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Denn sie wissen nicht, was sie tut

von

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Prolog

Ich gähnte herzhaft, ein Zeichen, wie anstrengend die bisherige Arbeitswoche ausgefallen war. Entsprechend geschlaucht hatte ich heute einfach nur eine DVD eingeschoben und mich auf meine Couch fallen lassen. Diesen Film kannte ich in- und auswendig, hatte ihn aber schon seit Monaten nicht mehr gesehen: Advent Children. Die Fortsetzung des RPG-Klassikers Final Fantasy 7, einem Spiel, mit dem ich mehr oder minder groß geworden war.

Der Film war gerade an der Stelle, wo Rude und Reno Cloud und Tifa aus der Kirche in den Slums von Sektor 5 geschleppt hatten und sich nun die Diskussion zwischen den beiden anhörten. 

‚Oder wohl eher Tifas nicht enden wollende Vorwürfe‘, dachte ich amüsiert.

Zum wiederholten Male sank mir der Kopf auf die Brust und ich beschloss, mich noch mehr auf die Couch zu fläzen. Was sich jedoch als dumme Idee herausstellte. Innerhalb kürzester Zeit nahm ich das Gesagte im Film nur noch am Rande wahr. Ständig fielen mir die Augen zu, doch ich war zu weggetreten, um mich aufzuraffen, den TV auszumachen und ins Bett zu schleppen. Schließlich schlief ich auf der Couch ein, während Cloud gerade den Kampf gegen Sephiroth bestritt.

Als ich wieder wach wurde, drückte etwas gegen meine Wange, mit der ich irgendwo auflag. Ein kühler Hauch an meiner Nasenspitze, der Geruch nach Desinfektionsmittel, so als ob hier irgendwo Corona-Hysteriker unterwegs waren, auf Nummer sichergehen wollten und vorsorglich den ganzen Raum eingesprüht hatten. Kaltes, weißes Licht, das von der Decke strahlte, fensterloses Zimmer. Ich ruckte hoch. Sah mich um und stellte fest, dass ich alleine war. In einem Zimmer, das ich nicht kannte.

Weiße Ärmel. Stimmt, ich hatte einen weißen Pullover mit Druck auf der Vorderseite, aber die Ärmel waren ziemlich dünn und enganliegend. Und das Material war Baumwolle mit einem geringen Anteil Elasthan, wenn ich mich nicht täuschte. Dehnbar für mehr Komfort. Was ich jetzt trug, hatte mehr Ähnlichkeit mit einem Malerkittel, der noch nicht mit Farbe vollgekleckert war.

‚Oder einem Arztkittel‘, dachte ich. 

Nach kurzer Suche fand ich etwas, das mir mehr Aufschluss gab. Ein Dienstausweis, der links an der Brusttasche meines Kittels hing. Ich zog ihn ab, sah ihn mir nur kurz an und bekam fast einen Herzinfarkt. Neben dem Bild einer Person prangte dort gut sichtbar das Logo der ShinRa Incorporated.

„ShinRa? Was zur Hölle ...?“

Als Nächstes sah ich mir das Foto der Besitzerin des Ausweises an. Es sah mir nur entfernt ähnlich. Die Person auf dem Bild hatte dunkle Haare, die sie wohl in einem Pferdeschwanz oder in einem Zopf trug, der hinten herabhing. Ich hatte zwar auch dunkle Haare, aber eine Bobfrisur. Die Augen waren ebenfalls dunkel. Die Frau auf dem Bild war etwas schlanker im Gesicht und hatte keine sichtbaren Muttermale. Und schaute vergleichsweise ernst in die Kamera.

„Ich schaffe es auch nie, freundlich zu schauen“, murmelte ich.

Ich griff mir einmal in die Haare und stellte fest, dass die Bobfrisur weg war. Stattdessen hatte ich einen langen Schwall dunkelbrauner Haare, der in einem Zopf geflochten war.

„Gibt’s doch nicht!“, meinte ich verblüfft.

Der Text auf der Karte wies die Person als eine Elliot Swanson aus. Sie war Krankenpflegerin.

„Moment, Krankenpflegerin? Bin ich das etwa?“

Ein von ShinRa betriebenes Krankenhaus war mir im Spiel und in den anderen Ablegern der Compilation nie bewusst aufgefallen, aber es erschien mir schlüssig. Das ganze Militärpersonal musste schließlich auch zusammengeflickt werden, wenn es unbeabsichtigte Löcher hatte.

„Zumindest, dass es in Midgar ein Krankenhaus gibt ... ShinRa gibt dir Arbeit, ShinRa sorgt für deine Sicherheit, für deinen Wohlstand und natürlich auch für deine Gesundheit.“

‚Und so lassen sich auch allerhand biologische Daten sammeln ...‘, dachte ich das Thema weiter.

Ich drehte den Ausweis auf die Rückseite und stellte fest, dass er einen Chip enthielt. Eine gewisse Ähnlichkeit zu den Chips von Bank- und Kreditkarten war vorhanden. Trotzdem vermutete ich, dass er von anderem Nutzen war. Der Chip hatte in etwa die Größe einer Nano-SIM-Karte, war rund und rötlich.

„Ein Zugangschip vielleicht?“

Zumindest vom ShinRa Tower wusste ich, dass man die oberen Etagen nicht ohne entsprechende Freigabe betreten konnte.

„Äh ...“

Vergessen war der Dienstausweis. Ich sah mich erneut in dem Raum um. Befand ich mich vielleicht in einem Teil des Hauptquartiers, den man im Spiel nicht gesehen hatte? Sicher gab es in einer Etage Gesundheitspersonal, welches die Mitarbeiter bei Bedarf aufsuchen konnten, oder? Und sicher getrennt von Hojo’s Jenova-Mako-Giftkammer, oder?

„Oder?!“

Bei einer neuerlichen Betrachtung des Raumes fiel mir nichts auf, was giftgrün aussah. Stattdessen fand ich allerlei Utensilien, die im Gesundheitsbereich Anwendung fanden: Kanülen in verschiedenen Größen und Ausführungen, Einwegspritzen, Verbandsmaterialien, verschiedenste Pflaster, Nierenbecher, diverse Schläuche, Einmalhandschuhe, Kompressen, Pinzetten, verschiedene Scheren und Stangen und sogar Skalpelle.

Mir wurde leicht schwummrig bei dem Gedanken daran, was man mit diesen Sachen alles anstellen konnte. Wo war ich hier nur gelandet? Ich konnte doch kein Blut sehen, und jetzt war ich Krankenpflegerin? Was für ein beschissener Trip war das bitte?

Mir nichts denkend öffnete ich einen Kühlschrank, der zunächst nicht als solcher zu erkennen war. Doch statt einem Sandwich enthielt er verschiedene Fläschchen.

„Damit wär dann auch geklärt, für das die Spritzen sind.“

Die Bezeichnungen der Fläschchen sagten mir allesamt nichts. Ich hoffte nur, dass ich nicht alleine dafür verantwortlich war, jemanden zu verarzten. Pflegepersonal machte doch üblicherweise nur das, was ihnen Ärzte auftrugen, oder? Einen Verband anlegen oder eine blutige Wunde versorgen, sollte ja kein Problem sein. Das hatte ich bei diversen Erste-Hilfe-Kursen von den Maltesern sogar gelernt, wenn auch nur Notfallversorgung und keinen optisch einwandfreien Verband.

‚Wenn ich bei dem ganzen Blut nicht umkippe dabei.‘

Aber Spritzen verabreichen? Das war wohl doch lieber was für Profis oder zumindest fachlich ausgebildete Personen. Weiter als bis zum betrieblichen Ersthelfer hatte ich es bisher nicht geschafft, und das war mittlerweile das, was früher die Schulung Notfallmaßnahmen am Unfallort war. Ein Pflichttermin, wollte man den Führerschein haben.

Ich schloss den Kühlschrank wieder und sah mich weiter in dem Zimmer um. Erst jetzt fiel mir auf, dass auf dem Schreibtisch, an dem ich bis eben gesessen hatte, mehrere Akten aufgestapelt waren. Ich setzte mich wieder und nahm die Unterlagen zur Hand. Die ersten beiden Mappen waren ziemlich dünn, doch das beunruhigte mich weniger. Auf dem ersten Aktendeckel stand nur ein einziger Name: Tseng. Ich zweifelte nicht im mindesten daran, dass diese Akte dem einzigen Tseng gehörte, den ich kannte. Chef von ShinRa’s Abteilung für allgemeine Angelegenheiten.

„Oder auch Turks genannt ...“

Ich klappte die Mappe auf. Sein emotionsloser Gesichtsausdruck starrte mir entgegen und ich wusste nicht, ob mir heiß oder kalt wurde. Das Bild sah fast genauso aus, wie ich es von den Abbildungen auf verschiedenen Internetseiten kannte. Frontansicht, leicht breitbeiniger Stand, Hände hinter dem Rücken gefaltet, Kopf leicht geneigt, stechender Blick in die Kamera. Ich blätterte die Akte durch. Nur eine Sache sah ich mir an. 

„Reeve, du alter Schlawiner ...“

Ich klappte Tsengs Akte wieder zu und nahm mir die nächste vor. Das Bild von Elena sah genauso aus, wie die unzähligen Bilder aus dem World Wide Web. Erstaunlicherweise hatte sie noch weniger Einträge als ihr Vorgesetzter, was aber vermutlich daran lag, dass sie das jüngste Mitglied der Turks war. Je nachdem, zu welchem Zeitpunkt ich hier angekommen war, konnte ihre Zugehörigkeit zwischen einer Woche und maximal drei Jahren betragen.

Anders sah die Sache bei den nächsten drei Mappen aus. Die Krankenakte von Reno war so dick, wie mein Zeigefinger lang war. Rudes war nur unwesentlich dünner.

„Gott, wie viele Rippenbrüche kann man sich eigentlich holen, ohne dass man abnippelt?“

Reno schien wirklich ein Meister darin zu sein, sich gravierende Verletzungen zuzuziehen. Wie konnte man nur so unachtsam mit seinem eigenen Körper umgehen? Unter die zahlreichen Knochenbrüche mischten sich unterschiedlich stark ausgeprägte Gehirnerschütterungen, ein ausgekugeltes Schultergelenk und ein Milzriss.

„Ob Rude ihn mal zur Begrüßung getacklet hat?“

Mir kam sofort der eine Politiker von der Scheißpartei in den Sinn, der nach einem Begrüßungshandschlag eines Parteikollegen mit einem Milzriss ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Mehr Sorgen machte ich mir jedoch, als ich herausfand, dass Reno auch mal eine Sepsis gehabt hatte. Der Junge ließ wirklich gar nichts aus.

„Übermäßiger Alkoholkonsum“, las ich dann. „Der alte Säufer. Eine Alkoholikerleber dürfte er also auch haben ...“

Darüber, dass auch jedes noch so kleine Hämatom aufgeführt war, konnte ich nur den Kopf schütteln. Ich sah mir seinen aktuellsten Bericht an und stellte überrascht fest, dass er mit Swanson unterzeichnet war.

„Verbrennungen? Oh, das ist neu!“

Ich las den Bericht.

‚Reno, bist du zu blöd, um Tee zu kochen ...?‘, dachte ich verwundert.

Schüttelte erneut den Kopf und hatte umgehend ein schlechtes Gewissen. Ich hatte es ja selbst schon geschafft, das Heißwasser aus dem Wasserkocher anstatt in die Wärmflasche über meine Hand zu schütten, die die Wärmflasche hielt. Vielleicht war ihm ein ähnliches Malheur passiert.

Ich blätterte zu dem Bericht mit der Sepsis zurück und stellte erleichtert fest, dass dieser von jemand anders unterzeichnet worden war. Der Name sagte mir nichts und ich war mir nicht sicher, ob mich das beruhigte oder verunsicherte. Doch anstatt mir weiter Gedanken darüber zu machen, klappte ich die Unterlagen wieder zu. Es war einfach zu deprimierend, sie weiter zu studieren.

Rudes Mappe war zum Glück weniger dramatisch. Er war bisher um Organschäden herumgekommen, was vermutlich daran lag, dass er sich zu verteidigen wusste. Dafür konnte er eine Schussverletzung zu seinen Errungenschaften zählen, wenn man sie denn so betiteln wollte. Auch Rude schien gerne einen über den Durst zu trinken. Ich konnte mich noch gut daran erinnern, wie man ihn beim ersten Besuch in Junon in einer Kellerbar antreffen konnte, die nur ShinRa-Personal bediente.

Ich legte Renos und Rudes Krankenakten auf jene von Tseng und Elena und blickte dann zur letzten verbliebenen Mappe. Seltsamerweise war sie nicht betitelt, aber ebenfalls anständig dick. Ich öffnete sie und hätte sie beinah zu Boden fallen lassen. Rufus‘ durchtriebener Blick starrte mich geradewegs an.

„Was für ein Film läuft hier?“

Ich musste mich setzen. Rufus‘ Akte enthielt die üblichen allgemeinen Informationen, wie bei den Turks auch. Sein bisheriger Gesundheitsverlauf unterschied sich jedoch stark von jenen seiner Geheimagenten. Es waren sogar Krankheiten aufgeführt, an denen er als Kind gelitten hatte.

„Hm, Präsidentensohn, da haben die wohl besonders genau drauf geschaut und alles penibel aufgeschrieben. Um sich für den Fall der Fälle abzusichern, dass dem kleinen Scheißer was passierte.“

Wobei sie die üblichen Kinderkrankheiten bei ihm wohl ziemlich schnell medikamentös behandelt hatten.

„Also bitte, 39° Fieber mit Pillen? Da hätten es kühlende Wadenwickel auch getan ...“

Ich schüttelte den Kopf und blätterte weiter. Einige Blessuren, die er sich als junger Erwachsener eingefangen hatte. Ich schätzte, dass die aus der Zeit von Before Crisis stammten. Nichts Dramatisches jedoch. Anmerkungen zu seinem Fitnesszustand. Ich sah zu den Akten der Turks. Bei ihnen war nichts darüber enthalten, wie regelmäßig sie trainierten, aber das brachte der Job vermutlich automatisch mit sich. Bei Rufus hingegen war fein säuberlich aufgeführt, wie häufig er Sport machte. Vermehrt Ausdauertraining, gelegentlich Gewichte stemmen. Jedoch schien beides in der letzten Zeit stark abgenommen zu haben.

„Gebissen von einem Black Dog ... Böser Dark Star!“

Der Bericht über die Meteorkatastrophe las sich besonders gravierend. Rufus hatte nur überlebt, weil sein alter Herr im Hauptquartier einen Geheimgang von seinem Büro im obersten Stockwerk ins Erdgeschoss hatte anlegen lassen. Genau genommen handelte es sich um eine ziemlich steile Rutsche, die in einem verstärkten Schacht nach unten führte. Wie es danach weiterging, wusste ich in etwa. Rufus hatte es über mehrere Stationen bis nach Healin verschlagen, wo man versuchte, ihn von Geostigma zu heilen und von wo aus er die Firma geführt hatte.

Ich blätterte zu den letzten Berichten, doch ihr Inhalt ließ keinen Schluss darauf zu, an welcher Stelle ich mich derzeit befand. War es mitten in der Handlung von Advent Children? Ich war mir unsicher. Geostigma wurde zwar erwähnt, und ich fand sogar einen Bericht von Kilmister, aber die aktuellsten waren alle von einer anderen Person unterzeichnet.

„Äußerlich fit“, las ich. „Trotzdem Anzeichen für eine Krankheit, Grund bisher unbekannt. Gelegentlich fühlt er sich schlapp, soso.“

Dazu kam hin und wieder Appetitlosigkeit und Phasen von Schlaflosigkeit. Nichts, was auf mich wirkte, als wäre Geostigma ein Auslöser dafür, aber was wusste ich schon vom Sternnarbensyndrom? Diese Krankheit war genauso mysteriös wie Covid_19, das bei mir zu Hause zur Zeit grassierte und von Coronaviren ausgelöst wurde. Vermutlich war auch hier Geostigma noch nicht restlos durchleuchtet.

„Zumindest nicht, sollte Cloud Kadaj und seine Bande noch nicht besiegt haben.“

Vor mich hingrübelnd, klappte ich Rufus‘ Krankenakte wieder zu und legte sie zu jenen der Turks.

Der Schreibtisch, bei dem es sich scheinbar um meinen Arbeitsplatz handelte, hatte einen PC mit Bildschirm und Tastatur. Außerdem fand ich einen Stift und einen kleinen Block sowie ein Schlüsselbund, an der auch eine Karte hing. Irritiert nahm ich den Bund in die Hand.

„Okay, gut, das wundert mich jetzt nicht.“

Rezeptpflichtige Medikamenten gehörten natürlich abgeschlossen. Mehrere Schlüssel sahen fast identisch aus. Ich schätzte, dass sie zu den Schränken gehörten, in denen ich schon das andere ärztliche Material gefunden hatte. Nur hatte ich fünf Schlüssel und hier in diesem Zimmer befanden sich nur zwei Schränke. Es musste also noch mindestens drei weitere Schränke irgendwo anders in diesem Gebäude geben, auf die ich Zugriff hatte.

„Moment mal! Noch eine Schlüsselkarte? Warum hab ich zwei?“

Ich zog mir den Dienstausweis wieder vom Kittel und verglich die beiden Karten. Die Schlüsselkarte hatte keinen Chip, dafür einen Magnetstreifen. Vermutlich gewährte mir dieser Zugang zu verschiedenen Räumlichkeiten. Wofür war dann der Chip in meinem Ausweis?

Doch ich hatte keine Zeit, mir weiter Gedanken darüber zu machen. Es klopfte an der Tür, und bevor ich etwas sagen konnte, trat Tseng ein. Wäre ich nicht auf einem Stuhl gesessen, wäre ich jetzt vermutlich der Länge nach hingeschlagen. Der Mann, der eben das Zimmer betreten hatte, sah genauso aus, wie ich ihn aus dem Film Advent Children von vor allem vom Final Fantasy 7 Remake kannte. Nur, dass er ein paar mehr Fältchen um die Augen hatte. Sorgenfalten, schätzte ich.

Tseng schloss die Tür hinter sich und musterte mich ausdruckslos. Meine Verwunderung musste mir anzusehen sein, trotzdem ließ er sich nicht anmerken, ob er sie wahrnahm oder nicht.

„Guten Morgen, Miss Swanson“, begrüßte er mich und kam einige Schritte auf mich zu.

„Guten Morgen, Tseng“, stotterte ich.

Er hob irritiert die Augenbrauen. Scheiße, da war ich wohl gleich in das erste Fettnäpfchen getreten.

„Sir“, fügte ich schnell hinzu.

Tsengs monotone Stimme ging nicht auf meinen Fauxpas ein, als er anfing zu sprechen.

„Der Präsident scheint an etwas zu leiden, was über Geostigma hinaus geht“, erklärte er unumwunden. „Äußerlich weist er keinerlei Verletzungen auf, trotzdem fühlt er sich ausgelaugt.“

„Äh, vielleicht die Nachwirkungen der Ereignisse?“, schlug ich schüchtern vor.

Himmel, ich schien hier irgendeine Rolle zu haben, die mir schleierhaft war. Und der Chef der Turks erwartete von mir vermutlich, dass ich sie nicht zu 100% erfüllte, sondern zu 200%. War ich wirklich für Rufus‘ Gesundheitszustand verantwortlich?

Tseng legte den Kopf schief.

„Was ist denn bei dem Bluttest herausgekommen?“

‚Scheiße, welcher Bluttest?‘, dachte ich verzweifelt.

Mir war beim Erkunden des Zimmers nichts dergleichen aufgefallen. Andererseits hatte ich das Zimmer auch nicht wirklich systematisch erkundet. Stattdessen hatte ich mir die Krankenakten angesehen. Mein Blick fiel auf einen Kasten mit Knöpfen, der auf einer Theke stand.

„Äh, Sir, ich musste den Test leider noch einmal starten“, erzählte ich. „Wir hatten hier heute einen kleinen Stromausfall, wodurch leider auch die Zentrifuge ausgefallen ist. Ich musste alles noch einmal von vorne beginnen.“

Tseng sah mich eine halbe Ewigkeit lang an, ehe er nickte. Irgendwie bezweifelte ich, dass er mir glaubte, aber er ließ es auf sich beruhen.

„Wann werden die Ergebnisse fertig sein?“

Ich wurde kreidebleich.

„Heute Abend, Sir“, log ich.

Ich hatte keine Ahnung, wie lange eine Zentrifuge brauchte, um Blut in seine einzelnen Bestandteile aufzuteilen. Wie lange die Untersuchungen und Analysen danach dauerten, war mir schleierhaft. Und was sollte ich schon groß aus den Ergebnissen lesen?

Tseng nickte nur.

„Vergiss nicht den Termin beim Präsidenten heute nach dem Mittagessen. Komm vorher in mein Büro“, meinte er dann.

„Äh, ja, Sir!“

Er verschränkte die Arme.

„Miss Swanson, ich hoffe, ich habe mich deutlich ausgedrückt. Egal, aus welchen Gründen du den Präsidenten aufzusuchen hast, du wirst dich vorher bei mir anmelden, und wir gehen gemeinsam zu ihm. Habe ich mich klar ausgedrückt?“

„Natürlich, Sir! Mir würde nie etwas anderes in den Sinn kommen.“

Tseng musterte mich nochmal streng, verließ dann aber zum Glück das Zimmer. Ich schnappte hörbar nach Luft, als er weg war. Trotzdem brach mir der kalte Schweiß aus.

Wie spät war es jetzt? In diesem fensterlosen Raum konnte ich nur Mutmaßungen anstellen. Ich tippte auf die Tastatur, woraufhin zum Glück ein Licht am Bildschirm zu Blinken begann. Das Bild wechselte zu etwas, was ich als Sperrbildschirm kannte. Was mich mehr faszinierte, war, dass es sich um eine Panoramaansicht von Midgar handelte, aufgenommen wohl kurz vor der Meteorkatastrophe. Rechts oben prangte das ShinRa Logo. Links unten konnte ich eine Zahlenkombination sehen, die mir 11:35 anzeigte.

„Hm, das war dann wohl die Uhrzeit“, überlegte ich. „Also habe ich noch etwas Zeit.“

Doch womit sollte ich die sinnvoll füllen? Ich begann, systematisch vorzugehen und herauszufinden, von welchem Test Tseng vorhin gesprochen hatte. Ich hatte ihm die Ergebnisse bis zum Abend zugesagt, hatte keine Ahnung, wie man so etwas durchführte und in welchem Stadium sich der Test befand.

‚Bluttest schön und gut, aber worauf genau sollte denn getestet werden? Verflucht noch eines.‘

Während meiner Überlegungen hatte ich den Raum noch mal gefilzt. Der Kasten auf der Theke stellte sich tatsächlich als Zentrifuge heraus. Jedoch enthielt sie keinerlei Reagenzgläser und war auch nicht in Betrieb. Ich betete dafür, dass Tseng das nicht gesehen hatte. Auch der Rest des Zimmers gab mir keine weiteren Aufschlüsse und so beschloss ich, die Welt außerhalb zu erkunden.

Ich griff nach dem Schlüsselbund und der Schlüsselkarte und ignorierte meinen Arbeitsrechner vollkommen. Ich schätzte, dass er mit einem Passwort geschützt war, also würde ich da eh nicht weit kommen. Und anstatt Zeit mit irgendwelchen Kombinationen zu versuchen, hielt ich es für sinnvoll, mich mit der Anlage vertraut zu machen, in der ich mich befand. Tseng wollte schließlich, dass ich zuerst zu ihm ins Büro kam. Wenn ich jedoch keine Ahnung hatte, wo das war und vielleicht zu spät kam, würde dies sicher Ärger bedeuten.

‚Und Ärger mit dem Chef der Turks will ich nicht‘, dachte ich beklommen.

Ich verließ das Zimmer und stand auf einem Gang, der in beide Richtungen führte, zum Glück aber nicht allzu lang war. Mein Zimmer schien das erste in diesem Gang zu sein, rechts konnte ich einen größeren und hell erleuchteten Raum ausmachen. Gegenüber gab es noch einmal ein Zimmer. Das Türschild wies es als Labor aus. Darunter gab es einen seltsamen Kasten.

‚Vermutlich für die Schlüsselkarte‘, dachte ich.

Ich fuhr auf dem Absatz herum.

„Aha, Zimmer für Pflegepersonal.“

Etwas, was ich von zu Hause als Schwesternzimmer kannte, eine Art Aufenthaltsraum für Krankenpflegepersonal. Hier schien es etwas anders gehandhabt zu werden. 

Links führte der Gang noch zu zwei weiteren Zimmern, aber ich bezweifelte, dass sich in einem von ihnen Tsengs Büro befand. Das hier war sicher der Gesundheitsbereich der Anlage oder zumindest ein Teil davon. So etwas wie einen OP-Saal hatte ich bisher nicht gesehen. Doch anstatt mir weiter Gedanken darüber zu machen, beschloss ich, mich auf die Suche nach dem Chef der Turks zu begeben.

‚Oh, das ging aber schnell‘, dachte ich, als ich in den hell erleuchteten Raum kam.

Es handelte sich zum ein größeres Zimmer mit einer Sitzecke, einer Zimmerpflanze, die man mal wieder gießen sollte sowie zwei Automaten und einem großen Mülleimer daneben. Auch hier gab es leider kein Fenster, das Zimmer war hellgelb gestrichen und hatte auf Brusthöhe einen weißen Streifen an der Wand. Der Getränkeautomat wurde gerade malträtiert. Ich sah dem rothaarigen Rambo dabei zu.

Rambo war eigentlich der falsche Begriff für ihn. Hänfling würde besser passen. Trotzdem war mir bewusst, wie viel Energie in Reno steckte. Zum wiederholten Male trat er gegen den Getränkeautomaten und gab dabei einen saftigen Fluch von sich. Die Kiste klirrte nur, weigerte sich aber trotzdem beharrlich, eine Flasche auszuspucken.

„Reno“, sagte ich hinter ihm.

Er fuhr herum und sah mich erschrocken an.

„Elliot! Hab gar nicht mitbekommen, dass du da stehst“, begrüßte er mich.

Den Getränkeautomaten hatte er offenbar vergessen.

„Wie läuft’s bei dir?“

„Geht so“, meinte ich.

Was eine himmelschreiende Übertreibung war. Eigentlich ging es mir beschissen, aber das wollte ich ihm nicht auf die Nase binden. Ich trat zu ihm an den Automaten. Eine leichte Delle direkt unter der Flaschenausgabe verriet, dass das Gerät nicht zum erste Mal getreten worden war.

„Reno, sei vorsichtiger. Dein Bein ist noch nicht verheilt.“

„Ach was, Ellie, kennst mich doch. Mich wirft nichts so leicht aus der Bahn“, feixte er und schlang seinen Arm um meinen Hals.

Ich befreite mich von ihm, und drückte einmal auf den roten Stornoknopf des Automaten. Er spuckte eine Wasserflasche aus.

„Das is‘ ja mal wieder typisch“, ereiferte sich der Turk und griff in die Ausgabe, um sein Getränk heraus zu fischen.

„Was? Dass du gerade einen furchtbar intimen Moment mit einem Getränkeautomaten hattest? Oder dass der Automat mich einfach lieber mag als dich?“, fragte ich.

„Sind wir heute wieder vorwitzig? Man, Ellie, ich hab doch auch aufgehört, dich auf den Arm zu nehmen, also hör du auch auf.“

Ich grinste ihn verschmitzt an, nickte aber.

„Und wie läuft’s sonst so bei dir und Rude?“, fragte ich ihn beiläufig.

Wenn er schon mal da war, konnte er mir gleich auch noch ein paar Fragen beantworten.

„Ach, du weißt doch, dass ich darüber mit dir nicht reden darf.“

Oder auch nicht.

„Aber ich will mal nicht so sein. Zur Zeit sind wir vermehrt damit beschäftigt, Informationen in Edge und Kalm zu sammeln.“

„Eh, nur Informationsbeschaffung? Klingt etwas unterqualifiziert für eure Ausbildung.“

„Ach was, auch das gehört dazu. Jetzt, nachdem Cloud Sephiroth vermöbelt hat und nach der Sache mit dem heilenden Regen mehr denn je.“

Ich spitzte die Ohren. Reno hatte mir, ohne es zu wissen, einige wichtige Hinweise geliefert. Edge war aus den Trümmern Midgars erbaut worden. Und wenn Cloud den General bereits besiegt hatte, konnte das nur bedeuten, dass ich zeitlich gesehen zwischen dem Ende von Advent Children und dem Anfang von Dirge of Cerberus gelandet war. Seine Aussage über den heilenden Regen bestätigte mir das. Den Regen hatte seinerzeit Aerith geschickt, um Geostigma von den Erkrankten zu nehmen. Vom Film und dem ganzen Zusatzmaterial wusste ich, dass Rufus stark von der Krankheit betroffen war. Aber es war nicht seine Natur, einfach aufzugeben und sich damit abzufinden. Stattdessen hatte er direkt in den Kampf mit Kadaj und seiner Bande eingegriffen.

„Der Chef will wissen, wie so die Stimmung gegenüber ShinRa ist.“

„Und wie ist die Stimmung so?“

„Beschissen, wenn du meine Meinung wissen willst.“

„So schlimm?“

Reno zog die Augenbrauen hoch und sah mich skeptisch an.

„Ellie, du weißt doch selbst, wie beschissen ShinRa seit der Meteorkatastrophe dasteht. Die Leute hassen uns und sehen uns als die Verantwortlichen für den Zustand, in dem sich die Welt derzeit befindet.“

Zur Untermalung trat er noch mal gegen den Automaten. Oder um seinen Frust rauszulassen.

‚Womit die Leute ja auch Recht haben‘, dachte ich.

„Sephiroth und seine Sprösslinge, Meteor, Geostigma ... ShinRa scheint mittlerweile der Sündenbock für alles zu sein, selbst für die Sachen, für die wir gar nichts können.“

„Äh, na ja, aber IST ShinRa nicht für all das verantwortlich?“, fragte ich ihn.

Der Turk sah mich frustriert an.

„Sag das bloß nicht zum Chef, wenn du nachher bei ihm bist.“

Ich lächelte dezent.

„Na ja, egal. Vielleicht solltest du langsam zu ihm gehen, wenn du direkt nach Mittag zu Rufus sollst. Sonst verspätest du dich.“

„Äh, ja natürlich.“

Ich wandte mich unsicher in dem Raum um. Neben dem Gang, aus dem ich gekommen war, gab es noch zwei weitere.

„Sag mal, Ellie, was ist mit dir los?“, fragte mich Reno.

Er hatte seine Wasserflasche zur Hälfte getrunken und sah mich jetzt abschätzig an.

„Nichts. Hab heute einfach nur keinen richtigen Lauf.“

„Oh, äh, na ja“, meinte er verlegen. „Wenn das so ist ...“

„Huh?“

„Nichts. Ich hatte es nur nicht so genau wissen wollen.“

„Was glaubst du jetzt?“, fragte ich ihn überrascht.

„Nichts. Ich will nur nicht wissen, wann du deine Tage hast“, wich er aus.

„Äh ...“

Verlegen sah er in eine andere Ecke des Raumes, nur, um das Thema nicht noch weiter erörtern zu müssen. Ich schüttelte ungläubig den Kopf.

„Na schön. Du scheinst heute ganz schön durch den Wind zu sein. Soll ich dich zu ihm bringen?“

„Zu wem?“

„Na, zu Tseng natürlich! Oder weißt du den Weg?“

„Natürlich weiß ich den!“, log ich ihn dreist an. „Aber du könntest trotzdem mitkommen.“

Reno legte den Kopf schief, hatte aber keine Einwände und wir machten uns auf den Weg.

„Sag mal, dich scheint es ja besonders zu stören, dass ShinRa unten durch ist.“

„Natürlich stört mich das, was glaubst du denn? Tse. Da reißt man sich den Arsch für die Herrschaften auf, und das einzige, was sie uns entgegen bringen, ist Hass und Abneigung. Und den Arschgeigen von Avalanche liegen sie zu Füßen.“

Ich unterdrückte ein Seufzen. Ging das wieder los? Kaum war die aktuelle Krise vorbei, beharkte sich ShinRa mit seinen Feinden so, als wäre nie etwas gewesen. Unbewusst schüttelte ich den Kopf, als wir um eine Ecke bogen und dem Gang weiter folgten. Niemand kam uns entgegen, was mich irritierte. Es konnte doch nicht sein, dass der Präsident nur von seinen Turks umgeben war.

‚Und von mir?‘

Gab es hier kein sonstiges Personal, das mit irgendwas anderem beschäftigt war? Ich hörte Reno erst wieder zu, als er Cloud ins Spiel brachte.

„Aber die Bazille lässt nicht mit sich reden.“

„Huh?“

„Was ‚huh‘? Ellie, hörst du mir überhaupt zu?“

„Ja, natürlich. Entschuldige. Aber glaubst du wirklich, Cloud hat groß Lust mit jemandem zu reden, der ihn als Bazille bezeichnet?“

„Es ist freundschaftlich gemeint und er weiß das!“

„Äh ...“

„Oh man, ihr Weiber seid alle so verklemmt“, fluchte er.

„Was macht er denn zur Zeit?“

„Cloud? Soweit ich weiß, hat er seine Arbeit als Kurierfahrer wieder aufgenommen. Er muss ja schließlich auch von was leben.“

„Und das wirft so viel ab?“

Wir bogen wieder um eine Ecke und kamen am Eingang der Anlage vorbei. Erst jetzt konnte ich erstmals durch ein Fenster nach draußen sehen. Doch da uns unser Weg in den Gang gegenüber führte, war es nur ein flüchtiger Eindruck. Karge, braungraue Landschaft unter einem verwaschenen Himmel.

„Weiß ich doch nicht. Hier würde er bei weitem mehr verdienen, aber seit der Sache mit Kadaj und seiner Bande will er mit ShinRa mal wieder nichts am Hut haben.“

„Ihr scheint ihm ja mächtig zugesetzt zu haben.“

„Iwo. Wir haben ihm nur ein Angebot gemacht. Aber er hat nur das Fluchen angefangen und uns aus der Bar geschmissen.“

„Äh.“

„Da wären wir.“

Reno klopfte an eine Tür auf der rechten Seite und trat ein. Ich folgte ihm in das Zimmer, das sich als Tsengs Büro entpuppte. Der Chef der Turks sah nicht von seinen Unterlagen auf, über die er sich gebeugt hatte. Das Interieur konnte man als spartanisch bezeichnen, so gut wie alles war der Funktionalität untergeordnet.

„Jo, Cheffchen, was geht?“

Renos laxe Begrüßung ließ den Wutainesen nun doch aufblicken.

„Was machst du hier?“, fragte er Reno wirsch.

„Hab nur Ellie hergebracht, und ...“

Tseng ließ seinen Stift sinken.

„Reno, du kennst meine Meinung zu dem Thema. Geh zurück an die Arbeit und hör auf, Begleitschutz zu spielen. Hier innerhalb des Gebäudes ist dies nicht nötig, wie du sehr wohl weißt. Außerdem hast du andere Aufgaben.“

Reno zuckte mit den Schultern und machte auf dem Absatz kehrt. Scheinbar war er diese Art der Behandlung von Tseng gewohnt. Ich lächelte ihm entschuldigend zu.

„Dafür schuldest du mir ein Essen“, flüsterte er, als er an mir vorbei trat.

Meine Augenbrauen waren zusammen gewachsen, so einen skeptischen Gesichtsausdruck hatte ich angenommen. Wollte ich tatsächlich mit Reno essen gehen? Doch anstatt mir weiter Gedanken darüber zu machen, sammelte ich mich und trat an Tsengs Schreibtisch. Er hatte sich wieder über sein Papier gebeugt.

„Setz dich!“

Ich gehorchte und wartete darauf, dass er zu sprechen begann. Tseng las die Unterlagen zu Ende, die vor ihm auf dem Tisch lagen, setzte seine Unterschrift darunter und legte Papiere und Stift zur Seite. Danach richtete er sich kerzengerade auf und sah mich an.

„Du scheinst etwas durch den Wind zu sein, heute“, stellte er fest.

Ich schluckte. War das so offensichtlich?

„Äh, Sir, mir ist nur nicht ganz klar, wie ich, eine einfache Krankenpflegerin, dem Präsidenten dienlich sein kann“, meinte ich ausweichend. „Außerdem habe ich die vergangene Nacht schlecht geschlafen.“

„Wie deine Nächte waren, ist irrelevant“, unterbrach er meinen Schwall. „Das einzige, was du wissen musst, ist, dass du in erster Linie für die Gesundheit des Präsidenten verantwortlich bist.“

Ich nickte ergeben.

„Sir, ich bin nur eine einfache Pflegerin und kann schwerlich irgendwelche Therapiepläne erstellen ...“

Tseng hob die Hand und ich schwieg wieder.

„Keine Sorge, für gravierende gesundheitliche Fragen sind unsere Ärzte zuständig. Du wirst anhand ihrer Anweisungen handeln und einfache medizinische Fälle behandeln, Tests und dergleichen vornehmen.“

Ich wunderte mich etwas. Blutabnahmen für einen entsprechenden Test verstand ich ja noch, aber warum musste ich auch die entsprechenden Daten der Auswertungen liefern? Jedoch traute ich mich nicht, danach zu fragen.

„Deine Priorität gilt in erster Linie der Gesundheit des Präsidenten.“

„Ja, Sir“, bestätigte ich.

„Wenn einer von uns im Sterben liegt, der Präsident aber deine Expertise braucht, wirst du zu allererst ihn verarzten. Erst danach kommen wir anderen.“

‚Klingt logisch.‘

Ich nickte nur. Natürlich hatte Rufus oberste Priorität. Was der Präsident aber ohne seinen Chefturk ausrichten wollte, war mir schleierhaft. Und ich bezweifelte, dass Rude soweit war, den Posten zu übernehmen.

„Und vergiss nicht, dass nur der Präsident und ich dir gegenüber weisungsbefugt sind. Auf Rude, Reno oder Elena trifft das nicht zu, auch wenn Reno sich gerne anders verhält.“

„Ja, Sir.“

„Swanson, du kennst ja die Akten von Reno und Rude. Sie sind durchaus in der Lage, die ein oder anderen Blessuren über einen längeren Zeitraum auszuhalten. Oder sich auch einmal ein Pflaster selbst aufzukleben.“

„Äh ...“

„Sollte also Reno vor Schmerzen jammernd auf dich zukommen und behaupten, er sei kurz vorm Sterben, während der Präsident nicht ansprechbar ist ...“

„.... kümmere ich mich als erstes um den Präsidenten und lasse Reno links liegen“, vollendete ich seinen Satz.

Tseng nickte zackig.

„Gut, dass wir uns darüber im Klaren sind.“

Ich legte den Kopf schief.

„Ist noch was?“

„Äh, Sir. Sollte ich dann nicht langsam zu ihm gehen?“

Der Turk sah auf den Bildschirm eines Laptops, nickte und stand auf.

„Komm mit!“

Ich erhob mich ebenfalls und folgte ihm. Rufus‘ Zimmer lag am Ende des Ganges, der einmal links abbog und dort endete. Ich folgte ihm in gemessenem Abstand, wartete darauf, dass er klopfte und eintrat. Leise schloss ich die Tür hinter uns. Ein großer Korb stand neben dem Bett und enthielt etwas, was ein samtig schwarzes Fell besaß und ein kettenbesetztes Halsband trug.

‚Dark Star ...‘, dachte ich.

Die Bestie sah kurz zu uns herüber und mir schien, dass sie mich ziemlich lange ins Auge fasste.

„Sir, es wird Zeit für deine ...“

„Sshht, Tseng, ich arbeite“, unterbrach Rufus ihn.

Der Turk ließ sich nichts anmerken, nickte mir zu und setzte sich auf einen Stuhl an der Wand. Das war dann wohl jetzt der Moment, wo von mir der medizinische Hokuspokus erwartet wurde. Doch anstatt zur Tat zu schreiten, besah ich mir die Szenerie.

Rufus befand sich in einem riesigen Bett, seine Haltung war eine Mischung aus Liegen und Sitzen. Auf dem Schoss hatte er einen Laptop, in den er frenetisch hinein tippte. Er trug ein dunkelgraues Hemd, das er nicht zugeknöpft und an den Ärmeln hochgekrempelt hatte. Darunter hatte er einen Verband. Jemand hatte ihm zwei Zugänge gelegt, einen über den linken Ellbogen, den anderen über die rechte Hand. Der Kopfverband samt Augenklappe, den ich von Advent Children kannte, fehlte komplett. Die wenigen Stellen seiner Haut, die ich sehen konnte, waren ebenfalls nicht dunkel vernarbt, was ich als gutes Zeichen wertete. Warum Tseng behauptete, dass er trotz des Verbandes keine Verletzungen hatte, war mir schleierhaft. Warum trug er einen Verband, wenn ihm äußerlich nichts fehlte?

Ich trat ans Bett heran und sah auf meinen Patienten hinab. Rufus ignorierte mich. Um Zeit zu gewinnen, prüfte ich den Stand der Infusionen. Eine erkannte ich als Sauerstoff, sie war bald leer. Bei der anderen schnippte ich leicht gegen den kleinen Behälter, der die Dosierung steuerte.

„Sir, wie geht es dir?“, fragte ich ihn schüchtern.

„Gut“, meinte er nur und tippte weiter.

Ich ließ meinen Blick durch das Zimmer schweifen. Dabei fiel mir ein Tablett mit einem leeren Teller auf.

„Fühlst du dich müde?“

Er schüttelte leicht den Kopf. Ich zog eine Augenbraue hoch und sah zu Tseng hinüber. Der Turk sah mich durchdringend an. Unschlüssig stand ich da und überlegte. Dass Rufus mich anschwindelte, war mir auf den ersten Blick klar. Er ließ es sich nicht anmerken, aber er war zumindest abgekämpft, hatte eine blasse Gesichtsfarbe. Ein leichter Schweißfilm zierte seine Stirn. Und er hatte nie in seinem Leben schwach erscheinen wollen. Sein Leiden der vergangenen zwei Jahre, der Rollstuhl, sein geschwächter Zustand jetzt; all das musste eine seelische Tortur für ihn sein. Und doch blieb er standhaft, gewährte sich keinen Moment der Schwäche.

‚Und eine Dusche hast du nötig‘, dachte ich, als mein Blick auf seine stumpfen Haare fiel.

Ich bedeutete Tseng per Hand, mir auf den Gang zu folgen. Er stand auf und wir traten aus dem Zimmer. Rufus ignorierte uns. Der Turk sah mich erwartungsvoll an.

„Sir, es ist nicht gut, wenn er seinem Körper keine Pausen gönnt.“

Tseng verschränkte die Arme, antwortete aber nicht. Verlegen sah ich zur Seite.

„Du wirst ihn nicht dazu bekommen, eine Pause zu machen.“

Ich unterdrückte ein Grummeln.

„Genau das wäre in seinem Zustand aber gut für ihn. Hast du ihn dir mal angeschaut?“

„Was?“

„Er lässt es sich nicht anmerken, aber er ist körperlich am Ende. Blasses Gesicht, Schweißfilm auf der Stirn ... Euch muss doch bewusst sein, dass er noch unter den Folgen von Geostigma leidet, auch wenn der Regen ihn geheilt haben mag. Ein Körper regeneriert sich nicht so schnell und er war lange und stark davon betroffen.“

Der Turk seufzte.

„Was ist?“, fragte ich ihn rundheraus.

„Wir haben das schon mehrmals besprochen, das weißt du.“

Wusste ich nicht, aber das band ich ihm nicht auf die Nase. Vermutlich hatte auch Tseng schon mehrmals mit Rufus über seinen Gesundheitszustand gesprochen und mehr als eine Abfuhr erhalten. Ich ließ die Schultern hängen.

„Dann weiß ich aber nicht, wie ich ihm helfen soll. Wenn er so weitermacht, fürchte ich, dass er uns früher oder später zusammenklappt.“

„Was schlägst du vor?“, fragte Tseng höflich.

„Einen klar definierten Tagesablauf mit geregelten Zeiten, zu denen er arbeiten darf und Pausen machen muss. Ich würde ihm ja raten, nach dem Mittagessen ein Schläfchen zu halten. Oder den Laptop wegzulegen, während er isst. ... Und nachmittags einen Spaziergang, damit er an die Luft kommt.“

„Swanson, er ist kein kleines Kind. Er ist der Präsident einer immer noch sehr einflussreichen Firma.“

Ich hätte dazu einiges zu sagen gehabt, schluckte es aber hinunter.

„Na schön, es muss ja kein langer Spaziergang sein. Und abends sollte er zeitig zu Bett gehen.“

„Sonst noch was?“

„Nein. Aber euch muss bewusst sein, dass ich ihm nicht helfen kann, wenn er sich nicht helfen lassen will. Hätte er ein Burn-Out, würde es auch niemandem nützen. Wer könnte ihn denn vertreten? Du etwa?“

Tseng ließ sich nun doch zu einem Seufzen hinreißen.

„Gut, ich rede noch mal mit ihm. Aber versprich dir nicht zu viel davon.“

Ich nickte zufrieden.

„Und nun?“, fragte ich ihn.

„Geh wieder zurück an die Arbeit. Je nachdem, wie der Bluttest ausfällt, habe ich vielleicht schlagfertigere Argumente, als letztes Mal.“

Ich musterte ihn einen Moment lang.

„Mir wäre es fast lieber, wir hätten andere Gründe“, meinte ich leise.

Nun ließ der Turk die Schultern hängen.

„Na schön, wir sehen uns später.“

Tseng straffte sich, machte kehrt und ging wieder in Rufus‘ Zimmer. Ich machte mich zurück auf den Weg in den Gesundheitsbereich. Wurde Zeit, dass ich mich um diesen Bluttest kümmerte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
1. Gemütlich gammelst du auf der Couch, im DVD Player läuft Advent Children, dein Lieblingsfilm. So oft geguckt aber immer wieder ein geiles Erlebnis! Allerdings fallen dir immer wieder Augen zu und du schläfst bald ein.
2. Als du wieder aufwachst, findest du dich wieder in einem sehr sterilen Raum wieder. Du trägst einen weißen Kittel und findest ein Namesschildchen. Dein Name lautete: Elliot Swanson, du bist Krankenpflegerin und angestellt in Shin-Ra.
3. Schaust du dich im Zimmer um, entdeckst du einige Dinge:
Akten der Turks und des Präsidenten: Du scheinst dich um die Gesundheit der Turks und des Präsidenten zu kümmern. In den Akten stehen die verschiedesten Verletzungen. Rude und Reno ihre Akten sind am dicksten. Dir ist klar wieso: Die Beiden verletzten sich am häufigsten. Tseng und Elena weniger. Die Akte von Rufus ist auch dick - schaust du hienin, entdeckst du den Grund: Seine Gesundheit ist angeschlagen, auch wenn er fit erscheint.
Einige Schlüssel: Keine Ahnung wozu diese Schlüssel gut sind, doch sie sind wichtig. Das weißt du.
Eine Schlüsselkarte: Du weißt das diese Karte als Schlüssel fungiert. Du kannst damit Türen öffnen aber nicht alle.
4. Erkunde das Zimmer, welches dich an ein modernes Krankenhaus erinnert.
5. Nach etwa einer Stunde wird Tseng dich aufsuchen. Er wird professionell mit dir umgehen und dir kurz den Gesundheitszustand von Rufus durchgeben. Rufus geht es nicht gut, trotz der Reinigung im Regen. Körperliche Wunden hat er keine, das hat der Turk geprüft. Er frägt dich nach den Ergebnisssen des Testes, die du nicht kennst. Tisch Tseng eine Lüge auf, die glaubhaft genug ist um dem Wutainesen zu erzählen.
6. Tseng wird gehen und dich an folgendes erinnern: Rufus wird nach dem Mittagessen auf dich warten. Im Zimmer, er wird dich dorthin begleiten. Such ihm in seinem Büro davor auf, das ist eine klare Anweisung.
7. Finde heraus welche Uhrzeit es ist! (Es ist 11:35 Uhr)
8. Such das Büro der Turks! Auf den Weg dahin wirst du Reno treffen, der vor einem Automaten steht und dagegen tritt. Er wirkt genervt und möchte die Wasserflasche daraus. Auch wenn dir nicht klar ist woher, korrigiere Reno! Sein Bein ist bestimmt nicht verheilt!
9. Reno und du beginnt miteinander zu sprechen - frag ihn subtil aus. Er wird dir erzählen, nachdem Cloud wieder einmal Sephiroth besiegt hat, Shin-Ra nicht gerade beliebt ist, ganz im Gegenteil. Sie haben hart um ihren Ruf zu kämpfen, das nervt ihn. Cloud wäre super für Shin-Ra, doch jedes Gespräch mit dem Blonden ist zwecklos! Er wird dir vom heilenden Regen erzählen - damit ist dir klar in welcher Zeitlinie du bist.
10. Besuche Tseng im Büro. Reno begleitet dich dorthin, doch wird harsch von Tseng angewiesen zurück an die Arbeit zu gehen und kein Begleitschutz zu spielen. Danach wird Tseng sich mit dir unterhalten. Frag ihn genauer nach deine Aufgaben, die du nicht wissen kannst! Er wird dich aufklären: Du bist in Shin-Ra angestellt und dienst dem Präsidenten als Pflegekraft. Auch ihn und seinen Turks dienst du mit deinem medizinischen Wissen. Du bist zwar in Shin-Ra angestellt, doch Rufus und er haben dir Befehle zu erteilen. Elena, Reno und Rude nicht. Bei den beiden Letzteren macht er es noch deutlicher.
11. Besuche Rufus im Zimmer, Tseng begleitet dich. Dieser liegt sitzt und liegt halbwegs in einem recht großen Bett. Mehrere Tröpfe sind angeschlossen und der Mann arbeitet über seine Computer, das siehst du sofort. Tseng wird euch nicht alleine lassen, scheinbar vertaut er dir noch nicht ganz.
12. Versuche dich ein wenig um Rufus zu kümmern. Er hat zwar gegessen, doch er sieht erschöpft aus. Irgendwas scheint seine Kraft zu rauben. Komplett anzeigen

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