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Dein rettendes Lachen

von

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Glückseligkeit

Ich spürte die Nähe eines warmen Körpers und öffnete schlaftrunken die Augen. Die Sonne war noch nicht ganz aufgegangen und malte ihre schönsten Farben in den wolkenverhangenen Himmel. Jaden lag friedlich schlafend an meiner Brust und augenblicklich schlich sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen. Er sah so süß aus, wenn er schlief. Ich zog die Decke etwas höher und schmiegte ihn enger an mich. Ich war einfach so glücklich, dass er bei mir war.
 

Schon seltsam. Hätte mir jemand vor zwei Monaten noch gesagt, dass ich mal solche Gefühle für einen Mann haben und dann auch noch mit ihm im Bett landen würde, ich hätte denjenigen für verrückt erklärt. Und doch war es so, und ich wollte nichts daran ändern. Es hatte alles seine Richtigkeit. Ich war seit einer gefühlten Ewigkeit wieder rundum glücklich, und dass alles dank ihm. Ich wüsste nicht, wie ich die letzte Zeit ohne ihn überstanden hätte. Wahrscheinlich wäre ich verrückt geworden.
 

Eine ganze Weile lang lag ich noch neben ihm und hing meinen Gedanken nach. Irgendwann begann er sich unruhig zu bewegen und wachte kurze Zeit später ebenfalls auf. Er sah sich etwas verwirrt um, bis sein Blick auf meinen traf und ich unwillkürlich ein Lächeln aufsetzte. „Guten Morgen“ sagte ich und gab ihm einen flüchtigen Kuss. Er wurde etwas rot, lächelte mir aber ebenfalls entgegen. „Morgen.“ Dann vergrub er sein Gesicht an meiner Brust und seufzte zufrieden. „Gut geschlafen?“ sprach ich weiter und fuhr mit meiner Hand durch sein Haar. Sein schönes Lachen hallte in meinen Ohren und bescherte mir ein Glücksgefühl. „Wie ein Stein!“
 

„Freut mich. Hast du Hunger?“ Wie auf Stichwort begann sein Magen zu knurren und ich lachte leise. Das war mir Antwort genug. Ich löste mich aus der Umarmung und stand auf, um erst einmal die Klamotten auf dem Boden einzusammeln. Ich war kein großer Fan von Unordnung. „Argh!“ hörte ich eine leise Stimme und drehte mich schnell um. Jaden hatte sich aufgesetzt und hielt sich mit verzogenem Gesicht den Bauch. Oh nein, er hatte Schmerzen und das lag an mir. Ich setzte mich zu ihm auf die Bettkante, legte eine Hand an seine Wange und sah ihn schuldbewusst an. Ich hatte es gestern wohl übertrieben und er musste jetzt mit den Konsequenzen zurechtkommen.
 

„Jetzt mach doch nicht so ein Gesicht!“ sagte er mit einem schiefen Grinsen. „Es zieht nur etwas, damit komm ich klar. Ist nicht so schlimm, wirklich!“ Damit fühlte ich mich nicht unbedingt besser. Er konnte nicht verstecken, dass es ihm weh tat, und ich war auch noch der Grund dafür. Plötzlich spürte ich seine Lippen auf meinen und als er den Kuss löste, sah er mich mit einem warmen Lächeln an. „Mach dir keinen Kopf, ich würde nichts daran ändern wollen!“
 

Ich konnte nicht verhindern, dass meine Mundwinkel etwas nach oben zuckten. „Na schön, aber bleib trotzdem lieber noch etwas liegen. Ich geh schnell duschen und bereite dann das Frühstück vor, in Ordnung?“ Er nickte und ich gab ihm noch einen letzten, flüchtigen Kuss, ehe ich das Zimmer verließ.
 

~*~
 

Am späten Nachmittag verabschiedete ich mich von ihm. Der gemeinsame Tag war wirklich schön gewesen und als ich die Tür hinter ihm schloss, hatte ich nach kurzer Zeit das Gefühl, dass dieses Haus einfach zu still war. Ich hatte zwar gern manchmal einfach meine Ruhe, aber auf Dauer war das wirklich bedrückend. Das Klingeln an der Haustür riss mich aus meinen Gedanken. Hat Jaden irgendetwas vergessen? Ich lief schnell zur Tür, öffnete sie und war ziemlich überrascht. Vor mir stand nicht Jaden, sondern eine ältere Frau. Ihre brünetten, langen Haare wurden von grauen Strähnen durchzogen und waren zu einem Knoten zusammengebunden. Sie war etwas kleiner als ich und von schmaler Statur. Ihre ganze Haltung hatte aber irgendwie etwas erhabenes. Sie löste in mir sofort Respekt aus, auch wenn der Blick aus ihren dunkelblauen Augen mich etwas unsicher musterte. „Kann ich Ihnen helfen?“ fragte ich schließlich, weil sie noch immer nichts gesagt hatte.
 

„Das hoffe ich“ sagte sie zögerlich und sah mich mit einem undefinierbaren Blick an. „Ist dein Vater zu Hause?“ Woher kannte sie meinen Vater? Sie kam mir gar nicht bekannt vor. „Nein, der ist nicht da. Kann ich etwas ausrichten?“ „Wann kommt er denn wieder?“ Anscheinend wusste sie nicht, dass er noch im Krankenhaus war. Ob sie eine Bekannte aus Osaka ist? „Tut mir leid, aber das dauert noch eine Weile.“ Ihr trauriger Blick senkte sich. „Verstehe. Es tut mir leid, dass ich dich belästigt habe, Yusei.“ Sie verbeugte sich knapp und wandte sich um zum Gehen.
 

Moment, was? Sie kennt mich? Aber woher? „Warten Sie!“ Sie drehte sich überrascht zu mir und wartete darauf, dass ich weitersprach. „Woher kennen Sie meinen Namen?“ Ihre Augen weiteten sich für einen Augenblick überrascht, ehe ein trauriges Lächeln ihre Lippen zierte. „Ich glaube, dieses Gespräch wäre etwas zu lang für eine Unterhaltung vor deiner Haustür.“ Ihre Worte verwirrten mich nur noch mehr. Wer ist diese Frau? „Ich kenne ein nettes, kleines Café in der Innenstadt“ sprach sie schließlich weiter. „Das Magidolce. Wenn du wirklich alles wissen möchtest, können wir uns gern dort treffen. Ich bin bis Freitag in der Stadt.“
 

Sie wartete anscheinend auf eine Antwort, aber ich wusste nicht ganz was ich sagen sollte. Warum konnte sie es mir nicht einfach verraten? Mir kam die ganze Sache ziemlich seltsam vor. Aber vermutlich hatte sie ihre Gründe dafür, auch wenn sie mir schleierhaft waren. Ich wollte unbedingt wissen, woher sie mich und meinen Vater kannte. „Mittwoch?“ schlug ich vor. „So gegen 17 Uhr?“ Sie sah aus irgendeinem Grund erleichtert aus. „Gut, ich werde für Mittwoch 17 Uhr einen Tisch reservieren. Vielen Dank!“ Noch einmal verbeugte sie sich knapp, ehe sie sich endgültig abwandte und in einen Rolls Royes stieg, der am Straßenrand parkte. Ich sah dem Auto noch hinterher und versuchte irgendwie schlau aus der Situation zu werden, aber ich konnte mir auf all das keinen Reim machen. Ich musste wohl oder übel abwarten.
 

Ich ging wieder zurück ins Wohnzimmer und setzte mich seufzend aufs Sofa. Irgendetwas an dieser Frau kam mir bekannt vor, aber ich kam einfach nicht darauf. Kannte ich sie doch? Aber woher? Plötzlich sprang die Katze auf meinen Schoß und rollte sich dort zusammen. „Du bist wirklich verdammt anhänglich“ murmelte ich und wollte sie schon runternehmen, aber sobald ich meine Hände um sie legte, begann sie zu schnurren. Sie fühlte sich anscheinend ziemlich wohl hier. „Na schön, aber nur fünf Minuten.“ Ich schaltete den Fernseher an und strich dabei über ihr Fell. Irgendwann musste ich dabei eingedöst sein.
 

~*~
 

Am Montag unterhielt ich mich mit Jack und Crow über das letzte Qualifikationsspiel, das am Freitag stattfinden sollte, während wir zu den Umkleiden liefen. In der dritten und vierten Stunde hatten wir Sport und ich hatte einfach keine Lust auf Sensei Ushio. Seit ich ihm vor einiger Zeit erklärt hatte, dass seine Trainingsmethoden ziemlich veraltet waren, nutzte er jede Unterrichtsstunde die wir zusammen hatten, um mir irgendwelche Strafarbeiten aufzudrücken.
 

„Lass dich doch von dem nicht so schikanieren!“ meinte Crow plötzlich.

„Er hat recht“ stimmte ihm Jack zu. „Ich an deiner Stelle würde mich bei Crowler beschweren.“

„Damit es noch schlimmer wird?“ fragte ich sarkastisch. „Nein, Danke. Außerdem wird er einsehen, dass ich recht hatte, wenn wir die Qualifikation am Freitag gewinnen.“

„Warum plötzlich so optimistisch?“ fragte Crow grinsend, während er die Tür zu den Umkleiden öffnete.

Ich zuckte mit den Schultern.

„Wie war eigentlich dein Ausflug mit Alexis?“

„Ach, der ist im wahrsten Sinne ins Wasser gefallen. Wir haben dann einfach nen DVD-Abend gemacht. Wir hatten sogar sturmfrei, weil Jaden auswärts geschlafen hat und ihre Eltern weg waren.“
 

Ich schmunzelte, während ich mein Oberteil auszog und in meiner Sporttasche nach dem Trikot suchte. Nicht nur Crow freute sich, dass Jaden an diesem Wochenende auswärts schlief. Ich bin diesem Sturm wirklich dankbar für den schönen Abend. „Alter, was ist denn mit dir passiert?“ Ich drehte mich um und Crow sah mich überrascht an. „Was denn?“ fragte ich verwirrt. Jack deutete auf meinen Oberkörper. „Dein Rücken.“
 

Was will er denn? Ich ging zu dem kleinen Spiegel an der Wand um meinen Rücken zu begutachten. Tatsächlich entdeckte ich rote Striemen darauf und wusste auch sofort woher die kamen. Ich versuchte mir meine Verlegenheit nicht anmerken zu lassen und ging wieder zu meiner Sporttasche. „Wahrscheinlich die Katze“ log ich um mich aus der Affäre zu ziehen. Crow grinste mich schelmisch an. „Ja, klar. Erzähl mir doch nichts, so große Pfoten hat das kleine Ding nicht mal! Also, wer ist die Kleine? Kenn ich sie?“
 

Ich konnte ein leises Seufzen nicht unterdrücken. Ich gebe ja zu, das war nicht meine beste Ausrede. Crow sah mich abwartend an und ich schüttelte den Kopf. „Ein Gentleman genießt und schweigt.“

„Aber-“

Ich hob abwehrend eine Hand und wollte das Thema damit beenden.

„Spielverderber“ gab er schließlich grummelnd nach und ließ mich fürs Erste in Ruhe damit.
 

Natürlich musste ich nach dem Unterricht als einziger alle Hütchen einsammeln und die ganzen Leibchen und Bälle zum Zeugwart zurückbringen. Allerdings halfen mir Jack und Crow netterweise dabei, also brauchte ich dieses Mal nicht so lang. Als wir in der Mittagspause wieder zu den Tribünen liefen, saß Jaden bereits da. „Hey, ihr habt aber lange gebraucht!“ begrüßte er uns mit einem Grinsen im Gesicht.

Ich schmunzelte. „Sensei Ushio.“

„Oh man, was hat der Typ für ein Problem?“

Ich zuckte mit den Schultern und setzte mich neben ihn, während ich mein Bento auspackte.

„Hey Jaden, weißt du mit wem Yusei das Wochenende zusammen war?“

Warum konnte er es nicht gut sein lassen? „Crow…“

Wieder hatte er dieses freche Grinsen aufgelegt. „Na, wenn du es mir nicht sagen willst?“

„Warum fragst du?“ meldete sich Jaden zu Wort und biss von seinem Takoyaki* ab.

„Er hat nen voll zerkratzten Rücken!“

Augenblicklich verschluckte er sich und prustete ein paar Krümel Richtung Crow, der ihm gegenübersaß.

„Bäh! Jaden, das ist ja widerlich!“

„Sorry“ brachte er hustend hervor und lief allmählich hochrot an.
 

„Hallo!“ Wir hörten Akis Stimme aus einiger Entfernung und sahen in ihre Richtung. Sie winkte uns fröhlich zu und Carly lief neben ihr. Ich warf einen ernsten Blick zu Crow, ehe die beiden bei uns ankamen. „Das Thema ist beendet, Crow! Das geht dich einfach nichts an!“ Er hob abwehrend die Hände. „Schon gut, ich lass es ja.“ Hoffentlich hält er sich daran. Ich sah zu Jaden, der immer noch mit hochrotem Kopf neben mir saß. Anscheinend war ihm die ganze Sache wirklich peinlich.
 

~*~
 

Das Training lief an diesem Tag wirklich super. Ich war mir sicher, wenn wir auch nur halb so gut spielen würden wie heute, dass wir gute Chancen gegen das gegnerische Team am Freitag hätten. Auch Jaden war begeistert und lobte unsere Mannschaft in den höchsten Tönen. Er war sich ganz sicher, dass wir gewinnen würden. In der Umkleide betrachtete er peinlich berührt meinen Rücken und sah mich schuldbewusst an. Allerdings hatte er wirklich keinen Grund dazu. Ich schüttelte den Kopf ein wenig und lächelte ihn an. Wenn ich überlege wie mich Sherry früher manchmal zugerichtet hatte, sah das noch vollkommen normal aus.
 

Als wir aus der Sporthalle kamen, trafen wir auf Alexis und Carly. Letztere lief fröhlich auf uns zu und sah Jack abwartend an. „Und? Bist du soweit?“

„Was habt ihr denn vor?“ fragte Jim, der sich uns angeschlossen hatte.

Carly sah ihn freudestrahlend an. „Jack hat versprochen mich heute zum Bogenschießverein zu begleiten!“

„Echt? Trotz der Katastrophe auf dem Stadtfest?“ stichelte Crow und grinste breit.

Jack warf ihm nur einen genervten Blick zu, was Crow allerdings zum Lachen brachte.

Jaden versuchte sich zurückzuhalten, aber auch er sah aus, als hätte er wirklich Mühe sich ein Lachen zu verkneifen.

„Ach, komm schon Crow. Das war doch sein erster Versuch!“ versuchte Alexis die Wogen zu glätten.
 

Wir setzten uns in Bewegung um zum Parkplatz zu gelangen. Jaden und ich liefen am Ende unserer kleinen Gruppe und ich wandte mich an ihn, versuchte aber meine Stimme etwas zu dämpfen. „Bleibt das eigentlich noch bei unserem Treffen heute Abend?“ Sein Gesicht erhellte sich und er nickte eifrig.
 

„Da fällt mir was ein“ sagte Jim plötzlich und drehte sich zu Jaden. „Du bist doch im Unterricht wieder eingepennt und hast von Sensei Flannigan eine Strafarbeit bekommen. Hast du dir eigentlich die Aufgaben schon geben lassen?“ Jaden sah ihn erschrocken an und hibbelte von einem Bein aufs andere. „Ach, verdammt! Das hab ich komplett vergessen! Die reißt mir doch den Kopf ab, wenn ich das nicht bis morgen erledigt habe!“
 

Er sah mich entschuldigend an, aber ich war nicht sauer. „Schon gut“ sagte ich aufmunternd und ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen. Er gab mir einen flüchtigen Kuss und rannte dann Richtung Schulgebäude zurück. Einen Augenblick lang sah ich ihm noch nach und wollte mich dann wieder auf meinem Weg zum Parkplatz begeben. Als ich mich jedoch umdrehte, hielt ich in meiner Bewegung inne. Jack, Crow, Alexis, Carly und Jim starrten mich vollkommen überrascht an. Oder entsetzt? Ich konnte es nicht ganz deuten, und viel weniger konnte ich mir erklären, warum sie mich so anstarrten. Plötzlich fiel der Groschen. Jaden hatte mich vor den anderen geküsst! Keine Ausrede der Welt könnte mich aus dieser Situation rausholen, aber irgendwie war ich erleichtert. Ich hatte keine Lust meinen Freunden immer etwas vorzumachen. Jetzt war es raus, auch wenn Jaden das vermutlich weder heute noch auf diese Weise gewollt hat.
 

Sie sagten noch immer nichts, sondern sahen mich weiterhin völlig entgeistert an. Zumindest bis auf Jack und Jim, die sich ziemlich schnell wieder gefasst hatten. Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. Zum einen, weil ihre Blicke einfach amüsant waren, und zum anderen, weil es jetzt endlich raus war. Jetzt musste ich nur noch Jaden irgendwie beibringen, dass er es unseren Freunden gerade gesagt hatte. „Jetzt ist es wohl raus“ sagte ich belustigt und die anderen lösten sich allmählich aus ihrer Starre.

„Seid ihr etwa…“ setzte Alexis an, stockte dann aber.

„… ein Paar?“ beendete Carly ihren Satz ungläubig.

Ich lächelte glücklich und nickte.

„WAS?“ brach es aus Crow heraus. „Und keiner von euch beiden sagt uns was?!“

„Entschuldige, aber ich wollte warten bis Jaden soweit ist.“

Jim lachte. „Typisch Jaden! Er hat wahrscheinlich gerade nicht mal mitbekommen, dass er sich geoutet hat!“

„Also ehrlich“ sagte Alexis, nachdem sie sich wieder gefasst hatte. „Ich hätte nicht gedacht, dass mein Bruder auf Typen steht.“

„Hast du ein Problem damit?“ fragte ich unsicher. Ich wollte nicht, dass zwischen den beiden jetzt irgendwelche Spannungen herrschten.

Sie hob abwehrend ihre Hände. „Nein, nein! Ach was! Es ist nur… überraschend.“

„Wie lange läuft das eigentlich schon?“ fragte Jack.

Ich überlegte kurz. „Etwas länger als eine Woche.“

„Oh man“ murrte Crow und verschränkte die Arme vor der Brust. „Jaden bekommt beim nächsten Mal eine Kopfnuss von mir! Damit hätte er echt früher rausrücken können!“

„Ich kann ihn verstehen“ meinte Carly und Crow drehte sich fragend zu ihr. „Naja, kannst du es ihm in dieser Situation verübeln? Vielleicht war er einfach unsicher.“

Crow zuckte als Antwort mit den Schultern.
 

Als wir bei den Fahrzeugen ankamen, verabschiedete sich Jim von uns. Alexis gab Crow noch einen flüchtigen Kuss und folgte Jim anschließend. Carly war gerade dabei ihren Helm aufzusetzen, während Crow vor seinem Fahrzeug grübelte. „Was ist denn los?“ fragte ich. Ob er vielleicht doch ein Problem mit meiner Beziehung zu Jaden hat? „Warte mal…“ murmelte Crow und drehte sich zu mir. „Dann waren diese Kratzer…“ Augenblicklich lief er rot an. Ja, wenn man eins und eins zusammenzählt, hätte man vermutlich schon eher darauf kommen können. Ich grinste verschmitzt und beendete seinen Satz. „… von der Katze.“ Höchstwahrscheinlich glaubte er mir kein Wort, aber er nickte schnell und setzte ebenfalls seinen Helm auf. Zumindest dieses Thema war damit beendet.
 

* Die Sicht von Hakase *
 

Ich stand mit den Händen hinter dem Rücken am Fenster meines Zimmers und ließ meinen Blick über die Parkanlage des Krankenhauses schweifen. Einige vereinzelte Sonnenstrahlen hatten sich tagsüber einen Weg durch die schwere Wolkendecke bahnen können und die letzten bunten Blätter an den Bäumen in warmes Licht getaucht. Jetzt aber war die Sonne gänzlich hinter dem Horizont verschwunden und hatte eine graue Tristesse zurückgelassen. Ich seufzte. Du weißt, dass ich diese Jahreszeit noch nie mochte. Aber du und Yusei habt es mir immer erträglich gemacht, mich abgelenkt. Doch jetzt seid ihr beide nicht da. Unser Sohn hat mich bereits ein paar Tage nicht besucht. Versteh mich nicht falsch, das ist kein Vorwurf und ich nehme es ihm nicht übel. Schließlich musste er nur wegen mir plötzlich erwachsen sein und auf eigenen Beinen stehen. Er hat genug zu tun. Und alles nur, weil ich zu feige war. Zu feige um zu leben. Ohne dich.
 

Ich schüttelte den Kopf, um den Gedanken loszuwerden. Ich muss jetzt für ihn da sein, so gut es mir hier drin möglich ist. Du hast gehört, was die Anhörung mit ihm angestellt hat. Er braucht mich. Er brauch seinen Vater. Aber wie kann ich ihm helfen? Wie würdest du ihm helfen? Du warst in solchen Dingen immer feinfühliger als ich es bin. Ich war wirklich verzweifelt, als mir Naomi von seinem Zustand erzählt hatte, aber es rüttelte mich endlich wach. Gab mir den letzten Anstoß, wieder an meinem Leben anzuknüpfen. Ohne dich wird es nicht mehr dasselbe sein. Ich werde dich immer in meinem Herzen tragen, mein Liebling. Werde dich immer lieben. Aber du bist nicht mehr an meiner Seite, kannst es gar nicht sein, und das muss ich endlich akzeptieren. Stattdessen sollte ich mich auf die Menschen konzentrieren, die an meinem Leben noch teilhaben. Allen voran unseren Sohn. Das bin ich ihm schuldig.
 

Ein Klopfen riss mich aus meinen Gedanken und ich neigte den Kopf zur Tür. Wer das wohl ist? „Herein.“ Als die Tür sich öffnete und ich meinen Sohn sah, wich meine trübe Stimmung. Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwie wirkt er anders als bei seinem letzten Besuch. Glücklich. Meinst du nicht auch, mein Liebling? „Schön dich zu sehen, mein Junge“ begrüßte ich ihn lächelnd.
 

„Hey. Entschuldige, ich wollte dich eigentlich schon früher besuchen, aber beim letzten Mal hattest du einen Termin.“

Ach, so war das. Ich setzte ein schiefes Grinsen auf. „Wie ärgerlich, aber ich freue mich, dass du hier bist. Wie geht’s dir?“

„Sehr gut!“

„Ach was, wirklich? So euphorisch habe ich dich ja seit Monaten nicht gesehen. Was ist passiert?“
 

Er zuckte nur mit den Schultern, aber so einfach wollte ich ihn nicht davonkommen lassen. Irgendetwas war passiert, dass er jetzt so zufrieden wirkte. Ich wollte unbedingt, dass er mit mir redet. „Machst du Fortschritte bei der Therapie?“ fragte ich gezielt nach und setzte mich an den kleinen Tisch. Er setzte sich ebenfalls. „Ja, das Meiste ist wieder da. Es fehlen nur noch Bruchstücke. Ich habe keine Ahnung, was zwischen dem Ende der Verhandlung und dem darauffolgenden Nachmittag passiert ist. Ich war am Grab von Mama, aber frag mich nicht, wie ich mitten in der Nacht dort gelandet bin.“
 

Seine Worte versetzten mir einen Stich. Es war fantastisch, dass er sich wieder erinnern konnte, aber ihm hätte in dieser Nacht wer weiß was passieren können, und ich hätte es nicht verhindern können. Ich versuchte mir meine Sorge nicht anmerken zu lassen, und stellte deshalb eine andere Frage. „Du warst also wirklich an ihrem Grab?“ Ich konnte eine gewisse Sehnsucht nicht aus meiner Stimme verbannen. Wie gern würde ich dich ebenfalls besuchen.
 

Er nickte. „Es wird wirklich gut gepflegt. Dort standen sogar frische Blumen. Wir könnten doch zu ihr fahren, wenn du hier wieder raus bist.“ Ein melancholisches Lächeln legte sich auf meine Lippen und mein Blick wanderte unwillkürlich an ihm vorbei, fixierte einen unbestimmten Punkt hinter ihm. Hörst du das, mein Liebling? Wir werden dich endlich bald gemeinsam besuchen. „Ja, das sollten wir.“
 

Ich sah ihn endlich wieder an. Er lächelte. „Wie geht’s dir damit?“ fragte ich weiter nach. Er mied meinen Blick und sah auf seine Hände auf dem Tisch. Er wirkte nervös, so wie er mit ihnen spielte. „Ich weiß nicht“ antwortete er schließlich. „Ganz okay, würde ich sagen. Es fühlt sich irgendwie seltsam an, mich wieder zu erinnern.“

„Dich bedrückt doch noch etwas“ stellte ich fest. Stille legte sich über uns. Es dauerte eine Weile, ehe ich wieder das Wort an ihn richtete, um ihn zum Antworten zu bewegen. „Du kannst mir alles erzählen, Yusei.“

Er warf mir einen flüchtigen Blick zu und stützte sich mit den Ellbogen auf dem Tisch ab. „Meinst du…“ Er seufzte. „Glaubst du, ich bin auch Schuld an dem Unfall?“

„Wie kommst du darauf?“ fragte ich entsetzt. Wo kam dieser Gedanke so plötzlich her?

Er biss sich auf die Unterlippe. „Naja… Der Verteidiger von diesem Typen hat sowas behauptet. Dass ich sie mit meinem Anruf abgelenkt habe… Vielleicht… Vielleicht hat er ja recht. Vielleicht würde sie noch leben, wenn ich nicht ausgerechnet in diesem Moment angerufen hätte. Vielleicht hätte sie dann bemerkt-“
 

„Yusei!“ unterbrach ich ihn. Er sah mich überrascht an. Meine Hände hatten sich zu Fäusten geballt. Wut stieg in mir auf. Wie kann der Kerl es wagen, Yusei so etwas in den Kopf zu setzen?! „Glaubst du das wirklich?“

Noch immer sah er mich überrascht an, doch es lag eine gewisse Trauer in seinem Blick. „Ich weiß nicht, was ich glauben soll.“

„Es war ein Unfall“ sagte ich ernst. „Ein tragischer, keine Frage, aber ein Unfall. Es gibt nichts, was wir hätten dagegen tun können. Und dich trifft keine Schuld, hast du das verstanden? Der Einzige, der Schuld an diesem Unfall hat, ist der Kerl hinter dem Steuer. Nicht du, nicht deine Mutter. Ganz allein er.“

„Hm.“ Sein Blick hatte sich wieder gesenkt. Wie kann ich ihm nur zu verstehen geben, dass er sich keine Vorwürfe machen darf? Miako, was würdest du tun?

„Hast du mal mit jemanden darüber gesprochen?“

Er schüttelte den Kopf. „Aber Herr Yuki hat mir während der Verhandlung etwas ähnliches gesagt.“

„Dann hör bitte auf uns. Mach dir bitte keine Vorwürfe. Du trägst keine Schuld an dem Unfall.“ Ein zerknirschtes Nicken war seine Antwort. Seine Zweifel waren noch nicht fort, das sah ich ihm an. Ich seufzte. „Vielleicht sprichst du mal mit Doktor Arisawa darüber. Möglicherweise kann sie deine Zweifel zerstreuen.“

„Okay.“

„Versprich es mir.“

Wieder nickte er. Es war frustrierend, dass ich ihm nicht helfen konnte. Auch wenn ich erleichtert war, dass er sich mir anvertraute. Ich fühlte mich machtlos. Aber er musste diesen Gedanken verbannen. Ihn traf keine Schuld.
 

„Mal was anderes“ versuchte er sich an einem Themenwechsel.

„Hm?“

Er lachte leise auf. „Naja, ich weiß nicht, wie ich dir das beibringen soll, wenn ich ehrlich bin…“

„Oh je, was ist passiert?“ Sein plötzlicher Stimmungswechsel irritierte mich etwas, aber ich stieg darauf ein.

„Ob du es glaubst oder nicht. Seit ein paar Tagen wohnt eine Katze in unserem Haus.“
 

Wollte er mich veralbern? Aber er schien es wirklich ernst zu meinen und ich konnte ein Lachen nicht unterdrücken. Es war nicht typisch für ihn, einfach ein Haustier mit nach Hause zu bringen. Schon gar keine Katze. „Warte… Du und eine Katze? Seit unser Kater dich als Kind gebissen hat, wolltest du doch nichts mehr mit Katzen zu tun haben.“
 

Er sah mich etwas beleidigt an, konnte eine gewisse Belustigung aber nicht verstecken. „Das Vieh war einfach nur diabolisch. Ich habe die Narbe heute noch, dabei wollte ich ihm damals nur den Napf auffüllen.“

„Schon gut, ich weiß was du meinst. Gyoku mochte mich auch nicht besonders.“

„Das ist die Untertreibung des Jahres. Das Vieh mochte nur Mama, sonst niemanden.“

Wieder musste ich lachen. Er hat Recht, mein Liebling. Es tut mir leid, aber Gyoku war mehr als nur eigensinnig und außer dir konnte er wirklich niemanden leiden.
 

„Wie kommt es dann, dass plötzlich eine Katze in unserem Haus lebt?“

Er schmunzelte. „Ich wurde überredet“ war seine knappe Antwort.

„Ich brauch schon etwas mehr Informationen“ lachte ich.

„Ich war mit meinen Freunden auf dem Stadtfest, da habe ich sie gefunden. Und weil sich keiner um sie kümmern konnte, hat mich Jaden irgendwie dazu überredet, sie vorübergehend mit zu mir zu nehmen.“

„Naomis Sohn?“

Sein Lächeln wurde breiter und er nickte. Ich konnte nichts mehr von der Trauer und den Zweifeln erkennen, die sich vor wenigen Momenten noch in seinem Gesicht spiegelten. Er sah wieder so glücklich aus, wie in dem Augenblick als er den Raum betrat. Lag das etwa an diesem Jungen? Mir kam unser Gespräch von vor einigen Wochen wieder in den Sinn. War er damals nicht auch schon verliebt? Er hatte es nicht zugegeben, aber die Anzeichen erkannte ich sofort an ihm. Und meine Vermutung war damals schon, dass es ein Junge war.
 

„Verstehe, und wie hat er dich rumgekriegt?“ fragte ich bewusst doppeldeutig.

Ein leichter Rotschimmer legte sich auf seine Wangen. Abgesehen davon, versuchte er sich allerdings nichts anmerken zu lassen. „Keine Ahnung… Vielleicht hatte ich auch nur Mitleid mit der Katze.“ Also hatte ich doch recht. Irgendetwas war mit diesem Jungen.
 

„Hör auf so zu grinsen“ sagte Yusei plötzlich. Ich hatte nicht gemerkt, dass ich ein breites Grinsen aufgelegt hatte.

„Willst du mir vielleicht noch etwas über Jaden sagen?“

Er schüttelte belustigt den Kopf. „Ja, schon gut. Du hattest recht. Bist du jetzt zufrieden?“

Und wie ich das war. Ich freute mich so für ihn. War glücklich, dass er endlich seine Isolation verlassen hatte. Dass er andere wieder an sich heranließ. Ach Miako, vielleicht wird doch wieder alles gut. Sieh nur, wie glücklich unser Sohn ist. Er hat sich verliebt. Wenn du das nur sehen könntest, mein Liebling.
 

„Warum weinst du?“ riss mich seine Stimme wieder aus meinen Gedanken. Ich spürte eine einzelne Träne meine Wange hinablaufen, aber ich schüttelte nur lächelnd den Kopf. „Schön, dass es dir gut geht.“

Im ersten Moment wirkte er überrascht, doch dann nickte er grinsend. „Aber sag Naomi nichts davon“ fügte er hinzu. „Jaden sollte es ihr selbst sagen.“

„Natürlich“ versicherte ich ihm.
 

„Da fällt mir noch was ein“ sagte er nach kurzem Überlegen. „Gestern hat eine Frau bei uns geklingelt und wollte zu dir.“

„Welche Frau denn?“

Er zuckte mit den Schultern. „Sie hat mir ihren Namen nicht verraten. Sie war um die 60, etwas kleiner als ich mit braun-grauen Haaren und ziemlich schmal.“

Diese Beschreibung traf auf niemanden zu, den ich kannte. „Und du bist dir ganz sicher, dass sie zu mir wollte?“

„Ja, sie hat mich gefragt ob mein Vater da ist. Als ich ihr gesagt habe, du seist noch eine Weile weg, meinte sie ‚Entschuldige, dass ich dich belästigt habe, Yusei‘.“

„Sie kannte deinen Namen?“ fragte ich misstrauisch. Langsam wurde mir die Sache zu dubios.

Er nickte. „Ja, und als ich gefragt habe woher, sagte sie nur, das Gespräch wäre zu lang und wir könnten uns treffen.“

„Du hast hoffentlich abgelehnt.“

„Warum?“

Ich seufzte. Manchmal war er einfach noch zu naiv. „Du kannst nicht immer nur das Gute in Menschen sehen. Was, wenn sie etwas vorhat? Du kannst dich doch nicht mit fremden, dubiosen Leuten treffen.“

Er lachte auf. „Sie ist eine kleine, ältere Dame, mit der ich mich in einem öffentlichen Café treffe, um herauszufinden woher sie mich kennt. Was glaubst du, soll groß passieren?“

Das hat er eindeutig von dir, Miako. Ich schüttelte den Kopf. Ausreden konnte ich es ihm wohl nicht. „Pass bitte trotzdem auf dich auf, mein Junge.“
 

Ein Klopfen an der Tür ließ uns beide aufsehen. Kurz darauf kam einer der Krankenpfleger ins Zimmer. „Tut mir wirklich leid, aber die Besuchszeit ist schon seit zehn Minuten um. Ich muss Sie bitten, sich zu verabschieden.“ Ich nickte und er verließ den Raum.
 

Wir standen auf und ich zog Yusei in eine Umarmung. Ich kann mich nicht erinnern, wann wir uns das letzte Mal so ungezwungen unterhalten konnten. Es machte mich wahnsinnig glücklich. Gab mir einen kleinen Teil Normalität zurück. „Pass bitte auf dich auf, mein Junge. Versprichst du mir das?“ Er lachte leise. „Ja, schon gut, ich verspreche es.“ Damit löste er sich von mir und verabschiedete sich.
 

Die Sache mit dieser Frau wollte mir an diesem Abend nicht mehr aus dem Kopf gehen. Wer könnte das nur sein? Hast du eine Idee?


Nachwort zu diesem Kapitel:
*Takoyaki = Oktopusbällchen Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Alexiel91
2021-04-07T13:48:31+00:00 07.04.2021 15:48
Hey hier bin ich wieder :-D
wieder ein ganz wundervolles Kapitel, ich freue mich das die Anderen es jetzt auch wissen, war wirklich lustig :-D
und ich bin echt neugierig was die Dame von dem lieben Yusei möchte :-D
bitte ganz schnell weiterschreiben
LG Alexie
Antwort von:  stardustrose
07.04.2021 21:47
leider dauert das nächste Kapitel ein paar Tage. Ich hab wahnsinnig viel zu tun ^^'


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