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Champ Stories

Band 1: Endynalos
von
Koautor:  Flordelis

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Wie kommt man da rein?!

Die Brandschutztreppe endete genau dort, wo bald ein gigantisches, geschichtliches Ereignis stattfinden sollte: In dem riesigen Raum mit der übergroßen Kapsel in der Mitte. Anders als in den vergangenen Monaten zuckten nun deutlich mehr violette und magentafarbene Blitze um das Drahtgeflecht, der Druck war ebenso höher als gewöhnlich. Ein lautes, mechanisches Brummen war zu hören und der Boden vibrierte ein wenig.

Nahe der Pulte und Steuerungseinheiten befanden sich zwei Personen. Eine davon war Magnolica, die auf dem Boden kniete und nach Luft rang. Vor ihr lag ein bewusstloses Chillabell, das von einem Maritellit besiegt worden war. Das Marienkäfer-Pokémon schwebte gleichmäßig in der Luft, den Blick fest auf die Professorin fixiert.

Die andere Person, Mula, war ein Mann mittleren Alters in einem weißen Kittel, der sich wieder der Technik zuwandte. Zwei lange, dicke Strähnen von seinem dunkelroten Haar rahmten sein schmales Gesicht ein, während es hinten sehr kurz geschnitten war. Durch eine schwarze Sonnenbrille mit kleinen, runden Gläsern starrte er wie besessen auf den unscheinbar wirkenden Pokéball, in dem Endynalos eingesperrt war. Dadurch bemerkte man nicht, wie seine hellgrünen Augen förmlich Gift versprühten, doch der Wahnsinn schwang auch in seiner Stimme mit, als er zu sprechen anfing.

„Bleiben Sie einfach ganz ruhig, Professor!“, forderte Mula angespannt, seine schmalen Lippen zu einem süffisanten Lächeln verzogen. „Glauben Sie mir, ich will Sie nicht erst verletzen müssen, aber das hier ... jemand muss die Sache endlich beenden! Ein für alle Mal!“

Verzweifelt versuchte die Professorin ihm gut zuzureden, bekam jedoch kaum ein anständiges Wort heraus, weil der Druck ihr zusetzte. Über ihr Leid konnte Mula nur trocken kichern. Siegessicher strich er mit Daumen und Zeigefinger über den feinen Bartansatz an seinem Kinn, ohne den Blick von Endynalos abzuwenden. Nur noch ein bisschen, dann könnte er diesem grässlichen Monstrum, das einst aus dem All gekommen war, den Rest geben.

Mula war absolut überzeugt davon, dass ihn nun niemand mehr aufhalten könnte. Wer sollte sich ihm noch in den Weg stellen? Hinter ihm kroch die Professorin auf dem Zahnfleisch und all seine Kollegen waren klug genug gewesen das Weite zu suchen. Selbst wenn er am Ende zusammen mit der Einrichtung in die Luft fliegen sollte, wäre es die Sache wert. Ganz Galar wird es ihm danken und ihm auf ewig huldigen, statt diesem lächerlichen Champ und dem tatenlosen Liga-Präsidenten.

Amüsiert brach Mula in schallendes Gelächter aus. Plötzlich störte dann etwas sein persönliches Hochgefühl, nämlich das Geräusch eines Pokéballs, der schwungvoll geworfen wurde. Irritiert blickte Mula über seine Schulter. Wie aus dem Nichts flog der Pokéball geradewegs auf sein Maritellit zu und ein Katapultdra materialisierte sich auf der Hälfte der Strecke. Ohne jegliche Anweisung stürzten sich sofort zwei engagierte Grolldras auf Mulas Pokémon, das von diesem Überfall zu überrascht war, als dass es rechtzeitig reagieren konnte.

Schlagartig wurde Mula blass, als er sah, wer sich gerade einmischte und seine Heldentat zu verhindern versuchte. Nervosität kroch schleichend in ihm hoch, wie eine gefräßige Made. „Scheiße, Delion?! Aber WIE?! Warum bist du-, egal, komm ja nicht näher!“

Tatsächlich blieb Delion in einiger Entfernung stehen, während die Grolldras kampfbereit Maritellit umkreisten und Katapultdra sich an die Seite von Professor Magnolica begab. Inzwischen war die Professorin zu geschwächt, um überhaupt richtig zu bemerken, was um sie herum geschah.

Ausgerechnet an diesem einen Tag hatte der Präsident also beschlossen aktiv zu werden. Lästig. Wenigstens raubte der Druck Delion sichtlich den Atem, weshalb er sich darauf konzentrieren musste tief Luft zu holen. Mit etwas Glück kippte er um, bevor er wirklich zur Gefahr werden könnte. Für Mula war die Atmosphäre leichter zu ertragen, denn er war daran gewohnt.

„Ich weiß, was du vorhast!“, stieß Delion ihm entgegen. „Und ich fordere dich nachdrücklich dazu auf, das zu lassen! Du hast kein Recht, Endynalos zu töten! Er ist ein Pokémon, das unseren Schutz verdient, nachdem er von Rose missbraucht worden ist.“

Mula zuckte zusammen, weil der Präsident ihm gegenüber so deutlich wurde, doch die Verzweiflung war größer. Würde er nun nachgeben, könnte Endynalos eines Tages wirklich befreit werden und Galar vernichten. Solche naiven Dummköpfe wie Delion oder Magnolica würden alle in den Untergang führen, gäbe Mula an dieser Stelle auf. Nein, er musste sich zur Wehr setzen! Das war seine Pflicht.

Energisch reckte Mula das Kinn und machte sich bereit zu kämpfen.

 
 

***

 

Raelene konnte Stimmen hören, also war auch sie nicht mehr weit vom Ende der Treppe entfernt. Der Druck setzte ihr ganz schön zu, aber sie riss sich zusammen und hielt schon mal Liberlos Pokéball bereit. Keuchend kam sie unten an, blieb jedoch außer Sichtweite und drückte sich neben der offenen Tür dicht an die Wand.

„Du bist genauso wahnsinnig wie die Professorin!“, schrie jemand aufgebracht. „Begreift ihr überhaupt, was ihr da sagt?! Endynalos ist viel zu gefährlich! Entweder wird er uns selbst vernichten oder in die falschen Hände geraten! Wenn wir ihn nicht weiter schwächen, wird er ausbrechen! Vorher töte ich ihn!“

Diese Stimme kam ihr nicht bekannt vor, also musste es dieser Mula sein. Der Typ klang ziemlich aggressiv, weshalb es sicher nicht schaden konnte, wenn Raelene sich als Überraschungseffekt bereithielt. Man wusste nie, zu was solche Leute fähig sein konnten. Vorerst blieb sie daher versteckt und lauschte dem Gespräch der beiden.

„Ich habe damals gegen Endynalos gekämpft!“, erwiderte Delion wütend. „Ich weiß wahrscheinlich besser als du, zu was Endynalos in der Lage ist.“

Delions Entschlossenheit, mit der er sich Mula entgegen stellte, obwohl er schlechte Erfahrungen mit Endynalos gemacht hatte, war überwältigend. Allerdings beunruhigte es Raelene, als es dann verdächtig still wurde. Vorsichtig lehnte sie sich zur Seite, so dass sie in den Raum hinein spähen konnte. Dort warf Delion gerade einen kurzen Blick zu Endynalos' Pokéball, ehe er wieder Mula ansah – der war ihr auf Anhieb äußerst unsympathisch.

„Aber trotzdem ist es keine Lösung, ihn zu töten! Außerdem weißt du nicht einmal, ob du ihn töten kannst!“

Da sprach Delion einen wichtigen Punkt an. Wenn dieser Versuch schief ging, wäre Endynalos' Zorn sicher noch größer und das zurecht – er wäre nicht mehr aufzuhalten.

„Tritt einfach vom Schaltpult zurück, dann wird niemandem etwas passieren!“

In Gedanken stimmte Raelene jedem einzelnen Wort zu, das Delion sagte. Sie hatte immer noch Angst vor Endynalos, aber sie wusste trotzdem, was richtig war.

„Es hat keinen Sinn, mit einem von euch zu reden!“, blaffte Mula stur. „Selbst wenn ich uns alle zusammen mit Endynalos in die Luft jage, rette ich damit ganz Galar! Maritellit, Konfusstrahl!“

Während Maritellit den Befehl umgehend ausführte und versuchte die Grolldras sowie Katapuldra zu verwirren, zog Mula aus seinem Kittel weitere Pokébälle hervor. Vor ihm erschienen daraufhin wie ein Schutzschild Pantimos, Klikdiklak, Bronzong, Deponitox und ein Elezard. Ob die wirklich alle ihm gehörten? Inzwischen würde es Raelene nicht mal wundern, wenn es Leih-Pokémon wären, deren Aufgabe es eigentlich war bestimmte Arbeiten in der Einrichtung zu erledigen. Fair Play sah anders aus.

Katapultdra und eines der Grolldras wurden tatsächlich verwirrt, das andere hatte es geschafft, sich in einen blinden Winkel zu begeben. Das kleine Grolldra schwebte zum Steuerpult hinüber und verschwand darin. Raelene hoffte, dass es wusste, was es tat.

Davon schien Mula glücklicherweise nichts mitbekommen zu haben, darum lenkte Delion ihn damit ab, dass er nun selbst weitere Pokémon auf das Schlachtfeld rief: Maxax, Intelleon, Durengard und auch Glurak.

Durengards Aufgabe sollte hauptsächlich darin bestehen, Professor Magnolica mit seinem Schild zu schützen, wie Delion ihn direkt anwies. Die anderen sollten sich auf die feindlichen Pokémon konzentrieren. So wie Katapultdra, der sich direkt von seiner Verwirrung erholte und Phantomkraft einsetzte. Er verschwand in einem violetten Nebel, nur um direkt wieder hinter Maritellit aufzutauchen und ihm einen heftigen Schlag zu versetzen. Dann kehrte er sofort an seinen Ausgangspunkt zurück.

„Das ging schnell ...“, bemerkte Raelene. „Hatte Katapultdra etwa ein Energiekraut?“

Natürlich, warum sollte Delion nicht Gebrauch von nützlichen Items machen? Hierbei hatte ihm das jedenfalls eindeutig geholfen. Maritellit traf der Schlag von Phantomkraft derart effektiv, dass es direkt besiegt zu Boden stürzte.

Im Augenwinkel bemerkte Raelene, dass Magnolica sich schwach bei Durengard bedankte. Die Ärmste war wirklich am Limit. Eine hastige Bewegung von Mula lenkte ihre Aufmerksamkeit zurück zu ihm. Er hatte eine Art Handy hervorgezogen und tippte kurz fluchend darauf herum.

„Verdammt nochmal!“, brüllte Mula, wie ein Wahnsinniger. „MISCH! DICH! NICHT! EIN!“

Eine leises Geräusch über ihr, ganz in der Nähe, sorgte dafür, dass Raelene den Kopf hob. Als sie sich noch ein Stück mehr in den Raum hinein lehnte, entdeckte sie, wie nahezu versteckt aus einer unscheinbaren Öffnung an der Decke langsam etwas hervorkam, das wie eine moderne Schusswaffe aussah. Und offenbar zielte ihr Lauf auf Delion, von ihm unbemerkt, weil es in seinem toten Winkel lag.

Nicht im Ernst?!

Sofort sprang Raelene gänzlich in den Raum hinein und warf Liberlos Pokéball nach oben, der mit einem gezielten Tritt im Flug die Waffe zerstörte. Nur flüchtig bemerkte sie dabei, dass es noch mehr davon gab.

„Schusswaffen, an der Decke!“, warnte sie. „Passt auf!“

Delion sah sofort nach oben und entdeckte die Waffen ebenfalls. „Glurak!“

Sein Partner erhob sich in die Luft, um mit seinem Feueratem die Schusswaffen zu zerstören, die er spontan sehen konnte. Allerdings war Delion anscheinend unsicher, ob wirklich alle erwischt wurden. Deswegen bewegte er sich bereits vorwärts, um einer möglichen Schussbahn zu entkommen.

Gleichzeitig stürzten sich seine Pokémon auf Pantimos, Klikdiklak, Bronzong, Deponitox und Elezard. Ohne Durengard, Glurak und ein sechstes Pokémon waren sie zwar im Nachteil, aber es ging sicher nur darum, Mula abzulenken. Was auch immer der Typ tat, er durfte nicht den Mechanismus aktivieren, der Endynalos töten könnte. Darauf galt es sich zu konzentrieren.

Raelene sah zur Kapsel. Endynalos' Pokéball vibrierte stark, das Chaos, das in dessen Inneren tobte, da er nicht mehr ruhiggestellt wurde, musste geradezu unkontrollierbar geworden sein. Aber dafür hatten sie keine Zeit. Ihr Ziel war und blieb vorerst Mula. Nur wenn sie ihn aufhielten, könnte sie noch etwas retten.

Ein Schuss knallte und traf direkt neben Delion auf dem Boden auf. Davon ließ er sich aber nicht ablenken. Der nächste Schuss war da schon effektiver und traf sein Ziel. Zähneknirschend sah Delion hinab und musste feststellen, dass sein rechter Arm blutete.

Erschrocken stockte Raelene der Atem. „Delion!“

Das Adrenalin schien ihm zu helfen, die Wunde erst einmal zu ignorieren, denn er lief einfach weiter, obwohl auch der Druck inzwischen noch größer geworden war. Lange könnten sie das nicht ertragen, das wusste sicher auch Delion. Raelene schluckte ihre Sorge schweren Herzens runter und beschloss, sich an ihm ein Beispiel zu nehmen. Konzentriert bleiben!

Sie überließ es weiterhin Glurak, sich um die restlichen Schusswaffen zu kümmern, da er dank seinen Flügeln besser an sie herankam. Stattdessen befahl sie Liberlo Delions Pokémon im Kampf zu unterstützen. Anschließend stürmte Raelene selbst auf Mula zu, der fassungslos den Kopf schüttelte.

„D-der Champ auch noch?! Woher wusstet ihr-“

Mitten im Satz schnitt sie ihm das Wort ab und hielt im Sprint einen Pokéball nach oben. „Zamazenta! Schon mal ein legendäres Pokémon aus nächster Nähe kennengelernt?!“

„Warte! Wag es ja nicht!“ Mulas Stimme klang heiser. „Bleibt stehen! ALLE BEIDE!“

Zwar bremste Raelene wirklich ab, warf den Ball jedoch mit so viel Kraft wie möglich in Mulas Richtung. Rötliches Licht strömte hervor und kurz darauf stand vor ihm ... Wolly, die ihn fröhlich anblökte. „Woll~!“

Den kurzen Moment der Verwirrung, in dem Mula tatenlos zurückstarrte, nutzte Raelene zu ihrem Vorteil: „Tackle ihn!“

Wolly hüpfte kräftig gegen ihn, was dazu führte, dass er sein Handy verlor und es geradewegs zu Boden fiel, wo es anschließend noch ein Stück weiter von ihm weg rutschte. Wenigstens könnte Mula nun keine weiteren Waffen mehr kontrollieren. Hoffentlich.

„Gut gemacht!“, lobte Delion Wolly und Raelene.

Glurak spie derweil weiterhin Feuer. Wie viele Schusswaffen gab es hier eigentlich?

Bei den kämpfenden Pokémon angekommen, musste Delion abbremsen und darauf achten, nicht zwischen die Fronten zu geraten. Er dürfte in diesem Moment noch nie so glücklich über sein persönliches Training gewesen sein, als er sich einmal unerwartet ducken musste, um einem querschlagenden Angriff zu entgehen, nur um ihm nächsten Augenblick schon auszuweichen und so eine weitere Attacke an sich vorüberziehen zu lassen.

Inzwischen war Mula endlich in seiner Reichweite. Wenn er ihn nur erwischte und festhielt, ihn von diesem Steuerpult wegbrachte, konnte das alles noch enden, bevor es zu schlimm wurde. Er streckte den linken Arm nach Mula aus, dieser fuhr panisch herum und stieß mehrere Flüche aus.

Für den Fall, dass der Typ nochmal irgendein Ass aus dem Ärmel ziehen könnte, gab Raelene ihrem Pokémon rasch einen weiteren Befehl: „Wolly, Heuler!“

Sie selbst war bereits auch wieder in Bewegung, um sich das Handy zu schnappen und es Magnolica zu geben. Auch wenn die Professorin in einer schlechten Verfassung war, wüsste sie vielleicht, wie man die Verteidigungsanlagen wieder komplett deaktivierte.

Wolly befolgte unterdessen artig ihren Befehl und stieß ein lautes Heulen Richtung Mula aus. Es übertönte den Lärm der Maschine über Endynalos' Pokéball kaum, sorgte aber trotzdem dafür, dass Mula zumindest kurz schwindelig wurde. Und die paar Sekunden genügten vielleicht, damit Delion ihn zu fassen bekam.

Und tatsächlich: Delion erreichte Mula und ergriff ihn am Arm.

„Ich sagte doch, du kommst damit nicht durch“, sagte Delion, während er Mula so fest wie möglich hielt, damit er sich nicht einfach losreißen könnte.

Nun war Raelene diejenige, die ihr Lob aussprach, zutiefst erleichtert: „Sehr gut!“

Unterdessen war es ihr gelungen, das Handy einzusammeln und es Magnolica zu bringen. Die Professorin verstand ohne ein einziges Wort, was sie tun sollte. Sie zitterte vor Erschöpfung und durch den Druck so sehr, dass Raelene sie festhalten musste, doch es gelang ihnen die verdammten Schusswaffen endlich abzuschalten. Danach sackte Magnolica aber in Raelenes Armen zusammen und verlor das Bewusstsein.

Am Rande bekam sie mit, wie sehr Mula tobte und versuchte, sich aus Delions Griff zu befreien. „Nein, nein, nein! Lass mich los! Verdammt, ihr macht einen Fehler!“

Verzweifelt versuchte er, seinen Pokémon Befehle zu erteilen, doch sie waren so beschäftigt mit den Kämpfen gegen Delions Team und Liberlo, dass keines von ihnen reagierte.

„Ha, na schön!“ Offenbar gab Mula sich geschlagen, lachte aber siegessicher. „Es wird trotzdem immer noch Energie von Endynalos abgezapft! Nicht mehr lange und uns fliegt hier alles um die Ohren! Und ihr Idioten habt keine Ahnung, wie man das abschaltet! Ich werde als Held sterben!!!“

Kaum hatte er das allerdings gesagt – und Raelene sich bereits gefragt, was sie nun tun sollten – fing das Schaltpult neben ihnen an zu rauchen und ein paar Funken zu sprühen. Im selben Moment glaubte sie, dass das Vibrieren der Maschine und auch des Pokéballs nachließ. Die Funken rund um das Drahtgeflecht erloschen.

Grolldra tauchte mit einem unschuldigen Blick aus dem Inneren des Geräts auf. Beruhigt atmete Raelene auf. Was auch immer es darin getan hatte, möglicherweise hatte es geholfen. Doch anscheinend hatte sie sich zu früh gefreut, denn plötzlich erwachten neue, noch hellere Funken um das Drahtgeflecht, was Raelene zusammenzucken ließ. Erschrockenen stieß Grolldra einen Ruf aus und versteckte sich hinter Delion, der die Kapsel nur irritiert anstarren konnte.

Wenn die Maschine, mit der Endynalos im Pokéball gehalten wurde, nun wahrscheinlich zerstört war …

Magnolica muss hier raus. Schnell!

Raelene rief Wolly zu sich und befahl ihr Watteschild einzusetzen. Dadurch verdoppelte sich die Menge an Wolle, aus der sie bestand, und war somit groß genug, dass Raelene die Professorin vorsichtig auf sie legen konnte. Da Magnolica kaum etwas wog, gelang ihr das ohne Probleme.

„Bitte, bringt sie sicher nach draußen“, bat sie Wolly und Durengard.

Zusammen waren sie ein gutes Team und bekämen das schon hin. Hoffentlich war draußen noch jemand von den Angestellten, der Magnolica direkt ärztlich versorgen könnte. Durengard stimmte zu, die Professorin weiter zu beschützen und flog bereits voraus, um Wolly den Weg zu weisen und sicherzugehen, dass ihnen nichts schaden könnte. Bevor Wolly ihm aber folgen konnte, legte Raelene auch noch das Chillabell behutsam in die Wolle, damit es ebenfalls sicher wäre. Danach lief ihr Pokémon zuversichtlich davon.

Aber was nun? Eilig lief Raelene zu Delion, der immer noch Mula festhielt, und starrte zu der Kapsel hinauf. Mit Technik kannte sie sich nicht aus. Ausgeschlossen, dass sie das Panzerglas zerstören könnten. Irgendwie war sie mit der Situation gerade ziemlich ... überfordert. Sie schluckte schwer. Was sollten sie nur tun?

Bisher hatte sie Zamazenta bewusst im Pokéball gelassen, um Endynalos nicht unnötig zu reizen. Im Notfall müsste sie aber auf ihn zurückgreifen, auch wenn es ohne Zacian wahrscheinlich schwer werden würde. Aber sie sollte nicht zu weit denken.

Delion hob den Kopf und winkte Glurak zu sich. Sein Partner folgte dieser Aufforderung sofort und als Glurak dann neben ihm stand, reichte er Mula an ihn weiter. „Halt ihn bitte fest und pass auf, dass er nichts anstellt.“

Glurak nickte, dann legte er seine Vorderkrallen auf Mulas Schultern. Nach einem Wort des Dankes wandte Delion sich anschließend ab und einer der Leitern zu, die auf die Plattformen hinaufführten, die die Kapsel umgaben. Es kostete ihn ein wenig Anstrengung, hinaufzuklettern, da sein Arm bei dieser Belastung noch mehr zu schmerzen schien. Aber er biss die Zähne zusammen.

Auf der Plattform war die Luft und der Druck offensichtlich wesentlich größer als unten da es Delion nicht einmal schaffte sich vollständig aufzurichten. Darum ging er vornübergebeugt näher an das Panzerglas heran. Das Drahtgeflecht im Inneren sprühte immer noch Funken, sogar der Pokéball schien inzwischen zu glühen.

Wenigstens war Mula still, seit Glurak ihn festhielt. Gut so. Anscheinend wusste er, ab wann man besser die Klappe zu halten hatte. Wie es aussah hatten auch Liberlo und Delions Team fast gewonnen.

„Er wird rauskommen“, hauchte Mula schließlich nervös – also hielt er leider doch nicht die Klappe. „Wir sind so gut wie tot.“

„Wie kommt man da rein?!“, fragte Raelene ihn, wobei sie auf die Kapsel deutete.

„Was?! Wozu willst du das wissen?!“

Delion näherte sich in der Zwischenzeit weiter der Kapsel und legte eine Hand auf das Panzerglas. Schmerz spiegelte sich in seinem Gesicht wider, doch etwas sagte Raelene, dass es nicht an seiner Schusswunde lag. Ihm musste ein furchtbarer Gedanke durch den Kopf gehen, den sie lieber nicht hören wollte.

„Wir müssen ihn da rausholen!“, rief Delion dann in Richtung von Raelene und Mula, um dessen Frage zu beantworten.

Mula lachte falsch. „Ihr seid total verrückt! Aber bitte, unsere einzige Chance, ihn zu töten, ist dahin ... und ich fürchte unser lieber Selbstmord-Präsident-“

Ein lautes Klatschen erfüllte den Raum und hallte von den Wänden wider. Der Schreck und die Fassungslosigkeit stand Mula ins Gesicht geschrieben, der soeben von Raelene eine kräftige Ohrfeige verpasst bekommen hatte. Sie hatte gehandelt, bevor sie darüber nachdenken konnte. Nicht nur, dass wegen Mula Delion angeschossen worden war, er hatte Magnolicas Gesundheit und die all seiner Kollegen gefährdet. Und er hatte Endynalos töten wollen. Wütend starrte sie ihn an.

„Kurz, knapp und ohne Beleidigungen: Wie kommen wir da rein?“, wiederholte Raelene.

Missbilligend verzog Mula das Gesicht. „Es gibt eine Sicherheitstür, hier unten auf der anderen Seite der Kapsel. Dafür braucht man aber den Master-Key, den man nur benutzen kann, wenn die Tür mit Strom versorgt wird. Die Vorrichtung dafür befindet sich oben.“

Während Delion direkt anfing auf seiner Ebene zu suchen, kontrollierte auch Raelene ohne zu zögern die Taschen von Mulas Kittel und wurde schnell fündig, was dieser mit einem genervten Schnauben hinnahm. Diesen Schlüssel hatte er garantiert selbst geklaut, aber egal.

Ein mechanisches Geräusch ertöne und die Luft schien sich kurzzeitig elektrisch aufzuladen. Von der Plattform aus winkte Delion ihr zu, der erklärte, dass er einige Hebel gefunden und umgelegt hatte. Falls er damit den Strom zu dieser Sicherheitstür geleitet hatte, müsste man sie nun öffnen können. Inzwischen hatte der Druck Delion regelrecht auf den Boden gedrückt.

Raelene nickte ihm zu. „Ich geh rein und hol den Pokéball da raus! Komm du lieber wieder runter!“

„Okay! Aber sei vorsichtig!

Besorgt sah Raelene Delion an. Je schneller sie sich um Endynalos kümmerte, desto eher könnte sie auch ihn verarzten. Zumindest notdürftig. Also los!

Allerdings war der Druck auch an ihr nicht spurlos vorbeigegangen, weswegen sie keine Kraft mehr hatte, um zu rennen. Deshalb kam wohl Liberlo plötzlich zur ihr geeilt, der sie ungefragt Huckepack nahm und zum Ziel tragen wollte – also mussten sie den Kampf gegen die anderen gewonnen haben. Anscheinend kamen Pokémon besser mit dem Druck zurecht als Menschen.

Als sie an der Sicherheitstür angekommen waren, bedankte Raelene sich bei Liberlo und betrachtete das Hindernis. Es sah aus wie eine kleinere Version einer Schleuse mit weitaus mehr filigraner Technik, aus der das Ganze bestand. Trotzdem machte die Tür einen schweren und massiven Eindruck.

Mit dem Master Key entriegelte Raelene eine Art Sicherungskasten neben der Tür, hinter dem sich ein weiterer Hebel verbarg. Mühevoll drückte sie diesen nach unten, woraufhin sich die Technik in Bewegung setzte. Als die Schleuse sich öffnete, kam Raelene eine unerwartet heftige Druckwelle entgegen, die sie regelrecht von den Füßen riss. Liberlo schlang geistesgegenwärtig die Arme um sie und hielt sie schützend fest.

Aus Reflex entglitt Raelene ein Schrei. Ihre Haut kribbelte unangenehm, als hätte Dedenne sie aus Versehen mit einem Donnerschock, nein, vielmehr einem Donnerblitz getroffen. Durch die Druckwelle wurden sie quer durch den Raum geschleudert und knallten schließlich heftig gegen eine Wand. Sogar Raelene blieb aufgrund der Wucht kurz die Luft weg, obwohl Liberlos Körper den Zusammenstoß für sie abfederte.

Elektrische Energie verteilte sich überall im Raum, der Druck schien etwas nachzulassen. Raelene schnappte nach Luft und rappelte sich auf.

„Liberlo!“

Panik lag in ihrer Stimme. Ihr Partner war bewusstlos und atmete nur noch schwach. Schnell half sie ihm in eine aufrechte Position und rief immer wieder verzweifelt seinem Namen. Deshalb bekam sie nicht mit, wie Mula schadenfroh schmunzelte, als der ihre Schreie vernahm. „Selbst schuld, geschieht dir recht.“

Glurak brummte und bohrte seine Krallen warnend in Mulas Schultern. Nicht zu tief, aber doch schon genug, dass es ein wenig Druck erzeugte. Auch davon bekam Raelene aber nichts mit.

Irgendwann war Delion auf einmal bei ihr und kniete sich neben sie. Er betrachtete Liberlo ebenfalls besorgt.

Raelene standen die Tränen in den Augen. Zum einen vor Schock und zum anderen aus Sorge. Bei der Härte, mit der Liberlo gegen die Wand gekracht war, hatte er sich bestimmt etwas gebrochen. Ihre Gedanken drohten in noch weitaus schlimmere Szenarien abzudriften, doch Delions Stimme half ihr dabei in der Realität zu bleiben.

„Du musst ihn in den Pokéball zurückschicken“, sagte er ruhig. „Dort ist er erst einmal sicher.“

„J-ja ... du hast recht.“

Sie musste sich zusammenreißen. Liberlo hatte sie beschützt, das durfte nicht umsonst gewesen sein. Rasch zog sie seinen Pokéball hervor und rief ihn zurück.

„Danke, Liberlo“, flüsterte sie dem Ball zu, ehe sie ihn wieder sicher in ihren Taschen verstaute.

Hatte so etwas wie ein Druckausgleich stattgefunden, beim Öffnen der Sicherheitstür? Wieder mal kannte sie sich nicht damit aus, aber das Atmen erschien tatsächlich leichter als vorher. Endynalos' Energie kribbelte immer noch auf ihrer Haut.

„D-du musst etwas dagegen drücken“, stammelte Raelene, als sie Delions Schussverletzung aus der Nähe sah. „Die Blutung ...“

Das Blut tropfte bereits von seinem Arm herab, aber er kümmerte sich nicht wirklich darum und winkte sogar ab. „Das ist nicht so wild. Ich schau mir das sofort an, wenn das hier vorbei ist. Aber erst einmal müssen wir Endynalos helfen.“

In einer solchen Situation wollte er scheinbar keine Rücksicht auf sich selbst nehmen, weil ganz Galar auf der Kippe stand. Ihr vor Sorge verzerrtes, trauriges Gesicht sorgte dennoch dafür, dass er kurzentschlossen ein Stück Stoff von dem Jackett abriss, das er noch von der Arbeit trug, und es sich notdürftig um die Verletzung band. Das dürfte vorläufig zumindest halten und beruhigte sie ein wenig.

Delion lächelte ihr schwach zu. „Wenn du willst, kannst du hier warten.“

Sacht schüttelte Raelene den Kopf und atmete tief durch, um sich zu sammeln. „Gehen wir zusammen.“

Bevor er überhaupt antworten konnte, stand sie bereits auf und bemerkte dabei, wie weich sich ihre Beine anfühlten. Aber sie wollte genauso stark sein wie Delion.

„Wenn er erst mal aus der Kapsel raus ist, beruhigt er sich vielleicht etwas.“

Und falls nicht, müssten sie ihn tatsächlich an Ort und Stelle befreien. Hoffentlich hörte er ihnen dann zu.

„Okay. Versuchen wir es“, sagte Delion, der auch wieder aufstand. „Gehen wir.“

Behutsam nahm er ihre Hand. Die Berührung gab Raelene genug Kraft, um mit ihm zusammen zu der Tür zurückzugehen, die nun offen stand – und wo Endynalos bereits auf sie wartete.



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