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Mein Weg zu Dir

von

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Mimi

Gott, wie ich diesen Job hasse.

Heute ist es besonders schlimm. Es ist Hochbetrieb und gefühlt jeder, der draußen auf der Straße ist, kommt rein, um sich einen Kaffee oder etwas zu Essen zu holen. Bereits nach zwei Stunden bin ich so erschöpft, dass ich keine Ahnung habe, wie ich diese Schicht überstehen soll. Ein Kollege hat spontan gekündigt und der fehlt uns jetzt im Service, was uns an solchen Tagen echt das Genick bricht.

Ich reinige gerade die Espresso Maschine, als mir jemand auf die Schulter tippt und ich mich umdrehe. Vor mir steht mein Vorgesetzter und lächelt mich aufmunternd an.

»Ich habe Verstärkung für euch mitgebracht«, verkündet er mir und zwei anderen Kollegen, die in unmittelbarer Nähe stehen. Zunächst stutze ich, wen er meint, doch dann taucht eine weitere Person hinter ihm auf. Ein junger Typ, wahrscheinlich Mitte zwanzig. Blonde, wilde Haare, bärensteinbraune Augen, durchaus gutaussehend. Ein breites Lächeln ziert sein hübsches Gesicht, als er seine Brille zurechtschiebt und sich vorstellt.

»Hi, ich heiße Yoshi Okumura und arbeite ab jetzt hier.«

Noch ehe ich darauf reagieren und mich ebenfalls vorstellen kann, richtet mein Vorgesetzter das Wort an mich. »Mimi, wärst du so freundlich und würdest Yoshi heute einarbeiten? Er hat schon etwas Erfahrung im Bereich Service, deshalb wird es sicher nicht all zu lange dauern.«

Ohne eine Antwort abzuwarten, klopft er dem Neuling ermutigend auf die Schulter und verabschiedet sich dann. »Du machst das schon. Wir sehen uns später.«

Entnervt schaue ich ihm hinterher, als er wieder nach hinten in sein Büro verschwindet. Ist ja nett von ihm, dass er so schnell einen Ersatz gefunden hat, aber eine Einarbeitung ausgerechnet an so einem Tag, wo der Laden förmlich aus allen Nähten platzt? Danke, genau das konnte ich jetzt noch gebrauchen.

»Du bist also Mimi?«, erhebt Yoshi nun die Stimme und muss dabei ziemlich laut werden, um das viele Gerede der Gäste zu übertönen. Ich sehe ihn an und nicke. Er sagt es, als würden wir uns bereits kennen, dabei sehen wir uns heute zum aller ersten Mal.

»Ja, hi«, erwidere ich jedoch nur und zeige dann auf die vielen Kunden hinter uns. »Du hast dir wirklich den perfekten Tag ausgesucht. Heute ist die Hölle los.«

Yoshi zuckt nur mit den Schultern, als würde ihn das kein bisschen stören. »Das macht mir nichts aus, ich bin ziemlich belastbar.«

Okay, Freund. Wir sprechen uns in vier Stunden wieder.

»Gut, dann fangen wir mal an. Du hast also schon im Service gearbeitet?«

Er nickt. »Ja, ich habe vor meinem Studium zwei Jahre lang in einem Restaurant gearbeitet.«

»Du studierst? Wie alt bist du?«, hake ich interessiert nach.

»25. Aber ich habe mein Studium gerade beendet und will das hier nur so lange machen, bis ich eine Festeinstellung gefunden habe.«

»Kann ich verstehen«, sage ich und drücke ihm nebenbei eine Schürze in die Hand, die er sich umhängen soll. »Ist nicht gerade ein Traumjob, aber vorübergehend ist es okay.« So ähnlich war ursprünglich auch mein Plan gewesen, als ich hier angefangen habe. »Siehst du die Tische 3, 5 und 9?« Ich deute auf einige Tische hinter ihm. Yoshi folgt meinem Blick.

»Die müssen noch bedient werden und Tisch 1 und 2 muss abkassiert werden. Meinst du, du kriegst das hin?«

Yoshi lächelt mich freundlich an und wirkt voller Tatendrang. »Ich denke schon.«

»Gut, dann wird das deine erste Aufgabe für heute. Wenn es nachher etwas ruhiger geworden ist, erkläre ich dir die Maschinen und zeige dir, wie du den besten Latte Macchiato der Stadt zubereitest.«

»Geht klar«, erwidert er lachend und macht sich an die Arbeit.

Und hallo? Der Typ macht sich gar nicht so schlecht. In den kommenden zwei Stunden beobachte ich ihn und er ist viel schneller als sein Vorgänger, der gekündigt hat. Und zudem auch noch freundlicher.

»Wow, du hast jetzt schon mehr Trinkgeld verdient als ich«, sage ich anerkennend, als das Café sich allmählich leert und Yoshi sich hinter die Theke neben mich stellt.

»Nicht schlecht, oder? Tja, ihr habt eben den Besten bekommen«, meint er breit grinsend und obwohl er ziemlich mit seiner Erfahrung als Kellner angibt, kann ich nicht anders, als ihn irgendwie sympathisch zu finden.

»Hey, wenn du so weiter machst, machst du uns allen Konkurrenz und lässt uns in einem schlechten Licht dastehen«, witzle ich und stupse ihm gegen den Oberarm. Yoshi lacht verlegen auf und irgendwie kaufe ich ihm diese leicht scheue, aber aufrichtig freundliche Art ab. Dann höre ich ein Räuspern hinter uns.

»Entschuldigt, ich will euch ja nicht stören«, sagt die Stimme vor der Theke, die ich sofort erkenne. »Aber kann man hier auch was bestellen?«

Als ich mich umdrehe, schaue ich in Matt’s Gesicht, der mich frech angrinst und sich so lässig auf den Tresen lehnt, als wäre er hier zu Hause. Wie lange steht er da schon? Ich rümpfe die Nase.

»Nette Gäste dürfen hier gerne bestellen«, antworte ich.

»Soll das etwa heißen, ich bin nicht nett?«

»Geht so. An deiner Begrüßung könntest du noch arbeiten.«

Sofort spüre ich Yoshi’s entsetzten Blick auf mir, dessen Kopf bei dieser Bemerkung sofort in meine Richtung geschnellt ist. »Mimi …«, haucht er fassungslos. »So redet man doch nicht mit einem Gast.«

»Genau Mimi, so redet man nicht mit einem Gast«, wiederholt Matt triumphierend, bevor wir beide in Gelächter ausbrechen.

Mein neuer Kollege ist sichtlich verwirrt, da er natürlich nicht weiß, dass Matt und ich uns kennen. Aber spätestens jetzt scheint er es zu verstehen, denn er grinst verlegen.

»Okay, kapiert. Ihr kennt euch also.«

»Jap, ziemlich gut sogar.« Matt wackelt anzüglich mit den Augenbrauen, weshalb er sich direkt einen warnenden Blick von mir einfängt.

»Sehr schön. Mimi arbeitet mich heute ein, das hier ist mein erster Tag. Was kann ich dir bringen?«

Ich werfe Yoshi einen fragenden Blick zu. »Traust du dich schon an die Maschinen ran?«

»Ich habe ein abgeschlossenes Studium, Mimi. Ich denke, das kriege ich gerade noch so hin. Und außerdem bist du eine gute Mentorin.«

Matt bestellt einen doppelten Espresso, was tatsächlich kein Problem für Yoshi darstellen sollte und während er sich daran macht, das Getränk zuzubereiten, lehnt Matt sich leicht über die Theke.

»Mentorin also, hört hört. Wenn du so weiter machst, wirst du noch Mitarbeiterin des Monats. Wobei eine Karriere in meiner Band natürlich viel erstrebenswerter wäre.««

»Schon klar. Du musst nicht so dumm grinsen«, sage ich und verschränke die Arme vor der Brust. »Hast du schlecht geschlafen? Du siehst ziemlich fertig aus.« Natürlich sind mir seine verschlafenen Augen und seine blasse Haut aufgefallen. Und der doppelte Espresso erklärt sein übriges.

»Nur etwas überarbeitet«, meint Matt lediglich. Mal wieder spielt er seine Gefühle runter und stellt seine eigenen Bedürfnisse in den Hintergrund. Wieso kann er nicht zugeben, dass er völlig erschöpft ist? Man sieht es ihm doch an.

»Du solltest dich wirklich mal etwas ausruhen«, sage ich freundschaftlich, woraufhin Matt jedoch nur wieder schief grinst.

»Meinst du? Magst du mir dabei helfen? Ich könnte etwas Gesellschaft gut vertragen. Die letzten Tage waren sehr einsam.«

Ich rollte demonstrativ mit den Augen. Ist ja typisch.

Außerdem weiß ich nicht, ob das gerade ernst gemeint war oder ob er nur von sich und seinen Problemen ablenken wollte.

»Hier ist dein doppelter Espresso«, sagt Yoshi und stellt Matt sein Getränk hin, was mir eine Antwort auf diese Frage erspart.

»Danke. Dann bis bald.« Matt bezahlt eilig und verschwindet genauso schnell wie er gekommen ist. Ich schaue ihm noch eine Weile hinterher und frage mich, was wohl schon wieder in ihm vorgeht. Ist es nur die Band, die ihn so aufsaugt oder ist da noch was anderes? Etwas, dass er vielleicht niemanden sagt?

»War das … dein Freund Taichi?«

Bei dem Namen schnellt mein Kopf in Yoshi’s Richtung. Verdutzt sehe ich ihn an.

»Du kennst Tai?«, hake ich irritiert nach.

Blödsinn! Würde er Tai kennen, hätte er eben nicht gefragt, ob Matt Tai ist. Er kennt ihn also nicht. Aber woher weiß er dann …?

Offensichtlich sieht Yoshi sofort die Verwirrung in meinem Gesicht und beginnt verlegen zu grinsen. »Tut mir leid, es geht mich überhaupt nichts an. Aber ich habe vorhin ein Gespräch von deinen Kollegen aufgeschnappt und da fiel der Name Taichi, als sie über dich sprachen.«

Meine Kollegen reden hinter meinem Rücken über mich? Na, toll.

Wobei ich ihnen eigentlich nie wirklich erzählt habe, was zwischen mir und meinem besten Freund vorgefallen ist. Sie haben lediglich diese eine Szene mitbekommen, als Tai mit Sora hier war und ich sichtlich aufgewühlt deswegen gewesen bin.

»Oh, okay«, sage ich deshalb nur und schüttle den Kopf, weil ich es irgendwie merkwürdig finde. »Nein, das war nicht Tai. Das war ein Freund von … ähm, von mir und Tai. Aber ist auch egal.« Ich winke schnell ab, während Yoshi sich am Hinterkopf kratzt und irgendwie verunsichert wirkt.

»Wie gesagt, geht mich nichts an. Ich mach dann mal weiter.« Er wendet sich wieder irgendwelchen anderen Arbeiten zu und ich tue dies ebenfalls.

Er weiß leider nicht, welche Wunde er eben wieder aufgerissen hat, als er Tais Namen erwähnt hat. Nicht, dass ich ihn je vergessen könnte, aber ich hatte ihn zumindest dank der Arbeit für ein paar Stunden aus meinem Kopf verbannt. Jetzt ist er wieder da - voll und ganz. Und nimmt mehr Raum ein als ich zulassen wollte …
 

Die letzten paar Stunden bei der Arbeit waren pure Folter. Nach dem Ansturm am Nachmittag war so gut wie nichts mehr los, so dass wir sogar noch Zeit zum Däumchen drehen hatten. Für mich wirklich schrecklich.

Yoshi konnte das nicht wissen, aber … musste er ausgerechnet Tai erwähnen? Verfolgt mich das bis auf ewig? Ich meine, Yoshi kennt die Geschichte von Tai und mir nicht mal. Und trotzdem bringt mich ein völlig Fremder dazu, mich wieder an Tai zu erinnern und daran, was wir neulich getan haben - und wie wir danach auseinandergegangen sind.

Ich hasse das. Ich hasse es, wie ich mich fühle, wenn ich an Tai denke. Hilflos.

Liebeskummer ist schrecklich.

Anscheinend kann ich nichts gegen meine Gefühle tun, das sollte ich aufgeben. Aber verdammt noch mal, ich muss lernen, damit umzugehen. Ich kann ihm nicht mein Leben lang hinterher trauern.

Gott, diese quälenden Gedanken bringen mich noch um.

Kein Wunder also, dass ich gerade ausgerechnet vor seinem Haus stehe …

Ich habe keine Ahnung, ob er überhaupt zu Hause ist und wenn ja, ob er alleine ist. Aber das ist mir gerade total egal. Auf dem ganzen Weg hierher, haben mich meine Gedanken beinahe aufgefressen. Der Abend gestern und der heutige Morgen haben mich wieder aus der Bahn geworfen, gerade, als ich dachte, endlich die Spur gefunden zu haben.

Jetzt tue ich das Einzige, was mir einfällt und was trotzdem falsch ist. Das Einzige, was mich alles vergessen lässt. Zumindest für eine kurze Zeit.

Als ich nur noch wenige Meter von Matt’s Wohnkomplex entfernt bin, sehe ich, wie die Tür aufgeht und eine Frau raus kommt. Ich erkenne sie nicht sofort, habe einfach nur das Gefühl, sie schon irgendwo mal gesehen zu haben.

Sie ruft sich ein Taxi und wendet dabei kurz den Kopf in meine Richtung, so dass ich ihr Gesicht sehen kann. Jetzt erkenne ich sie. Das ist die Frau von neulich aus dem Club. Die angebliche Frau des Clubbesitzers, die mich hinter der Bühne angesprochen hat, als ich zu Matt wollte. Auch dort kam sie schon aus seinem Zimmer und ich habe mich gefragt, was sie bei Matt wollte, habe mir letztendlich jedoch keine Gedanken mehr darüber gemacht. Aber jetzt? Sie kommt eindeutig aus Matt’s Wohnhaus und wie wahrscheinlich ist es, dass sie auch hier wohnt? Ich bleibe in sicherer Entfernung stehen und mustere sie eingehend, als sie gerade dabei ist, in ein Taxi zu steigen. Wie schon beim letzten Mal wirkt sie äußerst elegant - ein knielanges, enges, schwarzes Kleid, High Heels, eine absurd teure Handtasche über der Schulter und ihre Haare liegen ihr wie schwarze Seide auf dem Rücken. Sie sieht aus, als würde sie viel Geld besitzen.

Nein, sie wohnt ganz sicher nicht hier. Eine Frau wie sie wohnt in irgendeiner reichen Gegend.

Die schöne Frau verschwindet im Taxi und ich ziehe andächtig eine Augenbraue in die Höhe, als es losfährt und um die nächste Ecke biegt.

Es kommt mir total irrsinnig vor, aber … kann es sein, dass Matt und die Frau eine Affäre haben? Ich meine, sie spielt ganz offensichtlich nicht in seiner Liga. Allein ihr Auftreten und der offensichtliche Altersunterschied. Aber wäre es wirklich so abwegig?

Ich schüttle schnell den Kopf, um diese Gedanken zu vertreiben. Das alles geht mich rein gar nichts an. Und selbst wenn da was läuft, hält es mich nicht davon ab, das zu tun, was ich vorhabe. Ich bin schließlich nicht hergekommen, um Matt auszuspionieren, sondern, weil die Sache mit Tai mich derart aufgewühlt hat, dass ich seit gestern Abend keinen klaren Gedanken mehr fassen kann. Und da jetzt auch noch Kari bei mir eingezogen ist, kann ich es mir nicht gestatten, wieder in mein altes Muster zurückzufallen und heute Abend heulend auf der Couch zu liegen, badend in Selbstmitleid.

Ich muss mich irgendwie ablenken!

Oben angekommen klingle ich gleich mehrmals an Matt’s Tür. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis er mir aufmacht, aber es wundert mich nicht, dass er zu Hause ist.

Sichtlich verwirrt steht er im Türrahmen und sieht mich an.

»Mimi? Was machst du …?«

Ich lasse ihn nicht ausreden. Stattdessen mache ich einen großen Schritt auf ihn zu, umfasse sein Gesicht mit beiden Händen und drücke meine Lippen auf seine.

Matt stolpert einige Schritte zurück, weil ich meinen ganzen Körper gegen seinen presse und ihn somit zurück in die Wohnung dränge. Plötzlich verliert er das Gleichgewicht und fällt rücklings nach hinten, doch das hält mich nicht auf. Ohne auch nur einen Blick in die Wohnung zu werfen und mich zu vergewissern, ob wir alleine sind, setze ich mich auf ihn, beuge mich zu ihm nach unten und küsse ihn erneut.

»Mi-Mimi«, presst er unter meinen Küssen hervor und schiebt mich sanft von sich. »Was soll das werden?«

Ich ziehe eine Augenbraue in die Höhe, während meine Hände auf seiner Brust ruhen.

»Siehst du das nicht?« Ich will ihn wieder küssen, aber Matt drückt mich weiterhin von sich.

»Warte mal«, meint er stockend und sieht sich unsicher um. »Du weißt schon, dass das auch Tais Wohnung ist und wir gerade mitten im Flur liegen? Er könnte jederzeit nach Hause kommen.«

Ja, das könnte er. Und vielleicht wäre es DIE Erlösung. Würde er das herausfinden, wäre es endgültig vorbei. Keine sehnsuchtsvollen Blicke mehr, kein hinterher Trauern, keine Reue, kein Bedauern, keine Schuldgefühle, weil er mit mir geschlafen hat. Kein »Es tut mir Leid« mehr. Das will ich nicht mehr von ihm hören. Nie wieder.

»Ich bin frei und kann tun und lassen, was ich will, oder? Das hast du doch gesagt«, antworte ich entschlossen, beuge mich zu Matt hinunter und lege fordernd meine Lippen auf seine, nur, um gleich darauf mit der Hand unter sein Shirt zu fahren. Meine Hände treffen auf seine kühle Haut und entlocken ihm schon jetzt ein Seufzen.

Er versucht nicht mal mehr, mich aufzuhalten. Stattdessen stöhnt er in den Kuss hinein und packt mich an den Hüften, um mich noch enger an sich zu ziehen.

Unser Kuss fühlt sich an, als würde in mir ein Meer toben. Ich spüre die bereits vertraute Welle, die in mir aufbricht, ihre Fluten schlägt und die schmerzenden Gefühle rund um Tai mit sich hinweg spült …
 

»Ich hätte nicht gedacht, dass du mich je überraschen kannst.« Matt rollt sich neben mich auf die Seite und grinst mich anzüglich an.

»Was soll das denn heißen? Bin ich so langweilig?« Ich klinge bissiger als beabsichtigt. Liegt wahrscheinlich daran, dass mein Puls immer noch Achterbahn fährt.

»Nein«, lacht Matt auf. »Mich hat nur noch nie eine Frau in meiner eigenen Wohnung überfallen.«

Ich grinse und will mich aufrappeln, aber Matt hält mich fest und zieht mich zurück in die Laken. Der Fußboden wurde uns schnell zu unbequem, weshalb er mich nach einigen hitzigen Küssen doch noch in sein Bett getragen hat.

Noch bevor ich mich beschweren kann, stützt er sich neben meinem Kopf ab und beugt sich über mich.

»Warum bist du hergekommen?«

»Kannst du dir das nicht denken?« Ich verdrehe die Augen und will ihn wegdrücken. Keine Chance.

»Was hat er wieder angestellt?«

Die Frage kommt so plötzlich und direkt, dass ich ins Stocken gerate. Blinzelnd sehe ich ihn an.

»Ähm … n-nichts«, lüge ich und das nicht mal besonders gut. Matt's Grinsen verrät mir, dass er mir natürlich kein Wort glaubt.

»Du bist eine schlechte Lügnerin.«

Ich öffne den Mund und sehe ihn herausfordernd an. »Und du? Bist du ein schlechter Lügner?«

Matt’s Augenbraue wandert in die Höhe und die Frage steht ihm bereits ins Gesicht geschrieben. »Was meinst du?«

Eigentlich wollte ich ihn nicht darauf ansprechen, aber noch weniger will ich jetzt über Tai reden.

»Ich habe diese Frau vorhin aus deinem Haus kommen sehen.«

»Welche Frau?«

Matt’s Gesichtsausdruck wirkt unbeeindruckt, aber das überzeugt mich noch lange nicht. Es wird Zeit ein wenig hinter die Fassade zu blicken.

»Diese Frau«, grinse ich schief. »Etwas älter als du, lange, schwarze Haare, ziemlich attraktiv … klingelt da was?«

»Überhaupt nicht«, sagt er zwar, aber sein Grinsen, dass er sich offensichtlich nicht verkneifen kann, verrät was anderes.

Ich hatte also doch recht!

»Woher kennst du sie? Wie heißt sie?«, hake ich deshalb weiter nach. Matt weiß, dass es aussichtslos ist, es weiter abzustreiten. Aber das heißt noch lange nicht, dass er sich mir öffnen wird. Stöhnend verdreht er die Augen.

»Sie heißt Misaki und ich will nicht über sie reden.«

Klar.

»Matt …«, sage ich sanft und fahre mit den Fingern durch seine blonden Haare, die in den letzten Wochen definitiv gewachsen sind. » … ich bin nicht eifersüchtig, falls du das denkst.«

»Aber definitiv zu neugierig«, lächelt er amüsiert und ich schnaube.

»Nun ja, sie ist ziemlich attraktiv. Und definitiv älter als du. Und sie spielt nicht in deiner Liga.«

Matt runzelt die Stirn und sieht beinahe frustriert aus. »Danke, dass du mich daran erinnerst. Das weiß ich selbst.«

Überrascht lege ich den Kopf schief. Trifft ihn diese Tatsache etwa?

»Sag mir lieber, was mit dir und Tai schon wieder los war. Oder willst du mir etwa erzählen, dass du grundlos heute Abend zu mir gekommen bist? Dafür kenne ich dich inzwischen zu gut, Mimi.«

Ich wünschte, ich könnte dasselbe von dir behaupten …

Ich drehe den Kopf zur Seite.

Es ist so frustrierend. Ich bin zu ihm gekommen, damit ich vergessen kann und gerade, als mir dies gelungen ist, erinnert er mich wieder daran. Hört das denn nie auf?

»Müssen wir darüber reden?«, frage ich genervt.

»Nein«, antwortet Matt tonlos und im nächsten Moment spüre ich auch schon seine Finger zwischen meinen Beinen. Ich keuche vor Überraschung auf.

»Du musst mit mir nicht reden, das weißt du«, flüstert Matt und beginnt an meinem Ohr zu knabbern, was mir eine Gänsehaut beschert. Mein Becken reckt sich ganz automatisch seinen Bewegungen entgegen, während er mit der anderen Hand nach meinem Handgelenk greift und es neben meinem Kopf ins Kissen drückt.

»Ich kann nicht bleiben«, keuche ich, als er sich mit Küssen einen Weg über meinen Hals bahnt. Anscheinend hat er von der schnellen Nummer von eben noch nicht genug. »Kari wartet zu Hause auf mich.«

Vor lauter Erregung bringe ich die Worte nur seufzend hervor, aber Matt hört sie trotzdem, lässt von mir ab und sieht mich fragend an.

»Kari ist bei dir zu Hause?«

Ich nicke. Allerdings scheint diese Information Matt nicht von seinem Vorhaben abzuhalten, denn er übersät meinen Hals und meine Lippen weiterhin mit Küssen, während seine Finger mich zeitgleich in den Wahnsinn treiben und jegliches Denken viel zu schwer machen.

»Was macht sie bei dir?«, bohrt er dennoch weiter. Ich versuche, meine Gedanken zu sammeln. Ich bringe die Worte nur stockend hervor.

»Sie wohnt für ein paar … Tage bei mir.«

Wieder ein fragender Blick.

»Aber warum?«

Lieber Gott! Ist das sein Ernst?

Ich stöhne laut auf, aber diesmal, weil ich genervt bin. Kurzerhand packe ich ihn an den Schultern und drehe mich mit ihm um, so dass ich jetzt rittlings auf ihm sitze.

»Ich dachte, wir wollten nicht reden.«

Matt's Augen funkeln auf und seine Mundwinkel beginnen amüsiert zu zucken.

»Du hast recht«, meint er, richtet sich auf und zieht mich an sich, um da weiter zu machen, wo er aufgehört hat. Seine Hand gleitet in mein zerzaustes Haar und zieht mich an sich, während ich meine Finger in seinen Rücken kralle und er gleich mehrere Küsse auf mein Schlüsselbein haucht.

»Eine Sache noch …«, sage ich nach Luft schnappend. »Du weißt, warum Kari und T.K. sich gestritten haben, oder?«, schießt es mir plötzlich durch den Kopf. Die Frage verlässt so schnell meinen Mund, dass ich sie nicht mal richtig durchdenken kann. Warum frage ich ihn jetzt danach? Er wird es mir ohnehin nicht sagen.

»Wer sagt, dass sie sich gestritten haben?«, lautet jedoch Matt's Antwort zu meiner eigenen Überraschung. »Sie hatten eine Meinungsverschiedenheit, das ist alles.«

Eine was?

»Tut mir Leid, aber das kann nicht sein.«

Matt stoppt mitten in der Bewegung und hebt nun doch den Kopf, um mich anzusehen.

»Willst du jetzt doch Konversation betreiben?«

Ich schüttle den Kopf. »Aber ich mache mir wirklich Sorgen um sie. Sie verhält sich eigenartig und ich werde das Gefühl nicht los, dass es was mit deinem kleinen Bruder zu tun hat.«

Matt hält erneut inne und wirft den Kopf in den Nacken.

»Okay. Na, schön. Wenn du es unbedingt wissen musst. Sie hatten Sex, okay?«

»Was?« Augenblicklich springe ich auf und schaue auf Matt hinab. »Sex? So … so wie wir beide? Im Ernst?«

Matt, der sich nun mit den Händen hinter seinem Rücken abstützt und dabei die Augen verdreht, sieht zu mir auf.

»Ja, was ist daran so schlimm?«

Ich runzle die Stirn. Moment.

Das ist alles?

Mehr nicht?

»Allein deshalb würde Kari nicht so durchdrehen«, stelle ich nüchtern fest, woraufhin Matt schnaubend den Kopf kreisen lässt, so dass sein Nacken knackt. Anscheinend war nicht nur mir der Fußboden zu hart.

»T.K. will nichts von ihr. Jedenfalls nichts ernsthaftes und damit kommt sie anscheinend nicht klar.«

Matt kommt dieser Satz so selbstverständlich über die Lippen, dass es mich schaudert.

»Warte mal …«, sage ich skeptisch, da sich das Puzzle nach und nach für mich zusammensetzt. » … heißt das etwa, sie hatten nur einen One Night Stand? Und dann?« Für so etwas ist Kari eindeutig nicht der Typ. Ich denke, wenn sie mit jemanden ins Bett geht, dann meint sie es ziemlich ernst - zumindest schätze ich sie so ein. Aber was ist mit T.K.? Offensichtlich sieht er das ganz anders.

Matt öffnet leicht den Mund und sieht zu mir auf, mit einem Blick, als müsste ich ganz genau wissen, was das bedeutet.

»Oh Gott«, stoße ich aus und schlage die Hand vor den Mund. »Echt jetzt?« Ich verpasse Matt einen Hieb gegen den Oberarm, ehe ich anfange, mich in Windeseile anzuziehen.

»Hey, was soll das?«, beschwert er sich bei mir und reibt sich die schmerzende Stelle. Doch dann steht auch er auf und streift sich zumindest seine Boxershorts wieder über. »Wieso hören wir jetzt auf? Was hat das mit uns zu tun?«

Haltlos beginne ich zu fluchen, weil er mich gerade echt mit seiner unbekümmerten Art in den Wahnsinn treibt.

»Gott, Matt! Du verstehst es einfach nicht.«

Fassungslos sehe ich ihn an, warte auf irgendeine Art von Einsicht seinerseits, aber alles, was ich bekomme, ist ein ahnungsloses Schulterzucken.

»Was ist dein Problem?«

»Ich habe kein Problem«, fahre ich ihn an, während ich inzwischen voll bekleidet und er immer noch in Unterhose vor mir steht. »Du hast ein Problem. Nein, IHR habt ein Problem!«

»Wer ist ihr?«

»Na, T.K. und du natürlich!«

»Was?«

Matt sieht mich an, als hätte ich den Verstand verloren, während ich mich immer mehr in Rage rede. Wenn ich daran denke, was er mit Kari gemacht hat, wird mir ganz schlecht.

»Matt, ernsthaft«, beginne ich betont langsam, damit auch er es endlich versteht. »T.K. hat Kari benutzt und mit ihr geschlafen. Danach hat er sie fallen lassen. Kommt dir das irgendwie bekannt vor?«

»Allerdings«, entgegnet Matt und wirkt dabei fast schon belustigt. »So machen es Millionen von Typen, jeden Tag, auf der ganzen Welt. Und Frauen übrigens auch.«

Ich schlage mir die Hände vors Gesicht. Kann oder will er es nicht begreifen?

»Du machst mich echt wahnsinnig, hörst du?«, entgegne ich deutlich gereizt und mache eine Geste mit meinen Händen, dass ich ihn am liebsten erwürgen würde. »Du bist daran Schuld, dass er das getan hat.«

»Wie bitte?« Jetzt beginnt er wirklich zu lachen und zeigt ungläubig auf sich. »Wie kann ich daran Schuld sein, wenn T.K. kein Interesse an Kari hat und nur mal mit ihr ins Bett wollte?«

Nur mal mit ihr ins Bett wollte?

Verdammt. Dieser Kerl hat wirklich keinen Anstand. Und mir naives Ding fällt das erst jetzt auf? Ich bin so blöd.

»Weil er genau so ist wie du!«, platzt es aus mir heraus, weil ich es nicht länger zurückhalten kann. »Du bist sein großer Bruder. Du bist so was wie ein Vorbild für T.K. Er hat immer schon zu dir aufgeschaut, das weißt du.«

»Mimi, das ist lächerlich«, antwortet Matt verständnislos. »T.K. und ich sind grundverschieden, das waren wir schon immer. Für mich klingt das eher so, als würdest du deine eigenen Probleme auf Kari und T.K. projizieren.«

Ich ignoriere diesen Kommentar. Denn er hat nichts hiermit zu tun. Gar nichts.

»Trotzdem eifert er dir nach«, sage ich gereizt. »Eure Eltern sind schon lange getrennt und ihm fehlt die Vaterfigur. Ihr verbringt viel Zeit miteinander und seine Art mit Frauen umzugehen, hat er sich eindeutig bei dir abgeguckt. Oder willst du das etwa abstreiten? Wie viele Frauen waren in den letzten Monaten wohl in deinem Bett, die du danach nie wieder gesehen hast?«

Nun wirkt Matt ernsthaft getroffen und ein Schatten huscht über sein Gesicht, ehe er die Arme vor der Brust verschränkt und mich aus schmalen Augen heraus anstarrt.

»Tu nicht so, als würdest du mich kennen, nur, weil wir ab und zu miteinander vögeln. Du hast absolut keine Ahnung, was bei mir so abgeht.«

So.

Das reicht.

»Nein, habe ich nicht! Weil du niemanden an dich ran lässt. Ach, weißt du was? Vergiss es!« Wütend schnappe ich mir meine Jacke, verzichte jedoch darauf, sie anzuziehen und knalle die Tür hinter mir zu. Ich muss echt weg hier. Wie konnte ich nur so dumm sein und mich auf jemanden wie Matt einlassen? Ich blöde Kuh!



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Linchen-86
2022-12-16T18:29:37+00:00 16.12.2022 19:29
Also meine Liebe,

Auch in diesem Kapitel ist wieder eine ganze Menge passiert.
Ein neuer Arbeitskollege der plötzlich da ist und gleich am ersten Tag den Namen Tai nennt... Hmmm sehr verdächtig irgendwie... Ich traue ihm nicht. Bin gespannt was der noch so drauf hat...

Und Matt, ja er ist eben verschlossen und das tut keinem immer gut, ich denke auch das T.K und er grundverschieden sind und irgendwie wundert es mich, dass T.K nur so mit Kari geschlafen haben soll. So ohne Gefühle? Die Freundschaft aufs Spiel setzen? Da muss doch noch mehr sein...

Und dann hat es gewaltig geknallt zwischen Matt und Mimi, aber vielleicht musste das jetzt einfach mal sein.
Vielleicht wird er dann ja doch noch offener oder finder es doch nicht so schlimm, mal eine ernste Beziehung anzustreben...


:***
Also ich bin wie immer gespannt
Von:  Hallostern2014
2022-12-16T11:27:23+00:00 16.12.2022 12:27
Huhu Liebes 😍

Soso, Mimi hat also ein neuer Arbeitkollege. Und das auch noch männlich. Ich traue ihn aber nicht.. Grund er weiß von Tai. Ich glaube mal nicht das er die Geschichte von ihre andere Arbeitskollege weiß und er es sich nur ausgedacht hatte. Ich glaube Sora steck dahinter. Der Typ ist bestimmt der den T.K gesehen hat. Und bestimmt auch der richtige Vater. Jetzt soll er Mimi beobachten bzw Tai. Wenn er mal doch wieder zu Besinnung kommt und zur Mimi geht, weiß Sora Bescheid. Evtl weiß er nur nicht wie er aussieht..deswegen die Frage ob es Tai war. Ich bin gespannt ob es stimmt.

Jedenfalls muss Mimi dann erst recht aufpassen wie sie gegenüber Matt verhält. Denn beide haben ja schon etwas geflirtet. Und dann dem Typen ist sie zu Matt und hat sich trösten lassen 😢

Dass es Mimi egal ist sie von Tai erwischt wird glaube ich nicht. Die denkt es nur aber in Wirklichkeit will sie es nicht das er es weißt.

Soso T.K hat wirklich mit Kari geschlafen. Jetzt wissen wir dem Grund warum Kari so ist. Nur wieso ist T.K so ? Hat er wirklich keine Gefühle für Kari ? War sie wirklich nur gut fürs Bett ? Wie ist es dazu gekommen ? Du siehst wieder viele Fragen offen. Mal sehen ob sie was aus Kari raus bekommt. Denn Kari muss mal darüber reden..Und das kann sie nur mit Mimi.

Und ich gebe in den Punkt Mimi recht. Wenn T.K es wirklich nur getan hat um Sex zu haben ist er wirklich etwas wie Matt. Wobei wir ja wirklich noch nicht wissen wieso er so ist. Und das auch nur weil er nie mit der Sprache raus kommt.

So ich freue mich nun noch mehr auf das nächste Kapitel 😍


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