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Nach Mitternacht

von

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Julian war nicht ganz wohl zumute, als er die Bahnhofshalle verließ. In herrschte zu dieser späten Stunde noch Leben und Lärm, auch wenn außer den S-Bahnen keine Züge mehr fuhren. Irgendwo hinter ihm stritten sich Wachmänner mit einem Penner herum, der sich nicht aus dem Gebäude vertreiben lassen wollten.

Dann trat er in die Dunkelheit und holte tief Luft. Drinnen hatte sich die Hitze des Tages aufgestaut und ihm den Schweiß auf die Haut getrieben. Wenigstens konnte er hier aufatmen und den Mief hinter sich lassen...
 

Doch dem war nicht so. Julian rümpfte die Nase, denn der scharfe Duft von altem Urin stieg ihm in die Nase, als er an der Nische mit ein paar schiefen Fahrradständern vorbei ging. Er wusste, dass nicht nur die Penner diese Ecke nutzten, um sich zu erleichtern. Das war auch an seiner Station so, obwohl sich da durch ein kleines Wäldchen genügend Bäume und Büsche befanden, hinter die "mann" sich zurückziehen konnte, ohne gesehen zu werden.
 

Julian wischte sich über die Stirn. Trotz des dünnen Shirts und der kurzen Jeanshose blieb ihm warm. Kein Wunder, wenn jetzt im Hochsommer die Temperaturen auch nachts nicht unter 25 ° Celsius fielen. Außerdem trieb ihm noch etwas anderes den Schweiß aus den Poren.

Der junge Mann versuchte sich seine Aufregung nicht anmerken zu lassen.

Das Viertel hinter den Gleisen war nur schlecht beleuchtet, ein Teil der weit auseinander stehenden Strassenlaternen war mutwillig zerstört worden. Irgendwo knarrte, durch einen leichten Luftzug bewegt, das Tor eines leerstehenden Gewerbehofes. Etwas weiter entfernt, auf der Hauptverkehrsstrasse quietschten Reifen.
 

Wie spät war es jetzt eigentlich? Zwei oder bereits halb drei?

Warum hatte er sich bloß breit schlagen lassen, so spät noch zu Ritchie zu fahren, wenn der doch sonst immer zu ihm kam? Aber der hatte am Telefon so lange gebettelt bis Julian schließlich nachgegeben hatte.
 

"Ich bin so allein! Die anderen haben mich sitzen gelassen. Bitte, bitte komm doch! Für dich ist es doch ein leichtes, noch mal eben mit der S-Bahn rüber zu kommen. Sind ja nur drei Stationen. Ich kann nicht, weil die Bullen heute Nacht zu viel kontrollieren wegen der Kirmes und mich bestimmt einlochen, weil ich ihnen suspekt erscheine...", äffte er seinen Freund leise murmelnd nach. "Bin ich nur dein Notnagel? Kannst du nicht einmal ein Wochenende ohne mich auskommen? Dabei hat es doch zuerst geheißen, du wärst mit deinen Kumpels von der Maloche auf Kneipentour. Wahrscheinlich haben sie rausgekriegt, dass du nicht das gleiche im Kopf hast wie die. Du hättest mich wenigstens vom Bahnhof abholen können, du blöder Hund."
 

Wütend trat er mit dem Fuß eine leere Bierdose über den Weg und erschrak vor dem lauten Scheppern. "Bockmist!" Fluchend sah Julian sich vorsichtig um, in der Hoffnung, niemanden aufgeschreckt zu haben. Denn die Gegend war bekannt für ihre Schlägertypen, und Taschendiebe.

Vielleicht fühlten sich auch ein paar Wermutbrüder von dem Lärm gestört. Manche konnten in ihrem Suff rabiat werden und mussten mit einem Faustschlag auf Distanz gehalten werden. Zumindest hatte Ritchie mal von einer solchen Maßnahme erzählt.

Hier gaben sich Zuhälter, Nutten und Drogendealer die Hand, und da musste man selber schon finster und verschlagen, oder brutal genug wirken, um sich Respekt zu verschaffen.
 

Ritchie hatte damit kein Problem, immerhin war er mit seinen über zwei Metern größer als die meisten, konnte unter seinen wirr abstehenden schwarzen Haaren und mit gesenkten breiten Augenbrauen finster dreinblicken und seine Muskelpakete an den Armen anschwellen lassen.

Das hatte Julian schon bewundert, als sie sich in der Fabrik kennen lernten, in der er letzten Sommer gejobbt hatte.
 

Er selber wirkte mit Mitte zwanzig er immer noch wie ein typischer Erstsemester, schlaksig und nicht ausgewachsen, obwohl er regelmäßig ins Fitnessstudio ging. Aber er konnte machen, was er wollte, seine Arme und Schultern blieben mickrig...
 

Klack ... klack, ... klack.
 

Dieses Geräusch machten nur harte Schuhsohlen auf Asphalt. Julian hielt die Luft an und blickte in die Richtung. Ein Mann kam auf ihn zu - in dem schwachen Licht der Laterne kaum zu erkennen. Trotz der Wärme trug der Mann Sonnenbrille, Hut - und einen langen Mantel, wie Neo aus Matrix.

Bei der Maskierung konnte der Typ nur Dreck am Stecken haben, oder ... Für einen Moment kam Julian eine Ahnung, aber er wurde durch eine raue Stimme aus seinen Überlegungen gerissen.
 

"Will'ste was von mir, Kleiner?"

Der Neuankömmling blieb einige Schritte vor dem jungen Mann stehen und musterte ihn von Kopf bis Fuß. Der breite Mund - das einzige, was im Gesicht zu erkennen war, verzog sich zu einem breiten Grinsen.
 

"N-n-nein. S-sorry! I-i-ich gehe ja schon." Julian rutschte das Herz in die Hose, denn ihm war die Geste nicht entgangen, die der andere machte. Bloß weg hier, denn mit solchen Kerlen war nicht zu spassen, weder im Film, noch in der Realität.

Er drehte sich abrupt um und setzte hastig seinen Weg fort, bemüht nicht zu rennen und damit den Typ anzuspornen. Denn Angst machte die Meisten nur noch heißer.

Wie weit war es noch zu Ritchie? Musste er hier an der Straßenkreuzung jetzt rechts abbiegen oder weiter geradeaus? In der Dunkelheit sahen die Bruchbuden alle gleich aus, man konnte nicht mehr erkennen, welches brauner war, oder wo der Putz mehr abbröckelte.
 

Kurzentschlossen bog er in die kleinere Seitenstrasse ein, denn das "klack-klack-klack" blieb dicht hinter ihm.
 

Julian beschloss, die Straßenseite zu wechseln und quetschte sich zwischen ein paar parkenden Autos durch, stieg über eine offene Mülltüte und verfing sich fast in einem leeren Pappkarton. Glas knirschte unter den Sohlen seiner Turnschuhe.

Doch kaum war er auf der anderen Seite, folgte ihm auch der Mann. Mit wehenden Mantel schritt er gelassen über die Fahrbahn und genau auf Julian zu, der zu seinem Schrecken bemerkte, dass die Strasse nur ein paar Meter weiter an einer Hauswand endete.
 

Dem jungen Mann wurde heiß und kalt.

Verdammt, er war genau falsch abgebogen! Jetzt musste er an dem komischen Kerl vorbei, wenn er wieder aus der Sackgasse wollte.

Julian nahm allen Mut zusammen und ging auf seinen Verfolger zu, der sich mitten auf dem Weg aufbaute. Irgendwie wusste er, dass ein erneutes Ausweichen keinen Sinn machte, denn der andere war ihm ja schon zu lange gefolgt.
 

Nur nicht provozieren lassen oder provozieren...
 

Möglichst gelassen versuchte Julian an dem Mantelträger vorbei zu gehen, spürte dessen Ausstrahlung, als er ihn erreicht hatte und kam ungehindert vorbei, denn der Mann trat einen Schritt zur Seite.

Julian riss die Augen auf, blieb stehen und blickte unwillkürlich zurück. Was hatte das zu bedeuten?

Doch ehe er sich von seiner Überraschung erholen konnte, sprang der andere auf ihn zu, packte ihn an den Schultern, um ihn an sich heranzuziehen und seinen Mund auf den seinen zu pressen.
 

"Mmmmhmhhh!" Julian wehrte sich gegen den Überfall, kam aber gegen den harten Griff des anderen nicht an. Als er zu treten versuchte, schob ihn der andere mit sanfter Gewalt an die nächste Hauswand und drängte sich so an ihn, dass sich Julian kaum noch rühren konnte. Schließlich hielt der Mann seine Handgelenke fest.

Die ganze Zeit lösten sich die Lippen des Vermummten nicht von denen des jungen Mannes, der zu beißen versuchte, dann aber die harten, fordernden Küsse zuließ und aus Protest nur der Zunge des anderen den Zugang in seinen Mund versperrte.
 

Julian bäumte sich auf, uns spürte doch nur die wachsende Erregung des anderen, der unter dem Mantel nichts weiter als einen Slip zu tragen schien, wenn überhaupt!

Verdammt, an was für einen Irren war er hier nur geraten? Der Mistkerl wollte ihn doch nicht etwa auf offener Strasse vergewaltigen?

Endlich gab der andere seinen Mund frei, gierig nach Luft schnappend. "Versuch ja nicht zu schreien, Kleiner!" drohte er rau. "Oder du hast schneller ein Messer im Bauch als du denkst!"
 

Der junge Mann holte ebenfalls tief Atem und rang mit sich. Die Warnung des anderen war deutlich genug, aber konnte der die auch umsetzen? Das einzig harte, was seinen Körper berührte war genau das Gegenteil von kaltem Metall.

Vielleicht gab es doch noch eine kleine Chance, die er bloß ausnutzen musste, denn zu Ritchie konnte es nicht mehr weit sein.
 

Moment mal!
 

Plötzlich stutzte Julian, und seine Angst verwandelte sich in Wut. "Mensch, du bist ein Idiot!", zischte er. "Wenn die Bullen hier auf Streife durch gefahren wären, hätten sie dich mit Sicherheit als Perversen eingelocht, Ritchie!"

Der andere lachte glucksend und ließ ihn los.
 

Julian trat einen Schritt zurück und fühlte sich bestätigt, während sein Freund den Hut lüpfte und das feuchte Haar zurückstrich. Er grinste breit. "Das war's mir aber wert. Sag bloß, du hattest richtig Angst vor mir!"

"Mir schlottern jetzt immer noch die Knie!", blaffte Julian wütend zurück und packte den um einen halben Kopf größeren Freund am Kragen. Dabei spürte er, dass der tatsächlich nichts unter dem Mantel trug. "Mann, bist du wahnsinnig?"
 

"Nein. Nur scharf auf dich." Ritchie zog ihn an sich und ließ eine Hand frech unter Julians Shirt gleiten. "Meine Kumpels haben nur über ihre Autos und die Tussis, die sie aufreißen wollten gequatscht, als sie ein paar Bier intus hatten, und da habe ich die Biege gemacht."
 

Die Hand glitt tiefer. "Die müssen ja nicht wissen, dass ich auf wen ganz anderes stehe. Weiber, pah. Ich könnte dich hier und jetzt vernaschen, weisst du das?" Fordernd spielten die Finger an seiner erwachenden Erektion herum.

"Das ist mir schon klar.", Julian seufzte und ergab sich für einen Moment den Streicheleinheiten, die er nach der Aufregung besonders intensiv spürte, dann siegte sein Verstand über die Lust. "Ich merke es ganz genau!" keuchte er leise, schob dann aber die Hand seines Freundes weg. "Lass uns trotzdem bei dir in der Wohnung weiter machen, ehe noch andere auf dumme Gedanken kommen!"
 

Er deutete auf die Scheinwerfer eines Autos, das in die Strasse einbog. "Wir sind hier leider nicht auf freiem Feld, wie bei mir, wo wir uns in die Büsche schlagen können, wenn uns danach ist." seufzte er leise und dachte daran, dass er eigentlich das Spielchen ins Leben gerufen hatte, auf das er jetzt hereingefallen war. Denn schon oft hatte er seinem Freund irgendwo im Wäldchen neben der Siedlung aufgelauert, nachdem er ihn dort auf den Parkplatz für die Wanderer gelockt hatte.
 

"Okay, wenn's auch schade drum ist." grinste Ritchie legte einen Arm um Julian "Aber ich war doch gut, oder? Ich habe dich richtig ins Bockshorn gejagt."

"Ja, leider ... Mann ich habe gedacht, du wärest wirklich so ein Schwein, dass es nur auf einen schnellen Fick abgesehen hat. Ich habe mich schon gefragt, warum du mich nicht abgeholt hattest."
 

"Na ja, ich dachte, es wäre auch mal lustig, dich damit zu überraschen." Ritchie sah ihn flehend an. "Nun sei nicht länger sauer, ja? Ich werde das auch nie wieder tun." Er klimperte mit den Augen.

Julian musste unwillkürlich grinsen, und nickte, als er seinen Wut verrauchen spürte. "Na ja, ist schon okay.", erwiderte er und legte einen Arm um. "Ich habe ja selber damit angefangen, also muss ich auch mal mitmachen, dass du es mir heimzahlst."
 

"Ja, ich habe dir die Schnitzeljagd nie vergeben, als ich glaubte, du seiest wirklich in der Gewalt eines Irren!", spielte Ritchie auf eine Idee Julians aus den letzten Wochen an. "Aber als wir uns danach geliebt haben, war es um so geiler!"

"Das ist bestimmt heute auch so. Ich bin gar nicht mehr müde."
 

"Um so besser, denn du weißt ja...", Ritchie zückte seinen Schlüssel, denn sie hatten mittlerweile sein Zuhause erreicht,"... die beste Zeit für Sex und Spiele ist immer nach Mitternacht!"



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