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Die Vertretung und die Folgen

Wenn Hündchen vor große Herausforderungen gestellt werden
von

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Mokubas Geständnis

Samstag, 15.10.
 

Er fühlte sich elendig, als er am nächsten Vormittag die Augen öffnete.

Joey hatte fast die halbe Nacht lang noch geweint, ehe er sich so weit beruhigt hatte, dass er Yami erzählen konnte, was passiert war. Zwischenzeitlich war auch Yugi da gewesen, um ihn zu trösten und er war dankbar dafür, dass die Zwei bei ihm waren. Sie hatten ihm Tee gemacht und ihm zugehört, ihm über den Rücken gestreichelt, wenn er wieder geweint hatte und ihm Mut zugesprochen.

Irgendwann war er vor Erschöpfung auf der Matratze eingeschlafen und nun stand er wie ein Stück Scheiße im Badezimmer vor seinem Spiegel und betrachtete sich. Er war zutiefst geschockt. Seine Augen gerötet vom Weinen, allein der Versuch zu lächeln, tat ihm körperlich weh und die Augenringe würde er nicht einmal mit Mais Make-Up kaschieren können. Wenn er gedacht hatte, dass er nach einer Prügelattacke seines Vaters scheiße ausgesehen hatte, dann wurde er nun eines Besseren belehrt. So beschissen hatte er noch nie in einem Spiegel ausgesehen.

Er hörte ein leises Klappern aus der Küche. Offenbar war Yugi dabei, Frühstück zu machen, denn Yami konnte das nicht. Das mit dem Herd und dem Ofen hatte er noch nicht so ganz verstanden, von daher übernahm das immer der Knirps. Lustigerweise war das einzige, was Yami in der modernen Welt ohne Probleme beherrschte, das Auto fahren. Er war da sozusagen ein Naturtalent.

Vorsichtig zog er den Frack aus, der durch das Schlafen ganz geknittert war und legte ihn vorsichtig auf die Heizung. Einen Moment lang überlegte er, ihn zu verbrennen, doch dafür war er zu schade und besser fühlen würde er sich dadurch leider auch nicht. Also verwarf er den Plan wieder und duschte sich in Ruhe und eine ganze Weile. Zwar musste er die Wasserrechnung zahlen, doch das nahm er in diesem Fall in Kauf. Andernfalls würde er heute wahrscheinlich gar nicht mehr zu einem Mensch werden.

Eine halbe Stunde später stand er neben dem Stachelkopf in der Küche und bereitete Kaffee zu.

„Konntest du etwas schlafen?“, fragte Yugi besorgt und Joey nickte. „Ja, nicht sonderlich gut, aber ich habe etwas geschlafen. Du hoffentlich auch …“ „Ja, mach dir um mich keinen Kopf. Wichtig ist, dass wir dich wieder auf die Beine kriegen.“

Joey zwang sich zu einem leichten Lächeln und trank einen Schluck Kaffee, der annähernd so gut geworden war wie der von Hina. Vielleicht sollte er sie mal anrufen und nach dem genauen Rezept fragen, denn ihr Kaffee war der mit Abstand weltbeste.

„Danke euch. Das wird etwas dauern, aber dann wird das schon wieder … Ich habe ja viele, tolle Freunde“, sagte Joey, doch die Worte klangen so hohl in seinen eigenen Ohren. Natürlich hatte er großartige Freunde und er wusste, dass sie ihm helfen würden, wo sie nur konnten, doch er war noch nicht überzeugt, dass es wirklich wieder gut werden würde …
 

Es klingelte an der Tür und Joey ging in den Flur, um aufzumachen. Es konnte nur Roland sein, der ihm wie verabredet seine Sachen aus der Villa brachte. Er betätigte den Summer und öffnete die Wohnungstür. Da er im ersten Stock wohnte, dauerte es nicht lang, bis er Roland sehen konnte, doch er war nicht der einzige, denn Mokuba rannte an diesem vorbei und direkt in seine Arme. Er sprang ihn förmlich an und Joey fing den kleinen Kaiba ohne Probleme auf.

„Hey Mokuba, was machst du denn hier?“, fragte er überrascht, dabei sollte er sich gar nicht wundern. Er verstand sich sehr gut mit dem Kurzen und das beruhte schon lange auf Gegenseitigkeit. Siedend heiß fiel ihm auf, dass er ihm noch gar keine Nachricht geschickt hatte. Mist, das war uncool.

„Joey, es tut mir so leid! Wenn ich gewusst hätte, dass das so endet … Ich versteh Seto einfach nicht!“, schluchzte der Kleine und krallte sich förmlich an ihm fest.

Der Blondschopf verstand nicht ganz, worauf der Knirps hinauswollte, doch zunächst ließ er Roland leicht lächelnd mit zwei großen Sporttaschen eintreten und schloss dann die Tür.

„Aufgrund des Umzugs und der Arbeit bin ich noch nicht dazu gekommen, auszupacken, also ihr könnt euch einfach aufs Sofa setzen“, erklärte Joey und während Yami Roland begrüßte und dieser dem Stachelkopf ins Wohnzimmer folgte, strich Joey Mokuba beruhigend über den Rücken.

„Ganz ruhig, Moki … Das wird schon alles wieder … Es braucht nur Zeit.“ Er ging ebenfalls ins Wohnzimmer, wo auch noch die Matratze lag, auf der Yugi geschlafen hatte und setzte sich mit Mokuba auf diese, da das kleine Sofa bereits besetzt war.

Yami holte noch Kaffee für Roland und sich selbst und machte Mokuba einen leckeren Kakao. Joey fragte sich, ob seine Freunde auch für ihn einkaufen gewesen waren, denn einige Sachen hatte er vorher nicht besessen, wenn er jetzt so darüber nachdachte. Wie zum Beispiel die Kaffeemaschine. Und Kakao hatte er auch Ewigkeiten nicht mehr gekauft.

„Nein, wird es eben nicht! Ich … Ich … Es tut mir so leid, Joey! Dass ich dir das alles zugemutet habe! Du hast dir so viel Mühe gegeben und uns so großartig geholfen! Das können wir nie wieder gutmachen, aber er … “ Joey biss sich auf die Unterlippe, bevor er wieder weinte. Er hatte noch gar nicht so viel wieder trinken können, wie er in den letzten Stunden ausgeweint hatte …

„Schon gut. Belassen wir es dabei, okay?“ „Nein, ich … Ich muss es dir auch sagen …“

Mokuba atmete tief durch, schaute ihm in die Augen und erklärte mit leicht zittriger Stimme: „Es gibt einen bestimmten Grund, warum ich wollte, dass du Setos Vertretung übernimmst. Du hast dich nie wie fast alle anderen von meinem Bruder einschüchtern lassen und irgendwann hatte ich den Eindruck, dass ihr euch nur angiftet, damit ihr die Aufmerksamkeit des anderen bekommt. Ich weiß nicht, wie ich es sonst sagen soll … Es schien, als müsste man euch nur in einen Raum sperren und ihr würdet merken, dass da mehr ist. Und deshalb … Deshalb wollte ich, dass du sein Stellvertreter wirst und habe mir diese Geschichte mit der Beziehung als Begründung ausgedacht. So wart ihr gezwungen, miteinander Zeit zu verbringen und ich war der festen Überzeugung, dass du Seto … dass du ihn knacken könntest. Dass ihr gemeinsam die Firma leiten würdet und wir eine Familie werden würden! Dass wir was zusammen an den Wochenenden unternehmen und Seto wieder mehr lacht … So wie früher … Bevor wir bei Gozaburo waren … Und jetzt ist alles kaputt … Es tut mir so leid, Joey. Ich wollte nicht, dass du so leidest! Das wollte ich nie!“ „Ich weiß, Mokuba … Ich weiß“, murmelte Joey, zog den Kleinen ganz eng an sich und sie weinten beide, auch wenn der Blondschopf es nicht mehr so tat wie letzte Nacht. Dafür hatte er noch nicht wieder genug getrunken.

Er spürte förmlich, wie der Schwarzhaarige sich an ihn krallte und sein T-Shirt nass weinte, doch es spielte keine Rolle.

Irgendwo tief in seinem Inneren hatte er so etwas schon vermutet und es passte einfach zu Mokuba, sich so einen Plan auszudenken, deswegen war er ihm auch nicht böse. Er konnte ja nichts dafür, dass Kaiba nichts für ihn empfand. Genau genommen konnte nicht einmal Seto etwas dafür. Er konnte seine Gefühle ja auch nicht ein- und ausknipsen.

Es sollte halt nicht sein. Er musste das nur noch irgendwie akzeptieren und einen neuen Weg finden. Einen, der nicht den von Kaiba kreuzte. Ob er in einer anderen Stadt noch mal neu anfangen sollte?

Yami und Roland standen auf einmal auf und setzten sich zu ihnen auf die Matratze, um sie besser trösten zu können. Auf dem Weg hatte Yami noch Taschentücher gegriffen, die Mokuba und Joey dankend annahmen.

Im Nachhinein wusste er nicht mehr, wie lange sie da so gesessen hatten, doch mittlerweile war es Mittagszeit, wie er mit einem Blick auf seine Uhr, die an der Wand hing, feststellte. Mokuba war so erschöpft, dass er zwischen Joey und Roland liegend eingeschlafen war, und der Blonde deckte den Kurzen mit einer Decke zu.

„Ich danke dir, dass du mir die Sachen gebracht hast, Roland“, sagte er mit gedämpfter Stimme, um den Kleinen nicht zu wecken.

„Selbstverständlich. Ich habe im Kofferraum noch die maßgeschneiderten Anzüge, weil da ja sonst niemand reinpasst, aber ich war nicht sicher, ob du die haben willst …“ „Jetzt nicht. Es wäre auch nett, wenn du den Frack noch mitnehmen könntest, aber bitte bewahre sie irgendwo auf, ja? Falls ich sie wider Erwarten doch noch brauchen sollte …“ Wieso konnte er die Hoffnung noch nicht begraben? Selbst wenn er noch einmal einen Anzug brauchen sollte, würde er niemals einen von denen nehmen. Sie würden zu viele Erinnerungen wachrufen.

Roland nickte und so saßen sie da zu dritt auf der Matratze und hingen alle schweigend noch etwas ihren Gedanken nach.
 

Die Ruhe wurde allerdings jäh durchbrochen, als nach ein paar Minuten Rolands Handy klingelte und der Assistent nahm ab und stand auf, um in einen Nebenraum zu gehen.

Joey seufzte leise und spürte, wie Yami den Kopf drehte.

„Woran denkst du?“ „Wie lange ich mich für die Schule krankschreiben lasse …“, murmelte Joey. Er konnte Kaiba die nächsten Tage, wenn nicht sogar Wochen, nicht unter die Augen treten. Das war ein Ding der Unmöglichkeit.

„Nimm dir diese Woche frei. Ich werde alles mitschreiben und wir gehen den Unterricht dann gemeinsam durch. Das wird kein Problem sein.“ „Danke Kumpel, das werde ich tun.“

Sein Blick wanderte zu dem schlafenden Mokuba, der friedlich dalag und leicht sabberte. Joey lächelte. Er hatte genau den gleichen Wunsch wie er gehabt. Mit Seto gemeinsam die Firma leiten, nicht weil er auf eine Führungsposition aus war, sondern weil das Arbeiten mit ihm überraschend angenehm gewesen war und während sich Seto um Entwicklung, Verkauf, Buchhaltung und die Rechtsabteilung gekümmert hätte, hätte er sich um Marketing, Service, die Grafikabteilung und Personal gekümmert. Sie hätten das garantiert souverän gemeistert und sie hätten mehr Freizeit gehabt, die sie zu zweit oder mit Mokuba hätten verbringen können.

Doch der Traum war wie eine Seifenblase geplatzt und er musste seine Seelenscherben alle wieder zusammensammeln, ehe er sich daran machen konnte, nach neuen Dingen Ausschau halten zu können. Hoffentlich kam Mokuba schneller darüber hinweg. Der Kleine liebte seinen Bruder abgöttisch und das sollte sich nicht ändern, nur weil sie nicht zueinander fanden. Das würde beiden nicht guttun.

Roland kam wieder zurück ins Wohnzimmer und murmelte: „Entschuldigt, aber ich muss wieder los. Ich lasse Mokuba noch hier, ja? Er kann ja Thomas anrufen, wenn er zurück nach Hause möchte.“ „Ja, ist gut. Ich gebe dir noch kurz den Frack“, erwiderte Joey und stand vorsichtig auf.

Er holte die Kleidung und Roland nahm sie an sich, um sie in den Koffer zu den anderen Anzügen zu legen. Es fiel ihm schwer, den Blick davon zu lösen, denn die Klamotten waren das letzte, was ihn noch mit Kaiba verband. Nahm Roland die mit raus, gab es in dieser Wohnung nichts mehr, was mit dem CEO zu tun hatte. Das war einerseits das beste, was ihm passieren konnte, doch andererseits blutete sein Herz bei dem Gedanken. Es war dann klar, dass es nichts mehr zwischen ihnen gab.

„Also dann, Joey. Wenn etwas sein sollte, dann kannst du dich gern melden. Ich wünsche dir die Kraft, noch stärker wieder zurückzukommen. Du bist ein wundervoller Mensch, der sein Glück garantiert noch finden wird.“ „Danke Roland. Ich ruf dich an, dann treffen wir uns mal auf einen Kaffee“, versprach Joey leicht lächelnd und der Assistent verließ die Wohnung samt Frack über dem Arm.

Der Blondschopf atmete zitternd ein und aus, dann schloss er die Tür hinter ihm und schritt zurück, wo Yami neben Mokuba anscheinend ebenfalls eingeschlafen war. Joey schmunzelte kurz, deckte seinen Kumpel ebenfalls zu und setzte sich aufs Sofa. Was sollte er jetzt tun? Emails durchgehen oder Projekte durcharbeiten, war nicht mehr drin. Den Fernseher wollte er nicht anmachen, um die anderen nicht zu wecken und auch sonst fiel ihm nichts Gescheites ein.

Schließlich begann er leise, ein paar Kisten auszuräumen, die zum Schafzimmer gehörten und räumte den Kleiderschrank ein. Das wichtigste war, dass er etwas tat. Ruhe würde ihn nur durchdrehen lassen.



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