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ANEMIA

(Association of Nocturnal Entities of Moral Individuality and Anachronism)
von

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LIEFERUNG

Als sie in Tatsus Protzcabrio saßen und durch die Stadt fuhren, fühlte Maki sich, als wäre er mit seinem Sugar Daddy unterwegs. Insbesondere aufgrund der vollen Tüten auf dem Rücksitz. Wohlstand war nichts, womit man der Werkatze hätte imponieren können, doch Tatsuya gab ihm nicht das Gefühl, als würde er versuchen, ihn mit Geschenken oder Statussymbolen zu beeindrucken. Umso weniger, als Tatsuya Maki erzählte, dass er ein ziemlicher Autofreak war und sich manchmal leider wie ein Poser in solch einem schicken Baby vorkam.

"Deswegen fahre ich meistens nur Nachts über den Highway und nehme tagsüber die Bahn", schmunzelte er, als er an der nächsten Kreuzung rechts abbog; Maki konnte nicht so recht seinen Blick von Tatsus Händen nehmen, die das Lenkrad führten. Sie gefielen ihm besser als seine eigenen, waren von weniger sichtbaren Adern durchzogen und größer, breiter, wirkten kräftiger. Genauso verhielt es sich mit dem Bauchnabel des anderen. Maki mochte seinen geschlossenen nicht besonders. Nicht einmal ein Piercing hätte er tragen können, selbst dann nicht, wenn Fuji es ihm genehmigt hätte. Was er sicherlich getan hätte. Von seinem Zungenpiercing war er jedenfalls ziemlich eingenommen, aus gutem Grund. Maki hatte ihm deshalb schon ewig keinen mehr geblasen. In naher Zukunft würde dies auch nicht mehr passieren. Es sei denn, Fuji zwang ihn. Aber so brutal behandelte er die Werkatze dann doch nicht, was zumindest ansatzweise für ihn sprach und wohl auch der Grund war, weshalb Maki nicht so einfach aufhören konnte, Sympathien für seinen Herrn zu hegen.

Tatsu hatte Makis Zungenpiercing ebenfalls begeistert angesehen und sogar berühren wollen. Natürlich hatte Maki ihm dies erlaubt. Genauso, wie er auf Tatsus Rat hin in Shorts und Kniestrümpfe geschlüpft war, eine Kombi, welche schließlich sogar auf dem Ladentisch gelandet war. Tatsu bezahlte viel zu viel dafür, dass Maki ihm nur einen kleinen Ständer geliehen hatte. Aber Widerspruch wäre ohnehin zwecklos gewesen. Und tatsächlich hatte Maki sich darüber gefreut, Komplimente für seinen Look zu erhalten und mit Interesse betrachtet zu werden. Katzen liebten schließlich Bewunderung. Fuji hatte letztens ja äußerst gelangweilt reagiert, als Maki sich ihm sogar splitterfasernackt präsentiert hatte. Tatsu brachte ihm Wertschätzung entgegen und behandelte ihn wie jemanden, der in seiner Liga spielte. Nicht wie einen minderwertigen Sklaven oder einen dümmlichen Fan.

Deshalb ließ der Gedanke daran, was er im Schilde führte, seinen Magen auf die Größe einer Rosine zusammenschrumpfen.

"Wo muss ich gleich nochmal abbiegen, damit wir direkt zu der Bar kommen?"

"Links", wies Maki ihn mit verkniffenem Mund an. "Dann rechts."

Tatsu, der anscheinend gemerkt hatte, dass sich Maki seltsam anhörte, schaute kurz in seine Richtung.

"Ist dir schlecht? Ich kann kurz anhalten..."

"Nee, passt schon."

"Oder hab' ich was falsch gemacht?"

Maki war nun schon beinahe zum Heulen zumute. Noch war es nicht zu spät. Noch konnte er das Unterfangen abblasen. Er konnte Fuji eine Ausrede auftischen. Dass der Kerl ihm abhanden gekommen war. Irgendetwas wäre ihm eingefallen. Katzen waren erfinderisch und konnten zur Not auch mit Pokerface lügen. Fuji hätte ihm die Story ganz bestimmt abgekauft. Trotz seiner knapp hundert Jahre war Maki gewiefter als der Vampir. Oft genug merkte er nicht einmal, wenn sein Sklave ihn um den kleinen Finger wickelte. Auch wenn er oft behauptete, dass dies nicht bei ihm funktionieren würde. Ach, dieser Idiot...

"Denk bitte nicht sowas", meinte Maki und tätschelte Tatsus Oberschenkel, versuchte sich an einem kläglichen Lächeln. "Du bist echt cool. Ich habe nur ein bisschen Kopfschmerzen."

"Dann solltest du vielleicht besser nach Hause...?"

Maki schüttelte den Kopf.

"Mir geht's gut."

Nun kämpfte er ernsthaft mit den Tränen.
 

Und doch betraten sie wenige Minuten später die Bar, in der Maki sich mit Fuji verabredet hatte, um seinen Auftrag zu erledigen. Wehmütig sah Maki Tatsu dabei zu, wie er über das schicke Interieur im Gothic-Style staunte, den Kopf von links nach rechts wendend, mit diesem Funkeln in den blauen Augen.

"Wieso war ich noch nicht eher hier?", fragte er sich selbst. "Der ganzen Band würde es hier bestimmt gefallen."

"Weil nur geladene Gäste Zutritt haben", erörterte Maki ihm den Grund, woraufhin Tatsus keckes Lächeln seine Pausbacken so schön zur Geltung brachte. Sogar kleine Grübchen hatte er in den Wangen.

"Dann ist das hier so was wie ein BDSM-Schuppen?"

"Wie man's nimmt..." Was sollte Maki daraufhin erwidern? Im Grunde war das keine komplett abwegige Bezeichnung für diese Bar, die sich seit Ewigkeiten im Besitz des Vampirclans befand, an dessen Spitze unter anderem Fuji stand.

So wie Maki Fuji in einer der gemütlichen Sofaecken entdeckte, sackte ihm der Magen noch tiefer. Es dauerte nur einen Sekundenbruchteil, ehe sich sein Blick mit Makis traf. Wie versteinert hielt Maki ihm stand und rührte sich für einen Moment nicht vom Fleck. Wie sehr er es hasste, dass er Fuji immer noch derart hörig war. Als stolze Katze sollte man seine Freiheit Makis Meinung nach nicht derart mit Füßen treten lassen. Aber schlimmer war noch, dass Maki sie immer wieder freiwillig abgab.

Nun gab es endgültig kein Zurück mehr. Maki konnte Fuji dabei zusehen, wie dieser abwartend seine Zigarette zu seinen Lippen führte, um einen langen, genüsslichen Zug zu nehmen. Dann wanderte sein Blick von Maki zu Tatsu.

"Ich würde dir gerne jemanden vorstellen", verkündete Maki mit einem Kloß im Hals und kalten Händen, die sich zu Fäusten ballten.
 

Tatsu reagierte zwar verwirrt, willigte aber ein. Als sie beide Fuji nun gegenüber saßen, umspielte ein Schmunzeln Fujis Lippen. Eines von der gehässigen Sorte. So kalt, dass Maki sich wünschte, jetzt seinen Silberschmuck zu tragen, um sich Fuji zumindest körperlich vom Leib zu halten, denn in dieser Stimmung würde es Fuji nicht verdienen, ihn zu berühren. Aber mit zu viel offensichtlichem Silber hätte er keinen Zutritt zu der Bar erhalten. Tatsu hatte seinen Schmuck ebenfalls ablegen und im Auto lassen müssen. Weil es Taschendiebe in düsteren Clubs gab, hatte Maki ihm überflüssigerweise erklärt. Aber natürlich dachte Tatsu, solche Schuppen zu kennen, was sein selbstsicheres Grinsen verraten hatte.

"Das ist Tatsuya", stellte Maki viel zu kleinlaut den anderen vor, woraufhin Tatsu mit noch immer diesem etwas entfremdeten Lächeln Fuji zunickte. "Tatsuya, das ist Fuji. Mein..."

"Sein Herr", übernahm Fuji die Konkretisierung seiner Beziehung zu Maki mit reichlich Genugtuung in der Stimme. Die Katze sah Fuji daraufhin aus zusammengekniffenen Augen missbilligend an. Dass dies begründet war, entnahm er Tatsus irritiertem Glucksen.

"Okay. Also doch BDSM. Ähm, sorry, aber das ist nicht unbedingt mein Ding..." Er hob die Hände. "Zumindest nicht mit Fremden, also..."

Maki stützte beide Ellenbogen auf die Tischplatte und bettete seine Wangen in die Hände. Seufzte tief. Fuji hatte sie noch nicht einmal auf einen Drink eingeladen. Anstelle fuhr er sich schon zum zweiten Mal innerhalb von drei Minuten über die Haare und schnaubte amüsiert, schüttelte den Kopf. Hielt ihn schief, während er Tatsu ansah. Dabei noch belustigter grinsend.

"Dann geh' schon Heim, Mieze", sagte Fuji und steckte sich wieder die Zigarette zwischen die Lippen und nahm einen Zug, der seine Wangen hohl werden ließ. Dabei hielt er unentwegt den Blick auf Tatsu gerichtet. "Wird bloß langweilig mit dir. Hab' ich keine Zeit für."

Vampire und keine Zeit...Maki konnte sich darüber jedoch viel weniger wundern als über die Tatsache, dass Fuji Tatsu offenbar wegschickte! Die Werkatze hob den Kopf und ließ dafür die Hände auf die Oberschenkel sinken. Sah mit gehobener Braue von Tatsu zu Fuji und wieder zurück. Ein riesiges Fragezeichen im Blick.

"Sorry", meinte Tatsu nur zum Abschied, obwohl er nichts falsch gemacht hatte, bevor er sich schnell erhob, eindeutig irritiert.

"Sorry...", sagte auch Maki, als er dem anderen nachsah, der sich rasch den Weg in Richtung Ausgang bahnte. Na super. Tatsu und er hatten sich so gut verstanden, und nun würde er ihn als Freak in Erinnerung behalten, der Fremde ohne sie zu fragen mit Sexdates überraschte. Was wahrscheinlich besser war, als ihm Fuji zum Aussaugen zu überlassen, aber trotzdem...
 

Auf Makis Stirn bildete sich eine tiefe Falte, als er Fuji nun anstarrte.

"Was soll der Quatsch? Wieso schickst du ihn weg?"

Fuji fuhr sich über den Kopf. Raffte seine Haare zu einem Zopf zusammen. Ließ sie wieder los und strich die eine Seite über seine Schulter. Sein Gesichtsausdruck war dabei noch immer gleichermaßen amüsiert wie ärgerlich.

"Denkst du echt, ich lass' mich von dir verarschen, Kitty?"

"Er ist Blutgruppe A, ich habe ihn gefragt", schnappte Maki. Sein Mund wurde vor Wut ganz klein, als Fuji nun offen lachend seine Kippe im Aschenbecher zerquetschte und nur ihr seine Aufmerksamkeit schenkte. Ganz gewissenhaft tat er es. Ließ sich Zeit mit der Erklärung. Der Sadist genoss es.

"Hör auf, mich für dumm zu verkaufen." Fujis beringte und tätowierte Finger spielten mit seinem glänzenden Zippo, ließen es auf- und zuschnappen. Dabei änderte sich der Ausdruck in seinen Augen etwas. "Oder bist du etwa so blöd? Sag nicht, dass du ernsthaft gedacht hast, dass dein kleiner Freund ein Mensch ist..."

Maki schwieg. Doch seine Augen wurden etwas größer. Er konnte das Erstaunen nicht verhehlen. Und Fuji verstand. Seit zehn Jahren kannten sie sich nun. Er wusste um alle von Makis Macken und Gesichtsausdrücke.

"Shit. Ernsthaft?" Fuji lachte auf und stippte Asche von seiner Kippe. "Du willst mir weismachen, dass du nicht mal deine eigenen Artgenossen erkennst?"

Maki war wie erstarrt. Wie konnte das sein? Tatsu war ein Mensch. Maki hatte in seiner Gegenwart nichts gespürt. Doch Fuji hatte dies offenbar getan...

"Ich sollte mir wohl Sorgen um dein hübsches Näschen machen, Püppi", fuhr Fuji fort und lächelte Maki nun schon regelrecht zärtlich an, lehnte sich vor und gab ihm einen Nasenstüber, woraufhin Maki fauchend den Kopf schüttelte, als wolle er eine Fliege abwehren. Fuji quittierte dies mit einem tiefen Kichern und seufzte dann. "Aber putzig war der Kleine. Irgendwie bereue ich es doch, ihn weggeschickt zu haben...ob der auch Omega ist? Würde mich schon irgendwie interessieren…"

Maki kannte Fuji jedoch auch gut. Deshalb konnte er in dessen aufmüpfig dreinblickenden Augen lesen, dass er dies hauptsächlich aus Provokation sagte. Nicht, weil es sein voller Ernst war. Dennoch beschlich Maki ein ungutes Gefühl. Fuji wäre aus Provokation nämlich noch viel weiter gegangen, als nur zu drohen.

"Tu Tatsu weh und ich kratz dir die Augen aus", grollte die Werkatze, was Fuji grinsen ließ.

"Du wirst richtig alpha, wenn du sauer bist", meinte er und streckte einen Finger aus, strich kurz über Makis Wange, bis dieser entnervt seine Hand wegschlug. "Du magst den Kleinen wohl, huh?"

Anstatt rot zu werden streckte Maki Fuji die Zunge raus. Das Piercing - Silber - blitzte auf.

"Soll ich dir nicht endlich mal wieder einen blasen, Fujitsu*?"

Fuji wich prompt mit erschrockenem Blick zurück, bleckte die Zähne. Immerhin hatte Maki ihn auf diese Weise abgelenkt.


Nachwort zu diesem Kapitel:
*'Fujitsu' heißt so viel wie 'Lüge'. Komplett anzeigen

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