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Die Geister der Unterwelt

Wichtelgeschichte für Futuhiro
von

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Das Rätsel

Bereits im Aufzug brütete Vaska über ihrem Block. „Folgt dem Silber“, murmelte sie. „Folgt dem Silber …“ Sie seufzte schwer, die Stirn in tiefe Falten gelegt. „Welchem Silber sollen wir folgen?“

„Vielleicht der Münze?“, entgegnete Vanya und zog diese hervor.

Wann hatte er diese bekommen? Olga hatte davon nicht einmal etwas mitbekommen. Doch vielleicht war es Absicht der Balaya gewesen.

„Vielleicht …“ Vaska nahm ihm die Münze ab und schaute diese ebenfalls grübelnd an. „Sie ist silbern.“

„Das ist ein Rubel aus zweiter Prägung“, meinte Vanya und erntete damit einen Seitenblick. „Die wurden kurz nach Beginn der UdSSR geprägt.“

„Hmm.“ Vaska drehte die Münze in ihrer Hand. „Sichel und Stern“, stellte sie in Hinblick auf die Prägungen fest. „Hat sie das gemeint?“

„Du bist diejenige, die so viel liest.“

„Nun, ein Buch wird uns schon nicht sagen, wie wir dieses Rätsel zu lösen haben“, erwiderte Vaska missmutig. „Aber … vielleicht hat es etwas damit zu tun.“ Sie schürzte die Lippen. „Aber wie sollen wir der Münze folgen?“

Olga hatte bereits eine Idee. Nun, zwei oder drei. Es gab ein paar Möglichkeiten, wie das möglich wäre. Sie jedenfalls konnte sich gut vorstellen, dass ein Zauber auf der Münze lag. Doch war sie nicht sicher, ob sie den beiden etwas sagen sollte. Es war kurz nach eins. Sie hatten noch elf Stunden. Würde sie einen Vorschlag machen, konnte es die Zeit beschleunigen, aber es blieb die Frage nach den nie näher definierten Regeln. Immerhin waren diese beiden besonders, so hatte die Familie es gesagt. Eine Aufgabe von der Balaya zu bekommen war etwas besonderes. Es hatte eine größere Bedeutung als ihre damalige Aufgabe. Oh, wieso war sie eigentlich die Betreuerin für diese beiden? Es wäre vielleicht besser gewesen nächstes Jahr mit ihrer jüngeren Schwester zu gehen, die genau so langweilig und wenig besonders war, wie sie selbst.

Gerade als der Aufzug unten ankam, sprach jedoch auch Vaska denselben Gedanken aus, den Olga bereits früher gehabt hatte: „Vielleicht ist die Münze verzaubert.“ Sie bekam dafür zwei, drei verwirrte Blicke von umstehenden Menschen.

Was diese sich wohl denken mussten?

Gemeinsam mit den jungen Magiern blieb Olga beim Ausgang des Turms stehen und wartete, dass die anderen aus dem Aufzug ausgestiegen waren.

„Inwiefern verzaubert?“

„Ich weiß es ja selbst nicht.“ Vaska klang ein wenig verärgert. „Du kannst solche Dinge sehen, oder? Ich meine, du hast so etwas mit Tante geübt, oder?“

Vanya zuckte mit den Schultern. „Na ja, ja, schon, aber …“ Er seufzte schwer und murrte.

„Jetzt mach schon“, drängte Vaska ihn und stieß ihn mit dem Ellenbogen an.

Vanya antwortete nicht, nahm dafür aber einen Anhänger von seinem Armband ab und setzte dann Nika von seiner Schulter auf seinen Schoß. Dann schloss er die Augen, hielt seinen Anhänger in einer Hand, die Münze in der anderen. Stille herrschte. Sein Atem kondensierte vor seinen rauen Lippen, während Nika sich mit geschlossenen Augen aufplusterte. Schließlich öffnete er die Augen und betrachtete die Münze. Ein seltsamer Schimmer umgab die Iris seiner Augen. „Ja, da ist etwas mit der Münze.“

„Was?“, fragte Vaska sofort.

„Sie hat eine Aura“, erklärte Vanya. „Grün. Violett. Sie vermischen sich. Ich kann sehen, dass etwas daran verzaubert wurde. Aber ich kann so nicht sagen, was für ein Zauber es ist. Nichts starkes.“

„Schade“, murmelte Vaska.

„Kann ich ja auch nicht ändern“, murrte ihr Cousin.

„Ich habe mich nicht beschwert.“

Vanya murmelte etwas für Olga unverständliches, schloss dann aber die Augen wieder, um sie einen Moment später zu öffnen. „Das ist alles was ich sagen kann“, murrte er, hängte den Anhänger an den Armreif zurück und strich durch Nikas Gefieder, während die Eule ein müdes Gurren vernehmen ließ.

„Hmm.“ Ohne zu fragen nahm Vaska die Münze wieder aus seiner Hand. Sie zog ihren Handschuh aus und hielt die Münze zwischen Zeigefinger und Daumen. „Was, wenn wir sie an ein Pendel hängen?“

„Du kannst es versuchen“, murmelte Vanya.

Olga hielt sich heraus. Sie hatte sich auf dem Fahrersitz umgedreht und wünschte sich gerade nichts mehr, als irgendwo zu sein, wo es eine Heizung gab. Diese furchtbare, bittere Kälte schien in ihre Haut einzudringen, sich durch ihr Fleisch zu fressen. Sie wollte nur ein warmes Kaminfeuer. Ein Haus. Einen Rückzugsort. Zumindest Yefim saß im Moment auf ihrem Schoß und wärmte sie dadurch ein wenig.

Mit zittrigen, steifen Fingern holte Vaska ein Band aus ihrer Manteltasche und wickelte es um die Münze herum. Dann ließ sie die Münze unter ihrer Hand baumeln.

Es war direkt auffällig, dass etwas magisches vor sich ging. Erst fiel die Münze gerade hinab, ohne hin und her zu schwingen, so als würde sie weit mehr wiegen, als sie es tat. Dann schwang sie auf einmal nach schräg vorne rechts und blieb in der Luft schweben.

„Nun, ich denke das ist die Antwort“, meinte Vaska und wirkte etwas selbstzufrieden. Sie nahm ihren linken Handschuh und zog ihn sich mithilfe des Mundes an, ehe sie das Pendel mit links nahm und auch den rechten Handschuh wieder anzog.

„Dann navigier mich“, murmelte Olga und startete den Wagen.

Yefim sprang auf den Beifahrersitz und bleib dort sitzen, während sie losfuhr.

Was folgte war das übliche Problem, das jeder Magier, der je einen Aufspürzauber probiert hatte, kannte: Der Zauber zeigte in eine Richtung und durchweg in eine Richtung, doch natürlich erlaubten Straßen es nicht direkt dorthin zu fahren. Also folgte Ratearbeit, um in die richtige Richtung zu kommen.

„Ich frage mich ja, ob wir nicht einfach in die Metro sollen“, murmelte Vanya nach einer Weile.

„Die Metro?“, fragte Olga, ehe sie sich davon abhalten konnte.

„Na ja. Schoß der Welt. Hinab und hinauf. So war es doch, oder?“

Vaska zuckte mit den Schultern. „Könnte sein. Wir werden ja sehen, wohin uns das ganze führt.“

„Solange es keine Falle ist“, murmelte Vanya.

„Ach, sei nicht so pessimistisch. Soweit liegen wir wenigstens gut in der Zeit.“

„Solange wir nicht in die falsche Richtung rennen.“

„Ach komm, warum sollte uns die Balaya-“ Vaska unterbrach sich. „Hier rechts, bitte, Olga.“

„Ich wäre dafür, ihr schaut erst einmal, wohin wir kommen“, meinte Olga. „Ich werde euch aber nicht aus Moskau rausfahren.“ Dabei sagte ihr ein unbestimmtes Gefühl, dass sie bereits wusste, wohin sie unterwegs waren. Aber wieso da? Es war nicht wirklich ein „Schoß“ von irgendetwas und hinab ging es dort nur insofern, dass es einen Keller und natürlich eine Metro-Station gab.

Sie würde abwarten müssen.

So ging ihre Suche weiter. Dank der Raterei, einigen Einbahnstraßen und ähnlichen Problemen vergingen fast vierzig Minuten, bis sie am Gelände der Universität ankamen.

„Ich glaube wir sind näher“, merkte Vaska an. „Es bewegt sich mehr.“

Als hätte sie es geahnt. Olga atmete tief durch und bereute es sogleich, als die eisige Luft in ihren Atemwegen brannte. Sie steuerte den Parkplatz an. „Dann lasst uns uns hier einmal umsehen, ja?“

„Sollten wir nicht erst um das Gelände rumfahren?“, fragte Vanya.

„Wir haben nicht ewig Zeit“, murmelte sie.

Wieder murrte Vanya etwas, doch auf eine Art, dass sie es nicht verstand.

Also fuhren sie auf den Parkplatz, stellten den Wagen ab und stiegen aus. Der eine Vorteil an der nicht funktionierenden Wagenheizung war, dass die Kälte ihnen so nicht entgegenschlug.

Missmutig warf Olga Vaska einen Seitenblick zu, während diese mit dem Pendel vor sich die Führung übernahm. Auch wenn Silvester war, war der Campus nicht verlassen. Tatsächlich liefen einige Studenten herum und es dauerte nicht lang, bis sie ein bekanntes Gesicht sah.

„Olga?“ Dimitri kam direkt auf sie zu, Maria an seinem Arm.

Sie ergab sich ihrem Schicksal, setzte ein Lächeln auf und nickte ihm zu. „Hallo.“

„Was machst du hier?“, fragte er. „Ich dachte du hättest Familienangelegenheiten …“

Olga legte eine Hand auf Vanyas Schulter, während ihr Bruder sein bestes tat, so zu wirken, als würde er gar nicht hier sein. „Mache ich auch. Ich bin mit meinem Bruder hier. Und unserer Cousine. Wir erledigen gerade noch ein paar Sachen für unseren Onkel.“

Maria, eine hübsche, mollige Studentin mit langem dunklen Haar, schaute zu Vaska, die dank ihrer kleinen Gestalt noch mehr fehl am Platz wirkte. „Was macht sie?“

„Ach, sie hat Pendeln für sich entdeckt“, meinte Olga halbherzig. „Sie sucht wahrscheinlich nach Wasserrhren oder so.“ Sie lächelte auf eine Art, die hoffentlich implizierte, dass sie es für albern hielt. Hier musste niemand wissen, was ihre Familie genau machte. Sicher hatten manche von diesen alten Vrac gehört, doch konnte sie auf Fragen in die Richtung verzichten. Wirklich dran glauben tat ja eh kaum jemand.

„Du kommst heute Abend nicht mehr?“, fragte Dimitri nach einer kurzen peinlichen Stille.

„Ich werde sehen, ob ich es schaffe.“ Olga zuckte mit den Schultern, die Augen nun auf Vaska gerichtet, die unbeirrt über den verschneiten Rasen lief. „Und ich glaub ich muss weiter, ehe meine Cousine noch vor ein Auto rennt“, meinte sie rasch.

„Viel Spaß noch.“ Maria schenkte ihr ein halbherziges, leicht mittleidiges Lächeln.

„Danke.“ Damit sprintete Olga los, um Vaska einzuholen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: Futuhiro
2020-04-10T12:20:08+00:00 10.04.2020 14:20
Sorry für die Verspätung. Ich kam in den letzten Tagen und Wochen nicht wirklich dazu, bei meinen ENS-Benachrichtigungen hinterher zu bleiben. >.<

Ich mag Vanyas grummelige Art immer noch extrem. ^_^ Und ich weiß noch, dass ich an dieser Stelle auch mega gespannt war, wo sie nun landen würden. Zum Glück bin ich ja schon etwas weiter als die anderen Mitleser. :D

Die Tatsache, dass sie ihre magischen Fähigkeiten vor anderen Mitmenschen nicht so preisgeben, bringt sehr viel Spannung und Realismus in die Sache. Es wird den Charakteren damit zwar zusätzlich erschwert, weil sie vor Zeugen nicht so können wie sie vielleicht wollen, aber man ist als Leser umso neugieriger, wie sie die Aufgabe dann wohl lösen werden. ^^

Ich wünsch dir schöne Ostern und bleib gesund
Hiro~
Von:  Taroru
2020-03-20T18:16:10+00:00 20.03.2020 19:16
na ich bin gespannt wo sie da noch landen werden XD
aber ich finde es gut, wie du auch auf 'normalos' eingehst, wie das umfeld die gruppe wohl wahrnehmen würde. das gefällt mir echt gut, und macht das ganze verdamm realistisch ^^


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