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Konsequenzen

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Wie immer gilt: Wem Rechtschreib-, Zeichensetzungs- oder Grammatikfehler auffallen, darf mir das gerne mitteilen :) Komplett anzeigen

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Konsequenzen

Die letzte Ablehnung des Doctors liegt noch immer schwer in der Luft, während Ich mit ihren Tränen kämpft und krampfhaft darum ringt, nicht vollends die Beherrschung zu verlieren. Nur langsam dringt die Erkenntnis zu ihr durch, dass der Mann vor ihr wirklich nicht vor hat, sie mitzunehmen. Und das nach allem, was er ihr angetan hat! Tiefe Verzweiflung durchfährt sie, aber diese wird von einer kalten Wut abgelöst, als der Doctor sie schon wieder Asildr nennt.

Ashildr.

Wie oft hat sie ihm schon gesagt, dass das nicht mehr ihr Name ist und sie sich nun Ich nennt? Und jedes Mal ignoriert er ihren selbst gewählten Namen. Ich wird klar, dass der Doctor sie kein bisschen respektiert oder als die Person wahrnimmt, zu der sie sich in den über 800 Jahren, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hat, entwickelt hat.

Stattdessen ist sie für ihn bloß Ashildr. Immer und immer wieder Ashildr.

Manchmal liest Ich über ihre eigenen Anfänge. Nachdem sie vor kurzem auf Leandro getroffen ist und begriffen hat, dass er ihr Ausweg aus diesem Leben ist, hat sie wieder nach ihrem ersten Tagebuch gegriffen. Dem abgewetztesten und ältestem. Dem über ihre Begegnung mit dem Doctor. Ich hat von einem Mädchen gelesen, das sich über ihr zweites Leben gefreut hat. Über eine junge Frau, die voller Hoffnung und Zuversicht in die Zukunft geblickt hat und dem Doctor dankbar war, dass er sie gerettet hat.

Wie naiv sie damals war! Ihre ungewöhnliche Konstitution erschien ihr wie ein Segen, zumindest bis sie erst ihren Vater und schließlich alle, die sie seit ihrer Kindheit kannte, überlebt hatte und sie sich in ihrem kleinen Wikingerdorf zunehmend wie eine Fremde gefühlt hat. Umgeben von wachsendem misstrauischem Getuschel und ablehnenden Blicken ob ihrer Fremdartigkeit. Sie weiß aus ihren Büchern, dass das der Grund war, warum sie ihre Heimat verlassen hat. Nachdem sie irgendwann an dem Punkt angelangt war, an dem sie nicht mehr das Gefühl hatte, trotz ihrer Andersartigkeit noch ein Teil der Dorfgemeinschaft zu sein - etwas, dass sie als junges Mädchen trotz ihrer lebhaften Fantasie stets getan hatte. Das war für sie letztendlich der ausschlaggebende Grund loszuziehen und gleichzeitig der Beginn einer abwechslungsreichen Reise, die sie sehr verändert und zu Ich gemacht hat, der Person, die sie jetzt ist und die dem Doctor mittlerweile mit einer gewissen Ambivalenz gegenübersteht.

 

Als er ihren Überfall auf die Kutsche vereitelt hat, war sie sowohl überrascht als auch erfreut, ihn zu sehen. Ich war erleichtert, dass der Doctor sich nach all der Zeit endlich dazu entschieden hatte, zu ihr zu kommen. So erleichtert, dass sie ihre widerstrebenden Gefühle, die sie im Laufe der Zeit ihm gegenüber entwickelt hat, kurzerhand bei Seite geschoben hat. Was für eine Enttäuschung, als sich dann heraus stellte, dass sein Auftauchen rein gar nichts mit ihr zu tun hatte, sondern er nur auf der Suche nach dem Auge des Hades war! Wie es der Zufall wollte, hatte er es somit genau auf das Artefakt abgesehen, hinter dem sie ebenfalls her war. Kein Wunder also, dass sich ihre Wege gekreuzt hatten.

Dennoch, sie war gewillt gewesen, diese unerwartete Chance zu nutzen und dem Doctor vor Augen zu führen, wie es ihr in der Zwischenzeit ergangen war. Sie war sich so sicher gewesen, dass er sie mitnehmen würde und dass sie das Amulett gar nicht brauchen würde.

Es hat sich jedoch gezeigt, dass der Zeitreisende sehr darum bemüht war diesem Thema immer wieder aufs Neue auszuweichen. Unbeirrt hat Ich trotzdem darum gekämpft, dass er sie als ebenbürtig und gleichartig anerkennt und versteht, was er ihr angetan hat. Sie hat den brennenden Wunsch verspürt, dem Doctor die Konsequenzen seines Handelns klar zu machen und dafür zu sorgen, dass er wirklich hinsieht.

Für ihn war es damals so einfach. Der Doctor hat ihr Leben komplett durcheinandergewirbelt, ehe er einfach verschwunden ist, ohne sich um die Folgen seiner Tat zu kümmern. Er hat ihr nicht einmal gesagt, dass sie unsterblich ist. Das hat sie erst herausgefunden, als alle um sie herum alterten und nur sie sich nicht veränderte. Sie blieb jung und überstand Krankheiten und Verletzungen, die andere dahin gerafft hätten. Zuerst hielt sie ihm zu Gute, dass der Doctor vielleicht gar nicht wusste, dass der Mire-Chip sie unsterblich gemacht hatte, aber das erklärte nicht, warum er ihr den zweiten Chip zusammen mit einer kryptischen Bemerkung überlassen hatte. Im Laufe der Jahre kam sie daher zu dem Schluss, dass er genau wusste, was er tat. Und heute hat sie die Bestätigung erhalten. Er hat selbst zugegeben, dass er sie schon früher aus der Ferne beobachtet hat, ohne sich ihr zu erkennen zu geben.

Obwohl sie dem Doctor deshalb gezürnt hat, hat sich ein kleiner Teil in Ich trotzdem sehnlichst gewünscht, dass er sie als seine Begleiterin akzeptiert. Hat gehofft, dass er sie mitnimmt und ihr die Sterne zeigt. Zwei Unsterbliche, die gemeinsam die Wunder des Universums bestaunen. Alles, was sie will, ist endlich diesem Planeten entfliehen zu können. Fort von der Erde, wo sie unter all den Menschen nur zu deutlich spürt, dass hier auf Dauer kein Platz für sie ist. Alle paar Jahre ist sie gezwungen, ihre Identität zu wechseln und sich ein neues, temporäres zu Hause zu suchen. Sie hat am eigenen Leib erfahren, was die Menschen ihr antun, wenn sie bemerken, dass sie nicht altert. Mehr als einmal wurde sie der Hexerei bezichtigt und sah sich einem wütenden Mob gegenüber. Auch darüber hat sie gelesen.

Aber sie konnte den Doctor nicht überzeugen. Weder will er sie mitnehmen noch erweckt er den Eindruck, dass er ein schlechtes Gewissen hat. Ganz im Gegenteil. Er scheint sich keiner Schuld bewusst zu sein und maßt sich stattdessen an, über sie und ihre Art zu leben, urteilen zu wollen. Geradezu enttäuscht schien er ob ihrer nächtlichen Raubzüge zu sein. Als wäre sie eine Art Testobjekt, das sich nicht so verhalten hat, wie er es erwartet hat.

 

Wütend tastet Ich nach dem zweiten Mire-Chip, den sie immer bei sich trägt. Dem Doctor gegenüber hat sie zwar gesagt, dass sie noch niemanden gefunden hat, der ihm würdig wäre, aber in Wahrheit hat sie gar nicht vor dieses Stück Technologie jemals einzusetzen. Es dient ihr vielmehr als Warnung. Eine Warnung davor, jemals wieder starke Gefühle zuzulassen. Ganz ähnlich wie ihre Tagebücher, in denen sie über ihre Kinder und deren Tode geschrieben hat, soll der Chip sie stets daran erinnern, warum es besser ist keine Bindungen einzugehen, sondern alleine durch das Leben zu gehen. Sie selbst ist das beste Beispiel dafür, was Unsterblichkeit aus einem Menschen machen kann und der zweite Chip soll ihr stets vor Augen führen, warum sie niemals wieder Gefühlen erliegen sollte: Damit sie nicht in Versuchung gerät, einer anderen Person ebenfalls Unsterblichkeit schenken zu wollen. Niemals will sie das jemand anderem antun.

In Zukunft wird der Chip noch eine weitere Funktion erfüllen. Er wird ihr eine ständige Erinnerung daran sein, wie sie von dem Doctor betrogen wurde, der sie nur nach seinen Vorstellungen formen will, um sie anschließend wieder im Stich zu lassen. Weil weglaufen offenbar das Einzige ist, was er kann.

 

Als Leandro draußen faucht und der Doctor sich verdutzt zu der Zimmertür begibt, um nachzuschauen, woher dieses Geräusch kommt, ist es entschieden. Auf dem Weg zu den Weiten des Universums wird dem Zeitreisenden also doch nur eine Rolle als ihr unwilliger und ahnungsloser Helfer zuteil. Nun, so sei es. Das zeigt nur, dass ihr erster Instinkt sie nicht getrogen hat. Es war richtig auf den Leonier zu setzen, um dieser Welt zu entkommen. Ich hat lange genug um das Wohlwollen des Doctors gebuhlt. Sie hat ihm mehrere Möglichkeiten gegeben, die er alle ungenutzt verstreichen lassen hat. Somit lässt er ihr keine andere Wahl, als das Auge des Hades zu nutzen und mit Leandros Hilfe ein Portal zu den Sternen zu öffnen.

 

Bedauern verspürt Ich nicht. Sie hat den Doctor angefleht, hat erklärt, gebettelt, hat ihn sehen lassen, was dieses lange Leben auf diesem Planeten aus ihr gemacht hat und trotzdem weigert er sich noch immer mit ihr davonzufliegen. Jetzt endlich begreift sie es: Am Ende ist es doch wieder Ich gegen die Welt. Der Doctor hat untätig mitangesehen, wie sie sich durch dieses elende Leben gequält hat, ohne etwas dagegen zu unternehmen. Es ist ihm schlichtweg egal, wie es ihr geht. Warum sollte es sie also kümmern, was er von ihren Plänen hält? Ich hat ihm mehr als genug Gelegenheiten gegeben, das hier abzuwenden. Er hätte sie nur mitnehmen müssen. Sie war bereit ihren Plan zu begraben und hätte den Doctor sogar gebeten, Leandro zu helfen, der hier gestrandet ist und sich unter all den Menschen genauso fehl am Platz fühlt wie sie. Aber der Doctor sieht in ihr trotz allem, was sie ihm erzählt hat, auch weiterhin nur das junge, hoffnungsvolle Wikingermädchen, das er einst kennengelernt hat. Er weigert sich, die Frau zu sehen, die aus ihr geworden ist. Ich. Die Frau, die sich hier gefangen und eingesperrt fühlt und schon zu viel Leid erlebt hat. Er hat sie unsterblich gemacht und mit seiner Ignoranz dafür gesorgt, dass es hierzu kommt. Alles, was jetzt passiert, hat er sich also selbst zuzuschreiben.



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