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The fragrant Flower

von

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Akelei


 

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An diesem Tag hatten die beiden noch lange beieinander gelegen, sich einfach nur berührt und angeschaut und kaum ein Wort gewechselt. Während Milo noch immer zu verstehen versuchte, was genau geschehen war und welche Auswirkung diese Veränderung auf seine Zukunft haben würde, sah Fenin wie der glücklichste Mensch – oder eben Dämon – auf Erden aus. Seinen zufriedenen Ausdruck zu sehen stimmte den Mann mindestens genauso glücklich. Für diese wenigen Stunden hatte er die Außenwelt vollkommen vergessen. Ihn interessierte weder der tobende Schneesturm noch die eisige Kälte, wovor die Kugel aus dicken Wurzeln sie schützte. Am liebsten wäre er noch länger so bei dem anderen liegen geblieben, doch sein knurrender Magen erinnerte ihn schließlich an seine menschlichen Bedürfnisse. Milo hätte ihn einfach ignoriert, nicht aber Fenin.

„Du hast Hunger. Es ist schon spät geworden, ich werde etwas jagen gehen.“ Fenin war bereits drauf und dran aufzustehen, als Milo ihn am Arm zurückhielt. So sehr er sich die letzten Wochen gescheut hatte den anderen anzufassen, nutzte er nun jede Gelegenheit, um ihn zu berühren. Mit einem Mal waren sämtliche Hemmungen von ihm abgefallen.

„Es ist okay, lass uns später zusammen etwas suchen.“ In Wirklichkeit schmerzte sein Magen bereits vor Hunger. Doch er wollte nicht, dass diese Zweisamkeit endete.

„Es wäre mir neu, dass du von Luft und Liebe leben kannst“, scherzte Fenin in einem zweideutigen Tonfall, der Milo etwas Blut in den Kopf schießen ließ. „Ich habe auch Hunger.“ Etwas widerstrebend ließ er den Dämon schließlich los und schaute unzufrieden dabei zu, wie er sich bekleidete. Milo hingegen machte keine Anstalten neben seiner Unterwäsche noch etwas anzuziehen. Fenin würde ihn sowieso nicht mitkommen lassen und im Freien würde er mit Gewissheit nicht warten. Er hatte für heute genug gefroren und war ganz zufrieden mit der angenehmen Temperatur hier drinnen.

„Was soll ich machen?“, fragte er trotzdem. In erster Linie, um sein Gewissen zu beruhigen. Fenin musterte ihn kurz, ehe er vor ihm in die Hocke ging und zärtlich über die Wange streichelte.

„Keinen Unfug. Ich werde schnell zurück sein.“ Milo wollte die Lippen schürzen, doch Fenin durchkreuzte sein Vorhaben indem er eben diese mit seinen eigenen bedeckte. Es war nur ein kurzer Kuss. Doch er war derart gefühlvoll, dass Milos Herzschlag sich wieder beschleunigte. „Soll ich den Eingang wieder verschließen?“ Ohne zu zögern nickte der Mann. Anfangs hatte er sich nicht einmal in dieses lebende Versteck getraut und nun ließ er sich freiwillig darin einsperren.

Als Fenin ging strömte für einen kurzen Augenblick kalte Luft ins Innere, was den nur halb bekleideten Mann sofort unter seinen Umhang schlüpfen ließ. Doch neben der Kälte kam auch Tageslicht hinein. Milo hatte hier drinnen sein Zeitempfinden verloren, doch anscheinend war es noch nicht so spät, wie er vermutet hatte. Oder aber es war deutlich mehr Zeit vergangen und sie hatten bereits den nächsten Tag. Im Endeffekt interessierte es ihn aber nicht wirklich. Etwas anderes hatte seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Der Boden war mit verwelkten Blütenblättern bedeckt. Unweigerlich fragte sich der Mann, wann das geschehen war. Offensichtlich war Fenin dafür verantwortlich.

Noch in der selben Nacht nahm Milo seinen Mut zusammen und wagte einen weiteren Schritt. Den restlichen Abend hatten sie sich wie immer verhalten, als wäre nichts gewesen. Fenin ging zwar entspannter mit ihm um, doch er befürchtete, dass er lange auf weitere Veränderungen warten würde, wenn er es dem anderen überließ. Nachdem sie sich ins Innere der Wurzeln zurückgezogen hatten, setzte sich Milo absichtlich dicht neben den Dämon. Er hatte keine sexuellen Absichten, er wollte Fenin, nachdem dieses letzte Hindernis zwischen ihnen auch verschwunden war, einfach nur nah sein. Er wollte dieses atemberaubende Gefühl noch mehr auskosten. Im Dunkeln konnte er spüren, wie sich Fenin ihm augenblicklich zuwandte, was ihn in seinem Handeln bestärkte.

„Woher dein plötzlicher Sinneswandel?“ Fenins Stimme war so nah an seinem Ohr, dass sich die Haare an seinen Armen aufstellten.

„Kein Sinneswandel. Nur ein Missverständnis.“ Und seine eigenen Gedanken, die ihm so lange im Weg gestanden hatten. Vorsichtig, als könnte er den anderen dabei verletzen, legte Milo seinen Kopf auf dessen Schulter ab.

„Und du meinst es ernst?“ Hätte Fenin sich bei dieser Frage nicht an ihn geschmiegt, wäre Milo mehr als empört über sie gewesen. So aber erkannte er seine Unsicherheit, die ihn in der Hinsicht freute, dass sie den anderen deutlich menschlicher erscheinen ließ. Fenin ließ so selten seine Gefühle durchscheinen, dass der Mann kaum wusste, was wirklich in ihm vorging.

„Dreimal darfst du raten“, entgegnete Milo einfach. Er würde sich sicher nicht aus Spaß mit einem männlichen Dämon einlassen. Bei diesem Gedanken musste er den Kopf über sich selbst schütteln. Es klang so unrealistisch. Und doch hatte er Fenin hier an seiner Seite sitzen und könnte sich damit nicht glücklicher fühlen.

„Es tut mir leid, ich kann es noch nicht so recht glauben. Das kam vorhin doch etwas unerwartet.“ So oft Schmunzeln wie an diesem Tag hatte er den Dämonen noch nie gehört, doch es stimmte Milo definitiv fröhlich.

„Du kannst es ruhig glauben.“ Milo konnte nicht anders, als dem anderen spielerisch in die Schulter zu beißen.

„Darf ich mich noch einmal versichern?“ Wie hätte Milo bei dieser Frage ablehnen können? Ehe er sich versah, küssten sie sich bereits. Die Ruhe, die eben noch seinen Körper ausgefüllt hatte, war vergessen. Stattdessen schlug sein Herz Purzelbäume und sein Verstand schaltete sich ab, als er neben den zärtlichen Berührungen, die schnell wilder wurden, Fenins verführerischen Geruch einsog. Mit einer sanften Bestimmtheit presste er ihn gegen die Wand.

In dieser Nacht fanden sie beide nur wenig Schlaf.
 

Die nächsten Tage reisten sie noch unbestimmter umher. Das Wetter war wieder besser geworden, die starken Schneestürme hatten nachgelassen und dennoch legten sie mehr Pausen ein, als notwendig gewesen wären. Sie wollten keinen bestimmten Ort erreichen, sie genossen einfach die Zeit, die sie miteinander verbrachten. Milo hatte sich schnell mit der neuen Situation angefreundet. Nicht nur waren seine Ängste und Zweifel verflogen, seine neue Beziehung zu Fenin tat ihm merklich gut. Er fühlte sich derart wohl in der Gegenwart des anderen, dass er nicht wusste, wie er diese Gefühle jemals hatte leugnen können. Nie hatte er sich auch nur ansatzweise so in der Gegenwart eines anderen Menschen gefühlt.

Auch war dem Mann schnell aufgefallen, dass Fenin absolut unterwürfig ihm gegenüber in jeglicher Hinsicht war. Anfangs hatte ihn diese Erkenntnis etwas irritiert, da er von Fenin als Dämon etwas anderes erwartet hätte. Probleme hatte er aber keine damit. Bereits bei ihrem ersten Mal hatte es Milo mehr als gefallen, die führende Hand zu haben. Seine Gedanken schweiften zu all den vergangenen Nächten ab, in denen sie sich nah gewesen waren. Manchmal hatte er das Gefühl, dass es fast zu viel war. Doch jede Nacht, wenn sie erneut zusammen in dem engen Unterschlupf waren, konnte keiner von ihnen die Hände bei sich behalten. Ein Lächeln huschte über Milos Lippen und ein Hauch von violett durch sein Blickfeld. Die Schmetterlinge waren alleine in den letzten Tagen deutlich häufiger aufgetaucht, als in all seinen Lebensjahren davor. Er wusste längst, dass es mit Fenin zusammenhing, doch die wahre Ursache würde ihm wohl für immer verborgen bleiben.

Mit einem Blinzeln war das Insekt, dem Milo hinterhergeschaut hatte, wieder verschwunden. Stattdessen blieb sein Blick an Fenin hängen, der ihn sanft, fast unmerklich anlächelte. Milo konnte nicht anders, als das Lächeln zu erwidern. Die friedliche Stimmung wurde jäh beendet, als eine dritte Person auf die Lichtung trat, die sie gerade überquerten.

„Wie erbärmlich.“ Die Stimme des Fremden war voller Verachtung und zog die Aufmerksamkeit der beiden auf sich. Milo hob reflexartig seinen Stab vor sich, als er ein Brennen unter seinem Umhang bemerkte. Es war der Talisman, den Falamir ihm zur Warnung vor bösen Absichten gegeben hatte. Ein Blick auf den anderen genügte, dass er sich im nächsten Moment vor dem Haus seiner Eltern wiederfand, das lichterloh brannte. Die gelben Augen waren alles, was er sehen musste, um zu wissen, wer ihm hier gegenüberstand. Sie würde er immer wieder erkennen. Verfolgten sie ihn schließlich seit seiner Kindheit. Doch dieses Mal war es kein Traum. Das lange, feuerrote Haar und die vier daraus wachsenden Hörner waren echt.

Dieser Dämon, der Dämon, der ihm seine Familie geraubt und sein Leben zur Hölle gemacht hatte, stand nun wirklich vor ihm. Seit damals hatte er sich vorgestellt, wie es sein würde, ihn endlich zu finden. Rache zu nehmen. Er hatte nie die Hoffnung aufgegeben, bei seiner Bestimmung diese Welt von den Monstern zu befreien, diesem einen über den Weg zu laufen. Dass sie sich nun hier trafen war vermutlich eher Zufall, trotzdem würde Milo seine Chance wahrnehmen. Entschlossen hob er seinen Stab höher. Den Stab, der seinem Vater gehört hatte. Den er stets wie seinen Augapfel gehütet und nicht einmal seine Söhne hatte anfassen lassen. Den Milo damals als einziges Andenken in der Asche seines einstigen Zuhauses gefunden hatte. Zu dem Zeitpunkt war er sich sicher gewesen, dass dieser Stab etwas ganz besonderes war, hatte er immerhin das Feuer überstanden. Und er hatte sich geschworen mit dieser Waffe Rache zu nehmen, alleine um seinen Vater zu ehren.

„Du widerwärtiger Abschaum. Es war ein Fehler, dich hier zu zeigen. Ich werde dich vernichten!“ Ungeachtet der Tatsache, ob er eine reelle Chance gegen diesen Dämon hatte, stürzte er sich auf ihn. Wenn er nun kneifen würde, wäre alles bisherige umsonst gewesen. Jedoch kam Milo nicht weit, da er nach nicht einmal einem halben Schritt zurückgehalten wurde. Fenin hatte einen Arm um ihn gelegt und verhinderte so, dass er sich in sein Verderben warf.

„Milo! Er ist zu stark für dich“, redete Fenin sogleich mit eindringlicher und doch ruhiger Stimme auf ihn ein.

„Das ist mir egal! Er hat meine Familie getötet. Er hat mein Zuhause abgebrannt. Er hat mir alles genommen, was ich hatte und dafür werde ich mich rächen!“ Der Fremde stand nur wenige Meter von ihnen entfernt, so dass Milo das verächtliche Funkeln in dessen gelben Augen nicht entging. Mit einem provozierenden Grinsen legte der Dämon seine spitzen Zähne frei und brachte Milo so nur noch mehr in Rage.

„Also willst du genauso sinnlos sterben? Ist das die Rache, die du anstrebst? Ist es dir auch egal, wenn ich danach alleine zurückbleibe?“ Fenins letzte Frage brachte den Mann tatsächlich zum Stutzen, trotzdem schüttelte er entschlossen den Kopf.

„Es tut mir leid, Fenin. Aber wenn ich jetzt nicht alles gebe, dann werde ich es mein Leben lang bereuen. Ich habe genug Jahre des Leidens hinter mir, ich habe nichts mehr zu verlieren.“ Ihm entging nicht der verletzte Ausdruck in den Augen des anderen. Milo tat es leid ihn zu kränken, doch von dieser Entscheidung würde Fenin ihn nicht abbringen können.

„Ich werde nicht zulassen, dass du einen sinnlosen Tod stirbst. Nicht solange ich es verhindern kann. Wir können ihn auch zusammen bekämpfen, ohne diese Selbstmordaktion.“ Auch wenn an Fenins Worten etwas wahres dran war, so gefielen sie Milo nicht. Immerhin wollte er derjenige sein, der dieses Monster zur Strecke brachte. Doch Fenins ruhige Stimme besänftigte ihn mindestens genauso sehr, wie die Nähe, die er noch immer zu ihm hatte. Der Griff des Dämons hatte sich nicht im Geringsten gelockert.

„Schau an was aus dir geworden ist, Fenin“, mischte sich der Fremde in ihre Unterhaltung ein. Milo, der ihn keine Sekunde aus den Augen gelassen hatte, musterte angeekelt seine Gestalt. Während Fenin in seiner Dämonenform beinahe unscheinbar wenn nicht sogar elegant aussah, wirkte dieser Dämon wie der Teufel persönlich. Neben seinen großen Hörnern hatte er lange, rote Klauen und einen Teufelsschwanz. Trotz der eisigen Temperaturen stellte er seine muskulöse Brust zur Schau. Letztendlich blieb sein Blick aber an dem übertrieben pompösen, goldenen Schwert hängen. Es war größer als der Dämon und trotzdem sah es in dessen Händen schmächtig aus. „Ziehst mit einem Mensch umher und willst seinetwegen gegen einen alten Freund kämpfen. Hast du etwa all unsere schönen Zeiten vergessen?“ Diese Worte ließen Milo hellhörig werden. Es klang beinahe so, als würden sich die beiden kennen. Alleine schon, weil der Fremde Fenins Namen kannte. Milo löste seinen Blick von seinem Feind, um kurz zu Fenin zu schauen.

„Was meint er damit?“ Mit einem Mal hatte Milo wieder eine unbestimmte Unsicherheit in sich.

„Lass dich nicht von ihm beeinflussen.“ Während Milo nun Fenin, der ihn nach wie vor festhielt, fixierte, starrte dieser den Fremden an.

„Fenin, hast du ihm etwa nicht von deiner Vergangenheit erzählt? Was für eine Schande. Wolltest du ihn etwa für immer belügen? Lass es mich dir erklären, Milo.“ Während der Dämon die ganze Zeit über arrogant klang, spuckte er Milos Namen voller Verachtung aus. Der Mann wusste beim besten Willen nicht, was er ihm getan hatte, doch er ahnte bereits, dass seine Eltern nicht zufällig zu seinem Opfer geworden waren, sondern ihr Tod etwas mit ihrem eigenen Sohn zu tun hatte. „Du musst wissen, dass Fenin und ich schon lange gemeinsam unterwegs waren. Wir waren wirklich ein tolles Paar, zumindest solange, bis Fenin dich das erste Mal sah. Mit der Zeit entwickelte er geradezu eine Besessenheit. Es war so schlimm, dass er nicht einmal deine Seele wollte. Ich wollte ihn davon befreien, indem ich dich auslösche. Deine Familie hätte natürlich nicht sterben müssen, doch dafür hat es zu viel Spaß gemacht. Zu dumm, dass du mir entkommen bist. Wer hätte aber wissen können, dass es um Fenin so schlimm stand, dass er sich sogar gegen seinen Gefährten wandte, nur um einen nutzlosen Menschen zu retten. Du hast unsere Beziehung zerstört und dafür werde ich dich zerstören. Der Verlust deiner Familie ist nichts im Vergleich zu dem, was ich dir antun werde. Denn mit dir, Fenin, habe ich längst abgeschlossen.“ Der abgrundtiefe Hass in seiner Stimme ließ Milo die Tatsache, dass Fenins Anwesenheit damals genauso wenig Zufall gewesen war, wie der ganze Zwischenfall an sich, erst einmal vergessen. Es war mehr als deutlich, dass ein Kampf unausweichlich war. Doch nicht Milo war das Ziel dieses Dämons, sondern Fenin.



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