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Zweifel

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Zweifel
 

Eine Geschichte von Regenwetter, Schlafmangel und Feiglingen
 

Irritiert runzle ich die Stirn und öffne meine Augen einen winzigen Spalt breit. Etwas hat mich geweckt. Ich brauche einen Moment, ehe ich das leise, aber vor allem penetrante Geräusch meinem summenden Handy zuordnen kann, das irgendwo in meinem Bett vergraben ist. Murrend drehe ich mich auf den Bauch und taste blind neben mich. Es dauert eine Weile bis ich fündig werde, aber wer mich am Samstagmorgen einfach so aus dem Schlaf reißt, sollte nicht von mir erwarten, dass ich sofort ans Telefon springe.

Mit einem freundlichen „Hm?“ begrüße ich den Störenfried am anderen Ende der Leitung und lasse mich gleichzeitig zurück in die Kissen sinken. Meine Augen wollen sich sowieso nicht öffnen.

„Toshiya?“, dringt es zaghaft an mein Ohr. Ich brumme zustimmend. Wenigstens wurde ich nicht umsonst geweckt und mein telefonisches Gegenüber hatte sich nicht verwählt.

Ein leises Lachen ist zu vernehmen, das sich verdächtig nach Shinya anhört.

„Entschuldige, habe ich dich geweckt?“

Nun fühle ich mich doch genötigt, mehr als ein Brummen von mir zu geben.

„Ja… ist nicht schlimm.“ Ich seufze auf und drehe mich mühsam auf den Rücken, die Augen weiterhin geschlossen. Es ist eindeutig zu früh, ich fühle mich wie gerädert. Dabei bin ich gar nicht mal so spät ins Bett gegangen. Mit Mühe unterdrücke ich ein Gähnen.

„Ist was passiert oder warum rufst du mich so zeitig an?“

Für ein paar Sekunden herrscht Stille am anderen Ende und ich bin versucht, nachzufragen, ob Shinya noch dran ist, als ein beinahe belustigt klingendes Schnauben zu hören ist.

„Zeitig? Toshiya… ist es fast 12.“

„Oh!“ Mit einem Auge linse ich Richtung Wecker, der mir Shinyas Aussage bestätigt. Da habe ich wohl den gesamten Vormittag verschlafen. Man mag es glauben oder nicht, aber mittlerweile kommt langes Ausschlafen bei mir gar nicht mehr so häufig vor wie früher.

Ich fahre mir kurz mit der Hand über die Augen und schaue mich stirnrunzelnd um. Dafür, dass es Mittag ist, wirkt mein Schlafzimmer dennoch recht dunkel. Mühsam richte ich mich auf einem Arm auf, mit der anderen Hand Shinya am Ohr, und werfe einen prüfenden Blick aus dem Fenster, das sich direkt am Kopfende meines Bettes befindet. Alles grau in grau.

„Es regnet.“ In Strömen. Eindeutig ein Wetter, um im Bett zu bleiben.

Ich lasse mich zurück in die Kissen fallen und reibe mir erneut über die Augenlider, um so wenigstens noch etwas wacher zu werden.

„Ich weiß“, kommt es leise zurück. Für einen Moment klingt Shinya gedankenverloren, so als ob er ebenfalls aus dem Fenster schauen würde. Dann höre ich ihn kurz aufseufzen und muss automatisch schmunzeln, als ich mir vorstelle, wie er mit einer Tasse Tee auf seinem riesigen Sofa sitzt, sein Hündchen auf dem Schoß. Definitiv kein Wetter, um mit dem treuen Vierbeiner rauszugehen. Doch mein Schmunzeln verschwindet bei Shinyas nächsten Worten augenblicklich wieder: „Toshiya, dass du anscheinend gut nach Hause gekommen bist, höre ich, aber...“ Er zögert. „Wie geht‘s dir heute?“

Richtig, da war noch was… Shinya ruft selten und wenn nie ohne Grund an und auch garantiert nicht, um über das Wetter zu philosophieren oder um sich bloß nach meinem werten Wohlbefinden zu erkundigen. Jetzt bin ich es, der seufzen muss, während ich in mich hinein lausche – Shinyas erste Aussage ignorierend. Inzwischen bin ich wach, aber… tja, wie geht es mir? Gute Frage, ehrliche Antwort schwierig.

„Du warst gestern plötzlich so schnell weg…“

„Ja…“

Entgegen meiner sonstigen Art ist mir gerade überhaupt nicht nach reden zumute, so bleibe ich recht einsilbig. Was sollte ich schon groß dazu sagen? Mein Aufbruch aus der Bar muss gestern Abend wirklich überstürzt gewirkt haben.

Langsam richte ich mich völlig auf und lehne mich seitlich gegen das Kopfende, lasse meinen Blick nach draußen gleiten. Irgendwie passt das trübe Wetter zu meiner Stimmung. Während ich dem gleichmäßigen Rauschen des Regens lausche, herrscht am anderen Ende der Leitung Schweigen. Das muss man Shinya lassen: er ist für gewöhnlich kein besonders toller Redner. Gespräche sind deshalb mit ihm meist entweder sehr anstrengend oder wie jetzt recht angenehm, da er einen zu nichts drängt und nie unterbricht… wobei er manchmal einfach gar nicht redet und nur zuhört. Ich lächle leicht, als ich von Neuem an seine – für andere nicht immer offensichtliche – fürsorgliche und aufmerksame Art denken muss. Wenn ihm alles egal wäre, hätte er mich auch nicht angerufen.

Ich wechsle das Handy in die andere Hand, damit ich meinen Kopf besser auf meinen Unterarm legen kann, welcher auf dem Kopfende meines Bettes ruht. Für einen Augenblick schließe ich die Augen, gleichzeitig kommen die Bilder des gestrigen Abends zurück, die der Schlaf nicht wie erhofft, verschwinden lassen konnte. So viele Leute, laute Musik und Gelächter und…

Ich reiße die Augen auf, mein Herz stolpert. Nicht gut.

„Toshiya?“ Die sanfte Stimme an meinem Ohr holt mich zurück in die Gegenwart und mir wird bewusst, dass ich Shinya noch eine Erklärung schuldig bin.

„Ich…“, setze ich an, muss mich allerdings räuspern, da ich mit einem Mal heiser bin.

„Ich musste gestern weg… Mir ging es nicht gut.“

Lahme Begründung und dennoch wahr.

„Willst du darüber sprechen?“

Will ich das? Je länger ich nachdenke, desto stärker drängt sich ein „Nein“ auf. Ich weiß gerade selbst nicht einmal genau, wie ich mich fühle, weshalb ich genauso wenig etwas dazu sagen oder für andere in Worte fassen kann, was mich gestern so aus der Bahn geworfen hat – warum ich einfach wegwollte.

„Nein… momentan nicht. Tut mir leid.“

Wieder schweigt Shinya für einige Sekunden, ehe ich ihn tief ein- und ausatmen höre.

„Ist gut, du musst dich nicht entschuldigen.“ Ich meine ein Schmunzeln aus seiner Stimme herauszuhören. „Wenn was ist, du weißt, dass du mich anrufen kannst.“

„Ich weiß… Danke.“ Das ist ehrlich gemeint. Ich bin wirklich dankbar dafür, dass Shinya besonders in letzter Zeit immer ein offenes Ohr für mich hat.

„Wir sehen uns dann in drei Tagen zur Probe, ja?“

„Ja… zur Probe. Ich hab‘s nicht vergessen.“ Prompt wird mein Lächeln breiter. Bei solchen unterschwelligen Terminerinnerungen fühle ich mich manchmal regelrecht bemuttert. Na ja, lieber ein Mal mehr erinnert als vergessen.

„Fein. Dann mach es gut, Toshiya. Bis Dienstag dann.“

„Bis Dienstag.“

Noch bevor ich überhaupt auf den roten Hörer auf meinem Display drücke, spüre ich, wie mein Herz kurz aussetzt. ‚Bis Dienstag.‘ Diese Worte bringen etwas in mir zum Klingen. Der Kloß in meinem Hals macht mir das Schlucken schwer, als ich mich unter meiner Bettdecke verkrieche. Plötzlich ist mir kalt. Meine Augen brennen und ich kann nicht mal sagen, warum. Ich versuche ruhig zu atmen, mein Blick geistert ziellos über die dunkle Wand gegenüber. Ein Gefühl von Leere macht sich in mir breit, gleichzeitig wirbeln meine Gedanken wild durcheinander und lassen sich nicht greifen. Wie gestern.

Nach einer Weile klärt sich mein Kopf ein wenig und die Erinnerungen kommen zurück. Diesmal lasse ich sie zu.

Es ist beinahe genauso wie gestern, dennoch anders. In einem Moment war alles in Ordnung und im nächsten hatte ich das Gefühl nicht mehr richtig atmen zu können. Der Auslöser war indirekt derselbe gewesen wie jetzt. Die.
 

Plötzlich halte ich es nicht mehr im Bett aus. Geradezu fluchtartig springe ich auf – etwas zu schnell, denn mein Kreislauf macht sich bemerkbar und ich sacke zurück auf die Bettkante. Ein paar Atemzüge später starte ich einen erneuten Versuch, diesmal von Erfolg gekrönt, und wanke langsam Richtung Küche. Erstmal brauche ich Kaffee, um gänzlich wach zuwerden.

Während besagtes Heißgetränk gemächlich durch die Maschine in meine blau gepunktete Lieblingstasse läuft, starre ich vor mich hin, versuche wenigstens für ein paar Minuten alle Gedanken von mir fernzuhalten. Leider gelingt mir das mehr schlecht als recht.

Nachdem die Maschine ihre Arbeit für beendet erklärt hat, schnappe ich mir die Tasse und begebe mich ins Wohnzimmer. Obwohl mein gemütliches Bett weiterhin nach mir zu rufen scheint, kann ich gerade nicht dorthin zurück. Ich lasse mich seitlich auf mein Sofa sinken, zerre die große Wolldecke über mich. Mir ist immer noch kalt und daran kann auch der Kaffee nichts ändern, an dem ich mir natürlich den Mund verbrenne. Unstet wandern meine Augen durch den Raum, auf der Suche nach etwas, womit sie sich beschäftigen können – etwas, das meine Aufmerksamkeit fordert. Die nassen Bindfäden vor dem Fenster kennen sie schon, den Rest des Raumes ebenfalls, so bleibe ich schließlich an meiner Tasse auf dem Wohnzimmertisch hängen. Mir war bisher nie klar, wie interessant Dampfschwaden sein können.

Von mir selbst genervt kneife ich die Augen kurz zusammen und rufe mich innerlich zur Ordnung. Was ist denn los mit mir? So… unruhig und lustlos, fast leer kenne ich mich gar nicht. Oder nur sehr, sehr selten. Das letzte Mal ist Jahre her. Wenn ich gestern ebenfalls so gewirkt habe, ist es kein Wunder, dass Shinya angerufen hat. Doch ich kann mich nicht richtig erinnern. Alles ist irgendwie verschwommen, nur ein Bild bleibt gestochen scharf. Die. Mit dieser Frau.

Unbewusst schlinge ich die Decke fester um mich. Ich kann es nicht vergessen. Klar und deutlich schwebt dieses Bild vor meinem geistigen Auge, obwohl es nicht von Bedeutung sein sollte. Es war eine ganz normale Alltagssituation gewesen. Nichts Neues, nichts Weltbewegendes. Einfach nur Die, der mit einer Frau redet. Gut, dass diese Frau seine Ex war, sollte dabei unbeachtet bleiben, ansonsten war das nicht weiter schlimm. Nichts, was bisher nie vorgekommen wäre, besonders da sich Die und Kaori auch Jahre nach der Trennung noch gut verstehen – auf freundschaftlicher Ebene und eben nicht mehr.

Frustriert stöhne ich auf. Wieso wirft mich sowas auf einmal aus der Bahn? Das ist doch… bescheuert. Ja genau, echt bescheuert!
 

Bis zu diesem Zeitpunkt war der Abend angenehm verlaufen. Nach der langen Bandpause hatten wir mal wieder etwas gemeinsam mit einigen Crewmitgliedern trinken wollen. Der Alkohol floss, die Stimmung war locker, alles in allem ein unterhaltsamer Abend. Und plötzlich war alles anders – jedenfalls für mich. Die war irgendwann zur Bar gegangen, um neue Getränke zu ordern und plötzlich tauchte sie auf und etwas setzte in meinem Hirn aus. Ich bekam nichts mehr mit. Während sich die anderen um mich herum unterhielten, konnte ich nur Die beobachten, wie er mit dieser Frau zusammenstand und lachte. Ein schönes Bild. Harmonisch. Ich kannte Kaori gut, schon allein durch die vielen Jahre ihrer Beziehung mit Die und auch nach deren Ende hatten wir sie ein paar Mal getroffen. Alles kein Problem, keine Gefahr. Sie war mittlerweile sowieso verheiratet und Die… Die hatte mich. Irgendwie. Oder?
 

Müde öffne ich die Augen und starre auf die Tasse.

Genau wegen dieser Unsicherheit hat es mein Hirn gestern wunderbar geschafft, mich auf diese geradezu lächerliche Art und Weise zu verunsichern, mich beinahe in Panik zu versetzen.

Ich ziehe die Decke weiter nach oben, sodass bloß meine Augen und die Nasenspitze rausschauen. Es hilft nichts. Die Kälte bleibt. Sowohl äußerlich wie innerlich. Kaffee und Decke hin oder her. Es fehlt etwas. Jemand.

Hach, das gibt‘s doch alles nicht! Es kann doch nicht sein, dass ich mich nach gerade einmal drei Wochen bereits derart daran gewöhnt habe, ihn bei mir zu haben, neben ihm zu liegen, neben ihm aufzuwachen. Das ist echt… unglaublich. Und beängstigend.

Umständlich greife ich nach der Tasse, genehmige mir einen Schluck Kaffee, bevor er ganz kalt wird und vergrabe mich sofort wieder unter der Decke.
 

Alles ging so schnell mit uns. Die vergangenen Wochen sind mir wie ein Traum vorgekommen. Seit unserer ersten gemeinsamen Nacht war es plötzlich selbstverständlich, dass wir jeden oder wenigstens jeden zweiten Tag zusammen hockten. Schon alleine dadurch, weil unsere Bandpause vorbei war und der Arbeitsalltag Einzug hielt. Aber auch nach Feierabend war es normal, dass ich mit zu Die ging oder er zu mir. Ich hatte mir keine Gedanken darum gemacht. Alles war gut und hatte sich wunderbar leicht und unbeschwert angefühlt. Die zunächst fragenden Blicke unserer Bandkollegen hatten sich bald in wissende verwandelt, ohne dass einer von uns etwas erklären musste. Wie gesagt: alles war gut.

Und nun bin ich mit einem Mal unsanft auf dem Boden der Tatsachen gelandet. Was ist das überhaupt zwischen uns? Affäre? Beziehung? Etwas, worüber ich mir bisher nie Gedanken gemacht habe, bei keiner meiner bisherigen Beziehungen. Sie hatten einfach so funktioniert. Aber nun… das mit Die ist anders. Plötzlich sind da Fragen, die ich mir lange Zeit nicht mehr gestellt habe. Will ich überhaupt etwas Festes und Längerfristiges? Irgendwie schon. Der Gedanke ihn bei mir zu haben, nicht nur als Freund und Kollege, ist in den letzten Wochen selbstverständlich geworden.

Und so ungern ich es zugebe: anders als vor unserer ersten Nacht könnte ich wohl jetzt nicht mehr damit leben, wenn es für Die nichts von Bedeutung wäre. War mir das bisher nicht bewusst gewesen, spätestens meine gestrige Reaktion war eindeutig. Das nagende Gefühl in meinem Inneren, als sich mein Hirn die wildesten Fantasien zusammenspann, war erdrückend. Und dabei hatte ich wirklich gehofft, dass das Chaos in meinem Kopf sich nun nach Monaten endlich gelegt hätte. Aber Pustekuchen. Wohl doch nicht. Es ist echt zum Verzweifeln!

Irgendwie hänge ich mit einem Mal erneut in der Schwebe, diese Ungewissheit, was das mit uns ist, scheint jeden Winkel meines Kopfes zu beherrschen. Warum haben wir bisher nicht darüber gesprochen?

Eigentlich hat mich nicht unbedingt Kaori aus der Bahn geworfen, sondern dieses nach außen hin wunderbar stimmige Bild der beiden. Die mit einer Frau. Nicht mit mir.

Und da waren sie wieder, meine Ängste und längst verdrängten Erinnerungen. Ich passe da einfach nicht rein. Was, wenn es so endet wie damals? Was, wenn es für Die nur eine kurzweilige Affäre ist? Um seine Neugier auf einen Mann zu befriedigen. Nichts Bedeutendes. Nichts mit Zukunft. Ist es mit Frauen auf Dauer nicht besser, besonders weil gleichgeschlechtliche Beziehungen meist nicht als normal angesehen werden? Schräge Blicke sind garantiert, ebenso wie das ewige Versteckspiel. Also ist es da nicht bequemer, Frauen den Vorzug zu geben? Wie ernst kann er es auf längere Sicht überhaupt mit mir meinen? Und warum überhaupt ich?
 

Ich kneife die Augen zusammen, versuche mich zu beruhigen, während in meinem Kopf Chaos herrscht. Diese Gedanken, diese Ängste. Ich habe sie wohl zu lange verdrängt, denn nur aufgrund dieses einen Moments stürzt alles auf mich ein, was ich seit Jahren versuche, als unwichtig abzutun. Vielleicht hatte ich deshalb in der jüngeren Vergangenheit kaum noch Beziehungen, sondern mehr Affären oder One-Night-Stands gehabt – alles wunderbar unkompliziert. Besser vorher beenden, als dass die anderen von mir genug hatten und lieber den leichteren Weg wählten.

Hat Die genug von mir?
 

Meine Augen brennen. Drei Wochen sind an sich nicht lang, aber zu lang, um ein mögliches Ende ohne emotionalen Schaden zu überstehen. Ich kann das nicht. Nicht schon wieder.

Ich spüre, wie ich mich immer weiter hineinsteigere. Meine Gedanken wirbeln wild umher und lassen sich nicht zügeln, zeigen mir alle erdenklichen Szenarien. Und dazwischen immer wieder das Bild von Die mit einer Frau. Mein Magen krampft, ich schnappe nach Luft. Es kann doch nicht sein, dass ich mich dermaßen runterziehen lasse, obwohl nichts passiert ist! Seit wann interpretiere ich alles über? Das gibt‘s doch gar nicht!

Schnaubend richte ich mich auf und setze mich gerade hin, die Decke weiterhin um mich geschlungen.

Ich muss mich wirklich zusammenreißen. Es bringt nichts, sich hineinzusteigern, ohne überhaupt mit Die gesprochen zu haben. Ein Gespräch, das längst überfällig ist. Aber nicht mehr heute. Vielleicht Dienstag.
 

‚...Dienstag.‘ Ohne mein Zutun kommen weitere Erinnerungen an den vorherigen Abend zurück – Erinnerungen an meine fluchtartige Verabschiedung. Dies Reaktion. Die großen, verwirrt wirkenden Augen, die mich anschauen, als ich nur ein „Ich mach los. Wir sehen uns nächste Woche. Bis Dienstag.“ murmle und mir ein Lächeln abringe, ehe ich mich schnellstens abwende. Keine Berührung, keine Umarmung. Nichts. Ich habe ihm nicht mal Zeit gelassen mir zu antworten, so schnell war ich weg. Noch bevor ich die Bar gänzlich verlassen hatte, fühlte ich mich schlecht. Plötzlich ohne weitere Erklärung abzuhauen, ist sonst definitiv untypisch für mich. Aber ich konnte einfach nicht anders. Ich hätte in diesem Moment nicht in Worte fassen können, was mit mir los war. Selbst jetzt fällt es mir schwer. Dass ich mich mit dieser überstürzten Verabschiedung tatsächlich ein Stück weit von ihm distanziert hatte, merke ich erst jetzt. ‚Bis Dienstag‘ hieß kein Treffen in den nächsten Tagen, obwohl unsere Originalpläne vorher anders ausgesehen hatten.
 

Vielleicht ruft er ja an. Wobei…? Besser nicht. Ich weiß einfach nicht, wie ich mich verhalten soll. Natürlich will ich ihn sehen und gleichzeitig nicht. Ich bin durcheinander. Womöglich sollte ich die verbleibende, freie Zeit nutzen, in meinem Kopf Ordnung zu schaffen. Wir müssen reden. Ich kann so nicht weitermachen. Nicht mit diesem Gefühl, das mir wie Blei im Magen liegt und mich nicht richtig atmen lässt.
 

~*~
 

„Toshiya, konzentrier dich!“

Ertappt zucke ich zusammen und hebe schuldbewusst den Blick. Mit in die Hüften gestemmten Händen steht Kaoru vor mir. Seine zusammengekniffenen Augen lassen mich unwillkürlich die Schultern ein wenig weiter hochziehen.

Ich weiß, es ist meine Schuld, dass wir immer noch im Studio sitzen und nicht sonderlich gut vorankommen. Meine Konzentration habe ich anscheinend heute zu Hause gelassen, was mir Kaorus gereizter Gesichtsausdruck eindeutig bestätigt. Weiß gar nicht, wie oft er mich heute bereits ermahnt hat. Ich bin selbst von mir genervt, doch egal was ich versuche, meine Gedanken wollen einfach nicht bei meinem Bass und den Noten bleiben, sondern verflüchtigen sich in erstaunlicher Geschwindigkeit immer irgendwo anders hin. Beispielsweise zu unserem zweiten Gitarristen. Der nicht da ist. Ebenso wenig wie Kyo.

Ich weiß nicht, ob ich darüber erleichtert sein soll, dass sich unser Gespräch aufschiebt, oder ob dadurch die Angst nicht sogar stärker wird.

Seufzend fahre ich mir mit einer Hand durch die Haare und werfe unserem Leader einen um Pause flehenden Blick zu, während ich meinen Bass zur Seite stelle. Ich muss kurz raus.

„Los, geh schon. Du hast zehn Minuten.“ Mit einer wedelnden Handbewegung scheucht mich Kaoru regelrecht aus dem Raum. Ich zwinge mich zu einem dankbaren Lächeln, ehe ich Shinya und Taka, unserem Aufnahmeleiter, eine schnelle Entschuldigung zu murmle und auf den Gang flüchte.
 

Ganz nach draußen will ich nicht, denn seit Tagen regnet es ununterbrochen, mittlerweile fühlt sich meine Kleidung dauerhaft klamm an. So lande ich vor einem der vielen Getränkeautomaten. Mit der frisch erworbenen Cola in der Hand lasse ich mich auf die nahestehende Sitzgruppe nieder, meine Augen wandern wieder einmal zum Fenster. Es ist hässlich grau dahinter. Jetzt sogar noch einige Nuancen dunkler, da sich der Abend nähert. Ich vermisse die Sonne. Meine Sonne.

Entnervt schüttle ich den Kopf, versuche meine Gedanken nicht auf Abwege gleiten lassen. Leichter gedacht als getan. Besonders, wenn sich das Bild eines lachenden Dies so hartnäckig darin festhält. Oh Mann. Vermutlich wäre es doch besser gewesen, wenn unsere eigentlichen Proben nicht ziemlich spontan durch Studioaufnahmen ersetzt worden wären. Dann hätte ich wenigstens die Chance gehabt, mit ihm zu reden. Und ich hätte nicht das Gefühl in der Luft zu hängen. Gut, ich könnte Die anrufen, aber irgendwie… Auch wenn das kindisch ist, mir fehlt dafür gerade einfach der Mut – besonders nach den vier Tagen Funkstille zwischen uns. Die hat sich ebenfalls nicht gemeldet und ich habe versucht mich mit dem längst überfälligen Herbstputz meiner Wohnung abzulenken. Ich verstehe selbst nicht, warum ich das Gespräch derart fürchte. Bisher war das nie ein Problem, denn meistens bringe ich schwierige Themen gerne schnell hinter mich, ohne es lange aufzuschieben. Doch dieses Mal… ich will Dies Worte nicht hören. Nicht noch tiefer in das Loch fallen, in dem ich momentan sowieso schon stecke.
 

Über mich selbst frustriert schnaubend erhebe ich mich, schnappe mir die ungeöffnete Flasche und trotte schließlich langsam zurück Richtung Studio.

Ach verdammt! Warum können es heute nicht normale Proben sein, wo wir alle zusammen sind? Beziehungsweise wieso können wir nicht wie früher Songs gemeinsam aufnehmen und nicht getrennt?

Murrend raufe ich mir die Haare, um die wehleidigen Gedanken zu vertreiben, bevor ich eintrete. Shinya wirft mir einen langen Blick zu, als ich einen demonstrativen Schluck aus der Flasche trinke und mich zu meinem Instrument begebe. Ich versuche mich an einem beruhigenden Lächeln, schüttle gleichzeitig leicht den Kopf. Nein, ich will immer noch nicht reden. Ich komme mir bereits lächerlich vor, weil ich so ein Drama daraus mache. Ich will nicht als Lachnummer enden, nur weil ich gefühlsmäßig überreagiere. Ist mir seit Jahren nicht passiert und die Tatsache, dass es jetzt so ist, kotzt mich an.

Ein Räuspern hinter mir reißt mich aus meinen Gedanken. Kaorus fragender Blick liegt auf mir.

„Geht's wieder?“

„Hm, ja… War unterzuckert. Lasst uns weitermachen.“ Mir gelingt sogar so etwas wie ein normales Grinsen. Ein wenig Normalität soll schon sein, auch wenn ich weiß, dass ich kein besonders überzeugender Schauspieler bin und man mir mein Aufgewühltsein wohl trotzdem ansieht.

„Okay…“ Kaorus Miene zeigt mich deutlich, was er von meinem schauspielerischen Talent hält, aber er belässt es zu meiner Erleichterung dabei und wendet sich an Taka, um die nächsten Parts zu klären.

Während ich darauf warte, loslegen zu können, vernehme ich Shinyas leise Stimme neben mir.

„Toshiya, du schaffst das.“

Ich hoffe doch – in welchem Sinne auch immer.
 

~*~
 

Erschrocken zucke ich zusammen, als ich Kyo wenige Schritte von mir entfernt im Sessel lümmeln sehe. Mein Herz rast. Himmel, wie oft bin ich in letzter Zeit eigentlich derart unsanft aus dem Schlaf gerissen worden? Das kann auf Dauer nicht gesund sein.

Während ich mich mit tiefen Atemzügen zu beruhigen versuche, starre ich unseren Sänger wie eine Erscheinung an, dessen Blick wiederum ungerührt auf mir ruht. Nach einer Weile beende ich das ungleiche Blickduell, indem ich mir kurz über die Lider fahre und mich gleichzeitig an meinen Überraschungsgast wende.

„Was machst du hier?“

„Dich besuchen.“ Typische Kyo-Antwort.

„Sehe ich.“ Seufzend streiche ich mir die Haare aus der Stirn und richte mich ein Stück weit auf meinem Sofa auf. „Okay, anders gefragt: wie kommst du hier rein?“

„Schon vergessen? Du hattest mir mal deinen Schlüssel gegeben.“

Hatte ich? Das muss ja Ewigkeiten her sein, denn ich kann mich nicht erinnern. Allerdings erklärt das trotzdem nicht Kyos unangemeldetes Auftauchen. Doch ehe ich ihn danach fragen kann, erhebt er sich. „Ich mach dir einen Kaffee. Nicht, dass du mir beim Reden einschläfst.“

Ich komme nicht einmal dazu ihn aufzuhalten, so schnell ist er in meiner Küche verschwunden.

Draußen ist es bereits dunkel, wie mir ein prüfender Blick aus dem Fenster verrät. Wenn ich jetzt noch einen Kaffee trinke, werde ich vermutlich auch heute Nacht nicht ordentlich schlafen können. Und irgendwie macht mich Kyos Ankündigung etwas nervös. Worüber will er denn mit mir reden?
 

Während Kyo in der Küche hantiert, strecke ich meine eingeschlafenen Glieder. Mein Nacken knackt. Leider ist das Sofa auf Dauer nicht besonders bequem, aber derzeit finde ich im Bett einfach keine Ruhe, egal wie müde ich bin.

Wie so oft wandert mein Blick zum Handy, das auf dem Tisch neben mir liegt. Einer plötzlichen Eingebung folgend greife ich danach und entsperre es, doch die Enttäuschung folgt sofort. Kein neuer Anruf in Abwesenheit. Warum sollte es anders sein? Nur das geöffnete Telefonbuch leuchtet mir entgegen. Ich muss schwer schlucken, als mich Dies Name regelrecht anspringt.

Ich weiß gar nicht mehr, wie viele Male ich gestern Abend kurz davor gewesen war, ihn anzurufen, nachdem ich beim Nachhausekommen einen verpassten Anruf auf dem Display entdeckt hatte. Ich hatte es nicht bemerkt, denn entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten lag das kleine Gerät aktuell die meiste Zeit recht ungenutzt herum. Augenblicklich war meine innere Unruhe, die ich zwischenzeitlich bei der Studioaufnahmen ganz gut in den Griff bekommen hatte, zurück gewesen. Den restlichen Abend habe ich nur noch damit verbracht, mit mir selbst zu diskutieren, ob ich zurückrufen soll oder nicht. Einige Male hatte ich sogar schon auf Wählen gedrückt, aber gleich wieder aufgelegt. Ich konnte das einfach nicht. Ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht war sicher besser. Bestimmt.
 

„Hier.“ Ohne Vorwarnung wird mir eine Tasse in Hand gedrückt, die ich sofort auf den Tisch verfrachte. Verdammt, ist die heiß!

Während ich die Hände ausschüttle, fange ich Kyos Blick auf. Seine Mundwinkel zucken. Manchmal glaube ich, an ihm ist ein kleiner Sadist verloren gegangen, besonders jetzt, wenn er sich scheinbar darüber zu freuen scheint, dass ich mir die Pfoten verbrenne. Ich werfe ihm einen giftigen Blick zu, der aber nur dazu führt, dass sein Grinsen breiter wird, ehe ich einen erneuten Versuch mit dem Kaffee starte.

„Warum ist es hier eigentlich so ordentlich?“

Ich lasse mir Zeit mit meiner Antwort, puste lieber dreimal in die Tasse. Unterdessen wandert mein Blick von einer Zimmerecke zur nächsten, als würde ich mich selbst von der neuen Ordnung in meiner Wohnung überzeugen müssen.

„Mir war danach. War überfällig.“

Kyos „Stimmt.“ geht in meinem geräuschvollen Schlürfen unter.

Dafür lässt mich sein intensiver Blick, der auf mir ruht, frösteln, obwohl der Kaffee mich von innen verbrennt.

Irgendwann wird es mir zu viel.

„Was?“

„Du siehst scheiße aus.“

„Danke!“, fauche ich regelrecht zurück. Im gleichen Atemzug bereue ich es. Ich bin heute etwas zart besaitet und manchmal wäre ich froh, wenn Kyo nicht so direkt wäre. Wenigstens bestätigt mir seine Aussage, dass mein Aussehen mit meinem Befinden übereinstimmt.

Kyos nicht vorhandene Augenbrauen zucken belustigt nach oben, als ich ihn verstimmt anstarre. Wirklich böse kann ich ihm nicht sein, denn trotzdem spüre ich, wie mich Kyos Anwesenheit innerlich ruhiger werden lässt.

„Los, rutsch mal.“

Ehe ich mich versehe, schiebt Kyo meine Decke zur Seite und pflanzt sich ungefragt neben mich. Mit einem gut vernehmbaren ‚Klong‘ landen seine Füße auf meinem Couchtisch, nachdem er sich meine Tasse geangelt hat und sich einen Schluck daraus genehmigt. Also manchmal…

Ich kann ein kleines Schmunzeln nicht verhindern.

„Bist du nur hier, um Kaffee zu trinken?“

„Nö, deiner schmeckt sowieso komisch.“

„Eh, ich trink den schon seit Jahren!“ Sucht der Streit?

„Dann solltest du definitiv die Marke wechseln.“

Ich schnaube, beende damit das Thema, da ich nichts mehr zu entgegnen weiß. Mit Kyo über Essen oder wie jetzt Getränke zu diskutieren, kann echt zermürbend sein, da er stets das letzte Wort hat. Und zum Leidwesen aller anderen behält er meist recht.

Ein triumphierendes Grinsen umspielt seine Lippen, als er die Tasse mit einem leichten Kopfschütteln zurückstellt.

„Also?“, komme ich auf meine eigentliche Frage zurück.

Ein langer Blick trifft mich, ehe sich mein Gast zurücklehnt und seine Augen zur Zimmerdecke wandern.

„War heut im Studio… mit Die.“ Kyo scheint meine Reaktion aus den Augenwinkeln zu beobachten, als er hinzugefügt: „Er sah scheiße aus.“

Ich kann ein minimales Zusammenzucken nicht unterdrücken, gleichzeitig schmerzt mein Herz ein wenig. Ohne dass ich es verhindern kann, meldet sich eine leise Stimme in meinem Hinterkopf, dass ich womöglich der Grund dafür sein könnte. Aber… kann das sein? Schuldbewusst beiße ich mir auf die Lippe und weiche Kyos Augen aus. War er nur hier um mir ein schlechtes Gewissen zu machen?

„Was ist los bei euch? Erst ein Herz und eine Seele und nun müssen wir bei zwei scheiße aussehenden Bandkollegen die nächsten Shootings verschieben.“ Dass die nächsten Fototermine noch etwas dauern, sei mal dahingestellt, aber ich weiß, was Kyo mir sagen will.

Seufzend fahre ich mir durch die Haare und vergrabe anschließend das Gesicht in meinen Händen. Was soll ich darauf antworten? An sich will ich immer noch nicht darüber reden, aber irgendwie…

„Ich… ich habe womöglich einen Fehler gemacht.“

„Inwiefern?“

Ja, inwiefern? Dass ich egoistisch bin und Die seit Tagen ignoriere? Ihn damit anscheinend verletze. Oder warum sonst sollte er, wie Kyo so schön sagte, scheiße aussehen? Mit einem Mal komme ich mir echt dumm vor. Seit Freitag jammere ich vor mich hin, nehme mir vor mit Die zu reden, tue es trotzdem nicht und lasse ihn einfach hängen. Was bin ich für ein Freund?! Selbst, wenn es nur eine kurzweilige Affäre zwischen uns ist, weiß ich doch, dass Die ein feinfühliger Mensch ist, der sich schnell alles zu Herzen nimmt. Und ich verhalte mich wenig erwachsen, beinahe wie ein Arschloch, und ignoriere ihn. Ich könnte mich gerade selbst dafür schlagen.

„Du bist manchmal echt ‘ne Dramaqueen“, reißt mich Kyos Stimme aus meinen erleuchteten Gedanken. Scheinbar ist mir mein innerer Kampf anzusehen. Als ich meinen Blick hebe, liegen Kyos dunkle Augen auf mir.

Plötzlich bricht es aus mir heraus. Weiß auch nicht, warum ich jetzt so mitteilungsbedürftig bin, aber es tut gut, das loszuwerden, was mir seit Tagen den Schlaf raubt. Kyo unterbricht mich kein einziges Mal. Wie er auf meine Worte reagiert, weiß ich nicht, da ich die Tasse auf dem Tisch fixiere. Anschauen mag ich ihn nicht.

Als ich ende, herrscht ein paar Augenblicke Stille zwischen uns. Kurz darauf höre ich ein Seufzen.

„Manchmal habe ich das Gefühl, es mit Teenagern zu tun haben und nicht mit erwachsenen Männern.“ Trotz der Aussage muss ich schmunzeln. Vorsichtig schiele ich zu Kyo, dessen Augen mal wieder die Decke betrachten.

„Willst du meine Sichtweise hören?“

Ich nicke und Kyo schaut mich nun direkt an.

„Ihr seid beide ziemliche Feiglinge.“ Unwillkürlich lache ich auf. Der Satz kam so trocken und treffsicher rüber, dass sich automatisch der Knoten, der sich während des Erzählens in meiner Brust gebildet hat, langsam löst. Kyo grinst.

„Wenn ich Die wäre, hätte ich längst vor deiner Tür gestanden, wenn du dich plötzlich nicht mehr meldest.“ An dieser Stelle muss ich einhaken. „Aber wenn es für Die nun mal nichts Festes mit uns ist? Oder... man kann sich ja eine… hm... Pause gönnen, oder?“

Kyos Augenbrauen treffen beinahe seinen Haaransatz. Sein Gesichtsausdruck zeigt mir deutlich, dass er mich anscheinend für selten dämlich hält. Bin ich wohl auch. Diese Unsicherheit nervt mich ja selbst, aber ich kann gerade einfach nicht aus meiner Haut.

„Wenn man euch die letzten Wochen beobachtet hat und ebenso davor, würde es mich sehr überraschen, wenn es für Die nur eine zwanglose Spielerei wäre. Dir traue ich sowas eher zu, aber Die ist doch schon lange kein Typ mehr für Affären und ähnliches. Und dass er generell nicht wirklich sprunghaft ist, solltest du wissen.“

Ich versuche wegen Kyos Meinung über mich nicht beleidigt zu sein und genau genommen kann ich es ihm nicht verübeln, denn eigentlich hat er recht. In den letzten Jahren war mein Liebesleben recht abwechslungsreich und schnelllebig, woraus ich nie ein Geheimnis gemacht habe.

„Auf mich wirkte Die ziemlich zufrieden in letzter Zeit. Und mal ehrlich, Toshiya, nach deiner Vergangenheit, sollte Die da nicht eher Zweifel haben als du?“

Auch wenn ich es nicht gern zugebe, trifft Kyo genau ins Schwarze. Es ist regelrecht unangenehm, wie gut er uns durchschaut.

„Natürlich kann keiner vorhersagen, ob es bei euch ewig hält, das weiß man nie. Aber wäre doch schwachsinnig, es nicht wenigstens zu versuchen, oder?“

Ich kann nicht anders, als schweigend zu nicken und Kyo insgeheim für seine Worte bewundern. Tatsächlich fühle ich mich ein wenig in meine Jugend zurückversetzt, als meine Mutter mich regelmäßig zur Seite nahm, um mir den Kopf gerade zu rücken oder mich aufzubauen.

„Und Toshiya…“ Kyos Schmunzeln verschwindet und er sieht mit einem Mal sehr ernst aus. „Nur weil du mal von einem dahergelaufenen Typ für ein Weib abgesägt wurdest, muss das nicht ständig passieren.“ Mein leises „Es waren zwei…“ übergeht er und fährt fort: „Vertrau Die in dieser Beziehung, wie du ihm als Freund vertraust. Ihr werdet schon einen Weg finden – egal, was kommt.“

So viele ungewohnte Lebensweisheiten und Ratschläge muss ich erstmal sacken lassen. Ich atme tief ein und aus, ehe ich erneut zu Kyo sehe.

„Danke.“

Kyos linke Augenbraue zuckt fragend nach oben. „Wofür?“

„Hm, sagen wir mal für deine aufbauenden Worte.“

„Gern geschehen“, grinst er. „Nächstes Mal verlange ich Geld dafür, wenn ich schon als Psychiater fungiere.“

Nun muss ich lachen. „Ja, solltest du oder du schreibst mal ein Buch mit Lebenshilfen. Ich würde es mir wohl sogar kaufen.“

Während Kyo ein Gesicht macht, als würde er wirklich über diese Möglichkeit nachdenken, fühle ich mich befreiter und leichter. Obwohl die Zweifel noch nicht verschwunden sind, hat Kyo den Finger draufgehabt: ich muss Die einfach vertrauen. Egal, wie unschön es in der Vergangenheit für mich gelaufen ist – Die ist nicht wie die anderen.
 

~*~
 

Ich zittere. Allerdings nicht vor Kälte, sondern… Himmel, bin ich nervös.

Jetzt starre ich bereits geschlagene fünf Minuten diese mir nur allzu bekannte Tür an, als würde sie sich dadurch auf magische Weise öffnen. Tut sie aber nicht, weshalb ich immer noch draußen vor Dies Wohnblock stehe und mich in regelmäßigen Abständen von oben volltropfen lasse. Das Vordach ist undicht.

Inzwischen sind nicht bloß meine Schuhe völlig durchweicht, sondern auch die Hose und mein Shirt, das mir unangenehm auf der Haut klebt. Dennoch konnte ich mich bisher nicht dazu überwinden die Klingel zu drücken. Kyo hatte recht: ich bin definitiv ein Feigling.
 

Vor nicht einmal einer Stunde saß ich mit unserem Sänger auf meiner Couch und nun stehe ich nach einem kurzen, mutigen Anfall meinerseits am anderen Ende der Stadt und ringe trotzdem mit mir. Obwohl ich mir auf dem Weg hierher über nichts Anderes Gedanken gemacht habe, als darüber, was ich zu Die sagen könnte. Ich weiß es immer noch nicht, alles klingt so hohl und flach in meinen Ohren.

Wenn einer der anderen mich hier so sehen könnte, würden sie mich wohl eiskalt auslachen.
 

Ich seufze und gebe mir innerlich eine Ohrfeige. Vom Hypnotisieren des Klingelschildes lösen sich meine Zweifel leider nicht in Luft auf. Ich werfe einen Blick nach oben, als könnte ich Dies Wohnung von hier ausmachen. Natürlich ist dem nicht so und mehr als einige weitere Regentropfen, die in meinem Gesicht landen, bringt mir diese Aktion nicht.

Bevor ich es mir anders überlegen kann, gebe ich mir einen Ruck und drücke schnell die Klingel. Mein Herz setzt aus.

„Ja?“, tönt es aus der Gegensprechanlage, gleichzeitig rast mein Herz weiter.

Ich räuspere mich. „Ich bin‘s.“

Für einige Sekunden herrscht Schweigen, dann höre ich den Summer. Ein erster Schritt und ich habe das Gefühl gleich wieder umdrehen zu müssen. ‚Mann, jetzt reiß dich doch mal zusammen!‘, ermahne mich selbst. Die wird mich schon keinen Kopf kürzer machen. Hoffentlich.
 

Wie ich den Weg bis zu seiner Wohnung zurückgelegt habe, weiß ich nicht. Alles wirkt wie in Watte gepackt, selbst meine Gedanken schweigen.

Und schließlich steht er vor mir. Nur in Shorts und dem schwarzen Shirt, das mir so gut an ihm gefällt. Er sieht fertig aus, er hat tiefe Augenringe. Dennoch kann ich meinen Blick nicht von ihm lösen, als ich ganz außer Atem vor seiner Tür ankomme. Augenblicklich fängt es in meinem Magen an zu kribbeln, mein Herzschlag wird nicht langsamer.

Warum habe ich so lange gewartet?
 

„Hey…“ Meine Stimme klingt heiser.

Für einen winzigen Moment zucken Dies Mundwinkel. „Hey…“

Zwar wirken seine Augen müde, jedoch mustern sie mich derart intensiv, dass ich automatisch eine Gänsehaut bekomme. Was Die anscheinend nicht verborgen bleibt. Er zieht die Tür weiter auf und tritt zur Seite. „Komm rein, bevor du dich erkältest.“

Auch wenn die Gänsehaut nicht nur von der Kälte kommt, bin ich dankbar. Ein kleines Lächeln macht sich auf meinen Lippen breit, als ich an Die vorbei in den Flur trete. Ich merke, wie ich mit jedem Schritt ruhiger werde, obwohl mein Herz das doppelte Arbeitstempo an den Tag legt wie sonst. Erleichterung macht sich in mir breit. Die hat mich nicht abgewiesen. Diese Erkenntnis lässt mich unbewusst tief ausatmen.

Ich bin erst wenige Schritte weit gekommen, als eine Hand spüre, die sich sanft auf meinen Rücken legt.

„Warte kurz, ich hol dir ein Handtuch. Du bist ja völlig durchweicht.“

Schon ist die Hand verschwunden und ehe ich etwas erwidern kann, ist Die an mir vorbei ins Bad geschlüpft. Das Kribbeln scheint derweil von meiner Magengegend zu meinem Rücken gewandert zu sein.

Wenige Sekunden später steht Die wieder vor mir, sein Blick gleitet über mich. Schlagartig werde ich nervös. Nach außen wirkt er gelassen, nur seine Augen sind unruhig. Scheinbar bin ich nicht der Einzige, der sich Gedanken macht.

Auf Außenstehende muss die Szene in Dies Flur seltsam wirken, da wir uns schweigend anstarren, doch in diesem Moment wirbeln unzählige Gedanken und Eindrücke in meinem Kopf herum – keinen einzigen davon kann ich greifen.

Schließlich ist es Die, der als Erster aus seiner Starre erwacht und mir das Handtuch zaghaft um die Schultern legt. Mit einem Mal erscheint mir alles ganz leicht, als hätte diese Nähe den Bann gebrochen, der auf mir lag.

Ehe Die erneut Abstand zwischen uns bringen kann, überwinde ich die restliche Distanz und ziehe ihn in eine feste Umarmung – ungeachtet dessen, dass ich tropfnass bin und damit Die ebenfalls einweiche. Für einen kurzen Moment verspannt er sich, dann spüre ich seine Hände in meinem Rücken, die mich noch ein Stückchen näher an sich heranziehen.

Mein Kopf ist leergefegt, ich nehme nur den Mann in meinen Armen wahr und was er mit mir anstellt. Seine Wärme. Das Prickeln auf meiner Haut. Mein rasendes Herz.

Es fühlt sich einfach so unglaublich gut und richtig an. Ich vergrabe mein Gesicht in seine Halsbeuge und atme tief ein. Gott, was hab ich ihn vermisst! Seinen vertrauten Geruch, seine Hände, die über meinen Rücken gleiten. Es ist nicht zu leugnen: ich will das hier! Ihn. Nicht nur für ein paar Wochen, sondern… eindeutig länger.

Ich komme mir so dämlich vor, dass ich mir in den vergangenen Tagen wirklich den Kopf zerbrochen habe, ob Die mich noch will. So eng, wie er mich an sich drückt und dabei leise seufzend seinen Kopf ebenfalls an meine Schulter lehnt – da kann das Bisherige nicht bloß unbedeutend gewesen sein.

„Es tut mir leid.“ Mehr bringe ich nicht heraus, zu sehr vereinnahmt mich dieser Augenblick.

Die sagt nichts, streicht mir dafür sachte über den Rücken. Seine warmen Hände kann ich selbst unter meinem Shirt spüren. Eigentlich könnte ich ewig hier stehen, doch leider macht sich mit der Zeit meine nasse Kleidung bemerkbar. Ich fröstle leicht, was nicht unbemerkt bleibt.

Langsam löst sich Die von mir, allerdings komme ich gar nicht dazu das zu bedauern, da mich seine dunklen Augen gleichzeitig gefangen nehmen. Sie scheinen regelrecht zu leuchten. Ich wusste nicht, dass das Kribbeln in meinem Körper noch mehr zunehmen kann. Anscheinend doch.

Ehe ich weiter in dem Moment versinken kann, unterbricht plötzlich das Handtuch unseren Blickkontakt. Ich habe gar nicht gemerkt, wie Die es von meinen Schultern auf meinen Kopf befördert hat. Er rubbelt damit ein paar Mal damit kräftig über meine Haare. Ich will gar nicht wissen, wie zerstört ich nach dieser Behandlung aussehe. Wohl ziemlich, denn als das Handtuch schlussendlich verschwindet, ziert ein amüsiertes Lächeln Dies Gesicht, während seine Augen meine wüste Haarpracht betrachten. Doch gerade ist es mir herzlich egal, ob ich nun einem Wischmopp gleiche. Die lächelt. Und mir ist warm.

Ich spüre ein sanftes Zupfen auf meiner Kopfhaut, als Die mir einige Strähnen zurechtrückt. Indessen haften meine Augen weiterhin auf seinen Lippen. Die vergangenen Tage, die Zweifel erscheinen mir jetzt weit weg und völlig unwichtig. Als hätte es sie nie gegeben.

Erst Dies leise Worte reißen mich aus diesem Moment.

„Willst du duschen? Oder reichen dir trockene Klamotten?“

Stimmt. Da war noch was. Das klebrig nasse Gefühl auf meiner Haut dringt zurück in mein Bewusstsein und wenn ich Die so mustere, hat mein Shirt garantiert die Hälfte seines Wasservorrats an Dies abgegeben. Nicht, dass es mir nicht gefallen würde.

„Ich denke, Duschen wäre besser.“ Oh Mann, meine Stimme klingt schon wieder belegt. Liegt bestimmt am Wetter.

„Okay, ich leg dir derweil ein paar Sachen raus.“

Bevor ich etwas erwidern kann, schiebt Die mich bestimmt ins Bad. Plötzlich hat er es eilig.

„Ich mach uns mal einen Tee.“ Und schon fällt die Tür ins Schloss und ich kann nur noch irritiert blinzeln.
 

~*~
 

Als ich eine Viertelstunde später leise das spärlich beleuchtete Wohnzimmer betrete, sitzt Die auf der Couch mit zwei dampfenden Tassen vor sich. Zunächst bemerkt er mich nicht, sondern scheint gedankenverloren aus dem Fenster zu schauen. Die Anspannung in meinem Inneren ist zurück und lässt mein Herz schneller schlagen. Auch wenn unser Wiedersehen bisher besser verlaufen ist als gehofft, es liegt zu viel Ungesagtes zwischen uns. Um eine Erklärung komme ich nicht herum.

Zaghaft trete ich näher Richtung Sofa und mache mich damit bemerkbar. Die blickt augenblicklich zu mir. Einen Moment lang bin ich unschlüssig, ob ich mich direkt neben ihn setzen soll oder doch auf den Stuhl, entscheide mich dann für das Erste, da alles andere albern wirken würde. Ich kann seine Augen auf mir spüren, während ich nach einer der Tassen greife und daran nippe. Ein kläglicher Versuch Zeit zu schinden und meine Nervosität zu verstecken.

Nach einigen Minuten wird mir unser Schweigen zu viel und ich gebe mir einen Ruck, will den Feigling endlich hinter mir zu lassen.

„Die… Es tut mir leid, dass ich mich nicht gemeldet habe.“

Irgendwie klingt das nicht so wirkungsvoll, wie ich dachte. Seufzend lege ich den Kopf auf die Rückenlehne der Couch, nachdem ich die Tasse zurückgestellt habe, und schließe die Augen, um mich zu sammeln. Eigentlich wollte ich viel mehr sagen, doch mein Kopf ist leer.

„Ich hätte mich ja auch melden können“, dringt Dies Stimme zu mir. „Aber es ist schön, dass du jetzt hier bist.“

Mein Herz hüpft freudig vor sich hin, während ich seinen Worten lausche – immer noch nicht fähig, genau das in Worte zu fassen, was mich bewegt und was ich in den letzten Tagen unzählige Male durchgegangen bin.

„Ein paar Minuten bevor du aufgetaucht bist, hat Kyo angerufen, wohl um mich, wie er so meinte, vorzuwarnen.“ Ich schnaube. „Und um mir mitzuteilen, dass er mir deinen Schlüssel erst demnächst mitbringt. Habe ihm den geliehen, weil ich mir Sorgen gemacht habe und mir nicht sicher war, ob du mich überhaupt sehen willst“, fügt Die kleinlaut hinzu.

Ich lache kurz auf. Kyo, der alte Schlawiner. Er kann echt lügen wie gedruckt, wenn er es drauf anlegt. Von wegen, ich hätte ihm mal meinen Schlüssel gegeben. Na ja, wie dem auch sei, zielführend war sein Besuch definitiv gewesen.

Als ich aufschaue, begegne ich Dies unsicherem Blick. Ich greife nach seiner Hand und umschließe sie mit meiner. Sie ist herrlich warm.

„Entschuldige, dass ich dir Sorgen bereitet habe. Ich war einfach ein… Idiot.“

Dies Augenbraue zuckt, er schaut mich abwartend an. Nun denn, Augen zu und durch. Wortwörtlich.

„Als ich am Freitag abgehauen bin, war ich durcheinander“, beginne ich und je mehr ich erzähle, desto ruhiger werde ich. Es muss raus. Von der Situation in der Bar. Die Angst, wieder nur als kurzes Intermezzo bis zur nächsten Beziehung betrachtet zu werden. Die Befürchtung, was aus unserer Freundschaft werden könnte. Meine eigene Unwissenheit, was ich wirklich will. Oder was Die will.

Während ich rede, blicke ich kein einziges Mal auf, konzentriere mich lieber auf das Gefühl unserer Hände und meinen Gedankenstrom.

Als ich schließlich ende, fühle ich mich erleichtert, aber auch gleichzeitig ziemlich nackt. Wann habe ich überhaupt das letzte Mal einen derartigen Seelenstriptease hingelegt? Heute dazu gleich zweimal. Hoffentlich wird das nicht zur Gewohnheit.

Da Die nach einigen Augenblicken immer noch nichts sagt, schaue ich verunsichert auf. Ist das doch zu viel gewesen? Nein… Ein liebevolles Lächeln liegt auf seinen Lippen, meine Anspannung sinkt sich schlagartig.

„Ach, Toshiya…“ Seine Hand löst sich aus meiner und streicht mir dafür einige Haare hinters Ohr. Wie von selbst schließen sich meine Augen, um die Berührung noch intensiver spüren zu können. „Jag mir nie mehr so einen Schrecken ein. Ich dachte, das war‘s.“

Plötzlich spüre ich seine Arme um mich. Ich komme gar nicht dazu, zu reagieren, da hat er sich schon längs nach hinten aufs Sofa fallen lassen und mich mit sich gezogen.

Ich lache überrascht auf, als ich auf ihm lande. Eng umschlungen liegen wir da, ich vergrabe mein Gesicht in Dies Halsbeuge, genieße das sanfte Kraulen seiner Finger in meinem Nacken.

„Ich glaube, wir sind beide ziemliche Feiglinge.“ Wohl wahr.

„Hm… Kyo hat sich schon beschwert und uns mit Teenagern verglichen.“

Dies Brustkorb bebt, als er lacht.

Ich richte mich ein Stück weit auf, um ihm besser ins Gesicht sehen zu können. Seine Augen strahlen, sein Lächeln ist ansteckend. Nein, irgendwie kann ich wirklich gerade nicht ohne ihn sein. Ich glaube, ich entwickle eine Vorliebe für Rührseligkeit, während ich Die unter mir betrachte. Das ist echt ungewohnt… und eigentlich echt nicht meins. Ich merke, wie ich langsam zu meiner alten Form zurückfinde, auch wenn ich innerlich die Augen über mich selbst verdrehe. Na ja, vielleicht ist ein bisschen Gefühlsduseligkeit gar nicht so schlecht. Ich hauche einen leichten Kuss auf Dies Mundwinkel. Meine Lippen prickeln und es fühlt sich so gut an.

Aber eins liegt mir noch auf der Seele und will raus.

„Die? Was ist das mit uns? Freunde mit Vorzügen? Eine Affäre? Oder mehr?“

Einen Moment lang wirkt Dies Blick, als würde er mich für unzurechnungsfähig halten und vielleicht bin ich das ja. Doch ich muss es aus seinem Mund hören.

„Dass du das echt fragen musst. Bin nicht sonst ich derjenige, der alles zerredet?“ Er seufzt theatralisch auf und zieht mich einen Augenblick später näher zu sich. „Für mich war es von Anfang an mehr“, raunt er gegen meine Lippen. Endlich schwarz auf weiß. Oder eben von Mund zu Ohr. Und hoffentlich hat es mein Hirn jetzt endlich mal kapiert.

Mein Körper definitiv. Mit einem freudigen Kribbeln in der Magengegend überbrücke ich die letzten Zentimeter zwischen uns und verschließe seine Lippen. Auch wenn der Kuss zunächst sanft beginnt, wird er schnell leidenschaftlicher und ich kann ein begehrliches Aufseufzen nicht unterdrücken. Ich bekomme nicht genug von ihnen. Vier Tage waren echt zu lang.

Ich spüre, wie eine vorwitzige Hand sich unter mein Shirt stiehlt, während die andere weiterhin in meinem Nacken liegt. Gänsehaut folgt dieser Berührung, als sie über meinen Rücken gleitet. Ich will mehr davon. Mehr von Die.

Keine Gedanken mehr. Einfach nur genießen.
 

~*~
 

Irritiert kneife ich die Augen zusammen und versuche den Sonnenstrahl zu ignorieren, der ungehindert auf mein Gesicht fällt. Es funktioniert nicht.

Mein nächster Versuch der Sonne zu entkommen, indem ich ein Stück zur Seite rutsche, scheitert ebenfalls. Ich kann mich nicht bewegen.

Schlaftrunken taste ich um mich und stoße auf einen Arm, der mich umschlungen hält. Langsam werde ich wacher. Erst jetzt registriere den warmen Körper hinter mir und den sanften Atem, der meinen Nacken kitzelt. Ein versonnenes Lächeln macht sich auf meinen Zügen breit. Hach ja.

Ein paar Minuten genieße ich diese angenehme Nähe. Die gleichmäßigen Atemzüge in meinem Rücken lullen mich ein und lassen mich erneut wegdämmern. Doch dieser Zustand währt nicht lange.

Kurz darauf verschwindet der Arm, als sich Die mit einem leisen Murren auf den Rücken dreht und so mehr Abstand zwischen uns bringt. Jetzt bin ich wach, denn plötzlich ist mir kalt.

Etwas ungelenk wechsle ich meine Position, sodass ich nun Die zugewandt daliege und somit näher an ihn heranrutschen kann. Schon besser. Meine Hand landet auf seinem nackten Oberkörper, während ich mich an ihn schmiege. Zwar bin ich noch müde, jedoch nicht müde genug, um sofort wieder einzuschlafen. Viel lieber, beobachte ich, wie sich Dies Brustkorb hebt und senkt, was in etwa dieselbe entspannende Wirkung hat, wie vor sich hindösen.

Ich bin glücklich. Seit letzter Nacht endgültig. Die hat mir die letzten Zweifel genommen und inzwischen frage ich mich, woher diese überhaupt herkamen. Es fühlt sich wirklich richtig an.
 

Unbewusst habe ich angefangen, zarte Muster mit meinen Fingern auf seine Haut zu zeichnen. Eine Gänsehaut folgt ihnen. Vorsichtig linse ich nach oben zu Dies Gesicht, doch er scheint sich nicht von mir stören zu lassen und schläft friedlich weiter. Gut so.

Zufrieden lächelnd lege ich meinen Kopf zurück auf seine Schulter und zeichne weiter willkürliche Muster auf seinen Oberkörper.

Wenn ich jeden Morgen – okay, vielleicht jeden zweiten oder dritten Morgen, ich will schließlich nicht gleich zu viel verlangen – so aufwachen könnte, wäre alles perfekt.

Ich lege meine Lippen auf die Stelle, unter der Dies Herz schlägt und hauche gegen die warme Haut:

„Ich liebe dich.“

Es ist so, es musste raus und es ist gut so. Ich habe nicht vor, Die wieder herzugeben. Meins.

Gerade als ich mich zurück an seine Schulter kuscheln will, verspannt er sich leicht unter mir. Huch, schläft er doch nicht so tief, wie ich dachte?

Ich zucke zusammen, als ich unvermittelt in Dies dunkle Augen blicke, die mich verschlafen anblinzeln. Hat er etwa -?

Bevor ich weiter darüber nachdenken kann, liegt eine seine Hände auf meiner Wange, die andere schlingt sich um meinen Oberkörper. Ein schiefes Grinsen ziert seine Lippen, als er mich näher zu sich zieht. Mein Körper kribbelt und mein Herz setzt einen Schlag lang aus, als er gegen meine Lippen flüstert:

„Ich dich auch, Toshiya.“
 

– Ende –


Nachwort zu diesem Kapitel:
Fortsetzung: Begehren

Hallo ^^

ich hoffe, es hat gefallen. Mir fällt immer mal wieder was zu den Beiden ein, nur leider manchmal nicht unbedingt in der richtigen Reihenfolge *lach*
Deshalb hab ich diese Gesichte jetzt dazwischen geschoben. Es wird sicher noch ein paar Stories zu ihnen geben ^^
Und übrigens: Feedback ist des Autorens Brot :D

Viele Grüße
Luna ^^
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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  -Pharao-Atemu-
2023-12-06T09:31:17+00:00 06.12.2023 10:31
Ich feiere einfach deinen Kyo immer wieder. Auch hier in dieser ff. XD
Ich bin ja noch lange nicht durch mit deinen ffs, aber ich hoffe ich finde mal eine mit ihm in der Hauptrolle.

Schön dass Toshiyas Zweifel sich nun aufgelöst haben, noch schöner wenn Menschen einfach mal lernen würden direkt miteinander zu sprechen.
Aber heyyyy... wozu? Hätten wir doch viel weniger Chaos und Drama auf der Welt. Wär ja auch langweilig hihi
Antwort von:  QueenLuna
25.12.2023 11:07
Ich freu mich dass dir mein Kyo gefällt xD
Ich muss gestehen er wird wohl eher ein Nebencharakter bleiben, weil ich ihn nur sehr schwer greifen kann in der Realität. Bei den anderen habe ich immer eine gewisse Vorstellung, er hat einen sehr interessanten Charakter aber lässt sich für mich nur schwer nachempfinden ^^ und da meine FFs immer einen gewissen Realitätsbezug haben, soll sich das sich in den Figuren widerspiegeln.

Naja in der Praxis neigt man meistens auch dazu Sachen eher weniger anzusprechen und erwartet dass der andere Gedanken lesen kann ^^"


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