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Seelenbruch

~ GetrennteWege ~
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen wunderschönen guten Abend und freudige restliche Stunden bis zum Jahreswechsel.

Ein paar kurze erklärende Worte für diejenigen von euch, die mich nicht kennen. Und das werden einige sein. ^__^

Wie ihr seht, ist dies ein OS und zwar ein OS zu meiner Hauptgeschichte Seelenbindung. Um diesen OS nachvollziehen zu können, sollte es für euren Lesegenuss besser sein Seelenbindung zu kennen.
Sonst ist es zu verwirrend und das ist natürlich nicht in meinem Sinne.

Und nun: Vorhang auf!

Eure Shanti Komplett anzeigen

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~ GetrennteWege ~

Zitat HdR S. 987 schrieb:
 

Aber alle außer Legolas sagten, sie müßten sich nun verabschieden und entweder nach Süden oder nach Westen aufbrechen.
 

„Komm, Gimli", sagte Legolas. „Jetzt will ich mit Fangorns Erlaubnis die verborgenen Orte im Entwald aufsuchen und Bäume sehen, wie sie nirgends sonst in Mittelerde zu finden sind. Du sollst mit mir kommen und dein Wort halten; und so werden wir zusammen wandern bis in unsere Heimatlande in Düsterwald und jenseits davon."
 

Damit war Gimli einverstanden, wenn auch nicht gerade sehr entzückt, wie es schien.
 

„Dann kommt also hier nun das Ende der Gemeinschaft des Rings", sagte Aragorn. „Dennoch hoffe ich, dass es nicht lange dauern wird, bis ihr in mein Land zurückkehrt und die Hilfe bringt, die ihr versprochen habt."
 

„Wir werden kommen, wenn unsere Gebieter es erlauben", sagte Gimli. [...]
 

Bei Sonnenuntergang ritten Legolas und Gimli auf Arod in die Düsternis des Entwaldes und so nahmen sie Abschied vom König des Westens.

Viele Tage ergingen sich die beiden unterschiedlichen Freunde in den Weiten des Waldes, ehe sie ihre Reise nach Norden fortsetzten. Sie ritten nun schneller und schlugen den Weg über den Limklar zur Ebene von Celebrant ein, ehe sie nach Wilderland kamen.
 

Danach ging die Fahrt gut vonstatten, und die Tage vergingen rasch, denn sie ritten in Muße und machen oft halt in Rhovanion und genossen ihre gemeinsame Reise ohne Krieg und Furcht vor dem Feind.
 

Rot und gelb leuchteten die Blätter des Düsterwaldes in der Herbstsonne, so dass man sie schon aus großer Entfernung vom Anduin aus erblicken konnte. Ein Gefühl von Heimat überkam Legolas, so dass er Arod zu einer schnelleren Gangart antrieb.
 

Im Galopp preschten sie am Ufer des Flusses entlang.
 

Gimli klammerte sich voller Verzweiflung an die schmale Taille des Elben, während dieser vor Freude laut lachte und Arod zu kleinen Bocksprüngen animierte.
 

Schließlich kamen sie an den Saum des Waldes und der Elb parierte sein Reittier in eine sanftere Gangart. Der Zwerg hing mehr, als das er hinter Legolas saß.
 

Doch als sie dann in das Dämmerlicht der hohen Bäume eintauchten, ergriff mit einem Mal Unruhe das Herz des Prinzen. Ein Schweigen lag über dem Wald. Eine Stille, die beängstigend war. Kein Vogel zwitscherte. Die fleißigen Bienen summten nicht durch die Luft und auch sonst keines der Insekten.
 

Die Tiere des Waldes hatten sich ins undurchdringliche Dickicht zurückgezogen, als der Elb und der Zwerg den alten Elbenpfad betraten. Selbst die schwarzen, aggressiven Eichhörnchen blieben still in ihren Kobeln.
 

Gimli brummte ungehalten hinter Legolas auf Arods Rücken, während er an dem blonden Elb vorbei blickte.
 

„Wenn ich schon in Edoras meinte, auf jedem Friedhof sei die Stimmung fröhlicher, dann fand sogar in Rohan eine Feier statt, wenn ich mir dein zu Hause so ansehe, mein Freund."
 

Doch der Elb reagierte nicht auf die grummeligen Worte des Zwerges, sondern lauschte angestrengt in die Dämmerung hinein.
 

Dieser Wald klang nicht mehr wie sein zu Hause. Es lag ein Geruch nach Asche und Glut in der Luft, der Legolas erschaudern ließ. Er wusste von Mithrandir, dass vor sechseinhalb Monaten eine gewaltige Schlacht zwischen den Elben seines Volkes und den Yrch aus Mordor stattgefunden hatte.
 

Er verfluchte sich, dass er nicht gleich nach Ende des Krieges zu seinem Vater geritten, sondern bis zu Elessars Krönung in Gondor und sogar danach noch mit Gimli in den Glitzernden Grotten und in Fangorn geblieben war.
 

Auf einmal war ein leises Knarren zu vernehmen. Eindeutig wollte einer der Bäume den anderen etwas mitteilen. Für Gimli, der nicht in Wäldern zu Hause war, war dies einfach ein Geräusch zweier aufeinander reibender Äste. Umso verwunderte war er, als Legolas geschmeidig von Arod glitt und seine flache Hand auf die dicke Borke des Baumes legte, der zur Linken am Elbenpfad wuchs.
 

Gimli brummte in seinen roten Bart, als er verstand, dass dem nicht so war. Legolas hatte ihm schon in Fangorns Wald erklärt, dass nicht nur die Tiere miteinander kommunizierten, sondern auch, dass sich die Bäume miteinander unterhielten. So konnten die Elben auch mit den sanften Riesen über Gefühle Neuigkeiten austauschen.
 

Doch was die Bäume des Düsterwaldes heute besprachen, war nicht von fröhlicher Natur. Der Elb entnahm ihren Schwingungen Trauer und Entsetzen, ohne allerdings den Grund zu erkennen. Die Gefühle waren wirr und schwer zu deuten.
 

Legolas lauschte noch angestrengter, als das Knarzen der Bäume deutlicher wurde.
 

Bestürzt riss er die Augen auf. Er versteifte sich.
 

„Legolas? Alles in Ordnung?" Gimlis Stimme durchdrang nur schwach den Nebel, der sich um seinen Geist gelegt hatte, als er die Nachricht vernahm, die die Bäume untereinander wisperten.
 

Etwas wirklich Furchtbares musste hier geschehen sein.
 

Voller Angst schloss Legolas die Augen.
 

Er befürchtete das Schlimmste. Eine dunkle Ahnung beschlich den Prinzen des Waldlandreiches. Es konnte nur etwas während der Schlacht mit dem König geschehen sein.
 

Doch es gab nichts, was er im Moment machen konnte.
 

Und so tat Legolas das Einzige, dass ihm einfiel.
 

Er sprang auf Arods Rücken und trieb das rohirrimsche Pferd derart halsbrecherisch an, dass sie über den Elbenpfad zu fliegen schienen; hin zu seines Vaters Hallen.
 

~. . . ~
 

06. April 3019 Drittes Zeitalter
 

Ninglor und Niphredil trafen sich am Neujahrstag der Elben mit Celeborn in der Mitte des Waldes.
 

Als der Schatten Saurons vergangen war, hatte der Herr Lothlóriens seine Krieger in vielen Booten über den Anduin geführt. Sie nahmen Dol Guldur mit kaum einer Gegenwehr ein und Galadriel riss seine Mauern nieder. Sie legten die Verliese bloß, retten die dort Dahin-Siechenden und säuberten den Wald von den restlichen versprungenen Dienern des Bösen.
 

Ninglor, der seinen abwesenden Vater vertrat, und Celeborn, sein Anverwandter mütterlicherseits, gaben dem Düsterwald einen neuen Namen.
 

Eryn Lasgalen, der Wald der Grünblätter.
 

Der Prinz, als Regent eingesetzt, nahm in Thranduils Namen das ganze nördliche Gebiet bis zu dem Gebirge, in dem seine Mutter vor so langer Zeit gefoltert und missbraucht worden war, ein. Celeborn hingegen nahm den südlichen Teil unterhalb des Engpasses und nannte ihn forthin Ost-Lórien. Der gesamte Wald dazwischen wurde den Beorningern und den Waldmenschen gegeben.
 

Unter dem Gefolge Herrn Celeborns und der Herrin Galadriel befand sich auch jener rothaarige Elb, der die Botschaft seiner Herren überbracht hatte. Niphredils Herz schlug mit einem Mal schneller, da sie des roten Schopfs gewahr wurde.
 

Behutsam nährte sie sich dem lórischen Elben.
 

Einen Augenblick starrte Liútasil sie schweigend an. Schön war sie, wie die Königin, doch jung an Jahren. Ihre Haut schimmerte wie Perlen, ihr Haar war wie ein schwarzer Umhang aus Seide und ihre Stirn war mit Edelsteinen wie mit Sternen geschmückt. Ihre dunklen Flechten wehten in einem plötzlichen aufkommenden Wind.
 

Die junge Elbenmaid schenkte ihm ein zartes Lächeln, als sie vor ihm stand.
 

„Wer seid Ihr?", fragte sie leise.
 

Verlegen stotterte der Elb und errötete verschämt.
 

„Mein Name ist Liútasil, Herrin."
 

Die Elbin lachte so fröhlich, dass es wie ein Windspiel klang: hell und klar. Ihre blauen Augen strahlten, obwohl vorher noch Trauer sie überschattet hatten.
 

„Ich bitte Euch, Liútasil, seid nicht so förmlich. Nennt mich einfach bei meinen Namen."
 

„Wie lautet Euer Name, edle Herrin?", verlangte der Elb zu wissen.
 

„Niphredil."
 

~. . . ~
 

f2. September 3019 Drittes Zeitalter
 

„Cunn nîn!" Erleichterung klang in Narósils Stimme, als ihm gewahr wurde, wer da in mörderischem Tempo über die große geschwungene Brücke des Waldflusses preschte und das gewaltige zweiflügelige Tor durchquerte.
 

Stille schlug Legolas entgegen, als er Arod abrupt zum stehen brachte. Die Trauer die im Reich herrschte, quoll praktisch aus allen Ritzen. Die anmutigen Elben schritten schwerfällig über den Platz, doch waren es ihrer sehr viel weniger, als der Prinz es gewohnt war. Die Luft war zum schneiden dick und abgestanden, kein Lufthauch regte sich. Es schien, als wäre all der Glanz und die Pracht verganen.
 

„Hîr nîn, ich bin so froh, Euch zu sehen. Die Valar seien für Eure sichere Rückkehr gepriesen!" Es lag keinerlei Vorwurf in seinen Worten. Der Berater Thranduils war einfach nur glücklich den Kronprinzen endlich wieder begrüßen zu können.
 

„Narósil, sagt, was ist hier geschehen?" Legolas glitt anmutig vom Pferd. Der braunhaarige Elb rief herrisch derweil nach einem der Burschen in den angrenzenden Ställen.
 

Mit einem lauten Rumsen landete Gimli auf dem harten Steinboden des ersten Hofes. Schnaubend tänzelte Arod zur Seite.
 

„Nichts passiert!", rief der Zwerg polternd als mehrere Elben herbeieilten. Die einen mit verwundertem Blick, dass ihr Prinz einen der Naugrim in seines Vaters Reich mitgebracht hatte, wo er doch wusste, wie dieser zu diesem Volk stand. Die anderen mit Bestürzung und deutlichem Entsetzten. Wie konnte der Prinz dies wagen? Besonders gerade jetzt? Man tuschelte leise miteinander.
 

Auch Legolas blickte seinen Freund besorgt an, jedoch lenkte ihn der herbeieilende Stallbursche ab. Unwirsch drückte ihm der Prinz die Zügel in die Hand. „Kümmere dich gut um dieses Tier. Es hat uns in vielen Schlachten treue Dienste erwiesen."
 

„Hîr nîn." Der Elb verbeugte sich.
 

„Caun nîn", begann Narósil, brach jedoch ab. Er wischte sich übers Gesicht, als wolle er die Tränen fortwischen, die schon lange nicht mehr liefen. Er war so erschöpft.
 

Der blonde Elb hob den Blick von Gimli, sah den langjährigen Berater seines Vaters fragend an. Ihn verwunderte sein Verhalten, verstärkte aber dennoch seine Angst.
 

„Prinz Legolas", fing der Elb erneut an. „Euer Vater, der König, er liegt im Sterben."
 

Narósils Worte wirkten wie ein Schlag in sein Gesicht. Der junge Elb taumelte unter ihrer Wucht einige Schritte rückwärts. Mit völligen Unglauben sah er den Elben an, der ihm gegenüberstand. Er tastete blindlings hinter sich nach Halt, fand ihn tatsächlich an Gimlis Schulter und krallte seine Finger hinein.
 

„Alles in Ordnung, Junge?", brummte der Zwerg in Westron, da er die beiden Erstgeborenen nicht verstand. Sprachen sie doch Sindarin miteinander. Unhöflich, wie er fand.
 

Gimli blickte zu Legolas auf. Der Elb war aschfahl im Gesicht. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn.
 

„Was soll das heißen?", krächzte der Prinz mit spröden Lippen. Seine Stimme war so leise wie ein Windhauch, doch Narósil vernahm sie dennoch.
 

Bekümmert senkte er den Kopf. Er verschränkte seine zitternden Hände vor der Robe, damit der junge Elb, den er seit dieser ein kleiner Elbing war kannte, nicht sah wie aufgewühlt er war. Er wollte sich keine Blöße geben.
 

„Bereth Linaew wurde in der Schlacht tödlich verletzt. Seitdem dämmert Thranduil dahin", seufzte der Berater schwer. „Euer Vater wird vergehen, caun nîn."
 

Und plötzlich blieb die Welt einfach stehen.
 

Dass der Elb Thranduils Titel bewusst vermied, zeigte wie nahe er ihm stand. Auf einen Schlag schien es, als hätte Eryn Lasgalen das Herrscherpaar zur selben Zeit verloren.
 

Für den Moment glaubte Legolas, alles Leben hätte aufgehört zu existieren.
 

Narósils Worte hallten in seinem Kopf und fiepten in seinen Ohren, in denen gleichzeitig das Blut rauschte. Seine Knie wurden weich und für eine Sekunde befürchtete der Prinz, er würde einfach tot umfallen. Sein Herz schlug so schnell, dass er kaum noch Luft bekam.
 

Sein einziger Halt in diesem schrecklichen Moment war ihm sein treuer Freund und Kampfgefährte. Gimli schlang seinen kräftigen Arm um die schmale Hüfte. Zitternd lehnte der blonde Sinda an ihm. Ohne seine Hilfe würde ihm seine schwachen Beine unter ihm nachgeben und er wäre haltlos zu Boden gesunken.
 

„Hanar!", erklang mit einem Mal die liebliche Stimme Niphredils. Überraschte drehte er sich um. Seine Hand rutsche von Gimlis Schulter, als Legolas sich aus seinem Halt löste. Seine Schwester, gekleidet in das Schwarz der Trauer, eilte ihm entgegen. Der Prinz entnahm ihrer Stimme Schmerz und Entsetzen.
 

„Endlich bist du wieder nach Hause zurückgekehrt." Sie fiel ihrem älteren Bruder um den Hals und presste ihr tränenfeuchtes Gesicht an seine Brust. Dabei sog sie seinen Geruch nach Leder und süßem Gras tief ein.
 

„Ich danke den Valar, dass du unverletzt geblieben bist", schluchzte sie.
 

Mechanisch erwiderte Legolas die Umarmung der zierlichen Elbin, ehe er zusammenbrach und sich an ihr festhielt. Die Geschwister gaben sich gegenseitig Halt.
 

„Muinthel", flüsterte er erstickt.
 

In diesem Augenblick konnte Gimli nicht sagen, wer wen tröstete. Auch wenn er noch immer nicht verstand, was geschehen war, so musste das, was geschehen war, sehr schrecklich sein. Er kam sich ein wenig fehl am Platz vor bei den ganzen Elben, die ihn umgaben. Obwohl er feststellen musste, dass sie mehr oder weniger alleine waren. Nur noch die Frau und der Elb, der sie begrüßt hatte, waren noch anwesend. Alle anderen waren vom Hof verschwunden.
 

Ein Sekundenbruchteil der Unendlichkeit verging, ehe sich Legolas aus der Umklammerung seiner Schwester löste. Er strich ihr behutsam die glitzernden Tränen von den Wangen. Obwohl Niphredil ihrer Mutter so unglaublich ähnelte, wirkte sie in diesem Moment der Trauer wie der junge Elbling, der sie einst war.
 

„Ich vermisse sie so unendlich", wisperte sie. Ihre Stimme brach.
 

„Ich weiß!", murmelte Legolas und küsste ihr Haar. Unbewusst zog er den Duft von Elanor ein und erinnerte sich an jenen Augenblick, als sein Vater ihm seine gerade geborene Schwester in die Arme legte.
 

„Wo ist Ninglor?", wollte er dann wissen. Suchend blickte er sich um, aber sein jüngerer Bruder war nirgends zu sehen.
 

„Der Rat hat ihn als Regent eingesetzt, als wir nach der Schlacht in den Düsterwald zurückgekehrt sind", erwiderte sie. „Er sitzt im Thronsaal. Komm Bruder, ich führe dich zu ihm."
 

Gimli, bisher unbeachtet, brummte, ehe er das Wort ergriff: „Verzeiht, Herrin."
 

Niphredil stieß einen Laut der Verwunderung aus. Ihr war der Zwerg bisher nicht aufgefallen. Sie hatte nur Augen für ihren Bruder gehabt, und der Zwerg, nun ja, er war halt klein. Reichte Legolas gerade bis zur Brust.
 

„Ich muss mich entschuldigen, Herr Zwerg", entgegnete sie in der Gemeinen Sprache und deutete eine Verbeugung an. „Willkommen im Reich aran Thranduils. Fühlt Euch bitte wohl hier. Auch wenn unsere Hallen nicht den Glanz von einst widerspiegeln. Denn wir trauern um unsere Königin."
 

„Ich danke Euch, Herrin", erwiderte Gimli, verblüfft ob der freundlichen Worte der Elbin. „Doch ich würde gerne meinen Freund Legolas begleiten."
 

Die Augen der Elbin weiteten sich überrascht.
 

„Verzeih mir Schwester", mischte sich Legolas mit melodischer Stimme ein und wischte sich kurz über die Augen. Tief holte er Luft, ehe er seine Fassung weder erlangt hatte.
 

„Darf ich dir Gimli, Glóins Sohn vorstellen?"
 

Der Zwerg verbeugte sich so elegant, wie es seiner Art entsprach, vor der wunderschönen Elbin. Sie kam zwar nicht an die Schönheit der Herrin Galadriel heran, aber auch in ihr strahlte ein besonderer Glanz.
 

„Glóins Sohn?" Verwunderung lag in Niphredils Stimme. Sie erinnerte sich zu genau an die dreizehn Zwerge, die vor achtundsiebzig Jahren in den Hallen ihres Vaters, nun wie sollte sie es formulieren? Zu Gast weilten.
 

„Er war mit einer der Gefährten, die aus Imladris aus aufbrachen", erklärte Legolas. Dann wandte er sich seinem Freund zu.
 

„Gimli? Darf ich dir meine Schwester Niphredil Thranduiliel vorstellen?"
 

„Ich grüße Euch, Herrin Niphredil. Gimli, zu Euren Diensten!" Er verbeugte sich erneut.
 

„Bitte", lachte die Elbin freundlich, „nennt mich einfach Niphredil."
 

Sie hängte sich bei Legolas ein und bedeutete dem Zwerg ihnen zu folgen. Schweigend liefen sie über die kunstvoll gestalteten Bodenmosaiken und durch die verwinkelten Gänge des Palastes. Obwohl das Sonnenlicht wie gewohnt durch die speziell angelegten Lichtschächte fiel, wirkten die Flure auf Legolas düster und bedrückend. Das ganze Reich, jeder Stein, jeder lebende Ast strömte Traurigkeit und Schmerz aus.
 

Irgendwann verabschiedete sich Narósil leise bei den Geschwistern und ihrem Gast und eilte in einen der Seitengänge davon.
 

Die Wächter vor dem Thronsaal verbeugten sich, indem sie die Hand gegen ihren Brustpanzer drückten und die Köpfe senkten, als sie den Kronprinzen erkannten und ließen ihn und seine Begleiter schweigend passieren. Beim Anblick des Zwerges blickten sie sich erst verwundert an und dann den Dreien hinterher, bis sich die Türen lautlos wieder schlossen.
 

„Legolas, hanar!", rief Ninglor erleichtert und eilte die Stufen des Throns hinab. Der Stuhl daneben war mit einem schwarzen Tuch verhüllt. „Ich danke den Valar für deine Rückkehr! Jetzt kannst du adars Platz bis zu seiner Genesung einnehmen." Stürmisch umarmte er seinen Bruder. Er scherte sich dabei nicht um dessen staubige Reisekleidung.
 

Niphredil stieß einen bekümmerten Laut aus. Obwohl ihr jüngerer Bruder als Regent eingesetzt worden war, verschloss er doch die Augen vor der unaussprechlichen Wahrheit. Warum sie nicht Regentin war, erschloss sich ihr in jenen Moment nicht.
 

„Adar wird nicht wieder genesen, hanar", flüsterte die Elbin traurig. „Er wird vergehen. Er kann Mutters Schicksal nicht verkraften."
 

„Baw!", rief Ninglor wütend. „Ich lasse nicht zu, dass auch noch unser Vater von uns gehen wird!" Aufgewühlt trat er von einem Fuß auf den anderen. Die kostbare Robe folgte seiner abgehackten Bewegung.
 

„Es ist so ungerecht. Wir hatten die Schlacht beinahe gewonnen, als es passierte." Er fluchte leise vor sich hin. „Adar hätte naneth nie erlauben sollen mit uns in den Krieg zu ziehen. Er wollte, dass sie blieb, aber sie weigerte sich", erklärte er Legolas.
 

„Sei still, Ninglor", wies Legolas ihn sanft zurecht. „Wir haben einen Gast", er deutete auf Gimli, „und befinden uns im Thronsaal. Lass dich nicht so gehen. Das gehört sich für einen Erben Thranduils nicht."
 

Sein jüngerer Bruder wischte sich zornig über die Augen, ehe er tief Luft holte, sich kurz auf die Lippe biss, ehe er sich aufrichtete.
 

Schließlich wandte er sich dem Zwerg zu.
 

„Verzeiht mir meine Unhöflichkeit, Herr Zwerg", begrüßte Ninglor den Naugrim distanziert, beinahe abschätzig. Er teilte die Meinung seines Vaters über dieses Volk. „Willkommen in aran Thranduils Hallen." Er neigte steif das Haupt, sodass seine hellen blonden Haare über seine Schultern rutschen.
 

„Ich danke Euch, Herr Ninglor." Gimli verbeugte sich ebenfalls. „Mein Name ist Gimli, Glóins Sohn, zu Euren Diensten. Ich war einer der Gefährten Eures Bruders, die aus Bruchtal aufbrachen."
 

„Dann nehmt meinen Dank für Eure Mühen im Namen unseres Volkes und aller freien Völker Mittelerdes." Ninglor neigte erneut den Kopf, ganz in der kühlen Manier seines Vaters.
 

„Celairdúr", rief er anschließend herrisch.
 

Der Gerufene streckte den Kopf durch die Tür und trat auf ein Winken des Regenten ein.
 

„Bitte bringe unseren Gast auf ein Zimmer."
 

Celairdúr verbeugte sich und Ninglor wandte sich Gimli zu, der bereits seiner Empörung Luft machen wollte.
 

„Bitte verzeiht, Herr Gimli, aber was nun folgt geht nur die Familie etwas an."
 

„Ich werde nachher zu dir kommen", sagte Legolas beschwichtigend. „Bitte lasst es meinem Freund an nichts fehlen. Seine Reise war lang. Er ist bestimmt hungrig."
 

„Ich werde mich um ihn kümmern, caun nîn", erwiderte Celairdúr.
 

~. . . ~
 

In bedrücktem Schweigen betraten die Geschwister die Gemächer des Herrscherpaares. Seit Legolas die Türschwelle überquert hatte, hatte ein ängstliches Unbehagen von ihm Besitz ergiffen.
 

Es war dämmrig in den Räumlichkeiten, denn große, dunkle Tücher hingen an den Fenstern und sperrten das Sonnenlicht aus. Thranduil ertrug die grelle Helligkeit nicht.
 

Resolut riss Legolas eines der Tücher vom Fenster, damit er einen Blick auf seinen Vater werfen konnte. Die Dienerin, die am Bett des Königs auf einem Stuhl gesessen hatte, schrie empört auf, bis sie ihren Prinzen erkannte. Mit einer harschen Handbewegung schickte er die Elleth fort.
 

Niphredil und Ninglor hielten sich im Hintergrund. Gaben so ihrem älteren Bruder Zeit mit seinem Vater, den er so lange nicht gesehen hatte. Gehemmt trat Legolas ein wenig näher an das Bett heran, verharrte jedoch dann unschlüssig. Seine Augen schweiften überall hin, nur nicht zu seinem Vater, ehe sie auf den angespannten Gesichtern seiner Geschwister verharrte. Lange vermied er es, seinen Vater anzublicken, zu sehr fürchtete er das, was er sehen würde.
 

Wo hin war der Krieger verschwunde, der er war? Wo war der mutige Elb, der mit den Gefährten Mittelerde durchquert und unzählige Gefahren gemeistert hatte? Warum hatte er Angst seinen König anzublicken?
 

Unsicher biss sich Legolas auf die Unterlippe, doch schließlich konnte er es nicht länger hinauszögern und so hob er langsam den Kopf.
 

Keuchend holte er Atem, taumelte entsetzt einige Schritte zurück. Die bleichen, eingefallen Gesichtszüge seines stolzen Vaters erschreckten ihn zu tiefst. Verzweifelten huschten seine schreckgeweiteten Augen zu Niphredil, die seinem Blick nicht standhalten konnte, und weiter zu Ninglor, welche ihn mitteilidig anblickte.
 

„Adar ...", hauchte er erschüttert. Gleichzeitig klang er wie ein Elbling.
 

~. . . ~
 

Langsam öffnete Thranduil die Augen.
 

Helles Licht strömte durch eines der Fenster. Seine trägen Gedanken brauchten eine lange Zeit bevor er begriff, was dies bedeutete. Stöhnend drehte er unter Qualen den Kopf zur Seite.
 

Sein Blick fiel auf die unbenutzte, leere Betthälfte. Irrte langsam weiter. Seine Augen sahen durch alles hindurch, auf das sie trafen. Er schloss sie wieder.
 

Wie für eine Ewigkeit.
 

Das durfte nicht wahr sein!
 

Er hatte sie nicht gehen lassen wollen, niemals, doch sie war eine Kriegerin. Er hatte ihr den Anblick ersparen wollen. Den Anblick gefallener Elben. Gefallener Freunde. Doch sie war durch und durch eine Kämpferin. Seine Kämpferin. Er hatte ihr diesen Wunsch nicht abschlagen können.
 

Ein schmerzvolles Lächeln glitt kurz über seine Lippen, ohne seine Augen zu erreichen.
 

Er hatte ihr doch nie etwas abschlagen können.
 

Seine Hand zitterte, er krallte sie in die Decke, doch das Beben blieb. Er bemerkte es kaum, zu schlimm waren die Gedanken, die seine gepeinigte Seele angriffen.
 

„Linaew ...?", flehte er in Gedanken.
 

„Linaew ... Antworte ...!"
 

Doch Thranduil wußte eins über die Verbindung des Erkennens. Nichts konnte sie verstummen lassen ... außer der Tod.
 

„Linaew, Geliebte meines Körpers und meiner Seele", krächzte er unter Tränen, die seine eingefallenen Wangen hinabliefen. „Ich werde dir folgen."
 

„Adar ...", erklang es entsetzt neben ihm, doch er nahm die Stimme in seiner Trauer kaum wahr.
 

Thranduil holte keuchend Luft, so sehr presste ihm der Schmerz den Atem aus der Lunge.
 

Herz meines Herzens, warum hast du mich verlassen?
 

„Adar ...!"
 

Schön hatte Linaew ausgesehen. Wie schlafend auf der Bahre liegend. All der Dreck war ihr aus dem Gesicht gewaschen worden. Die tiefe Verletzung am Unterleib verdeckt von ihrem Umhang. Ihre dunklen Haare, teilweise immer noch mit kunstvollen Zöpfen und silbernen Ketten verziert, umspielten lose das feingliedrige Gesicht.
 

Doch dessen Ausdruck war nicht der einer ruhig Schlafenden, sondern von Schmerzen gezeichnet. Nie mehr würde sie ihre blauen Augen öffnen, um ihn mit jenem liebevollen Blick zu bedenken, der ihn auch noch nach vielen Jahrhunderten schwach werden ließ.
 

„Ada ..."
 

Thranduil bewegte langsam den Kopf der flehenden Stimme entgegen.
 

„Le ... go ... las", krächzte er heißer.
 

Sofort war sein Sohn an seiner Seite und reichte ihm einen Becher klaren Quellwassers. Doch der König machte eine schwache abwehrende Handbewegung. Er wollte nichts trinken. Sie würde schließlich auch nie mehr etwas trinken.
 

„Bitte", sagte Legolas und hielt ihm den Becher an die spröden Lippen.
 

Thranduil stieß einen abwehrenden Laut aus. Dabei drehte er unwirsch den Kopf zur Seite.
 

„Ada ... Bitte!", flehte Niphredil da.
 

Die Elbin trat aus der Dunkelheit des Zimmers auf ihren Vater und ihren Bruder zu.
 

Der König erstarrte, als er die Stimme seiner Tochter vernahm. Gepeinigt riss er die Augen auf, als er sie erblickte.
 

So schön ... Wie ihre Mutter.
 

Schmerzhaft keuchte der Sinda auf.
 

„Schick ... sie ... weg", brachte er mühsam hervor.
 

„Was?" Legoals war verwirrt. Er sah zwischen seiner Schwester und seinem Vater hin und her. Schließlich stellte er den ungenutzten Becher zurück.
 

„Niphredil ... Schick sie weg." Thranduil wandte demonstrativ den Kopf, um seine einzige Tochter nicht ansehen zu müssen. Zu schmerzhaft war ihr Anblick.
 

„Ich will sie nicht sehen", murmelte er gedämpft ins Kissen. Erschöpft schloss er die Augen. „Nie mehr!"
 

Linaew. Geliebte.
 

Die junge Elbin schluchzte laut auf.
 

„Ada!", flehte sie unter Tränen. „Ada! Bitte schick mich nicht weg!"
 

„Ninglor", rief Legolas leise. Sofort nahm Ninglor seine Schwester in die Arme. Weinend presste sie ihr tränenfeuchtes Gesicht an seine Brust.
 

„Ada, bitte!", stieß sie aufgelöst hervor. Die Zurückweisung ihres Vaters traf sie tief.
 

„Komm, nethig. Komm mit mir."
 

Behutsam führte Ninglor die aufgelöste Elbin aus den Gemächern ihrer Eltern. Erschüttert musste Legolas dies mit ansehen. Schließlich wandte er sich wieder seinem Vater zu. Er nahm vorsichtig dessen Hand und spürte deutlich, dass diese kalt war, spürte, das Schwinden seiner Lebenskraft.
 

„Adar, du darfst dies nicht zulassen. Ich flehe dich an, lass mich hier nicht alleine!" Und der Elbenprinz begann wie ein kleiner Elbling zu weinen.
 

~. . . ~
 

Die Tage strichen dahin. Schon längst hatte Gimli sich von Legolas und seinen Geschwistern verabschiedet und war zum Erebor weitergereist. Zu Fuß selbstverständlich. Und alleine. Er hatte Legolas das Versprechen abgenommen mit ihm zusammen nach Minas Tirith zurückzukehren, sobald es der Zustand des Elbenkönigs zuließ.
 

Doch aus Wochen wurden Monate und noch immer verweilte Thranduil in einen dahindämmernden Zustand. Sein ältester Sohn wich in dieser Zeit nicht von seiner Seite. Er flößte seinem Vater stärkende Tränke der Heiler ein, wusch ihn, las ihm vor. Nahrung verweigerte der König noch immer.
 

Und auch seine Tochter wollte er nicht sehen.
 

Ansonsten lag Thranduil apathisch in seinen Gemächern oder wurde von seinem Erstgeborenen im Zimmer auf und ab geführt, damit seine Muskeln nicht verkümmerten. Doch seine Finger hatten die Geschmeidigkeit verloren. Man sah ihm seine mehr als sechstausend Lebensjahre deutlich an.
 

„Adar, bitte", murmelte Legolas eines Tages, als er ihm die stumpfen, spröden Haare wusch. „Niphredil fragt jeden Tag nach dir. Verweigere ihr nicht deine Liebe. Du bist alles, was ihr noch geblieben ist."
 

Der Sinda machte eine Bewegung, als wolle er sich Legolas Berührung entziehen, doch war er zu schwach für mehr.
 

Lange Zeit schwieg der blonde Elb, ehe er mehr hauchte, als sprach: „Ich ertrage ihren Anblick nicht." Er brach ab, benetzte seine rissigen Lippen. „Erinnert er mich doch an sie."
 

Er schloss die Augen. Unter seinen Liedern schwammen die Tränen, ehe eine einsame seine blasse Wange hinab rollte.
 

Behutsam goss ihm Legolas lauwarmes Wasser über den Kopf. Wusch den Schaum heraus und achtete darauf, dass es nicht in die Augen seines Vaters lief. Anschließend half er dem geschwächten Elb aus dem im Boden eingelassenen Becken. Ehe er Thranduils ausgemergelten Körper in ein flauschiges Tuch wickelte, ließ er den Blick über selbigen schweifen.
 

Mehr als deutlich war, dass der Lebenshauch der Eldar ihn verließ. Legolas Bemühungen verzögerten das Schwinden seines Vaters, aber aufhalten ließ sich der Vorgang nicht.
 

Der einst bronzeschimmernde Körper des Elben war wässern geworden. Sein stolzer aufrechter Gang den eines alten, gebrechlichen Menschenmannes gewichen. Die Haut war dünn und rissig geworden. Sie überzog seine Gestalt wie ein Skelett, denn mehr als Haut und Knochen war Thranduil nicht mehr.
 

Legolas konnte seine Rippen zählen. Der einst flache, muskelgestählte Bauch war eingesunken. Seine Hüftknochen stachen deutlich hervor. Die matten Augen, in denen kein Leben mehr leuchtete, lagen in tiefen Höhlen und darunter dunkle Schatten. Thranduils Gesicht war spitz geworden. Deutlich traten die Wangenknochen hervor.
 

Sanft schlang der Prinz das bodenlange Tuch um den geschwächten Körper seines Vaters, ehe er ihn langsam zu einem Sessel führte. Auf einem Hocker konnte der blonde Elb nicht mehr sitzen. Zu schwach war er geworden.
 

Legolas nahm eine Bürste. Einzelne Strähnen des feuchten Haares nahm er in die Hand, ehe er behutsam selbige zu kämmen anfing. Mit Bestürzung bemerkte er, dass dem König büschelweise die silberblonden Haare ausgingen. Noch vorsichtiger bemühte er sich um die Strähnen.
 

Er nahm sein Herz in die Hand, ehe er das Gespräch wieder auf seine Schwester brachte.
 

„Ada, ich weiß, das Niphredil Linaew so ähnlich sieht. Meinst du nicht, das könnte dir in deinem Schmerz helfen?"
 

„Nenne ihren Namen nicht!", fuhr Thranduil ihn mit einem Zorn an, der den Prinzen überrascht zusammenzucken ließ. Polternd fiel ihm die Bürste aus Hand. Mit vor Verlegenheit roten Wangen hob er sie schnell wieder auf.
 

„Verzeih mir, adar, aber sie war auch Niphredils Mutter. Ninglor erlaubst du schließlich auch, dich zu sehen." Er legte die Haarbürste weg, ging um seinen Vater herum und setzte sich ihm gegenüber in den anderen Sessel.
 

Linaews Sessel.
 

Der Elb blickte abwesend in das Feuer, welches nun die ganze Zeit brannte, weil er so fror. Selbst im Sommer, der nun war. Die Schlacht um den Ring war ein Jahr her.
 

Stumm flüsterte er ununterbrochen den Namen seiner geliebten Frau. Wie im Wahn verließen die Silben ihres Namens seine Lippen. Im Schein des Feuers schimmerten seine Augen wie mit fiebrigem Glanz.
 

Müde wandte Thranduil sich seinem Sohn zu.
 

„Ich bin müde, Legolas, so müde." Ein Seufzen entwich ihm, so tief, wie die Weiten Ardas. „Bring mich bitte ins Bett."
 

Legolas half seinem Vater auf, brachte ihn ins Schlafgemach und half ihm sich anzukleiden. Dann brachte er ihn ins Bett, wie einen Elbling, obwohl es noch helllichter Tag war.
 

„Morgen", nuschelte Thranduil bereits halb am Ruhen. „Bring Niphredil und Ninglor morgen zu mir."
 

Der junge Sinda lächelte erleichtert, ehe er ihm einen Kuss auf die Stirn hauchte. Anschließend zog er die Vorhänge zu, tauchte das Zimmer in Dämmerlicht, bis die Nacht hereinbrach.
 

Der Elb verbrachte die nächsten Stunden mit seinem Bruder und seiner Schwester im Thronsaal und auch Liútasil war an der Seite der Elbin. Keine Sekunde ließ der lórische Elb die Prinzessin aus den Augen. Mit stoischer Miene war er immer in ihrer Nähe.
 

Der Kronprinz verkniff sich ein wissendes Lächeln. Obwohl seit der schrecklichen Nachricht Trauer im Reich herrschte, seine Schwester schien ihr Glück gefunden zu haben. Auch wenn sie es noch vor aller Augen verbarg.
 

Ninglor übernahm noch immer Legolas Aufgaben, solange dieser sich um ihren Vater kümmerte. Die Berater Thranduils mussten ihm Rechenschaft über die Geschehnisse abgeben, doch eine Entscheidung traf er nie alleine. Die Kinder des Königs beratschlagten immer zusammen. Zum Wohle des Reiches. Denn jeder hatte eine andere Sicht der Dinge und so beleuchteten sie ein Problem von mehreren Seiten, auf dass sie das bestmögliche Ergebnis erzielten.
 

„Niphredil, Schwester", wandte sich Legolas schließlich an die schweigsame Elbin. Langsam hob diese ihren hübschen Kopf und blickte ihn mit den Augen ihrer Mutter an, sodass selbst ihm ein Schauer über den Rücken rann. Wie solle es da seinem Vater gehen?
 

„Ja, Bruder?"
 

„Adar möchte dich und Ninglor morgen sehen."
 

„Wirklich?" Freude lag in ihrer hellen Stimme, denn bereits seit fast einem Jahr verweigerte ihr Thranduil ihre Besuche. Ihre blauen Augen streiften flüchtig die des lórischen Elben.
 

~. . . ~
 

Auch in dieser Nacht ruhte der Elbenkönig nicht. Er lag wach in seinem Bett und versuchte Antworten zu finden, die es nicht gab. Unruhig drehte er sich hin und her, in der irrsinnigen Hoffnung, etwas Ruhe zu finden.
 

Jeder seiner Gedanken galt Linaew und wenn er sich eine der vielen schönen Erinnerung ins Gedächtnis rief, kamen ihm erneut die Tränen vor Traurigkeit. Der Elb griff sich ans Herz, flüsterte ihren Namen, schrie nach ihr und bekam doch keine Antwort.
 

Er hatte das Gefühl, die Sehnsucht würde ihn zerfleischen und nichts wünschte er sich mehr, als Linaew wieder in die Arme zu nehmen.
 

Sein Leben würde er dafür geben.
 

Doch all seine Fragen und die Schreie blieben unbeantwortet.
 

Nur Stille schlug ihm entgegen.
 

Dieselbe Stille, die ihn schon damals in den Wahnsinn getrieben hatte.
 

Schluchzend rutsche Niphredil vor dem Gemach ihrer Eltern an der Wand hinab. Die verzweifelten Schreie ihres Vaters nach ihrer Mutter zerrissen ihr schier das Herz. Die Tränen flossen nur so ihre blassen Wangen hinab, versickerten im Stoff ihres Gewandes.
 

Warme, starke Hände schlangen sich um ihre bebenden Schultern. Zogen sie in eine kräftige Umarmung. Der Elb sprach kein Wort. Allein seine Anwesenheit schenkte Niphredil Trost und Halt.
 

„Wir werden ihn verlieren, Liútasil", flüsterte die Elbin erstickt. „Wir werden Vater verlieren."
 

„Ich weiß!", hauchte der lórische Elb bedrückt. Litt er doch mit seiner Geliebten. Ihr Schmerz war sein Schmerz.
 

„Erst naneth und jetzt auch noch adar." Sie hickste. „Ich bin allein."
 

„Nein, sag so etwas nicht, melethril." Er küsste ihr nachtschwarzes Haar. „Du hast noch deine Brüder." Behutsam wiegte er sie in seinen Armen. „Und du hast mich. Ich werde dich nie mehr verlassen, elen nîn."
 

~. . . ~
 

Thranduil hatte einem Besuch seiner Tochter zugestimmt, und so betrat Niphredil am nächsten Morgen zum ersten Mal seit einem Jahr die Gemächer ihres Vaters.
 

Der König saß, von einigen Kissen gestützt, in seinem Bett. Die Morgensonne ließ die eingefallenen Gesichtszüge des Herrschers deutlich hervortreten.
 

Mit weichen Knien, die bebenden Hände in ihren Gewändern vergraben, stand die Elbin vor ihrem Vater. Dass sie die halbe Nacht geweint hatte, sah man der Tochter des Königs an. Sie schämte sich ihrer Tränen um ihren Vater nicht.
 

Hinter Niphredil betraten Legolas und Niglor den Raum. Auch den beiden Elben sah man die harte Zeit an, die seit dem Ringkrieg vergangen war. Die Angst, auch noch ihren Vater zu verlieren, stand ihnen deutlich auf den schönen Gesichtszügen.
 

Die junge Elbin sank vor ihrem Vater auf die Knie und tastete mit zitternden Fingern nach seiner kalten Hand. Fest hielt sie diese umklammert.
 

„Adar!", schluchzte sie. „Ada!"
 

Erst reagierte Thranduil nicht, doch schließlich hob er die andere Hand und legte sie auf Niphredils Kopf.
 

„Iell nîn", krächzte er leise. „Meine geliebte Tochter. Bitte verzeih einem alten Narren wie mir!" Der König schluchze auf. „Bitte verzeih mir!"
 

„Nein, ada. Es gibt nichts zu verzeihen", weinte sie.
 

Im Schatten der Tür stand unbeachtet Liútasil. Er traute sich nicht näher zu kommen, doch wollte er auch nicht seine Geliebte alleine lassen. Dies hier war zu intim, zu persönlich, als das er, ein dem Herrscher des Eryn Lasgalen unbekannter Elben, sich einmischen durfte.
 

Die leise geflüsterten Worte zwischen Vater und Tochter waren selbst für die feinen Ohren des Elben nicht zu verstehen. Niphredil drückte ihren Kopf gegen seine spröde Hand, die Tränen benetzten die pergamentene Haut.
 

Plötzlich, als ob Thranduil den brennenden Blick des lórischen Elben spüren würde, hob er den Kopf. Eisblaue Augen trafen auf Waldgrüne. Und auf einmal war die alte Stärke in seinem Blick und seiner Stimme zurück.
 

„Wer ist dieser Elb, der es wagt, in die privaten Gemächer der Herrscherfamilie einzudringen?" Die Schärfe seiner Stimme knallte durch den stillen Raum.
 

Die Elbin hob den Kopf und folgte dem Blick ihres Vaters. Kurz musste sie schlucken, doch dann straffte sie sich.
 

„Das ist Liútasil, Herr Celeborns Bote aus Lothlórien. Erinnerst du dich, adar?", begann sie vorsichtig.
 

Knapp nickte Thranduil. Er trauerte um seine Seelenpartnerin, aber er war nicht senil.
 

„Wir lieben uns."
 

Scharf zog Ninglor die Luft ein. Er hatte es geahnt, aber seine Zwillingsschwester hatte sich ihm in all der Zeit nicht anvertraut. Er sah zu Legolas, welcher ebenso überrascht aussah. Der jüngste Sohn Thranduils stockte. Oder tat er nur so? Spielte da nicht ein leichtes wissendes Lächeln um seine Lippen?
 

Es traf ihn mehr, als er geahnt hätte. Warum hatte sich Niphredil ihm nicht anvertraut? Sie waren Zwillinge. Sie wussten alles voneinander. Verletzt biss er sich auf die Unterlippe. Er hatte das Gefühl, das ihm seine Schwester nun entgleiten würde.
 

„Du liebst einen lórischen Elben?", fragte der Sinda scharf.
 

Die Elbin erwiderte stur den eiskalten Blick ihres Vaters. „Ja, Vater. Das tue ich."
 

Sie sah mit Liebe in den Augen zu dem rothaarigen Elben. Ihr Blick sagte mehr als tausend Worte. Sie liebte diesen Elben über alles und sie würde auf immer zu ihm stehen. Auch wenn sie wusste, dass das, was jetzt folgte, schwer werden würde. Sie hob den Kopf und sah ihren Vater an. Fest erwiderte seinen Blick.
 

„Ich liebe ihn, ada. So sehr wie du Mutter liebst."
 

Thranduil zuckte zusammen. Er nahm den starren Blick von dem jungen Elben und sah seine Tochter an, die Linaew so sehr ähnelte. Oh Geliebte.
 

Er schluckte hart. Mit einem leisen Seufzen schloss er die Augen. Schließlich lächelte er seine Tochter sanft an.
 

„Du hast recht, Niphredil." Er strich ihr leicht übers Haar. „Wer bin ich, dir die Liebe zu verwehren?"
 

Der König sah Liútasil an und bedeutete dem jungen Elben näher zu kommen.
 

Der Elb trat neben seine Gefährtin. Ernst sahen sich Vater und Geliebter an. Beide wollten nur das Beste für die junge Elbin.
 

„Werdet Ihr meiner Tochter beistehen, wenn ich nicht mehr bin? Sie lieben und beschützen?"
 

Der rothaarige Elb nickte knapp. Er traute seiner Stimme nicht.
 

„In guten wie in schweren Tagen?"
 

„Athon, hîr nîn", erwiderte Liútasil voller Inbrunst.
 

Niphredil schlang ihre Finger um die Seinen und blickte ihn erleichtert an. Die Augen des Königs ruhten lange auf den miteinander verschlungenen Händen der beiden Liebenden. Schließlich seufzte er tief auf und nickte.
 

„Meinen Segen habt ihr."
 

Überrascht sah Niphredil ihren Vater an. Dieser zuckte lediglich auf ihren fassungslosen Blick hin mit den Schultern und meinte trocken: „Ich bin mit einer Noldo den Bund eingegangen."
 

Leise lachte die junge Elbin auf. Wie sehr sie vor der Reaktion ihres Vaters Angst gehabt hatte und dann reagierte er so unerwartet. Niphredil sah zu ihrem Galadhrim auf.
 

Tiefe Liebe lag in ihren Augen.
 

Zitternd stieß Thranduil den Atem aus. Sein ältester Sohn bemerkte, wie erschöpft der König mit einem Mal war.
 

„Ich glaube, wir sollten uns nun zurückziehen und adar ruhen lassen. Es war viel für ihn heute."
 

Die Elbin beugte sich über ihren Vater und hauchte ihm einen sanften Kuss auf die Wange.
 

„Gen hannon, ada."
 

Er hob eine der fein geschwungenen Augenbrauen. Verwirrt blickte er seine Tochter an.
 

„Dafür, dass du Liútasil akzeptierst", beantwortete sie seine stumme Frage.
 

Thranduil lachte keuchend, ehe er einen Hustenanfall nicht vermeiden konnte.
 

„Wer bin ich, dir dein Glück zu verwehren?" Er lächelte sie erschöpft, aber liebevoll an. „Ich möchte dich glücklich sehen, iell nîn."
 

„Danke", wisperte Niphredil. Dann erhob sie sich anmutig und wandte sich zum Gehen. Der rothaarige Elb presste die Faust auf die Brust und verbeugte sich. Dann folgte er seiner Geliebten.
 

Ninglor, der sich bislang im Hintergrund gehalten, sich aber trotz allem sehr für seine Schwester gefreut hatte, trat nun an das Bett seines Vaters.
 

„Meine Augen sehen mit Freuden, dass du Niphredil wieder in dein Herz gelassen hast, adar."
 

„Sie war nie fort, ion nîn", entgegnete Thranduil müde. „Verzeiht einem alten Narren seinen Irrtum." Er stockte für einen Moment. „Ich war ihr ungerecht gegenüber, das weiß ich jetzt. Doch ist mein Herz gebrochen seit jenem verhängnisvollen Tag." Erneut versagte ihm die Stimme.
 

„Lass uns morgen weiter reden, adar. Es gibt ein paar Sachen, für die ich deinen Rat brauche."
 

„Den brauchst du nicht mehr, ion nîn. Du regierst das Reich weise und gerecht. Ich werde es nicht mehr führen. Besprich dich mit Legolas. Er ist der Erbe meines Reiches."
 

Thranduil verstummte. Er musste erst ein paar tiefe Atemzüge nehmen, ehe er weiter sprechen konnte. Ninglor und Legolas warteten geduldig ab.
 

„Ich ... werde das Reich ... nie mehr führen können", stieß Thranduil keuchend hervor. Eine einsame Träne rann seine bleiche Wange hinab.
 

„Adar!", stieß sein jüngster Sohn entsetzt hervor. Besorgt stütze er zu seinem Vater. Er reichte ihm einen Kelch klaren Wassers und stütze ihm beim Trinken. „Adar, deine Erfahrung ist ohne Gleichen. Wir können das Reich nicht ohne dich regieren."
 

Regungslos verharrte Legolas ein paar Schritte entfernt im Schatten des Gemaches. Beinahe teilnahmslos beobachtete er das Geschehen, doch in seinem Innern gefror sein Blut zu Eis, als er die Bedeutung der Worte seines Vaters verstand.
 

Erst als sein Bruder sich verabschiedete, ihm die Hand auf die Schulter legte und mitfühlend drückte und sich damit zurückzog, trat Thranduils Erstgeborener an das Bett. Der Herrscher des großen Grünwaldes lag mit geschlossenen Augen da und atmete rasselnd. Ein feiner Schweißfilm lag auf seiner Stirn. Seine sonst so ebenmäßigen Züge waren verzerrt, hatten doch Trauer und Verlust tiefe Furchen in sein Antlitz gegraben.
 

„Seas, adar!", flehte Legolas leise, als er auf Thranduil zutrat. Der sonst so beherrschte Elb hatte Tränen der Verzweiflung in den Augen. Denn dies war nicht das erste Mal das Legolas seinen Vater bat. In den letzten Wochen und Monaten hatte er seinen Vater bereits mehrmals darauf angesprochen.
 

„Bitte! Fahre nach Valinor!" Er sank neben dem Bett auf die Knie. „Ich möchte zumindest meinen ada eines Tages jenseits des Meeres wiedersehen." Er griff nach der kalten Hand des Königs, presste sein Gesicht dagegen und vergoss heiße Tränen.
 

Müde öffnete der Sinda seine Augen und beobachtete eine Weile den blonden Schopf seines Sohnes, ehe er mit zitternden Fingern die wirren Strähnen berührte.
 

„Du kennst meine Antwort, ion nîn", murmelte er. „Ginge ich, würde zwischen mir und Linaew Berg und Meer liegen."
 

Legolas stieß einen erstickten Schrei aus, der vor Schmerz ganz schwer war.
 

„Und was ist mit mir? Was ist mit Ninglor und Niphredil?" Er schluchzte. „Haben wir deine Liebe nicht?"
 

Erschrocken verharrte Thranduil in seiner Bewegung. „Oh ion nîn, was habe ich getan?", flüsterte er entsetzt.
 

Erst jetzt wurde ihm bewusst, in welchem Ausmaß er seine Kinder verletzt hatte. Lange Zeit schwieg er. Legolas Tränen waren längst versiegt, doch verharrte er weiterhin kniend neben ihm. Die Dunkelheit zog über den Wald, bis die Sonne erneut über dem Horizont aufging.
 

Die ganze Nacht hatte der Fürst nicht geruht, während sein Sohn irgendwann in den elbischen Schlaf geglitten war. Am nächsten Morgen, Legolas war gerade erwacht, teilte Thranduil ihm seine Entscheidung mit.
 

Er würde die beschwerliche Reise durch Mittelerde auf sich nehmen und zu den Grauen Anfurten reisen. Jedoch erst, wenn Niphredil und Liútasil den Bund eingegangen waren.
 

~. . . ~
 

Mereht-en-Gilith
 

An jenem Tag gingen die Tochter des Königs und der Elb aus Lórien den Bund ein. Aufgrund der Umstände hatte die Elbin auf eine große Zeremonie keinen Wert gelegt. Deswegen wurde die Feier am Sternenlichtfest zelebriert. Wichtiger war ihr, dass Thranduil ihr seinen Segen gegeben hatte und dass sie die Ewigkeit mit dem Galadhrim verbringen durfte, den sie mehr liebte als ihr eigenes Leben.
 

Der Wald am Rand der Lichtung schien von innen heraus zu leuchten, so viele elbische Lichter hingen in den Ästen der Bäume. Lieblicher Klang erfüllte die Wiese. Harfe und Flötenspiel, Laute und Tamburin und ein bezaubernder Gesang lag in der Luft. Einige der Elben drehten sich zur Musik. Viele trugen Blumenkränze im Haar.
 

Die Tische bogen sich, so beladen waren sie mit den herrlichsten Speisen, die der Große Grünwald zu bieten hatte: Obst, Brot, Wein und sonstige Leckereien. Die ganze Nacht wurde gefeiert, getanzt und gesungen.
 

Durch weiche Kissen gestützt saß der König erhöht den feiernden Elben vor. Ein bunter Reigen aus Tawarwaith und Galadhrim tummelten sich auf jener Lichtung, auf der auch er vor mehr als fünfhundert Jahren den Bund mit Linaew eingegangen war. Fast meinte er ihr helles Lachen zu hören, ihre schlanke Gestalt zwischen den Feiernden zu erahnen, wie sie sich geschmeidig zur Musik bewegte oder ihrer lieblichen Stimme zu lauschen, die ein Segenslied für ihre Tochter sang.
 

Doch sie war nicht da. Sie war wie in blauschimmerndem Eise erstarrt für alle Ewigkeit.
 

Ein stechender Schmerz zuckte durch seine Brust. Keuchend krallte er seine Hand in die silbrigblaue Robe direkt über seinem Herzen. Er wurde leichenblass, doch niemand bemerkte, wie es um ihn stand.
 

Niphredil und ihr Gemahl tanzten zu einer alten elbischen Weise. Niglor unterhielt sich angeregt mit alten Freunden aus seiner Zeit bei der Grenzwache. Nur Legolas stand einsam und allein abseits von all den feiernden Elben.
 

Er klammerte sich schon den ganzen Abend an einem einzigen Weinkelch fest. Weil er sich seinem Volk nicht mehr zugehörig fühlte. Die Fahrt mit dem Ringträger, seine Freundschaft mit Gimli dem Zwerg, die Pfade der Toten, all das hatte ihn verändert. Doch er war der Erbe seines Vaters.
 

Er nippte ein wenig an dem schweren Dorwinion. Dabei ließ er seinen Blick über die anwesenden Eldar gleiten. Sein Herz war erfüllt von Freude, als er seine kleine Schwester und ihren Gefährten fand. Er war stolz auf sie, so stolz. Sie war ihren Weg gegangen, dabei hätte sie sich sogar gegen ihren Vater gestellt. Ein leises Schmunzeln huschte über seine Lippen.
 

Schließlich fand er seinen Bruder, seinen Freund, seinen Kampfgefährten.
 

Wehmut erfasst ihn.
 

Der junge Elb sah prächtig in den Staatsgewändern aus, die extra für ihn hergestellt worden waren. Sie standen ihm gut. Sie ließen ihn souverän wirken, wie der Erbe, der er nicht war. Vom Gesetz stand ihm, Legolas, der Thron ihres Vaters zu.
 

Er trank einen weiteren Schluck. Nachdenklich blickte er auf die tanzenden Elben. Abwesend war sein Blick, er sah durch sie hindurch. Er war nicht wirklich da. Erst ein leises, eigentlich bei den Feiernden und der Musik gar nicht hörbares Stöhnen drang an seine feinen Ohren.
 

Sein Kopf flog herum. Sofort erfasst er die Situation um seinen Vater.
 

Legolas ließ seinen Kelch fallen und stürzte in dem Moment auf den König zu, als er vom Thron fiel. Sofort war er von seinen Geschwistern und Liútasil umringt. Die herbeieilenden Diener verdeckten mit ihren Leibern das Geschehen.
 

Mit schmerzverzerrtem Gesicht hing Thranduil halb auf dem Stuhl, halb auf Legolas. Dieser spürte den stolpernden Herzschlag seines Vaters, fühlte das Zittern seiner Glieder, roch den kalten Schweiß auf seiner Stirn.
 

Behutsam hob der junge Sinda ihn hoch. Mit Entsetzen musste Legolas feststellen, um wie viel leichter der Elb erneut in der Zeit geworden war. Er hatte so gehofft, dass sein Vater das wenige Gewicht halten würde, welches Legolas so verzweiftel versucht hatte zu bewahren. Er hatte gehofft, dieser besondere Tag hätte in Thranduil etwas ausgelöst zu bleiben.
 

Ninglor blickte auf die tanzenden Elben, die von alldem nichts mitbekamen. Sorge umwölkte seine Stirn.
 

„Sollten wir die Feierlichkeiten nicht abbrechen?", murmelte er seinen Geschwistern zu.
 

„Nein", entgegnete Liútasil, der seinem Blick gefolgt war, fest. „Lasst sie feiern." Er legte einen Arm um seine Gemahlin.
 

„Ich habe mir die Feierlichkeiten für unsere Bundzeremonie zwar nicht so vorgestellt", er grinste schief, „aber unsere Völker haben genug gelitten. Sie haben ein wenig Zerstreuung nötig." Er wischte eine Träne von Niphredils Wange, ehe er sie sanft auf die bebenden Lippen küsste.
 

„Sie haben genug Zeit mit Trauer um ihre Königin verbracht. Sie werden erneut Zeit mit Trauern verbringen, wenn ihr König sie verlässt."
 

So verließen sie nach Liútasils weisen Worten unter besorgten Blicken die Feierlichkeiten.
 

Legolas trug seine kostbare Last sicher und geborgen durch die unendlichen Gänge des Palastes. Ihre Schritte hallten unnatürlich laut in der Stille, während sich in den Wäldern Eryn Lasgalens die beiden Elbenvölker vermischten.
 

„Er muss fort von hier, caun nîn!", beschwor Glandir eindringlich.
 

Die drei Geschwister und der Oberste Heiler standen im königlichen Schlafgemach. Der Morgen dämmerte bereits, ehe Glandir seine Bemühungen den König zu stabilisieren beendet hatte. Der alte Elb selbst war erschöpft.
 

Besorgt blickte Legolas auf seinen Vater, der dank eines Trankes des Heilers nun ruhig schlief. Doch für Elben untypisch mit geschlossenen Augen, denn er lag in einem tiefen Heilschlaf.
 

Wie jedes Mal, wenn er ruhte seit jener verhängnisvollen Schlacht.
 

„Ist er transportfähig?", erklang die zittrige Stimme Niphredils, die sich an ihren Gemahl lehnte. Der rothaarige Elb hatte einen Arm um seine Geliebte gelegt und stützte sie. Denn sie wirkte stärker, als sie im Augenblick tatsächlich war. An niemanden ging es spurlos vorbei Mutter und Vater innerhalb kurzer Zeit zu verlieren.
 

„Noch nicht, heruin nîn", erwiederte Glandir. „Dennoch bereitet alles vor, was ihr für die lange Reise benötigt." Er seufzte tief, schüttelte sacht den Kopf. „Thranduil wird es nicht viel länger überleben. Die stärkenden Tränke beginnen ihre Wirksamkeit zu verlieren. Die Abstände seiner Rückfälle werden immer kürzer."
 

Der Elb sah seinen Fürsten, den er bereit seit vielen Jahrhunderten diente, traurig an. „Er schwindet."
 

Erstickt schluchzte Niphredil auf, presste ihr tränenfeuchtes Gesicht gegen die breite Brust ihres Gefährten. Liútasils schlang beide Arme um ihren bebenden Körper, flüsterte tröstende Worte, die doch keinen Trost gaben, küsste sanft ihre Stirn, ehe er zu Ninglor sah.
 

Der aktuell regierende Elb war gegen die Wand getaumelt und sank nun an ihr mit weit aufgerissenen Augen stumm zu Boden. Die so lang verdrängte Wahrheit brach nun über ihn herein wie eine Horde tollwütiger Orks.
 

Nur Legolas war schweigend an das Bett ihres Vaters getreten. Lange Zeit starrte er still auf jenen Elb nieder, der ihn gezeugt hatte. Der ihm mit einem Spielzeugbogen das Schießen beigebracht hatte. Der mit ihm um die Wette gelaufen war und ihn quer durch den Palast gejagt hatte, als er das letzte Fass Dorwinion mit seinen Freunden vernichtet hatte.
 

Ein trauriges Lächeln lag auf seinen schönen Zügen. Er hatte so viele gute, aber auch schwere Zeiten mit seinem Vater erlebt, wo sie nur zu zweit gewesen waren. Dann war Linaew mehr oder weniger in ihr Leben getreten und sie waren zu dritt gewesen, bis dann die Zwillinge kamen und ihre Familie komplett machten.
 

Die Elbin hatte nie versucht, ihm die Mutter zu ersetzen. Stattdessen wurde sie eine Freundin und Beraterin, Lehrmeisterin und Kampfgefährtin. Sie war so viel mehr gewesen als nur die Gemahlin seines Vaters. Sie war diejenige, die ihm das Lachen zurückgab, die ihm Lebensfreude schenkte und vor allem Gelassenheit.
 

Doch der elende Krieg hatte alles zerstört. Er hatte ihnen die Jahrhunderte genommen, die er, Legolas, ihnen zusammen gegönnt hätte. Und jetzt nahm er ihm nicht nur die Mutter, die er nie hatte, sondern auch noch den Vater.
 

Derblonde Sinda sank langsam auf die Knie. Er griff nach der kalten Hand des Elbs,die leblos in der seinen lag. Stumm betete er zu Eru Ilúvatar das er Thranduilso viel Kraft geben möge, dass er die lange und beschwerliche Reise über dasNebelgebirge durch Eriador nach Mithlond überstehen würde.
 

~. . . ~
 

Im Morgengrauen des ersten Septembers brach ein kleines Gefolge aus dem Eryn Lasgalen nach Mithlond auf. Der König ging ein letztes Mal aus seinen Hallen hinaus. Schön und stolz war er, doch der Glanz in seinen Augen war erloschen. Es schien seinem Volk, das er kalt und grau geworden war, wie eine Winternacht, die ohne Sterne anbrach.
 

An seiner Seite war Legolas, der ihn stützte, als er sich in der bereithaltenden Sänfte niederließ. Kein Gesang ertönte, selbst die Tiere des Waldes schwiegen, denn sie spürten, dass ihr König sie verließ. Legolas nahm neben seinem Vater in der prunkvollen Tragbare Platz, während hingegen seine jüngeren Geschwister und Liútasil sie zu Pferd flankierten. Ein Trupp der Tawarwaith Krieger ritt ihnen voraus, der Rest deckte ihren Rücken.
 

Schweigend, in stiller Trauer, zog das Gefolge durch den Wald, der dieses Jahr besonders früh sein herbstliches Laub zur Schau stellte. Es würde ein sehr kalter Winter mit Schneestürmen werden. Selbst im Elbenreich.
 

Mit jedem Schritt entfernte sich Thranduil mehr von Linaew. Es zerriss ihm schier das Herz, sie hier einsam und verlassen zurückzulassen. Beinahe wäre er aus der Sänfte geflohen und barfüßig zu seiner Liebsten zurückgerannt. Egal ob es ihm die Füße zerschnitt oder das Gesicht zerkratzte. Nur die Anwesenheit seiner Kinder hielt ihn davon ab.
 

Ihre Reise bis zur Alten Furt dauerte fünf Tage. Nur langsam kamen sie voran.
 

Zu der Zeit des Sonnenuntergangs, die letzten ihrer Gruppe hatten gerade den Anduin an der seichten Stelle überquert, vernahmen sie leise Musik aus der Ferne. Als sie sich umschauten, sahen sie die Herrin des Lichts auf einem weißen Zelter sitzen, ihr Gefolge um sich. Die sinkende Sonne beschien sie und ließ ihre Harnische wie rotes Gold schimmern. Die Herrin selbst war in Funkelndes weiß gekleidet, wie Wolken um den Mond.
 

Die Elben aus dem Großen Grünwald schlugen in der Nähe der Alten Waldstraße ihr Nachtlager auf. Kurz darauf stießen die Elben aus Lórien zu ihnen.
 

Liútasil begrüßte seine ehemalige Herrin mit einer tiefen Verbeugung, welche Galadriel mit einem liebevollen Lächeln entgegennahm. Schließlich trat sie auf den König zu.
 

„Mein Beileid zu Eurem Verlust, aran Thranduil."
 

Der Elb reagierte nicht auf ihre sanften Worte. Beinahe schien es, als ob er sie nicht gehört hätte. Doch dann hob er den Kopf und begegnete müde ihrem wachen Blick.
 

„Ihr wusstet es, nicht wahr?", fragte er leise, bar jeder Kraft um sich mit ihr anzulegen. So wie er es all die Jahrtausende getan hatte.
 

Die blonde Elbin seufzte leise. „Ihr wisst, dass der Spiegel mir viele Dinge zeigt. Dinge, die waren. Dinge, die sind und Dinge, die sein mögen. Es war eines jener Szenarien, die hätten geschehen können. Es gab auch die Möglichkeit, dass Ihr und Euer Volk von den Orks überrannt und vernichtend geschlagen worden wärt. Dann hätte kein Elb, kein Getier das Inferno überlebt, welches die Feuersbrunst entfacht hätte."
 

„Und doch verließ dort nicht nur Linaew ihr Volk", entgegnete Thranduil heftig.
 

„Ich weiß", sagte Galadriel, während sie neben dem König zu Boden sank. „Glaubt mir, wenn ich Euch sage, dass auch ich um den Verlust meiner Großnichte trauere."
 

Lange Zeit schwiegen die beiden unterschiedlichen Elben einträchtig.
 

Der September zog mit seinen goldenen Tagen und silbernen Nächten dahin, und sie ritten gemächlich über die Alte Waldstraße, bis sie zum Cirith Forn en Andrath, dem Hohen Pass, kamen.
 

Eines Abends, sie waren etwa sechs Tage unterwegs, kam sie um die letzte Kurve und standen, wie es Wanderern immer schien, ganz unvermutet am Rand des tiefen Tals von Imladris und sahen weit unten die Lampen in Elronds Haus schimmern. Sie stiegen hinunter, überquerten die Brücke und kamen auf den freien Platz.
 

Der Hausherr selbst begrüßte die Reisenden freudig. An seiner Seite Fürst Glorfindel, der sich sehr über Thranduils Anblick erschrak. Doch auch bei ihm hatte die Trauer um seine Schwurschwester tiefe Furchen in sein edles Antlitz gegraben und sein blondes Haar war glanzlos.
 

„Mein Herz freut sich, Euch zu sehen, aran Thranduil", begrüßte der Noldo den König. Doch Thranduil bedeutete ihm diese Förmlichkeit zu unterlassen.
 

„Wir beide sind in der Trauer und den Verlust Linaews vereint", sagte der Sinda leise, als er sich aus der Sänfte erhob.
 

„Unterlassen wir dies also im Gedenken an die, die wir beide lieben."
 

Ein freudiges Lächeln erhellte die Züge Glorfindels.
 

„Athon, mellon nîn", flüsterte er. „In Gedenken an Linaew."
 

Und so schlossen diese beiden unterschiedlichen Eldar Frieden. Thranduil war sehr froh, als Glorfindel verkündete ihn auf seiner letzten Reise durch Mittelerde zu begleiten und mit ihm übers Meer zu segeln. So hatte er einen Freund in Aman, der mit ihm die Erinnerung an Linaew teilte.
 

Und den Schmerz.
 

~. . . ~
 

Dank Elronds Heilkünsten konnte Thranduil den Rest der Reise zu Pferd verbringen. An seiner Seite Glorfindel, mit dem er in leise Gespräche vertieft war.
 

Es war Abend, und die Sterne schimmerten am östlichen Himmel, als viele Eldar mit ihren hellen, klaren Stimmen ein Lied sangen. Schweigend lauschten die beiden Elben dem Gesang, ein jeder in wehmütige Gedanken versunken.
 

A Elebereth Gilthoniel

silivren penna míriel

o menel aglar elenath!

Gilthoniel, A! Elbereth!

Wir leben unter Bäumen, weit

Vom Meere, doch das Sternenlicht

Des Westens – wir vergessen's nicht.
 

Sie hielten an, als sie Frodo und Sam still in den sanften Schatten gewahr wurden.
 

Die beiden Hobbits verneigten sich vor Elrond und Galadriel und vielen des schönen Elbenvolkes, die mit ihnen reisten. Zu ihrer Freude war auch Gildor unter den Reisenden und von ihm ging ein Schimmer aus.
 

Elrond trug einen grauen Umhang und eine Harfe in der Hand. Er hatte ein silbernes Diadem auf der Stirn und an seinem Finger war ein goldener Ring mit einem großen blauen Stein.
 

Vilya, der mächtigste der Drei.
 

Neben ihn erschien Galadriel, welche die Hobbits sanft anlächelte. An ihrem Finger schimmerte Nenya, der aus mithril gefertigt war. Er hatte einen einzigen weißen Stein, der wie ein frostiger Stern geformt war. Während die Elbin mit Samweis über ihr Geschenk und das Auenland sprach, entdeckte Frodo zu seiner Freude unter den mitreisenden Elben noch ein bekanntes Gesicht.
 

„Legolas!", rief er freudig aus. Er kämpfte sich durch die Menge und fiel dem Elben um den Hals, da dieser in die Knie gegangen war.
 

„Was machst du hier? Verlässt du auch Mittelerde? Und wo ist Gimli?"
 

Sam gesellte sich zu den beiden Freunden aus ihrer Ringgemeinschaft.
 

„Nein, mellon nîn. Meine Geschwister", er deutete auf die ihn umgebenden Elben, „und ich begleiten unseren Vater auf seiner letzten Reise."
 

Weit hinten, langsam auf einem kleinen grauen Pony reitend, kam Bilbo heran. Als er auf der Höhe Thranduils und Glorfindels war, öffnete er die Augen und erblickte den alt gewordenen König des Düsterwaldes.
 

„Hallo", grüßte er den Elb, dem er vor achtzig Jahren die Zwerge vor der Nase geklaut hatte.
 

„Ah", erwiderte dieser belustigt. „Seid gegrüßt Bilbo Beutlin. Wie geht es Euch?"
 

„Heute habe ich den Alten Tuk übertroffen", lachte der alte Hobbit. „Hallo Frodo, mein lieber Junge", begrüßte er seinen Neffen, der seine letzten Worte gehört hatte. „Jetzt glaube ich, bin ich bereit, nochmal auf die Fahrt zu gehen. Kommst du mit?"
 

„Ja, ich komme mit", erwiderte Frodo. „Die Ringträger sollten zusammen gehen."
 

Ein Schatten huschte über Sams Augen, als ihm bewusst wurde, was Frodo da andeutete. Er wusste, er konnte seinen Herrn nicht begleiten. Noch nicht. Er musste noch für viele Jahre ganz und heil bleiben und konnte so entzweigerissen nicht weiterleben.
 

„Kommt", sagte Thranduil freundlich zu den drei Hobbits, „reitet nun mit uns."
 

Und so ritt die Gemeinschaft weiter, denn das Dritte Zeitalter war vorüber und die Tage der Ringe vergangen. Mit ihnen gingen viele Elben der Hohen Sippe, die nicht länger in Mittelerde bleiben wollten.
 

Sie ritten den ganzen Abend und die ganze Nacht mitten durch das Auenland und niemand sah sie ziehen. Als sie, die südlichen Ausläufer der Weißen Höhen umgehend, die Heimat der Hobbits hinter sich gelassen hatten, kamen sie zu den Weiten Höhen und den Türmen und blickten auf die ferne See.
 

Unzählige Vögel kreischten an den Ufern.
 

Dieses unselige Wehklagen der Möwen! Hatte die Herrin ihm nicht gesagt, er solle sich vor ihnen hüten? Jetzt konnte er sie nicht mehr vergessen. Legolas seufzte leise.
 

Legolas erinnerte sich an Galadriels Worte, die ihm Gandalf Einstmals überbrachte.
 

Zitat HdR S. 510 schrieb:

Legolas Grünblatt, Ihr lebtet bisher
 

Im Wald voller Freude. Meidet das Meer!
 

Habt Ihr einmal das Schreien der Möwen gehört,
 

Ist der Friede der Bäume für Euch zerstört.

Bisher hatte er seine Sehnsucht nach dem Meer seit Pelargir verdrängen können, nun aber brach sie erneut über ihn wie eine Sturzflut herein.
 

Langsam ritten die Reisenden nun nach Mithlond hinunter, hin zu den Grauen Anfurten mit seinen kleineren und größeren Häfen, die im langen Golf von Lhûn lagen. Als sie durch das steinerne Tor ritten, trat ihnen Círdan entgegen und grüßte sie freundlich.
 

Er wies mit den Worten „Alles ist bereit" hinunter zum Kai, an dem ein weißes Schiff lag. Die Wellen schlugen rhythmisch gegen den Rumpf. Am Schifflandeplatz stand neben einem großen grauen Pferd eine ganz in weiß gekleidete Gestalt mit dem Rücken zu ihnen.
 

Sie wandte sich um und kam ihnen entgegen, sodass Frodo in ihr Gandalf erkennen konnte. Der Weiße Zauberer trug offen an seiner Hand Narya den Großen, den Dritten Ring, und der Stein auf ihm war rot wie Feuer.
 

Da wurden Legolas, Niphredil und Ninglor das Herz schwer, denn ihnen wurde bewusst, dass ihnen eine lange Trennung von ihrem Vater bevorstand. Denn es sollten noch viele Jahre vergehen, ehe die Familie über dem Meer wieder vereint sein würde.
 

Mühsam glitt Thranduil von seinem Pferd. Eine ganze Weile starrte er schweigend aufs Meer. Schließlich wandte er sich an seine Kinder.
 

„Hier an dem Ufer des Meeres kommt nun unser Ende. Ich will nicht sagen, weinet nicht, denn nicht alle Tränen, die ihr vergießen werdet, sind von übel."
 

Dann küsste er Legolas und Ninglor und zuletzt Niphredil, die er anschließend minutenlang in die Arme zog. Niemand hörte, was er zu ihr sagte, doch nahm es ihr die Bitterkeit des Abschiedes. So schieden sie für diesmal voneinander. Dann ging er als Letzter an Bord und Fürst Glorfindel begleitete ihn.
 

Die Segel wurden gehisst. Ein leichter Wind wehte vom Land und langsam glitt das Schiff den langen grauen Golf hinunter. Am Landeplatz blieben nur die Kinder des Königs und die Hobbits Sam, Merry und Pippin zurück, welche es gerade noch geschafft hatten, zu ihnen zu stoßen.
 

Auf einer Anhöhe stand Círdan, der ebenfalls dem Schiff hinterher sah. Er würde in Mithlond bleiben, bis auch der letzte Elb Mittelerde verließ.
 

Das Schiff fuhr hinaus auf die Hohe See und dann in den Westen, bis Thranduil schließlich in einer regnerischen Nacht einen süßen Duft in der Luft roch und Gesang hörte, der über das Wasser zu ihnen getragen wurde. Es schien ihm wie in einem Traum, dass sich der graue Regenvorhang in silbernes Glas verwandelte und sich öffnete.
 

Dort erblickte er weiße Strände und dahinter ein fernes grünes Land unter der rasch aufgehenden Sonne. Ein ungeahnter Friede erfüllte seine Seele für viele ungezählte Jahre.
 

Doch für Legolas, Ninglor und Niphredil, in den Armen ihres Gefährten, verdunkelte sich der Abend zur Finsternis, als sie an den Anfurten standen. Als sie auf das Meer schauten, sahen sie lange Zeit nur einen silberschimmernden Schatten auf dem Wasser, der sich bald im Westen verlor.
 

Dort standen sie bis tief in die Nacht, hörten nur das Seufzen und Murmeln der Wellen an den Ufern Mithlonds und ihr Klagen senkte sich tief in ihre Herzen.
 

Niphredil schmiegte sich an ihren Gemahl. Liútasil sah ihr ins Gesicht. Ihr Kopf ruhte in seiner Halsbeuge und er beugte sich herab und küsste sie auf die Stirn.
 

Die drei Hobbits hatten sich abseits von ihnen gestellt. Jeder von ihnen einsam in seiner Trauer. Schließlich wandten sie sich gemeinsam ab. Ohne auch nur einmal zurückzublicken, ritten sie langsam heimwärts. Sie sprachen kein Wort miteinander, bis sie zurück ins Auenland kamen. Dort trennten sich die vier Elben von den Hobbits.
 

Doch Legolas kehrte nicht nach Eryn Lasgalen zurück. In einer feierlichen Zeremonie übergab er seinem jüngeren Bruder die Königswürde und zog mit einem Teil des schönen Volkes nach Ithilien um dort eine Waldelbenkolonie zu gründen, während Niphredil mit ihrem Gemahl nach Lórien zog.
 

Ihre Reise war lang und mühselig. Trotz das Sauron vernichtet worden und der Ringkrieg bereits zwei Jahre her war, war der Weg von Eryn Lasgalen durch die Braunen Lande, über die Emyn Muil und um die Totensümpfe herum mehr als kräftezehrend. Auch für die langlebigen Elben.
 

Allerdings entschädigte Ithilien sie, kaum dass ihre Füße erstmals den Boden dieses Landes betraten. Denn es war mit seinen emporklimmenden Wäldern und den rasch herabstürzenden Bächen gar lieblich anzusehen.
 

Von da an eilten sie sich nicht mehr. Stattdessen ergingen sie sich in Muse in den grünen Weiten Ithiliens. Kleine Haine voller harziger Bäume. Tannen, Zedern und Zypressen, die in dem milden Klima, welches aus Harondor zog, gut gediehen.
 

Sie suchten für sich eine neue Heimat, doch ihr Fürst wurde von einer inneren Unruhe angetrieben, die er sich selbst nicht erklären konnte.
 

Beinahe.
 

Er warf einen besorgten Blick auf den Karren, dessen Lenker niemand anderes als sein bester Freund Tawaron war. Er war einer der ersten gewesen, die sich ihm mit ihren Familien angeschlossen hatten. Er würde auch seine rechte Hand in ihrem neuen Zuhause werden.
 

„Du brauchst dich nicht zu sorgen, mellon nîn", sagte Tawaron, dem der Blick seines Fürsten nicht entgangen war. „Ich lenke schon so lange diesen Karren, meinst du wirklich auf die letzten Meter würde ich zulassen, dass etwas passiert?"
 

„Díheno annin, mellon", erwiderte Legolas beschämt. „Aber es ist mir eine Herzensangelegenheit."
 

„Nicht nur dir, mein Freund. Ein jeder von uns würde sein Leben hierfür geben." Tawaron blickte auf die Elben, die sie umgaben und an ihnen vorbeischritten. Ein jeder von ihnen berührte für einen Moment ehrfürchtig das Holz des Karrens. Dann neigte er ehrerbietig das Haupt. „Das weißt du."
 

Just in jenem Moment öffneten sich die sie umgebenden Bäume und gaben eine Lichtung preis. Legolas verschlug es die Sprache. Der Anblick, der sich ihnen bot, war unglaublich. Selbst für Elbenaugen war dieser Ort wunderschön.
 

Viele große Bäume wuchsen am Rand der Lichtung. Vor langer Zeit gepflanzt, doch ungepflegt im Alter, inmitten eines Gewirrs sorglos wuchernder Abkömmlinge. Haine und dichte Gebüsche gab es mit Tamarisken und scharfen Terpentinpistazien, mit Oliven und Lorbeer. Es gab Wacholder und Myrte und Thymian, der in Büschen wuchs oder mit seinen holzigen, kriechenden Trieben verborgene Steine wie mit einem dunklen Teppich überzog.
 

Überall war eine Fülle von süß duftenden Kräutern und Sträuchern. Salbei vielerlei Art trugen blaue oder rote Blüten, dazwischen wuchsen Majoran und frisch spießende Petersilie. Die Doline und herumliegenden Steine waren mit Steinbrech und Mauerpfeffer bewachsen. Schlüsselblumen und Anemonen standen büschelweise in den Haselgebüschen. Narzissen und viele Lilienblüten nickten mit ihren halbgeöffneten Köpfen im grünen Dickicht.
 

Dunkelgrünes Gras wuchs an den Weihern und Mulden, in denen die herabstürzende Bäche auf ihrer Wanderung hinab zum Anduin verweilten.
 

Der blonde Elb stand auf einer Anhöhe, die sich inmitten des dunklen Blätterdaches erhob, und blickte nach Süden und Westen auf die warmen unteren Täler des Anduin. Weit in der Ferne erkannten seine Elbenaugen die weißen Mauern Minas Tiriths.
 

Dieser Teil Ithiliens war perfekt für sein Vorhaben. Nach Osten war es abgeschirmt durch die Ephel Dúath, aber dennoch nicht im Bergschatten dieses verfluchten Landes. Im Norden schützen die Emyn Muil. Somit war das Tal den südlichen Lüften und feuchten Wunden vom fernen Meer zugänglich.
 

Ja, hier würde er seine Waldelbenkolonie gründen und das durch jahrelange Kriegshandlungen versehrte Land neu begründen. Er würde hier einen Garten anlegen, den die Gärten Irmos, des Vala, in nichts nachstanden.
 

Und hier, wo er stand und das weite Land überblicken konnte, wo laue Winde wehten und die Sonne wärmend schien, würde er zu Ehren bereth Linaews einen Gedenkschrein errichten. Auf das jeder Tawarwaith sich an seine heldenhafte Königin erinnerte, die für ihr Volk mehr als ihr Leben riskiert hatte.
 

Ende
 

Cunn nîn => mein Prinz
 

Hîr nîn => mein Herr
 

Naugrim =>Zwerge
 

Bereth Linaew => Königin Linaew
 

Hanar => Bruder
 

Muinthel => Schwester
 

Adar => Vater
 

Baw => Nein
 

Naneth => Mutter
 

Elleth => Elbin
 

Ada => Papa
 

Nethig => Schwesterchen
 

Melethril => Geliebte
 

Elen nîn => mein Stern
 

Gen hannon, ada => Ich danke dir, Papa
 

Iell nîn => meine Tochter
 

Oon nîn => mein Sohn
 

Seas, adar => Bitte, Vater
 

Heruin nîn => meine Herrin
 

mellon nîn => mein Freund
 

Díheno annin, mellon => Verzeiht mir, Freund
 

Ephel Dúath => Schattengebirge, Gebirgszug im Westen von Mordor
 

Emyn Muil => Öde Hügel, beidseitig des Anduin
 

Definition „tödliche Verletzung":
 

Eine Verletzung wird als tödlich gewertet, wenn der Tod eines Beteiligten innerhalb von 30 Tagen nach dem Unfall als Unfallfolge eintritt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Nixchen
2023-03-03T08:19:18+00:00 03.03.2023 09:19
Hallo,

so nach langer Zeit endlich geschafft es fertig zu lesen.
Die Geschichte ist sehr traurig, aber ein schöner Abschluss zu deiner anderen Geschichte. Das Thranduil sich dann doch aufgemacht hat und nicht einfach gestorben ist fand ich sehr schön. So können sie sich später wieder sehen. Auch wie die Zwillinge weiter machen war toll.
Also danke für die Geschichte und den tollen Abschluss.

Gruß
nixchen
Antwort von:  OmShantiOm
08.03.2023 07:57
Guten Morgen Nixchen,

vielen lieben Dank für dein Kommi. :3
Das hat mich sehr gefreut. Ich dachte schon, das liest hier niemand mehr. :)

Vielleicht magst du ja in den Sequel zu Seelenbindung mal reinschauen? Er heißt Am Ende aller Dinge. Sind allerdings erst fünf Kapitel, da ich beschlossen habe zu warten, bis mein Beta fertig ist. ^^

Liebe Grüße und ich hoffe man liest sich wieder.

Shanti


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