Wetterbericht strahlenden Sonnenschein, doch ihr drückte das Klima die Stimmung. Das leichte Hemdchen klebte ihr am Leib und sie hockte auf dem Sofa im Wohnzimmer und wischte sich die Stirn.

Ein Blick aufs Handy verriet ihr, dass es noch nicht einmal zehn Uhr geschlagen hatte. Vor drei Wochen hatte sie sich zu dieser Zeit nach Downtown gequält, da ihr waghalsiger Plan sonst in Gefahr geraten wäre. Auf dem Dachboden ihres Elternhauses ließ sich nichts Brauchbares mehr finden und so hatte sie sich auf die Suche begeben und wurde letztlich fündig. Ungern erinnerte sich Kate der hämmernden Kopfschmerzen, die sie innerhalb der ersten fünf Minuten ihres Aufenthalts erfassten. Der Geruch in diesem kleinen Laden, der Strick- und Nähware anbot, besäuselte ihr das Hirn.

Petra, die der Hippie-Kultur frönende Verkäuferin, zeigte sich verständnisvoll für Kates Nöte. Die Mittvierzigerin unterwies sie einer eingehenden Beratung, welche Wolle welchem Zweck dienlich war, von den passenden Nadeln ganz zu schweigen. So stolperte die benebelte, konfuse Kate aus dem Geschäft, ließ ein halbes Vermögen zurück und sah sich einem Projekt gegenüber, das sie vor eine hiesige Herausforderung stellte.
 

Schon im Kindesalter hatte sie sich quergestellt, was Großmutter Hannahs Begeisterung für das Hantieren mit Wolle anbelangte. Beratungsresistent hatte es Irmaline genannt, doch dass ihre Mutter selbst zu Nadel und Faden griff, war Kate immer und irgendwie entgangen. Näharbeiten an der alten, ratternden Maschine, dass Irmaline Bert, und später auch ihr, Kostüme genäht hatte, daran erinnerte sie sich. Doch die anderen Fingerfertigkeiten gingen Irmaline weniger geschickt von der Hand. Kate hingegen hatte weder ein Talent zum Stricken noch zum Nähen, Häkeln oder Sticken entwickelt. Mit Ach und Krach gelang es ihr, einen Knopf anzunähen, der so rasch die Flucht ergriff, dass es in diesen Zeiten günstiger war, in einen Neukauf zu investieren.

Ihre Kolleginnen hatten sie für vollkommen verrückt erklärt, als Kate von ihrem Vorhaben erzählte, bis auf Alice, die sich kooperativ zeigte und ihr Hilfe anbot. Nach dem Crash-Kurs bei Alice am letzten Samstag, der bis in den späten Nachmittag hineingereicht hatte, war Kate um einiges klüger, aber nicht unbedingt begabter, was die Handhabung betraf.

»Ein Schal? Im Hochsommer??« Mit mulmigem Gefühl erinnerte sich Kate höchst ungern dem abfälligen Schnauben Corinnes beim morgendlichen Treffen in der Teeküche am Montag darauf. Dem Spott ihrer Kollegin würde sie sich noch einer Weile ausgesetzt sehen, denn nicht selten stellte Corinne die kameradschaftlichen Bande, die einer vierjährigen, kollegialen Beziehung vorausgingen, auf die Probe. Voraussetzungen für die Freundschaft zu Corinne waren ein dickes Fell, stählerne Nerven und die Akzeptanz ihres ausschweifenden Lebensstils, der sich auf etliche One-Night-Stands pro Woche beziffern ließ.

Das Interesse Mellorys am Fortschritt von Kates Großprojekt verebbte so schnell, wie es aufgekommen war. Offenkundig beschäftigte es Mellory mehr, ihre Verehrer unter einen Hut zu bringen, als sie zugeben wollte. Seit dem netten Plausch mit dem Kellner von der Upper West, wie die Damen ihre neue Eroberung betitelten, schwirrte ihr ein Schwarm Schmetterlinge im Bauch herum. Sie streifte als Single durch die Clubs dieser Stadt – ein Umstand, der ihr gefiel. Sie ließ sich sogar von dem Boten beflirten, der die vielen Etagen des Bürogebäudes abklapperte und oft länger als nötig in der Kabine bei Kate und ihr verweilte.
 

Wie fast alles, das einer gewissen Konzentration, Verbissenheit und Durchhaltevermögen vorausging, hatte sich Kate an weiteren Maschen versucht. Doch die Wetterlage erschwerte das Vorankommen beträchtlich, da die Wolle durch den Schweiß der Finger verklebte oder sich aufzuribbeln drohte. Diese Erkenntnis spielte ihr in die Karten und ein durchaus schlüssiger Vorwand, den Beutel des Grauens erst einmal in den Tiefen des Kleiderschranks zu verstauen, war gefunden.

Kate schüttelte den Kopf und bereute ihre Aktion sofort. Jede Bewegung ließ den Schweiß schneller fließen. Es war ihr zwar gelungen, Wohn- und Schlafzimmer abzudunkeln, doch die Wärme wollte sich auch nach einer frühmorgendlichen Lüftung nur schwer vertreiben lassen.

Dass ihr Kühlschrank, Waschmaschine und Fernseher nicht schlapp machten, kam einem Wunder gleich.

Wieder streckte sie die Finger nach der Fernbedienung aus und zappte durch das Programm. Als sich nichts Passendes finden ließ, überlegte Kate, ob nicht ein wenig Hausarbeit Ablenkung schaffen könne. Mühsam quälte sie sich von der Couch, trabte ins Badezimmer und suchte, unter höchster Anstrengung, die Putzutensilien zusammen.
 

Keuchend wand sie sich das klebrige Haar zu einem Knoten im Nacken. Die Teppiche in Wohn- und Schlafzimmer waren gesaugt, Schränke entstaubt und die Küche gewischt. Das Bad knöpfte sich Kate zum Schluss vor, als sie das Läuten an der Haustür aus dem Tritt brachte. Verwirrung zierte ihr Gesicht, da sie weder Besuch noch den Postboten erwartete. Ihre Füße rutschten durch die Diele zur Gegensprechanlage. Sobald der richtige Knopf gedrückt und Kate sich nach dem Gast erkundigte, blieb Stille am anderen Ende zurück. Klingelstreiche waren ihr zuwider und jetzt, wo sie sich dem Hausputz ergeben hatte, kam ihr ein Störenfried dazwischen. Leichte Wut und Unglauben brauten sich in ihr zusammen. Sie wandte sich wieder ihrer Arbeit zu, als es erneut schellte. Dieses Mal an der Wohnungstür. Kate fluchte, sah an sich herab und flitze ins Schlafzimmer, um sich eine Hose über die Beine zu streifen. Mit zorngeschwängerter Miene haschten ihre Finger nach der Klinke und sie war gewillt, ihrem Gegenüber verbal die Leviten zu lesen. Zu ihrer Verblüffung verpuffte die Wut, veralbert worden zu sein, binnen weniger Sekunden.

Vor ihr stand Nick, der sie breit lächelnd und mit unverhohlenem Interesse musterte. »Hey, wieso … trägst du keinen BH?«

Der Schock über sein Erscheinen brachte sie völlig aus dem Konzept. »Waren wir verabredet?«

Ihre verdutzte Miene quittierte er mit schief gelegtem Kopf. Erst jetzt sickerten seine eigentlichen Worte zu ihr durch. Natürlich verzichtete sie bei diesen Temperaturen auf einen BH, zumindest, wenn sie zuhause und allein war. Dass sie barfuß und nur in Hemd und Hotpants gekleidet einem Fremden die Tür geöffnet hatte, brachte sie, im Nachhinein, in eine unangenehme Situation.

Kate verengte die Augen. Nicht, dass es schon gang und gäbe wäre, dass Nick, sobald er auf ihrer Türschwelle aufkreuzte, ein Recht auf das Betreten ihrer Wohnung hätte. Sein Augenmerk lag weiterhin auf ihrem Vorbau, der sich keck unter dem olivgrünen Stoff des weitgeschnittenen Tops abzeichnete. Das dissonante Schnipsen vor seinem Gesicht sollte seine Aufmerksamkeit von ihrem Busen ablenken.

»Hey, meine Augen sind hier oben«, knurrte Kate entrüstet.

»Ja, aber deine Möpse sind genau da!« Breit lächelnd hob er den Zeigefinger und stupste ihr gegen die rechte Brust.

Sie wich vor ihm zurück und teilte einen Klaps nach vorn aus. »Hör auf damit, Pflegel!«

Abwehrend hob Nick die Hände. »Entschuldige, ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen.«

Kate rang nach Luft. »Nick, es ist zu heiß, um mich über dich zu ärgern.«

»Sehr gut!« Sein unheilvolles Grinsen erinnerte sie an einen Schuljungen, der nichts Gutes im Schilde führte. »Ich habe uns etwas mitgebracht.«

Stolz schwang in seiner Stimme mit, und erst, als er auf das Ding zu seinen Füßen deutete, begriff sie. »Uns?«

»Jap. Ich hab eine Wassermelone getragen. Für dich. Für uns«, gab Nick zur Erklärung.

Ihr Seufzen drang durch den Hausflur. Seine Worte sollten sie zum Lachen bringen, doch Kate bezweifelte, dass ihm Dirty Dancing bekannt war. Vermutlich hatte er den Spruch irgendwo aufgeschnappt oder er war sich nicht einmal bewusst, dass er gerade eines der berühmtesten Filmzitate von sich gegeben hatte.

»Freust du dich nicht, mich zu sehen?« Beleidigt schürzte Nick die Lippen.

»Doch, ich … Nein, im Ernst: Waren wir verabredet?« Allmählich zweifelte sie an ihrem Verstand.

»Nope. Ich war gerade in der Nähe und da dachte ich - Nein, ehrlich gesagt habe ich nur nach einem Ort gesucht, an dem ich bleiben kann«, gestand er.

Kate presse die Lippen aufeinander und entsann sich dem Gespräch, das sie vor wenigen Wochen erst geführt hatten. Nick berichtete ihr, dass sein Zimmer in der WG, die er mit den Studierenden Ben, James und Michael bewohnte, einem Hochofen glich, denn die Lage und der Schnitt waren so bescheiden, dass ihm den ganzen Tag Sonne beschienen wurde. Zu den Wintermonaten hin war ihm der Neid der Mitbewohner sicher, doch sobald das Thermometer anstieg, wollte keiner der Jungs mit ihm tauschen oder ihn bei sich unterbringen. Und zu allem Unglück hinkte die Wohnungsverwaltung mit der Wartung der Klimaanlagen massiv hinterher.

Unbeholfen kratzte sich Nick am Hinterkopf. Seine plötzliche Verlegenheit überraschte sie. »Ich bin für den alten Phips eingesprungen und hab seine Schicht beim Union Market übernommen. Ihm ging's nicht gut. Die Hitze macht ihm zu schaffen.«

Tief rang sie nach Luft. Einsichtig nickte Kate seine Worte ab, denn Nick wäre wohl der letzte Mensch auf Erden, der anderen Hilfe verweigerte.

»Und als Wiedergutmachung, Entschuldigung und um Abbitte zu leisten«, sagte er und langte nach dem leuchtend grünen Fruchtgemüse. Vor all den Worten, die ein und dasselbe bedeuteten, schwirrte ihr mählich der Kopf. Unter keuchenden Lauten klaubte Nick die riesige Melone auf.

Skepsis zierte Kates Gesicht. »Hast du die geklaut?«

Er schnaubte lachend auf. »Klar. Nein, ich habe einen Melonenlaster überfallen. Lief doch in den Nachrichten.«

»Red keinen Quatsch!« Kate trat beiseite und ließ ihn endlich passieren.
 

»Woah, ist ja 'ne richtige Bat-Höhle, so dunkel, wie das bei dir ist«, staunte er, schlüpfte aus den Chucks und bog nach links in die Küche ab.

»Auch nicht anders, als sonst«, murrte Kate und folgte ihm.

»Gestern, vor zwei Wochen, war National Watermelon Day«, gab er mit übersprudelnder Freude zum Besten und bugsierte die Melone auf die Arbeitsfläche neben der Spüle.

»Was?« Irritiert blinzelte Kate gegen den Irrsinn an, den er von sich gab.

Nick grunzte schnaubend. »Ich kenne mich wohl langsam aber sicher etwas besser mit euren Feiertagen aus, als du dachtest, hm, Kitty?«

»Ich verstehe kein Wort«, sagte Kate wahrheitsgemäß und beäugte das Gewächs skeptisch.

»Der Freitag vor zwei Wochen war doch der 3. August, oder?« Seine rhetorische Frage quittierte sie mit einem Zucken der Schultern. »Und laut meinem Smartphone, das nicht nur toll ist sondern auch intelligent, ist der 3. August der National Watermelon Day.«

»Wie … passend. Aber dafür bist du ein bisschen spät dran.« Da ihr dieser neuzeitliche Feiertag schlicht entgangen war, versuchte Kate mit ein wenig Wissen aufzutrumpfen. »Hast du gewusst, dass die Melone eigentlich zu den Kürbissen zählt?«

»Klar weiß ich das!« Sein prüfender Blick entging ihr nicht. »Ich hatte 'ne zwei in Biologie.«

»Streber«, nuschelte Kate halb verächtlich, halb würgend, und nestelte an der Besteckschublade herum. Da hatte sie sich am Dienstagabend auf eine Wissenschaftssendung eingelassen und schon schob ihr der freche Kerl den Allgemeinwissen-Riegel vor. »Warum wundert mich das nicht?«

Scheppernd wühlte sie sich durch den Besteckkasten und brachte endlich ein riesiges Messer zum Vorschein. Ein Geschenk ihrer Eltern anlässlich ihres einundzwanzigsten Geburtstags, zur Aussteuer, falls das jüngste Küken flügge wurde.

Nick schluckte vernehmlich. »Ich weiß ja, dass du gerne kochst, und zum Glück hab ich dich noch nie damit arbeiten sehen, aber jetzt, wo ich weiß, dass du so was in der Schublade hast, sollte ich mich wohl besser benehmen.«

Die Klinge war groß und breit, ein Werkzeug für alle Eventualitäten. Kate verzog die Lippen, als ihr Daumen über die Schneide glitt. »Ist nicht sonderlich scharf, aber um Melonen damit zu zerhacken, sollte es reichen.«

»Wenn du das sagst.« Furcht und Vorsicht schwangen in seinen gemurmelten Worten mit.

»Gibst du mir bitte das große Schneidebrett?« Hypnotisch starrte Kate auf das Gewächs, als könne es sich selbst in mundgerechte Stücke teilen, wenn sie es nur lang genug taxierte.

Sein Blick huschte durch den kleinen Raum und fiel auf das gewünschte Utensil gleich neben sich. Zögernd schob Nick ihr das Brett zu. Kate rollte das Biest in eine angemessene Position und stieß die Schneide in einem ersten Versuch, von oben herab, in die harte, grüne Hülle. Die Melone ließ ein knackendes Ratschen verlauten, doch zu Kates Missfallen war ihre Aktion von wenig Erfolg gekrönt.

»Warum musste es auch so ein riesiges Vieh sein?«, keuchte sie, stemmte sich auf den Messergriff und die Spitze der Schneide, die zwischen Schale und Fruchtfleisch steckte.

»Tu dir nicht weh!« Ihm wurde flau im Magen, als er Kate mit diesen Mordinstrumenten werkeln sah. Sowohl Messer als auch Melone schienen hervorragend geeignet, um ein frühes Ableben zu garantieren.

»Halt die Melone, bitte!« Ihrer Aufforderung kam Nick mit ungelenken Handgriffen nach. Fest packte er das Mitbringsel, schluckte vernehmlich und war versucht, dieser exotisch-bizarren Situation zu entfliehen, denn es war Kates brünstiger Urschrei, der ihn in schiere Verzweiflung stürzte, sowie das Messer bis zur Hälfte ins Fruchtfleisch einsank.

»Nochmal!« Kate schien regelrecht besessen von dem Gedanken, diesem vermaledeiten Gewächs Herrin zu werden.

Zittrig rang Nick nach Luft. Würde ihr wieder so ein brunftiger Laut entkommen, würde er diese verdammte Melone ins Spülbecken werfen und Kate, Hier und Jetzt, Shirt und Shorts in Fetzen reißen. Warum musste sie auch auf Wäsche verzichten? Und warum musste ihr Vorbau, der vielleicht nicht der Größe dieser Melone entsprach aber ihm dennoch so schön in Mund und Händen lag, so frech und ungezügelt umherhüpfen?

»Ha!« Statt eines lüsternen, hitzig-erregten Aufbrüllens war Triumph das Wort der Stunde. Kate säbelte sich wippend und hackend bis zum Holzbrett herunter, und endlich brach dieses Höllengemüse zu beiden Seiten auf.

»Schweißtreibendes Miststück«, fauchte sie und rieb sich, noch immer das riesige Messer in den Fingern, mit dem Handrücken die Stirn.

Nick kniff die Augen zusammen und hoffte, dass ihn irgendetwas aus dieser Situation rettete. Kate besah sich das Ergebnis. »Puh, bin ich froh, dass meine nicht so groß sind. Kannst du mir mal den Lappen geben? Hier ist alles vollgespritzt.«

»Grundgütiger«, nuschelte Nick hilflos. »Ich – ich kann nicht.«

»Wie, du kannst nicht?«, fragte Kate.

»Ich kann nicht«, ungewohnt stotternd flohen ihm die Worte von den Lippen. »Wirklich, es … ist gerade etwas … heikel?«

»Heikel? Was-? Oh!« Überrascht blinzelte Kate über das, was sich zwischen ihnen auftat. Blut färbte ihr die Wangen. Nicht minder beschämt verkniff sie sich ein vor Peinlichkeit strotzendes Kichern. »Nick, ich - wie? Ich meine ...«

Sein missgestimmtes Brummen ließ sie innehalten. Er rückte so weit von ihr ab, wie es ihm in dieser winzigen Küche möglich war, doch die Küchenwand im Rücken stemmte sich ihm unüberwindbar in den Weg. »Das ist gerade etwas viel.«

Kate presste die Lippen aufeinander und die Beine zusammen. Es war nicht ihre Absicht, ihn derart durcheinanderzubringen, doch ein kleiner Funke von Stolz und Genugtuung glomm in ihr auf.

Betend huschte sein Blick zur Zimmerdecke. »Kate, komm schon. Die Melone. Du. Das, was du nicht anhast. Deine Melonen, die Hitze ...«

»Das sind doch keine Melonen!« Ihre Empörung wandelte sich in Mitgefühl, das sich zaghaft lachend entlud.

Ein halbwütendes Wimmern entkam ihm. »Das macht es mir nicht gerade einfacher, wenn du das jetzt auch noch betonen musst!«

»Möchtest du kurz ins Bad?«, fragte Kate und versuchte die aufwallenden Gefühle der Belustigung, Scham und faunischer Freude vor ihm zu verbergen. »Oder etwas länger?«

Nick wagte nicht, sie anzusehen. Der Melonensaft hatte sich auf ihrem Shirt verteilt. Seine Mutter war regelmäßig ausgeflippt, wenn ihm oder seinen Brüdern so ein Malheur widerfahren war. Diese Flecken waren bekanntlich nie oder nur sehr schwer aus der Kleidung zu entfernen. Halb benommen nickte er, den Blick weiterhin fest auf die moosgrüne Küchenlampe gerichtet.

Kate drängte sich ans Spülbecken in der Hoffnung, ihm so genügend Freiraum zu geben. Nick kniff die Augen zusammen und marschierte, wie ein Soldat mit steifen Schritten, an ihr vorbei.

»Nach rechts«, rief sie ihm zu. Nick bog ab und warf die Tür hinter sich ins Schloss.
 

Kates Stimmung schwankte zwischen diebischem Vergnügen und tiefempfundenem Mitleid. Sie langte nach dem Messer und versuchte, die erste Melonenhälfte in annehmbare Scheiben und Stücke zu zerteilen. Die Arbeitsplatte war getränkt vom roten Fruchtsaft und schwarze Kerne fielen aus dem Fleisch wie Kuchenkrümel. Wie lang sie sich an der Melone abgearbeitet hatte, vermochte Kate kaum bemessen, doch dass Nick seit einer ganzen Weile im Badezimmer beschäftigt war, entging ihr nicht. Sie wusch sich die Hände, suchte in den Unterschränken nach geeigneten Behältnissen und verstaute die Melonenstücke, in Dosen gestapelt, im Kühlschrank. Allein beim Gedanken an kühle Melone lief ihr das Wasser im Mund zusammen. Bei Gelegenheit würde sie sich bei ihm erkenntlich zeigen.

Apropos Nick, fiel es ihr ein. Leise tapsend begab sie sich in Richtung Bad.

»Hey, Nick?« Durch zaghaftes Klopfen an der geschlossenen Tür versuchte Kate seine Aufmerksamkeit zu erhaschen. »Ist alles in Ordnung? Brauchst du Hilfe?«

»Ja, nein!«, zischte er. »Kate, bitte. Geh – geh einfach diese dämliche Melone foltern!«

Ihr amüsiertes Grunzen wurde leiser und Nick war sich sicher, dass sie sich in die Küche begeben hatte.

Den Ausdruck auf seinem Gesicht, als er etwa zehn Minuten später wieder neben ihr stand, wusste sich Kate nur mit Frust zu erklären. Dass ihm diese Situation so naheging, und das ein kleiner Impuls, ein Wort genügte, um einen Sturm losbrechen zu lassen, erschien ihr, auf erschreckende Weise, nachvollziehbar.

»Geht es? Ich meine, einigermaßen?« Sie bemühte sich um Ruhe und Gefasstheit. Er solle sich nicht für diesen hormonell-bedingten Fauxpas schämen.

Nick schmälerte den Blick, ehe er ihr ein mürrisches »Mhm« zur Antwort gab.

»Du hättest dich kurz abkühlen können. Unter der Dusche«, murmelte sie und bemerkte, dass ihr dieser Augenblick ebenso befremdlich war.

»Hab ich, danke«, murrte er und unterzog sie einer erneuten Musterung, ehe er fragend den Kopf schief legte. »Kate? Ich habe mir gerade, mehr schlecht als recht, die Kokosnuss von der Palme geschüttelt und du hast es noch nicht geschafft, die Melone zu verarbeiten?«

»Warum sollte ich? Du hast dieses Monstrum hier angeschleppt! Die andere Hälfte überlasse ich dir gern.« Um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, stemmte Kate die Hände in die Hüften und ließ das luftige Top über ihren Busen spannen.

Prüfend schnalzte Nick mit der Zunge. »Und ein Körbchen für deine Zitronen hast du dir auch noch nicht zugelegt.«

»Werd ja nicht frech!«, drohte sie ihm mit erhobenem Zeigefinger. »Ich dachte, das wären Melonen, laut deinen Worten.«

Nick ließ ein Zucken der Schultern erkennen. »Dein Protest hat mich eines besseren belehrt.«

»Na gut.« Kate sah an sich herab und registrierte diese gemeinen Flecken auf ihrem Hemdchen. »So lässt du mich herumlaufen?«

»Du hast noch keine Anstalten gemacht, dich auszuziehen – ähm, umzuziehen.« Nicks Räuspern konnte seine wahren Absichten nicht verschleiern.

»Anstalten gemacht, hm? Okay, Vorschlag: Du machst die Melone klein und ich ziehe mich um«, bot Kate ihm an und tat, als könne sie kein Wässerchen trüben.

Seine Augenbraue hüpfte spekulierend zur Küchenlampe rauf. »Du meinst aus.«

»Hm? Was?«, hakte Kate unwissend dreinblickend nach und hoffte, dass sich die drei Jahre Schultheaterkurs an der Highschool bezahlt machten.

»Aus. Du ziehst dich aus. Um sich umzuziehen, musst du dich erst ausziehen und wenn du dabei ganz unbedingt meine Hilfe benötigst, werde ich sie dir natürlich und auf gar keinen Fall verwehren«, bot Nick sich an.

Gespielt erleichtert fasste sie sich ans Herz. »Das ist sehr entgegenkommend von dir, danke.«

Kate huschte ins Schlafzimmer, doch er war ihr dicht auf den Fersen. »Nick, geh wieder zurück und pack die Melone in den Kühlschrank! Sonst wird sie gammelig.«

Nick verdrehte die Augen, machte auf den Hacken kehrt und nuschelte dennoch hörbar: »Ich werde auch gleich gammelig!«

Kate vernahm klappernde, polternde und scheppernde Laute und wähnte sich bereits einer neuen Kücheneinrichtung. »Geh bitte sorgsam mit meiner Küche um!«

»Okay, Mum«, rief er zu. Zischend sog Kate Luft durch die Zähne.

»Nick?«, trällerte Kate. »Je schneller du die Melone verstaut hast, desto eher bin ich na- Oh, das ging schnell. Ist die Melone auch wirklich im Kühlschrank?«

»Ja.« Nick zollte ihrer unnützen Fragerei mit einem bedrohlichen, nervenzehrenden Knurren. »Mit der Schnittfläche auf einem Teller im untersten Fach. Besser?«

Kate schälte sich, unter wackelnden Hüften, aus der Hotpants und langte dann nach dem Saum des Trägerhemds, das sie sich über den Kopf zog. »Nicht perfekt, aber ja. Ich denke, das geht in Ordnung.«

Nick schnaubte lachend. »O ja, Lady, wenn du wüsstest, wie sehr!«
 

Dass er sie wie ein Raubtier von den Füßen holte, trieb ihr beinahe die Luft aus der Lunge. Gerade noch hatte sie Bettdecke und Matratze im Rücken, da wälzte Nick sich mit ihr herum und das Ergebnis blieb eine rittlings auf ihm hockende Kate.

»Warte!«, bat sie und langte sich an die pochende Stirn. Die stickige Luft, die trotz verhangenem Fenster das Zimmer füllte, Nicks überschwänglicher Enthusiasmus und die Hitze der nahenden Mittagsstunde erschienen ihr für diese Aktion nicht sonderlich geeignet, um sich einem kleinen physischen Kontakt hinzugeben. Doch lagen ihr seine Hände so verboten auf den Hüften, dass Nick nur wenige Sekunden verstreichen ließ, um seine Finger auf Reisen zu schicken. Er kam dem Bund ihres Höschens gefährlich nah, für Kate und ihren schwirrenden Kopf ein sicheres Warnsignal, weitere Handlungen zu unterbinden. Sie langte nach seinen Handgelenken, befreite sich aus seinem Griff und rückte und rutschte, wenn auch unbeholfen, von ihm herunter. Nick setzte sich auf, blinzelte verdutzt und ratlos.

Kate wandte sich der Kommode zu, fischte darin nach Büstenhalter und einem Shirt. »Nick es ... es ist zu warm, zu bäh, zu alles.«

Er öffnete die Lippen, doch eine Antwort kam nicht daraus hervor. Nick, zu überrumpelt von ihrem hastigen Abbruch, robbte zum Fußende des Bettes. Im Augenwinkel bemerkte er ihren routinierten Umgang mit der Wäsche. Scham überfiel ihn. Staubpartikel stoben durch die drückende Luft und segelten unbekümmert auf den Boden herab. Er versuchte, seinen Fokus auf den hellen Teppich zu richten, sich von diesem unangenehmen Moment abzulenken. Eben noch schien alles elektrisiert und flammend, nun saß er wie der letzte Idiot auf dem Bett dieser Frau, bohrte die Knie in die Matratze und wurde diesen lästigen Gedanken nicht los, wieder einmal zu weit gegangen zu sein.

Dass Kate vor ihm stand bemerkte Nick erst, als er das sanfte Ziehen ihrer Finger ausmachte, die ihm durchs Haar strichen. Einem Impuls folgend, schlang er die Arme um ihre Mitte und drückte seine Nase in die Falten des Shirts, nicht ohne mit großen, braunen Hundeaugen zu ihr aufzusehen. »Da bin ich wohl etwas übers Ziel hinausgeschossen, was?«

Leises Schnauben erfüllte das Zimmer. »Vielleicht bin ich an dieser Situation nicht ganz unschuldig«, räumte Kate ein.

»Dann einigen wir uns auf ein Unentschieden?« Seine zuvor noch beklommene Miene klarte auf, als Kate ihm ihre Zustimmung gab. Dass er ihren Waffenstillstand so schnell umging und seine Hände unter den Saum ihrer Hot Pants schob, um ihren Hintern zu tätscheln, quittierte Kate mit einem warnenden Brummen. »Treib‘s nicht zu weit!«

Rasch waren seine flinken, umtriebigen Finger verschwunden. »Und was machen wir jetzt?«
 

Sowie Kate einen Schritt vor die Tür setzte, war ihr, als pralle sie mit voller Wucht gegen eine Wand aus Hitze. Der Asphalt flimmerte wie im Fieberwahn und nicht einmal die Blätter an den Bäumen rührten sich. Die Straßen wirkten so leer, als sei die angedrohte Ausgangssperre bereits verhängt worden. Vereinzelte, mutige New Yorker flüchteten sich in luftiger Kleidung in die Schatten der Wohnhäuser, andere blieben in ihren Wohnungen, lugten aus ihren Fenstern, um zu sehen, welcher arme Tropf sich zu dieser Tageszeit aus dem Haus wagte.

Nicks Begeisterung für einen Freibadbesuch mochte Kate zwar nicht teilen, doch was bliebe ihnen übrig, wenn andere, körperliche Aktivitäten einen Krankenhausaufenthalt vielleicht nicht ausschlossen? Sie gab sich geschlagen und ließ ihn recherchieren. Zehn Minuten später hielt er drei Optionen bereit. Obschon Manhattan eine riesige Insel war, mit Parks und vereinzelt angelegten Seen, glich die Suche nach einem Free Outdoor Pool in der Nähe dem Finden der berühmten Nadel im Heuhaufen.

Harlem, East Village oder der Lasker Pool, im Norden des Central Parks – keines der Angebote entlockte ihr ein freudiges Juchzen, denn die Nutzung von Bus und Bahn bliebe ihnen nicht erspart.

Nick scrollte durch die Informationen und stutzte. »Nacktbaden ist überall untersagt«, teilte er Kate mit.

Diese neigte verdutzt den Kopf. »Wieso nacktbaden

Nick nahm den Blick vom Smartphone. »Ich habe, bis auf das, was ich am Leib trage, nichts anderes dabei.«

»Du bist es doch, der ins Freibad will.« Ihre Miene schwankte zwischen Belustigung und Fassungslosigkeit.

Wieder kratzte er sich verlegen am Hinterkopf. »Wegen der Klamotten muss ich sowieso in meine Wohnung. Dann versuchen wir’s mit Dry Dock Playground? Und wenn das nichts ist, schauen wir in Hamilton Fish Park vorbei.«

Schnaufend quälte sich Kate, keine Minute später, durch die Unterwäscheschublade. Kurz hielt sie sich die ausgewählte Bademode an den Leib, in der Hoffnung, noch hineinzupassen. Ihr graute davor, ständig zu zupfen und dieses zwickende, zickende Lycra-Polyestergemisch auf der Haut zu spüren, so selten wie es sie noch ans Meer oder an einen Pool trieb. Im Kindesalter war sie kaum zu halten, wenn es Albert und Irmaline im Sommer für zwei Wochen nach Norden, an den Eriesee, zog. Selbst mit drohenden Worten gelang es Irmaline nicht, Kate aus dem Wasser holen. Erst, wenn ihr die Lippen blau und die Finger und Zehen ganz verschrumpelt waren, flüchtete sie sich, unter klappernden Zähnen, in die wärmende Umarmung ihres Vaters, der mit einem großen Handtuch bewaffnet, am Ufer stand. Kopfschütteln schob Kate die Erinnerung beiseite, eilte ins Bad, um nach einem Frotteehandtuch zu greifen, und stopfte die Badeutensilien in eine Basttasche. Sie trabte ins Wohnzimmer und wühlte in den Schubladen des Sideboards nach einem Vorhängeschloss. Fragend schoben sich ihm die Augenbrauen zusammen.

»Das ist eine der vielen Vorschriften, wenn du einen öffentlichen Pool besuchen willst«, erklärte Kate. »Keine Lebensmittel, Glasflaschen oder Elektronik, nicht mal Zeitung. Nur knielange Badehosen sind erlaubt. Sonnencreme und ein stabiles Vorhängeschloss, um deine Wertsachen wegzuschließen, sind unerlässlich.«

Nick schwirrte der Kopf. »Das ist ziemlich schräg und das sind verdammt viele Regeln.«

Ihre Lippen bogen sich zu einem mitfühlenden Lächeln. »Sicherheit geht vor.«

Als sie alles Notwendige, inklusive Nick, beisammen hatte, zog Kate die Wohnungstür hinter sich ins Schloss.
 

Die Demse erfasste sie schneller, als ihnen lieb war. Nach wenigen Schritten schon wischte sich Nick die ersten Schweißperlen von der Stirn und ächzte unter der Hitze, die sich wie eine Walze durch die Stadt schob. Auf Kates Anraten hin blieben sie im Schatten der Gebäude, doch Abhilfe schafften die dunklen Flecken kaum. Das graue Shirt und die kakigrüne Leinen-Bermuda klebten ihr am Körper und um Nick schien nicht besser bestellt, was die indigofarbene Chinoshorts und das beige-karierte Kurzarmhemd anbelangte. Die ausgetretenen Chucks an seinen Füßen schmatzten bei jedem Schritt. Statt auf Abkühlung zu treffen, begrüßte sie der U-Bahnhof Lexington Avenue mit einem Schwall warmer Luft. Kreischend fuhr die Bahn der Linie 6 ein und brachte die Passagiere in Richtung Südost zur Haltestelle 14th Street - Union Sqare. Waren die Meter bis zur Bleibe des jungen Briten im East Village unter lebbaren Temperaturen schnell zurückgelegt, so erschwerte die drückende Wetterlage das Vorankommen beträchtlich. Japsend und hechelnd erreichten sie das Appartementhaus und schleppten sich, trotz Kates Abneigung gegen ruckelnde Fahrstühle, in den Lift. Der Aufzug hielt und spie die Fahrgäste auf den Gang hinaus. Haltsuchend klammerte sich Kate an ihre Tasche und wankte Nick hinterher. Er fiel in die Wohnung ein und geriet in eine lautstarke Auseinandersetzung. Eine Flucht schien unmöglich, mit einer erschöpften Kate im Rücken, die ihm nachfolgte. Abrupt horchte Kate auf, streckte die Hand nach ihm aus und zupfte an seinem Hemd.

»Dann hau doch ab!« Bens tiefer Bariton hielt direkt auf sie zu. Nick drängte sich und Kate an die Wand, da Lisa, mit wutverzerrtem Gesicht, an ihnen vorbeirauschte, nach der Klinke griff und die Tür hinter sich zuwarf.

Nicks Blick huschte zu Ben, der mitten im Flur stand und sich das blonde Haar raufte. Auf nackten Sohlen stapfte er auf sie zu, die Miene halb zornig, halb entschuldigend. Nur in Sportshorts und Achselshirt mit NYU-Aufdruck gekleidet, wirkte der Footballspieler in diesem Moment alles andere als einschüchternd.

Fragend schob Nick die dunklen Augenbrauen zusammen. »Gab’s Ärger?«

Ben seufzte, unschlüssig, ob er im Beisein Kates von der erneuten Provokation Lisas berichten solle. Ratlos zuckte er die Schultern. »Wie immer, in letzter Zeit. Tut mir leid, dass ihr das mitbekommen musstet.«

Kate presste die Lippen zu einem schmalen Strich und schüttelte den Kopf.

Um der entstandenen, peinlichen Stille zu entgehen, bot Nick seinem Mitbewohner eine Chance auf Ablenkung. »Hey, wir ... wollen zum Dry Dock Playground ein bisschen chillen. Willst du mitkommen?«

»Chillen, hm?«, echote es neben ihm. Mit entschuldigendem Lächeln wandte er sich Kate zu.

Zweifelnd besah sich Ben das Schauspiel. Da er genug Drama für eine ganze Woche erfahren hatte, war ihm ein drohender Streit zuwider.

»Danke für das Angebot, Nicky«, hob er an, doch Kate fiel im ins Wort.

»Komm mit, Ben«, bat sie und hoffte, dass der gewählte Tonfall überzeugend klang. »Hier ist die Luft zwar nicht weniger stickig, aber vielleicht bringt dich das auf andere Gedanken?«

»Genau. Außerdem musst du mir Shorts leihen.« Nicks Grinsen quittierte Kate mit einer erhobenen Augenbraue.

Sie schnaubte entrüstet. »Wieso leihen? Ich dachte, du hättest welche?«

»Na ja ...«, nuschelte Nick und wich ihrem Blick aus.

»Ich will euch wirklich nicht stören -« Bens Versuch, sich dieser Situation zu entziehen, scheiterte jäh, als Michael den Kopf aus seinem Zimmer steckte.

»Ist sie weg? Oh, hey. Na, alles klar?« Das warnende Brummen seines Mitbewohners hielt den Medizinstudenten nicht davon ab, sich zu der kleinen Gruppe zu gesellen. »Ich hab Radau gehört und dachte, dass ihr euch immer noch anschreit.«

»Niemand schreit hier«, knurrte Ben verteidigend.

»Macht ihr Party?« James' Stimme wehte aus dem Wohnzimmer zu ihnen herüber.

Das Quartett tauschte irritierte Blicke.

»James? Warst du etwa die ganze Zeit da?« Michaels Rufen begegnete James mit einem belustigten Schnauben.

»Ich hab rein gar nichts gehört, wenn ihr euch das fragt«, flötete er und trabte in den scheinbar immer voller werdenden Flur. »Project CARS 2 ist der Hammer. O, hey Kate.«

Diese schenkte dem hochgewachsenen Studenten ein Lächeln und fächelte sich mit der freien Hand Luft zu. »Jungs? Wenn das länger dauert, dann ... hätte ich gern etwas zu trinken.«

»Wo soll’s denn hingehen?« James Neugierde erinnerte Kate verdächtig an Mellory.

»Die Herrschaften möchten schwimmengehen«, erklärte Ben.

Ein breites Grinsen zierte die Gesichter von Michael und James.

»Da sind wir doch dabei!«, frohlockte Letzterer begeistert und klopfte Ben auf die Schulter. »Bloß raus aus dieser Sauna!«

»Jungs«, jammerte Kate und hüpfte ungehalten auf der Stelle. Ihr Geduldsfaden wurde mit jeder Sekunde, die sie in diesem kleinen, schmalen Gang ausharrte, gefährlich dünn. Da keiner der jungen Herren reagierte, schob sie sich an Nick und Ben vorbei.

»Geh nicht in die Küche!«, riefen die vier wie aus einem Mund, als Kate die Finger nach der angelehnten Tür ausstreckte. Unweigerlich zuckte sie zusammen, hob abwehrend die Hände und wandte sich zu den Schreihälsen um.

Ben seufzte frustriert und gab Nick mit einem eindeutigen Zeichen zu verstehen, dass er diese Frau davon abhalten solle, den Vorhof zur Hölle zu betreten.

»Schon gut, schon gut«, murrte er, fasste sie bei den Schultern und schob Kate an James und Michael vorbei.

»Ein sauberes Glas ohne Geschlechtskrankheiten, bitte«, bat sie.

»Wird schwierig, aber kriegst du. Ein Zahnputzbecher reicht im Notfall bestimmt auch«, murmelte Nick, ehe er sich an seine treuen und teuren Mitbewohner wandte. »Ist das Zimmer okay oder muss erst ein Räumungstrupp bestellt werden?«

»Oh!« James schien alarmiert und führte die mürrisch dreinblickende Kate ins Wohnzimmer.
 

James hockte auf dem Boden vor dem gewaltigen QLED-TV und malträtierte den Kontroller, während Kate auf dem langen, mausgrauen Sofa ausharrte. Der großzügig geschnittene Raum mit der hiesigen Fensterfront wirkte wie ein Salon. Durch das alte, zusammengewürfelte Mobiliar geriet die Noblesse allerdings ins Wanken. Nach fünf Minuten des Wartens hatte es Nick geschafft, sich durch den scheinbar unüberwindbaren Dschungel zu kämpfen, und trat mit zerknirschter Miene vor Kate.

Misstrauisch beäugte sie das dargebotene Glas. »Sollte ich fragen?«

»Lieber nicht«, verneinte er und richtete den Fokus auf seinen Rennsport-begeisterten Freund. »Hey James, ich brauche deine Hilfe.«

»Klar«, gab dieser zurück, ohne das Spiel aus den Augen zu lassen. »Was gibt’s?«

»Du musst mir eine Badehose leihen«, sagte Nick unumwunden.

»Oje!« Kate verdrehte die Augen, nippte an ihrem Wasser und zog sich in die Couch zurück, als sie Nicks bösen Blick bemerkte.

»Okay«, sagte James. »Hier, übernimm mal!«

So hastig, wie er auf den Beinen war, konnte Kate kaum reagieren. Hilflos blickte sie auf das Gamepad herab. »Wir hatten nur eine Nintendo 64 zu Hause! Wir hatten nicht mal die Wii.«

Tief rang James nach Luft und zeigte ihr mit wenigen Handgriffen, wie sie Knöpfe und Joysticks zu bewegen hatte.

»Und wenn ich sterbe?«, rief sie den Jungs nach.

»Da ist noch keiner gestorben!«, erklärte James und verließ mit Nick das Wohnzimmer.

Mehr schlecht als recht gelang es ihr, sich dem Spielverlauf anzunehmen. Konzentriert folgte Kate jeder Bewegung, die der PS-starke Wagen vollführte.

Als der Trupp eine Viertelstunde später im Zimmer stand, bemerkte Nick das amüsierte Grinsen auf James‘ Lippen. »Sie ist angefixt.«

»Mhm, das sehe ich«, gab Nick knurrend zur Antwort. »Kate? Wir sind fertig.«

»Moment!«, bat sie und legte sich in die Kurve. »Komm schon, komm schon, komm schon!«

»Sagt sie das auch zu dir?« Michaels ungehobelte Frage brachte selbst Ben dazu, bellend zu lachen.

»Kate«, mahnte Nick. »Du wolltest unbedingt schwimmen.«

»Stimmt nicht!«, protestierte sie. »Du wolltest. Und zwar nackig!«

Ben schnaubte belustigt. »Im Ernst, Nicky?«

Schamesröte färbte ihm die Ohren. Im selben Moment war das Spiel beendet, da Kate in eine Leitplanke raste.

»Ach, verdammt!«, fluchte sie und drückte James den Kontroller in die Hand. »Und da beklagen sich die meisten Männer, dass wir Frauen nicht fertig werden! Können wir dann gehen?«
 

»Ihr hättet uns vorwarnen können«, klagte Michael, drückte sich noch immer im Hauseingang herum.

»Komm jetzt, du Memme!«, rief Ben. »Das bisschen Sommer hat noch keinem geschadet.«

Der Weg führte sie ins Stadtviertel Alphabet City. Nach einem halbstündigen Fußmarsch hatten sie die etwa 2 Kilometer lange Strecke Richtung Osten hinter sich gebracht. In der Ferne waren bereits Gezeter und Lachen von Kindern auszumachen.

Ben schnalzte mit der Zunge, als sie vor dem Eingang zur Anlage hielten. Das Backsteingebäude mit den hellblauen Türen und der orange-weißen Aufschrift cool pools schien schon einige Sommer erlebt zu haben. Michael warf einen Blick in den Vorraum.

»Wie viele?«, rief ihm ein mürrisch dreinblickender Angestellter zu, der das Gespräch mit seinem Kollegen an der Kasse unterbrechen musste.

»Wir sind zu fünft«, gab er zurück.

Der Kassenwart schaltete sich ein und schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, mein Junge, aber wir sind voll.«

»Na klasse!«, raunte Ben. »Was hattest du noch auf deiner Liste?«

»Hamilton Fish Park«, sagte Nick zerknirscht.

James winkte ab. »Das wird keinen großen Unterschied machen.«

»Und wie wäre es mit Coney Island?« Michael sah von seinem Smartphone auf, das er scheinbar unbemerkt aus dem Rucksack gefischt hatte.

Nick warf Kate einen bohrenden Blick zu.

»Spätestens bei der Kontrolle am Eingang hätten sie es ihm weggenommen«, murrte sie.

»Was?«, verdutzt blinzelte Michael gegen Kates Worte an.

»Elektronik jeglicher Art ist in den Bereichen der Pools nicht gestattet«, klärte sie die Unwissenden auf. »Perverse und so.«

Ben verschränkte die Arme vor der breiten Brust. »Unabhängig davon, das Mike hätte draußen bleiben müssen: Bist du verrückt?! Coney Island!«

»Wieso nicht?« Michael zuckte die Schultern. »Wir gehen den Weg zurück, steigen an der 14th Street–Union Square-Station ein und an der Coney Island-Stillwell Avenue wieder aus. Und das ganze kostet uns nicht mal eine Stunde Fahrt. Wir nehmen die Line Q und fahren gemütlich durch.«

»Ja, durch NOHO, LITTLE ITALY und einmal quer durch Brooklyn.« James linste seinem Mitbewohner über die Schulter, als dieser die Route beschrieb.

»Davon bekommst du nichts mit. Und wenn jemand reinzufällig keine Lust darauf hat, Ben ...«, hob Michael an.

»Hey!« Pikiert verzog Ben das Gesicht.

»Dann sind wir ohnehin in wenigen Minuten zuhause«, fuhr Michael fort.

Kate hob die Hand. »Ich bin dabei, allerdings müsste ich mich vorher umziehen.«

»Kein Problem«, sagte James, ließ sich von Michael das Smartphone geben und scrollte durch eine Website, die das reichhaltige Unterhaltungsprogramm Coney Islands propagierte. »Am Strand gibt es Umkleidehäuschen.«

Sowie der Entschluss gefasst wurde, begab sich das Grüppchen auf den Rückweg.
 

Nicks sauertöpfische Miene blieb Kate nicht verborgen. Soeben hatte die Line Q die Station Canal Street passiert und befand sich nunmehr in Richtung Manhattan Bridge, als sie ihre Finger um seine Hand schloss.

»Wir hätten gleich nach Coney Island fahren können«, murrte er.

»Hey, jetzt sei nicht beleidigt!«, versuchte sich Kate an mildernden Worten. »Ich habe mir mein Wochenende auch ein wenig anders vorgestellt.«

Nick schnaubte leise. »Und wie? Mit putzen und ausdünsten?«

»Zum Beispiel«, gab Kate zurück. »Aber dann stand ein Irrer mit einer riesigen Melone vor meiner Tür.«

»Vor Melonenfetischisten solltest du dich in Acht nehmen«, riet er in väterlichem Ton.

Seufzend warf Kate den Kopf in den Nacken. »Ich werd’s mir merken.«

»Im Übrigen habe ich mir an deinem Putzeimer einen blauen Fleck geholt«, vermeldete Nick beiläufig.

Ein grunzender Laut entfloh ihr, dann zierte Skepsis Kates Gesicht. »Will ich wissen, wie dir das passiert ist? Und an welcher Stelle?«

Nick schüttelte den Kopf. »Nope. Das brächte uns beide eine äußerst peinliche Situation.«

»Wieso uns? Du hast dich doch - Oh! O nein!« Kate rutschte tiefer in den Sitz.

Ben, der zu ihrer Linken saß, und bis eben in einer Debatte mit James steckte, blickte neben sich. »Alles in Ordnung? Wirst du seekrank?«

Sie rang sich ein Lächeln ab und rappelte sich wieder auf. »Alles bestens, danke.«

Nicks Lachen wirkte Kate mit einem ausgefahrenen Ellenbogen entgegen. Zischend hielt er sich die Rippen, dann richtete er seinen Blick auf die elektronische Anzeigetafel gegenüber, die Haltestellen und den zurückgelegten Weg einblendete. »Bye Bye, Manhattan, Hallo Brooklyn.«

»Das erste Drittel ist geschafft. Lehnt euch zurück Leute, das wird eine lange Fahrt«, verkündete Ben.

Am Kings Highway erhob sich Nick von seinem Platz und erntete fragende Blicke. »Mir tut der Hintern weh. Verdammtes Plastik!«

Mit jedem weiteren Haltepunkt strömten mehr See-hungrige Seelen in die Wagons. Eine Mutter, etwa in Kates Alter, schlängelte sich mit drei Kindern durch den Wagen. Pflichtbewusst erhob sich das Trio junger Männer und gerade, als Kate im Begriff war, es ihnen gleichzutun, drückte ihr die Frau das Mittlere der Geschwister in die Arme. Der kleine Junge mit den blonden Locken starrte mit großen Augen zu ihr auf.

»Steht dir«, hörte sie Michael sagen, als dieser sich zu ihr lehnte. Ihr hilfloses Auflachen lenkte Nicks Interesse auf dieses absurde Bildnis.

Schnaubend schüttelte er den Kopf. »Kate hat es nicht so mit Kindern.«

Der kleine Fratz auf ihrem Schoß steckte sich zwei Finger in den Mund, während ihm Speichel vom Kinn troff. Kate rang mit sich und überlegte, wann sie diesem frechen Briten erzählt hatte, dass ihr Talent im Umgang mit diesen winzigen Menschen gegen null tendierte. Sie wollte den Kleinen seiner Mutter übergeben, doch diese winkte unter hastiger Gestik ab und kommunizierte in einer harten, fast wütend klingenden Sprache, die Kate nicht verstand. Erst drei Haltestellen später verlangte die Frau nach ihrem Kind, scheuchte das größere der beiden Mädchen hinaus auf das Gleis und hielt den Jungen an der Hand, während die kleinste Schwester friedlich am Busen der Mutter schlief. Was sie ihrer ältesten Tochter zurief, hörte Kate nicht mehr, da sich die Türen schlossen und die Bahn anfuhr.

Am liebsten hätte Kate allen vieren dieses feiste Grinsen aus dem Gesicht gewischt. James deutete mit einem Fingerzeig auf ihr Shirt. Seufzend verdrehte sie die Augen.

»Ich ... ich bin vollgesabbert«, wimmerte sie und suchte in ihrer Basttasche nach einem Kleenex. Murrend tupfte sie an den Spuckeflecken herum.

»Ich weiß gar nicht, was du hast?«, meinte Nick achselzuckend, als sie ihm einen wütenden Blick entgegenwarf. »Das sah so niedlich aus, wie du völlig verkrampft den kleinen Bengel festhältst.«

»Sei still!«, zischelte Kate bedrohlich. »Es ist ja nicht so, dass ich Kinder nicht mag. Wir tun nur gut daran, einander zu meiden, das ist alles.«

Endlich kam das Ziel in greifbare Nähe. Die Spuren des kleinen Fauxpas waren fast nicht mehr sichtbar, als die elektronische Stimme Coney Island-Stillwell Avenue bekannt gab.

Eine Welle aus Einheimischen und Besuchern schwappte auf den Bahnsteig hinaus. Sie bewegten sich mit dem Strom ans Tageslicht. Das Gemurmel fremder Menschen, gemischt mit dem Gekreische von Kindern und Möwen erfüllte ihre Ohren, während Gerüche nach Meer, Gebratenem, Zuckerwatte und anderen Köstlichkeiten ihnen die Nasen umspielten. Eine Brise frischte auf und pustete ihnen die ausgedörrten Köpfe frei. Wie eine Blume reckte sich Kate den warmen Sonnenstrahlen entgegen. Von erdrückender Hitze und schweißtreibenden Temperaturen war nichts zu spüren. Doch der kühle Wind trügte, gaukelte er Erfrischung vor, derweil der große Feuerball hoch am Himmel ungehindert weiterbrannte. Den Wegweisern folgend, waren es nur wenige Meter, bis sich Promenade und Strand vor ihnen auftaten und die Lower Bay mit den Weiten des Nordatlantiks verschmolz.

James behielt Recht, da vereinzelte Umkleidehäuschen den Weg des Riegelmann Boardwalk säumten, ehe die opulente, aus Holzbrettern bestehende Flaniermeile in den Küstenstreifen überging.

Ob ihre Begleiter Interesse am Strand zeigten, wusste Kate nicht zu sagen. Die Attraktionen, die Coney Island zu Berühmtheit verholfen, zogen die Blicke der jungen Männer magisch an. Riesenräder, Vergnügungsparks mit allem, was Spaß versprach, Buden für Speis und Trank. Da gerieten Strand und Wasser in den Hintergrund.

Mühsam zwängte sie sich in Oberteil und Höschen, streifte sich, der Etikette und des Anstands wegen, wieder Shirt und Bermudas über und trat, mit Sandalen an den Füßen, ins Freie. Zu Kates Verwunderung hatte sich die Gruppe getrennt. Michael, James und Ben hatte es zu den Ständen gezogen, während Nick nur wenige Meter entfernt stehend auf sie wartete.

»Sie kommen nach«, gab er zur Antwort, als Kate an seine Seite trat.

»Und du möchtest dich nicht umsehen?«, fragte sie und reckte den Hals, um sich der Fülle an Menschen, Fahrgeschäften und der ganzen Atmosphäre zu versichern.

»Vielleicht später, irgendwann mal.« Da Nick nur ein Zucken der Schultern übrig hatte, beließ es Kate dabei.

Sie suchten sich einen Strandaufgang und sobald sich die feinen Körnchen in ihrem Schuhwerk verfingen, entledigte sich Kate ihrer Treter und seufzte wohlig, als ihre Zehen den Sand berührten. Tief sog sie die Meeresluft in ihre Lunge und zielte auf eine freie Fläche ab.

Kate wühlte in der Tasche nach einem Strandtuch. Ihren Kampf mit dem Wind wusste Nick nur lachend zu kommentieren. Ihrem erbosten Blick folgend, kam er ihr zu Hilfe. Endlich war die improvisierte Picknickdecke gebändigt und Kate ließ sich ächzend darauf nieder. Nick tat es ihr gleich und für einen flüchtigen Moment zeigte sich Wehmut auf seinem Gesicht.

»Sie fehlen dir.« Ihr war sein sehnsüchtiger Blick nicht entgangen.

Nick nahm den Fokus vom Meer. »Hm? Was meinst du?«

»Bert, Sarah, deine Brüder ... Familie, Freunde, Sheffield.« Kate schlang die Arme um die Knie und bettete ihre Wange darauf, nicht ohne ihn aus den Augen zu lassen.

Er schnaubte leise, versuchte, seine Antwort ins Unbekümmerte zu lenken. »Mir fehlen vor allem das Essen und das Bier.«

»Wo ich dich doch schon so viel Bier habe trinken sehen.« Ihre kleine Stichelei entging ihm nicht.

»Du weißt nicht, was ich so treibe, wenn ich nicht mit einer Melone vor deiner Tür stehe«, sagte Nick, die Lippen zu einem breiten Grinsen verbogen. Ihrem bangen Ausdruck kam er mit einem sanften Ellenbogenstupser entgegen.

»Außerdem«, fuhr er fort, »kann mir hier gar nichts fehlen. Du bist hier, ich bin hier. Wir sitzen am Strand von Coney Island und diese verdammte Sonne verbrennt mir den Pelz.«

»Ja.« Unter murrenden Lauten streckte sich Kate, ehe sie sich erhob. »Und aus diesem Grund gehe ich jetzt ins Wasser.«

Schneller, als er ausmachte, strampelte sie sich die Hose von den Beinen und zerrte sich das T-Shirt über den Kopf.

Nick runzelte die Stirn. »Kate? Was ist das?«

»Ein ... Tankini?« Unschlüssig zupfte sie ihren Badedress zurecht. »Du weißt nicht, was ein Tankini ist?«

Nick schnaubte auf. »Ich weiß, was ein Bikini ist.«

»Und ein Tankini ist ein Mix aus Badeanzug und Bikini«, erklärte Kate hochkonzentriert am Stoff fingernd.

»Ah«, entsann er sich, »ich glaube, so was trägt Mum auch.«

Schmollend schürzte Kate die Lippen. Das wie ein Top geschnittene Bustier mit peppiger Raffung im Brustbereich sollte ihre Pölsterchen an Bauch und Hüften kaschieren und die Shorts ihrem Hintern Form geben. Doch dieses nagende Gefühl der Unsicherheit ließ sich, trotz der Tatsache, dass Nick sie etliche Male mit weit weniger Stoff am Leib gesehen hatte, nur schwer vertreiben.

Nick seufzte, und als habe er ihre Gedanken gelesen, meinte er in saloppem Ton: »Kate, ich habe dich schon mal nackt gesehen. Gerade neulich erst, vor knapp drei Stunden, da -«

Kates Antwort blieb ein beschwörendes Zischen. Wie ein Krustentier stakste und stolperte sie über den heißen Sand in Richtung Meer.
 

Ihre ambitionierten Versuche, einen Zeh ins Wasser zu halten, quittierte Nick mit grunzendem Kopfschütteln. Er ließ seinen Blick über den Strand schweifen, entdeckte Familien, Paare mittleren oder gehobenen Alters, kleine Kinder, die Fangen spielten oder im Schlick planschten. Ablenkung fand er bei einer Gruppe junger Frauen, die sich in wenigen Metern Entfernung angeregt unterhielten.

Dass Kate ihr Bad beendet hatte, registrierte er erst, als sie, triefend von Kopf bis Fuß, vor ihm stand. Ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen war ihr nicht entgangen, dass er sich dem Gespräch der Frauen angenommen hatte.

Kate langte nach ihrer Tasche, zog ein zweites Handtuch hervor und tupfte sich die nassen Perlen von der Haut. »Hat dir noch niemand gesagt, dass lauschen unhöflich ist?«

Nick sah zu ihr auf. »Ich habe nicht gelauscht.«

»Ah ja«, gab sie zurück, löste den Zopfgummi und rubbelte sich das nassgewordene Haar trocken. »Ist dir in den Klamotten nicht warm?«

Im Gegensatz zu Kate hatte er keinerlei Anstalten unternommen, sich von Hemd und Hose zu trennen. Lediglich seine Schuhe lagen neben ihm im Sand. »Es geht noch, danke.«

Kate neigte den Kopf. »Ist dir das unangenehm?«

Ein missgestimmtes Brummen war zu vernehmen. »Wie du weißt, bin ich ... ziemlich käsig. Natürlich ist mir das unangenehm. Ich verbrenne ziemlich schnell.«

Ihr Versuch, nicht aufzulachen, scheiterte kläglich. »Entschuldige. Ich habe Sonnencreme dabei.«

Murrend machte sich Nick an den Knöpfen des Hemds zu schaffen. Als auch das Unterhemd neben ihr landete, gelang es Kate endlich, der Flasche habhaft zu werden.

»Deine Tasche ist der reinste Irrgarten, Mary Poppins«, knurrte er und sah sich flüchtig um. Doch keiner der anderen Strandbesucher nahm Notiz von ihm, nicht einmal die Mädchen von der Decke nebenan.

»Dann hast du noch nie einen Blick in meine Handtasche geworfen!«, meinte Kate und quetschte sich eine Salve weißer Creme auf die Handfläche. Doch statt ihn einzucremen, begann sie bei ihren Beinen bis hin zu den Armen. »Die denken bestimmt, ich bin deine Mutter.«

Nick schnaubte lachend. »Ja, und ich bin zwölf Jahre alt, danke Mum.«

»Früh übt sich«, sagte sie schlicht, drückte ihm die Sonnenmilch in die Hand und drehte ihm den Rücken zu. »Kannst du mal?«

»Und wann bin ich dran?«, fragte Nick pikiert.

Kate strich sich das welliggewordene Haar nach vorn und die Träger des Tankinibustiers von den Schultern. »Gleich.«

Als er Hand an sie legte, zuckte Kate zusammen. Nick schob die benetzten Finger über die ihm dargebotenen Stellen. Dieses verräterische Kribbeln, das seine Berührungen in ihr auslöste, versuchte Kate zu ignorieren. Die Stirn sank ihr auf die Knie, ihr Rücken wölbte sich ihm entgegen. Sie betete, dass er die Gänsehaut nicht bemerkte, die sich mit jedem Fingerstreich über ihren Körper zog. Als ihr der Druck im Nacken zu grob wurde, gab sie ein protestierendes Knurren von sich.

»Du bist jetzt vollkommen eingeschmiert«, erklärte Nick und nahm die Finger von ihr. Kate warf einen Blick zu beiden Seiten über die Schultern und erschrak.

»Hey!«, rief sie empört. »Da ist noch überall Sonnencreme!«

»Umso besser«. Seine Mundwinkel reckten sich gen Himmel. Noch eh Kate reagieren oder sich seinem Vorhaben widersetzen konnte, schlang er ihr die Arme um die Mitte und schob seine entblößte Brust über die gecremten Stellen. Nick schmiegte seine Wangen an ihre Haut, als er ihren Hals passierte und mit den Lippen nach ihrem Ohrläppchen schnappte, fiepte Kate entsetzt auf.

»Sex am Strand fällt unter die Kategorie Belästigung der Allgemeinheit, oder James?«, hallte Bens Stimme zu ihnen herüber. Dass das Studententrio in diesem Moment auf sie zuhielt, war Nick alles andere als willkommen.

»Hey, wie habt ihr uns gefunden?«, rief er seinen Mitbewohnern, ohne von Kate abzulassen, zu.

Michael lachte auf. »Komm schon, Nicky! Bei deiner britischen Blässe? Du fällst hier auf!«

»Ich habe dir doch gesagt, ich werde nicht braun, nur krebsrot«, knurrte er der, noch immer vom Gefühlscocktail berauschten, Kate ins Ohr. »Blässe ist nobel.«

»Ja, ja«, winkte James ab und ließ sich neben Kate nieder. »Warst du etwa schon im Wasser?«

Diese blinzelte und zerrte die Träger des Bikinitops wieder an ihren angestammten Platz. »Klar. Es ist schön erfrischend.«

»Cool, also dann, Ladys, rein in die Fluten.« So rasch, wie James sich in den Sand hatte fallen lassen, war er wieder auf den Beinen und scherte sich nicht um die Blicke der anderen, während er sich aus den Klamotten schälte, denn immerhin hatte er etwas zu präsentieren. »Hey, da sitzen ein paar Mädels.«

»Mhm, die hat Nick auch schon gesehen«, sagte Kate, um ein Lächeln bemüht.

»Jap«, gab dieser, zu Kates Verwunderung, zurück, hielt ihr die Sonnencreme hin und deutete auf seinen Rücken.

»Check?«, fragte James.

»Check«, bestätigte Nick mit breitem Grinsen. »Hmm, ein bisschen tiefer, Kate.«

Diese schnappte entrüstet nach Luft, strich jedoch in schnellen Zügen über die gerötete Haut.

Michael erschien verdächtig ruhig, packte Shirt, Hose und Schuhe ordnungsgemäß auf einen Haufen und stapfte aufs Meer zu.

»Hey, Mike!«, rief ihm Ben hinterher.

Dieser wandte sich zu seinen Freunden um und zuckte lässig die Achseln. »Kate kann uns später einschmieren.«

Nicks Lachen verklang jäh, als diese ihm in das Röllchen an seiner Hüfte kniff.
 

Rücklings auf dem Badetuch ausgestreckt, genoss Kate den Tanz der warmen Sonnenstrahlen. Nachdem Nick es sich für eine Weile an ihrer Seite gemütlich gemacht hatte, entschied er, es seinen Mitbewohnern gleichzutun. Ben war der Erste, den es zurück an den Strand zog.

Kate rappelte sich auf, stützte sich auf die Ellenbogen und linste über den Rand der Sonnenbrille zu ihm auf. »Hey.«

»Hey«, erwiderte Ben und zottelte ein Handtuch aus seinem Seesack.

Kate zog die Stirn in Falten. »Ist alles okay?«

»Jap. Wenn du willst, dann kannst du eine Runde drehen«, bot er an. »Ich passe auf die Sachen auf.«

»Okay.« Ihr wurde ein etwas schwummerig, als sie sich erhob.

»Mach langsam, sonst klappst du ab«, beschwor er sie. »Hast du genug getrunken?«

»Vermutlich zu wenig.« Kate zwang die Mundwinkel zu einem entschuldigenden Lächeln empor. Wortlos reichte Ben ihr eine Flasche Wasser, die sie dankbar annahm. »Es ist toll, dass du mitgekommen bist.«

Ben zuckte die Schultern. »Das renkt sich alles wieder ein. Und wenn nicht, welche Collegeliebe überdauert schon über die Unizeit?«

Kate presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Ihre Ehe hatte nicht einmal drei Monate auf dem Papier bestanden.

»Weißt du ...«, hob Kate an, doch dann zögerte sie, denn eine klitschnasse Dreiercombo hielt auf sie zu. Wie ein Hund schüttelte sich Nick vor ihr aus. Erschrockene, würgende Geräusche entkamen ihr, ehe sich Kate ins Wasser flüchtete.

»Kate, komm raus! Die machen gleich den Laden dicht.« Wie lang sie sich die Zeit im kühlen Nass vertrieben hatte, vermochte sie nicht zu sagen. Erst, als Nick am Ufer stand und mit wildem Gefuchtel die Heimreise gestikulierte, schwamm sie auf ihn zu.

»Spielverderber«, knurrte sie, entstieg dem Meer und trabte an ihm vorbei. »Was? Was auch immer dir gerade im Kopf herumgeht: Nein.«

Das versonnene Grinsen erstarb für den Hauch einer Sekunde, dann sputete er sich, um zu ihr aufzuholen. »Hast du etwa keinen Hunger?«

Ihre Augenbraue hob sich. Blut schoss ihr in die Wangen, als ihr Magen fordernd knurrte. »Was? Habt ihr zwei euch abgesprochen?«

»Vielleicht habe ich eine mystisch-magische Verbindung zu deinem Körper?« Nick verdrehte die Augen. »Hey, wir haben den ganzen Tag noch nichts gegessen, bis auf das bisschen Melone. Und Ben meinte, dass du vorhin ziemlich schlapp gewirkt hast.«

Kate schürzte die Lippen. »Es zu leugnen wäre zwecklos, hm?«

Sein heiteres Schnauben war ihr Antwort genug.
 

Eilig waren die Sachen gepackt und Kate in einem der Umkleidehäuschen verschwunden. Fluchend pellte sie sich aus den feuchten Klamotten.

»Kate? Ist alles in Ordnung dadrin? Soll ich reinkommen und dir helfen?« Nick, einem Bodyguard gleich, hielt vor der Tür Wache.

»Was? Nein, ja. Alles gut. Ich habe nur Sand in jeder Ritze«, meckerte sie.

»Ach ja?«, hellhörig geworden, lauschte er weiteren Ausführungen. »Ich glaube, ich habe ein Déjà-vu. Hast du heute nicht in etwa dasselbe zu mir gesagt? Obwohl ich kaum glaube, dass du dir da drinnen -«

Ehe Nick seine Formulierungen noch blumiger gestaltete, öffnete Kate die Tür, schüttelte sich das Haar aus und fasste es im Nacken zusammen.

»Kommst du?«, fragte sie und zwirbelte das Zopfgummi um ihre Mähne.

»Wäre ich fast, ja«, gab Nick, frustriert dreinblickend, zurück.

An einem der Futterstände stehend, belohnte sich die Gruppe nach einem anstrengenden Tag am Strand mit einem schnellen Essen.

»Ich habe selten eine Frau so sexy einen Hot Dog essen sehen«, sagte Michael mit Blick auf Kate, die sich mit einer Serviette den Mund tupfte.

Nick verschluckte sich an der Cola, doch James kam ihm rettend zu Hilfe.

»Ist dir die Sonne zu Kopf gestiegen, mein Freund?«, fragte Kate nervös lachend und wischte dieses anzügliche Kompliment mit einem raschen Wink beiseite.

Die Line Q brachte sie wieder nach Manhattan. Je länger die Fahrt andauerte, desto mehr Mühe kostete es Kate, nicht einzudösen. Ihr Kopf sank auf Nicks Schulter und auch wenn sie nur wenige Stunden auf Coney Island verbrachten, hatte der Cocktail aus Serotonin, Dopamin und Endorphinen sie erschöpft.

Kurz vor der Haltestelle 72 St auf der 2nd Avenue, versuchte Nick die schlafende Kate zu wecken.

»Hab ich geschnarcht?«, fragte sie mit kratzig, belegter Stimme.

Nick seufzte gedehnt. »Ja, deshalb sitzen wir allein im Abteil.«

Erschrocken schwankte Kate in die Senkrechte. »Hey, wo sind wir überhaupt? Und wo sind die Jungs?«

»Die sind an der 14. ausgestiegen«, erklärte er unumwunden.

Murrend rieb sie sich die Augen und versuchte, ein Gähnen zu unterdrücken. »Und warum hast du mich nicht früher geweckt?«

Seine Braue schoss fragend nach oben. »Hätte das einen Unterschied gemacht?«

Kate zuckte die Schultern, dann fiel ihr Blick auf die Anzeigetafel, ehe sich ein mildes Lächeln auf ihre Lippen legte. »Nein.«
 

Ein einstimmiges Seufzen entkam ihnen, als sie das kühle Treppenhaus willkommen hieß.

»Können wir nicht hierbleiben?« Nick ließ sich auf die marmornen Stufen in dem kleinen Foyer plumpsen.

Ein leises Grunzen entfloh ihr. »Wenn du möchtest, kann ich dir ein Kissen runterwerfen.«

Kurz schien es, als wäge er die Optionen ab, doch da Kate flinken Schrittes auf die Treppe zusteuerte, folgte Nick ihr, wenn auch mit Widerwillen. Träge schleppten sie sich die Stufen bis in Kates Appartement hinauf. Jalousien an den Fenstern in Wohn- und Schlafzimmer sorgten für erträgliche Temperaturen, dennoch blieb die Luft schwer und stickig. Nick zog sich die Chucks von den Füßen, während Kate an den Schnallen der Sandalen nestelte. Endlich vom Schuhwerk befreit, tapste sie ins Bad, um Salz und Sand aus Handtüchern und Kleidung zu spülen.

Nick lehnte im Türrahmen. »Brauchst du Hilfe?«

Sie wandte sich ihm zu und schüttelte den Kopf. Sorge zeichnete ihr Gesicht. »Du siehst schlimm aus.«

Seine Augenbraue hob sich, dann trat Nick auf sie zu und vor den Spiegel. Erst im Licht der Neonröhre zeigte sich, dass es die Sonne zu gut mit ihm gemeint hatte. Vorsichtig steckte Kate die Finger aus und strich ihm über Wangen und Nase. Ihre Berührung war leicht, kaum spürbar, dennoch zuckte Nick, leise zischend, zusammen.

»Und dabei hattest du dich eingecremt.« Kates Lippen bogen sich zu einem mitfühlenden Lächeln. »Irgendwo habe ich eine Heilsalbe. Aber vielleicht solltest du duschen, bevor -«

Ein tiefes, missgestimmtes Brummen entfuhr ihm. »Ich hatte andere Dinge mit dir vor.«

»Tatsächlich?« Verwirrung zierte ihr Gesicht.

»Ja«, murrte er. »Ich hätte gern das gemacht -«

Nick langte nach dem Saum ihres T-Shirts, berührte Bauch und Hüften, ehe er den Stoff höher schob. Ein wohliger Schauer überfiel sie mit jedem Zentimeter, den Nick freilegte. Bereitwillig hob Kate die Arme empor und gestattete ihm, ihr das Shirt über Busen und Kopf zu ziehen. Achtlos warf er das Überbleibsel in Richtung Flur und rückte zu ihr auf, dass ihr Hintern gegen das Waschbecken stieß. Er kam ihr gefährlich nahe, bettete seine Lippen an ihrem Hals und saugte an der warmen, empfindlichen Partie. Der Duft aus Meer, Sonne und Kate stieg ihm in die Nase und befeuerte die Gier nach ihr. Seine Finger fuhren unter die Träger ihres BHs, schoben sich in die Körbchen und umfassten ihre Brüste. Knabbernd tat er sich an ihrem Hals gütlich und arbeitete sich quälend langsam bis zum Kinn hinauf. Er erreichte ihre Lippen, strich bittend mit der Zunge die sensiblen Wölbungen entlang, bis Kate ihm Einlass gewährte. Seine Daumen reizten die süßen Knospen, die sich seinen Händen fordernd entgegenstreckten. Schnaufende, grunzende Töne erfüllten die kleine Nasszelle. Leise keuchte sie in den Kuss hinein. Wie auch immer Nick es anstellte, dieses teenagerhafte Herumgeknutsche sorgte dafür, dass sich Lust in kribbelnden Wogen in ihrem Bauch zusammenballte und unmissverständlich Botschaft an jene Körperregion schickte, die verlangend und schmerzlich pochend aufbegehrte. Ihre Finger suchten Halt in seinem Haar, während beide mit Zähnen und Zunge um die Herrschaft in diesem Kampf rangen.

»Nick? Nick!«, drängte Kate. Sie löste sich von ihm. Ihr glühten die Wangen, Puls und Körpermitte schlugen in einem schwindelerregenden Takt. »Warte! Bitte!«

»Was?«, knurrte er, empört darüber, dass sie ihn so rüde unterbrach.

»Wenn ... wenn wir so weiterknutschen, dann ...«, begann Kate, doch es erschien ihr sinnlos, nach Ausflüchten zu suchen. »Dann will ich Sex.«

Erregung und Ungeduld waren ihm anzusehen, dennoch hüpfte seine Augenbraue empor. »Das ist der Sinn hinter alldem, oder?«

Kate kniff die Augen zusammen, nicht nur, um seinem Blick zu entkommen, sondern auch, um sich zu sammeln. »Ich ... ich wäre fast ...«

»Gekommen?« Ein schiefes, provozierendes Lächeln zierte seine Lippen. »Gut zu wissen. Dann muss ich dich also nur um den Verstand küssen.«

Protestierend japste Kate auf. »Ich sagte fast. Ein bisschen mehr sollte da schon noch passieren. Deine Hand in ... in meinem Höschen zum Beispiel. Gott, warum erzähle ich dir das überhaupt?«

Sein Lächeln wandelte sich in ein diebisches, lüsternes Grinsen. »Wenn wir offen darüber sprechen, macht das vieles leichter. Weniger denken, mehr fühlen und vorallem weniger reden.«

Da ihre Brüste noch immer in seinen Händen lagen, nickte er fordernd. Tief sog Kate die warme Luft ein, langte hinter sich, um den Verschluss des Büstenhalters zu öffnen, und schälte sich aus der Wäsche. Zufrieden, dass sie seinem Wunsch nachkam, machte er sich an ihren Hügeln zu schaffen. Statt weiter ihren Mund zu plündern, haschten seine Lippen nach ihren Knospen, saugten und züngelten an den empfindsamen Nervenenden.

Wieder wühlten sich ihre Finger durch die rabenschwarze Mähne und entlockte ihm so, stöhnende, brummende Laute.

Nick schickte seine Hände auf Reisen. Gierend fingerte er an Knopf und Reißverschluss ihrer Hose. Er ließ von ihren Brüsten ab und zog eine feuchte Spur ihren Bauch entlang bis hin zum Bündchen ihres Slips, ehe er seine Nase an jener intimen Stelle verharrte. Ihre Hand schob sich in den Kragen des Hemds. Ihre Nägel schabten ihm über die gerötete Haut.

»Autsch! Scheiße, Kate«, zischte Nick erschrocken darüber, dass der brennende Schmerz ihn augenblicklich überfiel. Er ließ von ihr ab und wich vor ihr zurück. Kate, noch ganz entflammt, wusste kaum um den Fauxpas, der ihr unterlaufen war.

Mit schmerzverzerrtem Gesicht versuchte Nick die malträtierte Region ausfindigzumachen. »Ich komme bei dir heute wohl nie zum Abschluss, oder?«

Perplex blinzelte sie. »Entschuldige, das ... das wollte ich nicht.«

»Das nächste Mal binde ich dir besser die Hände auf den Rücken«, knurrte Nick und streifte sich Hemd und Hose vom Leib.

Kate öffnete die Lippen, doch weitere Worte blieben ihr erspart, denn er machte keinen Hehl daraus, dass ihm die Lust vergangen war. Nick kehrte ihr den Rücken, entstieg seiner Boxershorts und stapfte in die Dusche. Die Ringe des Duschvorhangs ratschten unangenehm über das Metallgestänge.

»Kann ich mir ein Handtuch leihen?«, rief er in dem Wissen, dass Kate noch immer im Zimmer stand.

»Klar«, sagte sie und hörte, wie er an den Rädchen zur Wasserregulierung drehte.

»Scheißeverfluchtnocheinsverdammt!«, schimpfte Nick, als der Wasserstrahl auf ihn niederging.

Sie verbiss sich jeglichen Laut, raffte die Hose wieder über ihren Hintern, schlüpfte in BH und T-Shirt und wrang die gespülte Wäsche aus.
 

Das Rauschen des Wassers verebbte. Tastend suchten seine Finger nach dem weichen Handtuch, das Kate ihm auf der Ablage bereitgelegt hatte, doch von ihr war nichts zu sehen. Nick schlang sich das Tuch um die Hüften und trat vor den Spiegel, der über dem Waschtisch hing. Er drehte sich, beäugte die sonnenverbrannte Haut und ließ die Schultern hängen.

»Kate?«, rief er, merklich milder gestimmt, doch eine Antwort blieb ihm verwehrt. »Kate?«

Er fand sie im Wohnzimmer auf dem Sofa sitzend vor. Nick tat sich schwer, den Ausdruck auf ihrem Gesicht zu deuten. Wut, Bedauern, Mitleid?

»Hey«, sagte er und setzte sich neben sie.

»Hey«, gab Kate zurück, streckte die Finger aus und klatschte ihm auf den feuchten Rücken.

»ScheißeverdammtKate«, japste er fluchend, und bog das Kreuz durch. »Okay, ich bin ein Arsch. Ich hab’s verdient.«

Sein einsichtiges Verhalten quittierte sie mit einem zustimmenden Nicken.

»Hast du diese Salbe gefunden?«, fragte er kleinlaut.

Leise schnaubend erhob sich Kate, begab sich ins Bad und kam nur Minuten später zurück. Sie reichte ihm die Tube, die Nick unschlüssig beäugte.

»Wärst du so gnädig?«, bat er und drehte ihr seine Rückansicht zu.

Kate seufzte, tat ihm den Gefallen und rieb ihn mit der kühlenden Creme ein. Wohlige Töne entflohen seinen Lippen.

»Ein Geben und Nehmen, hm?« Sie schob, wie er nur wenige Stunden zuvor, ihre Finger über seine Haut. Nacken und Hals waren beinahe glutrot. Die Hitze, die von ihm ausging, glich einem Hochofen. Die verbrannten Hautpartien verschwanden unter einer dünnen, weißen Cremeschicht.

»Das muss jetzt einziehen«, erklärte Kate und fuhr ihm über die Arme. Nick wandte sich zu ihr um und deutete auf seine geschundene Brust. Schnaufend kam sie auch dieser Aufforderung nach. Sie verteilte ihm die Salbe im Gesicht, auf Hals und Brustbereich.

»Was ist mit deinem Hintern?«, fragte sie, als die genüsslichen Laute allmählich ins Frivole drifteten. Missmutig erhob sich Nick von dem Polster und ließ das Handtuch fallen. Nur allzu deutlich war zu erkennen, welche Regionen die Sonne verschont hatte.

Seinem anstößigen Grinsen, das durch eindeutiges Wackeln der Augenbrauen Unterstützung fand, kam Kate mit banger Miene entgegen. »Jetzt hätte ich nichts gegen Sex.«

»Ich schon«, knurrte sie. »Unabhängig davon, dass wir es nur auf einem Berg Handtücher treiben könnten und diese Salbe nicht gerade erschwinglich war, siehst du aus wie ein billiger Paul Bettany-Verschnitt in seiner Rolle als Silas in The Da Vinci Code

»Und das ist ein Problem?« Nick legte den Kopf schief.

Kate grunzte lachend. »Alles daran ist ein Problem. Außerdem versetzt mich der Gedanke nicht gerade in sexuelle Ekstase.«

»Hm«, grübelte er, »das ist ein Problem.«

»Siehst du. Also, hinsetzen!«, befahl sie und rieb sich selbst mit den Resten der Salbe ein.

Nick leistete ihrer Anweisung Folge, richtete seinen Fokus auf das Fernsehprogramm und zog die Stirn kraus. »Was ist das?«

»James Bond? Casino Royale?« Ihr schwante Übles.

»Nie gesehen«, gestand Nick und wirkte etwas verloren, so starr wie er mit geradem Rücken auf seinem Platz verharrte.

»Du bist Brite!« Kates Empörung über dieses fatale Vergehen ließ ihn zusammenzucken.

»Sorry, Kate«, schnappte er bissig und verlieh seinem Unmut mit einem Blick Ausdruck, der vor Arroganz, Verachtung und Verstimmtheit troff. »Aber mir war nicht klar, dass ich als britischer Staatsbürger verpflichtet bin, nur britische Filme zusehen oder kennen zu müssen.«

»So war das nicht gemeint. Ich bin nur ... erschüttert, das ist alles«, murmelte Kate zerknirscht.

»Ich kenne James Bond«, seufzte Nick ergeben. »Nur hat uns Mum verboten, die Filme zu sehen und irgendwann hat das Interesse nachgelassen. Hast du etwa alle Teile von Matrix oder Resident Evil gesehen?«

»Ich hab’s nicht so mit Zombies«, murrte Kate resigniert und verdrehte die Augen, als sein Gesicht Bände sprach. »Okay, okay, es tut mir leid, okay?«

Zwar nicht gänzlich zufrieden, doch mit einer Art Waffenstillstand einverstanden, widmete sich Nick dem britischen Geheimagenten und ließ es zu, dass Kate ihm ihre Lieblingsszenen lauthals lachend oder quietschend unter die Nase rieb.

Tapfer hielt er den 139 Minuten stand. Sowie der Abspann eingeblendet wurde, hechtete er ins Bad. Die weiße Schicht war verschwunden, dennoch überlegte er, ob Kate ihm gestattete, sich weiterhin so entblößt durch die Wohnung zu bewegen. Sie hatte keinerlei Versuche unternommen, sich ihm körperlich zu nähern. Er schob ihr Desinteresse auf die teure Salbe, doch womöglich spielte sein äußeres Erscheinungsbild eine nicht weniger untergeordnete Rolle in diesem Drama aus Wollen und Nichtwollen. Ihr drängendes Klopfen an der Tür ließ ihn zu dem Schluss kommen, dass das Tragen einer Unterhose die angemessenere Wahl war.
 

Kate scheuchte ihn aus dem Badezimmer mit den Worten, dass sie dringende Bedürfnisse zu befriedigen hatte, bei deren Erfüllung er gänzlich fehl am Platze sei. Nach einer erfrischenden Dusche und der Erkenntnis, dass der Tag sie auf wohlige Art ermattet hatte, spazierte Kate, in ein großes Handtuch gewickelt, ins Schlafzimmer und suchte in der Kommode nach Wäsche für die Nacht. Sie spähte durch die Lamellen der Jalousien zum Himmel hinauf. Die Sonne tauchte den Horizont in ein sanftes Orange, das von einem satten Violett verscheucht wurde. Die sinkenden Temperaturen veranlassten sie dazu, die Fenster zu öffnen und ein wenig Frischluft durch die Räumlichkeiten wehenzulassen. Kate begab sich ins Bad, hängte das Handtuch auf und streifte Slip und Shirt über. Sie huschte in die Küche, auf der Suche nach etwas, das sich als trinkbar erwies und schlenderte ins Wohnzimmer zurück.

Nick stutzte, als sein Blick auf das alte, verwaschene Shirt mit dem Aufdruck eines gelben Piepmatzes fiel. »Hey, wenn das nicht Tweety ist?«

Kate zuckte zusammen und verzog das Gesicht zu einer pikierten Grimasse. »Das ist Woodstock, von den Peanuts. Die mochte ich schon immer lieber.«

»Ach, daher kenne ich diesen Vogel.« Grinsend warf er den Kopf in den Nacken und linste zu ihr herüber, auf dass ihm ihre brüskierte Reaktion ja nicht entging.

Kate schürzte die Lippen, schwieg jedoch. Statt sich wieder neben ihm einzufinden, hielt sie geradewegs auf die breite Fensterfront zu.

»Spring nicht!«, rief er alarmiert, als Kate den Hebel umlegte und das Fenster nach oben schob. Die erhoffte Brise blieb ihr verwehrt. Nick stemmte sich von dem Sofa und trat an ihre Seite. Vereinzelte Taxen fuhren die Lexington Avenue rauf und runter, auch Passanten wagten sich auf die Straße hinaus.

Kate hielt die Nase in die Luft und schnupperte. »Schade. Wieder kein Regen.«

Nick langte nach seinem Smartphone und scrollte durch die Wettervorhersage, die jedoch keinerlei Abkühlung versprach.

»Lehn dich nicht zu weit raus!«, beschwor Nick sie, als er Kates Vorhaben bemerkte.

Sie zog sich ins Zimmer zurück. »Keine Angst, ich lehne mich ungern zu weit aus dem Fenster.«

»Ich hätte dich unheimlich gern irgendwo rübergebeugt«, jammerte er theatralisch.

Kate schnaubte leise. »Okay, Nick, Schluss mit deinen Anzüglichkeiten. Du darfst mir morgen wieder den letzten Nerv rauben.«

Flüchtig drückte sie ihm einen Kuss auf die Lippen, noch ehe sie jegliche Selbstachtung verlor oder sich womöglich dazu verleiten ließ, seinen unanständigen Worten nachzukommen.

Kate spuckte die letzten Reste des Zahnpastaschaums ins Waschbecken, als sich Nick zu ihr ins Badezimmer quetschte und nach seiner Zahnbürste langte. Bei dem Gedanken daran, dass sie bei ihren Kolleginnen für Stürme der Empörung gesorgt hatte, als sie ihnen berichtete, dass ein gewisser wiederkehrender One-Night-Stand seine Zahnbürste bei ihr unterstellte, konnte Kate ein amüsiertes Grinsen nicht länger verbergen.

»Waff?«, fragte Nick schrubbend.

»Nichts.« Das breite Lächeln auf ihren Lippen blieb.

Kate machte ihren Rundgang und stellte zu ihrer Überraschung fest, dass er die Fenster im Wohnzimmer geschlossen hatte. Die Küche lag so friedlich da, wie Kate sie zuletzt vorgefunden hatte. Einzig der Kühlschrank gab ein monotones Brummen von sich, während die Küchenuhr leise tickte. Als sie einen Blick ins Bad warf, starrte Nick prüfend in den Spiegel.

»Kate? Darf ich mir noch etwas von der Salbe nehmen? Ich fühle mich trocken und schuppig«, murrte er.

Sie biss sich auf die Lippen, öffnete den Badezimmerschrank und hielt ihm die Tube hin. »Dann musst du wohl im Stehen schlafen.«

»Ich nehme nur ganz wenig«, versprach er und betupfte sich das Gesicht. Für die Rückenpartie bat er sie abermals um Hilfe.

Er ließ die Creme einwirken und schlich zu ihr ins Schlafzimmer. Kate hatte sich in die sommerliche Bettdecke gewickelt und glich in diesem Augenblick mehr einem Burrito als einem sexy verführerischen Vamp. Es fiel ihm schwer zu sagen, ob sie nicht bereits ins Reich der Träume entglitten war. Nick legte sich neben sie, versuchte, das Brennen zu ignorieren, das er diesem vermaledeiten Sonnenbrand verdankte. Zischend warf er sich wie ein Burgerpatty auf alle Seiten, die ihm möglich waren. Erst, als sich Kate zu ihm umwandte, sich an ihn schmiegte und ihren Arm auf seiner Brust platzierte, sah er sich gezwungen, still auszuharren. Irgendwann war es ihm gelungen, die Gedanken abzustellen.

Das Prasseln des Regens, der an die Fensterscheibe klopfte, machte diese friedvolle Ruhe jäh zunichte. Er wagte nicht, die Augen zu öffnen. Lieber barg er sein Gesicht in ihrem Nacken und lauschte den stetigen Tropfen.

»Sunday morning rain is falling«, murmelte Nick, als er ihre ersten, zarten Regungen bemerkte.

Kates undamenhaftes Grunzen wuchs zu einem Lachen an. »Wieso weckst du mich?«

Er schob seine Nase in ihr Haar und eine Hand unter ihr Shirt. »Weil Sonntag ist. Und es regnet.«

So gern sie sich seinen neckenden Fingern ergeben wollte, das Läuten eines Telefons ruinierte ihnen die prickelnde Stimmung.

»Scheiße«, knurrte Nick und befreite sich aus Kissen und Decke. »Das ist meins.«

Kate setzte sich auf, noch immer halb benommen von der morgendlichen Erkundungstour. Er hastete ins Wohnzimmer, wo Takin‘ Care Of Business zum dritten Mal erklang. Kate verstand nur wenig von dem, das Nick sagte, doch als er griesgrämig dreinblickend ins Schlafzimmer zurückkam, neigte sie fragend den Kopf.

»Union Market«, sagte er, warf das Telefon zu ihr aufs Bett, folgte dem smarten Gerät nach und vergrub sein Gesicht ins Kissen. »Ich soll die Mittagsschicht von Clareace übernehmen.«

Kate fiel es nicht leicht, aus dem Gemurmel schlau zu werden. »Wie?«

»Ich muss -«, Nick hob den Kopf aus dem Kissen und checkte die Uhrzeit auf dem Smartphone, »in knapp fünf Stunden im Union Market sein.«

Sie rollte sich auf den Bauch und stützte das Kinn auf ihre Hände. »Das ist ...«

»Blöd. Ja, sag’s ruhig!« Es war das erste Mal, dass sie ihn so ungehalten erlebte. »Ich habe mir meinen Sonntag wirklich anders vorgestellt.«

Ihr Lachen irritierte ihn. Kates Augenbraue wanderte gen Norden. »Mir erging es gestern ganz ähnlich.«

Nicks Miene verdüsterte sich.

»Hey.« Kate langte nach seiner Wange. Noch immer brannte seine Haut unter ihren Fingerspitzen. »Ich habe heute nichts weiter vor.«

Er wägte ab, auf welches Glatteis er sich zuerst begeben sollte. »Ich werde es heute Abend nicht schaffen, vorbeizuschauen.«

Kates Lippen hoben sich zu einem aufmunternden Lächeln. »Das macht doch nichts.«

»Ich rufe dich an, okay?« Seine Mimik erinnerte sie an einen flehenden Welpen.

»Nick, das brauchst du nicht«, versicherte sie und überlegte, wie sie heil aus diesem Drama herauskommen sollte. »Aber -«

»Hm?« Nick horchte auf.

»Eines würde mich interessieren«, fuhr Kate fort.

»Und was?« Skepsis zierte sein Gesicht.

Sie deutete auf das Smartphone. »Wenn ich dich anrufe -«

»Was selten vorkommt«, platzte er dazwischen.

Kate knurrte leise, besann sich jedoch. »Was blinkt da auf?«

Eiligst schickte Nick seine flinken Finger über das Display und nach wenigen Sekunden erschien Kate als Kontakt. Sie rümpfte die Nase, als ihr Blick auf das Profilbild fiel, das ihm immer dann entgegensprang, wenn sie ihn anrief oder ihm schrieb.

»Wer?«, fragte sie.

Nick blinzelte verwirrt. »Was wer?«

Kate verdrehte die Augen. »Dass du das Foto gemacht hast, ist mir klar, aber ... bin ich ein Standardton? Ein profanes Beep Beep?«

Seine Augenbraue schoss hinauf, fragend, amüsiert. »Dass ich deinen Hintern fotografiert habe, stört dich weniger, hm?«

Wieder rollte sie mit den Augen und versuchte sich an einem Schulterzucken.

»Eigentlich wollte ich einen Song mit dicken Hintern nehmen, vielleicht von Sir Mixalot oder Mystikal, aber dann … wurde ich vielleicht etwas sentimental«, gestand er.

»Sentimental?«, echote Kate. »Das ist Zeug aus den 90ern!«

»Ja, und dann dachte ich an Celine Dion, aber ich habe Titanic nie gesehen.« Er duckte sich weg in dem Wissen, dass ihr diese Art des Geständnisses nicht gefiel. Und Nick sollte Recht behalten, da sich Kate, fassungslos dreinblickend, ans Herz griff.

Krächzend rang sie nach Luft. »Ich hätte Kings of Leon erwartet.«

»Kate, bitte. Unser Sex ist On Fire«, stellte er klar. »Aber, da du unbedingt wissen willst, welchen Klingelton ich dir verpasst habe -«

Kate lauschte, gespannt darauf zu hören, welches Klagelied er für sie ausgesucht hatte. Eben so hoffte sie, dass es kein Titel aus der Heavy-Metall-Sammlung seiner Mitbewohner war. Nick fummelte ein wenig an der Lautstärke, dann erklangen die ersten Töne eines ihr gänzlich unbekannten Songs.

»Meine Cousine steht total auf diese Gruppe und hat damals Mum damit angesteckt«, erklärte Nick. Doch seine Aussage warf mehr Fragen auf, als sie beantwortete. Kate lauschte der Melodie, die ihr nicht unangenehm war. Die Stimmen der Sänger harmonierten miteinander und gaben dem herzzerreißenden Text die Tiefe, die einem Zahnweh bereitete.

»Klingt schwülstig und ... zu sehr nach Herzschmerz«, lautete Kates Fazit.

Seine Augenbraue hüpfte zum dunklen Haaransatz hinauf. »Hey, Maroon 5 singen von Liebe und Sex und Westlife von Liebe und Freundschaft. Also, von zwischenmenschlichen Beziehungen.«

»Westlife? Hab ich noch nie gehört«, sagte Kate.

Nick schnaubte beleidigt. »Jetzt schon. Ich hätte auch noch David Bowie für dich, aber das fand ich dann doch ein bisschen … viel.«

Grübelnd legte Kate die Stirn in Falten. »Wenn du dieses Lied mit mir in Verbindung bringst werde ich mich, bei Gelegenheit, damit beschäftigen.«

Vorerst gab er sich mit ihrer Antwort zufrieden. Kate hingegen überfiel ein Gedanke, den sie nicht gewillt war, allzu rasch abzuschütteln. Neben ihr und ihren Eltern gab es für ihn noch andere Verwandte, über die sie rein gar nichts wusste. Und womöglich bedurfte es auch keiner weiteren Überlegungen, die in diese Richtung drifteten, dennoch fiel es ihr nicht leicht, die heitere Miene aufrechtzuerhalten.

»Melone?«, fragte er.

Sie war ihm dankbar, dass er ihren grüblerischen Ausdruck in diesem Augenblick falsch deutete, dennoch blinzelte Kate gegen seine Frage an. »Was?«

»Ich habe eine riesige Melone in deinem Kühlschrank geparkt«, sagte er unverblümt.

»Und diese geparkte Melone willst du essen? Jetzt? Zum Frühstück?« Argwohn zierte ihr Gesicht.

»Klar, wieso nicht?« Nick stemmte sich von der Matratze auf und zuckte die Achseln. »Und ich kenne den perfekten Ort für diese Sauerei.«

»Nicht in meinem Bett!«, protestierte Kate, mit bangen Gedanken an ihr Wohnungsinventar. Dann dämmerte es ihr. »Ich werde keine Melone in der Badewanne essen!«

Irritiert über ihren Widerstand, schüttelte er den Kopf. »Warum nicht?«

»Vielleicht noch nackt, hm?« Empörung färbte ihr die Wangen.

»So gibt es keine Flecken«, erklärte Nick und robbte auf das Fußende des Bettes zu.

»Hm?« Kate traute dem Braten nicht.

Seine Zehen gruben sich in den weichen Teppich. Nick wandte sich nach ihr um, stemmte die Hände in die Hüften, wenngleich ihm dabei ein leises Zischen entfuhr, sobald seine Finger auf die erhitzte Haut trafen, und setzte ein zuversichtliches Lächeln auf. »Melonenflecken. Die gehen schlecht aus den Klamotten.«

»Nick«, jammerte sie.

»Komm schon, Kate. Ich muss in dreieinhalb Stunden auf der Arbeit sein. Hopp. Raus aus den Klamotten!«, rief er ihr zu.

Seufzend ließ sich Kate wieder in die Kissen fallen und verbarg ihr Gesicht in den Händen. »Womit habe ich das verdient?«

Ihre Frage blieb unbeantwortet, stattdessen hatte sich Nick eiligst an der Melone bedient.

»Du schuldest mir einen Quicky, oder zwei oder drei«, sagte er, im Türrahmen zum Schlafzimmer lehnend und zupfte und zerrte sich die Boxershorts von den Beinen.

»Erst Zähneputzen«, murrte sie und quälte sich aus den Federn.



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