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Red Moon

von

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Der Museumsbesuch

Kapitel 2 – Der Museumbesuch

 

Keine Stunde später stand ich mit Kaito in der Museumshalle, wo der Red Moon bis zum 30. August, also bis zu dem Tag, an dem KID den Rubin stehlen wollte, ausgestellt und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. »Das ist also der Gegenstand von KID's Begierde«, sagte ich mit gedämpfter Stimme und inspizierte den Rubin, der in einer Glasvitrine aufgebahrt war, mit wachsamen Augen. »Ich tippe auf Sicherheitsglas«, murmelte ich wieder und nahm die Vitrine genau unter die Lupe. Die ist zu 100 Prozent Kugelsicher. Als ich einmal um die Vitrine herumschlich, konnte ich an den jeweiligen Schnittstellen Kontakte ausmachen, die bei der kleinsten Berührung oder Vibration einen stummen Alarm auslösen würden. »Ich wette darauf, dass der Rubin mit einem Lasersystem gesichert ist. Wie er den wohl stehlen möchte?«, stellte ich mir die Frage aller Fragen und hörte daraufhin unmittelbar neben mir ein belustigtes Kichern als ich mich beim Überlegen dem Rubin unbewusst näher entgegenbeugte und meine Nasenspitze beinahe das Sicherheitsglas berührte. »Was ist Kaito?« Mein Freund schielte zu mir hinunter und sah mich amüsiert an. »So wie du um den Rubin herumschleichst, könnte man glatt annehmen, dass du ihn stehlen möchtest, Shinichi«, gab er mir zu verstehen und ich verzog für einen Moment missmutig meine Schnute. »Red’ nicht so einen Stuss«, fuhr ich ihn etwas in meiner Detektivehre eingeschnappt an. »Ich versuche lediglich herauszufinden, wie er das anstellen möchte. Das nennt man heutzutage auch Recherche.«

 

»Weißt du eigentlich wofür der Rubin steht?«, fragte er mich interessiert und ich verneinte. Mit Edelsteinen und dessen Struktur kannte ich mich ehrlich gesagt absolut nicht aus und erst recht nicht mit den vielen Bedeutungen, die solch ein Stein haben kann. »In traditionellem Sinn wird der Rubin als Stein der Liebe und der Lebenskraft angesehen. Er soll Stärke erwecken und Mut schenken. Außerdem soll der Rubin die Liebe und die Leidenschaft entfachen und sogar eine Schutzmauer, die Nähe verhindert, zum Einsturz bringen können«, gab mein braunhaariger Freund erklärend von sich und ich kam nicht drum herum mich dabei irgendwie angesprochen zu fühlen, denn immerhin hielt ich Kaito noch ein wenig auf Abstand, was die körperliche Nähe anbetraf. Über sein Fachwissen musste ich dennoch anerkennend nicken, weil er so viel in Sachen Diamanten, Edelsteinen und als was die Dinger noch alles bezeichnet wurden, wusste und in der Hinsicht ein richtiger Fachmann war. »Hm«, gab ich überlegend von mir, als meine Seelenspiegel wieder auf den ovalen roten Stein vor mir gerichtet waren. »Da könnte man glatt annehmen, dass KID vielleicht der Liebe wegen mit dem Stehlen aufhören möchte. Wäre zumindest eine schöne Vorstellung, meinst du nicht auch?«, fragte ich Kaito und grinste ihn von der Seite aus an, da es eher als Scherz gemeint war. Aber eventuell ist da doch was Wahres dran? »Tja, dem kann ich nur zustimmen, aber wird das Objekt seiner Begierde auch bei ihm bleiben, wenn er die Wahrheit erfährt?«, gab er seufzend von sich und marschierte mit einem traurigen Ausdruck auf seinen Gesichtszügen Richtung Ausgang. Sein Pokerface war für den Bruchteil einer Sekunde gefallen und diese würde ihm zum Verhängnis werden. Wahrheit? Er?, schoss es mir sogleich durch den Kopf. »Kaito?«, murmelte ich verwirrt und schaute ihm verdutzt hinterher. Was ist denn auf einmal in ihn gefahren? War meine erste Eingebung damals vielleicht richtig und kann es sein, dass er …? Wie von einem Schwarm Bienen verfolgt sprintete ich Kaito hinterher. Ohne groß zu überlegen fing ich ihn am Ausgang der Museumhalle ab, packte ihn am Oberarm und zerrte ihn die angrenzende Treppe hinauf. Etage für Etage, damit wir so weit wie möglich von den Museumbesuchern und etwaigen Wachleuten entfernt waren. »Hey, was soll das werden, Shinichi?«, hörte ich Kaitos empörten und zugleich verwirrten Ausruf hinter mir, der nicht wusste, wie ihm geschah und den ich allerdings gekonnt ignorierte und ihn weiter brav die Treppen hinaufzerrte. Ist mein Kaito wirklich dieser KID? Eigentlich wollte ich auf das Dach hinausgehen und ihn dort zur Rede stellen, aber meine innerliche Unruhe wurde von Treppenstufe zu Treppenstufe größer und größer, so dass ich ihn in den erstbesten Raum hineinzerrte, der mir unterwegs ins Auge fiel und er hinter mir erneut ein empörtes »Hey« von sich gab.

 

Wir fanden uns in einem Lagerraum wieder, wo Kunstgegenstände aufbewahrt wurden, die zurzeit nicht in der Ausstellung ausgestellt oder nicht mehr benötigt wurden. Nicht alles an der Kunst war zeitlos und irgendwann verlor auch das schönste Werk an Bedeutung und verstaubte in der hintersten Ecke eines Lagerraumes in einem Museum, was mich zusätzlich auf eine gewisse Art und Weise melancholisch stimmte.

 

Im Raum brannte kein Licht und ich verspürte nicht den Drang, nach einem Lichtschalter zu suchen. Dennoch befanden wir uns hier nicht gänzlich im Dunkeln wieder, denn die Mittagssonne schien durch ein kleines Fenster, das seit Ewigkeiten keinen Putzlappen mehr gesehen hatte und so verdreckt war, dass man kaum nach draußen schauen konnte, in das Lager hinein. Durch das verschmutzte Fensterglas wurde der Sonnenstrahl abgefangen und schien mit einem dämmrigen Licht in den Raum hinein, so dass das Licht leicht orange wirkte. Hätten wir es nicht besser gewusst, hätte man annehmen können, dass draußen bereits die Sonne unterging und uns die letzten Strahlen der Sonne auf der Haut wärmen wollten.

 

Kaitos Oberarm ließ ich los und ging in Richtung des kleinen Fensters. Kurz davor blieb ich stehen und richtete mein Blick gen Boden. Hinter mir blieb es ungewöhnlich still. Mucksmäuschen still um es genauer zu sagen. Lediglich abgeharkte Atemgeräusche drangen an mein Ohr, die mir unnatürlich laut vorkamen. Meine Sinne waren bis auf das Äußerste geschärft, was wohl an dem Adrenalin lag, dass durch meine Blutbahnen schoss. Normalerweise hätte mein Freund mich mit Fragen Löchern müssen wie, Was machen wir hier? Warum hast du mich hier hineingezerrt? Spinnst du jetzt total?, doch er tat es nicht. Und genau diese Tatsache, dass er schwieg wie ein Toter bestätigte nur meine Vermutung, die ich bereits seit längerem hegte und die schlussendlich unten beim Red Moon zur Bestätigung wurde. »Möchtest du mir nicht was sagen, Kaito?«, fragte ich ihn leise, aber mit ernster Stimme und stand immer noch mit dem Rücken zu ihm gewandt. Warum kann ich ihm nicht in die Augen schauen? »Shinichi, ich...«, vernahm ich seine gedämpfte Stimme, die traurig in meinen Ohren klang und die ganz und gar nicht zu den sonst so fröhlichen jungen Mann passte.

 

Ich wollte mich zu ihm umdrehen, hielt allerdings Mitten in der Bewegung inne als ein expressionistisches Kunstwerk in meine Augen stach, dass meine Gefühlswelt deutlich widerspiegelte. Es war Der Schrei von Edvard Munch. Kurz wunderte ich mich, dass sich das Bild hier an der Wand hängend wiederfand, sollte es doch eigentlich im Nationalmuseum Oslo in Norwegen ausgestellt sein, aber verwarf diesen irrwitzigen Gedanken wieder, der hier nichts zur Sache tat.

 

Auch ich hätte jetzt zu gerne meine Hände mit aufgerissenen Augen gegen meinen Schädel gepresst und würde am liebsten laut losschreien. Zwar hatte ich hier keine schwarzblaue Fjorflandschaft, doch der graue Putz an den Wänden kam dem sehr nahe und zumindest einen kleinen orange roten Strahl der Sonne, der durch die dreckige Fensterglasscheibe schien und wie der Teil eines flammenden Himmels wirkte, der regelrecht in Feuer stand, war dem Bild sehr treu. Ein blutroter Sonnenuntergang der mich zu verbrennen schien. Ich wusste, dass der Maler seinerzeit vor Angst zitterte, auch ich zitterte innerlich, weil ich die Wahrheit über meinen Freund kannte und damit gerade überhaupt nicht umzugehen wusste. Eigentlich sollte ich Stock sauer auf Kaito sein, dass er mir die ganze Zeit etwas vorgespielt hat. Ein tiefer Seufzer drang durch meine Lippen und gab ein klägliches Pfeifen von sich, als ich mich schlussendlich meinem Freund zuwandte. Auch, wenn ich innerlich vor Anspannung erzitterte und meine Seele vor Verwirrtheit schrie, so sah man mir das in keinster Weise an. Denn eines hatte ich von Kaito gelernt, lege niemals dein Pokerface ab und das tat ich nicht. Ganz im Gegensatz zu ihm.

»Ich bin KID wirklich näher, als mir bewusst war. Du bist es, habe ich Recht, Kaito?«

»Shinichi, ich …«, brachte er wieder verzweifelt meinen Namen hervor und ließ ergeben seine Schultern hängen. Bedrückt und zugleich hilflos schaute er zu Boden und wirkte auf mich gerade wie ein kleiner Welpe im Wasser, der verzweifelt mit seinen Pfötchen strampelnd versuchte, aus dem kalten, ungemütlichen Nass zu entkommen. »Ich möchte es nicht leugnen. Du hast Recht. Ich bin KID, aber ich möchte, dass du weißt, dass ich es wirklich ernst mit dir meine«, sprach er mit lauter Stimme, die fast schon einem Schrei gleich kam und kam in großen Schritten auf mich zu. Seine azurblauen Seelenspiegel, die sonst wie blaue Diamanten vor sich hin strahlten, wenn er mir in die Augen blickte und die ich im geheimen Blue Moon getauft habe, wirkten nun auf mich matt und siegelten im Augenblick nur Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung wieder. Mein Herz zog sich schmerzvoll zusammen. Das war nicht meine Absicht. Ich will nicht, dass er leidet. »Das wollte ich dir alles nach meinem letzten Coup erzählen. Ich wollte dir mit dem Red Moon, dem Stein der Liebe gegenübertreten und dir alles gestehen. Ich wollte dir die Wahrheit sagen, wie es dazu gekommen ist, dass ich zu KID wurde und was meine Ambitionen waren. Mein Dasein als Dieb möchte ich aufgeben, weil ich mich für dich entschieden habe und mit dir zusammenleben möchte, Shinichi«, sprach er wie ein Wasserfall drauf los und seine Stimme, die sich fast überschlug, wirkte einfach chancenlos und verbittert auf mich. Er bekam gar nicht mit, wie er sich mit seinen Händen in meine Schultern festgekrallt hatte und ich die Finger in dem Stoff meines Jacketts zittern spürte. »Kaito, du hast mich vier Monate lang getäuscht«, sagte ich nüchtern und versuchte weiterhin mein Pokerface aufrecht zu erhalten, was mir alles andere als leicht viel. Aber ein kleinwenig musste ich noch durchhalten, denn eine kleine Bestrafung musste für die Täuschung mir gegenüber sein. »Ja, ich habe dich getäuscht, aber bitte... Bitte gib mir, Kaito Kuroba, eine zweite Chance, denn meine Gefühle zur dir sind nicht gespielt«.

 

Ich schüttelte mit meinem Kopf und spürte im gleichen Moment, wie sich die Nägel von Kaito verzweifelt in mein Jackett tiefer hineindrückten. Es fing langsam an zu schmerzen, aber Kaitos Schmerz war weitaus größer, was ich in dieser Größenordnung so nicht beabsichtigt hatte. Schließlich war ich mir sicher, dass sich vor seinen Augen gerade jedes nur erdenkliche Szenario eines Beziehungsendes abspielte. Der Vorgang war gefallen und die Bühne für solch ein Szenario war hier in dem Lagerraum vorhanden, spielten wir doch direkt darauf zu, allerdings würde ich das Ende, was Kaito in seinen Gedanken gerade durchging, abändern.

»Verdammt, ich wollte dir eigentlich nur einen kleinen Schrecken einjagen, dafür, dass du mich vier Monate lang in unserer Beziehung getäuscht hast. Dass du kurz vor einem Nervenzusammenbruch stehst, wollte ich wirklich nicht bezwecken. Zudem sollte ich stinksauer auf dich sein, aber nicht einmal das kann ich sein«, sagte ich schnell drauf los, packte Kaito am Hemdkragen und zog ihn zu mir heran. Mein Pokerface ist gefallen.

»Hä?«, kam es unklug von ihm und ich konnte nichts anderes als ihn mit einem smarten Lächeln entschuldigend anzulächeln. »Verzeih mir, aber ich möchte das magische Gesamtpaket in Form von KID und Kaito Kuroba in einer Person und nicht nur die Hälfte«, nuschelte ich ihm zu und überbrückte die letzten Meter zu seinem Mund, als ich meinen aufgelösten Freund zu mir zog, der zu Recht die Welt nicht mehr verstand, wo ich seine Lippen mit die meinen zu einem sanften Kuss vereinten.

Es war kein Kuss aus Leidenschaft eher eine sanfte Entschuldigung meinerseits. Ich löste mich schwerfällig von seinen weichen Lippen, die mir in den vergangenen Monaten so vertraut geworden waren. Zärtlich strich ich Kaito mit dem Daumen über die Wange und schaute dem immer noch verwirrten und mittlerweile überforderten Meisterdieb verliebt in seine azurblauen Iriden, in denen sich sein vorhandenes Gefühlswirrwarr nur allzu deutlich widerspiegelte.

»Ich versteh rein gar nichts mehr. Shinichi, was...?«, setzte er an und ich unterbrach ihn mit einem Lächeln auf meinen Zügen. »Lass es uns versuchen«, sagte ich im sanften Tonfall und betete mein Gesicht gegen seine Brust, in welcher sein wild schlagendes Herz laut pochend an mein Ohr drang. »Und danke für die vielen spannenden Coups, mein Mondscheindieb!«

 

 



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