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Die mit den Tierwesen tanzt

von

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Prolog

Ich seufzte. Es war weit nach 16 Uhr, ich hatte mal wieder Überstunden machen müssen, Mittagspause erst sehr spät, da Kollegen die Termine wie so oft auf die Mittagszeit gelegt hatten. Und weil mein Chef die Termine immer maßlos überzog.

Ich zuckte mit den Schultern. Für heute sollte es mir egal sein. Ich war hundemüde und wollte nur noch nach Hause, wo bereits ein Berg Wäsche darauf wartete, von mir gebügelt zu werden. Ich checkte noch einmal meine E-Mails und fuhr den Laptop dann herunter. Inzwischen brauchte das Gerät zum Glück nicht mehr zehn Minuten, sondern war binnen weniger Augenblicke aus. Ich drückte gerade auf die Stromtaste der Steckerleiste, als mein Chef den Kopf ins Zimmer steckte und meinte, ich solle noch einmal zu ihm ins Büro kommen.

Ich verdrehte innerlich die Augen, aber es half alles nichts. Ich hoffte nur, dass ich meinen Laptop nicht noch einmal würde hochfahren müssen.

„Was gibt es?“, fragte ich, als ich in das Zimmer meines Chefs kam.

„Machen Sie mal die Tür zu.“

Ich tat, wie geheißen.

„Sie haben mir heute einen Bärendienst erwiesen“, fing mein Chef an, sobald die Tür geschlossen haben. „Seit einem halben Jahr habe ich darauf hingewirkt, dass sich die Mitarbeiter der Macrostaxx bei uns bewerben können, das war jetzt alles umsonst.“

Ich stockte. Dass die Stellenanzeigen so dringend auf der Homepage hätten aktualisiert werden müssen, hatte mir der Personalverantwortliche nicht mitgeteilt. Zudem hatte ich mit ihm vor Monaten schon abgesprochen, dass ich für die Homepage nicht mehr zuständig sein wollte, was er auch so bestätigt hatte. Trotzdem war er tags zuvor mit neuen Stellenbeschreibungen auf mich zugekommen und hatte gemeint, dass die auf die Homepage müssten.

„Ich verstehe Ihren Ärger in dieser Sache. Allerdings ist es nicht so, dass ich es absichtlich nicht gemacht hätte.“

Was auch der Wahrheit entsprach. So selten, wie ich etwas auf der Homepage anzupassen hatte, musste ich mich jedes Mal neu in die Handhabung des Content Management Systems einarbeiten. Dass ich beim Arbeiten mit dem CMS immer wieder Anzeigeprobleme hatte, die nur mit einem Neustart des Laptops zu beheben waren, hatte ich zwischenzeitlich wieder vergessen.

„Davon will ich nichts hören“, polterte mein Chef weiter. „Das war das letzte Mal!“

Ich starrte ihn mit offenem Mund an. War es also mal wieder so weit, dass ich für die Unzulänglichkeiten unseres Personalverantwortlichen den Kopf hinhalten durfte? 

„Dass das so dringend auf die Homepage muss, wurde mir nicht mitgeteilt ...“, fing ich erneut an.

„Das ist mir egal! Ich habe mich entschlossen, Ihnen fristlos zu kündigen!“

Mein Chef schob mir mit wutentbranntem Kopf eine A4-Seite hin, auf der fett das Wort Kündigung gedruckt war. Mir stieg nun ebenfalls die Zornesröte ins Gesicht.

‚Wenn die Sache schon so superwichtig ist und seit einem halben Jahr bekannt, warum bekomme ich es dann erst einen Tag vorher zum Bearbeiten?‘, dachte ich wütend.

Statt es meinem Chef auch so an den Kopf zu knallen, starrte ich ihn nur an. Mir stiegen leichte Tränen in die Augen und ich schluckte sie herunter. Wortlos nahm ich den Zettel, verließ sein Büro und ging in mein eigenes. Mein Kollege am Tisch gegenüber ignorierte mich dankenswerterweise. Ich machte den Arbeitsschlüssel von meinem Schlüsselbund, legte ihn auf den Tisch und griff dann nach meiner Jacke und meiner Tasche, um das Büro eiligst und ohne Abschied bei meinen Kollegen zu verlassen.

Inzwischen war ich kurz vor einem Heulkrampf und wollte so schnell wie möglich in mein Auto. Unten kamen mir einige Eltern entgegen, die ihre lieben Kleinen aus der Kindertagesstätte im Erdgeschoss abholten. Ein Vater grüßte mich, aber ich starrte nur stur auf den Boden. Schnell hatte ich das Gebäude verlassen und stapfte zu meinem Wagen.

‚Wenn er eine Kündigungsschutzklage haben will, kann er sie bekommen‘, dachte ich inzwischen angriffslustig.

Ich war eigentlich gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte und erinnerte mich noch gut an die Passagen aus dem Arbeitsrecht. Fristlos kündigen konnte man einem Mitarbeiter nur bei schwerwiegenden Vergehen, zum Beispiel Diebstahl. Mir konnten sie höchstenfalls wegen Arbeitsverweigerung an den Kragen, wobei sie mich davor auch mindestens zweimal schriftlich hätten abmahnen müssen. Doch eine schriftliche Abmahnung hatte ich nie erhalten, weshalb ich mir ziemlich sicher war, dass die fristlose Kündigung auch unwirksam war.

Nicht, dass ich in der Firma noch hätte arbeiten wollen, davon konnte keine Rede sein. Die einzigen, die mir leidtaten, waren meine Kollegen, die noch immer da schuften mussten, aber ich musste jetzt ausschließlich an mich selbst denken. Ich stieg in meinen Wagen, warf meine Sachen auf den Beifahrersitz und atmete einmal tief durch, um meine Nerven zu beruhigen. Den Heulkrampf hatte ich erfolgreich abwehren können, trotzdem tupfte ich mir meine feuchten Augen ab und schnäuzte einmal kräftig, um die Nase frei zu bekommen.

Danach startete ich den Motor und ließ den Wagen vorsichtig rückwärts aus der Parklücke rollen. Zur Freude des Tages musste es mir nicht auch noch passieren, in meiner Wut eines der Kita-Kinder beim Ausparken zu überfahren. Aber die Eltern waren in der Regel sehr umsichtig.

Ich ließ eine Mutter mit Tochter auf dem Arm passieren und schob mich dann langsam an Kita und meinem Ex-Arbeitgeber vorbei. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich ein seltsames Flackern in den Räumen gegenüber der Kita. Das Büro stand schon seit Wochen leer, da die Druckerfirma, die zuvor darin ihre Räume hatte, umgezogen war. Vorsichtig navigierte ich meinen Wagen zum Ende der Spielstraße und fuhr auf die Seitenstraße hinaus, nachdem ich mir sicher war, dass weder Fußgänger noch andere Verkehrsteilnehmer meinen Weg kreuzten. Zehn Meter weiter musste ich an der Kreuzung zur Hauptstraße an der roten Ampel warten. Es war ziemlich viel los und ich ließ den Blick schweifen. Von hier aus konnte ich mein ehemaliges Büro nicht sehen, aber ich hatte guten Blick auf die verlassenen Räumlichkeiten darunter.

„Was zum ...“

Ich versuchte, mehr zu erkennen, zuckte dann aber zusammen. Der Fahrer im Auto hinter mir hatte mich angehupt. Ich hatte die grüne Ampel übersehen und beeilte mich nun, in die Kreuzung einzufahren und den Gegenverkehr passieren zu lassen, um dann links abzubiegen. Endlich kam ich an die Reihe und stöpselte wie alle anderen durch den Ort. Am Ortsausgang war ich unruhig geworden, meine Gedanken waren zu dem Anblick im Erdgeschoss des Bürogebäudes zurückgewandert. Eigentlich sollte es leer sein, aber auf dem Gelände trieben sich immer mal wieder Unbefugte herum. Meistens Jugendliche auf dem Parkplatz, die sich Kunststückchen mit ihren Fahrrädern vorführten. Nichts Weltbewegendes. 

Ich brummte und bog an der großen Kreuzung nach rechts auf die Bundesstraße ab, um gleich wieder rechts am Straßenrand in der kleinen Einbuchtung zu halten. Ich kramte mein Handy hervor und begann zu wählen.

„Hallo? Ist hier der Notruf?“, fragte ich, als am anderen Ende der Leitung jemand abnahm.

„Ja, ich möchte einen Brand melden.“

Schnell hatte ich mit der Einsatzleitstelle die Fragen nach dem Wer, Was, Wann und vor allem dem Wo abgeklärt und hatte auch meine Handynummer durchgegeben, damit die Leute mich bei Rückfragen erreichen konnten. Nachdem mich der diensthabende Mitarbeiter am Telefon entlassen hatte, legte ich auf und fädelte mich wieder in den Verkehr ein.

Die Fahrt nach Hause verging wie im Flug. Zu viele Gedanken schwirrten mir durch den Kopf. Was ich gesehen hatte, hatte für mich wie ein Brand gewirkt. Was mich wunderte, da das Büro im Erdgeschoss unter meinem Ex-Arbeitgeber eigentlich komplett leer sein sollte. Was genau da brennen sollte, war mir ein Rätsel. Aber ich wollte kein Risiko eingehen. So wütend ich auf meinen Chef auch war, so wenig konnten meine Kollegen etwas für die Situation. Und die Kita samt Erzieherinnen, Kindern und Eltern konnte am allerwenigstens etwas dafür. Es würde daher sicher nicht schaden, wenn sich die Feuerwehr die Situation vor Ort anschaute. Selbst wenn sie am Ende unverrichteter Dinge wieder von dannen zog.

Ich fuhr in meinen Heimatort vorbei am Metzger und bog dann die erste Straße links ab. Das Haus, in dem ich in einer Mietwohnung im zweiten Stock lebte, gehörte meinem Onkel. Von den Nachbarn war nichts zu sehen. Ich hoffte, dass mir niemand im Treppenhaus begegnen würde. Das Letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte, waren meine neugierigen Nachbarn, die irgendwie immer gute Laune zu haben schienen.

Ich stellte mein Auto in der Garage ab und schlurfte zum Hauseingang. Ein Blick in meinen Briefkasten verriet mir, dass ich noch mal würde runter gehen müssen.

‚Oder ich hol es morgen ...‘, dachte ich betrübt.

Der Typ, der die Wohnung direkt unter mir gemietet hatte, hatte dem Lärmpegel nach mal wieder Besuch. Ich stellte mich auf einen anstrengenden Abend ein und ging in meine Bude hoch. Frustriert trat ich mir die Schuhe von den Füßen und entledigte mich meiner Jacke und Handtasche. Danach ging ich ins Wohnzimmer und ließ mich auf die Couch plumpsen.

Was sollte ich jetzt tun? Ich war erst vor einigen Monaten in die Wohnung gezogen, was mich wegen diverser Neuanschaffungen recht viel Geld gekostet hatte. Trotzdem hatte ich noch ein paar Euros auf dem Konto, aber ohne festes Einkommen würden diese schnell zur Neige gehen. Ich musste also am nächsten Tag auf jeden Fall zum Arbeitsamt und am besten auch noch zu einem Fotografen, der Bewerbungsbilder von mir machte. Und dann ging es wieder los, zig Bewerbungen schreiben und vielleicht auf die Hälfte eine Rückmeldung erhalten.

Am wenigsten freute ich mich auf die Bewerbungsgespräche. Wenn man arbeitslos zu einem ging, hatte das immer den Beigeschmack, als würde man als Bittsteller beim möglichen neuen Arbeitgeber aufschlagen. Das Jobamt verlangte, dass man den erstbesten Job annahm, unerheblich, ob dieser den Qualifikationen entsprach. Weshalb ich mich am Anfang meines Berufslebens meist unter Wert verkauft habe. Doch dieses Mal sollte mir das nicht passieren.

Ich ging in die Küche und schaltete den Laptop an, der auf dem Tisch stand. Als Erstes musste der Lebenslauf auf Vordermann gebracht werden. Ich holte die Post, während das Gerät hochfuhr, und legte sie ebenfalls auf den Tisch. Ich ignorierte die Briefe vorerst. Die Hälfte war bestimmt Werbung.

Nachdem ich mich eingeloggt hatte, öffnete ich das Verzeichnis und suchte meinen alten Lebenslauf heraus. Vor sieben Jahren das letzte Mal angepasst, kaum zu glauben, dass ich so lange da gearbeitet hatte. Optisch war das Dokument wohl nicht mehr das, was heutzutage einen Personaler ansprach. Ich öffnete zusätzlich ein Browser-Fenster und suchte nach dem Begriff „Lebenslauf“. Sofort wurden mir bei den Bildergebnissen hunderte von Beispielen angezeigt. Ich seufzte überfordert.

Mein Blick glitt zu dem Stapel Post und blieb daran haften. Ich hatte unerwartet viel bekommen. Die Ecke eines Briefs stach mir besonders ins Auge. Sie war nicht weiß wie die der anderen, sondern bräunlich und unebenmäßig. Interessiert griff ich nach dem Stapel und ging die einzelnen Briefe durch. Post von der Bank, Werbung, noch mal Werbung. Dann riss ich interessiert die Augen auf, als ich bei dem ominösen Brief angekommen war. Meine Adresse war handschriftlich darauf geschrieben mit etwas, was für mich nicht wie Kugelschreiberfarbe aussah. Ich wendete den Umschlag und hätte ihn dann beinahe fallen gelassen vor Schreck. „Ministerium der Zauberei“ stand dort mit einer Adresse in Berlin. Hier erlaubte sich wohl jemand einen miesen Scherz mit mir!

Trotzdem öffnete ich den Brief und las, was da stand. Und hätte beinahe laut aufgelacht. Der Witzbold wollte, dass ich zum Lohweg kam, um sich dort mit mir zu treffen. Schien wohl jemand von der freiwilligen Feuerwehr oder so zu sein. Ich nahm den Umschlag noch mal zur Hand und drehte ihn um. Mir war nicht aufgefallen, dass der Brief scheinbar komplett ohne Briefmarke bei mir angekommen war. Ich brummte missmutig.

Nach dem eh schon beschissenen Tag hatte ich keine Lust darauf, jetzt noch den Kopf zur Belustigung irgendwelcher Idioten hinzuhalten. Andererseits, der Ton in dem Brief wirkte ziemlich bestimmt. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ein Mitglied einer freiwilligen Feuerwehr auf einem Dorf in der Lage dazu wäre, einen solch prägnanten Brief zu verfassen. Andererseits konnte man nie wissen.

Ich seufzte und überlegte noch fünf Minuten lang das für und wider, ehe ich mich dazu entschloss, vorsichtig von der anderen Straßenseite her zu schauen. Ich konnte ja immerhin so tun, als würde ich eigentlich zum Metzger wollen und zufällig am Lohweg vorbei kommen.

Ich zog meine Straßenschuhe wieder an und griff nach meiner Jacke. Verwirrt, wie ich war, verließ ich das Haus komplett ohne Einkaufskorb oder Handtasche und machte mich auf den Weg. Nicht mal drei Minuten war ich unterwegs und versuchte schon an dem ehemaligen Schulgelände, über den Zaun hinüber zum Feuerwehrgebäude zu linsen. Außer der üblichen Straßenbeleuchtung war alles zappenduster. Ich bog um die Ecke, ging Richtung Metzger weiter, und blickte immer wieder wie beiläufig über die Straße. 

Am Ortsende angekommen, fasste ich mir ein Herz und überquerte die Hauptstraße an der Insel. Schnell war ich vor der Garage der Feuerwehr angekommen und blickte zu dem kleinen Parkplatz hinab, der sich hinter dem Gebäude in Richtung Wald befand. Auch dort versteckte sich niemand vor mir. Abschätzig schaute ich noch die eher schlecht geteerte Straße entlang, die im Wald verschwand, konnte aber wegen fehlender Straßenlaternen in der Dunkelheit nichts erkennen. Sollte ich noch auf dem Kirchengelände auf der anderen Seite des Lohwegs schauen?

Ich zuckte mit den Schultern und wandte mich dann um. Und hätte beinahe einen Herzinfarkt bekommen. Hinter mir stand eine Frau mittleren Alters und sah mich streng an.

„Sie kommen spät“, raunte sie.

„Äh, und wer sind Sie?“, fragte ich dümmlich.

„Waltraud von Bülow, vom Ministerium für Zauberei, Abteilung Magische Landwirtschaft“, stellte sich die Dame vor.

„‚Magische Landwirtschaft‘?“, echote ich. „Ich hab mich wohl verhört.“

„Nein, Sie haben völlig richtig gehört.“

Ich musterte die Frau noch einmal von oben bis unten. Viel konnte ich jedoch nicht erkennen, außer, dass die Kleidung der Dame tadellos wirkte. Ihre hellen Haare hatte sie hinten zusammengebunden. Sie war eine völlig Fremde für mich.

„Und was macht das Amt für Magische Landwirtschaft? Thaumaturgische Radieschen ziehen?“, witzelte ich.

Sie sah mich weiterhin streng an und bedeutete mir dann, ihr in den Wald zu folgen.

„Sie spinnen wohl! Ich geh doch nicht mit einer wildfremden Person nachts in einen Wald!“, fuhr ich auf und wollte an ihr vorbei stürmen.

Doch weit kam ich nicht, denn die Dame hielt mir schnurstracks etwas Spitzes an den Hals.

„Schreien Sie gefälligst nicht so rum“, mahnte sie. „Und jetzt ab in den Wald, ich hab nicht ewig Zeit, wissen Sie? Zuhause im Ministerium wartet ein Berg Arbeit auf mich!“

„Hah!“

Frau von Bülow funkelte mir in die Augen. Ohne einen weiteren Mucks von mir zu geben, wandte ich mich dem Wald zu. Im Umdrehen versuchte ich zu erkennen, was sie mir an den Hals gehalten hatte, konnte meine Augen aber nicht soweit verdrehen, dass es unauffällig wirkte.

Vorsichtig ging ich zunächst ein Stück die Straße lang und bog dann links in den Wald hinein. Frau von Bülow folgte mir gemessenen Schrittes. Nach etwa zehn Metern kamen wir am Hintereingang des Friedhofs an und ich wandte mich nach rechts.

„Haben Sie ein Handy?“, fragte ich.

„Ein was?“

„Ein Handy, Sie wissen schon, zum Telefonieren.“

„Was wollen Sie damit?“

„Mir den Weg im Wald leuchten. Bei der Finsternis sieht man doch nichts.“

Frau von Bülow murmelte etwas hinter mir. Im Nu war eine kleine Leuchtkugel erschienen, die jetzt vor mir schwebte und den Trampelpfad beleuchtete. Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, erschrak aber trotzdem dezent. Frau von Bülow ließ mich noch tiefer in den Wald hinein stolpern. Kurz vor der einzigen Lichtung im Wald hielt sie mich an.

„War es wirklich nötig, so tief reinzugehen?“, fragte ich sie.

Ihre Antwort bekam ich nicht richtig mit, da mein Blick auf den Gegenstand gerichtet war, den sie in ihrer Rechten hielt. Ein Zauberstab Marke Harry Potter. Die Leuchtkugel löste sich in Nichts auf.

„Man kann nie wissen. Also hören Sie, ich bin hier, um Sie abzuholen“, fing Frau von Bülow an.

„Mich abzuholen?“

„Ja.“

„Ahahaha“, lachte ich unsicher. „Wohin wollen Sie mich bringen?“

„Nach Berlin.“

„Huh?“

Für den Auftritt der Dame war die Antwort ziemlich unspektakulär.

„Ins Ministerium natürlich.“

„Äh, und wozu, wenn ich fragen darf?“

Frau von Bülow räusperte sich.

„Ich darf Ihnen mitteilen, dass Sie ab sofort für das Ministerium für Zauberrei Deutschland arbeiten werden. Sie werden Tierwesen untersuchen.“

Ich starrte sie mit offenem Mund an, was in der Finsternis jedoch unterging. Dann schloss ich die Augen und versuchte, mich zu konzentrieren. Als ich sie wieder öffnete, stand ich immer noch mitten im Wald, Frau von Bülow mir gegenüber. Ich fing an, nach Luft zu schnappen. Sonst wurde ich immer wach, wenn ich mit während des Traums aktiv darauf konzentrierte. Warum klappte das jetzt nicht?

„Hören Sie, ich hatte heute schon genug Scheiße, mit der ich mich herumschlagen muss. Ich bin wirklich nicht in der Stimmung für schlechte Scherze.“

„Das halten Sie für einen schlechten Scherz?“

Frau von Bülow wirbelte mit ihrem Zauberstab. Aus der Spitze sprang ein hellgelber Funken hervor, und wirbelte in der Luft zwischen uns, ehe er sich in einen kleinen Schmetterling verwandelte und an meiner Nase zerplatzte.

„He!“

„Glauben Sie’s jetzt?“

Ich sah Frau von Bülow an und rieb mir schweigend meine Nase.

„Ich müsste noch ein paar Sachen packen ...“, wich ich aus.

„Vergessen Sie’s, dafür bleibt keine Zeit.“

„Keine Zeit? Sie schleppen mich hier in den Wald in der Absicht, mich nach Berlin mitzunehmen und ich soll nicht einmal Zeit haben, mir die wichtigsten Sachen zusammen zu packen? Wie stellen Sie sich das vor? Ich muss schließlich ein Zimmer bezahlen, mich umziehen und dergleichen.“

„Zimmer und Uniform wird für’s erste vom Ministerium gestellt. Sobald Sie eingearbeitet sind, wird man sich um alles weitere kümmern.“

„Sie meinen es ernst“, vergewisserte ich mich nochmals.

„Toternst. Aber bevor wir aufbrechen, habe ich noch was für Sie.“

Ich beobachtete, wie Frau von Bülow anfing, in ihrer Mantelinnenseite zu kramen. Schnell hatte sie einen schmalen, länglichen Gegenstand hervorgeholt. Noch ein Zauberstab. Sie reichte ihn mir.

„Ich glaube, das ist keine so gute Idee ...“

„Warum? Für die Aufgabe ist ein Zauberstab vonnöten, wie wollen Sie die Tierwesen sonst in Schach halten oder wichtige Untersuchungen anstellen?“

„Äh, Frau Bülow ...“

„Frau von Bülow!“, korrigierte sie mich.

„Frau von Bülow, Sie müssen sich da täuschen. Ich hab nie eine entsprechende Ausbildung erhalten, und ...“

„Das ist im Ministerium bekannt, keine Sorge.“

Demonstrativ hielt sie mir den Zauberstab hin. Zögerlich griff ich danach und versuchte, ihn so wenig wie möglich zu schwingen, um nicht aus Versehen irgendeinen Zauber auszulösen. Sofort, als ich das Holz in der Hand hatte, begann meine Haut zu kribbeln. Erst an meiner rechten Hand und am Arm, nach und nach am ganzen Körper.

Skeptisch blickte ich auf den Stab hinab, ehe ich mich wieder Frau von Bülow zuwandte. In meinem Moment der Unachtsamkeit hatte sie einen weiteren Gegenstand hervorgeholt.

„Äh, ist das ein Maßkrug?“, fragte ich vorsichtig.

„Papperlapapp, ein Portschlüssel natürlich! Kommen Sie, es wird gleich losgehen.“

„Äh ...“

Sie hielt mir den Maßkrug-Portschlüssel hin und ich fasste ihn an der Unterseite. Sofort klebte meine Hand daran.

„Und nun?“

„Nun warten wir auf unseren Reisezeitpunkt, es sollte nicht mehr lange dauern.“

Ich fühlte mich ziemlich unsicher, linke Hand an einem Maßkrug, in der Rechten ein, mein, Zauberstab. Frau von Bülow ignorierte höflich meine Unsicherheit.

‚Was hab ich mir nur dabei gedacht?‘, fragte ich mich innerlich.

Ein flaues Gefühl machte sich in meinem Bauch breit, das langsam auf den Rest meines Körpers überging. Die Umgebung begann, sich um uns herum zu drehen, und sanft stiegen wir in die Höhe. Zumindest erschien es mir so.

Frau von Bülow grinste vor sich hin. Anscheinend glaubte sie, ich wüsste nicht, was mir bevorstand. Eine ziemlich harte Landung in Berlin. Der Portschlüssel drehte sich weiter mit uns.

„Lassen Sie los!“, rief mir Frau von Bülow über den Lärm hinweg zu.

Ich sah sie skeptisch an, tat aber nach einem Augenblick, wie geheißen. Instinktiv versuchte ich, mit den Füßen in der Luft zu gehen, so wie es Cedric Diggory in Harry Potter und der Feuerkelch getan hatte. Vergeblich. Scheinbar gab es einen weitaus komplizierteren Trick, um den Sturz durch den Raum abzufangen. Unsanft landete ich auf meinem Hintern, aber der Aufprall war weniger schlimm, als ich das aus Film in Erinnerung hatte. 

Ich rollte mich herum und versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. Passanten standen offensichtlich nicht um mich herum, Gott sei Dank. Frau von Bülow schien dafür auch wo anders gelandet zu sein. Ich rappelte mich auf und nahm meine nähere Umgebung in Augenschein. Ein Bauwerk zog wie magisch meinen Blick auf sich, der Berliner Fernsehturm. Tatsächlich, ich hatte es wohl unbeschadet in die Hauptstadt geschafft.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Und hier meine Prolog-spezifischen Aufgaben:

1. Es war ein schrecklicher Tag. Alles lief für dich normal, bis du am ende deiner schicht gefeuert wurdest, weil etwas gegen dein Chef geflogen ist und er dich dafür verantwortlich gemacht hat.
2. Wütend fährst du nach hause als das nächste unglück passierte. Feuer brach von deiner Arbeitsstelle raus, deine entscheidung was du machst.
3. Gegen Abend bemerkst du ein Brief worauf steht: „Ministerium der Zauberei“. Ist das ein Scherz oder Realität?
4. In dem Brief wird stehen, dass du dich sofort aufmachen sollst zur straße Lohweg, dort wartet eine Person auf dich die dich abholen wird.
6. Dir wird die Aufgabe zuteil Tierwesen zu untersuchen, dazu bekommst du allerdings noch ein Zauberstab.
7. Gemeinsam nutzt ihr ein Portschlüssel und werdet in Berlin „teleportiert". Komplett anzeigen

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