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The fragrant Flower

von

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Amaryllis


 

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Ein stechender Schmerz explodierte in Milos Fuß und vermischte sich mit einem wirren Traum von monströsen Frischlingen, die ihn bei lebendigem Leib fraßen. Er schreckte aus seinem Schlaf hoch, griff ohne einen klaren Gedanken zu fassen nach seinem Stab neben sich und Schlug ihn auf den Boden vor sich, wo sich die vermeintlichen Bestien befanden. Erst nach einigen Augenblicken klärte sich sein Blick und ihm wurde bewusst, was eigentlich geschehen war. Vor ihm kniete Fenin, der allem Anschein nach an seinem Fuß zugange gewesen war, auf dem Boden und schaute ihn mit aufgerissenen Augen an. Keine Handbreite neben ihm hatte sich der Hirtenstab in den lehmigen Boden gegraben. Milo atmete tief aus, ließ den Stab los und sackte wieder gegen die Wand.

„Habe ich dir weh getan?“ Fenin zog sich zurück und warf ihm einen entschuldigenden Blick zu. Milo verzog seine Lippen.

„Schon gut. Ich sollte mich entschuldigen, ich wollte Euch nicht angreifen.“ Sein Blick richtete sich wieder auf Fenin, der keineswegs nachtragend aussah. Dann wanderte er zu seinem Fuß. Der Mann hatte die Kräuter gewechselt. „Habt Ihr Ahnung davon?“ Er nickte zu seinem mittlerweile blau geschwollenem Knöchel. Kräuter konnte sich jeder besorgen, der nur etwas Geld oder vergleichbares von Wert hatte. Das bedeutete aber noch lange nicht, dass man auch wusste, wie man eine Wunde behandelte.

„Mit diesen Kräutern kann man nie etwas falsch machen.“ Was in Milos Ohren nach: 'Ich habe keine Ahnung', klang. Er seufzte innerlich, nahm es dem anderen aber nicht übel. Schließlich wolle er ihm nur helfen.

„Ich hoffe Ihr habt etwas Zeit auf Eurer Reise.“ Milo brauchte seinen Knöchel nicht einmal zu belasten um die Schmerzen zu spüren, damit würde er nicht schnell voran kommen. Ganz zu schweigen davon, was geschah, wenn sie von einer Bestie oder schlimmerem angegriffen wurden. So konnte er unmöglich ordentlich kämpfen.

„Ich habe es nicht eilig, du musst dich also nicht meinetwegen hetzen.“ Zwar war es nett von Fenin, dass er ihn nicht unter Druck setzte, trotzdem konnten sie nicht hierbleiben. Alleine schon, weil ihnen die Nahrung ausging

„Nicht Euretwegen, ich möchte aber auch nicht verhungern. Oder wollt Ihr mit dem Keiler dort draußen Vorlieb nehmen?“ Er stellte die Frage nur, um den anderen zu testen. Selbst wenn er das Fleisch essen wollen würde, würde Milo nicht hierbleiben und es zulassen. Fenin verzog jedoch unmerklich sein Gesicht.

„Bestienfleisch? Du als Jäger solltest wissen, dass es sich negativ auf des Gemüt auswirkt.“ Zumindest schien der Mann etwas Ahnung zu haben. Milo zuckte mit den Schultern.

„Deswegen brechen wir gleich auf.“ Voller Entschlossenheit versuchte er aufzustehen, musste sich aber eingestehen, dass es nicht so einfach ging.

„Warte!“ Mit einem Satz war Fenin neben ihm und drückte seine Schultern wieder sacht nach unten. „Lass mich erst deinen Fuß verbinden.“

War Milos Knöchel schon zuvor so geschwollen gewesen, dass er kaum in seinen Stiefel passte, so funktionierte es mit dem ordentlichen Verband noch weniger. Er löste die Schnürsenkel seines linken Schuhs soweit es möglich war und zwängte seinen Fuß hinein. Glücklicherweise schienen die neuen Kräuter eine betäubende Wirkung zu haben, so dass es erträglich war. Nachdem sie ihre Mäntel wieder übergezogen hatten, verließen sie die Hütte und kehrten zu dem Trampelpfad zurück, um ihre Reise fortzusetzen. Der Regen hatte eine Pause eingelegt, doch am Himmel hingen noch bedrohlich dunkle Wolken.
 

Je länger sie unterwegs waren, desto langsamer kam Milo voran. Mit jedem Schritt bei dem er seinen Stab als Stütze nutzte wurde der dumpfe Schmerz in seinem Knöchel etwas stärker. Der schlammige, rutschige Boden machte es ihm dabei nicht gerade leichter. Nicht nur einmal war er ausgerutscht und hatte sich mit einem schmerzhaften Ausfallschritt vor einem Sturz retten müssen. Fenin währenddessen lief die ganze Zeit über hinter ihm, ohne sich auch nur mit einem Wort über das Tempo zu beschweren. Gelegentlich warf Milo sogar einen Blick zurück, um zu überprüfen, ob der Mann überhaupt noch da war.

Am späten Nachmittag konnten sie über den Wipfeln der Bäume vor ihnen Rauch ausmachen, was auf das nächste Dorf hindeutete zu dem dieser Weg führte. Er sah nicht so aus, als wurde er allzu oft genutzt, doch da er vorhanden war musste er auch irgendwo hinführen, was für die Dorfbewohner von Interesse war. Es war nicht unüblich, dass so kleine Ortschaften mit ihren nächsten Nachbarn von Zeit zu Zeit Tauschhandel betrieben. Milo atmete erleichtert auf. Rauch bedeutete, dass es dort Menschen gab. Und wo Menschen lebten, da gab es auch Nahrung und Schlafplätze.

In der Ortschaft angekommen wurden sie empfangen wie überall sonst auch, mit misstrauischen Blicken und getuschelten Worten. Verständlich, gab es neben Bestien und Dämonen auch genügend Menschen die nichts gutes im Sinn hatten. Milo hatte sich längst daran gewöhnt. Hätte er nicht so starke Schmerzen gehabt, hätte er gelächelt und Blickkontakt gesucht. So aber hatte er seinen Blick leicht gesenkt und konzentrierte sich darauf, nicht auszurutschen.

„Edler Herr, edler Herr!“ Die Stimme gehörte einem jungen Mädchen, das auf sie zugeeilt kam. Milo brauchte einen Augenblick um zu begreifen, dass sie Fenin meinte. Natürlich trug er im Vergleich zu dem Mann keine so noble Kleidung, aber er hatte auch nicht gerade Lumpen an. Dass er einfach so übergangen wurde kratzte etwas an seinem Ego. Trotzdem blieb er stehen, als sie bei ihnen angekommen war und musterte sie. Sie hatte langes, blondes Haar, das unordentlich in einen Zopf geflochten war, ein schmutziges Gesicht und war noch nicht in einem Alter, in dem man Männer umwarb. In ihren Händen hielt sie einen Korb mit frischem Obst, welches ihr eigentliches Anliegen deutlich machte. „Bei mir bekommt Ihr leckere und frische Früchte.“ Geradezu aufdringlich streckte sie ihm den Korb entgegen.

Milo entging nicht der herablassende Blick, mit dem Fenin das Mädchen betrachtete. Mit einem Mal schien er ein anderer Mann zu sein, als der, den er kennen gelernt hatte.

„Was möchtest du dafür haben?“ Eigentlich war Milo kein Freund davon, etwas von Kindern zu kaufen, doch er wollte die Situation etwas lösen und sah dies außerdem als Möglichkeit mit den Einheimischen ins Gespräch zu kommen. Erst jetzt wandte sich ihm das Mädchen zu.

„Ihr müsst mir helfen, meinen Vater zu finden.“ Silber hätte Milo ihr anbieten können, doch was sollte ein Mädchen an einem Ort wie diesen damit schon anfangen? Normalerweise hätte er auch eine solche Suche nicht abgelehnt, doch mit seiner Verletzung würde das nichts bringen, das war ihm klar.

„Deinen Vater?“, fragte er dennoch nach.

„Er ist vor einer Woche in den Wald gegangen um Kräuter für meine Mutter zu sammeln, aber er ist seitdem nicht zurückgekommen. Meine Mutter ist krank und wir brauchen ihn.“ Ihr Ton war flehend.

„Was ist mit den anderen hier, haben sie nicht nach ihm gesucht?“

Sie schüttelte dem Kopf und sprach dann weiter: „Sie haben den ersten Morgen nach seinem Verschwinden nach ihm gesucht. Aber als sie ihn nicht finden konnten, meinten sie er wäre selbst Schuld, wenn er wegen so etwas in den Wald gehen würden. Es ist Herbst, jeder hier ist mit seinen eigenen Sachen beschäftigt. Bitte, Ihr müsst ihn suchen.“ Milo nickte nur, während er ihr aufmerksam zuhörte. Es war nicht das erste Mal, dass er mitbekam, dass Kräuter beim einfachen Volk als Heilmittel verpönt waren.

Zu gerne würde er ihr helfen, weswegen er einen hilfesuchenden Blick zu Fenin warf, der schweigend neben ihm stand und ihn bereits anschaute. Sein knappes Nicken ermutigte Milo weiterzusprechen, auch wenn er den anderen noch nicht lange genug kannte, um sicher zu sein, dass dieser sein Anliegen auch wirklich verstanden hatte.

„Auch wenn ich es gerne würde, so kann ich dir nicht helfen.“ Er deutete auf seinen Fuß, den er leicht gehoben hatte, um ihn nicht zu belasten. „Ich bin verletzt und nicht gut zu Fuß.“ Kurz schaute sie auf seinen Fuß, verzog die Lippen und deutete dann auf Fenin.

„Er kann laufen. Warum kann er nicht suchen?“ Nachdem Fenin kein Wort mit ihr gewechselt und sie auch nicht sonderlich freundlich angeschaut hatte, war nun anscheinend Milo ihr Ansprechpartner. Gerade als dieser zu einer Antwort ansetzen wollte, begann Fenin doch mit ruhiger Stimme zu sprechen.

„Ich werde gehen.“ Während sich das Gesicht des Mädchens mit einem Schlag aufhellte, schaute Milo ihn überrascht und besorgt an.

„Seid Ihr euch sicher? Es ist gefährlich in den Wäldern.“ Besonders wenn bereits jemand vermisst wurde. Er kannte Fenin erst seit gestern, trotzdem wollte er nicht, dass ihm etwas zustieß. Generell wollte er nicht, dass irgendjemand durch diese Monster Schaden nahm.

„Dann gib mir deinen Stab mit.“ Fenins Aufforderung klang nur halbherzig, dennoch brachte sie Milo ins Stocken. Dieser Stab war ein Familienerbstück, das er nicht so einfach herausgeben konnte. Trotzdem, oder gerade deswegen fühlte er sich schuldig so egoistisch zu sein. Noch bevor er über die passenden Worte nachdenken konnte, wandte sich Fenin ab und ging. Scheinbar waren seine Worte nur so dahergesagt gewesen. Das Mädchen folgte ihm freudestrahlend.

„Da hinten ist er in den Wald gegangen. In diese Richtung.“ Während sie die Männer zum Waldrand führte, entbrannte in Milos Kopf ein Zwiespalt.

Fenin hatte ihm das Leben gerettet, wie konnte er da jetzt so engstirnig sein? Aber wenn dem anderen dennoch etwas zustieß oder er noch schlimmer das Weite suchte, wie groß standen dann schon die Chancen, dass er seinen Stab jemals wiedersah? Warum nur war er verletzt worden? Es hätte alles so viel einfacher sein können.

Als sie am Waldrand zu stehen kamen, wollte Milo sich erklären: „Fenin, ich -“

„Du brauchst ihn“, unterbrach der Mann ihn ohne eine Miene zu verziehen. „Ich war lange genug alleine unterwegs und lebe noch, mach dir keine Gedanken.“ Er holte etwas aus seinem Beutel und drückte es ihm in die Hand. „Bis Sonnenuntergang bin ich zurück.“

Milo wollte widersprechen, ihn von diesem Wahnsinn abhalten, doch der Mann hatte sich bereits umgedreht und war zwischen den Bäumen verschwunden. Am liebsten wäre er ihm hinterhergerannt, doch die Schmerzen in seinem Fuß hielten ihn davon ab. Stattdessen ärgerte er sich über sich selbst, während er die aufkommenden Sorgen zu unterdrücken versuchte. Zur Ablenkung fiel sein Blick auf das Objekt, das Fenin ihm gegeben hatte. Ein kleines Bündel aus Stoff. Er musste es nicht öffnen, um zu wissen was sich darin befand. Er wandte sich dem Mädchen zu, in dessen strahlendes Gesicht sich nun auch etwas Sorge gemischt hatte.

„Kannst du mich zu deiner Mutter bringen?“ Er wusste nicht, was die Frau hatte. Doch wenn sie Kräuter brauchte, dann konnte er ihr hiermit hoffentlich helfen.



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