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We're (NOT) Getting Married

... it's all fake!
von

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- Eliza -


 

Seit ich denken konnte, war der Winter meine liebste Jahreszeit. Natürlich konnte ich nachvollziehen, dass manche Menschen bei zugefrorenen Straßen, rutschigen Gehwegen und dieser Eiseskälte niemals freiwillig einen Fuß nach draußen setzen wollten. Für mich jedoch gab es nichts Schöneres als durch den hohen Schnee zu stampfen und die weiße Landschaft um mich herum zu bewundern.
 

Zugegeben, Landschaft war relativ. Ich befand mich immerhin in New York, der berühmten Weltstadt, die niemals schlief. Ein wenig Natur konnte man nur dann genießen, wenn man sich die Zeit im Central Park oder den anderen Parkanlagen vertrieb, die in der gesamten Stadt verteilt waren.
 

Wer jedoch um eine so unchristliche Uhrzeit wie ich unterwegs war (es war immerhin erst 05.30 Uhr), konnte selbst in New York große, unberührte Flächen bedeckt von Schnee entdecken. Nachdem es wochenlang nur kalt gewesen war, hatte der Wintergott vergangene Nacht beschlossen, richtig zuschlagen zu müssen. 25 Zentimeter Neuschnee innerhalb weniger Stunden. Für jemanden wie mich, der aus Alaska kam und deshalb viel größere Schneemassen gewohnt war, stellte das kein allzu großes Problem da. Hier jedoch schienen die Menschen bereits nach wenigen Flöckchen, die vom Himmel fielen, in Panik auszubrechen.
 

Der kalte Wind, der mir ins Gesicht blies, brachte mich dazu, meinen Schal noch ein wenig höher zu ziehen. Ich hatte gerade an einem der vielen Stände in den Straßen eine Zeitung gekauft und betrat schließlich fröstelnd den kleinen Coffee-Shop in der Nähe meines Büros.
 

»Guten Morgen, Eliza!«
 

Ich lächelte, als Kates fröhliche Stimme hinter der Theke zu vernehmen war. »Guten Morgen, Kate.«
 

»Es ist unglaublich, selbst bei diesem Sauwetter bist du auf die Minute pünktlich.« Die Großgewachsene Barista schüttelte den Kopf und fuhr damit fort, zwei Kaffeebecher vorzubereiten.
 

»Ist doch nur ein bisschen Schnee.« Ich zuckte unbekümmert mit den Schultern. »Kann ja nichts dafür, dass ihr Großstädter nichts gewohnt seid.«
 

»Würden wir uns mit tonnenweise Schnee beschäftigen wollen, würden wir auf dem Land leben.« Kate drückte Deckel auf die Becher und zog eine Tragehalterung unter dem Tresen hervor. »So, bitte schön. Ein Kaffee mit Milch, Zucker und einer lächerlichen Menge Zimt und ein Kaffee, schwarz wie die dunkle Seele der Person, für die du ihn mitnimmst.«
 

Ich verdrehte die Augen, grinste aber. »Wir sind heute aber wieder dramatisch veranlagt. So schlimm ist er auch wieder nicht.«
 

Das versuchte ich mir zumindest selbst immer wieder einzureden.
 

»Natürlich nicht. Jeder nette Chef lässt seine Mitarbeiter morgens ins Büro kommen, wenn es noch dunkel ist und erst wieder nachhause gehen, wenn die Sonne lange untergegangen ist.«, erwiderte Kate sarkastisch.
 

»Ich kann dich gar nicht hören.« Ich zog meine Kreditkarte heraus und hielt sie kurz über das kleine Lesegerät auf der Theke. Ein kleines Piepsen bestätigte die Bezahlung. »Und außerdem muss ich jetzt auch schon wieder los.«
 

»Kommst du heute Mittag vorbei?«
 

»Ich weiß noch nicht genau.« Ich nahm die beiden Becher in der Tragehalterung entgegen. »Das ist ein ziemlich wichtiges Projekt, an dem wir arbeiten. Keine Ahnung, wann ich es schaffe Mittag zu machen.«
 

In anderen Worten – ob ich es überhaupt schaffen würde.
 

Ein Augenrollen. »Hier.« Sie zog einen mit Salat und Frischkäse bestrichenen Bagel aus der Verkaufstheke und packte ihn in eine Papiertüte. »Und keine Widerrede. Hau ab.«
 

Ich verkniff mir jeden weiteren Kommentar und schenkte ihr ein lächeln, als ich das Gebäck in meiner Tasche verschwinden ließ. »Du bist die Beste. Aber das muss ich dir ja nicht sagen.«
 

»Nein. Das weiß ich auch so.«
 

Ich hob zum Abschied die Hand, ehe ich wieder nach draußen ins Freie trat. Ein paar wenige Minuten Fußmarsch später überquerte ich eine Straße und steuerte das mit Glasfronten versehene Hochhaus an, in dem ich seit nun mehr als zwei Jahren arbeitete.
 

L&S – Laws and Sons
 

Hätte man mir nach dem Schulabschluss erzählt, dass ich irgendwann einmal für eine hoch angesehene Anwaltskanzlei arbeiten würde, hätte ich diese Person vermutlich ausgelacht. Seit ich denken konnte, hatte ich eine tiefgründige Abneigung gegen alles, was mit Rechtswissenschaften zu tun hatte.
 

Durchaus möglich, dass es daran lag, dass ich aus einer verdammten Anwaltsfamilie kam.
 

Mein Onkel war Anwalt. Mein Vater war Anwalt. Mein ältester Bruder war Anwalt und mein zweitältester Bruder war auf dem besten Wege ebenfalls einer zu werden. Nicht weiter verwunderlich, dass von mir erwartet wurde, die Familientradition fortzuführen.
 

Was ich jedoch nicht vorhatte zu tun.
 

So sehr ich meine Familie auch liebte, würde ich mich nicht für einen Beruf entscheiden, mit dem ich mein Leben lang unglücklich sein würde. Ich war nicht dafür geschaffen, Anwältin zu werden.
 

Wie ich also als Anwaltsgehilfin in einer Anwaltskanzlei gelandet war? Ganz einfach: Um das Märchen, das ich beschämenderweise seit Jahren meiner Familie auftischte, nicht auffliegen zu lassen.
 

Bis zum heutigen Tage an waren sie davon überzeugt, dass ich die Stelle angenommen hatte, um neben meinem Jurastudium Praxiserfahrung sammeln zu können. Das war nicht einmal unüblich. Viele angehende Anwälte arbeiteten nebenbei und das nicht nur, um ihr Studium zu finanzieren.
 

Finanziell musste ich mir glücklicherweise keine Gedanken machen. Das für New York überraschend geräumige zwei Zimmer Apartment, in dem ich lebte, gehörte meiner Großmutter, die es mir sofort zur freien Verfügung angeboten hatte, nachdem feststand, das ich für mein Studium in die Weltmetropole ziehen würde.
 

Meine Großmutter war eine der wichtigsten Personen in meinem Leben und ich hatte es nicht übers Herz bringen können sie zu belügen. Wenige Tage, bevor ich nach New York gezogen war, hatte ich in ihrem Wohnzimmer gesessen und Rotz und Wasser geheult, während ich ihr beichtete, was ich tatsächlich vorhatte zu tun.
 

Bücher.
 

Ein Wort. Ganz einfach.
 

Mein Leben lang schon hatte ich eine Leidenschaft für Bücher. Ich liebte das Lesen, liebte es, Stunden über Stunden in Buchhandlungen oder Bibliotheken zu verbringen. Ich wusste schon gar nicht mehr, wie oft ich mich abends aus dem Haus geschlichen hatte, um Vorlesungen meiner Lieblingsautoren zu besuchen. Meine gesamte Kindheit und Teenagerzeit war ich der größte Bücherwurm überhaupt gewesen. Meine Großmutter schien wohl gerade deshalb nicht im mindesten überrascht gewesen zu sein, als ich ihr verkündet hatte ein Literaturstudium beginnen zu wollen.
 

„Es ist dein Leben, Ellie.“ Ich konnte ihre Worte von damals noch immer hören. „Wenn du dich dem Willen deiner Familie beugst, wirst du es den Rest deines Lebens bereuen. Diese Entscheidung musst du fällen, du allein.“
 

Und das hatte ich getan.
 

Während meine Familie also glaubte, dass ich seit zwei Jahren Jura an der New York University studierte, absolvierte ich in Wirklichkeit ein Literaturstudium an der Columbia University.
 

Mein schlechtes Gewissen war in den ersten Wochen ins unermessliche gestiegen. Ich ging meiner Familie so gut ich konnte aus dem Weg und versuchte, jegliche Telefonate und Gespräche so kurz und knapp wie möglich zu halten. Je weniger ich sie sah und sprach, umso weniger musste ich lügen. Ganz einfach.
 

Ich war nicht so dumm zu glauben, dass ich diese Lügen mein Leben lang aufrechterhalten konnte. Spätestens in einem Jahr, wenn ich unter normalen Umständen mein Studium hinter mir hätte, würde ich reinen Tisch machen müssen. Mir wurde schon jetzt schlecht, wenn ich nur an das Gespräch dachte, das unausweichlich auf mich zukommen würde. Aber bis dahin hatte ich noch Zeit. Zumindest noch etwas.
 

Da es eindeutig schon schlimm genug war, dass ich sie bezüglich meines Studiums belog, buchte ich das gesamte Geld, das mir mein Vater Monat für Monat für die Studiengebühren schickte, auf ein separates Bankkonto. Keinen einzigen Cent hatte ich angerührt. Dadurch, dass ich durch die Wohnung meiner Großmutter keine Mietkosten aufbringen musste, reichte mein Gehalt aus, um die Gebühren für die Columbia University und alle Lebenserhaltungskosten zahlen zu können. Allzu große Sprünge waren zwar nicht möglich, am Hungertuch musste ich aber auch nicht nagen.
 

»Guten Morgen.« Wie jeden Morgen schenkte ich dem grimmig aussehenden Wachmann ein Lächeln, der alle paar Sekunden die große Uhr gegenüber des Empfangstisches anstarrte und auf das Ende seiner Nachtschicht wartete. Ich wartete nicht auf eine Antwort – ich würde sowieso keine bekommen.
 

Da außer mir bisher kaum jemand im Gebäude war, musste ich nicht lange auf einen freien Fahrstuhl warten. In meinem Stockwerk angekommen durchquerte ich den langen Flur und sah durch die Glaswände in die leeren Büros. Wie erwartet war ich die Erste. Ich musste fast die komplette Etage durchqueren, bis ich schließlich in einen separaten Korridor einbog, der mich zu meinem Schreibtisch führen würde.
 

Mein direkter Vorgesetzter war einer der fünf erfolgreichsten Anwälte der Kanzlei, die alle daraufhin arbeiteten, die letzte Stufe in der Hierarchie aufzusteigen und Teilhaber von Laws & Sons zu werden. Der Vorstand setzte sich momentan aus sieben Vorstandsmitgliedern zusammen, wovon einer im kommenden Jahr in den wohlverdienten Ruhestand gehen würde. Es war also nicht weiter erstaunlich, dass der Druck mit Aussicht auf einen freien Posten noch weiter zugenommen hatte.
 

Gähnend stellte ich meine Tasche auf meinem Schreibtisch ab und fing an mich von meinem Schal und meiner Jacke zu befreien. Ich hängte beides ordentlich an den Kleiderhaken an der Wand und löste einen der Kaffeebecher aus der Tragehalterung. Mit dem Becher in der einen und der Zeitung in der anderen Hand trat ich durch die einzige weitere Tür. Egal wie oft ich schon hier gewesen war, überwältigte mich der Ausblick aus dem siebzehnten Stock immer wieder aufs Neue. Mein Chef hatte das Glück eines der heißbegehrten Eckbüros seine eigen nennen zu dürfen. Während man von einer Seite das rege Treiben auf den Straßen von New York beobachten konnte, hatte man auf der anderen Seite einen atemberaubenden Blick auf den Hudson.

Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich ihn nicht beneiden würde. Allerdings konnte ich froh sein, überhaupt ein Fenster geschweige denn ein eigenes Büro zu haben. Die meisten Mitarbeiter der Kanzlei arbeiteten in den Großraumbüros in der Mitte des Gebäudes. Lediglich die Chefassistenten und Assistentinnen hatten eigene Räume, die wiederum zu den Büros ihrer Vorgesetzten führten.
 

Wie jeden Morgen stellte ich den Kaffee auf den großen Schreibtisch, genau links neben das Telefon. Die Zeitung platzierte ich auf der anderen Seite neben der Tastatur des Computers. Ich schaltete die Schreibtischlampe an und aktivierte mit der Fernbedienung das kleine Radio, das in dem Schrank hinter dem Schreibtisch stand.

Mit geübtem Blick überflog ich das restliche Büro und prüfte, ob alles an seinem Platz war, ehe ich zufrieden zurück zu meinem Platz ging und meinen Computer startete. Mit einem kurzen Blick in den kleinen Spiegel, den ich in meiner Schreibtischschublade lagerte, stellte ich sicher, dass der Wind meine Haare nicht komplett zerzaust hatte und zupfte ein paar lose Strähnen zurecht. Alles in Ordnung.
 

Die ersten Tätigkeiten eines jedem morgens gingen mir fast schon automatisch von der Hand. Ich prüfte die neu eingetroffenen E-Mails, trug neue Termine in den Kalender meines Chefs ein und forderte fehlende Dokumente an, die ich bis spätestens am Nachmittag vorliegen haben musste. Mike – der neue Praktikant – hatte gerade die Post vorbeigebracht, als die Tür meines Büros erneut geöffnet wurde. Instinktiv richtete ich mich auf und setzte mich noch gerader hin.
 

»Guten Morgen.«
 

Nathan Scott war schwer zu beschreiben. Als einer der fünf Anwärter auf einen Vorstandsposten war er einer der hochangesehensten und geschicktesten jungen Anwälte, die die Kanzlei zu bieten hatte. Der erstklassige Abschluss von der New York University hatte ihm eine sofortige Anstellung eingebracht und innerhalb weniger Jahre war er die Karriereleiter höher aufgestiegen, als viele es in ihrem Gesamten leben nicht schaffen würden.
 

Die Menschen, die ihn nicht persönlich kannten, würden ihn als gutaussehenden Mann Ende zwanzig beschreiben. Scharfsinnig, zielorientiert und hochintelligent.
 

Wenn man mich fragen würde, kämen mir andere Begriffe in den Sinn. Unfreundlich, kalt, eingebildet.
 

Aber mich fragte ja niemand.
 

»Sind die Akten von dem Debbie-Jones-Fall bei der Post dabei gewesen?«
 

Die nicht vorhandene Begrüßung ignorierte ich gekonnt und schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe das Polizeirevier in Brooklyn bereits kontaktiert. Sie werden die Unterlagen in den nächsten zwei Stunden zusammenstellen und per Kurier herbringen lassen.«
 

»Vollkommen egal, wann die Akte hier eintrifft, ich will sie sofort auf meinem Schreibtisch haben. Sollte ich besuch haben, kommen Sie trotzdem rein.«
 

»Natürlich.«
 

Damit fiel die Tür hinter ihm ins Schloss und ich blieb allein zurück. Ich schloss einen Augenblick lang die Augen und atmete tief durch. Wenn er um diese Uhrzeit bereits so eine Laune hatte, würde der restliche Tag alles andere als spaßig werden. Aber das war ich eigentlich auch schon gewohnt.



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