Zum Inhalt der Seite

Der Brautstrauß war ein Veilchen

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Sakura

Weich, niedlich und reinweiß. Sakura kürte Schäfchen 277 zu ihrem Lieblingsschaf und hörte mit dem Zählen von springenden Lämmern auf, die ihr beim Einschlafen helfen sollten. Seit einer Stunde starrte sie an die Zimmerdecke und wartete auf den Dämmerungsprozess ihres Körpers, der sich aber nicht einstellen wollte.

Wie sehr hatte sie sich doch auf den erholsamen Schlaf in diesem wunderschönen und bequemen Bett gefreut? Aber kaum lag sie auf der Matratze, verschwand jegliche Ermattung und eine innere Unruhe nahm von ihr Besitz. Mit diversen Einschlafhilfen versuchte sie diese zur überlisten, aber es half nichts.

Am Ende hatte sie Schäfchen zählend mit offenen und auch mal geschlossenen Augen dagelegen, nur um bei Schäfchen 277 frustriert aufzugeben.

Sakura beschloss, wenn sie schon nicht schlafen konnte, dann sollte sie die Nacht für etwas Sinnvolles nutzen, und zwar mit dem Lesen von medizinischen Fachzeitschriften. Sie hatte zwar noch Kopfschmerzen und vom stechenden Ziehen in ihrer linken Gesichtshälfte wollte sie gar nicht reden, aber lethargisch rumliegen und Löcher in die Luft starren war nicht ihre Art. Sowas war eher den Shikamarus dieser Welt vorbehalten.

Mit einem Seufzen knipste sie die Nachttischlampe an und setze sich auf, wobei ihr blauer Pyjama in Schieflage geriet. Sie zupfte ihn zurecht.

Durch die Bewegung fing ihre Wange wieder mit schmerzen an. Als sie nach dem beiseitegelegten Kühl-Akku griff, musste sie enttäuscht feststellen, dass von Kühlung nicht mehr gesprochen werden konnte; Zimmertemperatur traf es da schon besser. Sie stand auf und tauschte den Akku gegen ein frischeres Modell. Dabei schweiften ihre Gedanken zur Verursacherin ihrer Schmerzen und mit stummen Worten fluchte sie Karin dorthin, wo der Pfeffer wuchs.

 

Der Groll, den die Frau gegen sie hegte, nervte und war einfach nur lächerlich. Zwischen ihnen konnte es doch nicht ewig so weiter gehen. Sie sah sich schon im Altenheim sitzen und wie Karin ihr eine mit dem Gehstock verpasste, weil die Kraft für einen rechten Haken nicht mehr ausreichte.

Bei der Vorstellung schweiften Sakuras Erinnerung zu jenem Tag zurück, an dem ihrer Meinung nach der Startschuss für all die kleinen und großen Streitereien gefallen war. Ino und sie nannten ihn „Tag des Zuckertüten-Massakers“. Der Name ließ schon erahnen, dass Zuckertüten und jede Menge Erstklässler, die eingeschult wurden, eine Rolle dabei spielten.

Alles begann damit, dass Karins und ihre Zuckertüte das gleiche Motiv besaßen und beiden Tüten das Namenschild fehlte; bis hierhin war es noch kein Streitgrund … aber der eigentliche Auslöser für alles, und wie konnte es anders sein, war der Faktor Sasuke Uchiha.

Zum Leidwesen vieler Mädchen, darunter auch Karin, kam er in die Klassen 1-1, zu der auch Ino, Hinata, Sasukes bester Freund Naruto und Sakura selbst gehörten und hier lag der Hase im Pfeffer vergraben.

Als die Lehrerin der Klasse 1-1 Sakuras Zuckertüte hochhob und nach dem nicht vorhandenen Namensschild suchte, erkannte Karin vor allen anderen ihre Chance. Sie nutzte die gleichaussehenden Zuckertüten und rief: „Das ist meine!“ – Die verdutzen Blicke zweier Elternpaare ignorierte die Rothaarige gekonnt.

Das dadurch entstandene Chaos führte am Ende dazu, dass jeder zweite Erstklässler Tränen vergoss, 17 zerstörte Zuckertüten mit ihrem Inhalt verstreut auf dem Boden und unter den Füßen der Erwachsenen und Kinder lagen und dass die Einschulung von Sakuras Jahrgang nie wieder erwähnt wurde. Noch heute trauerte Sakura ihrer Zuckertüte nach. Keine gehabt zu haben, war für sie schlimmer gewesen als ihre blamables Auftreten vor einem gewissen Sasuke Uchiha. –

 

Mit einem Seufzen erhob sich Sakura aus der Hocke. Sie wollte jetzt nicht an den Uchiha denken. Noch immer schaffte es der bloße Gedanken an ihn, dass ihr Herz schneller schlug und diese romantischen Gefühle in ihr aufkeimten, die sie mit den Verstand zu unterdrücken versuchte.

Ihretwegen konnte er ruhig mit Kar …, Nein! Sie konnte den Satz nicht beenden. Nicht jetzt, nicht heute, vielleicht in einem Monat oder einem Jahr; irgendwann mit Sicherheit, obgleich die Wehmut sicherlich mitschwingen würde.

Karins anklagende Worte kamen ihr den Sinn und mit gerunzelter Stirn dachte sie darüber nach. Wenn sie sich recht besann, hatte Karin behauptet, sie habe alles geplant, ihr gesamtes Verhalten nur darauf ausgelegt, Sasuke zu bezirzen. Wie kam die Frau nur darauf? Und mit einmal fragte sich Sakura, weshalb Karin so kurz nach ihrem Weggang mit dem Uchiha wieder auf den Matte gestanden hatte?

Sakura presste die Lippen aufeinander und hielt den Akku an die Wange. Sie besaß jetzt keine Lust und erst recht keine Muse sich mit den aufkommenden Fragen zu befassen und mögliche Lösungen zu finden. Mit einem unwirschen Laut wandte sie sich von der Kühlbox ab und ging zum Fenster, wo sie einen der vier Vorhänge zur Seite schob, um freie Sicht auf die Winterlandschaft zu haben.

Der Drang nach frischer Luft ließ sie das Fenster öffnen. Die nächtliche Winterluft umspielte ihren Körper und sie atmete den klaren Hauch der Nacht gierig ein. Welch eine Wohltat. Im hellen Mondlicht zeigte der Schnee ein zartes Glitzern und die Bäume, besonders die Tannen, sahen aus als wären sie mit einer fetten Glasur Zuckerguss überzogen. Sie bildeten mit ihrem hellen Behang einen starken Kontrast zum mächtigen Schwarz des Nachthimmels, der mit einem feinen Hauch von Blau durchwoben war. Die Sterne in ihm funkelten wie kleine LEDs aus weiter, weiter Ferne.

 

Sakura legte den Akku beiseite und stützte sich mit den Händen auf dem Innenfensterbrett ab, während sie das herrliche Bild der nächtlichen Winterlandschaft genoss. Kurzzeitig kam es ihr in den Sinn mit der Handykamera draufzuhalten aber frühere negative Erfahrungen und ein intensives Gespräch mit Sai, Inos Verlobten, über die technischen Möglichkeiten einer Spiegelreflexkamera auf einem Stativ und diverser Objektive, hatten sie davon überzeugt, lieber die Augen zu nutzen statt die Kameralinse eines Mobiltelefons.

„Es kommt nicht nur auf die gute technische Ausrüstung an“, hatte Sai erklärt. „Ein gutes Bild ist in der Lage, die Empfindung des Künstlers an den Betrachter weiterzugeben.“ – Wie recht er hatte. Bei der Betrachtung ihrer Handyfotos gab es nur wenige, die Geschichten erzählen konnten. Seine Fotografie-Vernissage, welche sie mit Ino besuchte, war ein wahrer Augenöffner gewesen.

Sakura ließ ihren Blick zum Himmel wandern. Das wolkenlose Firmament bot sich regelrecht dafür an, nach bekannten Sternbildern zu suchen. Sie war gerade dabei die Sterne für den kleinen Bären zu entdecken, zu dessen Hauptsternen der Polarstern gehörte, als ein Kribbeln auf dem Handrücken ihr Tun unterbrach.

Sakura sah hinab und schluckte. Statt eines Haares, dass durch den Wind bewegt wurde und somit die Bezeichnung Störenfried verdiente, hockte eine fette, schwarze und an den Beinen mit Stoppeln ausgestattete Kellerspinne auf ihrer Hand. Das Tier bewegte hie und da eines der acht Beine.

 

In Sakuras Kehle wuchs ein lauter und durchdringender Schrei heran, der aber ungehört blieb, weil er nicht ausgestoßen wurde. Obwohl sie einen Ekel vor Spinnen besaß, schaffte sie es nicht ihrer Furcht verbal Gehör zu verschaffen, gleichwohl sie es versuchte – ohne Erfolg. Der einzige Ton, den sie über die Lippen brachte, war ein gehauchtes: „He!“.

Ganz anders reagiert der Rest ihres Körpers. Der erstarrte zur Salzsäule, während das Hirn auf Hochtouren arbeitete. Es suchte fieberhaft nach einer Lösung, solange sämtliche Flucht- und Ekelreflexe vorerst auf Eis lagen.

Nachdem ihr Verstand zu einem Entschluss kam, amtete Sakura einige Male tief durch und zählte von Drei auf Null hinunter. Ruckartig hob sie den Arm an, um die Spinne aus dem Fenster zu befördern. Dummerweise kam genau in diesem Moment ein starker Wind auf und wehte das Tier wieder in das Zimmer hinein.

Das war der Augenblick, da die Furcht in Sakura die Oberhand gewann und den Verstand anschrie, endlich die Klappe zu halten und Maßnahmen für den Selbsterhaltungstrieb einzuleiten. Sakura schloss das Fenster mit einem Knall und trat von diesem zurück. Mit geweiteten Augen und einer immer größer werdenden Angst sah sie der Spinne dabei zu, wie diese die Wand hinunter krabbelte und direkte auf sie und ihre nackten Füße zuhielt. Vom Bewegungsablauf der acht Beine angewidert, zog sich Sakura immer weiter in das Zimmerinnere zurück bis sie gegen das Bett stieß, das Übergewicht nach hinten bekam und mit dem Hintern voran auf der Matratze landete. Dabei entfloh ihr ein spitzer Schreckenslaut.

 

Sakura erholte sich rasch von dem Schrecken und zog die Beine an den Körper. Die Spinne rannte noch immer auf sie zu und machte noch nicht einmal vor dem Läufer halt, der um das Bett ausgelegt war. Ein Schauder erfasst sie als das Tier über die Teppichhaare hinüberkrabbelte und unter dem Bett verschwand.

Vorsichtig stütze sich Sakura an der Matratzenkante ab und senkte langsam den Kopf, damit sie unter das Bett schauen konnte. Der schwache Lichtschein der Nachttischlampe ließ nicht viel erkennen, aber sie konnte die krabbelnde Bewegung ausmachen und musste zu ihrer Bestürzung dabei zusehen, dass das Tier den Plan besaß, an einem der vorderen Bettpfosten hinaufzuklettern.

Das war zu viel für Sakura. Sie sprang förmlich aus dem Bett und vergaß für einen Moment die Schmerzen in ihrer Wange und um das Auge. Für sie stand fest, sie würde die Nacht nicht in diesem wunderschönen, aber jetzt spinnenbelagerten Zimmer verbringen. Nein, definitiv nicht und sie wusste auch schon wohin es für sie ging.

Auf dem Nachttisch lag noch immer das Hotelprospekt, welches Sakura im Bett durchgelesen hatte und in dem der hoteleigene Wintergarten angepriesen wurde, der über das gesamte Jahr zugänglich war. Mit Sicherheit ein idealer Rückzugsort.

Sakura klaubte ihre Sachen zusammen, damit die Spinne nicht auf die infame Idee kam als blinder Passagier am nächsten Tag mitzureisen, und nahm sogar die Kühlbox mit ins Bad, wo sie ihre Reisetasche auf den Klodeckel abstellte und das Brautjungfernkleid an die Innenseite der Tür hängte.

 

 

Neben dem blauen Pyjama, den Sakura momentan trug, befanden sich in ihrer Reisetasche auch profilierte Wechselschuhe, eine Stretch-Jeans und der Norwegerpulli, den Hinata ihr gestrickt und vergangenen Weihnachten geschenkt hatte. Sakura konnte schließlich nicht im Brautjungfernkleid beim Brunch erscheinen und schon gar nicht, wenn Hinata für den nächsten Morgen ausdrücklich legere Kleidung forderte. Sehr zu Rodrigos Verdruss – der hätte die Brautjungfern und die Trauzeugen liebend gerne in extravagante Kleidung gesteckt; und bei freier Hand mit jeder Menge Glitzer.

Sakura zog sich um, band ihre Haare zum Pferdeschwanz und legte ein wenig Make-up auf, wobei sie erst gar nicht versuchte, die einsetzende Verfärbung an ihrer Wange zu kaschieren.

 

Als Sakura ihre Zeitschriften aus der Seitentasche des Reisegepäcks entnahm, bemerkte sie, dass ihr Handy-Ladekabel nicht mit dabei lag. In der Hoffnung, das Kabel in der Innentasche zu haben, suchte sie die gesamte Tasche ab. Diese Mal starb die Hoffnung, sie hatte es in der heimischen Steckdose vergessen und ein Blick auf ihr Handy ließ sie fast in Tränen ausbrechen. Ihr wurden nur noch 7 Prozent Akkuleistung angezeigt und der Energiesparmodus war schon aktiv.

Traurig ließ sie das Handy in die Tasche gleiten und wandte sich mit den Zeitschriften und der Kühlbox zur Badezimmertür um.

Bevor sie das Bad verließ, prüfte Sakura den Bereich zwischen Bad und Zimmertür, damit sie keine unliebsame Spinnenüberraschung erlebte. Es klang zwar paranoid, aber den Spinnen konnte Sakura einfach nichts abgewinnen. Selbst die kleinen Kreuzspinnen riefen einen Schauer des Ekels in ihr hervor.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  franny
2019-12-26T21:19:03+00:00 26.12.2019 22:19
Tolles Kapitel!!!
Ich würde auch keine Sekunde länger mit einer Spinne unter meinem Bett verbringen wollen!!! Ich bin sehr gespannt wo sie jetzt die Nacht unterkommt bzw wie die weitere Nacht verläuft?!
Mach weiter so! =)
LG franny
Antwort von:  blechdosenfee
27.12.2019 00:29
Hallo franny, vielen lieben Dank für deinen Kommentar.
Ja, die Nacht könnte noch die ein oder andere Überraschung beinhalten. Aber eines kann ich schon versprechen, eine weitere Begegnung mit Spinne-Thekla wird es nicht geben. Sakuras Leiden haben also in dieser Hinsicht schonmal ein Ende gefunden. ^ ^
Vielen Dank und Gruß 😊
Von:  Goetterspeise
2019-12-26T19:16:34+00:00 26.12.2019 20:16
Also war Karin schon immer speziell? Oh man. Das klingt nach einer sehr langen Fehde. Immerhin können sie sich noch an den Start erinnern XD Die Vorstellung, dass sie sich im Altersheim noch hassen werden, hat mich zum Lachen gebracht. :D
Schön wie du nebenbei Sai ins Spiel gebracht hast. Die Beschreibung der Umgebung hat mir auch sehr gut gefallen. Doof nur, dass dann eine Spinne auf Sakura gelandet ist. /)
Ich bin stolz auf sie, dass sie es erst mit ihrem Verstand versucht hat. Dass das scheitern würde, war bei ihrem Glück aber abzusehen. Wobei, wer weiß? Vielleicht hat die Spinne Sakura ja einen Gefallen getan als sie sie aus dem Zimmer verscheucht hat ;)

Ich bin auf jeden Fall schon ganz aufgeregt, was nun kommen wird. Die Isolation Zimmer hat sie hinter sich und die ersten Zweifel bezüglich Karin und Sasuke gibt es auch noch - wobei ich ihren Unwillen weiter darüber nachzudenken verstehen kann.

Bis bald :3
Antwort von:  blechdosenfee
27.12.2019 00:25
Hallo und vielen Dank für deinen Kommentar. ^ ^
Kennst du diese Art von Menschen, an deren Namen man sich fast sein ganzes Leben erinnert, weil sie immer und zu jederzeit rotzfrech waren und das schon im Kindergarten- oder Grundschulalter, die aber in die Parallel-Klasse gegangen sind oder nach der Kita auf eine andere Grundschule? Genau das ist jetzt bei Karin eingetreten.
Ich mag Sai, allein schon aus dem Grund, weil er Ino glücklich macht. :D Aber für mich muss ihm immer etwas suspektes anhaften. ^ ^
Es heißt ja, wer Spinnen fürchtet mag Schlangen und umgekehrt. Das hat zwar nichts mit der Geschichte jetzt zu tun, ist mir aber gerade so eingefallen. Mal schauen, ob es von der Spinne wirklich ein Gefallen gewesen ist. 😉
Danke für das Lob zu der Beschreibung von der Umgebung. Ich liebe Winterlandschaften, besonders bei Nacht und wolkenlosen Himmel. :D

Viele Grüße


Zurück