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Star Trek - Timeline - 07-03

Finale auf Krendara
von

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Prolog

Senatssaal des Regierungsgebäudes

Sternenzeit: 241386.4

Zentralwelt der Galaktischen Föderation - Erde - Sol-System
 

Der Saal des Senats der Vereinten Galaktischen Föderation glich jenem viel älteren Saal des Föderationsrates der alten Vereinten Föderation der Planeten. Ein neuer Saal in einem neuen Regierungsgebäude für eine neue Föderation. Auch hier lagen sich die Plätze der Senatoren gegenüber, so wie früher im ursprünglichen Ratssaal der ehemaligen Föderation. Wobei dieser länglich rechteckige Saal deutlich größer dimensioniert war, denn er musste nun insgesamt 229 Senatoren dieser neu initiierten Föderation Platz bieten.

Gegründet worden war die Vereinte Galaktische Föderation im Jahr 2500. In einer gewaltigen Zeremonie war der Zusammenschluss der drei größten Machtbereiche des Alpha- und Beta-Quadranten begangen worden. Das war nun 64 Jahre her.

Die Vereinte Föderation der Planeten hatte sich zusammengeschlossen mit dem Klingonischen Reich und dem Romulanischen Sternenimperium. Alle drei Großmächte waren der internen Streitigkeiten müde geworden, die sie Jahrhunderte lang nicht nur Leben, sondern gleichfalls wertvolle Ressourcen gekostet hatten.

Ein weiterer Grund hatte darin bestanden, dass die Föderation im Jahr 2450 erfolgreich den ersten Raumschiff-Prototyp mit einem Quantenslipstream-Antrieb getestet hatte. Von da an wären die Raumschiffe der Föderation jederzeit dazu in der Lage gewesen, überraschend und in kürzester Zeit in andere Sternenreiche einzufliegen und militärische Aktionen durchzuführen, bevor der Gegner hätte reagieren können.

Das hatte die Föderation nicht getan, was einer der maßgeblichen Gründe dafür gewesen war, warum die ehemalig verfeindeten Sternenreiche genug Vertrauen aufbrachten, um sich zusammenzuschließen. Ein anderer Grund, der bisher noch weitgehend ein Traum war: Mit Sternenschiffen, die über einen Quantenslipstream-Antrieb verfügten, lag es im Bereich des Möglichen, in einer absehbaren Zeitspanne damit zu beginnen den Abgrund zwischen den Sterneninseln zu überwinden. Bereits seit einiger Zeit gab es Bemühungen, ein Raumschiff zu einer der benachbarten Zwerggalaxien zu schicken. Flüge zu den Magellanschen Wolken waren bereits mehrmals erfolgreich durchgeführt worden.

Der dritte Grund war vielleicht der hauptsächlich entscheidende gewesen. Vor 79 Jahren war das Transwarpnetz der Cryllianer endgültig kollabiert. In einer Hyper-Kaskade, die sich quasi innerhalb weniger Minuten durch den Subraum fortgepflanzt hatte. Es wurde vermutet, bis nach Andromeda. Dieses Ereignis war innerhalb der gesamten Milchstraße anzumessen gewesen, mit den entsprechenden Subraum-Scannern. Die Wahrscheinlichkeit war hoch, dass dieses Ereignis jedoch in weitaus größerem Umfang beobachtet hatte werden können. Führende Wissenschaftler vermuteten, dass dieses Ereignis ebenfalls in der Triangulum-Galaxie und allen kleineren Galaxien der lokalen Gruppe anzumessen gewesen war. Das konnte möglicherweise bisher noch unbekannte Neugierige auf den Plan rufen.

Man wusste von verschiedenen Spezies, die in früheren Zeitaltern bereits die Grenzen der Milchstraße hinter sich gelassen hatten. Was nun, wenn eine solche Spezies zurückkehren würde, um nachzuschauen, was passiert war? Einer solchen möglichen Gefahr konnten die Völker der Milchstraße voraussichtlich nur gemeinsam begegnen.

An all diese Dinge dachte der hochgewachsene andorianische Senator, der zwei Falten seiner traditionellen Robe glatt strich. Die Farbe des weit fallenden Gewandes lag irgendwo zwischen Grau, Blau und Silber. Die Augen des andorianischen Senators waren dabei unverwandt auf die Senats-Präsidentin gerichtet. Auffällig an den Augen des Andorianers war der bläulich-violette Ton der Iris. In seiner Familie hatte fast die Hälfte aller Mitglieder diese Augenfarbe besessen. Ein weit verbreitetes Merkmal bei Andorianern, die auf dem andorianischen Halbkontinent Ka´Thela geboren worden waren. Besonders in der Provinz Dhara gab es sehr viele Andorianer mit diesem besonderen äußeren Merkmal.

Das silbrig-weiße Haar des Andorianers war leicht gewellt und fiel ihm bis auf die Schultern. Nur sehr wenige Andorianer trugen das Haar auf diese Weise. Auch unter seinen Vorfahren hatte es nur einen einzigen Mann gegeben, der es auf diese Weise getragen hatte.

Endlich schloss Präsidentin Devarin das noch laufende Thema, Handelsgespräche mit den Voth, ab und richtete ihren Blick auf ihn. Die asketisch wirkende Romulanerin nickte ihm zu und sagte mit klarer Stimme: „Ich richte das Wort nun an Sie, Senator Thy´Var Dheran.“

Der Angesprochene erhob sich würdevoll und schritt durch eine der Öffnungen in der Brüstung auf den Gang zwischen den beiden Sitzreihen, die sich gegenüberlagen. Über den hellgrauen Marmor bewegte sich Thy´Var Dheran gemessenen Schrittes auf die erhöhte Empore zu. Dorthin, wo die Präsidentin mit ihrem Stellvertreter und dem Stabs-Chef der Sternenflotte saß. Erst jetzt wurde ersichtlich, dass der Andorianer auch ohne Antennen über 1,90 Meter hochgewachsen war.

Der andorianische Senator legte seine Hände auf den Rücken und verneigte sich leicht in Richtung von Devarin und blieb im Gang stehen.

„Ich danke Ihnen, Madam Präsident“, sagte der Andorianer höflich und wandte sich danach den anderen Senatoren zu. „Ich habe dem Senat einen Vorschlag zu machen. Wie Sie allen hier wissen, verehrte Senatorinnen und Senatoren, hat eins unserer Forschungsschiffe vor zwei Jahren, am Rand des Zentrumskerns unserer Galaxie, die Warpsignatur eines Raumschiffs gescannt. Sie wurde von dem Raumschiff einer humanoiden Spezies erzeugt, die erst am Beginn der Eroberung des Kosmos steht. Wie wenig später beim offiziellen Erstkontakt bekannt wurde, handelte es sich dabei bereits um den zweiten Warpflug dieser Spezies, der diese Signatur hinterließ. Seitdem beobachtete unser nahegelegener Außenposten auf Grulinak IV die weiteren Schritte dieser Spezies, die sich selbst Krendaraner nennen. In den letzten beiden Jahren hat diese Spezies eine kleine Flotte von sieben überlichtschnellen Raumschiffen gebaut und damit die umliegenden Sternensysteme angeflogen. Den Besatzungen unserer Raumschiffe ist dabei ein wesentliches Detail aufgefallen. Keins der Raumschiffe besitzt irgendeine Offensivbewaffnung. Alle Raumschiffe der Krendaraner besitzen hingegen Schilde und Deflektoren. Was als besonders bemerkenswert einzustufen ist: Alle Schiffshüllen sind aus einem halb-organischen Kunststoff gefertigt. Etwas, dass wir bisher niemals in dieser Form kennengelernt haben.“

Dheran, der beim Reden von der Empore weg, an den Sitzbänken entlang geschritten war, machte eine Pause und wandte sich wieder in Richtung der Präsidentin. „Worauf ich hinaus will ist Folgendes: Ich schlage vor, Verhandlungen mit den Krendaranern aufzunehmen, über einen Beitritt zur Föderation. Wie Sie wissen, existiert an der Grenze zwischen dem Raum der Föderation und dem Raum des Dominion, seit zwei Jahren, eine scharfe Grenze mit einer Überlappungszone von jeweils fünf Lichtjahren, was die Besiedlung von Welten betrifft. Das Krenda-System, wie es von seinen Bewohnern genannt wird, liegt zwar zwei Lichtjahre auf unserer Seite der Grenze, doch damit auch innerhalb der Überlappungszone. Vor einem halben Jahr ortete unser Außenposten mehrere Kreuzer der Jem´Hadar. Sie zeigten kein Interesse an Krendara, doch das könnte sich irgendwann ändern. Ich würde die Krendaraner lieber als Mitglied der Föderation sehen, denn als Mitglied des Dominion. Zumal der Erstkontakt nun bereits zwei Jahre zurückliegt.“

Wieder machte der Andorianer eine kleine Pause, um seine Worte wirken zu lassen, bevor er auf etwas zu sprechen kam, das nicht allein ihn umtrieb. „Verehrte Mitglieder des Senats. Sie wissen, dass sich das Dominion heute weit in den Delta-Quadranten erstreckt. Das wissen wir durch die Voth. Seitdem das Netz der Transwarpkanäle, im Jahr 2378, von der VOYAGER zerstört, und die Borg weitgehend vernichtet wurden, gewann das Dominion dort massiv an Einfluss. Viele Spezies in diesem Sektor der Milchstraße wurden in das Dominion eingegliedert. Auf diese Weise entstand dort ein Machtbereich, der annähernd ebenso viele Spezies umfasst, wie unsere Galaktische Föderation. Darum sollten wir darauf bedacht sein, friedliebende Spezies, wie die Krendaraner, lieber in die Föderation aufzunehmen, als sie und ihr Wissen leichtfertig an das Dominion zu verlieren.“

Dheran hatte wieder das vordere Ende der beiden Sitzreihen erreicht und wandte sich erneut zu den Senatoren um. Während er seine Kollegen erwartungsvoll ansah, brandete Applaus auf.

Thy´Var Dheran wartete einige Augenblicke, bevor er sich zur Seite drehte und die Präsidentin auffordernd ansah.

Die Romulanerin stand auf und schritt zum Rednerpult. Mit einer Handbewegung bat sie um Ruhe und sagte dann: „Ich danken Ihnen für diese Ausführung, Senator Dheran. Ich bitte nun die Senatoren, mit Hilfe Ihre Konsolenkontrollen über diese Eingabe abzustimmen.“

Es dauerte weniger als eine Minute, bis das Ergebnis an beiden Stirnseiten des Saales, in großen Holo-Lettern angezeigt wurde. 217 Senatoren hatte für den Antrag gestimmt und 10 dagegen, bei 2 Enthaltungen.

Die Antennen des Andorianer spreizten sich und er lächelte zufrieden, als er wieder nach vorne zu Devarin sah.

Mit tragender Stimme verkündete die Präsidentin des Senats: „Der Antrag zur Aufnahme von Verhandlungen über einen Beitritt der Krendaraner zur Föderation ist damit angenommen. Senator Dheran: Ich verleihe Ihnen den Status eines Sonderbotschafters und beauftrage Sie damit, die Verhandlungen zu beginnen und für die Föderation zu sprechen. Ich werde Ihnen später mitteilen, wann Sie aufbrechen können und Ihnen die Einzelheiten für die Reise nach Krendara mitteilen. Bitte nehmen Sie wieder Platz.“

Erneut verneigte sich Dheran in Richtung der Romulanerin und suchte danach seinen Platz auf. Noch zwei weitere Punkte standen auf der Tagesordnung, auf die sich der Andorianer jedoch nicht mehr mit voller Aufmerksamkeit konzentrieren konnte. Seine Gedanken eilten den Dingen bereits voraus.
 

* * *
 

Nach der Sitzung schritt Thy´Var Dheran neben seiner Kollegin von Vulkan durch die große Marmorhalle des Eingangsbereiches. Beide diskutierten über mögliche Fernreisen von Forschungsraumschiffen und die interessantesten Destinationen.

Am Eingang verabschiedeten sich beide Senatoren voneinander und mit zufriedener Miene schritt der Andorianer die breite Freitreppe hinab. Am Fuß der Treppe entdeckte er dabei eine Andorianerin, die er nur zu gut kannte. Seine Mutter, Tal´Irid Dheran.

Seine Mutter war vor ihm Senatorin von Andoria gewesen. Bis er vor sieben Jahren ihr politisches Erbe angetreten hatte. Doch noch immer interessierte sie sich sehr für die Vorgänge im Senat und natürlich wusste sie von seinem Antrag ihres Sohnes. Erwartungsvoll sah sie Thy´Var an, als er ihr rasch entgegenkam und zur Begrüßung ihre Handgelenke umfasste, so wie sie die seinen.

„Ich freue mich dich zu sehen, Mutter.“

Die Antennen der um eine Handbreit kleineren Andorianerin spreizten sich. „Ich freue mich ebenso sehr, Thy´Var. Deinem zufriedenen Gesicht nach wurde der Antrag positiv aufgenommen, im Senat.“

Der Senator ließ die Handgelenke seiner Mutter los und sagte stolz: „Es gab nur zehn Stimmen dagegen und zwei Enthaltungen. Ich werde bald, als Sonderbotschafter der Föderation, über einen Beitritt der Krendaraner zur Föderation mit ihnen verhandeln.“

In den Augen der Andorianerin leuchtete ein anderer Stolz auf, als in den Augen ihres Sohnes. Der Stolz einer Mutter auf die Leistungen ihres Kindes. „Ich freue mich für dich.“

Die andorianische Frau hakte sich bei ihrem Sohn ein und sie gingen über den weiten Vorplatz des Regierungsgebäudes.

Eine Menge Leute waren heute unterwegs. Viele Wesen genossen offenbar das gute Wetter an diesem 21. Mai des Jahres 2564. Sehr viel hatte sich verändert, in den letzten zweihundert Jahren.

So war das Regierungsviertel seither fast komplett umstrukturiert worden. Die meisten der ehemals dort stehenden Gebäude waren durch neue, modernere ersetzt worden. Den Abschluss dieser Veränderung hatte das Regierungsgebäude gemacht. Hatte sich das alte Gebäude durch reine Funktionalität ausgezeichnet, so war man beim Bau des neuen Regierungsgebäudes wieder zu mehr Kunst und Ästhetik zurückgekehrt.

Vielleicht auch deswegen, weil der dreijährige Krieg gegen die extragalaktische Spezies der Kor-Naxa, in den Jahren 2401 bis 2404 der vorerst letzte Krieg gewesen war, den die Föderation hatte überstehen müssen. Nach dem Friedensschluss mit den Vertretern dieser pflanzlichen Lebensform war eine einhundertsechzigjährige Phase des Friedens gefolgt. So lange hatte man die Föderation bisher noch nie in Ruhe gelassen.

Humorig erkundigte sich Thy´Var bei seiner Mutter: „Wohin gehen wir eigentlich?“

Die Frau bedachte ihren Sohn mit einem Blick, der sich mitunter auch bei ihm wiederfand. Meistens dann, wenn er seinem etwas gewöhnungsbedürftigen Humor frönte.

„Ich bin mit dem Gleiter hier. Ich dachte mir, du würdest dich über eine Einladung zum Essen freuen. Dein Vater und ich haben dich seit Wochen nicht mehr zu sehen bekommen. Steckt vielleicht endlich mal eine Frau dahinter?“

Die Antennen des jüngeren Andorianers bogen sich etwas nach innen. „Woher willst du eigentlich so genau wissen, dass ich nicht auf Männer stehen?“

Die Augenbrauen der Andorianerin an Thy´Vars Seite hoben sich und amüsiert erwiderte sie: „Thy´Var Dheran, ich kenne dich seit vierundvierzig Jahren. Für wie wahrscheinlich hältst du es, dass mir so etwas entgangen wäre?“

Thy´Var seufzte schwach. „Ein Punkt für dich, Mutter.“

Mit verschmitzter Miene meinte die Andorianerin: „Vielleicht findest du ja eine nette Partnerin während des Aufenthaltes auf Krendara.“

Thy´Var Dheran spielte mit und erwiderte humorig: „Dann würden unsere Wohnorte mehr als siebenundzwanzigtausend Lichtjahre voneinander entfernt sein. Was willst du mir damit sagen, in Bezug auf die Ehe, Mutter?“

Ein leises Lachen war die Antwort. Dann meinte Tal´Irid Dheran: „Wem ich auf jeden Fall etwas sagen werde, ist der Captain des Raumschiffs, der dich nach Krendara bringen wird. Denn ihn, oder sie, unverhofft mit deinem Humor zu konfrontieren wäre unverantwortlich, möchte ich behaupten. Es soll ja nicht bereits vor den Verhandlungen zu peinlichen Momenten kommen.“

Als sie den Gleiter erreichten, beschwerte sich Thy´Var bei seiner Mutter: „Jetzt übertreibst du aber. Hier und da ein kleiner Spaß lockert die Stimmung auf.“

„Darüber reden wir Zuhause“, wich seine Mutter aus. „Steig lieber ein, dein Vater erwartet uns sicher schon voller Ungeduld.“
 

* * *
 

Eine Woche später stand Thy´Var in der Beobachtungslounge der neuen Raumstation über der Erde. Sie hatte Sternenbasis-1 im Jahr 2536 abgelöst. Statt einer Pilzsektion besaß diese Station derer zwei, wobei der Durchmesser der oberen Pilzsektion fast doppelt so groß war, wie jener der alten Station. Selbst die darunter befindliche kleinere Pilzsektion war im Durchmesser immer noch um 20 Prozent größer.

Im Gegensatz zu der Robe, die Thy´Var Dheran vor acht Tagen bei seiner Rede vor dem Senat getragen hatte, wirkte die nachtblaue Lederkombination, die er nun anhatte, eher schlicht. Lediglich ein silbernes Symbol am hohen Kragen wies auf seinen Status als Regierungsbeauftragter hin. In seiner Umhängetasche befand sich nur das Nötigste, was er auf dieser Mission brauchen würde.

Thy´Var Dheran war etwas zu früh dran. Er sollte hier von einem Offizier des Raumschiffs abgeholt werden, das er momentan durch die Panzer-Duralum-Scheibe betrachtete. Es wirkte erhaben, beinahe majestätisch. Mit einer Länge von 642 Metern gehörte dieses Raumschiff der INFINITY-KLASSE zu einem der größten innerhalb der Galaktischen Sternenflotte.

Da das Typenschiff dieser Klasse, die INFINITY, erst vor 14 Jahren in Dienst gestellt worden war, musste dieses Raumschiff, die ASTRAL-VOYAGER, jüngeren Datums sein. Bisher hatte er selbst nur Bilder dieser Klasse gesehen. In der Realität wirkten diese Raumschiffe sehr viel beeindruckender.

Dheran hatte, im Laufe der letzten Tage, ein Memo über Schiff und Crew erhalten. Darin hatte es unter anderem geheißen, dass der Captain eine zweiundvierzig irdische Jahre alte Frau war. Ihr Name war Carmen Denise Sinemus.

Zwei Jahre lang hatte Captain Sinemus ein Raumschiff der GAGARIN-KLASSE geführt, bevor sie, erst vor weniger Monaten, das Kommando über dieses Raumschiff übernommen hatte. Dem Memo nach galt sie als sehr ehrgeizig und gleichfalls sehr fähig.

„Senator Dheran?“

Der Andorianer fuhr aus seinen abschweifenden Gedankengängen auf. Als er den Kopf zur in die Richtung wandte, woher die sonore Stimme gekommen war, erkannte er einen untersetzten Lieutenant Junior-Grade. Es handelte sich um einen Rigelianer.

„Sie sind der Offizier, der mich an Bord der ASTRAL-VOYAGER geleiten soll?“, sprach Dheran den Mann in schwarzer Kombination an. An den Schultern war die Uniform dunkelgrau abgesetzt. Ein fingerbreiter roter Streifen lief an den Rändern dieses grauen Stoffs entlang. Vorn schaute der, in demselben Rot gehaltene, Uniformpulli nur durch die schmale Öffnung zwischen den beiden Enden des hohen grauen Kragens.

Der Rigelianer bestätigte: „Richtig, Sir. Ich bin Lieutenant Scrillam. Möchten Sie, dass ich Ihr Gepäck nehme?“

„Nein, danke. Das schaffe ich schon, Lieutenant.“

Der Rigelianer setzte sich in Bewegung und Thy´Var Dheran folgte dem Mann. Als sie nebeneinander den Gang durchschritten, der sie zum Andock-Tunnel bringen würde, der momentan mit der Backbordschleuse der Primärhülle der ASTRAL-VOYAGER verbunden war, fragte Dheran: „Ach, Lieutenant. Ich hörte, dass es an Bord des Raumschiffs eine besondere Schiffsplakette gibt. Stimmt das?“

Der Lieutenant machte eine zustimmende Geste. „Ja, Senator Dheran. Das Metall für die Plakette wurde aus dem Erz eines Meteoriten gewonnen, der vor einigen Jahren auf der Erde einschlug. Es war der erste, seit mehreren hundert Jahren, der unserem Abwehrsystem entging. Allein das macht ihn zu etwas Besonderem.“

Dheran sah die Chance, sich einen Spaß mit dem Rigelianer zu machen, und er erkundigte sich, ohne eine Miene zu verziehen: „Termiten? Wo kamen die denn her?“

Etwas ratlos sah der Rigelianer Dheran an. „Ich sagte Meteoriten, Sir.“

Thy´Var Dheran wandte sich kurz ab, damit der junge Mann sein Grinsen nicht bemerkte. Danach meinte er: „Ach so.“

Gleich darauf war Dheran dazu bereit, seinen nächsten Ulk zu starten. Die Steilvorlage gab ihm Lieutenant Scrillam, als er harmlos fragte: „Ich muss Sie das leider fragen, bevor wir an Bord gehen, Sir. Haben Sie eine Waffe?“

„Ein Affe? Nein, ich habe keinen gesehen. Gibt es Affen an Bord? Ist das erlaubt?“

Diesmal schwieg der Lieutenant nicht, sondern er wiederholte etwas lauter: „Nein, Sir. Ich sagte Waffe. Wie Strahlengewehr.“

Dheran amüsierte sich köstlich, ohne sich dies anmerken zu lassen. Er trieb den Witz auf die Spitze, indem er fragte: „Ein Affe im Straßenverkehr? Wann… Wo?“

Scrillam sah den Andorianer entgeistert an. „Nein! Ich sagte Strahlengewehr!“

Thy´Var Dheran verbiss sich krampfhaft ein breites Grinsen und murmelte mühsam beherrscht: „Wirklich seltsam: Ein Affe im Straßenverkehr und dann auch noch bewaffnet? Na ja, andere Planeten - andere Sitten, fürchte ich.“

Dheran sah den Rigelianer, der stehengeblieben war und offensichtlich am Verstand seines Gegenübers zweifelte, ernsthaft an, bis ihn die Miene des Lieutenants zum Lachen reizte. Als sich der Andorianer wieder beruhigte, meinte er entschuldigend: „Tut mir wirklich leid, Lieutenant. Mein verdrehter Sinn für Humor ist mit mir durchgegangen. Bitte verzeihen Sie mir den kleinen Spaß, den ich auf Ihre Kosten gemacht habe.“

Der Lieutenant atmete sichtlich erleichtert auf, bei diesen Worten. „Sir, da haben Sie mich ja ganz schön veralbert. Ich hatte mir schon Sorgen um Sie gemacht.“

Der Andorianer lächelte breit und erwiderte leichthin. „Vergessen wir den kleinen Scherz, Lieutenant. Ich schätze, Ihr Captain erwartet mich bereits.“

„Ja, Sir. Wir sollten Captain Sinemus nicht warten lassen.“

Der Rigelianer führte den Senator auf kürzestem Weg auf die Brücke, wo sich der Andorianer interessiert umsah, während Scrillian sein Hiersein dem Captain meldete. Erst nach einem langen öffnete sich das Schott zum Bereitschaftsraum des Captains wieder und der Rigelianer bat ihn einzutreten, während er selbst sich danach rasch von der Brücke entfernte. Dheran sah im schmunzelnd nach und trat dann ein.

Noch während sich hinter dem Andorianer das Schott schloss, erhob sich die schlanke, schwarzhaarige Frau, die hinter dem Arbeitstisch saß. Am rechten Kragen erkannte Dheran die Insignien eines Captains der Galaktischen Sternenflotte.

Rasch den Arbeitstisch umrundend kam die hochgewachsene Frau auf ihn zu und reichte ihm ihre Hand. Dabei sagte sie mit angenehmer Stimme: „Herzlich willkommen auf der ASTRAL-VOYAGER, Senator Dheran. Ich hoffe, Sie werden sich hier wohlfühlen.“

Thy´Var Dheran erwiderte den erstaunlich festen Händedruck der Frau, die nur eine Handbreit kleiner war, als er selbst. Dabei sah er in ihre dunkelbraunen Augen und erwiderte mit sonorer Stimme: „Ich werde den Aufenthalt bestimmt genießen, Captain Sinemus. Sie befehligen ein sehr beeindruckendes Raumschiff.“

Es ist nur halb so beeindruckend wie seine Crew, Senator“, gab Carmen Sinemus zurück. „Ich hoffe nur, Sie werden sie nicht mit Ihrem Humor verschrecken, Sir.“

Etwas verwundert ließ Thy´Var Dheran die Hand der Frau los und seine Antennen richteten sich auf sie. Zunächst hatte er für einen Augenblick den Rigelianer im Verdacht etwas ausgeplaudert zu haben, doch dazu war er gar nicht lange genug in diesem Raum gewesen. „Woher wissen Sie von meinem etwas schrägen Humor, Captain?“

Carmen Sinemus warf ihr langes Haar schwungvoll zurück und verschränkte die Finger der Hände vor dem Körper. „Nun, Senator Dheran, ich unterhalte gute Kontakte zum Geheimdienst der Sternenflotte. Außerdem gibt es da ein paar Bekannte bei der Sek...“

„Meine Mutter hat mit Ihnen gesprochen“, konstatierte Dheran, bevor die Frau den Satz zu Ende bringen konnte.

„Ihre Mutter hat mit mir gesprochen“, bestätigte die Frau, sichtlich vergnügt. Mit einem Augenzwinkern fragte sie: „Darf ich Ihnen zuerst etwas zu trinken anbieten, Senator? Oder möchten Sie lieber, dass ich Sie sofort durch das Raumschiff führe? Ich könnte Ihnen bei der Gelegenheit gleich Ihr Quartier zeigen, wo Sie Ihr Gepäck abstellen können.“

„Ich würde gerne das Schiff sehen“, traf Dheran seine Wahl. „Und bitte nennen Sie mich nicht Senator, sondern Thy´Var, wenn niemand sonst dabei ist.“

„Nur, wenn Sie mich dann Ihrerseits nicht Captain nennen, sondern Carmen.“

Die Antennen des Andorianers richteten sich auf. „Nicht Carmen Denise?“

Das Gesicht der Frau verzog sich, als habe sie in eine Zitrone gebissen. „Nur das nicht. So hat mich meine Mutter als Kind nur dann gerufen, wenn ich etwas angestellt hatte.“

Neugierig richteten sich die Antennen des Andorianers wieder auf die Schwarzhaarige. „Haben Sie als Kind oft etwas angestellt?“

Carmen Denise Sinemus lachte herzlich. „Sie haben ja keine Ahnung, Thy´Var. Kommen Sie, bevor diese Unterhaltung noch peinlich wird.“
 

* * *
 

Bereits zwei Stunden später war die ASTRAL-VOYAGER bereit zum Start. Der Erste Offizier überließ Dheran seinen Platz auf der Kommandobank. Er hatte rechts der Bank an einer der Seitenkonsolen Platz genommen, während der Andorianer nun anstatt seiner zur Rechten von Carmen Sinemus saß. Mit allen Sinnen aufnehmend, was um ihn herum geschah, bemerkte Dheran kaum, dass die Kommandantin über einen offenen Kanal Kontakt zur zentralen Kontrolle der Raumbasis aufnahm und Startbereitschaft meldete.

Vor sich erkannte der Andorianer eine breite Konsole als Dreieranordnung. In der Mitte saß der Pilot des Raumschiffs. Rechts von ihm lag der Platz des Navigators, der auch gleichzeitig die OPS übernahm und zu seiner Linken der Platz des Taktischen Offiziers.

Rechts des Ersten Offiziers lag die momentan ungenutzte Arbeitskonsole des Leitenden Wissenschaftsoffiziers und auf der gegenüber liegenden Seite die Maschinenkontrollstation des Leitenden Ingenieurs.

Alle Sessel besaßen ein energetisch autarkes, integriertes Notfallsystem, dass bei plötzlich auftretenden Erschütterungen ein Kraftfeld generierten, welches die darin Sitzenden davor bewahrte aus dem Sitz geschleudert zu werden und sich zu verletzen. Die Zeiten, wo Personen vor den Konsolen standen und in solchen Fällen quer durch die Brücke flogen gehörten schon seit vielen Jahrzehnten der Vergangenheit an. Das beruhigte den Senator.

Bereits in der Lounge war Dheran aufgefallen, dass das Raumschiff sich in der richtigen Position zum Ausfliegen befand. Auf dem holografischen Hauptbildschirm sah der Senator den Innenbereich der oberen Pilzsektion. Dort herrschte ein chaotisch anmutendes Hin und Her verschiedener kleinerer Transport- und Wartungs-Shuttles. Dheran wusste jedoch, dass dieses rege Verkehrsaufkommen von der Zentrale der Hangar-Überwachung aus kontrolliert und geleitet wurde. Der Navigator bestätigte eben die Startfreigabe und das Öffnen des Raumschotts in dreißig Sekunden.

Als Thy´Var Dheran sich von dem faszinierenden Anblick löste und zur Seite sah, wandte sich Captain Sinemus gerade an den Steuermann des Raumschiffes. Eine noch sehr junge Bajoranerin im Rang eines Ensign.

„Miss Larin: Das Lösen der Andockklammern vorbereiten. Ab jetzt noch dreißig Sekunden bis zum Ablegen der ASTRAL-VOYAGER.“

„Aye, Captain. In dreißig Sekunden Manövrierdüsen Achtern.“

Erst jetzt bemerkte Carmen Sinemus die Blicke des Andorianers an ihrer Seite und sie hob fragend die Augenbrauen.

Beim fragenden Blick von Carmen Sinemus wurde Thy´Var Dheran bewusst, dass er sie auffallend lang gemustert hatte, und verlegen bogen sich seine Antennen nach hinten. „Ich wollte Sie nicht anstarren, Captain. Sie erinnern mich nur etwas an eine meiner Ur-Ahnen. Im vierundzwanzigsten Jahrhundert gab es eine Menschenfrau, die in die Familie Dheran einheiratete. Eine Irin, deren Bild ich einmal in einer alten Aufzeichnung meines Großvaters sah. Bis auf die dunklen Augen sah sie ihnen sehr ähnlich.“

„Vielleicht reden wir nach dem Start darüber“, wandte die Frau ein und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder nach vorne. „Ensign Larin: Andockklammern lösen. Manöverdüsen Achtern auf volle Leistung bringen.“

„Aye, Captain.“

Das leise Summen der Aggregate steigerte sich kaum hörbar um eine Nuance in der Tonhöhe. Auf dem Bildschirm verfolgte Thy´Var Dheran, wie das Raumschiff majestätisch langsam beschleunigte und seinen Liegeplatz verließ. Gleichzeitig flammten an den Rändern der beiden gewaltigen Panzerschott-Tore der Pilzsektion rote Lichter auf. Sie fuhren auseinander und gaben die Aussicht auf einen immer größeren Teil des Weltalls frei.

Das Raumschiff der INFINITY-KLASSE glitt langsam auf die Öffnung zu, die auch deutlich breiteren Raumschiffen, als der ASTRAL-VOYAGER den Durchflug erlaubt hätte.

Schneller als gedacht befand sich das Raumschiff im freien Raum über der Erde und unwillkürlich atmete Thy´Var Dheran etwas tiefer durch. Er war bisher nur selten auf Raumschiffen der Sternenflotte mitgeflogen. Ein solches Ausflugmanöver aus einer Sternenbasis erlebte er zum ersten Mal und entsprechend gefangen war er von dem Eindruck, den dieser Vorgang bei ihm hinterließ. Für einen langen Moment verschwammen seine Gedanken, bevor er sich wieder der Nähe von Carmen Sinemus bewusst war. Bei einem Blick zur Seite stellte der Andorianer fest, dass sie seinen Zustand mitbekommen hatte. Ein wissendes Lächeln überflog die roten Lippen der Frau.

„Sie kommen nicht so oft raus, wie mir scheint, Senator? Selbst mich nimmt so ein Ausfliegen aus der Basis immer wieder gefangen.“

Die Antennen des Andorianers richteten sich auf die Frau. „Das wissen Sie aber gut zu verbergen, Captain.“

Carmen Sinemus erlaubte sich ein Schmunzeln, bevor sie unvermittelt fragte: „Wie war ihr Name? Ich meine, der Ihrer Vorfahrin.“

Thy´Var Dheran brauchte einen Moment, um so rasch von einem Thema in das andere zu stürzen. Dann erwiderte er: „Ihr Name war Christina Carey-Dheran. Sie und Ihr Mann dienten als Admirale in der damaligen Sternenflotte.“

Carmen Sinemus machte ein nachdenkliches Gesicht. Nach einer Weile fragte sie überlegend: „Sagten Sie Carey-Dheran? Hieß der Admiral, der ihr männlicher Vorfahr war, zufällig Tar'Kyren Dheran?“

Der Andorianer machte ein etwas ratloses Gesicht. „Ja, warum fragen Sie?“

„Ich bin mir nicht sicher“, wich die Frau in Gedanken aus. „Ich hatte nur den Eindruck, dass ich die Namen Carey und Dheran schon früher gehört habe. Das fiel mir aber erst eben wieder ein, als Sie den Namen Carey mit ins Spiel brachten.“

Bevor Thy´Var Dheran eine entsprechende Frage stellen konnte, sah ihn Carmen Sinemus entschlossen an und meinte: „Bitte begleiten Sie mich in meinen Bereitschaftsraum, Senator. Ich möchte etwas überprüfen und würde Sie gerne dabei haben.“

„Sehr gerne, Captain.“

Beide erhoben sich und Carmen Sinemus übergab das Kommando an den Ersten Offizier, indem sie sagte: „Mister Fisher, Sie haben die Brücke. Ich bin in einigen Minuten wieder hier.“

Die Kommandantin ging voran und der Andorianer folgte ihr dichtauf. Im Bereitschaftsraum angekommen begab sich Carmen Sinemus umgehend an ihren Arbeitstisch, aktivierte den Holo-Deskviewer und gab das Stimmenkommando: „Computer: Persönliche Ahnendatei CDS-001 aufrufen. Suche Einträge mit den Stichworten Dheran und Carey und blende sie auf dem Holoschirm ein.“

Es dauerte nur wenige Herzschläge, bis mehrere Textblöcke auf dem Holoschirm erschienen. Interessiert überflog Carmen Sinemus die Texte und deutete übergangslos mit dem rechten Zeigefinger auf eine bestimmte Stelle.

„Da! Wusste ich es doch. Diese beiden Namen habe ich schon einmal gelesen.“

Interessiert sah Thy´Var Dheran der Frau über die Schulter und las den Text der entsprechenden Stelle. Etwas enttäuscht fragte er schließlich: „Was ist denn nun so besonders daran? Da steht, dass ein Captain Pasqualina Mancharella die Trauzeugin meines Ahnen war. Ich fürchte, ich verstehe nicht.“

Carmen Sinemus deaktivierte den Holoschirm und erhob sich aus dem Sessel. Dem Andorianer direkt in die Augen sehend erklärte sie: „Pasqualina Mancharella war weit mehr, als nur seine Trauzeugin. Sie soll für mehrere Jahre mit Tar'Kyren Dheran liiert gewesen sein. Sie hieß, nachdem sie geheiratet hatte, Pasqualina Sinemus und lebte später mit ihrem Mann in Wien. Meine Heimatstadt.“

„Oh“, machte der Andorianer und erst einen Augenblick später hatte er realisiert, was diese Worte bedeuteten. „Ooooh! Dann sind Sie also die…“

„Die Ur-ur-ur-ur-Enkelin von Pasqualina Sinemus. Und Sie sind der…“

„Ur-ur-ur-Enkel von Tar'Kyren Dheran. Eine Generation weniger. Vermutlich, weil Andorianerinnen oft erst lange Zeit nach dem dreißigsten Geburtstag das erste Kind bekommen.“

Für eine ganze Weile blieb es still zwischen Ihnen, bevor sich Carmen Sinemus räusperte und den Andorianer fragte: „Möchten Sie etwas zu trinken, Thy´Var? Ich zumindest könnte jetzt einen Tee vertragen.“

„Nichts für mich, danke, Carmen.“

Der Andorianer beobachtete die Frau dabei, wie sie zum Replikator hinüberging und sich einen Tee bestellte. Sie bewegte sich auf eine ganz besondere Weise anmutig.

Über die Schulter hinweg fragte Carmen Sinemus: „Finden Sie es nicht auch interessant, wie sich die Lebenslinien manchmal zu verfolgen scheinen? Ich meine, wie wahrscheinlich ist es, dass unsere Vorfahren so eng verbunden waren und wir beide, als Nachfahren dieser beiden Personen, nun gemeinsam nach Krendara reisen?“

Thy´Var Dheran legte die Hände auf den Rücken, während sich die Frau, mit dem Tee in den Händen, wieder zu ihm umwandte. „Das kommt wohl nicht allzu oft vor. Ich glaube nicht an Schicksal, doch manchmal stellt das Leben selbst diese Ansicht auf die Probe. Was ist mit Ihnen, Carmen? Glauben Sie an Schicksal?“

Die Frau trank von dem Tee. Etwas zögernd antwortete sie: „Ja, daran glaube ich. Das kommt Ihnen vielleicht befremdlich vor.“

Der Andorianer machte eine verneinende Geste. „Durchaus nicht, denn dass ich etwas Anderes glaube, beweist nicht die Richtigkeit dieses Glaubens.“

Die Kommandantin grinste schief, trank den Rest des Tees aus und stellte das kleine Glas in das Ausgabefach zurück, wo es sich auflöste. „Man merkt, dass Sie Politiker sind, Thy´Var. Gehen wir wieder auf die Brücke.“
 

* * *
 

Nach sieben Tagen Flug mit zugeschaltetem Quantenslipstream-Antrieb näherte sich die ASTRAL-VOYAGER dem Zielsektor. Während des ersten Tages des Fluges hierher hatte sowohl Carmen Sinemus als auch Thy´Var Dheran das Thema Vorfahren ganz bewusst vermieden. Die Kommandantin hatte Thy´Var Dheran an seinem ersten Abend an Bord zum Essen eingeladen. Zusammen mit den Führungsoffizieren des Raumschiffs. Es hatte sich an den übrigen Abenden so eingespielt, dass sie ebenfalls gemeinsam zu Abend aßen. Allerdings ohne die übrigen Führungsoffiziere des Raumschiffs.

An diesen Abenden hatten sie zunächst über die bevorstehenden Verhandlungen gesprochen. Im Zuge dieser Gespräche hatte der Andorianer die Kommandantin darum gebeten, ihn auf die Planetenoberfläche zu begleiten, sobald eine Einladung der Krendaraner an sie erging. Falls eine Einladung ergehen würde, hatte sich Dheran in Gedanken verbessert.

Zur Freude des Andorianers hatte die Frau seiner Bitte zugestimmt. Wobei er nicht einmal genau sagen konnte, warum ihn das so sehr gefreut hatte.

Erst an den letzten beiden Abenden hatten sie wieder über das Thema Vorfahren gesprochen. Dabei hatten sie beide gemeinsam herausfinden können, dass sich die Beziehung zwischen Tar'Kyren Dheran und Pasqualina Mancharella über mehrere Jahre dahingezogen hatte. Beim Austausch weiterer Informationen über ihre Familien hatte sich ebenfalls herausgestellt, dass das offensichtliche Auf und Ab in dieser Beziehung sowohl Christina Carey als auch Christian Sinemus zu schaffen gemacht haben musste. Woran die Beziehung letztlich scheiterte, hatten sie nicht herausfinden können.

Doch sie hatten über die möglichen Gründe sehr emotional diskutiert während der letzten beiden Abende. Dabei fand Dheran zu seinem gelinden Erstaunen heraus, dass Carmen Sinemus kaum weniger Leidenschaft an den Tag gelegt hatte, als er selbst. Am ersten Tag hatte er sie als beherrscht und etwas kühl eingestuft. Diese Meinung hatte er an den vergangenen Abenden revidiert.

Carmen Sinemus hatte echtes Mitgefühl an den Tag gelegt, als er ihr davon erzählte, dass Tar'Kyren Dheran und seine Frau später, im Jahr 2427, bei einem Flug mit ihrem privaten Runabout spurlos zwischen den Sternen verschwunden waren. Entsandte Suchkommandos hatten nicht die geringste Spur der Vermissten und des Runabouts DITHREABHAIGH gefunden. Also galten sie offiziell immer noch als vermisst, auch wenn Thy´Var nicht daran glaubte, dass beide noch leben könnten. Vermutlich waren sie einer unbekannten Katastrophe zum Opfer gefallen und schon seit langer Zeit tot.

Seit einigen Minuten befand sich der Andorianer wieder auf der Brücke. Hier hatte er in den letzten Tagen viel Zeit verbracht. Neben Carmen Sinemus sitzend. Er hatte in den letzten Tagen ihre Nähe und die gemeinsamen Abendessen genossen. Jeden Tag etwas mehr.

Eben hatte Carmen Sinemus den Befehl gegeben, den Austrittspunkt aus dem Slipstream-Kanal so zu wählen, dass die Krendaraner sie ortungstechnisch kommen sehen würden, bevor sie den Planeten erreichten. Sie wollte nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen und direkt und unangemeldet über Krendara auftauchen.

Dheran ließ Carmen Sinemus vollkommen freie Hand bei dieser Entscheidung, obwohl er, in seiner Eigenschaft als Sonderbotschafter, hätte intervenieren können.

Die Kommandantin ihrerseits hatte wohlwollend vermerkt, dass sich Dheran aus ihren Entscheidungen als Kommandantin dieses Raumschiffs heraushielt. Sie hatte vor zwei Jahren einmal etwas andere Erfahrungen gemacht. Damals hatte sie, noch neu im Kommando, beinahe die Fassung verloren. Doch dieser Andorianer war so ganz anders, als die irdische Frau, die sie seinerzeit am liebsten in den Hintern getreten hätte.

Dabei war sie anfangs gar nicht begeistert gewesen, als sie erfahren hatte, dass ihr Passagier ein Andorianer sein sollte. Vertreter dieser Spezies galten bestenfalls als kompliziert. Inzwischen vermutete Carmen Sinemus, dass das entweder übertrieben war, oder dass dieser Vertreter seine Spezies eine große Ausnahme sein musste. Man würde sehen.

Zudem fand die Frau, dass der Senator nicht ihrem Bild eines typischen Andorianers entsprach. Schon das schulterlange Haar hatte sie anfangs als etwas ungewöhnlich empfunden. Thy´Var Dheran war der erste Andorianer, den sie mit einer solchen Haartracht gesehen hatte. Alle die sie sonst kennengelernt hatte, trugen das Haar eher kurz bis sehr kurz. Sie stellte für sich persönlich fest, dass diesem Andorianer diese Haarlänge jedoch sehr gut stand. Überhaupt wirkte der Andorianer sehr anziehend auf sie. Das war ihr in den letzten Tagen immer deutlicher aufgefallen.

Vielleicht lag das daran, dass sie während ihrer Kadettenzeit für einen Andorianer geschwärmt hatte. Er hatte sich jedoch nicht für sie interessiert und so hatte sie das Kapitel Andorianer abgeschlossen. Doch nun war dieser andorianische Senator an Bord gekommen und von Beginn an war da dieses seltsame Kribbeln im Magen gewesen. Es hatte sich noch verstärkt, in den letzten Tagen.

Die Kommandantin rief sich innerlich zur Ordnung, als der Pilot die letzten fünf Sekunden herunterzählte, bevor er den Quantenslipstream-Antrieb deaktivierte.

Die normale sternengesprenkelte Schwärze des Weltalls wurde sichtbar, als das Raumschiff auf Impulsgeschwindigkeit zurückfiel. Hier jedoch, am Rand des galaktischen Zentrums, standen die Sterne dichter und das Funkeln der Sterne wirkte noch beeindruckender als in den Randsektoren der Milchstraße.

Es dauerte einige Minuten, bis der Taktische Offizier meldete: „Captain, wir kommen in Scanner-Reichweite der Krendaraner. Moment, wir werden gerufen. Nur Audio.“

„Auf die Lautsprecher, Lieutenant.“

Im nächsten Moment drang eine helle und gleichzeitig melodische Stimme aus den aktivierten Holo-Lautsprechern. „…ich wiederhole: Hier spricht der Kommandant der Raumüberwachung von Krendara. An unbekanntes Raumschiff: Bitte identifizieren Sie sich.“

Der Taktische Offizier meldete: „Ich habe einen Kanal geöffnet. Verbindung steht.“

Die Kommandantin der ASTRAL-VOYAGER nickte dem Untergebenen zu und sagte dann mit klarer Stimme: „Hier spricht Captain Carmen Sinemus, vom Föderationsraumschiff ASTRAL-VOYAGER. Wir sind hier um einen erneuten friedlichen Kontakt zu Ihrem Volk herzustellen. Ich habe einen Sonderbotschafter der Föderation an Bord, der für die Galaktische Föderation spricht. Sollten Sie keine Kontaktaufnahme wünschen, so werden wir das akzeptieren, und uns wieder zurückziehen.“

Thy´Var Dheran hatte sich ebenfalls erhoben.

Als sich der Krendaraner erneut meldete und um etwas Geduld dafür bat, bis er eine Verbindung zu einem Regierungsbeamten hergestellt haben würde, sah Carmen Sinemus ihn an und meinte: „Das ist dann wohl Ihr Stichwort, Herr Sonderbotschafter.“

Ihr Zwinkern konnte Zufall gewesen sein. Doch daran glaubte der Andorianer nicht. Dazu hatte er sie etwas zu gut kennengelernt, während der vergangenen Woche.

Thy´Var Dheran schenkte der Frau ein kaum sichtbares Lächeln. Einen Moment später klang eine andere Stimme auf und der Andorianer konzentrierte sich wieder auf den eigentlichen Grund seines Hierseins.

„Hier spricht Cirell-Taan, die Falon´Koor des Volkes der Krendaraner. Wir haben gehofft, dass es irgendwann zu einem weiteren Kontakt mit der Föderation kommen wird. Darf ich fragen, was der Grund dafür ist?“

Dheran erklärte: „Das Ziel der Föderation war und ist es, jungen Spezies wie der Ihren, Unterstützung zu geben, bei der Erforschung des Weltalls. Die Prinzipien der Föderation basieren seit Jahrhunderten auf der freiwilligen Zusammenarbeit. Ich bin dazu befugt, mit den Vertretern Ihrer Regierung Gespräche über einen Beitritt Ihrer Spezies zur Föderation aufzunehmen. Natürlich nur, wenn sie das nicht strikt ablehnen.“

Die Falon´Koor der Krendaraner sagte nach einem kurzen Moment: „Wir haben nichts gegen eine Kontaktaufnahme um solche Verhandlungen zu führen. Zusagen machen können wir jedoch erst, wenn wir mehr Informationen von Ihnen bekommen haben.“

Dheran sah zufrieden zu Carmen Sinemus und gab zurück: „Wir verfügen über eine Transportertechnik, die es uns erlaubt, Personen in wenigen Sekunden von unserem Raumschiff auf die Oberfläche zu versetzen. Wenn es nicht Ihren Bestimmungen widerspricht, so würde ich mich gerne mit der Kommandantin des Raumschiffs auf diesem Wege zu Ihnen begeben. Bitte senden Sie uns im Fall einer Zustimmung Koordinaten, wo es uns erlaubt sein wird, zu erscheinen.“

„Wir sind einverstanden. Koordinaten werden Ihnen in diesem Moment übermittelt. Wir erwarten Ihr Erscheinen. Cirell-Taan, Ende.“

„Die Verbindung wurde unterbrochen“, meldete der Offizier von der NAV/OPS-Konsole. „Koordinaten wurden empfangen und entschlüsselt. Ich leite den Koordinaten-Satz weiter zu Transporterraum-1.“

„Die verlieren ja keine Zeit“, schmunzelte Carmen Sinemus bei dem etwas perplexen Gesichtsausdruck des Andorianers. „Wir wollen diese Krendaranerin nicht warten lassen.“

Dheran fand wieder zu seiner gewohnten Selbstsicherheit zurück. Mit einem schiefen Grinsen erwiderte er: „In Ordnung, Captain. Verzichte ich also auf die Festrobe. Dabei wollte ich doch unbedingt Eindruck bei dieser Mission auf Krendara schinden. Das hat mir diese Cirell-Taan jedenfalls schon einmal vermasselt.“

Die Kommandantin wirkte amüsiert, als sie dem Ersten Offizier das Kommando übergab und an Dheran vorbei zum Turbolift auf der Steuerbordseite schritt.

Als sie in der Liftkabine zum Transporterraum fuhren, meinte Carmen Sinemus: „Ich danke Ihnen für die Gelegenheit, bei der ersten Verhandlung mit den Krendaranern dabei sein zu dürfen, Thy´Var.“

„Ich danke Ihnen, dass sie mich begleiten“, gab der Andorianer lächelnd zurück. Danach spannte sich seine Miene wieder leicht an. Er brannte darauf, die Krendaraner persönlich kennenzulernen. Bis jetzt entwickelten sich die Dinge positiv.
 

* * *
 

Als Thy´Var Dheran und Carmen Sinemus an den zuvor überlieferten Koordinaten rematerialisierten, wurden sie von den anwesenden Krendaranern stumm angestarrt. Keiner der Humanoiden, die wie Menschen mit violetter Haut aussahen, sagte ein Wort. Stattdessen starrten sie Dheran und seine Begleiterin einfach nur an.

Etwas irritiert wechselte Thy´Var Dheran einen Blick mit Carmen Sinemus und flüsterte ihr zu: „Kommt nur mir dieses Verhalten der Krendaraner seltsam vor?“

Die Frau an Dherans Seite schüttelte nur stumm den Kopf, sagte aber nichts. Sie selbst musste diese Merkwürdigkeit erst einmal verarbeiten. Dabei nahm sie sich die Zeit, die Anwesenden etwas genauer anzusehen. Erst jetzt fiel ihr auf, dass die hell- bis mittel-violette Haut der Krendaraner von einem Muster dunklerer Streifen durchzogen wurde. Wie bei irdischen Tigern, nur weit weniger auffällig. Die Pupillen der großen und leicht schrägstehenden Augen wiesen einen nachtblauen Ton auf. Die Färbung der Iris der Augen reichte von Dunkelrot bis Orange-Rot. Zwei der fünf Anwesenden wiesen eindeutig die Merkmale von weiblichen Humanoiden auf. Beide wirkten größer und kräftiger, als ihre offensichtlich männlichen Begleiter.

Insgesamt wirkten die fünf Krendaraner schlanker und graziler als Menschen, auf Carmen Sinemus. Dabei fiel der Raumschiff-Kommandantin gleichzeitig auf, dass weniger Gravitation auf diesem Planeten herrschte, als an Bord der ASTRAL-VOYAGER.

Als die fünf Krendaraner auch nach einigen weiteren Augenblicken kein Wort sagten, wandte sich Dheran an die Frau, die ihm am nächsten stand und erkundigte sich vorsichtig: „Bitte, können Sie mir sagen, ob etwas nicht stimmt? Oder gehört dieses Schweigen zu einer besonderen Form der Begrüßungszeremonie? In dem Fall bitte ich um Entschuldigung.“

Die angesprochene Krendaranerin besann sich und erwiderte melodisch: „Ich bin die Falon´Koor unserer Spezies, Cirell-Taan. Alles ist in Ordnung. Es ist nur so, dass Sie beide in geradezu unheimlicher Weise zwei Wesen gleichen, die auf diesem Planeten seit Generationen als die Retter des krendaranischen Volkes verehrt werden. Ohne sie wäre unsere Zivilisation vermutlich untergegangen.“

Thy´Var Dheran wechselte vielsagende Blicke mit Carmen Sinemus. Dann wandte er sich wieder an die Krendaranerin. „Ich bin Senator Thy´Var Dheran und meine Begleiterin ist Captain Carmen Sinemus, die Kommandantin des Raumschiffs, das uns hierher gebracht hat. Wollen Sie damit sagen, dass sie bereits einen Andorianer wie mich und einen Menschen, wie meine Begleiterin, gesehen haben?“

Die Wirkung seiner Worte übertraf noch die Erwartungen des Andorianers. Unter den anwesenden Krendaranern entstand Unruhe, bevor Cirell-Taan eine ausholende Geste mit der rechten Hand machte und sie damit ihre Begleiter zum Schweigen brachte.

Mit einem besonders musternden Blick in Dherans Miene erklärte sie: „Ja, wir hatten bereits Kontakt zu einem Andorianer und einer Menschenfrau. Der Andorianer trug ebenfalls den Namen Dheran. Tar'Kyren Dheran. Sind Sie mit ihm verwandt?“

Für eine Weile sprachlos sahen sich Thy´Var Dheran und Carmen Sinemus erneut an, bevor der Andorianer bestätigte: „Tar'Kyren Dheran war einer meiner Vorfahren. Er und seine Frau verschwanden während einer privaten Forschungsreise spurlos zwischen den Sternen. Ihr Schicksal blieb ungeklärt. Seither gelten sie offiziell immer noch als vermisst. Sind das etwa die beiden Helden, von denen Sie sprachen?“

Die Falon´Koor verneigte sich leicht. „Ja. Die Namen Tar'Kyren und Christina Dheran sind untrennbar mit dem Schicksal meines Volkes verbunden. Seit deren Notlandung auf diesem Planeten. Doch dazu wird Ihnen eine unserer Historikerinnen später mehr erzählen, Senator Dheran. Zunächst möchte ich Sie und Ihre Begleiterin bitten, an dem offiziellen Empfang teilzunehmen, den wir vorbereitet haben.“

Dheran und seine Begleiterin verneigten sich in ähnlicher Weise, wie es zuvor die Krendaranerin getan hatte. „Natürlich gerne, Falon´Koor Cirell-Taan.“
 

* * *
 

Bereits während des Empfangs und dem anschließenden Bankett hatte Thy´Var Dheran seine Ungeduld kaum bezähmen können.

Carmen Denise Sinemus verstand den Andorianer nur zu gut. Erst vor wenigen Tagen hatte er ihr von diesen beiden Vorfahren von sich erzählt und nun schien es auf diesem Planeten eine Aufklärung ihres Schicksals zu geben. Auch, wenn sie persönlich das für eher unwahrscheinlich erachtete. Vielleicht hatten ihre Ausbilder an der Sternenflottenakademie jedoch Recht und das Universum steckte wirklich voller Mysterien und Wunder.

Nach dem Bankett hatte sie eine Krendaranerin zu diesem Ort geflogen. Auf eine Insel eines Archipels. Ihr Name lautete Tra-Kelorn.

Sie hielten sich nun in einem kleinen Park auf, zu dem eine Trasse für Bodengleiter führte. Im Zentrum des Parks, jenseits einer Schlucht, die von der Trasse überspannt wurde, erhob sich ein prächtiges Säulenrondell. Im Zentrum dieses halbrunden Rondells, auf welches Thy´Var Dheran und die Frau an seiner Seite nun zuschritten, erhob sich ein quadratisch geformter Podest. Auf ihm erkannten sie zwei humanoide Gestalten. Erst als sie auf etwa zwanzig Schritte heran waren, wurde offensichtlich, dass eine von ihnen einen Andorianer darstellte. Die andere war unverkennbar eine Frau. Beide hielten sich in den Armen und blickten, mit leicht angehobenen Köpfen, zum Himmel hinauf.

„Da, sehen Sie das!“, rief Thy´Var aus und rannte die letzten Meter zu dem Denkmal. Er musste den Kopf in den Nacken legen, um in die Gesichter der beiden dargestellten Personen sehen zu können.

Carmen Sinemus, die seine verständliche Aufregung verstand, lief ihm rasch nach. Als sie bei ihm stehenblieb, deutete der Andorianer hinauf und sagte: „Das sind unverkennbar meine Vorfahren. Sie sehen Tar'Kyren und Christina Dheran wirklich erstaunlich ähnlich.“

Die Kommandantin sagte sanft: „Erinnern Sie sich an Ihre Frage, ob ich an Schicksal glaube? Nun, im Augenblick stärker als je zuvor.“

„Ich fange an zu verstehen, warum das so ist“, murmelte der Andorianer abwesend, dabei immer noch in die Gesichter sehend. Erst nach einem Moment fiel sein Blick auf die fremdartigen Schriftzeichen, die in den Sockel getrieben waren. Zumindest vermutete der Andorianer, dass es sich um Schriftzeichen handelte.

Carmen Sinemus folgte seinem Blick und meinte: „Ich wüsste gerne, was da steht.“

„Darum bin ich hier“, sagte die Krendaranerin, die sie hierhergeflogen hatte.

Der Senator und der Captain wandten sich um. Sie bemerkten die Annäherung der hochgewachsenen Pilotin, die zunächst die Aggregate des Luftgleiters heruntergefahren hatte, erst jetzt. So sehr hatte sie dieses Denkmal gefangengenommen.

Freundlich lächelnd erklärte sie: „Mein Name ist Harill-Koon. Ich bin nicht nur Pilotin, sondern auch Historikerin und lehre an der Universität der Hauptstadt. Zu meinen Fachgebieten zählt die Epoche, in der diese beiden Retter unseres Volkes zu uns kamen.“
 

An dieser Stelle gaben Tar'Kyren Dheran und

Christina Carey-Dheran ihr Leben für unser Volk.

Das Volk der Krendaraner wird ihrer stets gedenken

und sie in dankbarer und bester Erinnerung behalten.

Krendara im Krandec 14.473
 

Nachdem die Krendaranerin die Inschrift vorgelesen hatte, fügte sie hinzu: „In der letzten Zeile wird das Jahr des Todes erwähnt. In diesem Jahr landeten sie auf Krendara.“

„Um die Oberste Direktive haben sich Ihre Vorfahren wohl nicht sonderlich geschert“, mutmaßte Carmen Sinemus und sah kritisch zu dem Andorianer. „Zumindest klingt das hier so an, wenn ich nicht falsch liege. Ich vermute einmal, dass wir eine ziemlich interessante Geschichte zu hören bekommen werden.“

„Solange man den Namen Dheran auf einem ganzen Planeten in guter Erinnerung behält, ist mir herzlich egal, ob die Oberste Direktive etwas im Weg war“, gab Dheran mit leisem Spott zurück. „Ich vermute, es gab in diesem Fall gute Gründe für eine Missachtung.“

Ein beruhigendes Lächeln überflog die Lippen der Frau. „Ich hatte meine vorangegangenen Worte nicht so ernst gemeint, wie sie offensichtlich geklungen haben. Ich bin mir sicher, dass man Ihren Vorfahren ansonsten nicht dieses Denkmal gesetzt hätte.“

Die Antennen des Andorianers bogen sich leicht nach hinten, bevor er sich rasch an die Historikerin wandte. „Wir würden gerne hören was sich damals ereignet hat.“

Die Krendaranerin verneigte sich leicht und erklärte: „Vorausschicken möchte ich, dass ein Teil dessen, was ich zu berichten habe, erst nach dem Tod Ihrer Vorfahren bekannt wurde. Durch Aufzeichnungen eines Gerätes, dass sie bei sich trugen. Dazu mussten wir das Gerät erst reparieren, da es bei der Landung des Raumschiffs zu Bruch ging. Einige andere Ereignisse konnten wir nur ungenau rekonstruieren. Doch insgesamt ergab sich am Ende ein weitgehend klares Bild. Die Ereignisse begaben sich demnach etwa so…“

Nachhall

Runabout - USS DITHREABHAIGH / NCC-72452

Sternenzeit: 104804.9

Alpha-Quadrant in einem nicht erforschten Sektor
 

„Ich messe einen Magnetsturm an, Liebling“, rief Christina Carey-Dheran vom Sitz des Piloten aus nach hinten. Sie hörte ihren Mann dort nun seit einer Weile rumoren, weil die Trägheitsstabilisatoren seit etwa einer halben Stunde unregelmäßig arbeiteten. „Er wird uns in etwa zehn Minuten erreichen.“

Zunächst gab Tar'Kyren Dheran nur ein kurzes Knurren zurück, bevor er zurückrief: „Hast du auch positive Nachrichten, nar y´ner mai Kumari? Ich weiß nicht, was mit diesem blöden Scheißding los ist, doch ich ahne, warum das Sternenflottenkommando uns das Runabout so bereitwillig überlassen hat. Am Respekt vor unseren Leistungen für die Föderation hat es aber auf keinen Fall gelegen.“

„Vielleicht dachten die ja, du wärst ein weitaus besserer Techniker, als es offensichtlich der Fall ist“, stichelte die Irin. „Vielleicht hättest du auch gleich um einen Piloten und einen Techniker bitten sollen, als du damals um dieses Runabout ersucht hast.“

Der Andorianer ließ den Hydro-Schraubenschlüssel fallen, den er gerade in den Händen hielt. Polternd fiel er zu Boden. Gleich darauf grollte der Andorianer: „Als würde man denen heute noch beibringen wie man so eine Kiste richtig fliegt. Nein, danke.“

Damit klaubte der Fünfundachtzigjährige umständlich den Schraubenschlüssel vom Boden auf und machte sich wieder ans Werk. Das Thema wechselnd rief er nach einem Moment in Richtung seiner drei Jahre älteren Frau: „Ich soll dich übrigens herzlich von Pasqualina und Christian grüßen. Die Beiden haben uns zu Weihnachten nach Wien eingeladen. Was sagst du dazu?“

„Wenn deren vier Kinder, mitsamt der Enkel, auch da sind, dann dürfte es turbulent zugehen. Ich würde aber trotzdem gerne annehmen. Nach dem Krieg gegen die Kor-Naxa hat sich die Familie Sinemus ja ziemlich rar gemacht.“

Ein heiseres Lachen des Andorianers folgte. „Ja, Christian und Pasqualina haben für ziemlich viel Nachwuchs gesorgt. Als Schuljunge wollte ich auch mindestens vier Kinder haben. Inzwischen bin ich froh, dass wir es bei zwei belassen haben. Ich glaube, man sollte sich nicht mehr Kinder anschaffen, als man Hände hat.“

„Nicht, wenn sie so sind wie Nareen und Christopher“, stimmte Christina zu. „Aber gerechterweise ist der kleine Kel´Taron ganz wie sein Vater.“

Dheran schnaubte. „Wenn er das mal nur wäre. Ich glaube, der ist eher genauso quirlig wie seine Mutter Fia´Ryen. Die Angehörigen des Telev-Clans waren bekanntlich noch nie die ruhigen Typen, aber sag was du willst - mir gefällt unser Enkel.“

„Und das von dir?“, staunte Christina schmunzelnd. „Wo du doch diese sehr lebhafte Andorianerin zuerst gar nicht gemocht hast.“

„So habe ich das nie gesagt“, verteidigte sich der Andorianer.

In demselben Moment durchlief eine kaum merkliche Erschütterung das Runabout, dass im Moment nicht auf Warp gehen konnte. Momentan steuerte Christina Carey-Dheran es vor dem sich nähernden Magnetsturm her.

„Schatz, halt das Runabout ruhig!“, rief der Andorianer nach vorne. „Ich hoffe, dass ich diesen Trägheitsdämpfer wenigstens notdürftig wieder hinbekomme, bevor der Sturm uns ernsthaft Probleme bereiten kann. Wie ist der Schildstatus?“

„Voll einsatzbereit.“

„Schon was wert“, knurrte der Andorianer, der zu seiner Überraschung einen plötzlich aufbrandenden Ärger verspürte. Erst nach einem Moment wurde ihm klar, dass er selbst es gewesen war, der den Krieg gegen die Kor-Naxa erwähnt hatte.

Zum Ende des Jahres 2403 waren die Kor-Naxa in den Bajoranischen Sektor vorgedrungen. Nach zwei Jahren Krieg hatte die Föderation kein wirksames Mittel gefunden, um die Biohüllen der Kor-Naxa-Raumschiffe zu durchschlagen. Admiral Valand Kuehn übernahm zu dieser Zeit den Oberbefehl über die Erste Flotte, die unter seinem Kommando stand, und die Fünfte Flotte, unter dem Kommando von Sylvie LeClerc-Kuehn – seiner Frau. Nachdem das Flaggschiff der Fünften Flotte, durch eine Kollision mit einem der Kor-Naxa-Raumschiffe, stark angeschlagen worden war, wobei fast dreiviertel der Besatzung ums Leben kam, aber auch das Bioschiff einigen Schaden erlitt, entschloss sich Sylvie zu einem verwegenen Kommandounternehmen. An der Spitze einiger Unverletzter und Leichtverwundeter, drang sie in das kor-naxanische Bioschiff ein und es gelang ihr und ihren Leuten, Proben zu erbeuten. Sowohl von den Kor-Naxa selbst, wie auch von ihrer Biotechnik. Der Trupp schaffte es, unter Verlusten, aus dem Bioschiff zu entkommen und die Proben auf ein Schiff der Fünften Flotte in Sicherheit zu bringen. Bei dieser Aktion starb Valands Frau, als sie, bereits zuvor schwer verwundet, den sicheren Rückzug des Trupps deckte.

Valand litt damals unter dem Verlust. Sylvie war, nach Ahy´Vilara Thren, bereits die zweite Ehefrau, die er auf tragische Weise verlor.

Nachdem der Krieg, nicht zuletzt dank der Analyse der Bioproben, im Jahr 2404 gewonnen werden konnte, nahm Valand überraschend seinen Abschied von der Sternenflotte. Kurze Zeit später verschwand er – zunächst spurlos.

Erst einige Monate später überreichte der Schwiegervater von Valand Kuehns erster Frau ihm den Code-Schlüssel zu Valands Familiensitz, auf der Erde. Dort fand er einen Hinweis darauf, dass sich Valand in das Spiegeluniversum versetzt hatte, um dort das Spiegelbild seiner verstorbenen ersten Frau, Ahy´Vilara Thren, aufzusuchen. Um gemeinsam mit ihr dort einen positiven Einfluss auf die Geschehnisse zu nehmen, falls sie noch lebte.

Valand war sich zu diesem Zeitpunkt darüber im Klaren gewesen, dass es eine Reise ohne Wiederkehr sein würde. Eine drastische Entscheidung des Freundes, die ihn wütend gemacht hatte, auch wenn er letztlich verstand, wieso Valand diesen Weg gegangen war.

Er hatte den Code-Schlüssel im Anschluss Valands Schwester Alana zukommen lassen und ihr von der Entscheidung ihres Bruders berichtet.

Zu seiner Überraschung erfuhr er, neun Jahre später, etwas vom Schicksal des Freundes. Durch Captain Denise Casparini. Drei Jahre zuvor war die WILLIAM RIKER, im All treibend und voller toter Crewmitglieder, aufgefunden worden. Von Captain Casparini und einigen anderen Personen fehlte jede Spur und drei Jahre lang galten sie als vermisst.

Erst durch die Rückkehr der Vermissten erfuhr Dheran, dass seinerzeit Terraner aus dem Spiegeluniversum die WILLIAM RIKER überfielen und einige Crewmitglieder in dieses Paralleluniversum entführten. In ihrem Bericht erwähnte Captain Casparini, dass sie im Spiegeluniversum Valand Kuehn begegnet war. Nach dem Bericht der Frau hatte Valand nicht nur jene Ahy´Vilara Thren des Spiegeluniversums gefunden, sondern beide hatten dort geheiratet. Gemeinsam führten sie im Spiegeluniversum den Widerstand gegen das Terranische Imperium an, dass zu diesem Zeitpunkt wiedererstarkt zu sein schien.

Damals war Dheran einerseits erleichtert darüber gewesen, zu erfahren, dass sein Freund noch lebte. Doch andererseits hatte es ihn auch traurig gestimmt, dass Valand nicht ins Primäruniversum zurückgekehrt war, obwohl er dazu die Gelegenheit gehabt hatte. Valand hatte Captain Casparini darum gebeten ihm zu erklären, dass er dort seinem Leben einen neuen Sinn hatte geben können. Doch das hatte es nicht wesentlich besser gemacht, was seine Emotionen in Bezug auf diese Entscheidung betraf.

Vierzehn Jahre waren seitdem vergangen. Vierzehn Jahre, in denen er nichts mehr von Valand gehört hatte. Doch noch immer wühlte es ihn auf, wenn er an seinen besten Freund dachte. Er vermisste ihn unvermindert stark – und das würde sich auch niemals ändern, solange er lebte. Dessen war sich Dheran sicher und so abwegig das für eine Zeitlang gewesen war - er vermisste auch Sylvie, seit deren Tod.

Als die ersten stärkeren Erschütterungen das Runabout durchliefen, kehrten die Gedanken des Andorianers in die Gegenwart zurück. Er schloss geräuschvoll die Wartungsklappe des Steuerbord-Trägheitsdämpfers und beeilte sich, wieder ins Cockpit zu gelangen. Noch während er sich in den Sitz des Co-Piloten warf, meinte er: „Ich hoffe die Schaltung hält, bis wir ein paar Lichtjahre weit weg sind, von diesem Magnetsturm. Ich schlage vor, wir wagen es.“

Die DITHREABHAIGH nahm wieder mehr Fahrt auf. Dieses gälische Wort bedeutete so viel wie Einsiedler. Christina hatte es für dieses Runabout ausgesucht. Vermutlich in einem Anfall von schrägem Humor, wie Tar'Kyren Dheran befand. Denn sie hatte einmal gemeint, dass dieses Runabout, getrennt von allen anderen Runabouts der Flotte, ein einsames Dasein fristen würde, als sie es überstellt bekamen.

Die Erschütterungen nahmen an Intensität zu und der Andorianer sagte laut: „Wir werden es jetzt wagen auf Warp zu gehen!“

„Wir?“

„Es geht los!“ In demselben Moment betätigte Tar'Kyren die entsprechenden Schaltungen und das Arbeitsgeräusch der Aggregate erfuhr eine Steigerung.

Fast gleichzeitig rief Christina aus: „Ich messe einen signifikanten Anstieg an Neutrinos! Direkt in unserer Flugrichtung!“

Hastig kontrollierte ihr Ehemann die Anzeigen seiner Konsole und sagte verdrießlich: „So ein verdammter…“

Er unterbrach sich, als sich vor dem Runabout ein grelles Licht ausbreitete und beinahe die Form einer fremdartigen Blume annahm. Ein ultrablauer Strudel bildete sich um das Licht und im nächsten Moment sah das Ehepaar durch die Frontfenster auf einen düsterroten Energiekanal. Die abstraktesten geometrischen Formen bildeten sich vor ihnen und verschwanden wieder. Dafür klang das Rütteln rasch ab.

Durch den rötlichen Schein beleuchtet, der durch die Scheiben hineindrang, fragte Christina: „Was ist das, Tar? Irgendwie erinnert mich das da draußen an etwas, das ich schon einmal gesehen habe. Wenn ich nur wüsste, was es war.“

Die Frau hatte ruhig gesprochen. Ebenso ruhig erwiderte Tar'Kyren: „Ja, das da draußen hat entfernt Ähnlichkeit mit einem Wurmloch. Doch warum ist dies hier düster-rot?“

Bevor Christina antworten konnte, ruckte das Fahrzeug wild hin und her und die Computerstimme meldete: „Wurmloch instabil. Es kommt zu Energieschwankungen. Kohärenz kann nicht garantiert werden.“

Christina Carey, die es gewohnt war Realitäten anzuerkennen, fragte mit ruhiger Stimme: „Optionen?“

„Gute Frage“, versetzte ihr Mann. „Ich versuche, die Schilde zu verstärken und die Geschwindigkeit zu erhöhen. Vielleicht…“

Ein ohrenbetäubendes Krachen ließ den Andorianer verstummen. Wieder begann das Runabout zu bocken, wie ein Wildpferd. Im nächsten Moment hörte es auf und das rote Glühen rings um das Kleinraumschiff verschwand abrupt.

Für einen Moment sahen sich Tar'Kyren und Christina unsicher an, bevor der Andorianer meinte: „Wir sind durch, wie es scheint.“

Christina Carey fuhr sich mit den Fingern der Rechten durch das lange Haar und verlangte dann: „Computer: Standortbestimmung!“

„Standortbestimmung nicht…“

Mit einem trockenen Knall erstarb die Computerstimme und Funken regneten auf die beiden Insassen des Runabouts, bevor die Beleuchtung anfing zu flackern und gleich darauf erlosch. Im nächsten Moment schaltete sich die Notbeleuchtung ein und tauchte das Innere des Shuttles in ein gespenstisch düsteres Licht.

„Was hast du vorhin eigentlich die ganze Zeit da hinten gemacht?“, erkundigte sich Christina ironisch bei ihrem Mann. „Jetzt ist das Ding vollkommen hin. Wir treiben.“

Tar'Kyren ging diesmal nicht darauf ein und erwiderte finster: „An deiner Stelle würde ich mit den Scherzen aufhören. Wenn der Computer nicht verreckt wäre, dann hätte er uns vermutlich gesagt, dass eine Standortbestimmung nicht möglich ist. Dir ist schon klar, was das bedeutet. Wir sind so weit vom erforschten Weltall weg, dass selbst der Computer keinerlei Referenzpunkte finden konnte.“

„Wenigstens funktioniert die künstliche Schwerkraft noch“, murrte Christina. Sie erhob sich und warf einen Blick zum Fenster hinaus. „Tar, sieh mal dort hinaus und sag mir, was du davon hältst.“

Der Andorianer sah durch eine der Scheiben. Erst nach einem Moment bemerkte er, was seine Frau zu der Aufforderung an ihn verleitet hatte. „Die Sterne scheinen hier ungewöhnlich dicht beieinander zu stehen.“

„Dann habe ich mich also nicht geirrt“, stellte die Irin fest. „Dieser Sternendichte nach könnten wir uns dicht am Kern des galaktischen Zentrums befinden. Die Frage ist nur wo. Befinden wir uns noch im Alpha-Quadrant oder hat es uns in einen der drei anderen Quadranten verschlagen?“

„Darauf kommt es im Moment nicht an, denn wenn du mal auf den kleinen, blauen Punkt da vorne siehst, dann bemerkst du, dass wir auf einen Planeten zu treiben. Offenbar gehört er zur Minshara-Klasse. Bis wir da sind, sollten wir das Runabout wieder hinbekommen haben. Oder aber wir werden spektakulär in der Atmosphäre verglühen.“

Christina folgte dem Blick ihres Mannes und stieß aus: „Dieser Planet ist mir gar nicht aufgefallen, bis du ihn erwähnt hast.“

„Wenn man alt wird“, spöttelte Dheran grinsend und kassierte dafür einen langen, warnenden Blick seiner Gattin.

„Du bist auch keine zwanzig mehr“, konterte die Irin. „Sonst…“

Tar'Kyren Dheran sah aufmerksam werdend zu Christina, als sie sich abrupt unterbrach. Die Antennen auf sie richtend erkundigte er sich: „Sonst was?“

Die Frau warf ihr Haar zurück und meine ausweichend: „Ach, gar nichts.“

Christina wollte sich abwenden, doch ihr Mann zog sie an der Hand zu sich herum und trat dichter an sie heran. Forschend sah er in die Augen seiner Frau und er ahnte endlich, was sie ihm hatte sagen wollen, bevor sie sich selbst unterbrochen hatte.

Tar'Kyren nahm sanft Christinas Gesicht in seine Hände und sagte rau: „Wir haben zwar nicht alle Zeit der Welt, aber das lasse ich mir nicht nochmal sagen.“

Im nächsten Moment küsste der Andorianer die Irin und sie erwiderte den Kuss ihres Mannes. Erst nach einer ganzen Weile löste er sich von seiner Frau und sie sah ihn auf jene besondere Weise an, die ihm zum ersten Mal aufgefallen war, kurz nachdem sie sich kennengelernt hatten.

Beinahe verschmitzt lächelnd meinte Christina: „Weißt du, manchmal überraschst du mich auch nach so vielen Jahren noch.“

Nach einem weiteren Kuss erwiderte Dheran: „Fortsetzung folgt. Jetzt müssen wir uns aber an die Arbeit machen, meine hübsche, kleine Eisfee, oder daraus wird nichts.“
 

* * *
 

Die Dherans entwickelten eine emsige Betriebsamkeit, wobei Christina ein ums andere Mal zu fluchen begann, wenn eine ihrer Reparaturen nicht auf Anhieb den gewünschten Erfolg zeitigte. Was ihren Mann dazu veranlasste, hin und wieder ein flüchtiges Grinsen aufzusetzen, denn sie wirkte in diesen Momenten beinahe mehr, wie eine Andorianerin, denn wie eine Frau von der Erde. Das hatte er von Beginn an ihr gemocht und dies hatte sich nie geändert. Zwischendurch kam er darauf zu sprechen, was ihn in den letzten Wochen und Monaten bewegt hatte.

Während der Andorianer am EPS-Flussregulator arbeitete, meinte er mit etwas angehobener Stimme zu Christina: „Ich hätte nie gedacht, dass Christopher eher Kinder haben würde, als Nareen. Hat sie mal mit dir darüber gesprochen, ob sie vielleicht gar keine Kinder haben will?“

Ein spöttisches Lachen klang auf, bevor Christina erwiderte: „Seit wann erzählt mir Nareen Dinge, die sie nicht zuerst dir erzählt? Nareen war immer deine Tochter. Ich fürchte, das wird sich auch nie ändern.“

Tar'Kyren bemerkte die leise Wehmut in ihrer Stimme und entgegnete: „Na, komm. Nareen liebt dich. Außerdem ist dir dafür Christopher nie von der Seite gewichen. Wenn er müde war, dann durftest doch nur noch du ihn anfassen.“

Christina lachte wehmütig. „Das waren noch Zeiten. Aber um nicht vom Thema abzukommen. Ich denke, Nareen hatte noch nie viel Sinn dafür, eigene Kinder zu haben. Außerdem reist sie mit ihrem Mann auf ganz Bajor herum. Ausgrabungen hier und Vorlesungen da. Die beiden sind einfach viel zu viel unterwegs.“

„Wie gut, dass wir zwei da ja ganz anders sind“, erwiderte Dheran ironisch. Er schloss die EPS-Leitungen, die er zuvor abgetrennt hatte, wieder an und brummte verdrießlich, als sie zu flackern begannen. Wütend schimpfte er: „Das gibt es doch gar nicht!“

Christina sah zu ihm und schmunzelte unterdrückt. „Weißt du, was einer meiner weiblichen Vorfahren in solchen Situationen immer zu sagen pflegte? Wenn die Nähmaschine bockt – kräftig draufhauen!“

Tar'Kyren Dheran war im Moment genau in der passenden Stimmung für solche flotten Sprüche und so nahm er den nächsten Hydro-Schraubenschlüssel, den er zu packen bekam und schlug damit kräftig auf den EPS-Flussregulator ein. Zu seiner maßlosen Überraschung stabilisierte sich das bläulich weiße Glühen, das von den EPS-Leitungen emittiert wurde und etwas verblüfft sah der Andorianer zu seiner Frau.

Christina gab sich keinerlei Mühe, ihre Heiterkeit zu verbergen. Lachend deutete sie auf das funktionierende Bauteil und sagte: „Da hast du es!“

„Wenn wir den Rest nicht auch hinbekommen, bevor wir in die Atmosphäre des Planeten eindringen, nützt uns das gar nichts“, knurrte der Andorianer. Was würdest du schätzen – wie lange dauert es noch?“

Christina schritt zu einem der Fenster und sah auf den Planeten, der mittlerweile das gesamte Sichtfeld ausfüllte. Sie hatte bereits vor einigen Stunden festgestellt, dass es auf der Oberfläche Kontinente gab, die von weiten Wasserflächen eingerahmt wurden. Insgesamt wirkte der Planet sehr erdähnlich.

„Vielleicht noch fünf Stunden, Liebling. Vielleicht auch sechs.“

„Sollte reichen“, gab Dheran zuversichtlich zurück. Pessimismus brachte in ihrer momentanen Lage nicht viel. Dazu war immer noch Zeit, wenn sie es nicht schafften, das Shuttle rechtzeitig wieder flottzubekommen. Er kümmerte sich um den Warpmatrix-Flux-Kompensator. Eine Stunde verging. Dann eine weitere – bis Christina ausrief: „Ich habe die Nebenaggregate wieder aktiv!“

Fast gleichzeitig verkündete Dheran: „Der Warpkern fährt wieder hoch. Wir haben es geschafft, Schatz. Jetzt aber keine Zeit vergeuden, wer weiß, wie lange diese Not-Reparaturen halten.“

„Oh nein!“, regte sich Christina auf. „Das ist doch wieder typisch mein Mann. Kaum ist alles in Ordnung, beschwört er neues Unheil herauf!“

Sie folgte jedoch rasch dem Beispiel ihres Mannes, als er sich in den Sessel schwang, um die Kontrollen des Runabouts zu aktivieren. Ernst sagte er dabei: „Kein Witz, meine hübsche, kleine Eisfee. Wir müssen da hinunter und landen – und zwar so schnell es geht.“

„Möchte wissen, ob es da intelligentes Leben gibt“, wich Christina aus. Sie merkte an dem feinen Unterton in der Stimme ihres Mannes, dass die Lage ernst war. „In dem Fall hätten wir vielleicht Hilfe, um wieder von hier wegzukommen.“

„Wenn die aber nicht zufällig wissen, wo genau die Erde liegt, nützt uns das nicht sehr viel. Selbst, wenn wir die DITHREABHAIGH wieder in einen einwandfreien Zustand bekommen sollten, was mehr als fraglich ist.“

Christina sagte nichts dazu. Sie war nicht bereit so schnell die Hoffnung aufzugeben.

Tar'Kyren Dheran steuerte das Shuttle direkt auf einen der sichtbaren Kontinente zu. Da sie nicht wussten, ob es intelligentes Leben hier gab und wenn ja, wo es zu finden war, schien ihm ein Kontinent so gut wie der andere. Dabei murrte er: „Bei der Schwarzen Kreatur der Verdammnis, ich wollte, die Individual-Scanner wären nicht defekt. Schatz, ich schalte die Schilde auf ein Minimum, um Energie zu sparen und die Notschaltungen nicht zu sehr zu belasten. Achte bitte auf die Anzeigen und sag mir, wenn ich die Schilde verstärken muss.“

„Für dich doch immer, Schatz“, erwiderte Christina zuckersüß. Hauptsächlich, um die eigene Nervosität in den Griff zu bekommen.

Der Andorianer lachte humorlos und beschleunigte das Shuttle. Er korrigierte den Kurs etwas und lenkte das Shuttle in steilem Winkel zum Planeten hinunter. Bereits wenig später wurden die ersten feineren Strukturen auf der Oberfläche erkennbar.

Das Shuttle begann leicht zu vibrieren, als es in die tieferen Schichten der Atmosphäre eindrang. Wenig später begann die Zelle des Fahrzeugs zu schwingen, als Tar'Kyren Dheran es rasch immer weiter hinab zur Oberfläche steuerte. Regen trommelte gegen die Zelle des Shuttles und in Abständen von wenigen Sekunden zuckten grelle Blitze auf, als sie eine lokale Schlechtwetterfront durchflogen.

Als das Rütteln stärker wurde, blickte Christina Carey zu ihrem Mann und meinte: „Versuch doch, das Shuttle ruhig zu halten, Schatz. Mir wird schlecht.“

„Ich gebe mir Mühe, Liebling“, erwiderte der Andorianer abwesend, während er fieberhaft versuchte, die Fluglage zu stabilisieren. „Wenn wir erst einmal unter der Sturmschicht sind, wird es sicherlich besser werden.“

„Hauptsache, du bringst uns sicher hinunter.“

Dheran grinste zuversichtlich. „Keine Sorge, meine hübsche, kleine Eisfee. Das wird eine butterweiche Landung werden.“

„Ich hatte schon keine Sorgen mehr, bevor wir zu dieser Reise aufgebrochen sind“, meinte die Irin scherzhaft. Dann wurde Sie wieder ernst und fragte: „Wie weit sind wir von einem halbwegs akzeptablen Landepunkt entfernt?“

Der Andorianer blickte kurz auf die eingeblendete Karte, auf seiner Konsole und erklärte: „Etwa zwanzig Kilometer vor uns ist eine günstige Stelle.“

Draußen brach die Sonne des Systems durch die Wolkenschichten. Außer einigen weiten Wäldern und einem hoch aufragenden Gebirgszug in der Ferne war jedoch kaum etwas zu erkennen. Nichts deutete bisher auf eine Ansiedlung hin.

„Dort links sehe ich so etwas, wie eine Stadt“, rief Christina nach einigen Augenblicken aus. „Du musst nach links!“

„Ich bin ja schon dabei“, beruhigte Dheran und fügte gleich darauf mit unheilschwangerer Stimme hinzu: „Das Shuttle fängt an träge zu reagieren. Wir müssen rasch runter, denn es wäre nicht angenehm, wenn ich das Shuttle in eine Kurve steuern will und das verdammte Ding hätte plötzlich eine andere Idee.“

Christina wollte etwas darauf erwidern, doch sie kam nicht mehr dazu. Ein Titanenschlag durchlief die Shuttlezelle und das Raumfahrzeug begann erneut, zu vibrieren – diesmal sehr viel stärker, als vor einigen Minuten.

„Tar, was…“

Zu mehr kam Christina Carey-Dheran nicht, denn in demselben Moment drang ein fürchterliches Kreischen überbeanspruchten Durastahls an ihr Ohr und alles vor ihren Augen begann, sich zu drehen.

„Festhalten!“, brüllte der Andorianer, wobei er sich selbst an die Konsole krallte.

Die Irin spürte, dass ihr Magen zu rebellieren begann. Für einen schrecklichen Moment der Erkenntnis realisierte sie, dass sie abstürzten. Im nächsten Moment erkannte sie durch die Sichtscheibe des Shuttles, wie der Boden förmlich auf sie zu raste. Eine grüne Mauer, die auf sie zuzukommen schien. Sie schrie, ohne es bewusst wahrzunehmen. Nur wenige Augenblicke später erfolgte ein fürchterlicher Schlag und löschte ihr Bewusstsein aus.

Gestrandet

Der Planet Krendara

Sternenzeit: 104809.6

Alpha-Quadrant in einem nicht erforschten Sektor
 

Christina Carey-Dheran verspürte einen metallischen Geschmack im Mund, als sie mit Schmerzen an der linken Schläfe zu sich kam. Erst nach und nach setzte das bewusste Denken bei ihr wieder ein und sie erinnerte sich daran, was passiert war. Vermutlich hatte sie sich beim Absturz den Kopf angeschlagen. Außerdem schien sie sich auf die Zunge gebissen zu haben, denn zu dem Geschmack im Mund kam nun ein pulsierender Schmerz.

„Von wegen butterweich. Das Einzige, was butterweich ist, ist mein Gehirn“, ächzte die Frau und sah sich um. Erst jetzt bemerkte sie den flackernden Lichtschein und sie vernahm ein Stechen in der Nase. Irgendwo in dem abgestürzten Raumschiff brannte es.

Neben ihr hing Tar'Kyren wie leblos in seinem Sessel. Eine blutende Schnittwunde zog sich über seine Stirn. Inzwischen war das dunkelblaue Blut aber bereits weitgehend geronnen und so konnte die Wunde nicht allzu tief sein.

„Verdammt, Tar“, murmelte Christina unterdrückt, nachdem sie bei ihrem Mann den Puls gefühlt hatte. „Du sammelst Narben, wie andere Leute Briefmarken.“

Dabei horchte die Frau auf, als aus dem hinteren Teil ein beunruhigendes Pochen und immer heller werdendes Summen an ihre Ohren drang. Sie wusste, dass sie und ihr Mann schleunigst aus dem Runabout heraus mussten. Der Warpkern destabilisierte sich und kündigte dies nun überdeutlich an.

Sie warf nur kurz einen Seitenblick zu dem zerbrochenen Frontfenster. Beim Aufprall war es zu Bruch gegangen und einer der Splitter hatte offensichtlich die Stirn ihres Mannes gestreift. Dabei realisierte sie, dass alles auch schlimmer hätte ausgehen können.

Fieberhaft suchte die Irin einige Gerätschaften zusammen, darunter eine Notausrüstung für sie beide. Mit einem raschen Griff klaubte sie auch den flachen Tricorder vom Boden, den Tar'Kyren zuvor achtlos hatte fallen lassen. Dann wuchtete sie den bewusstlosen Körper des Andorianers aus dem Sessel, wobei sie die Tatsache verfluchte, dass Leute stets doppelt so viel wogen, sobald sie das Bewusstsein verloren. Sie fragte sich ironisch, welche universelle Anomalie dafür wohl verantwortlich war. Um sich in den hinteren Bereich des Shuttles zu begeben und sich dort mit Phasern zu bewaffnen, blieb keine Zeit. Sie mussten schleunigst weg und jede Sekunde konnte entscheidend sein.

Schließlich hatte Christina es geschafft sich sowohl beide Rucksäcke, als auch den Arm von Tar'Kyren, um die Schultern zu legen, und ächzend wuchtete sie ihn hoch. Bereits an der Seitenschleuse des Shuttles keuchte sie schwer, als sie die Klappe für den Hebel öffnete, der die Notsprengung des Außenschotts auslösen würde. Mit einem Ächzen riss sie den Hebel herunter. Das Schott wurde abgesprengt und wirbelte einige Meter davon.

Mit übermenschlicher Anstrengung schleppte Christina sich, die Notausrüstung und ihren Mann ins Freie. Sollte es hier Keime geben die schädlich für den menschlichen oder den andorianischen Metabolismus waren, so hatten sie diese ohnehin bereits eingeatmet. Außerdem fehlten die Alternativen dazu, das Runabout schleunigst zu verlassen. Also schleppte sich die Frau mit der Last vorwärts. Beinahe ohne etwas wahrzunehmen – blind, fast wie ein Tier laufen würde. Als sie aus den Augenwinkeln einen Lichtschein wahrnahm, ließ sich Christina einfach fallen und legte schützend einen Arm um ihren Mann. Auch wenn der Frau in demselben Moment bewusst wurde, wie sinnlos diese Geste war.

Fast gleichzeitig dröhnte ein Donnern über die Landschaft. Sirrend flogen einige Trümmerstücke über sie hinweg. Etwas streifte schmerzhaft ihr linkes Bein. Irgendwo weiter voraus, krachte ein Trümmerteil zu Boden und Christina spürte die Erschütterung. Dabei dankte sie allen Schutzengeln des Universums, dass dieses Trümmerstück sie verfehlt hatte.

Instinktiv wartete Christina auf weitere Einschläge. Als sie ausblieben, wagte sie schließlich, den Kopf anzuheben und einen Blick über die Schulter zu werfen.

„Tja, das war einmal ein Runabout!“, fluchte sie erbittert.

Im nächsten Moment rührte sich der Andorianer an ihrer Seite und gab ein finsteres Brummen von sich. Orientierungslos sah er sich um, bis sein Blick auf dem Gesicht seiner Frau hängen blieb.

Die Irin erwiderte mit gereizter Miene seinen fragenden Blick und grummelte: „Wenn es irgendwo eine Explosion gibt, dann scheint das genau dein Stichwort zu sein?“

Tar'Kyren Dheran ging nicht darauf ein. Stattdessen hob er leicht seine Augenbrauen und erkundigte sich, noch immer leicht irritiert: „Wo sind wir?“

„Na, da wo du unser Runabout bruchgelandet hast. Ich schätze die Ansiedlung, die wir ausgemacht haben, ist rund zehn Kilometer entfernt. Das Shuttle ist bestimmt noch ein ganzes Stück in seine Richtung geschlittert, bevor es uns um die Ohren flog.“

Der Andorianer richtete sich halb auf und sah auf die rauchenden Überreste des Shuttles. Gleichzeitig wurde ihm die volle Konsequenz der Geschehnisse bewusst. Er brachte es auf den Punkt, indem er feststellte: „Wir sind auf diesem Planeten gefangen. Für den Rest unseres Lebens, wenn kein Wunder geschieht.“

„Seit wann glaubst du denn an Wunder?“

Der Andorianer sah Christina vielsagend an und sie verstand ihn ohne Worte. Sie nickte deprimiert und fluchte leise: „Na toll.“

Erst jetzt schien ihr Mann zu erfassen, dass sie ihn bis hierhergeschleppt hatte und mit leisem Erstaunen in der Stimme meinte er: „Du hast mich vom Wrack bis hierher getragen, meine hübsche kleine Eisfee. Respekt.“

„Und das in Rekordzeit“, erwiderte Christina grimmig grinsend. „Sonst hätte dich die Schwarze Kreatur der Verdammnis bereits in den Fängen.“

Es sprach für die Mentalität des Andorianers, dass er sich einen Moment später bereits auf das Naheliegende konzentrierte und fragte: „Wie sind wir ausgerüstet?“

Christina kam auf die Knie und erwiderte: „Für jeden von uns eine Notfallausrüstung. Dann noch dein Tricorder. Unsere Kommunikatoren scheinen noch zu funktionieren.“

„Was ist mit Waffen?“

„Keine Waffen.“

Der Andorianer ließ sich von seiner Frau aufhelfen und brummte missgestimmt: „Das gefällt mir nicht. Aber vielleicht haben wir Glück und brauchen keine Waffen.“

Noch bevor sie sich entschieden hatten, welchen Weg sie zu der ausgemachten Ansiedlung einschlagen wollten, hörten sie ein helles Sirren in der Luft. Wenige Augenblicke später gerieten drei silbrig glänzende Fluggeräte in ihr Blickfeld. Die sechseckigen, etwa dreißig Meter durchmessenden, Maschinen näherten sich rasch und landeten schließlich, nur wenige Meter von ihnen entfernt.

„Ich hoffe, du hast Recht“, gab Christina erst jetzt Antwort. „Wenn die uns an den Kragen wollen, dann werden wir nämlich wenig dagegen tun können.“

Schotts öffneten sich an allen drei Maschinen und zur Überraschung der beiden Notgelandeten entstiegen ihnen jeweils zwei schlanke - absolut humanoide Wesen. Sie sahen aus wie Menschen. Jedoch fielen sie sofort durch die violette Hautfarbe auf. Das Haar der Fremden war durchgehend von tiefstem Schwarz. Erst beim zweiten Hinsehen erkannte Christina Dheran, dass die violette Haut der Fremden dunkle Streifen aufwies, dem Muster eines Tigers nicht unähnlich. Sie alle hielten Gegenstände in den Händen, die sie sofort als Waffen identifizierte. Sie bestanden offensichtlich aus demselben silbernen Material, wie die Außenhaut der Fluggeräte.

Die Antennen des Andorianers bogen sich leicht nach innen – ein Zeichen dafür, dass er verärgert war. Dennoch blieb er ruhig und wandte den Fremden seine leeren Handflächen zu, während er gleichzeitig sagte: „Wir haben nichts Böses im Sinn. Unser Runabout geriet in einen Magnetsturm und wir mussten hier notlanden.“

Dem Andorianer war klar, dass zu viele Informationen nur Konfusion stiften würden, darum verschwieg er den Durchflug des Wurmloches. Vermutlich wussten die hiesigen Intelligenzen mit diesem Begriff ohnehin nicht viel anzufangen.

Das grazil wirkende Wesen, dass dem Andorianer am nächsten stand, erwiderte etwas in einer melodischen Sprache, die der Kommunikator mit geringfügiger Verzögerung folgendermaßen übersetzte: „Mein Name ist Forill-Taan. Ich muss Sie beide bitten, mich an Bord eines unserer Gleiter zu begleiten. Wir haben Fragen.“

Das schien dem Andorianer schon fast zu glattzugehen. Misstrauisch wechselte er einen Blick mit Christina, bevor er sich wieder dem Wesen zu wandte, das sich ihm als Forill-Taan vorgestellt hatte. Erst jetzt bemerkte er, dass es sich um ein weibliches Exemplar zu handeln schien. Dabei wirkte Forill-Taan etwas kräftiger, als ihre Begleiter.

„Wir kommen mit Ihnen“, erwiderte der Andorianer. Zu seiner Erleichterung senkten die sechs Wesen die Waffen und Forill-Taan ging ihnen voraus zu dem Gleiter, dem sie zuvor entstiegen war.

Während Tar'Kyren und Christina Dheran ihr folgten, fragte sich der Andorianer, woher dieses rasche Vertrauen herrühren mochte. Normalerweise waren Wesen, die mit einer fremden Spezies konfrontiert wurden, oder so wie in diesem Fall, mit gleich zwei fremden Spezies, wesentlich misstrauischer. Er hoffte, dass dieser Eindruck nicht trog und man sie nicht in eine Falle lockte. Doch entgegen seinen Erfahrungen mit fremden Spezies neigte der Andorianer dazu, dies nicht anzunehmen. Ohne sagen zu können, warum das so war. Vielleicht ergab sich ein klareres Bild, wenn sie dort waren, wohin die Fremden ihn und seine Frau zu bringen gedachten.
 

* * *
 

Eine halbe Stunde später standen Tar'Kyren Dheran und Christina in einem großzügig dimensionierten Raum an einer breiten Fensterfront und sahen hinaus auf die Stadt, zu der man sie geflogen hatte. Sie lag an der Küste eines Meeres und wurde hufeisenförmig von dicht bewaldeten Hügeln umschlossen. Lediglich zum Meer hin, fiel das Gelände flach ab.

Der Andorianer sah für eine Weile schweigend auf die Landschaft, bevor er mit rauer Stimme zu Christina sagte: „Diese Leute haben uns zwar sehr bestimmt hierhergebeten, doch irgendetwas an dem Verhalten kam mir seltsam vor. Hast du nicht auch eine gewisse Unsicherheit bei denen gespürt? So, als wäre es ihnen fast peinlich uns festzusetzen.“

„Also geht es mir nicht allein so“, gab die Irin zustimmend zurück. „Ich habe im Grunde die ganze Zeit damit gerechnet, dass die sich dafür entschuldigen würden.“

Tar'Kyren Dheran wandte sich seiner Frau zu und schritt zu ihr. „Ich weiß, dass es riskant ist, aber ich habe das Gefühl, diesen Fremden vertrauen zu können. Ausgerechnet ich, der sonst immer das Misstrauen in Person gewesen ist, wenn mir Fremde zuerst einmal eine Waffe unter die Nase gehalten haben.“

„Bei der Nase“, spöttelte die Frau, um gleich darauf wieder ernst zu werden. „Du hast Recht, aber auch mir geht es so. Fast hatte ich vorhin den Eindruck, dass die uns hätten laufen lassen, wenn wir auf die Idee gekommen wären zu flüchten, anstatt mitzukommen. Irgendetwas an diesen Fremden ist seltsam.“

Hinter ihnen öffnete sich das Schott und jene Fremde, die sich ihnen bereits zuvor als Forill-Taan vorgestellt hatte, betrat den Raum. Diesmal war sie unbewaffnet und etwas überrascht von dieser Sorglosigkeit sah der Andorianer bezeichnend zu seiner Frau.

Forill-Taan indessen schien dies nicht zu bemerken. Mit entspannt wirkender Miene kam sie geschmeidig auf die ihr fremden Wesen zu. Fast erweckte sie dabei den Eindruck, als würde sie jede Woche Besuch von den Sternen bekommen.

Zwei Schritt vor Dheran und seiner Frau blieb Forill-Taan stehen und sagte mit gedämpfter Stimme: „Zuerst einmal möchte ich Ihnen sagen, dass sich meine Spezies Krendaraner nennt. Sie befinden sich auf unserer Heimatwelt Krendara. Darf ich Sie beide nun fragen, wie sich Ihre Spezies nennt?“

Es war Christina, die nach einem kurzen Blickwechsel mit ihrem Mann antwortete: „Wir entstammen zwei verschiedenen Spezies, die beide zur Vereinten Föderation der Planeten gehören. Ich bin Christina Carey-Dheran, ein Mensch, und neben mir steht mein Mann, Tar'Kyren Dheran, ein Andorianer.“

Die Miene der Krendaranerin drückte gleichzeitig Faszination und Neugier aus, als sie sich erkundigte: „Ihre Gefühle füreinander haben die Unterschiede, die es sicherlich bei Ihren beiden Spezies gibt, also überwunden? Wie viele Spezies gehören der Föderation, die sie erwähnt haben noch an?“

Diesmal war es der Andorianer, der antwortete: „Der Föderation gehören annähernd zweihundert Welten an. Dabei ist die Anzahl der Spezies um etwa siebzig Prozent geringer, da zu den Mitgliedswelten auch eine Reihe von Kolonialwelten gehören.“

„Sehr interessant“, gab die Krendaranerin begeistert zurück, bevor sie sich straffte und mit einem bedauernden Unterton in der Stimme erklärte: „Ich hätte noch so viele Fragen an Sie beide, doch das wird warten müssen. Unsere Planetare Führerin wartet auf Sie. Auch sie hat einige Fragen.“

Als sie sich abwandte, folgten die Dherans ihr, wobei Tar'Kyren seiner Frau unterdrückt zu raunte: „Ist dir aufgefallen, dass sie sich fast ausschließlich auf dich konzentriert hat, als sie sprach? Von mir hingegen hat sie kaum Notiz genommen.“

„Ja“, gab Christina ebenso leise zurück, während sie den langen Gang durchschritten. „Vielleicht gefällst du der Dame nicht.“

„Ach was!“, schnappte der Andorianer und seine Antennen bogen sich leicht nach Innen. „Ich und nicht gefallen.“

Bevor Tar'Kyren Dheran noch mehr dazu sagen konnte, erreichten sie ein großes Schott, dass sich vor ihnen teilte. Unterwegs hatte es keinerlei Wachen gegeben und es wäre Christina und deren Mann ein Leichtes gewesen, Forill-Taan zu überwältigen und die Flucht zu ergreifen. Doch wohin hätten sie schon fliehen können? Hatten die Krendaraner vielleicht dieselben Überlegungen angestellt und deshalb auf Wachen verzichtet?

Bevor Christina Carey-Dheran zu einer Lösung kam, trat Forill-Taan zur Seite und gab den Blick frei auf drei krendaranische Frauen. Wieder wechselte das Ehepaar bezeichnende Blicke miteinander und der Andorianer raunte grimmig: „Sprich du mit ihnen. Vielleicht gefällst du besser.“

Christina kam dem Vorschlag Dherans nach und fasste für die anwesenden drei Vertreterinnen der Krendaraner noch einmal zusammen, wie sie hierher verschlagen wurden. Außerdem gab sie einen kurzen Überblick darüber, wie die Föderation entstanden war und welchen Zielen sie sich verschrieben hatte.

Nachdem die Terranerin geendet hatte, flüsterten die drei Planetaren Führerinnen miteinander, bevor sich die mittlere der drei Frauen an Christina wandte und erklärte: „Vielleicht ist Ihre Ankunft so etwas wie Schicksal. Sie müssen wissen, dass auf Krendara seit Jahrzehntausenden ein Männerüberschuss im Verhältnis von etwa 4:1 besteht, was bei unserem Volk gesellschaftlich sehr früh zur Bildung eines Matriarchats geführt hat. Zwar herrscht auf Krendara, seit Jahrhunderten schon, die Gleichberechtigung, jedoch wählt traditionell auch gegenwärtig noch immer ausschließlich die Frau, auf Krendara, ihre bis zu vier Ehepartner. Sowohl die politische, wie auch die militärische Gewalt, wird auf Krendara, seit vielen Jahrtausenden, von Frauen ausgeübt. Es hat auf Krendara jedoch zu keiner Zeit eine gewählte Zentralregierung gegeben - viel mehr ist die politische Macht bereits immer schon von einzelnen Großfamilien ausgeübt worden, was in den letzten zwei Jahrhunderten für ansteigende, gesellschaftliche Spannungen gesorgt hat. Vordringlich, weil sich die übrigen Krendaraner, die nicht einer dieser Familien angehören, zunehmend benachteiligt fühlen. Insbesondere, seit der Entwicklung von Massenmedien, über die Informationen sich innerhalb weniger Stunden auf dem gesamten Planeten verbreiten. Diese Spannungen haben sich besonders in den letzten einhundert Jahren stets verschärft, seit die weiblichen Oberhäupter dieser Familien endlich offiziell eine Regierung eingesetzt und gleichzeitig einen Amtssitz geschaffen haben.“

An diesem Punkt schaltete sich Tar'Kyren Dheran ein und fragte: „Hat es wegen dieser Spannungen Kriege gegeben?“

Die Krendaranerin wandte sich zum ersten Mal dem Andorianer zu und erwiderte nach einem langen Blick: „Nein. Unser Volk wäre zwar in der Lage, sich gegen Invasoren zu verteidigen, jedoch nicht dazu, gegen andere Krendaraner Gewalt anzuwenden. Für nicht entartete Krendaraner wäre das undenkbar.“

„Nicht entartete Krendaraner?“, echote Christina Carey-Dheran hellhörig werdend. „Dann gibt es also entartete Krendaraner. Was verstehen Sie darunter?“

Die drei Krendaranerinnen wechselten bedeutungsvolle Blicke miteinander, bevor nun die links sitzende Krendaranerin das Wort ergriff: „Es handelt sich nicht um eine biologische Entartung, sondern um eine geistige. Die Entartung besteht darin, dass diese Krendaraner dazu bereit und auch in der Lage sind, Gewalt gegen andere Krendaraner auszuüben. Einige von ihnen haben bereits andere Krendaraner ermordet. Das führte bei den gesunden Krendaranern zu einer Art mentaler Schockstarre, da dies allgemein als undenkbar gilt. In den letzten Jahren haben sich diese Entarteten organisiert und auf ein Archipel zurückgezogen. Dort haben sie eine alte Atomanlage übernommen. Dieses veraltete Atomkraftwerk ist vor langer Zeit stillgelegt worden, nachdem unsere Solartechnik so weit fortgeschritten war, dass wir auf diese gefährliche Technik verzichten konnten. Wir befürchten jedoch, dass die Entarteten dort seit einiger Zeit dabei sind, die Anlage wieder in Betrieb zu nehmen. Zudem ist diese Anlage Teil einer aufgegebenen Militärbasis. Wir trauen den Entarteten zu, dass sie dort Atomwaffen herstellen. In den letzten Monaten wurden dort zudem Raketentests durchgeführt. Vermutlich entwickelt man dort ein Trägersystem für diese Atomwaffen. Offensichtlich nehmen die Entarteten an, sie könnten einen atomaren Holocaust überleben.“

Wieder war es der Andorianer, der einhakte: „Entschuldigung, aber was tun sie gegen diese Entwicklung?“

Die hilflosen Mienen der anwesenden Krendaranerinnen sprachen Bände. Offensichtlich verbot sich ihnen, selbst gegen entartete Krendaraner militärisch vorzugehen.

„Ich denke, wir verstehen nun Ihr Problem“, mischte sich Christina ein. „Sie sprachen eben davon, dass unser Absturz Schicksal sein könnte. Ich muss Ihnen jedoch sagen, dass es die Bestimmungen der Föderation…“

Die Irin unterbrach sich und sah den Andorianer an ihrer Seite unwillig an, als dieser fest ihren Unterarm umklammerte. Dabei sah er sie beschwörend an und raunte: „Die Föderation ist weit weg und wir riskieren hier die Auslöschung einer ganzen Spezies. Von uns beiden gar nicht zu reden. Keine Direktive der Föderation kann so etwas gutheißen. Außerdem gibt es da immer noch den Artikel Eins der Dienstanweisungen.“

„Du spielst also auf die Anweisung an zu überleben, soweit dies der Auftrag zulässt.“

Christina sah in die eindringlich blickenden Augen ihres Gatten, wobei sie einen inneren Kampf mit sich selbst ausfocht. Sie stand zu den Prinzipien der Föderation. Doch sie hatte sie auch einige Male selbst ignoriert, wenn sie den Eindruck gewonnen hatte, dass diese Prinzipien nicht greifen. Nichteinmischung würde in diesem Fall den Untergang einer ganzen Spezies bedeuten – Einmischung möglicherweise deren Rettung. Doch das würde auch unwägbare Konsequenzen nach sich ziehen. Dafür, dass die nicht entarteten Krendaraner nicht allzu kriegerisch veranlagt waren, gab es keine Beweise. Darum konnte sie nur nach ihrem Bauchgefühl entscheiden. Schließlich atmete sie tief durch und nickte Tar'Kyren zu, der sich darauf wieder an die krendaranischen Regierungsbeamtinnen wandte.

„Was meine Frau meint ist: Die Prinzipien der Föderation verbieten uns eine Einmischung in Ihre internen Angelegenheiten. Würden Sie uns jedoch offiziell um Hilfe bitten und mit den notwendigen Vollmachten ausstatten, so könnten wir Ihnen helfen. Die Föderation verfolgt zwar eine Politik des Friedens und des Miteinander, doch wir haben nicht verlernt dafür zu kämpfen.“

Es war die Krendaranerin, die zuerst gesprochen hatte, die nun erwiderte: „Wir wären für jede Hilfe dankbar, die sie leisten können. Wir werden ihnen die notwendigen Vollmachten erteilen. Sagen Sie nur, was Sie brauchen. Aber sind Sie sicher, dass sie beide allein etwas bewirken können?“

Es war Christina, die darauf antwortete. „Versprechen können wir nichts, doch mein Mann ist so eine Art Spezialist für unmöglich erscheinende Kommandounternehmen. Er wird herausfinden, ob und wie wir helfen können. Doch dazu brauchen wir alle Informationen bezüglich der geografischen Gegebenheiten vor Ort. Außerdem wären Informationen in Bezug auf die Stärke des Gegners und seine Bewaffnung nicht schlecht.“

Tar'Kyren Dheran ergänzte: „Haben Sie hier so etwas, wie einen Konferenzraum, wo diese Informationen aufbereitet werden können?“

Die drei Regierungsverantwortlichen sahen gleichzeitig zu Forill-Taan, die sich der Menschenfrau und dem Andorianer zuwandte. „Kommen Sie bitte mit, ich werde Sie zu der entsprechenden Örtlichkeit bringen.“

Tra-Kelorn

Der Planet Krendara

Sternenzeit: 104815.2

Alpha-Quadrant in einem nicht erforschten Sektor
 

Zwei planetare Tage später besaßen die Dherans alle relevanten Informationen um zu dem, hauptsächlich von Tar'Kyren geplanten, Unternehmen aufzubrechen. Da die Tage auf Krendara nur unwesentlich länger waren, als auf der Erde, musste sich das so ungleiche Ehepaar nicht großartig auf die äußeren Gegebenheiten umstellen. Drei weitere Tage benötigten sie, um zu lernen, wie man mit der krendaranischen Technik umgeht. Einerseits gedachten sie, mit einem Gleiter der Krendaraner die rund siebenhundert Kilometer zum fraglichen Tra-Kelorn-Archipel zu überwinden, und andererseits waren sie darauf angewiesen, von den Krendaranern zur Verfügung gestellte Waffen einzusetzen, falls man ihnen keine andere Wahl ließ. Dabei handelte es sich um sogenannte Ultrastrahler. Diese Waffen arbeiteten mit Thermoimpulsen nach dem Prinzip der ultrahohen Lichtverstärkung. Einen Betäubungsmodus besaßen diese Waffen leider nicht. Der Andorianer hatte darauf bestanden, neben vier klobigen Handwaffen auch zwei der durchschlagskräftigeren Karabiner-Version mitzunehmen. Sicherheitshalber, wie er sich ausgedrückt hatte.

Den Gebrauch der Waffen brachte ihnen eine Krendaranerin namens Kleris-Toor bei. Sie würde bei diesem Unternehmen mit dabei sein, da sie die Gegebenheiten auf Tra-Kelorn sehr gut kannte. Außerdem war sie in jungen Jahren einmal zu Studienzwecken im Innern der Atomanlage gewesen. Sie würde als Scout fungieren.

Tar'Kyren Dheran hatte in den letzten Tagen versucht, die Krendaraner dazu zu bewegen, zusätzlich einen schwer bewaffneten Kommandotrupp für dieses Unternehmen abzustellen, doch damit hatte er auf Granit gebissen.

Christina Carey-Dheran die ihren Mann in den Tagen seit des Absturzes besonders aufmerksam beobachtete, hatte dabei festgestellt, dass er von einem Unternehmensgeist beflügelt wurde, wie selten seit seinem Abschied von der Sternenflotte. Dabei spürte sie selbst ebenfalls einen Wandel in sich. Seit langer Zeit würden sie wieder zu einem Unternehmen aufbrechen, bei dem es auf Biegen oder Brechen ging. Zu ihrem gelinden Erstaunen stellte sie dabei fest, dass ihr diese Aufregung offensichtlich gefehlt zu haben schien, denn sie fühlte sich lebendiger denn je. Etwas ironisch kam sie zu dem Schluss, dass ihr Mann sich wohl letztlich für die richtige Lebenspartnerin entschieden hatte.

Unbewusst lächelte die Irin, bei dem Gedanken daran, dass sie Tar'Kyren um ein Haar an Pasqualina verloren hätte. Beide waren für einige Jahre ein Paar gewesen. Doch am Ende war die Liebe füreinander bei ihr und dem Andorianer einfach zu stark gewesen, um sich nicht durchzusetzen.

Damals wäre sie dabei zu einem solchen Lächeln nicht fähig gewesen. Viel mehr hatte sie seinerzeit abwechselnd beide verflucht. Umso interessanter fand sie es, retrospektiv betrachtet, dass Pasqualina und deren Mann inzwischen zu ihren besten Freunden zählten. Die Spanierin hatte sogar ihre jüngste Tochter nach ihr benannt und sie damals gebeten, als Patentante zu fungieren. Seinerzeit hatte sie längst mit Pasqualina Frieden geschlossen. Zehn Jahre zuvor, bei der Hochzeit der ehemaligen Rivalin mit Christian Sinemus, genauer gesagt.

Sie brauchten eine Stunde, um den krendaranischen Luftgleiter, am frühen Morgen des sechsten Tages, seit der Landung auf Krendara, auszurüsten. Es war noch dunkel, obwohl sich am Horizont der bevorstehende Sonnenaufgang bereits durch einen minimal helleren Blauschimmer des Himmels abzuzeichnen begann.

„Zu dumm, dass Kleris-Toor keine besonders versierte Gleiterpilotin ist, wie für diesen Anflug nötig“, meinte Tar'Kyren Dheran beim Einsteigen ins Cockpit der Maschine. Das hätte uns Zeit erspart. Wenn ich die drei Planetaren Führerinnen gestern Abend richtig verstanden habe, dann kann ein Angriff nur noch eine Frage weniger Tage sein. Ich frage mich, warum die mit dieser Information nicht früher herausrücken wollten.“

Es war die Krendaranerin, die ihn und seine Frau begleiten sollte, die etwas unangenehm berührt darauf erwiderte: „Es ist den drei Regierenden generell nicht leicht gefallen, zwei Außenstehenden zu vertrauen. Das müssen Sie verstehen. Wäre die Lage nicht so fatal, so hätten sie es vermutlich gar nicht in Erwägung gezogen.“

„Wir verstehen das“, gab Christina schnell zurück und warf Dheran gleichzeitig den Blick zu. Manchmal war er immer noch der etwas undiplomatische und sehr direkte Andorianer, den sie Ende des Jahres 2360 kennengelernt hatte.

Tar'Kyren Dheran, der den Blick richtig interpretierte, enthielt sich eines weiteren Kommentars. Dazu kannte er sie zu gut. Außerdem hatte sie Recht, denn in der Föderation wäre man noch weit weniger vertrauensselig gewesen. Stattdessen übernahm er es, die Aggregate des Gleiters zu starten.

Einmal mehr bewunderte Christina Carey, wie leise die Aggregate des Gleiters der Krendaraner arbeiteten. Zwar hatten sie bisher den Warpantrieb noch nicht entwickelt, doch ihre Fähigkeit, die Technik zu optimieren, die sie verstanden, war enorm. Sollte das Unternehmen positiv verlaufen und die Föderation jemals auf die Krendaraner aufmerksam werden, so hatten sie die besten Chancen in diesen Bund aufgenommen zu werden, falls sie irgendwann doch noch die interstellare Raumfahrt entwickelten. Doch das war gegenwärtig reine Zukunftsmusik.

Tar'Kyren steuerte den Gleiter sicher auf das offene Meer hinaus und ließ ihn so weit absinken, dass Christina zwischenzeitlich befürchtete, der Boden der Maschine müsse die Wasseroberfläche berühren. Dabei überflog ein flüchtiges Schmunzeln ihr Gesicht. Tar war immer noch derselbe Draufgänger, wie zu früherer Zeit. Er konnte es inzwischen nur besser kaschieren als damals. Dabei erfasste sie selbst wieder eine gewisse Aufregung. Während der letzten Tage hatte sie eine gewisse Unruhe erfasst. Nun, da es endlich losging, verfiel sie hingegen in jenen aufmerksam angespannten Zustand, wie zu der Zeit als sie noch Kommandantin von Raumschiffen und Raumschiffsverbänden gewesen war.

Die Irin fuhr aus diesen Gedanken auf, als sie die leicht amüsierte Miene ihres Mannes bemerkte. Im nächsten Moment meinte er, gerade so, als habe er ihre Gedanken gelesen: „Es geht endlich los, Eisfee. Zeit, endlich wieder etwas zu bewegen.“

Christina Carey-Dheran lächelte zustimmend. „Du sagst es.“
 

* * *
 

Der Flug des Gleiters, mit seiner dreiköpfigen Besatzung an Bord, verlief problemlos. Bereits eine knappe Stunde nach dem Aufbruch tauchte vor dem Gleiter die dunkle Silhouette von Tra-Kelorn auf, der Hauptinsel des gleichnamigen Archipels, zu dem rund ein Dutzend Inseln zählten. Darunter zwei die kaum kleiner waren als Tra-Kelorn selbst. Diese beiden Inseln lagen jedoch weiter rechts, außerhalb der Sichtweite aus dieser geringen Höhe.

Zielsicher steuerte Dheran eine Steilklippe an, die einen guten Sichtschutz bot. Zugleich gab es dort, nach Auskunft von Kleris-Toor, eine Höhle, die groß genug war, um den Gleiter zu verstecken. Nach deren Worten lag ganz in der Nähe ebenfalls einen Aufstieg zu einer weiten Ebene, die ihrerseits dicht an einem Wald entlang führte. Dieser Wald wiederum würde danach vorerst den weiteren Vormarsch decken.

Die Klippen der Insel schienen dem Gleiter förmlich entgegenzuschießen. Doch der Andorianer hob die Fahrt des Gleiters rechtzeitig so weit auf, dass er mit nur wenigen Metern pro Sekunde in die Höhle hinein glitt, von der die Krendaranerin berichtet hatte. Dabei erkundigte er sich bei Kleris-Toor: „Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass unser Anflug unentdeckt geblieben ist?“

Die Krendaranerin machte ein zuversichtliches Gesicht. Wenigstens glaubte Dheran, das der Miene der auf ihn exotisch wirkenden Frau entnehmen zu können.

„Die Scanner meines Volkes können Objekte, die so tief anfliegen, nicht erfassen. Man müsste uns schon optisch ausgemacht haben, um bereits jetzt von unserem Hiersein zu wissen. Doch das ist unwahrscheinlich. Denn um extra Posten an der Küste zu errichten müsste man wissen, dass Sie zwei auf Krendara gelandet sind und zudem die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Vorerst werden wir also sicher sein.“

„Hoffen wir es“, brummte Dheran und verließ den Gleiter nach Kleris-Toor. Den Abschluss bildete Dherans Frau.

Sie begannen den beschwerlichen Weg durch den dichten Urwald der Insel im fahlen Licht des anbrechenden Tages. Weshalb unter dem dichten Laubdach des Waldes noch fast völlige Finsternis herrschte. Hier kamen Tar'Kyren Dheran seine biologische Eigenschaft zustatten. Er konnte sich innerhalb geschlossener Areale sehr gut orientieren. Der Marsch durch den Urwald kam der Erkundung eines komplizierten Höhlensystems durchaus gleich. So bereitete es ihm keinerlei Mühe zu bestimmen, wie ihre Position zur Klippe war.

Als sie nach einer Stunde den alten Küstenweg erreichten, der in früherer Zeit als Wachweg benutzt worden war, nickte Kleris-Toor dem Andorianer anerkennend zu und raunte leise: „Ihr Orientierungssinn ist wirklich ausgezeichnet.“

Nach einem kurzen Moment der Umschau meinte die Krendaranerin: „Ab hier müssen wir uns nach rechts wenden. Wir halten uns auf der einwärts gelegenen Seite des Weges. Im Notfall können wir dort im Unterholz verschwinden, falls es wider Erwarten doch Patrouillen geben sollte.“

Sie marschierten schweigend in die von Kleris-Toor vorgegebene Richtung. Erst nachdem sie eine geraume Weile unterwegs gewesen waren, fragte Tar'Kyren Dheran leise: „Gibt es hier keine größeren Tiere? Bisher habe ich nur wenige Insekten und einige kleine fliegende Wesen ausmachen können.“

Die Krendaranerin erklärte: „Als die Atombasis errichtet wurde, hat man alle am Boden lebenden Tiere aufgespürt und umgesiedelt. Aus diesem Grund gibt es hier auch keine Raubvögel, die sich von Kleintieren ernähren. Nur Insekten, und Vogelarten, die sich von diesen Insekten ernähren, verblieben auf dieser Insel des Archipels.“

„Gut für uns“, mischte sich Christina Carey-Dheran ein. „So müssen wir nicht befürchten, hinterrücks von Raubtieren überfallen zu werden.“

Sie marschierten zwei weitere Stunden, bevor die Irin stehenblieb und sagte: „Ich brauche mal eine Pause.“

Ihr Mann nickte zustimmend. „Eine gute Idee. Dabei hätte ich früher doppelt so lange marschieren können, als ich noch im aktiven Dienst der Sternenflotte war. Ich glaube, wir werden langsam zu alt für solche Scherze.“

„Aber Hallo!“, stimmte Christina ihm zu, reichte ihrem Mann den Karabiner und nahm den Rucksack ab. Nachdem sie einen Schluck Wasser aus der Feldflasche getrunken hatte, verpackte sie die Flasche wieder und streckte sich.

Kleris-Toor hatte die Unterhaltung der beiden für sie immer noch sehr exotischen Lebewesen schweigend verfolgt. Sie drängte jedoch nicht zum Weitermarschieren.

Nach fünf Minuten nickte Christina dem Andorianer zu, schulterte wieder das Gepäck und nahm danach ihren Karabiner an sich.

Erneut marschierten sie, bis der Weg vor ihnen einen weiten Bogen nach links machte. Fast in demselben Moment hörten sie ein hohes Sirren und die Krendaranerin zischte warnend: „Weg vom Weg!“

Sie schlugen sich rasch nach links ins Unterholz und gingen hinter einem der großen Bäume in Deckung. Als das Sirren lauter wurde, bogen sich die Antennen des Andorianers nach hinten. Gleich darauf spähte er um die Rundung des Baumstammes herum.

Nach einem kurzen Moment erkannte der Andorianer die Silhouette eines Bodengleiters, der rasch an ihnen vorüberzog und sich mit gleichbleibender Geschwindigkeit von ihnen entfernte. Die drei so unterschiedlichen Wesen warteten, bis das Sirren nicht mehr zu hören war, bevor sie die Deckung verließen. Dabei meinte der Andorianer: „Die scheinen uns nicht bemerkt zu haben. Es gibt also Patrouillen. Die Frage ist, ob es die bereits immer gab, oder ob wir erwartet werden.“

„Würden diese Leute uns erwarten, so wären wir viel eher einer solchen Patrouille begegnet“, versicherte Kleris-Toor ihm. „Außerdem würden die Patrouillen dann aus mehreren Fahrzeugen bestehen.“

Der Andorianer und seine Frau sahen sich an. Beide hofften, diese positiv klingenden Worte würden berechtigt sein.

„Gehen wir weiter“, bestimmte Tar'Kyren Dheran und setzte sich erneut an die Spitze des Trios. Dabei wagten sie sich erst nach einer Weile wieder zurück auf den Weg.

Durch das dichte Blätterdach konnten die drei so verschiedenen Wesen nur ungefähr erkennen, dass der Stern dieses Systems bereits merklich tiefer am Himmel stand, bevor der Wald rasch lichter wurde und sie an einer Felsenschlucht den Rand des Urwaldes erreichten. Vorsichtig arbeiteten sie sich zwischen mannshohen Felsen weiter voran, bis der Andorianer, der die Spitze übernommen hatte, plötzlich verharrte. Um einen Felsen herum spähend meinte er raunend: „Es scheint mir so, als hätten wir unser Ziel fast erreicht.“

Christina begab sich an die Seite ihres Mannes. Bei ihm angekommen erkannte sie eine tiefe Schlucht, die sich in beide Richtungen vor ihnen erstreckte. Eine Trasse für Bodengleiter führte bis zu deren Rand und auf ein Brückenelement, das nach etw zehn Metern abrupt aufhörte. Etwa fünfzig Meter weiter, am anderen Ende der Schlucht, gab es ein identisch aussehendes Element, von dem aus die Trasse zu einem Komplex führte, der von hier aus nur zu einem Teil einsehbar war.

„Wie funktioniert diese Brücke?“, erkundigte sich Tar'Kyren Dheran bei Kleris-Toor, als diese zu seiner anderen Seite auftauchte. „Ich kann keine mechanischen Elemente erkennen, mit denen die beiden Enden dieser Brücke verbunden werden könnten.“

„Es gab immer Gerüchte, dass sich unter den Mitgliedern der Kerngruppe der Entarteten hochrangige Techniker und Wissenschaftler befinden“, erklärte Kleris-Toor. „Wir beginnen gerade erst mit der Energiefeld-Forschung. Dabei gelang es einigen unserer Wissenschaftler, Energiefelder zu entwickeln, die genaue geometrische Formen annehmen können. Doch bisher sind diese Formenergie-Felder stets äußerst instabil gewesen.“

Tar'Kyren Dheran sah die Krendaranerin fragend an. „Und Sie nehmen an, das Problem der Instabilität ist hier gelöst worden?“

Selbst die fremdartige Mimik der Außerirdischen sagte Dheran sofort, dass sie ihm diese Frage nicht beantworten konnte.

„Also schön“, knurrte der Andorianer. „Da die das Formfeld wohl kaum für uns aktivieren werden, müssen wir einen anderen Weg finden. Leider steigen die Felsen um die Straße herum zu steil an, also werden wir einige Meter ungedeckt sein. Ich schlage vor, ich renne zum Rand der Brücke und sehe mir die Angelegenheit mal an.“

Der Andorianer sah seine beiden Begleiterinnen an und wartete auf einen Einwand. Als keiner kam, reichte er die Waffe seiner Frau, legte den Rucksack ab und sprintete, so rasch er konnte, zum diesseitigen Rand der Brücke. Er warf sich flach auf den Bauch und spähte über den Rand in die Tiefe. Nach einem Moment richtete er sich auf und hastete zurück zu den beiden Frauen, die ihn fragend ansahen.

„Die Angelegenheit ist weniger problematisch, als ich dachte“, berichtete der Andorianer. „Etwa zwanzig Meter unterhalb des Übergangs gibt es einen Fluss, der recht träge dahin mäandert. Das Gewässer sah mir tief genug aus, um einen Sprung riskieren zu können. Wenn es wirklich sicher ist, dann kommt ihr nach. Ansonsten müsst ihr zwei euch etwas anderes überlegen.

Wieder kam kein Widerspruch von den beiden Frauen. Lediglich Christina sah den Andorianer besorgt an und sagte leise: „Sei bloß vorsichtig.“

„Glaubst du, damit fange ich ausgerechnet jetzt an?“, versetzte der Andorianer mit einem schiefen Grinsen. Damit sprang er auf und rannte erneut zum Rand der Brücke.

Christina beobachtete, wie Tar'Kyren den Rand der Brücke erreichte und sich abstieß.

Mit einem platschenden Geräusch landete er auf dem Bauch. Das unglaubliche dabei war, dass er mitten in der Luft auf dem Bauch lag.

Schneller als die Krendaranerin machte sich Christina einen Reim auf das, was passiert war. Sie zog Kleris-Toor vom Boden auf nahm das Gepäck und die Waffe ihres Mannes auf und sagte heiser: „Wir beeilen uns besser, das andere Ende der Brücke zu erreichen. Wer weiß, wie lange die Gelegenheit so günstig ist.“

Christina rannte mir Kleris-Toor zur Brücke und sie erreichten den Andorianer, als er sich vom Boden, der gar keiner war, aufrappelte. Er wirkte etwas benommen als er rau sagte: „Das verdammte Formfeld ist offensichtlich unsichtbar und es funktioniert.“

„Deine zweite Bruchlandung in einer Woche“, spöttelte Christina. „Lass das nur nicht zur Gewohnheit werden.“

Die Antennen des Andorianers bogen sich leicht nach innen. Er erhob sich mit Hilfe seiner Frau und meinte: „Die Entarteten scheinen noch nichts von unserer Ankunft zu wissen. Ansonsten hätte man den Übergang sicherlich deaktiviert.“

„Nicht unbedingt“, erwiderte Christina und ließ offen, was er damit meinte.

Dheran sah seine Frau an. „Normalerweise bin ich es doch, der bei Einsätzen immer mit dem Schlimmsten rechnet.“

Ohne etwas darauf zu erwidern, reichte Christina dem Andorianer Rucksack und Waffe. Zu dritt überquerten sie rasch den Abgrund und schlugen sich auf der anderen Seite der Schlucht ins Unterholz.

Erst im Dickicht des Waldes blieb Tar'Kyren Dheran stehen und holte Luft. Nach einer Weile meinte er zu den beiden Frauen: „Das hätten wir also. Zur Basis sind es von hier aus voraussichtlich noch etwa fünfhundert Meter. Jetzt beginnt der wirklich schwierige Teil des Unternehmens.“

Der letzte Tanz

Der Planet Krendara

Sternenzeit: 104816.1

Alpha-Quadrant in einem nicht erforschten Sektor
 

Tar'Kyren und Christina Dheran erreichten das jenseitige Ende des Waldes, als die Dämmerung bereits eingesetzt hatte. Bis zur Basis waren es von hier aus kaum fünfzig Meter.

Nebeneinander auf dem Boden liegend sahen beide zu dem Nebenkomplex der Basis, deren Hauptgebäude sich dahinter in den Himmel erhoben.

Christina sog den Duft des würzig riechenden Grases ein und dachte für einen Moment lang wehmütig an die Insel, auf der sie geboren worden war. Sich rasch wieder auf die vor ihnen liegende Aufgabe konzentrierend fragte sie annähernd lautlos: „Siehst du irgendwelche Hindernisse bis zu diesem auffälligen Portal dort hinten?“

Der Andorianer spähte zu dem mindestens vier Meter hohen Eingangsbereich hinüber und erwiderte ebenso leise: „Nein. Keine Zäune, keine sonstigen Hindernisse. Nichts. Eine Basis der Föderation wäre ganz anders gesichert.“

Die Irin nickte. „Ich kann mir das nur damit erklären, dass die nicht wirklich damit rechnen, jemand von außerhalb könnte auf diese Insel kommen. Warten wir, bis es dunkel geworden ist?“

„Ja, das wird das Beste sein.“

Tar'Kyren Dheran sah zu Kleris-Toor. „Werden Sie sich von diesem Nebeneingang, dort weiter links, in dem Komplex zurechtfinden?“

Die Krendaranerin machte eine zustimmende Geste. „Ja, dort war ich schon einmal. Nach meinem Kenntnisstand ist dieser Nebeneingang ungesichert. Ein Personenschott ohne besondere Sicherungen. Von dort aus erreichen wir ein Untergeschoss, in dem wir uns wohl relativ gefahrlos bewegen können. Wir müssen jedoch wieder nach oben, bevor wir in den Bereich der eigentlichen Militärbasis kommen. Der betreffende Durchgang besitzt keine Schutzvorrichtung. In der eigentlichen Basis müssen wir zunächst zum Kontrollraum, um die Abschusskontrollen zu sabotieren, ohne die keine Waffen von dort abgefeuert werden können. Erst dann können wir es wagen, den Reaktor herunterzufahren und die Energiespeicher der Atomanlage danach zu überlasten, ohne die der Reaktor nicht wieder neu hochgefahren werden kann. Da diese Energiespeicher sich unter der Militärbasis befinden, wird bei deren Explosion nur die eigentliche Militärbasis zerstört.“

„Und wir sind hoffentlich dann weit genug entfernt, um die Explosionen zu überleben“, knurrte Dheran finster.

„Natürlich müssen wir uns nach der Überlastungsschaltung beeilen von dort zu verschwinden“, gab die Krendaranerin zu. „Doch das sollte uns gelingen.“

Der Andorianer sah bei diesen Worten seine Frau an und meinte: „Du erinnerst dich an Captain Jack Murphy? Der Captain, der damals zur Fünften Taktischen Flotte gehörte. Er entwickelte damals einige Kampfregeln, die er Murphy´s Law of Combat nannte. Eine dieser Regeln lautete: Kein Plan übersteht den ersten Feindkontakt.“

Die Schwarzhaarige lächelte in der Erinnerung. „Ja, ich habe mich sogar einmal mit Murphy darüber unterhalten. Ein etwas sonderbarer Mensch.“

Tar'Kyren Dheran nickte und es wurde wieder still.

Erst als es beinahe vollkommen finster geworden war, ergriff Tar'Kyren Dheran das Wort. Heiser sagte er: „Jetzt werden wir es wagen. Kleris-Toor, sobald wir eingedrungen sind übernehmen Sie die Führung. Falls ein Gegner auftaucht ducken Sie sich bitte.“
 

* * *
 

Die drei so unterschiedlichen Wesen gelangten in das Innere der Atomanlage, ohne dass ein Alarm ausgelöst wurde. Sie ließen rasch einen mäßig erhellten breiten Gang hinter sich und bogen an seinem Ende in einen kurzen Seitengang ein, der zu einem marode aussehenden Treppenhaus führte. Kleris-Toor drückte die einfache Tür auf und sie folgen den engen Metallstufen hinab zur unteren Ebene.

Hier roch es moderig und die drei Eindringlinge erkannten, dass an manchen Stellen Wasser an den Wänden herunterlief. Einige der Bodenfliesen waren abgeplatzt und lagen etwas verschoben in dem fast vollkommen finsteren Gang.

Tar'Kyren Dheran warnte seine beiden Begleiterinnen vor diesen Stolperfallen. Hier unten kam ihm seine andorianische Physiologie zugute. Einerseits sah er hier unten besser, als es Menschen konnten und andererseits konnte er sich, aufgrund seiner Antennenorgane besser in diesem geschlossenen System orientieren. Mitunter hatte es seine Vorteile, dass seine Spezies weitgehend unter der Oberfläche des Mondes Andoria existierte.

Als sie eine Gangkreuzung erreichten deutete die Krendaranerin nach rechts. Sie gingen in diese Richtung weiter und bogen nach etwa zweihundert Metern wieder nach links ab. Weitere zweihundert Meter weiter deutete Kleris-Toor auf eine rostige Tür.

„Hier müssen wir jetzt wieder nach oben gehen. Dort oben angekommen ist der Durchgang zur eigentlichen Basis in Sichtweite.“

„Ich gehe voraus“, raunte der Andorianer und setzte sich an die Spitze, nachdem sie das Treppenhaus betreten hatten.

Kurz bevor sie oben ankamen, gab Dheran einen unterdrückten Schmerzlaut von sich. Besorgt erkundigte sich Christina von etwas weiter unten: „Was ist, Schatz? Hast du dich irgendwo verletzt?“

„Nein, ich habe einen verdammten Wadenkrampf.“

Ein ersticktes Kichern folgte. Leise hüstelnd flüsterte die Irin ihrem Mann zu: „Das ist nicht der Stoff, aus dem Heldenlegenden entstehen.“

Dheran, der stehengeblieben war, um sich die rechte Wade zu massieren, warf einen finsteren Blick in die Tiefe und knurrte: „Ja, amüsiere dich nur.“

Nach einer Weile setzten sie den Weg fort.

Als sie alle drei den oberen Treppenabsatz erreicht hatten, erkundigte sich Christina ernsthaft: „Geht es wieder?“

Die Antennen des Andorianers bogen sich leicht nach innen. „Ja, wir können.“

Kleris-Toor, die das Geplänkel wortlos verfolgt hatte, mischte sich nun ein: „Wir sollten uns ab jetzt sehr leise weiterbewegen. Hier oben sind die Chancen, auf Entartete zu treffen, wesentlich höher.“

Der Andorianer überging die unterschwellige Kritik der Krendaranerin und öffnete langsam die Tür vor sich, die ein leises Schaben am Boden verursachte. Für einen Augenblick lauschte er nach draußen, bevor er zuerst das Treppenhaus verließ.

Auch in der heruntergekommenen Maschinenhalle, die sie betraten, war zunächst kein Lebewesen zu entdecken, außer ihnen. Als sie jedoch zwischen zwei mehrere Meter hohen Maschinenblöcken entlang schlichen und das Durchgangsschott zur eigentlichen Militärbasis nur noch wenige Meter entfernt lag, hörten sie zwei Stimmen. Offensichtlich hatte man sie aber noch nicht entdeckt, denn die Stimmen wirkten ruhig und entspannt.

Tar'Kyren Dheran hielt an, kniete sich ab und brachte die Waffe in Anschlag. Auch seine beiden Begleiterinnen duckten sich, wobei Christina die Sicherung nach hinten übernahm. Quälend verstrichen die Sekunden.

Schließlich konnte der Andorianer zwei Krendaraner erkennen, als sie in sein Sichtfeld kamen. Dheran glaubte schon, sie würden vorbeigehen, ohne ihr Hiersein zu bemerken, doch dann sah einer der beiden Krendaraner zufällig direkt in seine Richtung.

Der Andorianer zögerte nicht länger und feuerte die Waffe ab. Zweimal stand ein greller Lichtstrahl in der Luft und die beiden Krendaraner sanken getroffen zu Boden. Danach verharrten die drei Eindringlinge lauschend. Doch nichts weiter rührte sich.

Schließlich flüsterte Kleris-Toor: „Nur gut, dass wir noch außerhalb des Bereiches der eigentlichen Militäranlage sind. Hier scheint es immer noch keine Energiesensoren zu geben. Das ist im militärischen Bereich der Basis anders.“

„Wir schaffen die beiden Toten zwischen die Maschinenblöcke“, entschied Dheran heiser und rannte annähernd lautlos zu den beiden am Boden liegenden Krendaranern.

In den Augen der Krendaranerin lag stummes Entsetzen. Die eigenen Landsleute sterben zu sehen, auch diese Entarteten, war für sie nur schwer zu ertragen. Dennoch half sie dem Andorianer dabei, die Toten zu verstecken.

„Wenn wir Glück haben, dann werden diese Toten nicht entdeckt, bis wir wieder weg sind“, murmelte Christina Carey-Dheran. „Dann spielt es keine Rolle mehr.“

Die Irin wechselte einen langen Blick mit ihrem Mann und er nickte stumm. Beide wussten, dass man in der Föderation sicherlich eine Menge zu ihrer aktuellen Handlungsweise zu sagen gehabt hätte. Auch, weil es nicht in jedem Fall richtig war, das Wohl von Vielen über das Wohl von wenigen zu stellen. Mit Hilfe einer solchen Philosophie hatte man im 19. Jahrhundert die Bewohner des nordamerikanischen Kontinents dezimiert, deren Land gewaltsam annektiert und die Menschen dieser Gegend in Reservate eingesperrt. Doch hier lag der Fall anders, denn hier waren Verbrecher dabei eine ganze Welt in eine Atomhölle zu verwandeln und alles Leben darauf zu vernichten.

Aus diesem Grund heraus stellte Christina Carey-Dheran ihr schlechtes Gewissen, wegen der beiden Toten, hinten an. Sie hatte in den Augen ihres Mannes erkannt, dass dieser wohl ganz ähnliche Überlegungen angestellt hatte.

Die drei Eindringlinge ließen den Durchgang zur Militärbasis schnell hinter sich. An einem mechanischen Lift hielt Kleris-Toor an, doch der Andorianer schüttelte nur den Kopf und raunte leise: „Wenn es Treppen gibt, dann nehmen wir lieber die.“

Die Krendaranerin machte eine zustimmende Geste. Sie führte die Dherans etwa zwanzig Meter weiter und öffnete eine einfache Tür. Sie schien in gutem Zustand zu sein, denn sie gab weder einen Laut von sich, noch schabte sie über den Boden.

Sieben Etagen höher blieb Kleris-Toor stehen und erklärte: „Der Kontrollraum für den Abschuss der Raketen liegt nicht weit von hier. Wenn wir das Treppenhaus verlassen haben, dann müssen wir uns nach rechts wenden. Ich hoffe, dort ist niemand.“

Der Andorianer öffnete die Tür und spähte zu beiden Seiten in den Gang hinaus. Nach einem Moment sagte er beruhigend: „Niemand zu sehen.“

Die Wände des Ganges, der die drei Eindringlinge aufnahm, schimmerte in einem matten hellgrau. Einfache quadratische Lichtquellen, die in der Decke eingelassen waren, spendeten genug Licht um eine gute Sicht zu gewährleisten.

„Verdammt hell hier“, zischte Tar'Kyren Dheran heiser. „Das gefällt mir nicht.“

Trotz der Bedenken des Andorianers erreichten die drei verschiedenen Wesen unangefochten das Schott des Kontrollraumes. Auch hier gab es keine irgendwie geartete Code-Konsole. Ein einfacher Handkontakt diente dazu, das Schott zu öffnen.

Kleris-Toor legte die linke Hand auf den Kontakt. Zischend fuhren die beiden Schotthälften in die Wandverschalung zurück.

Anders, als es die Krendaranerin gehofft hatte, befanden sich drei Entartete in diesem Kontrollraum. Auch dieses Mal zögerte der Andorianer nicht, von der Waffe gebrauch zu machen. Er erschoss zwei der Anwesenden. Christina erledigte den dritten.

Nur einen Moment später ertönten laute Signale aus dem Gang und Tar'Kyren Dheran meinte zu seinen beiden Begleiterinnen. Wir beeilen uns besser mit der Sabotage dieser Konsolen, denn ich schätze mal, schon bald wird hier die Hölle los sein!“

Kleris-Toor deutete auf einige Kabelverkleidungen, die an den Wänden und unter der Decke des Kontrollraumes entlang liefen. Dabei sagte sie aufgeregt: „Diese Kabel zu durchschießen wird uns genug Zeit verschaffen. Es wird den Entarteten nicht gelingen sie zu reparieren oder zu umgehen, bevor wir die Energiespeicher der Atomanlage überlastet haben und alles in die Luft fliegt.“

Der Andorianer grinste humorlos. „Dann fangen wir am besten sofort an.“
 

* * *
 

Die Menschenfrau und der Andorianer arbeiteten schnell und gründlich, während die Krendaranerin am Schott Wache hielt.

Kleris-Toor hoffte, dass die meisten Entarteten sich nicht in unmittelbarer Nähe dieses Raumes befinden würden. Immerhin war diese Basis sehr weitläufig. Erleichtert nahm sie nach einer Weile zur Kenntnis, dass ihre beiden Begleiter endlich wieder zu ihr kamen.

„Das hätten wir!“, sagte Dheran heiser.

Von draußen erklangen entfernt Schritte und Kleris-Toor erwiderte drängend: „Weg von hier. „Ich kenne einen Weg hier heraus, der in der entgegengesetzten Richtung liegt.“

Sie rannten gemeinsam den Gang hinunter und bogen nach links ein. Danach führte Kleris-Toor den kleinen Trupp im Zickzack weiter, bis sie ein Treppenhaus erreichten, das etwa zweihundert Meter von dem entfernt lag, das sie auf dem Weg hierher benutzt hatten.

Hintereinander rannten sie eilig die Treppen hinunter. In der Parterre verließen sie das Treppenhaus und wandten sich zuerst nach links. Zwanzig Meter weiter bogen sie kurz hintereinander zweimal in die entgegengesetzte Richtung ab und Dheran meinte leise zu seiner Frau: „Jetzt geht es zurück zur Atomanlage.“ Dabei deutete er auf seine Antennen.

Bei der Geste des Andorianers schüttelte die Irin entsagungsvoll den Kopf: „Bist du für solche Angebereien nicht schon etwas zu alt?“

Ein Augenzwinkern des Mannes war die einzige Antwort.

Sie konnten Schritte und erregtes Stimmengewirr hören. Doch beides schien noch weit entfernt zu sein.

Sie eilten weiter und Kleris-Toor keuchte: „Unser Vorteil ist, dass die nicht wissen, was wir vorhaben. Vermutlich denken die sogar, dass wir uns mit der Sabotage im Kontrollraum zufriedengeben werden.“

„Hoffentlich!“, ächzte Christina Carey-Dheran unterdrückt. Dabei fasste sie sich an die Rippen auf der linken Seite. „Verdammtes Seitenstechen. Ich glaube, du hattest recht. Wir werden wirklich zu alt für solche Scherze, Tar.“

„Zu alt oder nicht, wir müssen weiter“, mahnte der Andorianer eindringlich.

Sie setzten den Weg fort und die zu hörenden Geräusche wurden immer schwächer. Nach einigen Minuten erreichten sie ihr Ziel. Diesmal trafen sie keinen Entarteten an.

„Die Funktion des Reaktors muss nicht personell überwacht werden“, erklärte die Krendaranerin bei Dherans fragendem Blick. „Dazu reichen die eingebauten Sensoren vollkommen aus. Allerdings werden die Entarteten wissen, dass sich jemand an diesen Kontrollen zu schaffen gemacht hat, sobald wir den Reaktor herunterfahren. Wir müssen uns danach also beeilen, um die Energiespeicher zu überlasten.“

„Wie lange wird das dauern?“, erkundigte sich Christina Carey-Dheran.

„Etwa eine Minute. Die Schaltung, die ich Ihnen vor unserem Flug hierher erklärt habe, besitzt einen Belastungsmechanismus. Er soll im Grunde genau das verhindern, was wir nun vorhaben.“

Der Andorianer sah Kleris-Toor ernst an. „Sobald Sie den Reaktor heruntergefahren haben verschwinden Sie. Ohne Widerspruch. Denn offensichtlich werden Sie nicht in der Lage sein, auf Ihre Landsleute zu schießen, um den Rückzug zu decken. Wir werden Ihnen folgen, wenn es möglich ist, aber suchen Sie sich zunächst ein sicheres Versteck.“

Es war der Krendaranerin anzumerken, dass ihr diese Anweisung nicht gefiel. Andererseits wusste Kleris-Toor selbst am besten, dass dieser Fremde recht hatte. Bei einem Rückzugsgefecht mit den Entarteten wäre sie nur eine im Weg stehende Zielscheibe. Sie nickte und schritt zu den Kontrollen, während sie auf die Kontrollen der Energiespeicher deutete und meinte: „Halten Sie sich bereit.“

Die Dherans beobachteten Kleris-Toor dabei, wie sie mit schnellen und sicheren Bewegungen die Kontrollen des Reaktors bediente. Sie rief verschiedene Flussdiagramme auf und nahm die notwendigen Schaltungen vor. Nach einer Weile sah die Krendaranerin über die Schulter und erklärte: „Sie können jetzt die Energiespeicher überladen.“

Es war der Andorianer, der diese Aufgabe übernahm.

Die Irin sah Kleris-Toor auffordernd an. Dabei fragte sie: „Kann ich gefahrlos die Konsole der Reaktorsteuerung zerschießen?“

Die Krendaranerin bestätigte.

„Dann verschwinden Sie jetzt, bitte.“

„Mein Dank und der unseres gesamten Volkes ist Ihnen beiden gewiss“, versicherte die Einheimische, bevor sie der Aufforderung endlich nachkam.

Nachdem die Krendaranerin fort war, sah Christina zu ihrem Mann. Mit einem unguten Gefühl in der Magengegend fragte sie leise: „Wie hoch schätzt du die Chance ein, dass wir hier heil herauskommen?“

Der Blick des Andorianers genügte der Irin und sie meinte düster: „Das habe ich mir gedacht. Die blaue Kreatur des Krieges wird also diesmal nicht mit uns sein.“

„Nein, ich schätze nicht. Die Alternative wäre jedoch, dass wir unser Leben unter Fremden beschließen. Fernab von allen Personen, die uns etwas bedeuten.“

Christina seufzte schwach. „Ja, das wäre kein richtiges Leben. Aber sterben ist trotzdem Scheiße.“

Tar'Kyren Dheran lachte heiser. „Aufmüpfig, bis zuletzt.“

Statt darauf zu antworten, hob die Frau ihre Waffe und zerschoss die Kontrollen der Reaktorsteuerung. Danach begab sie sich zum Schott und öffnete es. Sie hörte Geräusche, die allmählich lauter wurden. „Vielleicht solltest du dich mal beeilen.“

„Schon fertig, nar y´ner mai Kumari.“

„Dann weg von hier, Tar. Ein Sprichwort der Ferengi sagt: Wer rechtzeitig die Kurve kratzt, lebt länger und gesünder.“

Sie verließen den Kontrollraum eilig und wandten sich an der nächsten Gangkreuzung nach links, um wenig später nach rechts abzubiegen.

„Ich hoffe, du verirrst dich nicht“, zischte Christina, die im Laufschritt neben ihrem Mann durch das Gewirr der Gänge eilte.

„Wenn ich dir das garantiere, würdest du ja doch nur wieder behaupten, dass ich lediglich angeben will“, spöttelte der Andorianer augenzwinkernd. „Aber trotzdem weiß ich, dass hinter der nächsten Gangbiegung ein Schott liegt, das den Weg zu einer großen Maschinenhalle freigibt, denn ich habe nicht nur einen ausgezeichneten Orientierungssinn, sondern auch ein gutes Gedächtnis und den Plan auswendig gelernt, vor unserem Aufbruch.“

„Sehr tüchtig.“

Dheran warf seiner Frau einen warnenden Blick zu, als es hinter ihnen lauter wurde.

Nach dem Knick nach rechts kamen sie tatsächlich an ein Schott und der Andorianer öffnete es ohne zu zögern. Sie stürmten auf zwei kleinere Aggregat-Blöcke zu, zwischen denen hindurch sie in Richtung des Ausgangs mussten.

Noch bevor das Ehepaar die beiden länglichen etwa eineinhalb Meter hohen und drei Meter breiten Blöcke erreicht hatten, klangen hinter ihnen wütende Schreie auf. Gleichzeitig hörten die Dherans, wie sich Schritte von vorne und von den Seiten näherten. Erste Energiestrahlen aus den Waffen der Entarteten zischten über ihre Köpfe hinweg.

Der Andorianer zog seine Frau rasch in Deckung der beiden Maschinen-Blöcke. Sie mochten etwa zwanzig Meter lang sein. Einen ihrer Verfolger tötend sagte er zu seiner Frau: „Wir sitzen in der Falle. Die Entarteten haben uns eingekreist.“

Christina Carey-Dheran visierte über einen der Maschinenblöcke und setzte mit ihrer Waffe zwei weitere Entartete außer Gefecht.

Tar'Kyren Dheran feuerte über den anderen Block hinweg, in den gleich zwei Energiestrahlen einschlugen und erledigte einen weiteren Entarteten, der sich zu weit vorgewagt hatte. Grimmig fragte er: „Erinnerst du dich noch an den Spruch über der Statue der Kriegsgöttin, damals bei unserer Suche nach Kharon-Dhura?“

„Wie könnte ich das vergessen?“

Sie feuerten weiter auf einige vorstürmende Entarteten, bis diese sich wieder zurückzogen. Erst danach erklärte Dheran: „Jetzt müssen wir diesen Worten folgen.“

Christina wandte sich in Deckung gehend zu ihrem Mann um und sah ihm fragend in die Augen, als er den besagten Spruch ruhig und etwas abgewandelt rezitierte: „Unsere Liebe ist kalt wie erfrorener Stahl, unsere Herzen schlagen für den Kampf. Wir sind der Klingen Silberglanz – wir sind der Kriegsgöttin Todestanz.“

Endlich verstand ihn die Irin und sie nickte knapp. „Wir nehmen die Handstrahler. Du stabilisierst deine Waffen, indem du deine Arme auf meine Schultern auflegst und ich gehe unter deinen Armen in Anschlag, da ich etwas kleiner bin.“

Die Antwort des Andorianers bestand aus einem zufriedenen Spreizen der Antennen. Er nickte, als die Entarteten erneut gegen ihre Deckung anrannten.

Sie erhoben sich beinahe mit unnatürlicher Ruhe. Dicht voreinander stehend visierte Christina unter den Armen ihres Mannes hinweg die Entarteten an, in beiden Händen eine der klobigen Handstrahler. Der Andorianer legte seinerseits seine Arme über die Schultern seiner Frau und feuerte ebenfalls aus seinen beiden Handwaffen auf den Gegner. Dabei drehten sie sich um ihre Achse damit sie in alle Richtungen feuern konnten.

Der Angriff der Krendaraner geriet ins Stocken und Tar'Kyren sagte heiser: „Jetzt Rücken an Rücken, meine hübsche, kleine Eisfee.“

Christina senkte beide Arme in dem Moment, als ihr Mann seine nach oben nahm. Rasch drehten sie sich herum, bis sie sich am Rücken berührten und nahmen gleich darauf die wieder attackierenden Entarteten unter Feuer, wobei sie sich erneut zu drehen begannen.

Schrille Todesschreie erfüllten die Halle und die Angreifer wurde nach und nach immer weniger. Als Christina den letzten Angreifer auf ihrer Seite niederstreckte, richtete ihr Mann seine Waffen auf die beiden verbliebenen Gegner auf seiner Seite. Einen erwischte er und der Krendaraner stürzte zu Boden. Der verbliebene Entartete feuerte seine Waffe in dem Moment ab, als auch der Andorianer ihn erschoss.

Tar'Kyren Dheran spürte einen glühenden Schmerz, als der Energiestrahl des von ihm getöteten Krendaraners nahe seines Herzens in seinen Leib durchdrang. Er bekam nicht mit, dass derselbe Energiestrahl dabei auch den Körper seiner Frau durchdrang. Da sie immer noch Rücken an Rücken standen, befand sich das Herz der Irin direkt über seinem.

Beide sanken, wie in Zeitlupe zu Boden, wobei Tar'Kyren Dheran seine Frau flüstern hörte: „Kuri´Fe na tarin, Tar'Kyren.“

Mit letzter Anstrengung schob er seinen Arm unter de Leib seiner Frau und zog sie zu sich heran. „Und ich liebe dich, Christina.“

Der Andorianer wusste, dass nun der letzte Moment seines Lebens gekommen war und im Moment des Todes überfiel ihn ein Gefühl des Bedauerns, weil er nun nicht mehr erfahren würde, wie sich sein Enkel entwickelte und ob seine und Christinas Tochter vielleicht doch noch irgendwann Kinder bekam…

Epilog

Der Planet Krendara

Sternenzeit: 241407.9

Alphaquadrant
 

Nachdem Harill-Koon ihre Ausführungen beendet hatte, blieb es eine geraume Weile still. Zu fantastisch war das gewesen, was sie den beiden Angehörigen der Föderation in den letzten Stunden offenbart hatte.

Die Krendaranerin nutzte die Gelegenheit, um ergänzend zu erklären: „Kleris-Toor flog seinerzeit nicht umgehend mit dem Gleiter von dieser Insel, sondern sie legte sich zunächst nahe der Schlucht in Deckung. Darum wusste sie später zu erzählen, dass sämtliche Bodengleiter-Patrouillen der Entarteten zur Basis zurückbeordert wurden. Diese Entarteten starben also mit ihren Artgenossen, als die Militärbasis in die Luft flog. Kein Entarteter entkam seinerzeit diesem Desaster. Die Gefahr war damit gebannt. Unmittelbar nach der etwas holprigen Rückkehr von Kleris-Toor startete ein Bergungs- und Aufklärungs-Trupp hierher nach Tra-Kelorn. Man fand die Leichen des Andorianers und der Menschenfrau. Ich hoffe, es war nicht ungehörig oder gar ein Sakrileg unsererseits, dass unsere Mediziner den Toten Blutproben abnahmen. Gleichfalls wurden beiden Toten einige Haarsträhnen entfernt und in Kristall eingeschlossen, um sie als Erinnerung aufzubewahren. Des Weiteren wurde die persönliche Habe beider Personen bis heute sicher aufbewahrt.“

Bei den letzten Worten der Krendaranerin streckten sich die Antennen des andorianischen Botschafters und er erkundigte sich: „Kein Sakrileg – ganz im Gegenteil. Darf ich Sie darum bitten, mir diese Habe und auch die Blutproben und Haarsträhnen auszuhändigen? Auf meiner Heimatwelt gibt es die Tradition, dass zumindest ein Teil eines verstorbenen Andorianers in das ewige Eis meiner Heimat zurückkehrt.“

Harill-Koon machte eine zustimmende Geste. „Natürlich, Senator. Wir hatten immer gehofft, dass wir irgendwann erneut in Kontakt kommen und diese sicherlich sehr persönlichen Dinge dann in die richtigen Hände gegeben werden können.“

Sichtlich ergriffen sah Thy´Var Dheran zu Carmen Sinemus und dann wieder zu der Krendaranerin. „Ich wünschte, sie könnten ermessen, was das für mich bedeutet.“

Die Historikerin verneigte sich. „Können wir dann zur Hauptstadt zurückkehren?“

Bevor der Andorianer antworten konnte, sagte Carmen Sinemus schnell: „In Kürze. Zuerst würde ich den Senator gerne für einen Moment unter vier Augen sprechen.“

Während Harill-Koon sich höflich zum Gleiter zurückzog, sah Thy´Var Dheran die Frau etwas verwundert an. Auch, weil sich ihre Miene deutlich verfinstert hatte.

Ohne Umschweife sagte Carmen Sinemus zu Dheran: „Ihnen ist klar, dass das, was wir von Harill-Koon erfuhren, eine ernste Angelegenheit ist. Dabei meine ich weniger die Verletzung der Obersten Direktive, sondern viel mehr die Tatsache, dass es zu Toten kam, die auf das Konto Ihrer beiden Ahnen gehen.“

Die Antennen des Andorianers bogen sich bei diesen Worten stark nach innen. „So, und jetzt sage ich Ihnen mal etwas, Captain: Erstens greift die Oberste Direktive in diesem Fall nicht, da sich zum Zeitpunkt der Ereignisse keine der beiden Personen mehr im Dienst der Sternenflotte befunden hat. Darüber hinaus greifen auch die übrigen Gesetze der Föderation nicht, da diese nur im Einflussbereich der Föderation gelten. Somit haben meine Ahnen Tar'Kyren und Christina Dheran einzig und allein der lokalen Gesetzgebung unterstanden. Sofern ich die Krendaraner richtig verstanden habe, hat man das Ehepaar Dheran nie wegen irgendetwas angeklagt. Sie wurden viel mehr ganz offiziell um Hilfe gebeten und von der zu diesem Zeitpunkt gewählten Regierung mit allen notwendigen Vollmachten ausgestattet. Mag sein, dass deren Handeln nach den Gesetzen der Föderation fragwürdig war, doch das ist in diesem Fall ohne jede Relevanz.“

Unglaube lag im Blick der schwarzhaarigen Frau und Unmut glomm nun in den dunklen Augen auf. „Sie wollen über diesen Punkt also einfach hinwegsehen?“

„Es steht Ihnen natürlich frei, einen Bericht an das Sternenflottenkommando zu senden“, gab der Andorianer kühl zurück. „Doch ich bin lange genug in der Politik, um Ihnen versichern zu können, dass die Ratspräsidenten das lediglich zur Kenntnis nimmt und damit der Fall für sie auch schon erledigt sein wird. Wegen der von mir ausgeführten Rechtslage.“

Carmen Denise Sinemus lag eine heftige Erwiderung auf der Zunge, doch eine ebenso knappe wie bestimmende Geste unterband dies. Stattdessen sagte der Andorianer: „Wir sollten die Historikerin jetzt nicht länger warten lassen. Abgesehen davon habe ich einige schwierige Verhandlungen zu führen, auf die ich mich vorbereiten möchte.“

Die Frau presste die Lippen zusammen und man merkte ihr deutlich an, dass dieses Thema für sie noch nicht erledigt war.
 

* * *
 

Eine Woche später saß Carmen Denise Sinemus in ihrem Bereitschaftsraum und brütete vor sich hin. Botschafter Thy´Var Dheran hatte sie wissen lassen, dass die Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen waren und er in wenigen Minuten an Bord zurückkehren würde.

Die Frau hatte in den letzten Tagen wiederholt die Dateien zur Rechtslage der Föderation durchgesehen. Letztlich hatte sie darin lediglich die Bestätigung dessen gefunden, was Dheran ihr vor sieben Tagen auf Tra-Kelorn gesagt hatte.

Sie bedauerte inzwischen ihre heftige Reaktion auf der Planetenoberfläche. Insbesondere auch deswegen, weil Dheran sie seitdem scheinbar gemieden hatte. Zwar sagte sie sich, dass der Senator sich vermutlich nur auf die Verhandlungen mit den Krendaranern konzentrierte, doch sie befürchtete, dass das nicht die ganze Wahrheit sein könnte. Dabei horchte sie in sich hinein und sie stellte zu ihrer gelinden Verwunderung fest, wie sehr sie die Gesellschaft des Andorianers vermisste. Dabei kannte sie ihn kaum. Sie fragte sich, wie es sein konnte, dass sie ihn nach so kurzer Zeit bereits so sehr unter der Haut spürte.

Die Frau fuhr aus ihren abschweifenden Gedanken auf, als sich der Erste Offizier über die Bordsprechanlage meldete. „Captain Sinemus hier Commander Fisher. Der Botschafter ist wieder an Bord der ASTRAL-VOYAGER. Er ließ verlauten, dass er Sie in Kürze in Ihrem Bereitschaftsraum aufsuchen wird.“

„Danke, Commander. Bereiten Sie das Raumschiff zum baldigen Start vor. Ich vermute, wir sind hier erst einmal fertig. Sinemus, Ende.“

Noch während Carmen Sinemus die Verbindung unterbrach, fragte sie sich wie das Gespräch zwischen Dheran und ihr verlaufen würde. Ob der Andorianer auf den Zwist von vor einer Woche zu sprechen kam? Oder würde er ihr lediglich den Startbefehl überbringen?

Sie ging noch weitere Möglichkeiten in Gedanken durch und jede endete irgendwie unerfreulich, was ihre Laune nicht verbesserte.

Endlich ertönte der Meldekontakt des Schotts. Carmen Sinemus erhob sich und gab das Stimmenkommando zum Öffnen, indem sie sagte: „Herein!“

Wie erwartet war es Thy´Var Dheran der in ihren Bereitschaftsraum eintrat. Er trug nun wieder die schlichte Lederkombination. In seinen Händen hielt er einen Gegenstand, der sich unter einem gemusterten, glänzenden Tuch verbarg. Seine Antennen bogen sich leicht nach hinten, als er vor dem Arbeitstisch stehen blieb. Sie direkt ansehend sagte er schnörkellos: „Captain, es tut mir leid, wie harsch ich vor einer Woche auf Ihre Worte reagiert habe. Umso mehr, als dass ich Ihren Standpunkt, als Offizier der Flotte, gut verstehen kann. Leider haben mich die etwas zähen Verhandlungen mit der krendaranischen Regierung so sehr gefangen genommen in der letzten Woche, dass ich erst jetzt die Zeit finde, um Ihnen das zu sagen. Vermutlich wären die Verhandlungen einfacher gewesen, wäre ich eine Andorianerin. Aber das ist ein ganz anderes Thema.“

Die Hochgewachsene atmete innerlich auf, denn eine Entschuldigung war bei keiner ihrer gedanklichen Varianten dieses Gesprächs dabei gewesen. Sichtlich erleichtert erwiderte sie: „Ich habe mich auch nicht gerade vorbildlich verhalten. Was haben Sie da mitgebracht?“

Der andorianische Senator lächelte beinahe vergnügt. Vorsichtig legte er auf den Arbeitstisch, was er in seinen Händen hielt und erklärte: „Das Tuch ist ein Geschenk der Krendaraner. Sie gaben es mir ausdrücklich für Sie mit. Ich war so frei, etwas hinzuzufügen. Etwas, das bei den Hinterlassenschaften war, die mir von den Krendaranern übergeben wurden, bevor sie mich verabschiedet haben. Ich möchte, dass Sie es annehmen.“

Neugierig wickelte Carmen Sinemus den verborgenen Gegenstand aus dem Tuch und vor ihr lag schließlich ein filigranes Weißgoldarmband, in dessen Mitte nebeneinander fünf blaue, geschliffene Steine eingelassen waren. Noch nie hatte die Frau Steine mit einem solchen Feuer gesehen. Sie leuchteten von innen heraus.

Verwirrt wieder zu dem Andorianer sehend sagte Carmen Sinemus kratzig: „Das Armband ist wunderschön. Sind das jene Steine, die man Kumaris Tränen nennt? Ich habe schon davon gehört, doch bis heute noch niemals solche Steine gesehen.“

„Ja, das sind die Tränen der Eisfee“, bestätigte Dheran.

„Aber… Wollen Sie dieses Stück denn nicht in der Familie behalten?“

Der Andorianer sah Carmen Sinemus in die Augen und mit sanftem Tonfall meinte er: „Es befanden sich noch einige weitere Schmuckstücke unter den Dingen, die mir übergeben wurden. Dieses Armband hat bisher nur eine Frau von der Erde getragen und mir gefällt der Gedanke, dass das auch zukünftig so sein wird.“

Die Frau schluckte. Mit feucht schimmernden Augen erwiderte sie: „Ich danke Ihnen sehr herzlich, Thy´Var.“

„Legen Sie es mal an“, forderte der Thy´Var Dheran sie auf.

Lächelnd schob die Frau den linken Uniformärmel nach oben und legte das Armband an. Dabei noch immer fasziniert von dem Eigenleuchten der Steine. „Es passt.“

„Vor allen Dingen steht es Ihnen ganz ausgezeichnet.“

Es dauerte eine ganze Weile, bis Carmen Sinemus das Armband wieder abnahm und erklärte: „Im Dienst werde ich es besser nicht tragen.“

„Aber auf Andoria werden Sie nicht darum herumkommen, wenn Sie mich dort zur Mauer der Helden begleiten.“

Die Augenbrauen der Frau zuckten nach oben. „Wir fliegen nach Andoria?“

„Ich habe dort etwas sehr Wichtiges zu erledigen“, entgegnete Dheran. „Ich werde die Ratspräsidentin von dort aus unterrichten. Sie wird kaum etwas dagegen einzuwenden haben, sobald sie von den Gründen dafür erfährt.“

„Und Sie glauben, dass Sie, aufgrund Ihres sehr durchsichtigen Bestechungsversuchs, so einfach über mich, meine Crew und mein Raumschiff verfügen können?“

Die Kommandantin der ASTRAL-VOYAGER sah ihr Gegenüber ernst an, bis sie sein überraschtes Gesicht zum Lachen reizte. Dabei meinte sie vergnügt: „Vielleicht erahnen Sie jetzt, wie es meinem Lieutenant ergangen ist, als Sie an Bord kamen. Also schön. Fliegen wir zunächst einmal nach Andoria.“
 

* * *
 

Thy´Var Dheran und Carmen Sinemus nutzten die Zeit, die das Raumschiff für den Rückflug brauchte, um den kurzzeitigen Zwist auf Tra-Kelorn zu überwinden. Wie bereits beim Hinflug verbrachten sie viel Zeit miteinander.

Einige Stunden vor der Ankunft über Andoria hatte Carmen Sinemus den Befehl gegeben auf halben Impuls zu gehen, um dem Botschafter die Gelegenheit zu geben, ein Subraumgespräch mit Ratspräsidentin Devarin zu führen. Etwas überraschend war dann die Nachricht der Ratspräsidentin an sie gewesen. Devarin hatte sie in knapper Form dazu beglückwünscht, dass sie den Sonderbotschafter sicher nach Krendara und wieder zurückgebracht hatte, um danach auf den Punkt zu kommen.

Jetzt, da sie Andoria fast erreicht hatten, standen sie und Thy´Var Dheran auf der Brücke der ASTRAL-VOYAGER und sahen auf dem Holoschirm, wie das Raumschiff in eine Standard-Umlaufbahn um den Eismond einschwenkte. Beide trugen bereits die Wärmeschutzkleidung, die sie auf der Oberfläche des Mondes dringend benötigen würden. Als Commander Fisher meldete, dass sich die ASTRAL-VOYAGER im Standard-Orbit befand, gab Carmen Sinemus dem NAV/OPS-Offizier die Anweisung: „Eine Verbindung zum Maschinenraum, bitte.“

Der Lieutenant bestätigte und Captain Sinemus sagte deutlich: „Transporter-Chief, hier spricht der Captain. Beamen Sie Senator Dheran und mich zu den Koordinaten, die ich Ihnen vor zehn Minuten übermittelt habe.“

Die Bestätigung erfolgte umgehend und gleich darauf löste sich die Umgebung vor den Augen der Kommandantin in blauem Licht auf. Nur einen Herzschlag später fand sie sich, an der Seite von Thy´Var Dheran auf einer verschneiten, weiten Ebene wieder. Ein eisiger Wind, der in ihr Gesicht schnitt, war der erste Gruß des Mondes.

Den wärmenden Schal vor Nase und Mundpartie ziehend sah Carmen Sinemus zu ihrem Begleiter und fragte: „Warum noch mal konnten wir nicht direkt zur Mauer der Helden beamen, Thy´Var?“

„Weil jegliche Annäherung an die Mauer, innerhalb eines Umkreises von zehn Kilometern, traditionell zu Fuß zu erfolgen hat. Niemand auf Andoria würde auf die Idee kommen, mit dieser Tradition zu brechen.“

Die Frau zog die Kapuze fester um den Kopf und nickte nur. Dick eingehüllt in die dunkle, leicht glänzende Schutzkleidung warf sie einen Blick zum bedeckten Himmel hinauf. Der schneidende Wind schien noch aufzufrischen.

Während sie zu zweit auf das Ziel ihres Hierseins zu stapften, erklärte Thy´Var Dheran, dass dieses Wetter inklusive der Temperatur von unter minus zwanzig Grad Celsius für diese Gegend Andorias üblich sei.

An Bord des Raumschiffes hatte Dheran der Frau erklärt, dass der Bereich zwischen den Halbkontinenten Voral und Ka´Thela, wo die Mauer der Helden lag, in einer Windströmung der nördlichen Eiskappe lag, die dafür sorgte, dass es selbst zu den wärmsten Zeiten, dort niemals wärmer als umgerechnet minus 17° Celsius wurde.

Sie kamen trotz des Eiswindes gut voran.

Nach einer geraumen Weile erkundigte sich Carmen Sinemus bei dem Andorianer: „Wie lange werden wir noch brauchen?“

Thy´Var Dheran kniff seine Augen zusammen und deutete nach vorne: „Dort hinten können Sie bereits das Ziel unserer Wanderung erkennen.“

Die Raumschiff-Kommandantin folgte seinem Blick, doch vor ihr erstreckte sich die weite weiße Ebene, so wie bisher. Für einen langen Moment strengte sie sich an mehr zu erkennen, bevor sie zugab: „Ich kann nichts erkennen.“

„Spätestens in einigen Minuten werden auch Sie es sehen“, versetzte Dheran. „Wenn man weiß, wonach man zu suchen hat, dann ist es einfacher.“

Die Frau vertraute darauf, dass Dheran sich keinen Scherz mit ihr erlaubte. Nach einer Weile glaubte sie etwas zu erkennen, eine seltsam regelmäßige Struktur, auch wenn sie zunächst sehr undeutlich blieb. Doch fast mit jedem Schritt wurde nun ersichtlicher, dass sie sich nicht getäuscht hatte. Etwas zog sich über die gesamte Breite der Ebene, und Carmen Sinemus wurde klar, dass dies die legendäre Mauer der Helden sein musste.

Während sie weiter darauf zu marschierten bemerkte die Frau von der Erde, dass sie die Entfernung zu dieser Mauer bei weitem unterschätzt hatte. Ebenfalls ihre Größe.

Sie hatte auf der Erde schon einmal die Chinesische Mauer besucht, doch selbst sie war nicht vergleichbar mit dem, was sich ihren Augen hier bot.

Bis zu beiden Seiten des Horizonts erstreckte sich ein Wall der, wie Carmen Sinemus jetzt erkennen konnte, aus gewaltigen, regelmäßigen Eisblöcken bestand. Eine weiß glitzernde, mindestens 12 Meter hohe Mauer, mit etwas vor ragenden, runden Wachtürmen, welche noch einmal um mindestens vier Meter höher waren, als die Mauerkrone selbst, und sich im Abstand von etwa einem Kilometer zueinander befanden. Vom Boden aus schien sie sich, im Profil, etwas nach oben zu verjüngen. Wie breit diese Mauer aus Eis war, das konnte sie nicht erkennen. Die Eisblöcke wirkten seltsam glatt geschliffen.

Erst als der Andorianer an ihrer Seite seine behandschuhte Rechte auf ihre Schulter legte wurde sie sich wieder bewusst, dass sie nicht allein hier war.

Thy´Var Dheran deutete auf einige königsblaue Bänder, die in Augenhöhe, an metallenen Haken in das Eis der Mauer getrieben worden waren und sanft im Wind flatterten. Darauf gestickte, andorianische Schriftzeichen waren darauf zu erkennen.

„Was ist das?“, fragte Carmen Sinemus neugierig.

„Dieser Teil der Mauer ist den Toten vorbehalten. Diese Trauerbänder aus andorianischer Seide tragen deren Namen. Sie bleiben an der Mauer, bis sie zerfallen.

Die Frau beobachtete den andorianischen Senator dabei, wie er ein solches blaues Trauerband aus einer seiner Jackentaschen nahm. Es mit einem Eispickel an einem stählernen Haken in das Eis der Mauer treibend erklärte er: „Auf diesem Trauerband stehen die Namen, das Todesjahr und der Leitspruch des Clans meiner Familie. Siebenfach gehärtet für meine sieben Leben. Helles Feuer macht mich dürsten nach Blut. Jeder Hammerschlag ist die Totenglocke eines Helden. Sieh mich tanzen, wie erste Licht des Morgenrots.“

„Der Spruch klingt sehr martialisch.“

Dheran nahm den Eispickel wieder in die andere Hand und wandte sich zu der Frau. „Dieser Leitspruch geht auf die Zeit der letzten Clan-Kriege zurück. Sie fanden am Schwarzen See von Li Mi´She statt. Dort, wo meine Familie noch heute ansässig ist.“

Es blieb für eine Weile still und nur das leise Heulen des Windes war zu hören, bis der Andorianer die Blutproben aus einer der Jackentaschen holte. Er kniete sich ab, schuf mit dem Eispickel ein Loch, am Fuß der Mauer und legte dann die Phiolen hinein. Zum Schluss schüttete er das zuvor aufgehackte Eis darüber und versiegelte die Öffnung mit einem kleinen Handphaser, den er mitgenommen hatte. Schnell erstarrte das so geschmolzene Eis.

Nachdem sich der Senator wieder erhoben hatte, verstaute er seine mitgebrachten Utensilien in den Jackentaschen und hielt dann der Frau seine Hände entgegen.

Es dauerte einen Moment, bis Carmen Sinemus verstand. Sie wollte zunächst seine Hände ergreifen, doch der Andorianers packte sanft ihre Handgelenke und so nahm sie gleichfalls seine in ihre Hände.

So, dicht beieinander stehend, sah Thy´Var Dheran der Frau in die dunklen Augen und sagte, beinahe feierlich: „Wir stehen hier an der Mauer meiner Ahnen. Die Tatsache, dass ich Sie hierher mitgenommen habe Carmen ist eine besondere Wertschätzung meinerseits. Nur wenige Nicht-Andorianer haben jemals die Mauer der Helden mit eigenen Augen gesehen.“

Carmen Sinemus spürte den plötzlichen Ernst in der Stimme ihres Gegenübers und die Wichtigkeit dieses Momentes für ihn. „Ich danke Ihnen dafür, Thy´Var. Ich werde diesen Moment bestimmt niemals vergessen.“

Thy´Var Dheran hielt mit seinen Augen den Blick der Frau fest, als er sagte: „Vielleicht kommt das etwas überraschend für Sie, Carmen. Doch hier an dieser Stelle, möchte ich Ihnen sagen, dass mich, sehr starke, Emotionen durchströmen, seit ich Sie vor mehr als zwei Wochen kennengelernt habe. Ich hoffe sehr, dass wir uns nie wieder aus den Augen verlieren werden, denn mir würde sehr viel daran liegen, Sie besser kennenzulernen.“

Die Frau wich seinem ernsten Blick nicht aus. Langsam und betont erwiderte sie: „Mir geht es ähnlich, wie Ihnen, Thy´Var. Etwas ist anders für mich geworden, seit Sie an Bord meines Raumschiffs kamen. Ich würde sehr gerne herausfinden, was es ist.“

Thy´Var Dheran drückte sanft die Handgelenke der Frau und sie erwiderte den Druck.

Nach einem langen Moment sagte die Kommandantin der ASTRAL-VOYAGER mit verändertem Tonfall: „Ich finde es recht seltsam, dass mich vorhin die Ratspräsidentin persönlich sprechen wollte. Noch seltsamer finde ich, dass sie nicht nur Sie, sondern gleichfalls mich zu den Vorgängen auf Krendara befragen möchte.“

Der Andorianer erlaubte sich ein amüsiertes Lächeln, das sich auch in seinen Augen wiederfand. „Vielleicht nicht mehr ganz so seltsam, wenn ich Ihnen gestehe, dass ich bei meinem Gespräch mit Devarin erwähnte, es wäre möglicherweise von Vorteil, Sie dabei zu haben. Die Ratspräsidentin vertraut meinem Urteil, wie es scheint. Sie hingegen sollen nicht den Eindruck haben, als würde ich Ihre Einwände, die Sie auf Krendara äußerten, nicht ernst nehmen, oder gar unterdrücken wollen. Sie ganz allein entscheiden also, was die Ratspräsidentin von den Ereignissen erfährt, die uns von Harill-Koon überliefert wurden.“

Carmen Sinemus erwiderte das Lächeln des Senators. Dann meinte sie: „Können wir jetzt die Zehn-Kilometer-Zone verlassen? Mir wird allmählich kalt.“

Die Gelenke der Frau loslassend und sie dafür an die rechte Hand nehmend antwortete Thy´Var Dheran rau: „Dann kommen Sie mit mir. Die Präsidentin des Föderationsrates sollte man nicht allzu lange warten lassen.“
 

ENDE
 



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  Sanguisdeci
2021-06-01T08:41:48+00:00 01.06.2021 10:41
Eine sehr schöne Geschichte, die zu lesen viel Spaß brachte.

Zwei Kleinigkeiten fielen mir allerdings beim Lesen auf.
Zum einen erscheinen die Befehle im Text, wenn der Text eine andere Schriftart oder anders hervorgehoben sein soll. Dies fiel mir mehrfach auf, was leicht verwirrt beim lesen.
Zum anderen fällt im Epilog der Name Valand Kuehn, ohne dass dieser in der Szene zuvor vorkam.
"Bis zu beiden Seiten des Horizonts erstreckte sich ein Wall der, wie Valand Kuehn jetzt erkennen konnte, aus gewaltigen, regelmäßigen Eisblöcken bestand. " Inwieweit hat er nun mit dieser Szene zu tun?
Antwort von:  ulimann644
01.06.2021 13:40
Hi Sanguisdeci
Vielen Dank für dein Feedback.
Die Steuerzeichen sollten da nicht zu sehen sein - evt. habe ich ein Kapitel für FF.de versehentlich hier gepostet. Da müsste ich mal schauen.

Valand hat tatsächlich in der Szene nichts zu suchen - da war ich wohl mit den Gedanken in einer anderen Geschichte. Vielen Dank für den Hinweis, das werde ich ausbessern.

Grüße
UK


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