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Frost in allen Herzen

von

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Frühling

Als Sakura die Augen aufschlug, wusste sie nicht, wo sie war. Das beunruhigte sie im ersten Augenblick nicht wirklich, denn sie wusste nicht einmal wirklich, wer sie war. Ihre Erinnerungen waren in Form von Federn verstreut worden und sie befand sich auf der Reise durch fremde Welten, um sie wieder zu erlangen. Dabei war sie aber zum Glück nicht alleine. Shaolan, Kurogane, Fye und natürlich Mokona waren an ihrer Seite, um einerseits ihr zu helfen und andererseits ihre eigene Ziele auf der Reise zu erreichen.

Sakura blickte sich um. Sie war scheinbar wieder eingeschlafen, bevor Mokona sie in die nächste Welt gebracht hatte, denn nichts an diesem Ort kam ihr bekannt vor. Es störte sie so hilflos zu sein und immer von der Müdigkeit eingeholt zu werden. Sie wollte keine Last sein, sondern aktiv dabei helfen ihre Erinnerungen wieder zu finden. Es waren schließlich ihre Erinnerungen. Sonst würde Shaolan sich nur wieder für sie in Gefahr bringen und das wollte sie auf gar keinen Fall.

Sie setzte sich in dem Bett auf und musterte die Umgebung. Der Tag war gerade angebrochen, denn die ersten Sonnenstrahlen suchten sich sorgsam, fast schüchtern den Weg durchs Fenster in das Zimmer. Das Zimmer war klein, aber gemütlich eingerichtet. Es war kaum Platz für das schmale Bett, dem Tisch und dem Stuhl, aber die Wände waren mit getrockneten Blumen geschmückt und unterschiedliche Kräuter lagen auf der Fensterbank zum Trocknen. Es roch herrlich. Sakura war versucht die Augen noch einmal zu schließen und sich ganz in den Duft zu verlieren, doch nein, sie konnte nicht schon wieder nutzlos im Bett liegen.

Entschlossen sprang sie auf, um herauszufinden, wo ihre Gefährten waren, und, wie sie ihnen helfen konnte. Faulenzen konnte sie, wenn sie alle Feder eingesammelt hatte und sie wieder zurück in Clow Country war. Jetzt hieß es hellwach sein.

Im Haus, in dem sie sich befand, war es merkwürdig still. Normalerweise konnte man zumindest Kuroganes laute Stimme vernehmen, der sich wieder über irgendwas beschwerte oder mit Mokona diskutierte. Auch Fyes seltsames Pfeifen war nicht zu hören. Und vor allem hörte sie auch nicht Shaolans sanfte Stimme, die ihr immer ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit gab. Ihr Herz zog sich zusammen, als sie durch alle Räume schritt und sie sorgsam inspizierte auf der Suche nach einen Hinweis zum Verbleib ihrer Gefährten. Doch sie fand nichts und niemanden.

Sie war ganz alleine in diesem Haus und dieser fremden Welt.

Ein wenig entmutigt ließ Sakura sich auf einen Stuhl in der kleinen Küche fallen. Ohne ihre Gefährten fühlt sie sich nicht nur einsam, sondern auch leer. Sie hatte zwar inzwischen wieder genug Erinnerungen, um mehr als nur eine willenlose Hülle zu sein, doch sie war noch lange nicht wieder ganz sie selbst. Das störte sie normalerweise nicht, denn schließlich waren da immer die anderen und ihre Abenteuer, die sie auf Trab hielten und ihr gar keine Zeit ließen, der Leere in ihr selbst nachzuspüren. Doch jetzt war es, als hätte jemand den Ton abgedreht und in der Stille merkte sie, wie leer es doch noch in ihrem Kopf war, trotz alter und neuer Erinnerungen. Immer noch war sie kaum mehr als ein Name und ein Körper.

Bevor sie weiter grübeln konnte, erhob sie sich blitzartig wieder. Nie im Leben hätten die anderen sie einfach zurückgelassen. Sie kannte sie noch nicht lange, aber sie war sich sicher, dass sie die anderen sie nicht einfach ohne Nachricht zurückgelassen hätten. Vielleicht war etwas passiert, als sie auf Erkundungstour in dieser Welt gewesen waren. Untätig konnte sie nicht hier sitzen bleiben.

Sie ging zurück in das Zimmer, in dem sie aufgewacht war, griff nach ihrem Mantel, der über dem Stuhl lag, wanderte noch einmal durch alle Zimmer, um sich zu vergewissern, dass sie nichts übersehen hatte und trat vor das Haus. Die Sonne war wie sie selbst vollständig aus dem Schlaf erwacht und enthüllte ihr ein kleines Städtchen. Ein warmer Wind wehte durch die Gassen, die allesamt menschenleer war. Jetzt stieg echte Sorge in ihr auf. Es war früher Morgen, doch niemand trat aus seinem Haus, um zur Arbeit oder zum Markt zu gehen, keine spielende Kinder, die einem Ball hinterherjagten oder das Gebell eines Hundes. Es war totenstill und alles, was sie hören konnte, waren ihre eigene Schritte auf dem Pflasterstein und ihr Atem, der so laut in ihren Ohren rang, dass sie am liebsten die Luft angehalten hätte.

„Hallo?!“, rief Sakura aus vollem Hals, als niemand auf ihr Klopfen an der Tür reagierte. Sie versuchte es an verschiedenen Häusern, doch alle Häuser schwiegen und niemand öffnete ihr die Tür, um sich über das fremde Mädchen zu wundern, dass wild klopfte und sich die Kehle heiser brüllte.

Wo waren nur alle Leuten? Wo waren Shaolan und die anderen? Was war hier passiert?

All diese Fragen schossen ihr durch den Kopf, doch niemand war da, dem sie eine von diesen Fragen hätte stellen können. Sakura wanderte ziellos durch die Straßen und klopfte weiter an Türen, doch als die Sonne im Zenit stand, gab sie es endgültig auf.
 

Niedergeschlagen und frustriert ging Sakura zurück zu dem Haus, in dem sie aufgewacht war, in der Hoffnung, dass die anderen wieder zurück waren und sie sich ganz umsonst Sorgen gemacht hatte, doch auch dieses Haus begrüßte sie nur mit der allgegenwärtigen Stille, die über der Stadt ohne Einwohner lag.

Planlos und hungrig begann sie das Haus zu durchsuchen und fand zu ihrer Überraschung in den Schränken in der Küche frisches Brot und Käse. Das war merkwürdig, wo die ganze Stadt doch verlassen da lag. Das machte ihr wieder Hoffnung, dass was immer in dieser Welt passiert war, noch nicht lange zurücklag. Irgendwohin mussten die Menschen dieser Stadt verschwunden sein und wenn das Brot noch keinen Tag alt war, konnte sie noch nicht weit entfernt sein. Also beeilte sie sich, aß schnell etwas, packte den Rest in einem Tuch zusammen und beschloss ihr Glück außerhalb der Stadt zu versuchen.

Vom Fenster aus hatte sie einen Fluss gesehen, der sich durch das Tal hindurch schlängelte und in der Ferne ein Gebirge. Ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass flussaufwärts am Rand der Berge ihr Ziel lag und ihr Verstand war sich sicher, dass die Wahrscheinlichkeit Menschen zu treffen, an einer Wasserquelle am größten war. Da sie beidem vertraute, verließ sie die Stadt und folgte dem Fluss entgegen der Strömung.

Abseits der Stadt ließ sich immer noch kein Lebewesen vernehmen. Keine Insekten, die um die Blumen herumschwirrten, keine Vögel, die fröhlich zwitscherten, keine Mäuse, die durchs Gras huschten. Dabei standen die Blumen und Bäume in voller Blüte und sollten eigentlich reich besucht sein.

Was für eine merkwürdige Welt. Wie konnte hier auf der einen Seite so viel Leben in den Pflanzen stecken und auf der anderen Seite eine Totenstille auf allem liegen? Selbst das Gluckern des Flusses klang merkwürdig fern. Sie rieb sich die Ohren, um sicher zu gehen, dass sie nicht verstopft waren, doch mit ihnen war alles in Ordnung. Irgendwas stimmte mit dieser Welt nicht.

Plötzlich hörte sie etwas und sie zuckte vor Schreck zusammen. Etwas rief am Fluss um Hilfe. Sakura eilte zum Ufer und fand dort ein kleines Boot vor, das kopfüber im Wasser trieb. Jemand schien darunter festzuhängen und trat wild im Wasser, um nicht zu ertrinken. So ganz alleine hatte sie nicht genug Kraft das Boot ganz anzuheben, doch sie sprang ins Wasser und wuchtete das Boot so hoch sie konnte, um demjenigen zu helfen unter dem Boot hervorzukommen.

Erst sah sie niemanden, als sie das Boot einige Zentimeter anhob und sie fragte sich schon, ob ihre Sinne ihr einen Streich gespielt hatten, als ein weißes Knäuel ihr an die Brust sprang. Überrascht rutschte sie auf dem schlammigen Untergrund aus und fiel ins Wasser. Prustend kam sie wieder hoch und ….

„Sakura!“, brüllte Mokona ihr ins Ohr, bevor das weiße Knäuel sich schluchzend an ihre Brust warf. „Ich hatte solche Angst!“

In ihr breitete sich eine Welle der Erleichterung aus. Sie war nicht alleine in dieser Welt. Wenn Mokona hier war, konnten die anderen nicht weit weg sein. Sie hatte es gewusst. Niemals hätte Shaolan sie zurückgelassen. Es musste etwas passiert sein.

Mokona brauchte einen Augenblick, um sich wieder zu erholen und Sakura kletterte aus dem Fluss heraus. Jetzt war sie klitschnass. Zum Glück war es ein schöner Frühlingstag und so setzte sie sich auf die Wiese. Ungeduldig bestürmte sie Mokona mit Fragen: „Wo ist Shaolan? Wo sind wir hier, Mokona? Was ist passiert? Warum warst du unter dem Boot? Wo sind alle Menschen hin?“

„Also...“, begann Mokona in einer dramatischen Stimme, eine seiner 108 Geheimtechniken, „ … wir sind in der Stadt angekommen und Mokona war schon ganz aufgeregt, aber dann ...bäm … ist die Stadt leer und keiner interessiert sich für Mokona. Dabei ist Mokona ein Star! Schwärzli wollte gleich die Feder suchen gehen und hat ganz viel rum gebrüllt. Bestimmt hatte er Angst, weil es so still war.“ Mokona kicherte.

„Shaolan hat dich in eins der leeren Häuser gebracht. Mokona hat eine Feder gespürt, aber sie war ganz weit weg. Fye wollte die Lage auskundschaften, aber er kam nicht wieder. Da waren Schwärzli und Shaolan ganz beunruhigt und wollten ihn suchen. Mokona hat sich bei Kurogane im Mantel versteckt und hat deswegen nichts gesehen, aber plötzlich waren wir auf dem Fluss. Da hat Mokona aus dem Mantel geguckt und Shaolan hat plötzlich so finster aus der Wäsche geguckt. Da ist Mokona ganz Angst und bange geworden.“

Sakura konnte sich Shaolan gar nicht mit einem finsteren Gesichtsausdruck vorstellen. Er war immer so lieb und freundlich. Warum hatte er so finster drein geblickt? Weil Fye verschwunden war?

„Und dann haben die zwei angefangen zu streiten. Sie haben ganz furchtbare Dinge gesagt und waren sehr gemein zueinander. Das Boot schwankte, hin und her, und whops, war es umgekippt und Mokona saß unter dem Boot fest. Mokona hatte solche Angst, bis Sakura kam.“

„Hast du gehört, was dann passiert? Weißt du, wo Shaolan und Kurogane hingegangen sind?“, fragte Sakura wissbegierig, denn diese ganze Geschichte klang äußerst merkwürdig. Doch Mokona schüttelte nur traurig den Kopf. Sakura hatte noch nie erlebt, wie die beiden gestritten hätten. Shaolan gab immer nach und versteckte alles hinter einem freundlichen Lächeln. Kurogane war laut und ungeduldig, aber niemals fies und gemein. Was war nur mit dieser Welt los? Lag es an ihrer Feder oder war diese Welt schon immer so gewesen?

Sie war jetzt wieder trocken genug, um weiter zu ziehen und immer noch lockten die Berge in der Ferne. Es war an der Zeit herauszufinden, was ihre Feder für einen Zauber in dieser Welt gewirkt hatte.
 

Sakura und Mokona folgte weiter dem Fluss entgegen der Strömung. Mit Mokona fühlte sich die Welt wieder ein Stück normaler an, denn jetzt quasselte das weiße Fellknäuel wieder unterbrochen und lenkte Sakura von der Leere und der Stille in ihr selbst und dieser Welt ab.

Die Berge schienen viel weiter entfernt zu liegen, als sie den ersten Anschein gemacht hatten, denn sie wanderten den ganzen Tag mit nur ein kleiner Rast und kamen ihnen kein Stück näher. Sakura war frustriert. Sie spürte wie ihr die Müdigkeit wieder in die Glieder kroch und sie verlockte sich nur kurz auszuruhen zu wollen. Sie wehrte sich verbissen und zwickte sich immer wieder, damit der Schmerz sie wachhielt. Ihre Gefährten brauchten sie. Irgendetwas war mit ihnen passiert und es hatte möglicherweise mit ihrer Feder zu tun, die im Norden in den Bergen lag.

„Mokona ist müde“, jammerte Mokona, als der Abend hereinbrach.

„Noch ein Stückchen“, erwiderte Sakura, die noch nicht aufgeben wollte, da sie fürchte, wenn sie erst einschlief, Stunden lang zu schlafen.

Auf einmal kam hinter der nächsten Flussbiegung ein kleines Haus mit Garten in Sicht. Mokona wurde hibbelig und auch Sakuras Herz klopfte aufgeregt in ihrer Brust auf und ab. Vielleicht lebten hier Menschen, die ihr helfen konnten. Und wenn nicht, hatten sie zumindest einen sicheren Unterschlupf für die Nacht.

Als sie näherkamen, sah Sakura Lichter in den Fenstern des Hauses. Es war bewohnt! Hoffentlich waren die Menschen dort ihr freundlich gesinnt und hatten Antworten auf ihre Fragen.

Zaghaft betrat sie den Garten durch die Pforte und bewunderte die Vielfalt der Blumen, die selbst in der Abenddämmerung oder gerade durch das schwache Licht in allen ihren Farben schimmerten. So einen Garten hatte Sakura noch nie gesehen. In Clow Country gab es diese Pracht an Blumen nicht, denn schließlich lag die Stadt mitten in der Wüste und Pflanzen waren dort eher hartgesotten als wunderschön.

Die Rosen waren besonders prachtvoll. So viele verschiedene Farben. Da waren rote, gelbe, pinke, weiße, orange und violette Rosen. Sie rochen intensiv, aber nicht zu aufdringlich und Sakura wollte sich unter die Rosenbüsche ins Gras legen und den wunderbaren Duft genießen. Er erinnerte sie an die getrockneten Kräuter, in dem Zimmer, in dem sie aufgewacht war und ihr fiel wieder die stille Stadt ein. Das riss sie aus ihrem Tagtraum wieder heraus. Sie war nicht hier, um beim Rosenduft zu verweilen.

Sakura klopfte an der Tür und war erleichtert, als sie Schritte hörte. Die Stadt mit ihrem Schweigen hatte ihr Angst gemacht, dass von nun an jedes Haus leer und ohne Einwohner sein würde.

Eine Frau mit dunklen Haaren und einem netten Lächeln öffnete die Tür.

„Hallo, wer bist denn du? Was macht ein kleines Mädchen wie du denn ganz alleine in dieser Gegend?“, fragte sie Sakura.

„Sakura ist nicht alleine“, tönte Mokona von ihrer Schulter. „Mokona ist doch auch da.“

Die Frau machte ein überraschtes Gesicht, als sie Mokona erblickte, doch schnell fasste sie sich wieder und lächelte wieder gütig. „Was für ein entzückendes kleines Wesen du da bei dir trägst“, stellte sie fest und Mokona plusterte sich ein wenig auf. Scheinbar hat sein Ego gelitten, als er ohne Begrüßung und Beachtung in dieser Welt angekommen war. Mokona liebte nun mal nichts mehr als Aufmerksamkeit.

„Kommt lieber schnell herein“, bat sie die zwei in ihr Haus.

„Ihr heißt also Sakura und Mokona? Mein Name ist Chitose Hibiya ,“ stellte ihre Gastgeberin sich vor, als sie sich im Wohnzimmer hingesetzt hatten. „Dann erzählt doch einmal, was euch in meine Gegend verschlagen hat.“

Sakura fand, dass Chitose ein freundliches Wesen hatte und entschied ihr vertrauen zu können. Viel hatte sie nicht zu berichten, doch sie erzählte von der stillen Stadt und der Suche nach ihren Gefährten. Sie fragte Chitose, ob sie Shaolan, Kurogane oder Fye gesehen hatte, doch sie legte nur eine Hand an die Wange und schüttelte den Kopf.

„Nein, leider kam niemand hier vorüber. Ich habe schon lange niemanden mehr gesehen.“

„Bist du dann nicht ganz einsam?“, fragte Mokona. „Yuko trinkt, wenn sie alleine ist, immer ganz viel Sake und schaut ihre Lieblingsshows im Fernsehen.“

Chitose setzte einen fragenden Blick bei der Erwähnung der Dimensionshexe und Fernsehen auf, doch Sakura bemerkte das gar nicht. Enttäuschung durchströmte sie. Zwar hatte sie endlich einen anderen Menschen getroffen, doch sie hatte immer noch keine Antworten und war immer noch so ratlos wie zuvor.

„Ich bin nicht einsam“, erklärte Chitose. „Genauso wie du Mokona Sakura begleitest, hab ich auch eine kleine Begleiterin. Komm ich zeige sie euch.“

Sie gingen vom Wohnzimmer in ein benachbartes Zimmer. Während das Zimmer ordentlich aufgeräumt und gemütlich war, war dieses Zimmer bis auf den letzten Zentimeter vollgestopft mit Stoffen, Wolle, Knöpfen und allem anderen Nähbedarf, den man sich vorstellen konnte. Und überall dazwischen saßen menschenähnliche Puppe. Mal kleine, mal fast lebensgroße. Sakura war ein wenig unheimlich zumute, doch wie Chitose hatten auch die Puppen alle ein freundliches Lächeln und wenn Chitose wirklich ganz alleine hier wohnte, ohne Kontakt zu anderen Menschen, war es gar nicht mehr so wunderlich, sich Gefährten zu nähen.

„Kommt dichter“, bat Chitose. Auf einem voll gestellten Tisch in der Mitte des Raumes saß eine kleine Puppe, die sie mit ihrem Outfit an einen kleinen Dschinn erinnerte. Ihre pinke Haare passte zu ihrem rosa Kleid und der orientalische Look erinnerte Sakura an Clow Country.

„Das ist Sumomo.“ Chitose beugte sich vor und hauchte auf die kleine Puppe, die mit einem Mal zum Leben erwachte und plötzlich aufsprang.

„Meisterin, was kann ich für dich tun?“, rief sie aus und erinnerte Sakura mit ihrer quirligen Stimme an Mokona. Mokona war vollkommen hin und weg und stürzte sich gleich neugierig auf die Puppe. Die zwei hüpften aufgeregt umeinander herum.

„Wie hast du das gemacht?“, fragte Sakura neugierig. Magie war ihr nicht unbekannt, aber sie hatte noch nie erlebt, wie ein Atemhauch unbelebte Gegenstände zum Leben erweckte. Sumomo wirkte fast wie ein echter kleiner Mensch. Sie drehte nur Pirouetten und tanzte über den Tisch.

„Mehr als ihnen kurz Leben einhauchen, kann ich leider nicht“, gab Chitose zu. „Bei den größeren Puppen reicht meine Magie nicht annähernd aus, aber es ist schön hin und wieder ein wenig Gesellschaft zu haben.“

Sakura nickte. Gerade nach ihrem einsamen Morgen war sie für Gesellschaft soviel dankbarer als zuvor. Einsamkeit und Stille waren definitiv nicht ihre Lieblingszustände.

„Bleibt doch über die Nacht. Ein echter Mensch als Gast ist eine schöne Abwechslung. Bleibt doch solange ihr wollt.“

Sakura nahm dankend an, denn inzwischen ließ sich die Müdigkeit nicht mehr zurückdrängen. Auch Mokona war nach dem Herumtoben mit Sumomo erschöpft, sodass sie beide schon fast eingeschlafen waren, bevor sie ganz im Bett lagen. Der Rosenduft drang sogar bis in ihr Zimmer und das letzte, woran Sakura dachte, bevor sie ganz in den Schlaf versank war, wie gern sie doch für immer in diesem kleinen Häuschen mit seinem Garten bleiben würde.
 

Am nächsten Morgen erwachte Sakura ausgeruht und mit einem zufriedenen Gefühl im Bauch. Wie wunderbar alles doch hier war. Nach dem Frühstück wanderte sie im Garten herum und betrachtete all die verschiedenen Blüten und Blumen, die hier wuchsen. All erzählten ihre eigenen Geschichten und jede hat etwas Besonderes an sich.

Mokona hüpfte mit Sumomo durch das Gras und Chitose trug einen Hut, der mit Blumen geschmückt war, um sich vor der Sonne zu schützen, während sie das Unkraut jätete. Sakura machte sich daran Chitose zu helfen. Der Duft der Rosen und die warmen Sonnenstrahlen machten sie schnell wieder müde und zum Nachmittag ruhte sie sich im Schatten eines Baumes aus. Mokona rollte sich auf ihrem Schoß ein und schlief friedlich. Noch nie hatte Sakura sich so zufrieden und glücklich gefühlt.

So verging ein Tag nach dem anderen und Sakura war sich gar nicht bewusst, dass sie auf der Suche nach etwas gewesen war. Der Rosenduft hatte ihre Sinne betäubt und hüllte sie in eine Wolke des Glückes. Chitose hatte in ihrer Einsamkeit, ohne bösen Willen, ihre Magie genutzt, um Sakura vergessen zu machen, denn auch wenn ihre Puppen sie glücklich machten, so konnte doch keine von ihnen sie vergessen machen, dass sie sich nichts mehr als eine Tochter auf der Welt gewünscht hatte, ihr aber dieser Wunsch immer verwehrt geblieben war. Sakura schien die Antwort auf ihre Gebete zu sein und so webten sie ihren Zauber, um sie bei sich behalten zu können.

Sakura ahnte von alldem nichts und genoss es im Garten zu sitzen, mit Mokona und Sumomo zu spielen und Chitose beim Gärtnern oder Nähen zu helfen. Sie fühlte sich rundum zufrieden, doch irgendetwas schien zu fehlen. Sie wusste nicht, was es war, aber ganz und gar vollständig glücklich war sie nicht.

Doch als der Frühling langsam dem Sommer wich und die Blüten den Blättern und Früchten wich, betrachtete sie einen Apfelbaum und sah wie kleine Äpfel an seinen Zweigen heranwuchsen. Die Äpfel lösten etwas in ihr aus, aber sie konnte es nicht genau benennen. Erinnerungsfetzen traten ihr vor die Augen. Eine Häuserflucht in einer Stadt in mitten der Wüste. Lächelnde Menschen, die ihr einen Korb mit Äpfel reichten. Sie spürte eine Wogen von Glück, weil sie Äpfel mochte, aber nicht nur sie mochte Äpfel. Wer war es denn noch der Äpfel mochte? Wem wollte sie gerne Äpfel schenken?

Sakura grübelte den ganzen Tag und blieb immer wieder im Schatten des Apfelbaumes stehen, bis ihr auf einmal ein Gesicht in den Sinn kam. Ein warmes Lächeln. Jemand, der sie immer beschützte und immer an ihrer Seite war, wenn sie die Augen aufschlug. Bis auf einmal, wo er nicht da gewesen war.

Shaolan.

Wie hatte sie ihn nur vergessen können? Erschrocken sah sich Sakura um. Was trieb sie nur hier? Wie viel Zeit war bloß vergangen? Es war ja schon Sommer geworden.

„Mokona! Wir müssen Shaolan suchen! Er ist mit Kurogane doch verschwunden, um nach Fye zu suchen!“

Mokona riss überrascht die Augen auf. „Oh nein! Mokona hat es vergessen. Dabei hat Mokona ein Supergedächtnis! Eine meiner 108 Geheimtechniken!“

Sakura drehte sich zu Chitose um, die traurig lächelte. „Du willst mich also verlassen? Willst du nicht doch einfach weiter hier bleiben? Wir haben es hier doch gut.“

Sakura griff nach Chitoses Hand. Sie war ihr nicht böse, denn sie wusste, dass Chitose sie nicht aus Gemeinheit hier festgehalten hatte. „Komm doch mit uns. Du musst nicht alleine hier bleiben. Sumomo können wir doch auch mitnehmen.“

Doch Chitose schüttelte den Kopf. „Nein, mach dich nur auf den Weg. Ich hätte dich hier nicht festhalten dürfen. Du bist nicht die meine und dein Herz gehört schon jemand anderen.“

Sakura errötete und sie versteckte ihr Gesicht zwischen ihren Händen. Sie sehnte sich nach Shaolan. Mehr als nach Kurogane und Fye. Sein Gesicht war ihr als erstes wieder eingefallen. Wild schüttelte sie den Kopf. Sie hatte jetzt keine Zeit an die Schmetterlinge in ihrem Bauch zu denken, denn sie hatte genug herumgetrödelt.

„Komm Mokona“, rief sie und verabschiedete sich noch einmal von Chitose, die Sumomo in ihrem Arm hielt. Dann trat sie durch die Pforte aus den Garten, ließ den verführerischen Rosenduft hinter sich und trat hinein in den Sommer.



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