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Break to Breathe

von

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I hear you

„Er?“

 

Witzig, wie ein einziges dämliches Pronomen mit der gleichen markerschütternden Wucht einschlagen konnte wie der Shinobi, zu dem es gehörte. Und ebenso brutal, wie er von Neji im Wald zu Boden gerammt worden war, fühlte sich Shikamaru plötzlich, als wäre ihm der Boden unter den Füßen entrissen worden. 

 

Er taumelte einen Schritt zurück.

 

Instinktiv zuckte sein Blick nach unten. Er starrte auf das Gras und auf die invertierte Spur, die seine Füße auf dem mondbeschienenen Tau hinterlassen hatten. Die platt gedrückten Halme klebten an der Erde, zerquetscht von seinen Sandalen. 

 

„Shikamaru…?“

 

„Frag mich das nicht…“, krächzte er und presste die Worte an dem heißen Knoten in seiner Kehle vorbei. „Tu das nicht.“

 

Eine schwere Pause zerrte heftig an der Luft und wurde in keiner Weise durch die Tatsache erleichtert, dass er deutlich spüren konnte, wie Asumas Augen auf ihn fixiert waren und seine Gesichtszüge absuchten. Shikamaru wich noch weiter zurück. Gott, was hatte sein Kopf für eine Fehlfunktion? Er hatte sich gerade in tiefe kalte Wasser gestürzt. Kopfüber.

 

„Warum?“, drängte Asuma sanft, vorsichtig; wie ein Arzt, der eine offene Wunde abtastete. 

 

„Nicht das.“

 

„Shikamaru…“

 

„Nicht das…“, echote der Schattenninja; sein Starren war in etwa so ausdruckslos wie seine Stimme. 

 

Er konnte einfach nicht die Panik abschütteln, die sich in seinem Hirn festgesetzt hatte. Aber vielleicht war das gar keine so schlechte Sache. Wenn er sich schon auf einer Art mentalem Felsvorsprung befand, dann hatte zumindest noch die Panik einen Griff an ihm; eine dicke fette mentale Faust aus Selbsterhaltung.

 

Er hörte nicht, wie sich Asuma bewegte. 

 

Er bemerkte nicht einmal, dass der Jōnin damit begonnen hatte, die Distanz zwischen ihnen zu schließen, bis das leise Rumpeln seiner Stimme ihn zuerst erreichte. „Gib mir einfach nur einen Namen.“

 

Shikamaru schüttelte den Kopf und seine Brauen zogen sich zu einem angespannten Knoten zusammen. 

 

Asuma blieb wenige Schritte entfernt stehen und hielt seine Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger, während er sein Kinn gesenkt hatte und den Nara unter dem Verdeck eines schweren Stirnrunzelns beobachtete. Eine tiefe Besorgnis fraß sich in seine Augenwinkel. 

 

„Dann sag mir, warum du es nicht kannst, Shikamaru.“

 

Der Schattenninja presste die Lippen aufeinander und sagte nichts, aber die Wahrheit nagte sich unaufhaltsam durch ihn; ätzte sich in das Knirschen seiner Zähne und den Schimmer in seinen Augen. Das waren keine Reaktionen, die er mithilfe seiner Logik zugelassen hätte. Aber seine Logik war im Moment in etwa so nützlich wie seine übliche Fähigkeit, die Beine in die Hand zu nehmen und abzuhauen. 

 

Es gab keinen Ort mehr, an den er wegrennen konnte. 

 

Seine Augen weiteten sich und seine Wirbelsäule richtete sich auf, als wäre er gegen eine Wand geschoben worden. 

 

Die Wahrheit war wie eine Klinge, die die verschlossenen Sehnen in seiner Kehle durchtrennte. 

 

„Shikamaru…“

 

„Es ist die eine Sache…“ Die Worte bluteten aus ihm heraus, bevor er sie aufhalten konnte. 

 

Asuma legte den Kopf schief. „Was?“

 

„Die eine Sache, bei der ich nicht herausfinden muss, was es ist…“ Shikamaru schluckte schwer, doch die Worte sickerten dennoch über seine Lippen. „Bitte mich nicht, es herauszufinden.“

 

„Was du sagst macht nicht den geringsten Sinn.“

 

„Und was ist, wenn genau das der Grund ist, warum ich es gebraucht habe? Weil es eben keinen Sinn gemacht hat…“

 

„Was hat keinen Sinn gemacht…?“, fragte Asuma. Seine Zigarette war vollkommen vergessen; ausgedrückt unter seinem Fuß, als er noch weiter nach vorn trat. „Sag mir, was ‚es‘ ist.“

 

Es. Neji. Was zwischen ihnen passiert war. Alles davon. Da war immer noch keine Definition, was es war. Keine Grenzen. Keine Kategorien. Keine Erklärung. Es war unklar. Es widersetzte sich Logik, Abgrenzung und Definition.

 

Und das ist der Grund…

 

„Ich wollte es…“, sagte Shikamaru leise und die weiten Sphären seiner Augen begannen sich an den Winkeln anzuspannen. „Ich wollte es…losgelöst…“

 

Denn er konnte das, was zwischen ihm und Neji passiert war, so oft in seinem Verstand hin und her drehen wie er wollte; die Teile waren nicht in seinem Kopf, sondern davon getrennt. Sie befanden sich irgendwo in der Nähe seiner Brust und seiner Eingeweide, verstreut und grob von dem Brett gezerrt, das niemals ein Spiel gewesen war…nur ein vertrautes Gebiet, das er nie verlassen hatte, bis Neji ihn davon hinunter gestoßen hatte. Er war von der Begierde zwischen ihnen auf den Kopf gestellt, von innen nach außen gezerrt und in alle Richtungen gerissen worden. 

 

Er konnte nicht reparieren, was Neji mit ihm gemacht hatte und er konnte es auch nicht verstehen. 

 

Und das will ich auch nicht.

 

Dieser Gedanke kam nicht von seinem Hirn. 

 

Es war kein Gedanke. Es war auch keine Entschuldigung oder eine Evasion. Es war ein Impuls. 

 

Es war die Wahrheit. 

 

Eine tief begrabene Wahrheit, von der er nicht gewusst hatte, dass er sie beherbergte. Ein Bedürfnis, von dem er nicht wusste, dass er es hatte. Und da sein Hirn ausgeschaltet war, jagte dieser Impuls durch Leitungen, durch die Neji wie eine statische Ladung und Feuer und Blut gewogt war. Es war nicht in seinem Kopf und er wollte es auch nicht dorthin tragen. 

 

Ich will es nicht reparieren.

 

Die Wahrheit schoss durch Shikamarus Inneres und rammte sich wie eine Faust in sein Herz. 

 

Ich will es niemals verstehen.

 

Er zuckte unter dem Schlag seines eigenen Verlangens zusammen und ein heiserer Atem blieb ihm in der Kehle stecken. 

 

„Ich habe es gebraucht, weil ich es nicht verstehen konnte…weil ich es nicht musste…

 

„Was verstehen?“

 

„Was ich geschehen ließ…was ich nicht aufgehalten habe…“, murmelte Shikamaru ohne nachzudenken und seine glasigen Augen wanderten in einem benommenen Schwung über das Gras. 

 

„Geschehen ließ…?“ Asuma ließ die Frage langsam auslaufen und seine Augen erhellten sich mit einer dämmernden Erkenntnis, die aber noch nicht bestätigt war. Vorsichtig wog er seine nächsten Worte ab. „Mit ihm…?“

 

Shikamaru kehrte ruckartig zu sich selbst zurück und presste mit einem Knurren die Lider aufeinander. „Hör auf, mich zu fragen…“

 

Er sah nicht, wie sich die Augen seines Senseis weiteten und die dunklen Flecken in den bronzenen Iriden vor Schock und Überraschung aufblitzten, bevor sie weich wurden. „Shikamaru.“

 

Shikamarus Pferdeschwanz peitschte mit einem scharfen Schütteln durch die Luft, während sich seine Hände zu Fäusten ballten. 

 

„Frag mich nicht.“, presste er hervor; und wie feinster Staub in der Luft, schien seine Stimme in ihr zu verharren.

 

Er hatte keine Ahnung, ob Asuma vollständig das gehört hatte, was in den Räumen zwischen seinen gebrochenen Worten unausgesprochen blieb. Er hoffte einfach nur inständig, dass es ausreichen würde. 

 

Gott, lass es genug sein…Ich kann dir nicht mehr geben als das…

 

Er spürte, wie er in seinem Inneren zu schwanken begann; der mentale Vorsprung, auf dem er sich befand, war geradezu lächerlich im Vergleich zu dem prekären Rand, an dem andere Teile seines Selbst taumelten, als sich die Stille um ihn herum näher drängte. 

 

Eine feste, erstickende Stille…

 

Das sanfte Klacken von Asumas Feuerzeug brach die Trance. 

 

Shikamaru hörte das leise Einatmen und den langgezogenen Ausstoß von Luft, der folgte. Tabak wirbelte wie Weihrauch; schwer und stark, beruhigend und vertraut, als er umherschwebte – aber keine Worte wurden in den Rauch gehüllt. 

 

Das Schweigen seines Sensei war die pure Qual. 

 

Und aufgrund all des Schmerzes, den er bis jetzt auf sich genommen hatte, war das alles, was er noch ertragen konnte; oder auch nicht mehr ertragen konnte. 

 

Ich kann nicht…

 

Dann berührte Asumas Hand seinen Kopf. 

 

Und in der Sekunde, als das geschah, brachte sie die Qual in ihm zum Einsturz. Sie kollabierte so plötzlich und unerwartet, dass Shikamaru erschauerte, als das Gewicht des unbegreiflichen, aufgestauten Druckes auf ihn stürzte. 

 

Das Gewicht von allem, was er in sich gehalten hatte. 

 

Es flutete durch all die Risse und wusch mit einer Welle aus Schmerz über sein Gesicht, um sengende Spuren über seine Wangenknochen zu ziehen, als er den Kopf unter einem Druck neigte, der so viel schwerer war als Asumas sanfter Griff. 

 

In nur wenigen Momenten löste eine tagelange Spannung ihre erstickende Umklammerung an ihm. 

 

Sein Atem zerbrach leise und stockend in seiner Kehle. 

 

Asuma sagte nichts; hielt seine Hand einfach nur beständig an der gleichen Stelle. 

 

Und letztendlich beruhigte sich das unkontrollierte Schütteln unter seiner Handfläche zu einem angespannten Zittern. Erst dann bewegte er seine Finger auf Shikamarus Kopf und legte das Gewicht seiner nächsten Worte in seinen sanften Griff. 

 

„Ich höre dich, Shikamaru.“

 

Shikamarus Augen flogen auf. 

 

Ausdruckslos stierte er vor sich hin und für eine flüchtige Sekunde wurde er vollkommen still. 

 

Und dann wollte er den Kopf schütteln und abhauen. 

 

Er bekam jedoch keine Chance dazu. 

 

Asumas Finger spannten sich an und hielten ihn an Ort und Stelle; pressten diese drei Worte in seinen Schädel, denen er zu entkommen versuchte. 

 

„Shikamaru…hör mir zu…“

 

„Lass mich los, Sensei.“

 

„Hör mir zu.“

 

Der Schattenninja versteifte sich und seine Knöchel traten kalkweiß hervor, als er seine Fäuste verkrampfte.

 

Als Asuma erneut sprach, wurde seine Stimme tiefer und seine Worte wurden von dem sanften Schaukeln seines Handgelenks verstärkt, das Shikamaru auf der Stelle wiegte. 

 

„Ich höre dich.“

 

Dieselben drei Worte, ausgesprochen in genau demselben Tonfall, den Asuma vor drei Jahren während ihres fünfzehnten Shogispiels genutzt hatte. Der Tag, an dem diese Worte Shikamaru tief genug berührt hatten, um das Spiel zu beenden und davon zu laufen, statt zu akzeptieren, dass endlich jemand seine Art anerkannte. Die Dinge anerkannte, die er niemals gesagt hatte, von der es aber ebenso sehr gebraucht hatte, dass sie gehört wurden. 

 

Das war der Tag gewesen, an dem Asuma ihn als das verstanden hatte, wer er war und das akzeptiert hatte, was er nicht war. 

 

Er hatte dieses Verständnis und diese Akzeptanz heute nicht erwartet. 

 

Doch genau wie beim ersten Mal bot Asuma beides vollkommen bedingungslos an. 

 

Ich höre dich.

 

Shikamarus Augen schlossen sich krampfhaft, bevor sie sich bebend öffneten. 

 

Sehr langsam lösten sich seine Fäuste und Farbe rauschte zurück in seine weißen Knöchel, während der angespannte Verschluss seiner Schultern zerfiel. Nach und nach blinzelte er den Schleier aus seinen Augen fort und seine Sicht klärte sich langsam, als seine Atmung ruhiger wurde. 

 

Stück für Stück schob sich der Boden wieder unter seine Füße. 

 

Asuma summte fragend. 

 

Bedächtig atmete Shikamaru durch die Nase ein und nickte unter dem beständigen Gewicht der Hand seines Senseis. Es schien so, als würde nach diesem Ausrutscher und dieser Lawine nichts weiter gesagt werden müssen. Das marginale Neigen seines Kopfes und der zaghafte Druck von Asumas Hand sagten alles. 

 

Es war genug. 

 

Die Hand seines Senseis fiel an seine Schulter und drückte ein einziges Mal sanft zu. 

 

Shikamaru schüttelte sie nicht ab. 

 

Ich höre dich.

 

Seltsam, wie diese Worte von Asuma immer genug sein würden. 

 
 

oOo
 

 
 

Die Morgendämmerung floss wie Sand über Konohas Himmel; ihr körniges Licht tauchte die Wolken in Wüstenfarbtöne und fiel in Strahlen pulverisierten Goldes nach unten. 

 

Neji sah dem Wandel unter seinen Wimpern zu und lehnte seinen Kopf zurück gegen den Baum, auf dem er saß. Er hatte eigentlich nicht vorgehabt, hier zu bleiben, aber kaum hatte er Gai und Lee gesehen, wie sie zu einer gottlosen Stunde des Trainings auf Händen durch die Gegend wackelten, hatte er sich in die Bäume begeben, um sowohl außer Sicht, als auch aus dem Sinn zu bleiben. 

 

Und dann hatte der Himmel damit begonnen, sich zu verändern. 

 

Heute hatte sich Neji die Zeit gestattet, den Morgen zu begrüßen, statt sich darauf zu konzentrieren, sich noch vor ihm zu erheben. Während er sich zurück lehnte, folgte er dem sanften Spiel von Farbe und Licht, als der Tagesanbruch die letzten Sterne fort stahl. Und erst als der letzte funkelte Diamant verschwand, wurde ihm bewusst, dass er die Wolken beobachtete. 

 

Was ist das nur mit ihnen?

 

Er legte die Stirn in Falten und versuchte, ein paar der Muster zu entschlüsseln, die Shikamaru in den Schwaden und Falten aus Dunst gefunden haben musste. Doch die Wolken verweigerten sich einer festgelegten Interpretation und er konnte es so sehr versuchen wie er wollte; Neji konnte überhaupt nichts Logisches in der Anordnung finden. 

 

Ist das der Grund, aus dem du dich so zu ihnen hingezogen fühlst…?

 

Seine Augen zeichneten das frakturierte Gold nach, das eine federleichte Schwade durchzog. Wie die Schwinge eines Vogels. Und dieser Flügel aus Wolken würde weiter segeln und seine Form verändern; er würde auseinander brechen und der Wind würde ihn zu etwas anderem atmen. 

 

Ist es das, was mit mir geschehen ist?

 

Immerhin war alles zerfetzt worden. Das Bild, das er von seinem Clan hatte, das Bild das er von sich selbst hatte, sein Sinn für Kontrolle über sein Schicksal…alles davon lag in irreparablen Fragmenten vor ihm. 

 

Wohin gehe ich also von hier aus?

 

Neji blinzelte langsam und richtete sich etwas gegen das Holz auf, die Schultern noch immer gegen mächtigen Stamm geneigt. Ein Knoten der Rinde drückte sich in sein Schulterblatt und zwang ihn dazu, den Winkel zu ändern, um eine bessere Position einnehmen zu können. Und als er sich bewegte, spürte er, wie der Knoten über seinen Rücken strich. 

 

Eine Erinnerung drängte sich in seinen Verstand. 

 

Zähne kratzten zaghaft über den blinden Fleck an seiner Wirbelsäule…

 

Das sanfte Spielen von Shikamarus Atem über den Narben dort…

 

Hastig zog sich Neji von dem Baum zurück und schwang sich anmutig über den Ast, um auf dem Boden zu landen und in einen ruhigen Schritt zu verfallen. Das Gras überzog seine Sandalen mit Tau, als er sich einen Pfad durch das weiche Rauschen von Laub bahnte. Die dünnen Halme zogen sich über das saubere Weiß seiner Roben; ein feuchtes und willkommenes Rascheln, während er dem Weg folgte, den Shikamaru ihn entlang geführt hatte, als er betrunken gewesen war. 

 

Götter, nie wieder…

 

Ein schwaches Lächeln zog an einem seiner Mundwinkel und verschwand in einem Wispern, als sein Atem in Nebelschwaden davon schwebte. Während die Erinnerung an diese Nacht bestenfalls neblig war, stachen sich dennoch Strahlen der Klarheit durch den Dunst; und eine Erinnerung war dabei für ihn deutlich schockierender, als sie vermutlich damals für Shikamaru gewesen war. 

 

Der Klang von einem Lachen. 

 

Sein eigenes Lachen…

 

Vollkommen unerwartet und ungebeten; ein ungeübtes Geräusch, das ihm so gut wie nie entwich oder von dem er nicht wirklich gewusst hatte, dass er es überhaupt in sich hatte. Doch in dieser Nacht war es in tiefen Wellen und einem gesättigten Wirbel aus ihm heraus gerollt; so natürlich wie die Gezeiten. 

 

Neji schüttelte den Kopf, um die frakturierte Erinnerung zu lösen. Er steckte sie weg; zusammen mit unzähligen anderen, die er an irgendeinem Ort aufbewahrte, der weniger klar umrissen war als die Rückseite seines Verstandes. Denn dort schienen die Erinnerungen nicht hinzugehören. Und so schob er sie stattdessen nach unten; irgendwo tief hinein in seine Brust. 

 

Es machte Sinn, sie dort aufzubewahren, um den Kummer und die Traurigkeit einzudämmen. 

 

Seltsam, aber es war gar nicht so anders als das, was er mit den Chakrablockaden getan hatte. 

 

Es schien ein Muster zu sein, das er immer wieder wiederholte, obwohl es diesmal weit weniger selbstzerstörerisch war. Und dennoch wurden die messerscharfen Stiche der Qual jetzt von einem dumpfen Schmerz ersetzt, den er einfach nicht fortzwingen konnte. 

 

Ich habe dich eingelassen…und jetzt kann ich dich nicht mehr austreiben…

 

Neji blinzelte langsam und seine Schritte wurden immer langsamer, als er sich den Ausläufern des Nara Waldes näherte. An der Baumgrenze blieb er stehen und grub die Füße in den Boden, selbst als sich eine steife Brise in seinen Rücken drückte, der Wind sein Haar über seine Schultern zerrte und spielerisch an seinen Roben zupfte, als wäre es eine kindliche Versuchung, ihn auf ein verbotenes Gebiet zu locken.

 

Ein weiteres schwaches Schmunzeln verzog freudlos seine Lippen. 

 

Hatte ich nicht bereits genug Kummer für ein ganzes Leben…?

 

Und dennoch wäre ein Leben ohne diesen Kummer, den er jetzt in sich trug, eines, das in vielerlei Hinsicht nur halb gelebt gewesen wäre. Was zwischen ihm und Shikamaru geschehen war, war viel zu intensiv, viel zu intim, zu irrational und unmöglicherweise passiert. 

 

Und am Ende hatte es ihn zerbrochen. 

 

Ich wusste, dass es das tun würde…

 

Er hatte es von dem Moment an gewusst, als er die Kontrolle abgegeben hatte.

 

Dennoch hatte er es getan; gegen jede Vernunft und Selbsterhaltung. 

 

Und jetzt wurde er mit den Teilen seines Selbst zurück gelassen und mit keinem Verständnis darüber, wie er sich wieder zusammensetzen konnte. Oder zumindest zu einer Form, die irgendeinen Sinn ergab. Die Teile passten nicht zusammen. Aber vielleicht war er auch von Anfang an nie ganz gewesen. In dem Chaos, das zwischen ihm und Shikamaru geschehen war, war er verloren gegangen und gefunden worden, verdammt und gerettet, eingesperrt und befreit zur selben Zeit. 

 

Neji zog den Kopf zurück und starrte tief in die Nebel, die die Grenzen des Waldes einhüllten. 

 

Ja, er war zerlegt in Teile, in Bruchstücke.

 

Aber zum ersten Mal seit Kami weiß wie lang, fühlte er sich, als könnte er endlich wieder atmen. 

 

Seine Kontrolle war zersplittert, aber ebenso war es der Käfig, den er in seiner Brust errichtet hatte. Vielleicht war es nur natürlich, dass er sich selbst auf eine solche Weise beschützt hatte. Kami, er hatte sein ganzes Leben lang in Käfigen gelebt, also sollte die Tatsache keine Überraschung sein, dass er einen weiteren in dem Versuch erschaffen hatte, sich lange genug verteidigen zu können, um sich selbst zu befreien. 

 

Wie ironisch, dass er von seinem Bedürfnis nach Freiheit eingesperrt worden war. 

 

Er hätte niemals erwartet, dass Shikamaru diesen Käfig sehen würde; geschweige denn, dass er durch die Stäbe schlüpfen und ihn von innen heraus zerbrechen würde. 

 

Habe ich es gebraucht, dass er das tut? Götter, was macht mich das, wenn nicht schwach?

 

Und die Antwort darauf kam mit einem Herzschlag.

 

Einem Herzschlag – und dem Aufblitzen scharfer Augen und eines trägen Lächelns. 

 

Menschlich.

 
 

oOo
 

 
 

Die Zeltplane hatte gehalten.

 

Das Ölzeug spannte sich noch immer über die Baracke des Vogels. Sie hatte zwar einige Schläge von dem Sturm einstecken müssen, aber glücklicherweise hatten sich die Heringe nicht gelöst, mit denen Shikamaru sie festgepinnt hatte. 

 

„Ugh…jetzt…wäre…ein guter Zeitpunkt…dafür…“, grummelte der Schattenninja, während er heftig an den nassen Pflöcken ruckte und zerrte, um seine Bemühungen jetzt wieder rückgängig zu machen, ohne sich dabei Spreißel einzuziehen. 

 

Nachdem er den letzten Hering heraus gerissen hatte, schob er die Plane mit einem Rascheln zur Seite, wobei er versuchte, die Geräusche auf ein Minimum zu beschränken. Das Letzte, was er im Moment brauchte, war, dass ein angepisster Vogel ihm die Haut vom Gesicht krallte. 

 

Scheiße…bitte lass ihn inzwischen weg vom Boden sein…

 

Er schob den Riegel zurück und drückte langsam die Tür auf, während er angesichts des lauten Knarzens das Gesicht verzog. Das erwidernde Squawken machte ihn auf Bewegungen an der anderen Seite des Geheges aufmerksam und zog seinen Blick zu einem der Todholzstämme, die er herein gebracht hatte. 

 

Von der Sicherheit seiner hölzernen Sitzstange aus beobachtete ihn der Vogel wachsam. 

 

Naja, zumindest fast weg vom Boden.

 

Shikamaru knickte seine Hüfte gegen den Türrahmen ein und sah das Tier einen Moment lang an, als versuchte er, die Intentionen des Vogels einzuschätzen und das einzig und allein anhand der Art und Weise, mit der von diesen goldenen Seen gemustert wurde; eindringlich und intensiv mit einem scharfen Blick. 

 

Die Pattsituation dauerte nur wenige Augenblicke, bevor Shikamaru einen Zug machte. 

 

In einer Finte schwang sich der Schattenninja nach vorn. 

 

Der Vogel legte den Kopf schief, zeigte aber keinerlei aufgeschreckte Reaktion. Wenn überhaupt, dann schien es sich der Falke auf seiner Sitzstange etwas bequemer zu machen. Shikamaru wartete auf kein weiteres Zeichen. Sofort ergriff er die Gelegenheit, weiter in den Pferch zu treten und das Futter zu überprüfen, während er seinen Rucksack bis zu seiner Armebeuge hinunter ruckte. 

 

„Lästiger Vogel.“ Er ging neben der Wasserschale in die Hocke und seine Augen wanderten zu dem gewolften Futter, das er ausgelegt hatte. „Aber immerhin besser als nichts.“

 

Die Hälfte des Fleisches war aufgefressen worden, aber die Medizintabletten, die er darunter gemischt hatte, waren fachmännisch herausgepickt und beiseite geworfen worden. Shikamaru seufzte leise durch die Nase und ein widerwilliges Schmunzeln zupfte an seinen Lippen. 

 

So lästig der Vogel auch war; er war ganz sicher nicht dumm. 

 

Shikamarus Blick zuckte hinauf zu dem Falken. „Du bist trotzdem ein Ärgernis.“

 

Der Vogel hörte auf, sein Gefieder zu putzen und wandte seinen Kopf wieder dem Nara zu, bevor er etwas krächzte, das klang, als würde er Anstoß an Shikamarus Worten nehmen. Gleich darauf hoppelte er seine Sitzstange entlang und schwankte an der Kante des Stammes, als er den Körper nach vorn neigte, als würde er sich darauf vorbereiten loszufliegen. 

 

Scheiße.

 

Shikamaru spannte sich an; bereit dazu, sofort loszuspringen. 

 

Doch der Vogel wippte nur kurz am Rand des Holzes und hüpfte dann einfach nur hinunter auf Bodenlevel, um es sich in dem Heu am Fuß des Baumstammes gemütlich zu machen, indem er kleine Kreise drehte, um den Anschein eines Nestes zu erschaffen. 

 

Shikamaru entspannte sich wieder und beobachtete ihn für einen Moment schweigend, während er darüber nachdachte, ob es zu mühsam war, dem lästigen Tier einen Namen zu geben. Doch das Letzte, was er wollte, war, auf irgendeine Weise an dem Vogel zu hängen. Er wollte einfach nur dafür sorgen, dass er sich erholte und dann verschwand. 

 

Ja…klingt das nicht irgendwie vertraut…?

 

Energisch schüttelte er den Kopf gegen diesen Gedanken an und begann, frisches Futter auszulegen und das Wasser aufzufüllen, während er all seine Konzentration auf diese Aufgabe richtete, um seinen Verstand davon abzuhalten, in diese gefährliche Zone abzudriften. Ganz getreu seiner inneren Uhr war er um vier Uhr morgens aufgewacht und hatte die letzten paar Stunden damit verbracht, nach den Hirschen zu sehen. 

 

Die Weibchen hatten sich seltsam taktil gezeigt, an seinem Haar geknabbert und ihn spielerisch angestupst, bis ihn ein etwas ausgelassenerer Schubs einer Hirschkuh in die Rippen getroffen hatte. 

 

Sofort hatte Rikumaru seinen Harem mit einem Röhren weggescheucht. 

 

Und dann hatte der Hirschbock Shikamaru bis zu dem Vogelgehege begleitet; eine seltsam beschützende Geste. 

 

Shikamaru würde niemals für sich in Anspruch nehmen, die Absichten oder den Verstand der Herde so gut zu verstehen wie sein Vater, aber die unterschiedlichen Persönlichkeiten der Tiere milderten das Gefühl der Isolation, in das er sich gehüllt hatte. 

 

Sie stellten ihm keine Frage und sie verlangten nichts von ihm. 

 

Das ist aber keine Entschuldigung, sich weiterhin zu verkriechen.

 

Nicht, dass er das vorgehabt hätte. 

 

Selbst wenn er es gewollt hätte; es war keine Option. 

 

Das Leben hielt für niemanden an; es stapfte einfach weiter, völlig ungeachtet der Zeit, mit der es vorwärts lief und der kostbaren Augenblicke, die es damit stahl. 

 

Die Geschwindigkeit hatte bereits damit begonnen zuzunehmen und würde nur noch mehr an Tempo zulegen. 

 

Shikamaru seufzte und warf dem Vogel einen letzten Blick zu, als er das Gehege überprüfte und die Szene verließ. Sorgfältig verschloss er den Riegel, bevor er seinen Pfad zurück durch den Wald aufnahm. 

 

Zeit, wieder zurück auf Kurs zu kommen…

 

Abgesehen von dem Unfug, den Ino offensichtlich gerade in Arbeit hatte, musste er auch noch seinen Teil der Abmachung mit Tsunade einhalten; dieses kleine vertrauliche Buch würde sich ganz sicher nicht von selbst in einen präventiven Spielplan verwandeln. Und dazu kamen auch noch diese ganze Nijū Shōtai Angelegenheit und Kotetsus lästige Fragen über seine Involvierung darin. 

 

So ein gottverdammtes Drama…

 

Was aber vermutlich ein gutes Zeichen war; es bedeutete, dass die Normalität langsam zurückkehrte wie ein Licht, das die Schatten verscheuchte. Und während Shikamaru durchaus wusste, wie er mit den Schatten umgehen musste, in die er sich so gerne zurückzog, würde er eine Rückkehr zur Normalität mit demselben trägen Mangel an Begeisterung willkommen heißen, wie er sie den meisten Dingen entgegenbrachte, die in seinem Leben ein- und ausgingen. 

 

Den meisten Dingen…aber nicht allen…

 
 

oOo
 

 
 

„Nochmal!“

 

Das tiefe Echo von Nejis Stimme hallte von den Wänden des Innenhofes wider und warf den Befehl über den von Chakra erfüllten Platz. 

 

Das Geräusch eines erderschütternden Aufpralls folgte. 

 

Staub explodierte in einer Sphäre und ließ Erde herabregnen, als Neji mit einem kaum sichtbaren Lächeln außer Reichweite sprang. Seine Byakuganaugen musterten die Kunoichi, die im Zentrum des Innenhofes kauerte, eine Handf auf den Boden geschlagen, während tiefe Risse den Stein unter der Wucht ihres Schlages aufbrachen. 

 

Neji nickte scharf. „Nochmal.“

 

Hinatas Kopf schoss in die Höhe und sie schwang die Länge ihrer blauschwarzen Mähne herum, als sie ihre bebenden Finger zu einer Faust ballte und ihn angriff. Neji schob einen Fuß nach hinten und neigte sich zur Seite, während er beobachtete, wie sie hoch sprang und ihre Faust an ihre Rippen zog. 

 

Aufmerksam sah er zu, wie ein Puls aus flirrendem Blau den kleinen Ball ihrer Hand umhüllte. 

 

Halte es…halte es…

 

Neji wartete ab, bis sie ihren Mund zu einem Brüllen öffnete. 

 

Nur Sekundenbruchteile vor dem Aufprall reagierte er und warf sein Gewicht zurück in ein einhändiges Rad, bevor er sich hart abstieß, um seinen Überschlag zur Seite statt nach hinten zu vollführen. Diesmal blieb er nah genug, um den genauen Kontaktpunkt zu examinieren, als ihre Faust den Untergrund traf. 

 

Sein Fuß berührte den Boden zur selben Zeit wie ihre Hand. 

 

Hinata bemerkte seine Nähe und ihre Augen flogen weit auf. 

 

Sofort registrierte er ihr Zögern und der Preis dafür war ein Schwanken und Rückschlag ihres Treffers. 

 

Das Chakra zerplatze wie eine Blase um ihre Faust und die Stärke davon wurde abgeschwächt, als ihre Konzentration ins Taumeln geriet. Sie verlor ihre Balance und wäre vornüber gefallen, wenn Neji nicht seine Hand ausgestreckt und ihre Schulter gepackt hätte, um sie zu stützen. 

 

„Du zögerst; deswegen hält es nicht.“ Er zog die Brauen zusammen. „Warum zögerst du?“

 

Hinata wischte sich mit ihrem Handrücken über die Stirn und keuchte durch den Schmerz, den sie verspüren musste und der sich in dem Beben ihrer Finger verriet. „Ich…“

 

„Zögere nicht.“ Neji ließ sie los und zog sich von ihr zurück, indem er sich wieder in die Aufrichtung begab. „Dein Feind wird das niemals tun.“

 

„Aber du warst…du standest viel zu nah…“, sagte sie und schob sich auf die Füße, während sich ihre Augen auf die Flache Mulde im Boden richteten. 

 

Neji hob eine Braue und ein einziger Schritt brachte ihn ein Stück hinter sie. „Dreh dich um.“

 

Hinata drehte sich leicht zögerlich, nur um festzustellen, dass sich Neji wieder hinter ihr befand. 

 

„Dreh dich zu mir, Hinata-sama.“

 

Hinata wirbelte herum, doch Neji war nichts weiter als eine verschwommene Unschärfe an ihrer Peripherie. Sofort war er wieder in ihrem Rücken und seine tiefen Töne nahmen eine absichtlich herablassende Kante an. 

 

„Du wirst verlieren, wenn du dich mir nicht zuwenden kannst.“

 

Hinatas Finger zuckten, aber sie ballte sie nicht. 

 

Noch einmal schnellte sie in die entgegengesetzte Richtung, nur um erkennen zu müssen, dass Neji ihrer Bewegung zuvorgekommen war und schon wieder hinter ihr stand; er schob sich nach vorn, bevor sie zurück springen konnte. Sie taumelte und drehte sich scharf; erhaschte einen Blick auf das Peitschen seines Haares, als er um sie herum schoss. 

 

In einer Spirale aus Bewegungen umkreisten sie sich wie Tänzer. 

 

Neji blieb an ihren Schatten geheftet, während sie sich abmühte, sich ihm zuzuwenden und ihn dazu zu zwingen, sie zu konfrontieren. Doch das tat er nicht. Er rannte sprichwörtliche Kreise um sie herum, drehte sich in Seitschritten und Bewegungen, die so fließend und subtil waren, dass es zum aus der Haut fahren war, dem Ganzen durch ihre verengten Byakuganaugen zusehen zu müssen. 

 

„Du scheiterst, weil du zögerst.“, raunte er. 

 

Hinata schnellte herum und ihr Haar peitschte über den Platz, an dem er noch Sekundenbruchteile zuvor gestanden hatte, bevor seine Stimme ihren Hinterkopf traf. „Greif mich mit der Absicht an, mich zu verletzen, Hinata-sama.“

 

„Das werde ich nicht.“, wisperte sie und wich zurück, nur um gegen seine Brust zu stoßen und wieder nach vorn zu stolpern. „Ich will dir nichts antun.“

 

„Genau wie du auch deiner Schwester niemals etwas antun willst. Und aus exakt diesem Grund verlierst du immer wieder gegen sie.“

 

Hinata schloss die Augen und ein schmerzvoller Stich verzerrte ihre zarten Gesichtszüge, bevor sie mit einem Zischen herum wirbelte. Ihre Handkante schnitt wie eine Sense durch die Enden von Nejis Haar, als er sich erneut in ihren Schatten zurückzog. 

 

„Du hast die Kraft, aber wo ist dein Wille?“

 

„Ich möchte den Willen, Leute zu verletzen, nicht!“, schrie Hinata und schnellte schon wieder in die andere Richtung. 

 

„Dann habe den Willen, sie zu beschützen.“, biss Neji zurück und stieß sie hart zwischen den Schulterblättern nach vorn. „Wie Naruto.“

 

Diese Worte hatten den beabsichtigten Effekt. 

 

Hinata fing sich selbst vor einem Stolpern ab, zog die Schultern straff und drehte sich in einer ordentlichen Pirouette, die Staub aufwirbelte, während sie ein Bein tief ausstreckte. Neji sprang zurück auf seine Hände, bevor er sich abstieß und wieder auf den Füßen landete und in der gleichen Wippbewegung wieder nach vorn schwang, um ihre Faust mit seiner Hand einzufangen. 

 

Mit einem schmalen Lächeln hob er den Blick. 

 

„Gut.“

 

Hinata zog ihre andere Faust nach hinten und das Chakra floss bereits zu ihren Knöcheln, als sie einen heftigen Hieb gegen seinen Kiefer ausführte. Und diesmal vergaß sie nicht, ihre Beine entsprechend zu bewegen, als sie sich mit blitzenden Augen darauf vorbereitete loszustürzen. 

 

Sehr gut.

 

Neji neigte das Kinn, wich ihrem Schlag aus und ruckte energisch an ihr, um sie aus dem Gleichgewicht zu bringen. Doch Hinata fand sofort die Balance wieder, indem sie der Bewegung folgte und sich unter seinem Arm hindurch duckte. Ihre chakrageladene Faust ließ sie auf seinen Hinterkopf zu schnellen, als sie auf den Ballen herum wirbelte. 

 

Neji lächelte und duckte sich, während er zurück und sie hoch nach oben sprang. 

 

Und als diesmal ihre Faust auf der Erde aufschlug, hallte das Krachen von Chakra durch das Gelände. Doch Neji ließ ihr keine Zeit, ihre Leistung zu bestaunen. Sofort trat er in ihre Reichweite und stieß sie mit der Handfläche nach hinten, bevor er sein Handgelenk drehte und seine Finger ruckartig in einer ‚Komm schon‘ Geste krümmte. 

 

„Nochmal!“

 

Hinata atmete rasch ein und zog beide Fäuste an ihre Rippen, während sich ihre Augen verengten. Ihre Konzentration verdrängte ihr vorheriges Zögern und zog Spannung mit einer Welle über ihr Gesicht, das von dem Flackern ihrer Hände erleuchtet und verfärbt wurde. 

 

Neji stürzte nach vorn und hielt dann plötzlich inne. 

 

Überrascht ruckte sein Kopf nach hinten. 

 

Was ist das?

 

Für einen flüchtigen Moment war es, als würde etwas in den beiden Chakraklumpen um Hinatas Hände Form annehmen. Das Pulsieren des hellen Blaus vertiefte sich zu Konturen, die beinahe wie Katzenköpfe aussahen. Doch schon war es wieder fort, hineingezogen in eine gewaltige Woge blauweißen Chakras. 

 

Neji hob seine Handfläche und bog die Finger mit einem Schnappen. „Gut. Halte es. Und jetzt, nutze es.“

 

Hinata griff ihn an. 

 

Neji traf sie auf halbem Weg und konzentrierte sich einzig und allein darauf, ihr auszuweichen, während sie ihre Fäuste durch die Luft schwang. Blasse Ströme aus Licht zogen sich den Handschuhen aus Chakra hinterher, die ihre Schläge umhüllten. 

 

Sie bewegten sich in einer Helix und um sie herum knisterten Fäden von Hinatas Chakra. 

 

Die Kunoichi keuchte inzwischen schwer, doch ihre Augen waren wild. 

 

Sie hat Naruto zu ihrer Stärke gemacht…habe ich dich zu meiner Schwäche gemacht, Nara…?

 

Abgehackt schnappte Neji nach Luft und trieb das Tempo noch mehr an. 

 

Es war eine beeindruckende und großartige Zurschaustellung von Geschwindigkeit und Ausdauer. 

 

Mitten in der Rotation erhaschte Neji einen Blick auf die verschwommene Gestalt von Hiashi, der sie vom Rand aus beobachtete; stoisch und still wie lebender Granit. Hinata bemerkte ihn nicht; ihr Fokus war einzig und allein auf den Anfang ihres neuen Jutsus fixiert. 

 

„Hyaaa!“

 

Ruckartig richtete Neji seine Aufmerksamkeit wieder auf ihre Hände, als ein Schlag gefährlich nah an seinem Kiefer entlang schrammte. Das Lecken von Chakra war wie ein Peitschenhieb weißer Flammen auf seiner Haut. 

 

Gut.

 

Er parierte den zweiten Hieb mit seiner Handkante und tänzelte einen Schritt zurück, um eine Hand zu heben und den Kampf damit zu beenden. „Gut.“

 

Hinata blieb taumelnd stehen und das Jutsu erstarb in einem Aufblitzen und Flackern. Sie schwankte leicht auf der Stelle und ihre Lippen hoben sich zu einem Lächeln, das ihre Augen wie polierten Quarz leuchten ließ. Erstaunt starrte sie auf ihre bebenden Hände. 

 

„Ich…ich habe es geschafft.“

 

Ihre Beine gaben nach. 

 

Rasch fing Neji sie an der Hüfte auf und stützte sie. „Ja, du hast es geschafft.“

 

„Aber es ist…es ist noch nicht fertig.“, keuchte Hinata und krümmte ihre zitternden Finger. Sofort wurde ihre Freude von Zweifel überschattet. Stirnrunzelnd beugte sie den Rücken. 

 

Neji richtete sich scharf auf und zwang sie dazu, dasselbe zu tun. 

 

„Du wirst es perfektionieren.“, sagte Neji leise und sein Blick zuckte über ihre Schulter zu Hiashi. „Daran habe ich keinen Zweifel.“

 

Das Hyūga Oberhaupt hob ein winziges Stück das Kinn, doch seine Augen waren verschlossen und der Ausdruck in ihnen unlesbar. Nejis Kiefer verkrampfte sich, aber er wandte den Blick ab und half Hinata zu der Veranda hinüber, wo er sie vorsichtig hinsetzte, bevor er einen großen Schritt zurück trat. 

 

„Geht es dir gut?“, fragte er strich mit den Fingerspitzen über seinen Kiefer. 

 

Hinata nickte schwer und packte einen der Pfosten, als sie sich erschöpft dagegen lehnte. Ein benommenes Lächeln spielte um ihre Lippen. 

 

„Danke Neji-niisan.“

 

Neji beugte leicht den Kopf, bevor er sich rasch umwandte, um sich vor Hiashi zu verneigen, der hinter seine Tochter trat. Hinatas Wirbelsäule richtete sich sofort steif auf und sie wurde vollkommen still gegen den Pfosten, während ihr Atem stockte. 

 

Hiashi sah sie nicht an. „Neji, die Hokage hat dich rufen lassen.“

 

Neji kaschierte seine Überraschung, indem er den Kopf neigte. 

 

Die Hokage?

 

Das konnte nur eins von zwei Dingen bedeuten. 

 

Hiashi beäugte ihn noch einen Moment länger und er bemerkte, wie sich die Brauen seines Onkels zusammenzogen, als versuchte er, ihn zu lesen. Und dann sah Hiashi vollkommen unerwartet hinunter auf seine Tochter. 

 

Seinen Blick spürend starrte Hinata nervös auf den Boden und ihre Lippen pressten sich zu einer schmalen Linie zusammen, während sich ihre Fingernägel tief in das abgesplitterte Holz des Pfostens gruben. 

 

Argwöhnisch sah Neji zwischen den beiden hin und her; unsicher, ob es sich um Missbilligung oder Unbehagen handelte, was sich hinter dem Eis von Hiashis Augen abspielte. 

 

Doch die Spannung erhielt keine Chance, sich über die Situation zu legen. 

 

„Das hast du gut gemacht heute, Hinata.“, sagte Hiashi. Seine samtigen Töne waren gestelzt und leise, als er diese seltenen Worte des Lobes aussprach. 

 

Hinata schloss krampfhaft die Augen. „Danke, Vater.“

 

Neji hielt seinen Kopf nach unten gerichtet und beobachtete durch seine dichten Strähnen, wie sich der glatte Marmor von Hiashis Stirn in Falten legte. Der Hyūga musterte seine Tochter für einen langen Moment schweigend; sein Blick verharrte auf ihren bebenden Fingern, bevor er sich abwandte. 

 

„Du warst sehr gut.“, fügte er noch hinzu, bevor er weiter die Veranda entlang schritt. 

 

Neji spähte zu seiner Cousine hinüber und strich sanft an ihr vorbei; sein Dōjutsu deaktivierte er, als ihre Tränen zu fallen begannen. 

 
 

oOo
 

 
 

„Ino, warum starrst du Shikamaru so an?“

 

„Ich berechne.“

 

Shikamaru, der sein Kinn in seiner Handfläche abgestellt hatte, linste mit einem gelangweilten Senken seiner Wimpern von dem Fenster hinüber. Sein Fokus richtete sich auf die intrigante Blondine, die ihn gerade über den Tisch hinweg anstarrte, während sie ihren Zeigefinger fest gegen ihre geschürzten Lippen presste und sich ein Ausdruck intensivster Konzentration auf ihrem Gesicht breit machte. 

 

Das kann nichts Gutes bedeuten…

 

Shikamaru starrte sie finster an und ließ seine Hand sinken, während er ihr den Kopf zuwandte. „Was?“

 

Ino ließ ein verärgertes Schnauben hören. „Argh! Shikamaru! Beweg dich nicht!“

 

Shikamaru starrte sie ausdruckslos an, bevor er zu Chōji spähte. 

 

Der zuckte jedoch nur mit den Achseln und spießte ein weiteres Stück Schweinefleisch auf, um es sich mit einem zufriedenen Brummen in den Mund zu schieben. „He, frag nicht mich.“

 

Ino hob ihre Arme und rahmte mit den Handflächen Shikamarus Gesicht ein, bevor sie ihre Handgelenke langsam Richtung Fenster neigte. „Dreh deinen Kopf nochmal zum Fenster. Ich muss es sehen.“

 

„Was sehen?“

 

„Deine dämlichen Haare.“

 

Shikamaru bügelte seine Miene zu einem äußerst flachen Ausdruck. 

 

Ino funkelte ihn an und rahmte auf der anderen Seite des Tisches erneut sein Gesicht ein. „Im Ernst, dreh endlich deinen Kopf.“

 

„Iss endlich dein Essen.“, schoss Shikamaru zurück und warf einen vielsagenden Blick auf die sich rasch leerende Platte, während Chōji mehr als glücklich die Ablenkung seiner Teamkameradin ausnutzte. 

 

„Dreh deinen Kopf!“

 

„Nein.“

 

„Ugh!“ Ino verrenkte sich auf ihrem Platz und blickte mit einem angespannten Lächeln über die hochlehnige Sitzecke, während sie zwischen zusammengebissenen Zähnen flötete: „Asuma-sensei! Bitte bring Shikamaru dazu, seinen Kopf zu drehen.“

 

Shikamaru verzog das Gesicht und linste aus den Augenwinkeln zu Asuma, der sich neben ihn auf die Bank schob. „Sie belästigt mich.“

 

Asuma kicherte leise und der Klang lockerte sofort die Spannung. „Ich werde sicher nicht den Part von irgendjemandem von euch hier übernehmen. Ich bin nur hier, um die Rechnung abzuholen.“

 

„Danke, Asuma-Sensei!“, begrüßte Chōji den Jōnin mit seinen Essstäbchen. 

 

„He, dadurch übernimmst du aber Chōjis Part!“, beschuldigte Ino ihn und deutete mit dem Finger auf den Akimichi. „Ich habe mir noch keinen Bissen von dem Zeug in den Mund gesteckt.“

 

„Tu uns den Gefallen und mach das jetzt sofort.“, murrte Shikamaru und fing sich dadurch ein dolchbewehrtes Starren und einen Tritt unter dem Tisch ein, der daneben ging und stattdessen Asuma traf. 

 

Der Jōnin machte einen Satz und rieb sich stirnrunzelnd das Schienbein. „Wenn ich nur daran denke, dass ich gestern Abend noch eure Teamarbeit gelobt habe.“

 

Ino verschränkte schnaubend die Arme vor der Brust und brachte die blonden Strähnen zum Schwingen, die ihr ins Gesicht hingen. Sie warf Shikamaru einen vernichtenden Blick zu. „Naja, Shikamaru ist derjenige, der nichtkooperiert.“

 

„Warum zur Hölle musste auf mein Haar sehen können?“

 

„Es ist eine Überraschung, Genie.

 

„Tz.“ Shikamaru rollte mit den Augen und streckte eine Hand nach seinem Getränk aus. 

 

Trotz des Blickes, mit dem Ino ihn festpinnte, bogen sich seine Lippen hinter dem Rand seines Glases, als er seine Augen durch das Restaurant wandern ließ. 

 

Um sie herum summte die Atmosphäre mit dem Geplapper der Gäste und die Rufe der Bedienungen wogten zwischen den Sitznischen hin und her. Die warme Luft, die hin und wieder von einer kühlen Brise aufgewirbelt wurde, wenn die Tür aufschwang, duftete nach brodelnden Eintöpfen, brutzelndem Fleisch und dem starken Aroma von Kaffee.

 

Und unter all dem hing die schwere Wolke von Asumas Zigarettenrauch. 

 

Der Sarutobi war der einzige Gast, dem es erlaubt war, hier drin zu rauchen und das auch nur, weil er dabei half, den Laden über Wasser zu halten; wenn man die Häufigkeit bedachte, mit der sich Chōji auf seine Kosten durch die Schweinegrillplatte mampfte. 

 

„Was macht das Schwein hier?“, fragte Asuma. 

 

Chōji und Ino erstarrten und beide stierten ihren Sensei mit einer Miene an, die ihn unmissverständlich dazu aufforderte, sich deutlicher darüber auszudrücken, wen er mit dieser Aussage meinte. Asuma blinzelte jedoch nur unschuldig und hob eine Hand, um die Todesblicke abzuwehren und zum Fenster zu gestikulieren zum. 

 

Shikamaru sah bereits durch die Scheibe. „Ugh…“

 

Durch das Glas stierte ihn niemand anderes an als das überaus lästige Schwein der Hokage. Tonton hob den Kopf und ihre Schnauze rümpfte sich auf eine Weise, die ihr tiefes Missfallen perfekt unterstrich, mit dem sie ihn bedachte. 

 

Was willst du?

 

Er blinzelte über den Rand seines Glases, als könnte er sie mit seinem genervten Blick telepathisch aufspießen.

 

„Awww, Tonton.“ Ino tippte mit den Fingern gegen das Fenster und winkte. 

 

Shikamaru runzelte die Stirn. „Bitte sag mir, dass du Medizintraining mit Shizune hast.“

 

Doch Ino schüttelte den Kopf. „Heute nicht.“

 

Verdammt.

 

Der Schattenninja legte mit einem dumpfen resignierten Aufprall seine Stirn an die Scheibe und seufzte so schwer, dass sie beschlug. „Klasse.“

 

Tonton senkte den Kopf und stampfte mit einem Huf auf, wobei ihr pummeliger Körper ärgerlich wackelte. Shikamaru stierte sie mörderisch an. Um seine Zigarette herum grinste Asuma und glitt bereits aus der Nische heraus, damit Shikamaru an ihm vorbei kam. 

 

„Viel Spaß.“, neckte der Jōnin. 

 

Stirnrunzelnd sah Ino auf. „He, kann das nicht zumindest warten, bis wir hier fertig sind?“

 

Seufzend packte Shikamaru das Ende des Tisches und biss ein Wimmern zurück, als ein schmerzhafter Stich in seine gebrochenen Rippen fuhr. Genervt schob er sich von der Bank und auf die Füße. „Und zulassen, dass das Schwein einen Ziegelschein scheißt? Nein danke.“

 

„Du hast ja nur Angst, dass Ino ihn aufheben und dir an den Kopf schmeißen wird.“, kicherte Chōji und lehnte sich bereits zur Seite, als Ino herum wirbelte und ihm ihr Haar ins Gesicht peitschte. 

 

Sie piekste ihn mit ihren Essstäbchen. 

 

„Es war Kompost für die Blumen!“, schnappte sie, bevor sie innehielt und ein unerwartetes Lächeln auf ihrem Gesicht erblühte, als sie langsam ihre gefalteten Hände an eine Wange legte und schüchtern mit den Wimpern in Asumas Richtung klimperte. „Ooooh, Sensei? Wir haben gerade ein paar sehr schöne Blumen reinbekommen! Und sie sind auch noch karmesinrot.“

 

Asumas Augen wurden groß und mit einem kehligen Husten stieß er den Zigarettenrauch aus, während er sich mit dem Daumen über die Nasenwurzel rieb. Seine Brauen hoben sich in verlegener Manier, als er überall hin sah, nur nicht zu der gurrenden Blondine. 

 

Shikamaru grinste. „Viel Spaß.“, sagte er gedehnt und schlenderte in trägem Schritt um den Jōnin herum, als sich Asuma widerwillig auf der Bank niederließ. 

 

Ebenso widerwillig bahnte sich Shikamaru einen Weg zur Tür und nahm sich Zeit, den Krampf an seinen Rippen fortzudehnen, als er sich drehte, um eine desaströse Kollision mit den geschäftigen Kellnern und Gästen zu verhindern. 

 

Einige knapp vermiedene Zusammenstöße und kreative Drehungen später war er endlich zur Tür hinaus. 

 

Tonton sah zu ihm auf und war vollkommen unbeeindruckt von dem langgezogenen Seufzen, das er in die kalte Luft entließ, während er die Hände in den Taschen vergrub und am Rand des Bürgersteiges stehen blieb, um seine Wirbelsäule durchzudrücken. 

 

„Mann, das nervt so sehr…“, stöhnte er.

 

Das Schwein grunzte und stürmte auch schon los, um ihm die richtige Richtung zu weisen. 

 

Shikamaru blieb keine Zeit, seine Hände aus den Taschen zu befreien und leise Tontons Abstammung zu diffamieren, als die rasende Sau ihn auch schon aus dem Gleichgewicht brachte und ihn in einem wenig anmutigen Stolpern seitwärts stieß. Seine Füße bewegten sich wie von selbst und schnell, um ihn aufrecht zu halten. 

 

Fuck!

 

Sich ausschließlich auf seine Beinarbeit verlassend beschrieb sein Weg eine abrupte Wendung und er umrundete so schnell eine Ecke, dass er nicht das Schimmern von Metall bemerkte, bevor er in einen Ausbruch von Weiß knallte. Kalter Stahl schlug mit einem scharfen Knacken so hart gegen seine Stirn, dass seine Kiefer klackend aufeinander trafen und es in seinen Ohren aufgrund des Aufpralls gellend schrillte.

 

Arrrgh…ich schwöre bei Gott…

 

Shikamarus Miene wurde mörderisch und er hob einen Spalt breit die Lider, bevor seine dunklen Augen weit aufflogen. 

 

Blasse opaleszente Seen sahen ihn an. 

 

Und dann streichelte ein tiefes Murmeln über seinen Mund; die kultivierten Töne wie ein Streichen rauer Seide. 

 

„Du rennst immer noch eine Meile in der Minute, Shikamaru…“

 

 

 ______________

Ahhh und da treffen die beiden wieder aufeinander ;) Ja, also wirklich viel gibt  es eigentlich gar nicht zu sagen...außer dass wir dem Ende immer näher kommen. Ich denke auch, dass ich zum nächsten Kapitel überhaupt nichts mehr sagen werde und dann nur noch ein Nachwort zu dem letzten Kapitel kommen wird, mal sehen. Sollte ich im nächsten Kapitel kein Nachwort schreiben, dann gilt natürlich auch für dieses wie immer ein Riesen Dank an alle Reviewer/innen und Leser/innen. <3

Ich hoffe, dass euch die letzten Kapitel von BtB gefallen und dass mir der/die ein oder andere auch bei 'On the Cusp' erhalten bleiben wird - den zweiten Teil der Serie, der - zumindest die erste Hälfte davon - DEUTLICH humorvoller werden wird als BtB ;)



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Scorbion1984
2021-07-08T18:40:14+00:00 08.07.2021 20:40
Also ich fasse mich kurz ,Du hast es super hinbekommen, die Gedanken und Gefühle aller Beteiligten aufzuzeichnen.
Nun treffen sie wieder aufeinander und gehen ,von Tonton geführt ,zur Hokage .
Mal sehen was sie mit den Beiden vorhat .
Antwort von:  _Scatach_
09.07.2021 15:30
Awww vielen Dank, es freut mich, dass die Emotionen und Gedankengänge gut rüber gekommen sind!!
Ja diese Tonton...ich muss ehrlich sagen, dass ich sie irgendwie nicht leiden kann xD
Von:  Lady_Ocean
2021-07-08T14:58:43+00:00 08.07.2021 16:58
Gott, in diesem Kapitel ist so viel passiert! Beide sind so zerbrochen. Was nicht nur an ihrem letzten Zusammenstoß lag, aber natürlich auch. Vor allem bei Shikamaru, dem so direkt die Tatsache ins Gesicht geschleudert worden war, dass sein Verhalten Neji zerstört hat. Ich denke, bei Neji hat an der Stelle schon eine erste Verarbeitung eingesetzt. Damit etwas heilen oder neu entstehen kann, muss man erst mal wissen, dass was kaputt ist. Und diesem grundsätzlichen Gedanken hatte Neji sich ja die ganze Zeit über verweigert.
Aber jetzt mal zurück zu diesem Kapitel. Es brauchte echt nicht viele Worte zwischen Shikamaru und Asuma (ich hatte ihn zuvor die ganze Zeit falsch geschrieben. Endlich hab ichs bemerkt. -.-), um bei ihm eine Auseinandersetzung in Gang zu bringen. Überhaupt einmal nur anzufangen, all diese zerstreuten Emotionen aufzugreifen und zu akzeptieren, dass sie so sind wie sie sind, war das Wichtige an dieser Stelle. Mich hat Shikamarus Erkenntnis berührt, dass er überhaupt nichts reparieren und weiterhin nicht verstehen will. Und wie Asuma letztlich darauf reagiert hat. Wie er seine Hand auf seinen Schützling gelegt hat und ihm allein mit dieser Geste gezeigt hat, dass Shikamaru nicht allein dasteht. Auch wenn Shikamaru das nie geäußert hat, aber vielleicht war das eins der Probleme, dass er mit einfach niemandem (außer Neji) über seine Gefühle reden konnte, dass sich die Last auf seinen Schultern immer weiter angestaut hat. Weil er Angst davor hatte, auch nur einmal den Mund aufzumachen, selbst wenn es unzusammenhängend und unverständlich war, was dabei herauskam. Weil er Angst hatte, dass er nicht verstanden wurde, oder dass die andere Seite alles missversteht und mit ungebetenen Ratschlägen oder Ablehnung alles schlimmer macht. Asuma blieb einfach da. "Ich höre dich." Als Außenstehender kann man nur erahnen, welche Tragweite diese Worte für Shikamaru tatsächlich haben müssen.
Und mir ging (wieder einmal) das Herz auf, als Neji mit Hinata trainiert hat. Das ist eine Aufgabe, die ich unglaublich wichtig finde. Es stärkt die Bande zwischen den Cousins und zwischen ihnen als Vertreter von Haupt- und Zweigfamilie. Es stärkt Hinatas Position, die von ihrem Vater praktisch schon aufgegeben worden war. Es stärkt sicher auch Hinatas Selbstvertrauen, wenn sie nun endlich einmal sieht, dass auch sie etwas lernen kann, leisten kann, etwas Eigenes schaffen kann. Und wenn sie diesem Pfad weiter folgt, wird sie ihre Chakra-Technik sicher meistern lernen. Und ich denke, dass das auch für Nejis Seele eine heilvolle Tätigkeit ist. Er tut etwas, wofür er sich selbst entschieden hat. Das war ganz allein seine Intuition, dass Hinata viel mehr leisten könnte, wenn man sie richtig wahrnehmen und trainieren würde. Und im ersten Moment war es auch seine Entscheidung, sich dagegen zu entscheiden, diese Rolle zu übernehmen. Und nun hat er sie selbst überdacht, aus freien Stücken. Ich bin mir sicher, das allein muss sich schon befreiend anfühlen. Und man merkt auch, wie es ihn mit Stolz erfüllt, Hinatas Ehrgeiz und ihre Fortschritte zu sehen. Wie oft er während dieses Trainings "gut" oder sogar "sehr gut" gedacht hat. Wie positiv er war. Und sogar Hiashi hat Hinata bemerkt. Ich frage mich, seit wie lange zum ersten Mal das wohl der Fall war. Hinata hat jedenfalls auch ein ganz, ganz gebrochenes Verhältnis zu ihrem Vater. Ich war echt besorgt, als ich ihr Verhalten ihm gegenüber und auch ihre Reaktion auf sein Lob gesehen habe.
Nejis Gedanke, dass seine zerbrochenen Teile sich vielleicht deshalb nicht mehr richtig zusammensetzen lassen, weil er vielleicht von Anfang an nie "ganz" gewesen war, tragen eine Menge Wahrheit in sich. Das war eine richtig schöne Metapher. Neji muss sich irgendwie neu finden. Und "neu" bedeutet auch immer erst einmal "ungewohnt". Vor allem wenn man sich in so einer Situation wie er befindet, wenn man ein harmonisches, ausgeglichenes Selbst nie kennengelernt hat. Woher sollte er also wissen, wie sich etwas "Ganzes" anfühlen sollte? Er muss es ausprobieren, nachjustieren, vielleicht immer mal wieder Teile umsortieren, und sich nach und nach an dieses Gefühl des Neuen gewöhnen. Etwas anderes bleibt ihm nicht möglich, denke ich.
Shikamaru könnte es in diesem Punkt vielleicht ein Stück leichter haben. Er ist in eine intakte Familie hineingeboren worden, hatte ein gutes Team, war psychisch stabil. Allerdings hat er ein heftiges Trauma in seinem Innern begraben und mit dem wird er sich auseinandersetzen müssen. Und die Verzweiflung und der Schmerz, die seine immer stärker werdende Verbundenheit mit Neji mit sich gebracht hatte, hat ihn auch erst einmal in Scherben zurückgelassen. Sich davon zu erholen, wird auch ein sehr schweres Stück Arbeit. Aber immerhin weiß Shikamaru, wie sich ein gesundes Selbst anfühlen sollte. Ich hoffe, dass ihm das dabei hilft, wieder auf die Beine zu kommen. Und er macht ja auch gute Fortschritte damit. Schon allein, dass er sich dem Gedanken stellt, dass das Leben weitergehen muss, zeigt, dass er bereit ist, wieder auf die Beine zu kommen. Der Gedanke an dieser Stelle hat mich selbst gerade sehr getroffen. "getroffen" in dem Sinne, dass ich mich derzeit genauso mit diesem Gedanken auseinandersetzen muss. Mein Bruder ist vor zwei Tagen beerdigt worden. Ich würde von mir zwar nicht behaupten, das Gefühl zu haben, es hätte mich zerschmettert und in Scherben zurückgelassen, aber da klafft gerade ein ziemliches Loch in mir, vom Hals über die Brust bis unter die Rippen, von dem ich weiß, dass es zwar irgendwann nicht mehr so roh und offen sein wird, aber es wird auch nie mehr verschwinden. Shikamaru hat da unbewusst auch zu mir gesprochen.
"Das Leben hielt für niemanden an; es stapfte einfach weiter, völlig ungeachtet der Zeit, mit der es vorwärts lief und der kostbaren Augenblicke, die es damit stahl."

Als Tonton dann kam, dachte ich erst, Tsunade hat Neji und ihn vielleicht zeitgleich zu sich zitiert und sie sehen sich bei der Hokage das erste Mal wieder. Aber vielleicht hat Tsunade Tonton eher angewiesen, Shikamaru in Neji reinlaufen zu lassen. Es kann jedenfalls kein Zufall gewesen sein, dass Tonton ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt aufgetaucht ist und Shikamaru dann auch noch so um diese Ecke manövriert hat. Und ich war überrascht, dass Neji so galant auf diesen Zusammenprall reagiert hat (sie haben es irgendwie mit Zusammenstößen an der Stirn. Und Shikamaru hat jedes mal wieder das Nachsehen, weil er sein Hitai-ate einfach nicht an seinem vorgesehenen Platz tragen will). Ich glaube nicht, dass Neji wusste, dass Shikamaru sich nährt und gleich in ihn reinknallt. Mir hätte dieses plötzliche Aufeinandertreffen total den Boden unter den Füßen weggezogen. Ich hätte überhaupt nicht gewusst, was ich sagen oder wie ich reagieren sollte. Und mit Sicherheit hätte ich nicht so 'nen guten Spruch rausgebracht wie Neji. Echt, wie hat er das bloß geschafft?! Aber in seinem Innern wird er dennoch gerade mehr als verletzlich und verwirrt sein. Total aufgewühlt. So weit ist er längst nicht, dass er seine Gefühle für und bezüglich Shikamaru auch nur ansatzweise verarbeitet hat.

Und der Falke. Ich liebe die Metapher, die er symbolisiert, seit seinem ersten Auftreten. Es tat echt weh, sich vorstellen zu müssen, wie schlimm es ihn mitgenommen hat. Man musste sofort an Nejis geschundene Seele denken. Und das wird sicher auch der Grund sein, warum Shikamaru ihn letztlich mitnehmen wollte - ein Stück weit gegen seinen Willen. Aber er sieht einfach viel zu sehr Neji in ihm. Und den hatte er bereits verloren. Neji war der erste Mensch, für den er je in seinem Leben etwas tun wollte, für den er da sein wollte, und er hatte es nicht geschafft. Dieser Falke fühlt sich wahrscheinlich wie eine Art zweite Chance an. Er kann gar nicht anders, als sich seiner anzunehmen, auch wenn es lästig und nervenaufreibend ist. Aber er macht Fortschritte. Und es tut mir auch so gut zu sehen, wie der Falke sich erholt. DASS er sich noch erholen kann. Dass es zumindest für ihn nicht zu spät war.
Ein kleines bisschen erinnert mich der Vogel aber auch an Shikamaru. Wie Shikamaru sich an dem Käfig, den Neji um sein Herz errichtet hat, die Zähne ausgebissen hat. Und nicht mal die Gehirnerschütterung, die er sich beim Versuch, diesen Käfig niederzureißen zugezogen hat, hat er so richtig wahrgenommen. Wie der gespaltene Schnabel des Falken. Gespalten und verwundet und doch schien das Tier diese schlimme Verletzung nicht einmal wahrzunehmen. Es hat einfach immer und immer weiter an diesen Gitterstäben genagt. Und als Tier passt der Falke auch generell gut zu Shikamaru. Scharfe, wache, wissende Augen. Sie haben Ähnlichkeit mit Shikamarus Augen, finde ich.
Antwort von:  _Scatach_
09.07.2021 15:29
Huiuiui was für ein Review wieder, vielen vielen Dank!! <3

Ja, Neji geht mit der Situation gefasster um als Shikamaru. Neji ist aber auch einfach besser darin, die Kontrolle über sich selbst zu behalten. Shikamaru hat die ganze Sache mit Neji einfach vollkommen aus der Bahn geworfen und dazu kommt noch das Trauma, das er so tief begraben hat und jetzt wieder aufbricht. Das zusammen ist einfach viel zu viel für ihn.

Haha, macht doch nichts, dass du Asuma anders geschrieben hast :)
Für Shikamaru war das auch ein wichtiger Schritt...diese Akzeptanz, dass er das, was zwischen ihm und Neji passiert ist (also die intimen Momente) so lassen will wie sie sind. Er will es nicht im Nachhinein ändern oder in einem anderen Licht betrachten, oder verstehen. Für ihn als eine Person, bei der der Kopf ständig versucht, vorauszupreschen und alles zu analysieren ist das wie eine Art Ruhe und Frieden. Etwas ganz besonders kostbares, das er so noch niemals zuvor erlebt hat.
Bei Shikamaru steht einfach so unglaublich viel zwischen den Zeilen, das er niemals ausspricht, das aber auch gehört werden muss. Und Asuma hat es eben über die Jahre hinweg gelernt, diese Sprache zu sprechen, was für Shikamaru enorm wichtig ist, da es sonst niemand kann.

Schön, dass dir die Szene zwischen Hinata und Neji so gut gefallen hat! Es ist tatsächlich für beide sehr wichtig, diese Entwicklung durchzumachen, vor allem für Neji, der sich ja am Anfang geweigert hat, diese Mentor-Rolle für Hinata zu übernehmen.

Ahja, du hast schon recht, dass es für Shikamaru einfacher sein könnte, da er ein stabiles Umfeld und eine stabile Familie hat, aber andererseits ist er eben auch niemand, der viel über seine Probleme oder Gefühle spricht. Und ohne zu viel zu spoilern: Wir stehen gerade erst ganz am Anfang von Shikamarus Leidensweg ;)

Das mit deinem Bruder tut mir sehr leid! Mein tiefes Beileid! Ich hoffe sehr, dass es dir soweit gut geht, auch wenn du sagst, dass es dir nicht vollkommen den Boden unter den Füßen entrissen hat, aber ich verstehe SEHR gut, wie sich das anfühlt! Und ja, man muss irgendwie lernen, damit zu leben, denn das Leben hält wirklich nicht an.

Nein, Tsunade hat Tonton nicht dazu angewiesen. Ihr ist zwar aufgefallen, dass es Shikamaru mitgenommen hat, was er auf seiner Mission tun musste, aber sie ahnt weder etwas davon, was zwischen den beiden während der Mission auf intime Weise passiert ist, noch, was Neji Shikamaru zurück in Konoha angetan hat. Und Tonton auch nicht, das hier ist - so banal es klingen mag - tatsächlich wirklich nur ein Zufall ;)
Ja, das mit den Kopfnüssen ist so ein wiederkehrendes Muster bei den beiden ^^ Ein bisschen wie die Angewohnheit, dass sie ihre Stirnen aneinander legen, auch wenn das natürlich deutlich intimer ist.

Schön, dass dir diese Analogie mit dem Falken so gefällt! Es war definitiv der Grund, dass Shikamaru den Vogel mitgenommen hat, weil er Neji in ihm gesehen hat. Auch wenn es wieder ein 'lästiges Ärgernis' für ihn dargestellt hat. Er symbolisiert wirklich so etwas wie einen zweiten Versuch, das wieder gut zu machen, woran er bei Neji gescheitert ist.
Toll finde ich, dass du in dem Falken aber auch Shikamaru siehst! Ich habe noch nie wirklich so sehr darüber nach gedacht, aber jetzt wo du es so darstellst, macht es auf jeden Fall total Sinn und ich bin richtig begeistert davon, dass du diese Sichtweise so mit mir geteilt hast! Vielen Dank dafür! Und vielen Dank natürlich für dieses tolle Review!! <3
Antwort von:  Lady_Ocean
09.07.2021 19:42
Stimmt, Nejis langjährige Erfahrung im "Kontrolle behalten" spielt da auch mit rein! Ein Gedanke, der mir erst gar nicht gekommen war.

Ich denke, Shikamaru will das zwischen ihm und Neji auch deshalb keinesfalls logisch durchdenken, weil es nicht scharf abgrenzbar ist. Er macht sich über Dinge wie Grenzen und Definitionen ja öfter Gedanken. "Kameradschaft" ist klar definiert. "Freundschaft" ist nicht ganz so eindeutig (und auch darüber hat er bisher nie sinniert). Und das zwischen ihnen beiden sprengt jede Grenze. Gleichzeitig liebt er es, Wolken zu beobachten. Das ist im Prinzip auch müßig. Hier sinniert er im Grunde ständig darüber nach, wie sich die Form als nächstes verändern mag, aber gleichzeitig stört es ihm nicht im Geringsten, wenn seine Vermutungen nicht zutreffen oder bereits nach wenigen Augenblicken im Nichts verschwinden. Außerdem fragt ihn in Bezug auf Wolken niemand aus. Nicht mal er selbst stellt irgendwelche Erwartungen an sich, dass er mit seinen Beobachtungen irgendein Ergebnis erzielen will. So kann er vollkommen entspannt sinnieren und seine Gedanken dann auch einfach wieder fallenlassen. Ich denke, wenn bei dem zwischen ihm und Neji ebenfalls niemand (sich selbst inklusive) fragen würde, was es ist und was es soll, würde er - mit genügend Abstand und Entspannung - vielleicht genauso müßig und ziellos darüber sinnieren wie über die Wolken. Ich denke, er hat so eine generelle Tendenz, Dinge mit nicht klar definierten Grenzen (im konkreten wie abstrakten Sinne) nicht gern zu analysieren.

Danke schön für deine mitfühlenden Worte. Im Moment geht es. Ich bin noch bis nächste Woche bei meiner Mum. Hier ist es ziemlich ruhig und ich muss grad nicht an meine Arbeit oder meinen eigenen Haushalt denken. Das hilft loszulassen. Und in meinem Tempo nachzudenken.
Antwort von:  _Scatach_
09.07.2021 20:55
So schön wie du hier den Vergleich zwischen Neji und den Wolken für Shikamaru ziehst...genau das ist es nämlich und ich möchte hier einen Satz zitieren - ich sag allerdings nicht, wann in der Serie er vorkommt, aber er passt hier einfach viel zu gut dazu: "And just for a while Shikamaru went cloud-gazing in those sky-white eyes"
Es spiegelt genau das wider, was du schon so treffend festgestellt hast, was das Wolkenbeobachten und eben auch Neji für ihn bedeuten. Für ihn sind es seine Augenblicke in denen er nicht das Nara Genie sein muss. So wie es für Neji die Augenblicke sind, in denen er nicht Hyūga Ausnahmetalent oder Zweigfamilien-Haustier sein muss.

Gut, dass du jetzt noch etwas Abstand zu Arbeit und Alltag hast, das ist bestimmt sehr wichtig! Ich hoffe sehr, dass du dich weiterhin gut erholst und Abschied nehmen kannst!


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