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Vertraute Fremde

von

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Planung und Provokation

Ein Schlag folgte dem anderen.

Cail war stärker als Yina.

Erfahrener und genauso erbarmungslos.

Bree fühlte sich herausgefordert und das Gefühl begeisterte sie. Es gab ihr die Möglichkeit sich weiter zu entwickeln und das war beinahe berauschend. Sie parierte Cails nächsten Schlag, wurde dafür aber von einem Tritt getroffen.

Instinktiv blockte sie den nächsten Angriff, bevor Cail sie ernsthaft treffen und aus dem Gelichgewicht reißen konnte.   

 „Das reicht jetzt, ihr zwei“, rief Genna die beiden zum provisorischen Lagerplatz, den die „Fremden“ errichtet hatten.

Im Grunde nicht mehr als eine feste Feuerstelle mit einem Unterstand aus einem Holzgestell und einer Lederplane, welche Bree und Meinard ihnen organisiert hatten.

Über dem Feuer brieten die Reste von Jellinecs Jagdbeute, Genna und Meinard saßen nebeneinander. Die beiden hatten sich über den vergangenen Tag lange zusammengesetzt und geredet und Bree spürte inzwischen eine erstaunliche Verbundenheit zwischen den beiden, die sie nicht so recht erklären konnte, die sie aber freute. Meinard wurde sanfter, es schien seinen Schmerz zu lindern und allein dafür war Bree schon bereit Genna ebenfalls ihre Zuneigung zu schenken.

Zwischen dem Lagerplatz und dem „Kampfplatz“ auf dem Bree mit Cail trainiert hatte stand Leeta. Mit leuchtenden Augen hatte sie die älteren Mädchen beim Kämpfen beobachtete, neben ihr hatte Adrill sich auf den Boden gesetzt, die schlafende Ti´rory auf dem Arm, immer bereit Leeta etwas zu erklären, sollte sie Fragen haben.

Bree nahm Adrill das Baby ab, als sie ihn erreichte.

 „Wo hast du so kämpfen gelernt?“ fragte Leeta sie neugierig.

 „Hier auf Dathomir, von den Nachtschwestern und Meinard“, erklärte Bree.

 „Ich dachte diese Nachtschwestern sind böse und wollen Paca weh tun?“, fragte Leeta sofort nach.

 „Sind sie auch und wollen sie auch, aber meine Mutter war eine von ihnen und darum haben sie mich nicht sofort umgebracht.“ Brees Lippen zuckten spöttisch.

 „Aber du bist gar nicht böse“, stellte Leeta fest und griff vertrauensvoll nach Cails Hand, um sich von dieser zum Feuer ziehen zu lassen.

Bree konnte sich ein Lächeln nicht ganz verkneifen.

 „Böse, definiert sich über den eigenen Standpunkt“, sinnierte Adrill leise und folgte den Mädchen um sich neben Meinard am Feuer nieder zu lassen.

Es war längst dunkel um sie herum und sie warteten nur auf Myce, Geela und Jellinec, die zur Rettungskapsel unterwegs waren, um nachzusehen, was sie aus dieser als Ersatzteile verwenden konnten.  

 „Wie meinst du das?“Leeta war sofort mit der Nächsten Frage dabei und setzte sich neben Adrill, mit wissbegierigen Augen zu ihm aufsehend.

 „Die Nachtschwestern würden sich nie als böse bezeichnen“, begann Adrill sachte zu erklären.

Bree setzte sich neben Genna.

 „Ich möchte das Kind gerne bei euch lassen“, sprach sie die Mirilianerin vorsichtig an.

Genna beugte sich zu ihr und betrachtete das Baby mit einem sanften Lächeln.

 „Sie ist noch so klein“, stellte sie fest.

Ti´rory gähnte im Schlaf und drehte sich in Brees Armen.

 „Je selbstständiger sie wird, desto größer wird die Gefahr, dass sie von den Nachtschwestern entdeckt wird, außerdem haben wir sie nun schon einmal aus dem Dorf geschmuggelt, warum das Risiko eingehen, sie wieder hinein zu bringen und dabei erwischt zu werden?“, fragte Bree leise.

Genna nickte.

 „Ihr seid wirklich eine außergewöhnliche Familie“, stellte Cail spöttisch fest und nahm ihren Helm ab. Sie war tatsächlich genauso hellblond wie ihr Bruder, und auch wenn ihre Gesichtszüge viel weicher waren, war die familiäre Ähnlichkeit nicht zu übersehen.

Bree fragte sich, ob sie ihren Geschwistern auch so ähnlichsah.

Sie hatte zwei Geschwister – oder drei – ganz sicher war sie sich inzwischen nicht mehr. Sie war sich sicher, dass sie einen älteren Bruder hatte, aus der Standesgemäßen ersten Ehe ihres Vaters. Tiol-bey war auch immer ein großartiger Bruder gewesen und sie liebte ihn sehr. Da ihr eigene Mutter aber nur den Status einer Geliebten hatte, hatte ihr Vater unter dem Druck seiner Eltern noch einmal geheiratet und aus dieser Ehe hatte er eine weitere Tochter: Kalesea-bey. Diese jüngere Schwester kannte Bree kaum, da sie mit ihr nur in Kontakt kam, wenn sie in die Stadt musste, um ihren Großeltern vorgeführt zu werden, wie ein gut dressiertes Hündchen.

Und dann war da noch Baren.

Bei ihm wusste sie so gar nicht, woran sie war – waren sie verwandt? Wie waren sie verwandt? Geschwister? Cousine und Cousin?

Bree meinte sich dunkle zu erinnern, dass ihr Vater einen Bruder hatte und sie meinte auch, dass der Senator von Resaria Briss mit Familiennamen hieß. Aber als sie damals, vor fünf Jahren, auf Corousant war, hatte sie einfach nicht genügend Basic verstanden.

 „Nicht außergewöhnlicher als deine Familie“, wehrte sie sachte gegenüber Cail ab.

Die Madalorianerin lachte herzlich auf.

 „Unter Mandos ist das vollkommen normal, dass die Familie ein buntes Gemisch sein kann.“

Bree sah sie neugierig an.

 „Mandalorianer definieren sich nicht über eine Spezies, sondern über ihre Einstellung, ihren Geist – Familien können sich darüber genauso gut zusammenfinden, wie sie durch Blutsbande verbunden sein können und Adoptionen sind vollkommen normal“, erklärte Cail.

 „Das klingt faszinierend“, murmelte Bree.

 „Oh ja, Mandos sind schon ein sehr spezielles Volk“, lächelte Meinard.

Es war offenkundig, dass er noch etwas dazu sagen wollte, wurde jedoch dadurch unterbrochen, dass Geela durch das Gebüsch in den Feuerschein huschte.

Begeisterung leuchtete aus ihren Augen und ließ auch für die nicht Machtbegabten keinen Zweifel, dass sie gute Neuigkeiten brachten.

 „Die Jungs kommen gleich“, erklärte sie als erstes, „mit dem, was wir gefunden haben, sollte es eine Frage von Stunden sein, bis das Schiff wieder fit ist“, verkündete sie dann freudestrahlend.

Bree spürte ihr Herz einen Schlag aussetzen.

Eine Frage von Stunden.

So nah.

Die Freiheit so zum Greifen nah.

Meinard sprang auf und zog Geela in eine feste Umarmung.

 „Das sind hervorragende Neuigkeiten“, stellte er fest und schob das Zabrakmädchen kurz auf Armeslänge von sich.

 „Gut“, Bree hatte Mühe ihre eigene Begeisterung zu zügeln.

Jellinec und Myce traten aus dem Wald, zwischen sich ein Gerät, das sie gemeinsam trugen und jeder mit einem Beutel oder einer provisorischen Tasche, die beide offensichtlich gut gefüllt waren.

Bree spürte einen Enthusiasmus von den beiden ausgehen, der geradezu ansteckend wirkte.

 „Wenn ihr euch jetzt alle drei an die Arbeit macht, dann kriegt ihr das bis Morgenfrüh hin?“, fragte Bree, statt sich dieser Energie hinzugeben.

 „Morgenfrüh ist vielleicht doch etwas knapp“, wehrte Jellinec ab, was seinem Enthusiasmus keinem Abbruch tat, „ich kann einfach über Nacht hierbleiben, aber Geela sollte vorsichtshalber ins Dorf zurückkehren, um niemanden misstrauisch zu machen.“

Bree nickte nachdenklich.

 „Gut, dann komme ich morgen im Lauf des Tages vorbei“, setzte sie ihre Gedanken fort, „wenn alles passt, hole ich Adrill, Meinard und Geela und wir starten eine Ablenkung, um Paca zu befreien.“

Fragend sah sie Meinard an, ob ihr Plan vor seinen Augen Bestand finden würde.

Dieser überlegte kurz, dann nickte er.

 „Arbeitet zur Not die Nacht durch, ein Shuttel wie dieses kann ich auch fliegen“, wandte er sich an Myce und Jellinec.

Die beiden jungen Männer nickten.

Leeta umarmte Adrill begeistert und strahlte anschließend in die Runde.

Bree wurde warm ums Herz. Vorsichtig legte sie die schlafende Ti´rory in Gennas Arme, die Mirilianerin nahm das Kind an sich und zog Bree dann plötzlich mit einem Arm an sich.

 „Es wird alles gut, Kleines“, versprach sie mit einer Sicherheit die Bree überraschte.

Schon lange hatte sie keine mütterlichen Zuwendungen erfahren und Gefühl löste erst eine Welle der Beklemmung in ihr aus, bevor sie sich traute, sich für einen Augenblick der fürsorglichen Wärme anzuvertrauen.

Genna ließ sie wieder los, lächelte sie milde an und fuhr ihr mit den Fingern durch die rotbraunen Haare.

Genna hatte etwas Liebes an sich, vermutlich erlebte Bree gerade etwas ähnliches wie Meinard in den Vergangenen Stunden. Für Bree war es jedoch eine Art Eintauchen in längst vergangene Zeiten, als sie noch mit ihrer Mutter auf dem Landsitz gelebt hatte nur in einer angepassten Umgebung. Die Zuwendung der Mirilianerin unterschied sich dabei auch von der, die Bree von Meianrd oder Adrill erlebte, wenngleich die beiden Männer auf ihre Art nicht weniger liebevoll zu ihr waren.

Es erinnerte Bree an eine heile Familie und machte sie zugleich neugierig auf die Zukunft, die Flucht und dass, was danach kam.

Seltsamerweise – und das wurde Bree selber erst viel später klar – weckte es keine Sehnsucht nach ihrem alten Zuhause auf Resaria.

Genna umarmte auch Geela.

Cail gab Bree einen freundschaftlichen Faustschlag gegen die Schulter.

 „Wird wohl doch nicht ganz so schlimm hier weg zu kommen“, feixte das Menschenmädchen zufrieden.

Bree grinste schief.

 „Für euch“, schränkte sie dann im gleichen Ton ein, „Für uns sind das jetzt fünf Jahre.“

Cail öffnete halb den Mund, dann wechselte ihr zufriedener Gesichtsausdruck zu betroffen.

 „Also für mich fünf“, revidierte Bree noch einmal, „Geela und Jellinec haben jetzt drei Jahre hinter sich und für Meianrd und Adrill sind es bereits mehr als fünf – wie viele genau haben sie mir nie verraten.“

 „Wow“, murmelte Cail. Sie nickte einen Moment als müsse sie das Gehörte verarbeiten. „Weißt du, Genna hat recht, es wird alles gut, Bree. Wir kommen hier raus.“

Bree verzog den Mund zu einem minimalen Lächeln.

 „Das werden wir, mit deinem Bruder – das verspreche ich dir.“

Bree versuchte den gesamten Vormittag unauffällig zu bleiben.

Sie trainierte mit den anderen Mädchen, legte sich auf die übliche Art und Weise mit Yina an und verdrückte sich bei der ersten Gelegenheit.

Sie versuchte eins mit der Macht zu sein, wie Baren es im Jeditempel gelernt hatte, um ihre eigene Aufregung zu verbergen.

Am Morgen hatte sie alles noch einmal im Detail besprochen. Bree würde jetzt am Vormittag zum Shuttel gehen und den Fortschritt prüfen. Je nachdem würde sie anschließend Geela unauffällig vom Feld holen, damit sie Jellinec und Myce helfen konnte, oder sie holte zusätzlich Meinard und Adrill, damit sie gemeinsam fliehen konnten.

Mit Paca natürlich.

Bree erreichte den Dorfplatz.

Paca stand immer noch an seinem Pfahl. Er war blass und sah ausgehungert aus. Noch am Abend des Tages, an dem Bree mit ihm gesprochen hatte, hatte die Clanmutter entschieden, dass Paca gebrochen werden sollte.

Dann sollte er bereit sein, ein Sklave zu werden.

Auf Bree machte er nicht den Eindruck als wäre er bereits gebrochen.

Es war niemand sonst auf dem Dorfplatz und auch nicht in der direkten Umgebung. Bree betrat den Platz und ging geradewegs auf Paca zu. Sie blieb vor ihm stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. Abwartend sah sie ihn an, bis Paca den Kopf hob und ihren Blick ausdruckslos erwiderte.

Einen Moment später, verzog er die Lippen zu einem schiefen Grinsen.

 „Heute kriege ich wohl kein Wasser, cyarika“, scherzte er.

Bree lächelte wage, da sie immer noch nicht wusste was das Wort bedeutete.

 „Darf ich nicht“, erwiderte Bree ruhig, „aber keine Sorge, heute geht es fort. Ich hole dich später.“

Paca hob erstaunt die Augenbrauen.

 „Plan?“, fragte er nur.

Mit hüpfendem Herzen sah Bree wieder das Funkeln in seinen Augen.

 „Einfach – meine Leute sorgen für Ablenkung, ich hol dich raus und wir verschwinden zusammen mit deinen Leuten.“

 „Sehr einfach“, stimmte er zu. Einen Moment sah er aus, als wolle er noch etwas sagen, doch dann fixierte sich sein Blick auf etwas hinter Bree.

Instinktive vertiefte das Mädchen sich in die Macht und fuhr zu Yina herum.

Die gleichaltrige Nachtschwester bewegte sich lauernd auf Bree zu.

 „Sieh an, sieh an“, säuselte sie spöttisch, „gefällt dir der Gefangene?“

Bree lockerte demonstrativ die Schultern.

 „Was willst du?“, fragte sie grob, entschlossen das Gespräch direkt zu gestalten.

 „Was soll ich wollen?“, fragte Yina lächelnd, „vielleicht gefällt mir der Gefangene auch?“

Sie lachte leise. Ein lauernder, inspizierender Blick wanderte über Pacas Körper.

Bree versteifte sich.

 „Weißt du, Mutter hat überlegt ihn als persönlichen Sklaven frei zugeben – für eine Schwester, die sich bewährt“, erklärte Yina mit gefährlich blitzenden Augen, „Es ist nicht ausgeschlossen, dass eine von uns Mädchen ihn sich verdienen kann.“

Bree hielt die Luft an.

Warum erzählte Yina ihr das?

Sie und ihre Altersklasse befanden sich im Alter von dreizehn bis fünfzehn, auf Dathomir die

Schwelle zum Erwachsen-werden. Das Erreichen der weiblichen Reife als erste Stufe, das Beweisen als Kriegerin als zweite Stufe.

Aber warum zielte Yina so auf Paca?

Hatte Bree sich zu offensichtlich mit ihm befasst? Sie sprach doch gerade erst das zweite Mal mit ihm. Sie hatte sich nicht weiter mit ihm befasst.

Doch Yina musste irgendetwas ahnen.

Irgendwie…

Bree maß Yina mit einem prüfenden Blick.

 „Worauf willst du hinaus?“, fragte sie betont locker.

 „Ich will ihn haben“, erklärte Yina jetzt direkt, „und dir scheint der Gedanke auch nicht zu missfallen.“

Bree wandte ihren Blick zu Paca, der spöttisch lächelte.

 „Ich hab ja nichts dagegen, wenn schöne Frauen um mich konkurrieren aber eigentlich suche ich mir die, die ich will am Ende lieber selber aus“, warf er ein.

Yina griff nach der Macht und verpasste ihm eine Ohrfeige.

 „Und auf Schläge stehe ich eigentlich gar nicht“, Paca grinste schief, „da gehen die Punkte an das Rotauge.“

Yina fauchte.

 „Du wirst noch darum betteln, dass ich dich nur ohrfeige“, zischte sie gefährlich, zog ihr Messer und trat auf Paca zu.

Bree spürte eine Wut, die sie von Yina nicht kannte und die eine plötzliche Sorge in ihr weckte, dass Yina Paca ernsthaft etwas tun wollte.

Sie reagierte instinktive – als Yina ihr Messer hochriss und es wieder auf Paca niederfahren ließ, stürzte Bree sich auf Yina.

Die junge Nachtschwester schrie vor Wut und richtete ihre Waffe direkt auf Bree. Diese packte mit einer Hand Yinas Handgelenk, mit welchem sie das Messer hielt.

Der Kampf nahm innerhalb von Sekunden die gleiche Intensität an, die es sonst im Training annahm – nur dass dieses Mal keine Trainerin da war, um sie zu trennen, sollten sie über die Stränge schlagen.

Bree hakte einen Fuß hinter Yinas Bein und brachte sie Fall. Doch Yina ließ sie nicht los und riss sie damit ebenfalls zu Boden. Bree musste Yinas Handgelenk loslassen und rollte sofort außer Reichweite. Yina setzte ihr fauchend nach, noch immer das Messer in der Hand und ganz offensichtlich fest entschlossen Bree zu verletzen – wenigstens zu verletzen.

Bree zögerte noch ihr eigenes Messer zu ziehen, lieber wollte sie zunächst beide Hände für die Abwehr frei haben.

Sie wehrte Yinas nächsten Schlag ab, brachte ihren eigenen Körper neben den ihrer Gegnerin und ließ ihre Handgelenke wieder los, um ihr mit aller Kraft den eigenen Ellenbogen ins Gesicht zu schlagen.

Yina taumelte zur Seite, kurz presste sie sich die Hand vor ihr Gesicht. Als sie ihre Hand senkte gab sie den Blick auf ihre blutige Nase frei.  

Hass stand in ihren Augen.

Irgendetwas war anders als sonst. Bree konnte nicht ganz erklären was, aber es machte ihr Angst.

Yina sprang wieder auf Bree zu, diese reagierte zu langsam – die Klinge schlitzte ihr oberflächlich den Unterarm auf. Bree zuckte vor Schmerz, bevor sie diesen mit der Macht betäuben konnte stieß Yina wieder zu. Bree wich gerade noch rechtzeitig aus und die Klinge streifte nur oberflächlich ihre Schulter.

Yina setzte wieder nach.

Bree wich wieder aus.

Sie versuchte zu beobachten, mit Hilfe der Macht zu erahnen, was Yina vorhatte und dann angemessen darauf zu reagieren.

Es war ungleich schwieriger als noch am Vormittag.

Brees Nerven waren zum Zerreißen gespannt.

Sie wich aus, wehrte ab, reagierte einfach nur auf Yinas Angriffe. Normalerweise fand sie irgendwann eine Lücke in Yinas Angriffen mit denen sie ihre Gegnerin zu Fallbringen und letztlich besiegen konnte.

Doch nicht heute.

Aus den Augenwinkeln sah sie, dass sich Schaulustige um den Platz versammelten. Nachtschwestern genauso wie Sklaven.

Bree hatte keine Zeit nach einzelnen, bekannten Gesichtern zu sehen. Aber ihr wurde klar, dass sie diesen Kampf beenden musste, sie sorgte bereits jetzt für zu viel Aufmerksamkeit.

Da Yina ihr keine Lücke bot musste Bree selbst für eine Sorgen.

Sie tauchte tief in die Macht ein, um den kommenden Schmerzen vorzubeugen – und ließ sich vom Messer treffen.

Die Klinge fuhr ihr durch den Unterarm, außen an der Elle vorbei, während Bree mit der freien Hand nach der Macht griff und Yina rücklings gegen den Brunnen schleuderte.

Wie mechanisch riss sie ihr eigenes Messer aus der Scheide und schnellte auf Yina zu, die noch am Boden lag. So schnell sie konnte kniete sie sich auf Yinas Oberkörper, fixierte ihre Arme am Boden und setzte ihr die Klinge an die Kehle.

Yina blieb schwer atmend am Boden liegen.

Wilder Hass sprühte Bree entgegen.

Auch Bree atmete schwer. Ihre Verletzungen pochten, vor allem der durchgehende Stich durch den Unterarm.

Sie hatte das unglaublich beengende Gefühl, dass sie Yina töten musste. Wenn sie es nicht täte würde Yina sie irgendwann töten. Sie, oder jemanden der ihr nahestand.

Hatte Yina Paca angegriffen, weil Bree bei ihm gestanden hatte? Hatte die ganze Sache mit Paca nichts zu tun? War einfach Yinas Frust immer gegen Bree zu verlieren zu groß geworden?

Bree hob das Messer.

Yina war ein Risiko geworden.

Ein zu großes Risiko.

Für Bree.

Für ihre Familie.

Für ihre neuen Familienmitglieder.

Bree musste sie schützen.

Sie konnte vieles nicht um ihrer Familie zu unterstützen, aber sie konnte sie beschützen.

Sie konnte ihre Familie selbst vor den Nachtschwestern beschützen und das würde sie auch tun.

Sie ließ das Messer auf Yinas Brust niedersausen, doch bevor die Klinge das andere Mädchen erreichen konnte riss ein Machtstoß Bree aus ihrer Position.

Hart schlug sie auf dem Boden auf, blieb einen Moment benommen liegen, dann riss sie ihr Messer wieder hoch, dessen Griff sie geistesgegenwärtig umklammert gehalten hatte, um die Klinge gegen Yina zu richten, die offenbar sofort auf die Füße geschnellt war und Bree nachsetzte.

Doch bevor Yina sie erreichen konnte, hielt jemand sie mit der Macht auf.

Die Clanmutter hatte den Platz betreten.

 „So, so reagiert ihr euch also ab.“ Die Stimme der Frau war grausam weich und sanft. Bree lief jedes Mal ein kalter Schauer über den Rücken, wenn sie Mutter Cosinga sprechen hörte.

 „Habt ihr keine andere Möglichkeit eure Mütchen zu kühlen?“, fragte Mutter Cosinga säuselnd.

Bree rappelte sich wieder auf die Füße und zog ihren Überwurf von ihren Schultern und wickelte ihn wortlos um ihren schwerer verletzten Unterarm.

Die Clanmutter lächelte herablassen. Dann wandte sie sich an ihre Tochter.

 „Also? War das meiner Tochter würdig?“

Wäre Cosinga Brees Mutter, würde sie jetzt panisch werden. Und tatsächlich machte Yina gerade den Eindruck als ginge es ihr auch genauso.

 „Ich wollte den Sklaven züchtigen“, zischte sie schließlich, „er ist frech geworden – Bree ist mir in die Quere gekommen!“

 „Ihr habt euch um einen Sklaven geprügelt?“, wollte Cosinga wissen und stolzierte auf Paca zu, „um diesen Sklaven?“

Nachdenklich taxierte sie Paca ohne ihm zu nah zu kommen. Der junge Mann spannte sich an, seine Hände krampften sich um die Fesseln an seinen Händen.

Doch er wandte den Blick nicht ab.

 „Ich verstehe“, hauchte Mutter Cosinga geradezu, „ein prächtiger, junger Mann – der richtige Anreiz für eine angehende Kriegerin.“

Langsam wandte sie sich um und trat wieder auf Yina und Bree zu.

Beide Mädchen erwarteten eine Strafe.  

 „Ihr habt euch peinlich benommen – wegen einem Mann“, spuckte Mutter Cosinga ihnen schließlich entgegen.

Beide Mädchen zuckten zusammen.

 „Aber ihr seid noch junge. Solche Fehler geschehen in diesem Alter“, säuselte sie schließlich wieder, „ich will euch eine Chance geben: Ihr werdet beide auf die Probe gestellt. Wir legen eine Strecke fest, ein Startpunkt, mehrere Fixpunkte mit Aufgaben und ein Ziel – diejenige von euch, die das Ziel als erste erreicht hat gewonnen und erhält den Sklaven als Geschenk.“

Bree runzelte die Stirn.

Das klang nicht nach Strafe, was Mutter Cosinga da vorschlug.

 „Diejenige, die verliert muss mit dieser Niederlage leben. Diejenige, die gewinnt wird nur zu schnell erfahren, dass kein Mann einen solchen Preis wert ist.“

Etwas bösartiges schlich sich in Mutter Coisngas Lächeln.

 „Ihr werdet lernen, dass Männer nur ersetzbare Werkzeuge sind, die es nicht wert sind, ihr Leben zu riskieren – besonders du musst das begreifen, meine Kleine.“ Cosinga trat auf Bree zu und fuhr mit einem Finger über ihre Wange.

Bree verzog keine Miene.

Sie versagte gerade kläglich daran den Aufruhr in sich selbst zu verbergen.

Das warf den ganzen Plan um.

Sie musste doch nachsehen, wie es um das Schiff stand, den anderen Bescheid geben.

 „Du!“, fauchte Cosinga an Bree vorbei und zitierte jemanden zu ihnen, „versorg ihre Verletzung!“

Bree zuckte zusammen, rührte sich aber nicht.

Ihr Blick traf den Pacas. Besorgt sah er sie an, gab sich aber Mühe nicht allzu sehr sehen zu lassen was in ihm vorging. Vermutlich ahnte er, dass die Auseinandersetzung den Plan störte.

 „Dann lass mal sehen.“

Brees Herzschlag setzte kurz aus, als sie Adrills Stimme erkannte.

Wenigstens das.

 „Das müssen wir einmal auswaschen und dann verbinden“, stellte der Anx ruhig fest und leitete Bree mit sanfter Gewalt zum Brunnen.

Bree löste sich langsam aus ihrer Starre. Unauffällig musterte sie die Umstehenden und erkannte sowohl Geela als auch Meinard, die etwas entfernt voneinander im Umkreis standen.

Bree ließ sich auf dem Brunnenrand nieder und prüfte mit einem unauffälligen Blick ob sie wirklich allein waren.

 „Es bleibt alles beim Plan“, erklärte sie leise.

 „Ist das nicht zu riskant?“, fragte Adrill mit einem Gesichtsausdruck als spräche er über ihre Verletzung und säuberte diese Vorsichtig, „hier am Arm hast du aber Glück gehabt“, stellte er zusätzlich fest, „der Stich durch den Arm hat den Knochen leicht getroffen, aber ansonsten nur Fleisch durchtrennt. Die beiden anderen Schnitte sind oberflächlich.“

 „Verbinde sie so, dass sie ernster aussehen. Wenn es zu Auseinandersetzungen mit den Weibern kommt, kann es hilfreich sein, wenn sie mich für eingeschränkt halten“, kommentierte Bree, „und ja, wir ziehen das trotzdem durch, ihr geht sofort zum Shuttel, alle drei, Geela soll dort helfen, wenn alles klar ist bringt ihr die zahmen Rankors in Unruhe. Wenn der Aufruhr großgenug ist holt ihr Paca raus – wie ihr das einteilt, überlasse ich euch. Vielleicht macht es Sinn Cail mitzunehmen.“

Adrill wickelte sorgsam Stoffstreifen um ihre Unterarme. Vorsichtig fixierte er den zweiten Verband und hielt einen Moment inne.

 „Hoffentlich geht das gut, ich habe da ein ganz ungutes Gefühl.“

 „Du klingst wie ein Jedi“, versuchte Bree zu spotten, aber sie wusste genau was Adrill meinte.

 „Ich bin kein Jedi, das weißt du Bree, aber meine Wahrnehmung ist der eines Jedi ähnlich.“

 „Auch das weiß ich.“

Bree versuchte unter Adrills Besorgnis nicht zu verkrampfen. Schnell löste sie sich von ihm, um nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich und Adrill zu ziehen.

 „Alles wie besprochen, ich vertraue euch.“

Sie hatte es verbockt.

Anstatt ihre Familie zu beschützen, hatte sie ihre Fluchtpläne erschwert.

Hoffentlich nicht ruiniert.

Bree fixierte sich auf Consinga und Yina. Egal was nun passieren würde, sie würde alles dafür tun, dass die Situation nicht weiter aus dem Ruder lief.  

Das ihre Flucht doch noch gelang.

Sie würde diesen Plan, ihre Familie - ihre erweiterte Familie - mit allem verteidigen, was sie hatte.



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