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Boston Boys - Fragmente

Kurzgeschichten zur Boston Boys Reihe
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
CN: Homofeindlichkeit (inkl. Slurs)
Sexworkfeindliche Slurs

Spoiler: Amigo del Alma (stark) Komplett anzeigen

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Eloy – November 2013 I

Ich hatte gerade die Nachricht an Mat geschrieben, dass ich spontan mit meinen Kollegen in die Sportsbar fuhr, da kamen sie bereits an meinem Auto an und stiegen ein.

»Danke fürs Fahren«, bedankte sich Stevenson, der sich nach vorne gesetzt hatte.

Ich zuckte nur mit den Schultern. Ich fuhr doch sowieso immer, wenn ich mitkam – was in den letzten Monaten deutlich seltener geworden war, weil ich mich um Mat kümmerte. Doch dieser war sicher froh, mal etwas Ruhe vor mir zu haben.

»Hey, Meléndez! Ich wusste ja gar nicht, dass du einen Lederfetisch hast«, rief Chang mit anzüglicher Stimme von der Rückbank.

Aus den Augenwinkeln sah ich, dass er etwas hochhielt, und drehte mich neugierig um. Ich konnte mir nicht vorstellen, was er meinte.

In der Hand hielt er etwas Ledernes an dem viele kleine, bunte Anstecker hingen.

Mats Weste! Wann hatte er die im Auto vergessen? Er trug schon seit dem Herbst wieder seine Jacke.

Ich lachte gezwungen über Changs Witz und nahm sie ihm ab. »Die gehört meinem Freund.«

Stevenson zog skeptisch eine Augenbraue hoch, während ich die Weste im Staufach unter dem mittleren Vordersitz unterbrachte. Ich durfte sie später nicht vergessen, Mat würde sich sicher freuen, wenn ich sie ihm hochbrachte.

»Dir hätte ich ja am wenigsten zugetraut, Freunde in der Rockerszene zu haben«, kommentierte Murphy lachend von hinten.

Wieder zuckte ich nur mit den Schultern und startete den Wagen. Was sollte ich sagen? Ohne Mat hätte ich die sicher auch nicht gehabt. Gut, Mat war der einzige Punk, mit dem ich ›befreundet‹ war. Mit seinem Bruder verstand ich mich gezwungenermaßen.

»Heißt das, du hast neben uns noch andere Freunde? Wie kannst du uns das antun?« Theatralisch schniefte Chang.

»Ganz einfach: Sie sind nicht so nervig wie ihr.«

»Wie gemein!« Chang schlug von hinten gegen meinen Sitz.

»Hey! Lass mein Auto heil!« Ich wollte mich zu ihm umdrehen, doch Stevenson machte mir mit einer Geste klar, dass ich die Augen auf der Straße behalten sollte. Recht hatte er.

»Aber du hast hier Freunde. Das heißt, du hast dich endlich in unserer schönen Stadt eingelebt«, freute sich Murphy für mich.

»Na ja, schön ... El Paso ist immer noch schöner.«

»Als ob! Da gibt es doch nichts außer Sand und Steine. Warst du schonmal hier am Strand?«

Wenig ernst diskutierte ich mit den Dreien die Vorzüge von El Paso und Boston, während ich zur Sportsbar fuhr.
 

Ich hatte gerade den Wagen in der Nähe der Bar geparkt, als Stevenson sich nach hinten umdrehte und verkündete: »Geht schon mal vor, wir kommen gleich nach.«

»Okay«, antwortete Chang und stieg aus.

Murphy dagegen sah mich fragend an, doch als ich kurz nickte, folgte er.

»Was ist?«, wandte ich mich direkt an Stevenson. Ich konnte mir nicht vorstellen, was er mit mir bereden wollte.

»Vielleicht solltest du dir deine Freunde etwas sorgfältiger aussuchen. Ich denke nicht, dass es dem Chief gefallen wird, dass du Watkins als deinen Freund bezeichnest«, rückte er direkt mit der Sprache raus.

Ich kniff die Augen zusammen und sah ihn eindringlich an. Hoffentlich merkte er nicht, dass es mich vollkommen aus der Bahn warf, dass er die Weste erkannt hatte. War sie so unverkennbar? »Ich wüsste nicht, was es den Chief angeht.«

»Du kennst die Regeln: Verbindungen zu zwielichtigen Personen führen zum Dienstausschluss. Und ich habe nicht vor, dir den Rücken in der Sache zu decken.«

»Zwielichte Person?« Verächtlich lachte ich. »Warst du nicht einer von denen, die mir immer wieder gesagt haben, dass er harmlos ist und ich ihn in Ruhe lassen soll?«

»Dass wir ihm nichts nachweisen können, heißt nicht, dass er keinen Dreck am Stecken hat! Du solltest dich von diesem Typen fernhalten. Früher oder später wird er bei einer krummen Sache erwischt werden und wenn rauskommt, dass ihr Freunde seid, wird er dich mit in den Abgrund reißen«, drohte Stevenson mir ernst.

»Danke für die Warnung, aber das ist nicht nötig. Ich kann dir versichern, dass er keine krummen Dinger dreht.« Ich war mir da ziemlich sicher, auch wenn vieles, was die Jungs anging, am Rande der Legalität lief.

Mein Kollege hob eine Augenbraue und schnaubte. »Was bekommst du dafür, dass du ihn deckst? Zahlt er gut? Oder besorgt er dir Drogen?« Er stockte kurz, dann lachte er humorlos. »Nicht ernsthaft! Dieses kleine Flittchen hält dir den Arsch hin! Du fickst die Schlampe!«

Noch bevor er ausgesprochen hatte, landete meine Faust in seinem Gesicht. Niemand nannte Mat ein Flittchen!

Die Beifahrertür wurde aufgerissen und jemand packte Stevenson unter den Armen und zog ihn aus meinem Wagen. Bevor ich es richtig realisierte, geschah mit mir dasselbe.

Kaum hatte ich Boden unter den Füßen, wurde ich hart gegen meinen Wagen gedrückt und meine Hände auf den Rücken gedreht. Von der anderen Seite starrte mir mein Kontrahent wütend entgegen.

»Wer von euch beiden erklärt uns, was mit euch los ist?«, fragte Murphy und drückte mich noch einmal fester gegen meinen Wagen, als ich mich abdrücken wollte.

»Na los. Wenn du dir so sicher bist, dann sag ihnen doch, warum du mich schlägst«, fauchte Stevenson mir entgegen und spuckte etwas Blut auf den Boden.

Zumindest hoffte ich für ihn, dass er nicht meinen Wagen erwischte!

Mein Körper spannte sich an und ich rang mit mir. Nicht nur um Beherrschung, sondern auch um Worte. Gab es für mich einen Weg, das zu meinen Gunsten zu drehen? Ich könnte ihnen einfach sagen, dass Stevenson mir gedroht hatte, ihnen von den Unterstellungen berichten. Dann musste ich ihnen auch erklären, wie er darauf kam. Das barg die Gefahr, dass sie Schlüsse zogen, die mir nicht recht waren.

Als Stevenson siegessicher schnaubte und mich höhnisch angrinste, fiel meine Entscheidung.

Mit ein wenig Anstrengung befreite ich mich aus Murphys Griff und richtete mich auf. Als er mich wieder packen wollte, hielt ich ihn mit einer Handbewegung auf. »Ich hab mich wieder unter Kontrolle.«

Er musterte mich skeptisch, trat dann aber einen Schritt zurück, ließ mir wieder etwas Raum für mich.

Chang sah unserem Kollegen kurz ins Gesicht, dann ließ er ihn los und machte ebenfalls etwas Platz.

»Was ist nun vorgefallen?«, fragte Murphy erneut nach. Dabei klang er fordernd und ernst, aber auch freundlich.

Stevenson öffnete bereits mit einem höhnischen Grinsen den Mund, doch ich kam ihm zuvor: »Stevenson hat meinen Verlobten als Flittchen und Schlampe bezeichnet.«

»Was?! Wiederhol das nochmal!«, forderte Chang mit fassungslosem Ton.

»Er hat meinen Verlobten ein Flittchen und Schlampe genannt«, wiederholte ich betont langsam und ruhig. Sie sollten nicht merken, dass ich zitterte und wie schwer es mir fiel, diese Worte auszusprechen. Ich hatte nie vorgehabt, ihnen von Mat zu erzählen. Aber im Moment war die Flucht nach vorn deutlich angebrachter. Dass Stevensons Kinnlade bei meiner Aussage augenblicklich nach unten geklappt war, bestätigte mich darin. Dennoch hätte ich am liebsten die Augen geschlossen und alle um mich herum ausgeblendet.

»Warum?«, wandte sich Murphy an Stevenson und schien als einziger nicht im Geringsten von meiner Aussage beeindruckt.

»Weil sein angeblicher ›Verlobter‹ genau das ist.« Mein Kollege schien sich von meiner Offensive wieder erholt zu haben. Das ›Verlobter‹ schnaubte er verächtlich.

Ich drängte mich an Murphy vorbei, sodass ich halb ins Fahrzeuginnere krabbeln konnte. Aus einem Fach in der Armatur holte ich den Verlobungsring und knallte ihn aufs Autodach. Nur weil ich ihn nicht auf der Arbeit trug, um keine Fragen aufzuwerfen, hieß das nicht, dass ich keinen besaß.

»Was willst du uns damit beweisen? Selbst wenn ihr wirklich verlobt seid, ändert das nichts daran, dass er eine widerliche Schlampe ist!«

Ich wollte gerade wieder auf ihn losstürmen, doch Murphy hielt mich zurück. »Meléndez! Reiß dich zusammen!«

Die Beherrschung hielt nur kurz an. Stevenson legte sofort nach. »Oder bist du jetzt sein Zuhälter? Oh, das würde passen.«

»Halt endlich die Klappe!«, fuhr Chang ihn an und verpasste ihm einen Stoß gegen den Torso.

Doch es hielt Stevenson nicht davon ab, weiter zu giften. »Ihr steckt wohl alle mit Watkins unter einer Decke.«

Zwei Augenpaare wanderten augenblicklich in meine Richtung, während ich mir den Ring von der Karosserie schnappte und an den Ringfinger steckte.

Murphy fand als erster seine Stimme wieder. »Du bist mit Watkins verlobt? Dem Watkins? Der Watkins, den du vor ein paar Monaten noch unbedingt hinter Gitter bringen wolltest?«

»Ich hab mich eben in ihm getäuscht«, erklärte ich ruhiger, als es in meinem Inneren aussah. Diese vorwurfsvollen Blicke, die klarmachten, was sie von Mat hielten, ließen mich innerlich brodeln.

»Dir ist wohl klar geworden, wie viel Kohle man damit machen kann«, wurde ich weiter von der anderen Seite des Wagens verhöhnt.

»Du musst es ja wissen«, schlug ich in Ermangelung einer besseren Idee zurück.

»Okay, Schluss jetzt, ihr beiden«, mahnte Murphy und sah jeden einmal ernst an. »Schafft ihr es, euch wieder zu benehmen?«

»Nur, wenn Stevenson die Beleidigungen zurücknimmt und sich entschuldigt!«

»Welche Beleidigungen? Ich habe nur die Wahrheit gesagt. Watkins ist ein kleiner, widerlicher Stricher!«

Diesmal waren weder Murphy noch Chang schnell genug, um mich aufzuhalten. Blitzschnell war ich um den Wagen herum und hatte Stevensons Kopf gegen die Kante des Daches gehauen.

»So, es reicht«, beschloss Murphy und zog mich weg, Chang kümmerte sich erneut um Stevenson. »Ich hab keine Lust, dich in eine Zelle stecken zu müssen. Ihr könnt das morgen gerne in einem geregelten Zweikampf klären, aber erstmal gehst du dich abkühlen. Fahr nach Hause!«

Ich befreite mich mit einem Ruck aus seinem Griff und richtete meine Kleidung. »Dann nimm den pajero¹ von meinem Wagen!«

Chang kam der Aufforderung nach und half dem etwas benommenen Stevenson auf die Beine.

Ohne weiter auf die drei zu achten, ging ich zurück zur Fahrerseite. Gerade als ich die Tür zuziehen wollte, stand Murphy im Weg. »Fahr vorsichtig und versuch, dich zu beruhigen. Was auch immer in Stevenson gefahren ist, wir bekommen ihn schon wieder zur Vernunft.«

Wenig überzeugt nickte ich und schlug die Tür zu, sobald Platz war. Ich startete den Wagen und verließ den Ort des Geschehens so schnell wie möglich.
 

Ein paar Straßen weiter fuhr ich an den Straßenrand und schlug auf das Lenkrad. »¡Chale!«²

Ich war am Arsch! Das hätte nie passieren dürfen! Sie hätten niemals herausfinden dürfen, dass ich mit Mat verlobt war. ›Stevenson in einem fairen Zweikampf schlagen.‹ Dass ich nicht lachte! Er war doch mein geringstes Problem. Morgen wüsste das gesamte Revier, dass ich mit einem Mann verlobt war. Dass ich ausgerechnet mit Mat verlobt war.

Erneut schlug ich auf das Lenkrad und ließ mich dann im Sitz nach hinten sinken. Mit den Händen fuhr ich über mein Gesicht. »¡Me lleva la chingada!«³

Ich würde nicht noch einmal eine Gelegenheit bekommen, die Stelle zu wechseln. Das war es mit meiner Karriere. Im Grunde konnte ich mich gleich mit ihr begraben lassen. Niemand wollte eine Schwuchtel als Kollegen.

Ich wusste doch, wie das lief. Erst sorgten sie dafür, nicht gleichzeitig mit mir in der Umkleide zu sein, dann wollte keiner mehr mit mir Schicht schieben und schon gar nicht am selben Fall arbeiten. Jeder würde eine Ausrede finden, so wenig wie möglich mit mir arbeiten zu müssen, bis es dem Chief zu viel wurde. Wenn er nicht sowieso gleich die erste Gelegenheit nutzte, mich loszuwerden.

Noch einmal ließ ich die Armaturen meine Wut spüren, dann schrieb ich Mat, dass ich doch schon kam, und startete den Motor erneut. Sobald ich zu Hause war, würde ich mich nach einem neuen Job umsehen. So viel Würde war ich mir selbst schuldig. Lieber ging ich, als gegangen zu werden.


Nachwort zu diesem Kapitel:
¹ Wichser
² Scheiße!
³ vulgär für "Ich bin erledigt!" Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  chaos-kao
2023-03-27T14:31:14+00:00 27.03.2023 16:31
Stevenson hat jeden Schlag absolut verdient! Ich bin da ganz und gar auf Eloys Seite. Ich hoffe nur, dass es nicht wirklich so endet wie er befürchtet. Ich glaube es zwar nicht, denn die anderen beiden waren zwar überrascht aber nicht so gehässig und ablehnend wie Stevenson. Aber das kann ja auch täuschen. Und ich bin gespannt was Mat dazu sagen wird. Und ob Eloy es ihm überhaupt erzählt, denn wer erzählt seinem Verlobten schon gerne, dass man ihn als Flittchen etc. beleidigt hat ... Wobei Mat sich bestimmt darüber freuen würde, dass Eloy ihn so eindrucksvoll verteidigt hat.

Ich habe mich auf alle Fälle sehr gefreut mal wieder was von dir zu lesen und dann auch noch von meinem Lieblingspärchen <3
Antwort von:  chaos-kao
27.03.2023 16:31
Warum auch immer es sich beim neu laden der Seite nochmal abgeschickt hat ...
Antwort von:  Vampyrsoul
05.04.2023 11:37
Äh... Technik! Technik ist die richtige Erklärung dafür ^^'

Ja, Schreiben ist in den letzten zwei Jahren echt schwer *sigh* Aber es springt einfach trotzdem noch zu viel Zeug in meinem Kopf rum, um es vollkommen aufzugeben :)
Von:  chaos-kao
2023-03-24T23:45:18+00:00 25.03.2023 00:45
Stevenson hat jeden Schlag absolut verdient! Ich bin da ganz und gar auf Eloys Seite. Ich hoffe nur, dass es nicht wirklich so endet wie er befürchtet. Ich glaube es zwar nicht, denn die anderen beiden waren zwar überrascht aber nicht so gehässig und ablehnend wie Stevenson. Aber das kann ja auch täuschen. Und ich bin gespannt was Mat dazu sagen wird. Und ob Eloy es ihm überhaupt erzählt, denn wer erzählt seinem Verlobten schon gerne, dass man ihn als Flittchen etc. beleidigt hat ... Wobei Mat sich bestimmt darüber freuen würde, dass Eloy ihn so eindrucksvoll verteidigt hat.

Ich habe mich auf alle Fälle sehr gefreut mal wieder was von dir zu lesen und dann auch noch von meinem Lieblingspärchen <3


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