Neji
Seine Paradeuniform war eng und steif und behinderte seine Bewegungsfreiheit. Die Orden an der linken Brust wogen schwer und der gestärkte hohe Kragen mit dem kratzigen Saum gaben ihm das Gefühl ein Seil um den Hals zu haben, dessen Ende straff mit der Decke verbunden schien.
Die weißen Handschuhe waren ihm eine Nummer zu klein und spannten, während ihn das Geschaukel der Tresse bei jeder seiner Bewegung störte. Die Ausgehuniform hätte Neji auch gereicht.
Schuld an seiner Aufmachen war dieser Hochzeitsplaner, Roberto… Roderick…Rhododendron… ach, wie auch immer dieser mit Ro anfangende Mensch auch hieß. Irgendwer hatte dem Planer gesteckt, dass es in der Familie Hyuuga einen aktiven Militärgänger gab und irgendwie hatte es dieser Ro geschafft Nejis Vorgesetzten an das Telefon zu bekommen. Das Ende vom Lied war der Befehl die Paradeuniform zu tragen.
Mürrisch sah Neji an sich hinunter und betrachte die blanken Lederstiefel. Sie waren unbequem. Seine Füße schmerzten seit er sich hineingezwängt hatte und das vor gut vier Stunden. Es war zum Kotzen und richtig Luft holen konnte er auch nicht. Der Gürtel um seine Taille engte ihn in der Bauchatmung ein, doch eine Nummer größer hätte zur Folge, dass seine Uniformsjacke Falten warf. Eine Unding für das Militär, für eine Paradeuniform, für einen Hyuuga.
Neji schielte erst nach rechts und dann nach links. Neben ihm, auf beiden Seiten, standen die Trauzeugen 1 und 3 des Bräutigams. Eigentlich hätte es nur einen Trauzeugen geben sollen, da die Braut aber drei Brautjungfern hatte, brauchte es ebenso viele Trauzeugen für den Bräutigam und so waren er und dieser Shikamaru Nara, der anscheinend ein Schulfreund war und es versäumt hatte den Kontakt nach dem Schulabschluss abzubrechen, in das Kielwasser geraten.
Im Gegensatz zu ihm trugen der Nara und Trauzeuge Nummer 1 einen grauen Frack mit lilafarbenen Einstecktuch und silbernen Plastron, passend zur Garderobe des Bräutigams. Der steckte in einem dunkelgrauen Frack und schien sichtlich nervös. – Na sowas, dachte Neji, der Kerl bekam doch hoffentlich jetzt keine kalten Füße, so wie er auf und ab wippte. Es fehlte nur noch, dass der Bräutigam das Übergewicht nach vorne bekam, was Neji, wie er sich selbst eingestehen musste, insgeheim hoffte. – Endlich mal was zum Lachen.
Aber mit Sicherheit würde Trauzeuge Nummer 1 dem Sturz zuvorkommen und souverän dafür Sorge tragen, dass die Ringe, die schön glitzernd auf einem lilafarbenen Kissen drapiert lagen, dabei nicht hinunterfielen, denn die wurden von eben jener Nummer 1 sorgsam gehalten.
Die Brautleute wollten bei den Ringen wohl auf Nummer sicher gehen und das im wahrsten Sinne des Wortes. Der 1. Trauzeuge war niemand anderes als Sasuke Uchiha. Jüngster Sprössling und Miterbe der Uchiha Security. Eine … nein, die Sicherheitsfirma schlecht hin, die auf alle Bereiche ausgelegt war. Von Personenschutz, der sich auch auf das geliebte Haustier ausweiten ließ, egal wie ungewöhnlich oder exotisch, über die Verwahrung von teuren Luxusgütern, wie Schmuck, Kunst-Firlefanz, Kleidung, Häuser, Autos und, und, und … bis hin zur Absicherung von Transporten, bei denen es meistens um Hilfsgüter aber nicht selten auch um Waffen ging, war alles vertreten. Natürlich ließ sich Uchiha Security dies auch saftig bezahlen. Prominente und Staatsoberhäupter schmückten sich nur mit Wachleuten von Uchiha Security, sie nutzten die Firma auch in anderen Bereichen.
Neji sah den Uchiha etwas genauer an, dann ließ er seinen Blick über die Gäste schweifen. Er verstand nicht was die meisten Frauen, 95 Prozent, so anziehend an diesem schwarzhaarigen Kerl fanden. Mit der blassen Haut wäre der Typ besser im Tunnel einer Geisterbahn aufgehoben.
In seinen Augen stand Sasuke Uchiha auf einer Stufe mit Hinata und Hanabi. Allesamt schnöselige Abkömmlinge der Hauptfamilie eines großen Clans – okay, hin und wieder nahm er Hanabi da raus. Aber nur hin und wieder, schließlich besaß auch sie den sagenumwobenen goldenem Löffel im Mund. Das goldenen Klo, von dem er immer dachte, seine Cousinen würden ihren Allerwertesten nur auf das Beste vom Besten setzen, hatte er nie gefunden.
Eines musste Neji aber zugeben, der Uchiha schien sich zumindest körperlich nicht auf die faule Haut zu legen. Der Frack ließ erahnen, dass da jemand regelmäßig Sport trieb. Ein weiterer Punkt, den Neji anführte, um Sasuke Uchiha nicht zu mögen: Fitnessstudio.
Leute, die ihren Körper aus dem Fitnessstudio hatten, waren für ihn keine echten Sportler, sondern nur aufgeblasene Büropupser, die früher oder später dem Muskel-Wahn verfielen und von wachhaltende Aufputschmitteln auf Anabolika wechselten. Hm, wann es wohl bei dem Uchiha soweit war?
Gerade als sich Neji dem dritten im Bunde gedanklich widmen wollte, wurde das Orgelgedudel lauter und seine Cousine trat ein. Wurde auch höchste Zeit. Der Zappelphilipp am Altar hätte es sicherlich nicht länger ausgehalten. Vielleicht wippte er auch nur so viel, weil er dringend aufs Klo musste. Neji glaubte gehört zu haben, dass der Kerl einen ziemlich zart besaiteten Darm und eine Mini-Blase besaß… und sowas heiratete in die Familie ein. Zum Glück nahm Hinata den Namen ihres Mannes an und nicht umgekehrt. Ein Hyuuga mit Magen-Darm- und Blasen-Problemen, wenn auch nur angeheiratet, war ein nicht zu akzeptierendes Novum.
Statt seiner Cousine dabei zuzusehen, wie sie langsam von ihrem Vater geleitet durch die Kirche schritt, beobachtete Neji seine Mitmenschen. Erneut fiel sein Blick auf den Bräutigam, der einen raschen Blick mit dem Uchiha wechselte. Dieser nickte ihm zu, anscheinend eine Geste der Aufmunterung, worauf der Uzumaki ein Lächeln zeigte.
Plötzlich fiel Neji auf, dass der Uchiha seine Aufmerksamkeit von Naruto abwandte, nachdem dieser wieder gerade aus auf den Altar sah, und die Brautjungfern betrachtete. Grübelnd zog Neji die Stirn etwas kraus. Dieser Schnösel beobachtete doch nicht etwa Hanabi… aber nein, es war … und da bemerkte er, wie die blonde Brautjungfer ihre Nachbarin anstieß und in Richtung Uchiha den Kopf neigte.
Was denn? Hatte der Uchiha etwa Interesse an dem Ding mit den rosa Haaren, dem Bonbon? Uh, er hätte dem Uchiha einen besseren Geschmack attestiert.
Neugierig geworden, ob das Bonbon den Blick erwidern würde, und zwar genauso schmachtend wie die anderen Gäste, mit Ausnahme seiner jüngeren Cousine und der blonden Brautjungfer, beobachtete er deren Verhalten und wurde enttäuscht. Das Bonbon zuckte mit Schultern, ohne die Aufmerksamkeit von der Braut zu nehmen, die jetzt fast den Altar erreicht hatte.
Na, sieh einer mal an, die Prozentzahl, der schmachtenden weiblichen Anwesenden war von 95 auf 94 gesunken und das Ansehen vom Bonbon war bei ihm gestiegen.