Jemand muss ja den Haushalt schmeißen.
Es waren zwei Schritte von der Eingangstür ihrer gemeinsamen Wohnung zur Garderobe, wo Yuriy seine Sneakers abstreifte und liegen ließ. Er stellte seinen Rucksack ab und warf seine Jacke über den wackeligen Kleiderständer, der unter dem neuen Gewicht schwankte. Yuriy streckte vorsichtshalber die Hand aus, um das Möbelstück notfalls zu fangen, bevor es schon wieder umfiel, und bückte sich nach seinem Rucksack.
Zwei Schritte führten ihn zum Türrahmen der Küche, wo er kurz innehielt. Yuriy sehnte sich nach einer Tasse Tee der Art, wie ihn Boris braute: schwarz und so stark, dass er Tote wecken konnte. Sich das Getränk selbst zu brauen bestand gerade allerdings aus zu vielen Schritte als Yuriy sich zumuten wollte. So vollführte er eine 180°-Drehung, um sich nach drei weiteren Schritten schwer auf die Couch fallen zu lassen.
„Arbeiten ist scheiße!“, beschwerte er sich in die Stille des Wohnzimmers hinein. „Bedingungsloses Grundeinkommen jetzt!“
Ein amüsiertes Schnauben aus dem Eingang ließ ihn den Kopf drehen. Kai lehnte im Türrahmen, die Arme locker vor der Brust verschränkt und ein Schmunzeln auf den Lippen, das Yuriy vorbehalten war. „Wenn das nicht vorbildliche Arbeitsmoral ist.“, kommentierte er trocken. „Lass‘ das bloß nicht das Amt hören, sonst verlängern sie deinen Aufenthaltstitel nicht.“
Yuriy verdrehte die Augen und schenkte Kai ein müdes Lächeln. „Halt die Fresse.“, gab er liebevoll zurück. „Ich hab‘ den nächsten Termin mit ihnen in zwei Monaten und dreizehn Tagen. Wetten, sie finden wieder was, was ihnen nicht passt?“ Er verzog beim Gedanken unwillig den Mund. „Ich hasse Ämter.“
„Das ist eine starke Aussage von jemandem, der selbst im Amt arbeitet.“
„Gerade deswegen habe ich jedes Recht, das zu sagen.“, brummte Yuriy unwillig.
Kai trat an ihn heran, und Yuriy genoss den kurzen Moment in seinem Dunstkreis, in dem er ihm einen Kuss an die Schläfe drückte und seine verspannte Schulter drückte. Anders als er hatte Kai nicht den Tag lang in einem stickigen Büro mit schlechter Lüftung und FFP2-Maske und viel zu vielen Menschen auf Arbeitssuche verbracht, sondern dem Leben im Home-Office gefrönt. Entsprechend roch er nach Aftershave und Waschmittel und nicht als hätte ihn eben eine übervolle U-Bahn ausgespuckt.
„Lass mich zurück“, beschwerte sich Yuriy dramatisch als Kai sich abwandte und in ihr gemeinsames Schlafzimmer zurückkehrte, wo er wohl bis gerade eben gewerkelt hatte.
„Im Gegensatz zu dir muss ja jemand den Haushalt hier schmeißen.“, schoss Kai hinter einem Arm voll Wäsche zurück, den er im Flur zu Boden Fallen ließ. Yuriy beobachtete müßig, wie er noch zweimal ins Schlafzimmer zurückkehrte und die Tätigkeit wiederholte. Ein Gebirge aus Fein-, Weiß- und Buntwäsche türmte sich auf, ehe Kai wieder ins Wohnzimmer zurückkehrte, um die IKEA-Taschen zu holen, die sie dafür verwendeten, ihre Wäsche in die Waschküche zu bringen.
Yuriy genoss den Ausblick auf Kais Hintern in den lila Sweatpants als er im Schrank nach Waschmittel kramte.
Als er sich wieder aufrichtete, bedachte er Yuriy mit einem prüfenden Blick, ehe er mit einer vagen Handbewegung auf Yuriy erklärte: „Wenn davon noch irgendwas in die Waschmaschine soll, musst du es jetzt ausziehen oder deine Wäsche selber machen.“
„Meh“, drückte Yuriy seine fehlende Motivation aus und schälte sich aus seinem T-Shirt, um es in Richtung des Wäsche-Gebirges zu pfeffern. „Was hat deinen inneren Hausmann geweckt?“, wollte er dann wissen.
„Der Waschkeller ist frei“, erklärte Kai arglos und zuckte mit den Schultern. „Und wie oft kommt das bei den ganzen Muttis mit ihren Heerscharen an Kindern in diesem Haus vor? Da dachte ich, ich nutze die Gunst der Stunde.“
„AKA, du trollst die Muttis und ihre Wäscheberge, indem du den ganzen Tag lang die Waschküche besetzt?“, übersetzte Yuriy schmunzelnd.
„So kann man es auch formulieren.“, erwiderte Kai. Er streifte im Vorbeigehen seine Fingerkuppen über Yuriys Arm, der auf der Lehne ruhte, und drückte einen Kuss auf Yuriys Schulter. „Bleib so, ich brauche noch ein bisschen eye candy nach den ganzen Zoom Calls.“