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Die Vertretung und die Folgen

Wenn Hündchen vor große Herausforderungen gestellt werden
von

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Einladung zum Essen

Dienstag, 20.09.
 

Mokuba hatte seinen großen Bruder dazu gezwungen, nach der Schule direkt wieder in die Villa zu fahren, um von dort aus ein bisschen zu arbeiten, denn sonst würde er sich wohl gar nicht mehr ausruhen und direkt wieder durchstarten. Dabei hatte Kaiba noch mehrere Verbände, die der Hausarzt kontrollieren musste. Aber Mokuba hatte einen solch großen Einfluss auf den CEO, dass er sich seufzend seinem Schicksal ergab. Vielleicht war da auch ein Funke Einsehen, dass er es noch ruhiger angehen lassen sollte. Das konnte er aber nur vermuten.

Und so fuhr Roland zunächst an der Villa vorbei, wo Kaiba langsam ausstieg und sich mit der Krücke in Richtung Eingang in Bewegung setzte und Joey schaute ihm nach. Sie hatten noch nicht über die drei atemberaubenden Küsse gesprochen. Dabei waren sie so anders als alles gewesen, was sie vorher miteinander geteilt hatten. Warum hatte er es in der Schule so sehr darauf angelegt?

Die anderen hätten die einfachen, kurzen Küsse auch als Beweis akzeptiert, da war er sich sehr sicher, und doch hatte Kaiba ihn so intensiv geküsst. Allein der Gedanke daran ließ seine Lippen kribbeln und er schluckte. Wie konnte dieser Eisschrank so ein heißes Feuer in ihm entfachen?

Es war ihm schleierhaft und als der Wagen in die Tiefgarage fuhr, beschloss Joey, dass die Gedanken Zeit bis später haben mussten. Jetzt galt es, sich auf die bevorstehende Arbeit zu konzentrieren.
 

Das Meeting hatte in seinen Augen offengelegt, wo das Problem dieser Firma lag und das war nicht nur Seto, der sicherlich ein ausgewöhnlicher CEO war, auch Yuna hatte gezeigt, dass sie nicht so viel von Personalführung verstand und dass, obwohl das ihre Aufgabe war.

Es war nicht so, dass er sich jetzt für den Besten hielt oder so, doch er war von seinen Ideen überzeugt und deswegen würde er ein grandioses Konzept ausarbeiten, dass Kaiba nicht ablehnen konnte!

Es war komisch nach dem Meeting in das Büro zurückzukommen und allein zu sein. Er hatte sich so daran gewöhnt, dass Yuuto, Roland oder jemand anderes hier war, dass er gar nicht richtig wusste, wie es allein hier drin war.

Unangenehm, schoss es ihm durch den Kopf, als er zum Tisch schritt, um den Laptop in die Ladestation zu stecken und sich in den Sessel fallen zu lassen. Wahrscheinlich lag es daran, dass es hier nichts Persönliches gab. Kein Wunder, dass Kaiba hier drin nur arbeitete, ansonsten würde er wahrscheinlich auch durchdrehen. Vielleicht sollte er ihm zum Abschied etwas schenken, dass den Raum etwas freundlicher wirken ließ oder so. Abschied …

Würde er das Konzept bis dahin fertig haben? Und viel schlimmer noch: Würde er einfach so loslassen können? Nein, er durfte nicht schon wieder daran denken. Es gab noch viel zu tun und entschlossen lehnte sich Joey vor, lockerte die Krawatte um seinen Hals etwas und arbeitete eine Weile lang, als plötzlich sein Privathandy klingelte. Überrascht holte er es hervor, nahm unbewusst wahr, dass es bereits kurz vor 20 Uhr war und schaute auf das Display. Reicher Pinkel stand da und den Song erkannte er auch sofort, den er für ihn ausgewählt hatte. Irgendwie passte das einfach.

Genug gestarrt, geh ran, mahnte seine innere Stimme und Joey nahm den Anruf entgegen. „Hier der Straßenköter, was gibt es, Geldsack?“ Tatsächlich hörte er am anderen Ende einen vergnügten Laut, der ihm bestimmt unabsichtlich entflohen war. Anders konnte er sich das gar nicht vorstellen.

„Hunger?“, war die einfache Gegenfrage und mit gerunzelter Stirn schaute er kurz sein Smartphone an. Was ging denn jetzt mit dem Brünetten? Und konnte er nicht in vollständigen Sätzen mit ihm kommunizieren? „Überflüssige Frage, Kaiba. Dafür solltest du mich gut genug kennen.“ „Gut, dann sei in zehn Minuten in der Tiefgarage.“ „Aber ich muss noch die –“, setzte er an, wurde aber sofort abgewürgt. „Ich weiß, was noch erledigt werden muss, aber das können wir auch morgen tun. Also bis gleich.“ Tuut. Tuut. Was zur Hölle war das denn gewesen? Seit wann ließ Kaiba Arbeit sausen, um Essen zu gehen?

Einem Gedankenblitz folgend schaute er im Laptop hektisch nach, ob er vielleicht ein Geschäftsessen vergessen hatte, doch der Kalender war leer. Wieso dann also wollte Kaiba mit ihm Essen gehen? Das war ihm ein Rätsel und schnell beantwortete er noch zwei Emails, ehe er den Laptop herunterfuhr.

„Joey?“, fragte eine Stimme und überrascht sah er auf, während er seine Tasche zusammenpackte. „Yuuto! Was gibt es?“ „Ich habe gehört, du darfst mit Genehmigung des Bosses die halbe Firma umgestalten?“, erkundigte er sich gut gelaunt und Joey antwortete: „Na das spricht sich ja schnell rum, aber ja, ich soll ein Konzept für das Personalwesen entwickeln, um Pluspunkte bei den Mitarbeitern zu sammeln und attraktiver für andere zu werden.“ „Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich dir vor dem Lunch da so einen Floh ins Ohr gesetzt habe“, gab dieser lächelnd zu und blieb in der Nähe der Tür stehen.

Joey prüfte kurz, dass er alles dabeihatte, dann nahm er die Tasche und grinste Yuuto an. „Wenn man so viel Zeit auf Arbeit verbringt, sollte sie wenigstens halbwegs Spaß machen und die Probleme nicht von innen kommen. Das wird uns am Ende noch sehr viel bringen, aber der Weg dahin wird sehr lang und sehr anstrengend. Aber jetzt muss ich los, sorry.“ „Ja, ich seh das schon. Seit wann machst du so früh Feierabend?“ Yuuto hielt ihm netterweise die Tür auf und er trat hindurch, sah Yukiko noch hinter dem Tresen sitzen und antwortete: „Kaiba will noch mit mir essen gehen. Keine Ahnung, was in den gefahren ist, denn es steht kein Termin im Kalender, aber bei Essen kann ich einfach nicht nein sagen.“ Er grinste schief, als Yuuto ihn schmunzelnd verabschiedete und viel Spaß wünschte. Yukiko schloss sich ihm an und Joey ließ die Beiden nach einem „Schönen Feierabend und bis morgen“ zurück.

Als sich die Fahrstuhltüren schlossen und er noch sehen konnte, wie sich Yuuto mit einem Arm auf den Tresen stützte und mit der Sekretärin sprach, hatte er das Gefühl, dass sie ganz falsche Schlüsse zogen.
 

Joey stellte den Koffer vor sich in eine Halterung, die Kaiba mal hatte anbringen lassen, wie Roland ihm erklärt hatte und schnallte sich an. „Also Kaiba, was gibt es?“, wollte er direkt wissen, als Kei losfuhr und der Brünette musterte ihn kurz von der Seite her. „Was sollte schon sein? Ich führe meinen Lebensgefährten zum Essen aus, damit die Öffentlichkeit weiter den Eindruck hat, dass wir zusammen sind“, erwiderte er etwas steif und Joey nickte. Das ergab Sinn. Wenigstens einmal sollte man sie wohl bei einem Date sehen, sonst würde das sicherlich nur wieder dummes Geschwätz nach sich ziehen. Und vielleicht würden dann die Gerüchte über seine Affäre mit Yugi etwas nachlassen.

Dennoch war da ein kleiner Stich, von dem er genau wusste, was er zu bedeuten hatte, aber er musste loslassen. Die Küsse vergessen, die Finger in seinem Nacken, die ihn so wunderbar streichelten und die Blicke, die es da ab und an zwischen ihnen gab.

Selbst beim Meeting vorhin war da so ein Moment gewesen, wo sie sich nicht hatten voneinander lösen können, obwohl sie sich nur durch die Kamera gesehen hatten. Es war ganz seltsam gewesen, aber nicht schlecht oder so, nur … ungewöhnlich.

Kaibas Blick lag auf ihm und ihm fiel siedend heiß auf, dass er noch gar nichts dazu gesagt hatte und so meinte er schnell: „Gute Idee. Und Essen geht halt immer.“ Er grinste breit und hoffte, dass Kaiba es dabei beließ, und zum Glück tat er das auch, sodass er nach draußen schaute.

Es war gerade einmal kurz nach 20 Uhr. Normalerweise wäre er noch ein bis zwei Stunden geblieben und wäre dann erst nach Hause gefahren, um dort noch die letzten Reste zu erledigen. Das Konzept anfangen zum Beispiel. Oh, da fiel ihm etwas ein!

„Ach so, ich wollte mich noch einmal bei dir für vorhin entschuldigen.“ „Hm? Was meinst du?“ „Dass ich dich während des Meetings Idiot genannt habe. Das war unprofessionell und ich wollte nicht so respektlos sein. Das war dumm von mir. Du warst, bist und bleibst der Boss und als Vertreter hätte mir das so nicht passieren dürfen. Ich hoffe, ich habe dich nicht zu sehr blamiert.“

Zwar hatte er sich schon kurz entschuldigt, nachdem das passiert war, aber er wollte ihm zeigen, dass er das auch wirklich verstanden hatte. Wie sie sich privat benahmen, war privat und öffentlich war öffentlich. Das musste er unbedingt bedenken. Aber manchmal war sein Mund eben schneller als sein Kopf und dann passierte so ein Mist.

Seto, der ebenfalls aus dem Fenster geschaut hatte, drehte den Kopf zu ihm und da waren sie wieder: Diese eisblauen Augen, die ihn hypnotisierten, sodass er den Blick nicht abwenden konnte. Der ihn alles um ihn herum vergessen ließ und den Wunsch weckte, dass Kaiba mehr in ihm sah, als einen Straßenköter, der es geschafft hatte, seine Firma nicht gegen die Wand zu fahren. Es war so albern und er kam sich so blöd vor, aber er bildete sich ein, dass dieser Blick nicht mehr so respektlos und kalt war wie noch vor dem Unfall. Oder war das nur sein verdammtes Wunschdenken?

„Darüber machst du dir noch Gedanken?“ Die Frage brachte ihn so aus dem Konzept, dass er den Blickkontakt abbrach und plötzlich war er wieder in der Realität. Die Limousine, die sich durch den Verkehr schlängelte, der Geruch von Leder und Parfums, die sie beiden trugen, die gedämpften Geräusche von draußen. Der magische Moment war weg und er fühlte sich wie ein begossener Pudel.

„Ich ähm … Ja?“, hakte er unsicher nach und wusste nicht, was er erwartet hatte, doch Seto schmunzelte. Es wirkte ehrlich vergnügt und nicht so herablassend und arrogant wie sonst immer und Joey spürte, wie sein Herz doppelt so schnell weiterschlug. Ob er das wohl noch öfters sehen konnte?

„Ich habe dich darauf aufmerksam gemacht und du hast dich entschuldigt, damit war das Thema für mich erledigt. So einsichtig kenne ich dich gar nicht, Wheeler.“ Der Nachname triggerte etwas in ihm, als er sofort zurückschoss: „Du kennst mich sowieso nicht richtig, reicher Pinkel! Aber …“ Sein Blick wanderte wieder aus dem Fenster, ohne dass er darauf achtete, was er da zu sehen bekam. „Als Vertreter muss ich mir doch Mühe geben und da muss ich solche Ereignisse auch selbst reflektieren, damit sie in Zukunft nicht mehr passieren. Du hast das ja schon perfektioniert. Es ist fast etwas gruselig, wie du zwei verschiedene Charaktere hast, je nachdem, wo du bist.“ „Es bleibt nicht aus, dass man als Person des öffentlichen Interesses sehr gut schauspielern muss. Hast du wirklich geglaubt, ich wäre zu Hause genauso zu Mokuba wie draußen oder zu euch? Er ist meine einzige Familie.“ „Ja! Nein! Ach, ich weiß auch nicht. Wenn man jahrelang immer nur die gleiche Seite zu Gesicht bekommt, glaubt man irgendwann schon, dass es auch nur die eine gibt“, entgegnete er ehrlich und fühlte sich mit einem Mal irgendwie so unwohl. Dieses Gespräch entwickelte sich ganz anders, als er gedacht hatte.

„Sei versichert, dass es nicht nur die eine gibt, aber wie du selbst merkst, muss man sich an die Gegebenheiten anpassen.“ Ja, das hatte Joey auch erkannt. Obwohl es ihm überhaupt nicht passte, so hatte er sich bereits in vielen Dingen angepasst, denn hier ging es nicht um ihn, nicht einmal um Seto oder die Firma, sondern in erster Linie um Mokuba. Für ihn hatte er es bis hierhergeschafft und würde noch weiter gehen, damit sich der Kurze keine Sorgen machen musste.

Ein Lämpchen blinkte kurz auf und im nächsten Moment meldete sich Kei bei ihnen: „Wir werden in fünf Minuten vor Ort sein.“ „Danke Kei.“ Kaiba warf noch kurz einen Blick auf sein Smartphone und Joey wusste nicht so recht, was er davon halten sollte, aber er war nervös – furchtbar nervös. Dabei war es doch nur ein Essen!



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