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Der Duft von Hyazinth

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
14 Favoriten und kein einziger Kommi ._.? Bin enttäuscht... Komplett anzeigen

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Entführung

„Hier, Inu Yasha, halt mal bitte.“ Mit diesem Satz, der keine Antwort erwartete, wurde dem Hanyō ein schreiendes und leicht müffelndes Bündel Mensch in die Arme gedrückt, während die Mutter von besagtem müffelndem Bündel sich auf die Jagd nach ihrem kleinen Sohn begab, der, gerade im besten Trotzalter, so absolut keine Lust auf das wöchentliche Bad hatte.

Inu Yashas empfindliche Hundenase zuckte gequält als ihm der Gestank der vollen Windel in die Nase stieg, das empörte Geschrei, das die volle Windel untermauern sollte, trug auch nicht gerade dazu bei, des Hanyō Stimmung an diesem Tag zu heben. Heute war er ohnehin schon besonders schlecht gelaunt, denn der Tag, an dem Kagome zurück in ihre Welt gekehrt war, diesmal für immer, jährte sich zum fünften Mal und an diesem Tag wurde er immer irgendwie etwas trübsinnig.

Er vermisste die Streitereien und die Abenteuer und er langweilte sich die meiste Zeit zu Tode, jetzt wo er irgendwie keine rechte Aufgabe mehr hatte. Das Juwel war vereinigt und Naraku war nicht mehr.

Miroku war mittlerweile Familienvater mit Leib und Seele, also war mit diesem auch nicht mehr sonderlich viel anzufangen.

Resigniert betrachtete der Hanyō, wie seine Freundin eine ihrer Fangketten, die früher zur Dämonenjagd verwendet worden waren, nach dem flüchtigen Sohn schmiss, diesen damit zu Fall und schließlich in ihre Gewalt brachte und ihn dann zum Badezuber schleifte.

Das ist mein Leben, dachte er trübsinnig. Ich beobachte meine Freunde, wie sie alt werden und Kinder kriegen und am Ende steh ich allein da.

Das war einfach nichts für ihn. Allerdings mangelte es ihm gewaltig an Alternativen.

„So, das wäre geschafft, danke“, holte ihn Sangos Stimme aus seinen Gedanken. Er empfand grenzenlose Erleichterung als sie ihm das Kind wieder abnahm.

„Er ist einfach kaum zu bändigen“, fügte sie dann entschuldigend hinzu. „Das muss er von seinem Vater haben, wenn der nachher auch noch so ein Aufreißer wird, na Mahlzeit.“

„Ich geh mal an die Luft“, murmelte der Hanyō, weil er nicht wusste, was er darauf erwidern sollte (und weil ihm mittlerweile ziemlich schlecht vom volle Windeln Gestank war).

 

Wenig später trat er hinaus und sog die frische Luft in seine Lungen als wäre er jahrelang in einem Erdloch eingesperrt gewesen. Heute war ein wundervoller Tag, da musste sich doch irgendetwas anstellen lassen. Vielleicht sollte er mal den Wolf suchen gehen und Streit mit ihm anzetteln, einfach so zum Spaß. Im nächsten Moment kam ihm dieser Gedanke dämlich vor.

 

Die Wahrheit war, seitdem er vor nicht allzu langer Zeit bei Sesshōmaru gewesen war und als sie sich dann erneut unter den merkwürdigen Umständen von Shippos Rettung getroffen hatten, fühlte er sich ruhelos. Als wäre irgendetwas in ihm geweckt worden, das er seit Jahren verdrängt hatte.

Er warf lauschend einen Blick in Richtung der Hütte und hörte gedämpft empörtes Geschrei. War das wirklich das, was er wollte? Bei seinen Freunden leben, aber nie wirklich einer von ihnen zu sein, so sehr sie ihn auch schätzten und liebten? Er hatte immer geglaubt, hier seinen Platz gefunden zu haben, aber wenn er ehrlich zu sich selbst war … hatte er genauso lange gewusst, dass das nicht stimmte. Dass er wo anders hingehörte. Seine Wurzeln… zerrten an ihm. Der Drang, sie zu ergründen war übermächtig geworden in den letzten Tagen. Er ertappte sich immer wieder mal dabei, wie er, wenn er durch die Wildnis stromerte nach dem Geruch seines Bruders witterte. Jetzt, wo er das Schloss betreten hatte, auch wenn es nur kurz gewesen war… er wollte mehr. Mehr in seinem Leben, das das Leben seiner Freunde bei Weitem überdauern würde. Ihr Leben war nur ein Wimpernschlag, aber seines … wenn auch vielleicht nur halb so lang, wie das eines vollblütigen Yōkai, bedeutend länger als das eines Menschen. Und dann… ja, was wäre dann, wenn sie nicht mehr waren? Dann wäre er alleine. Denn wer wusste, ob Shippo, wenn er älter wurde, nicht lieber seiner eigenen Wege zog. Füchse waren da sehr eigensinnig. Und für ihn endete alles, wie es angefangen hatte. In Einsamkeit. Verdammt. Wann war diese Bitterkeit denn zurückgekommen?

Und was sollte er Sesshōmaru sagen, wenn er plötzlich bei ihm aufkreuzte? Er bezweifelte stark, dass der für derart sentimentale Gedanken viel Verständnis hatte.

Frustriert kickte er einen trockenen Ast aus dem Weg und hockte sich dann auf einen dicken Baumstamm, der hier hergeschleift worden war um ihn als Bank für die Dorfbewohner zu nutzen.

 

„Was beschäftigt dich, mein Freund?“

Miroku nahm neben ihm Platz. Inu Yasha hatte seine Anwesenheit gar nicht wahrgenommen.

„Versteckst du dich vor deinen brüllenden Kindern?“, erwiderte er bitter und fühlte sich im nächsten Moment schlecht deshalb.

Miroku stützte sich leicht hinten auf den Handflächen ab und sah einen Moment in den Himmel.

„Das auch. Aber Sango und ich sind zu dem Schluss gekommen, dass einer Mal mit dir reden sollte. Wir sind nicht blind, weißt du?“, sagte er behutsam und warf Inu Yasha einen Blick aus dem Augenwinkel zu.

„Ich bin ruhelos“, brummte Inu Yasha dann irgendwann, „Seit…“

Er stockte, aber Miroku verstand auch so.

„Weißt du, ich habe mir auch Gedanken gemacht…“

„Achja?“

„Über Shippo.“

„Warum denn über Shippo?“

„Shippo ist ein Yōkai. Aber er wächst unter Menschen auf.“

Eigentlich brauchte er seinen Gedanken nicht weiter ausführen. „Er kommt langsam in ein Alter, in dem er die Gesellschaft anderer Yōkai braucht. Wir lieben ihn, aber fürchten, dass wir ihm auf Dauer nicht gerecht werden können…“

Der Hanyō fuhr sich gestresst durch die Stirnfransen. Genau dasselbe war ihm auch schon durch den Kopf gegangen. Genauer gesagt, seit dem Moment als er Shippo bei Sesshōmaru gefunden hatte. Er erinnerte sich daran, dass es in diesem Bild irgendetwas gegeben hatte, das ihn beruhigt hatte. Das richtig gewesen war.

„Eine Idee?“

„Bisher nicht…“

 

Das Gespräch mit seinem Freund ließ Inu Yasha in der Nacht keinen Schlaf finden. Irgendwann hatte er es aufgegeben, sich auf dem Futon herumzuwälzen und die kleine Hütte, die er hier bewohnte verlassen.

Außerhalb des Dorfes im Wald gab es einen großen Baum, der recht weit oben einen dicken Ast hatte, auf dem man bequem sitzen und zur Not auch schlafen konnte. Hier kam er immer her, wenn er Ruhe brauchte und nachdenken musste. Er kannte keine Yōkai. Nun, halt. Das war nicht ganz richtig. Er kannte schon ein paar. Im Geiste ging er seine Liste durch: Myoga. Der nette alte, Onkel, aber nicht gerade dafür geeignet, einen Fuchswelpen bei seinem Weg ins Erwachsenwerden zu leiten. Tōtōsai. Wohl auch eher nicht. Kōga. Da hackte er sich lieber beide Beine ab als Shippo zu diesen Wilden zu bringen. Und Sesshōmaru. Er fand kein Argument, das gegen Sesshōmaru sprach. Noch nicht einmal, dass er Kinder nicht mochte, denn Rin war der lebendige Beweis für das Gegenteil. Abwesend schüttelte er den Kopf. Aber Shippo quasi allein zu lassen, kam das überhaupt in Frage? Würde der Kleine das überhaupt wollen? Oder würde er sich ausgestoßen und verraten fühlen, so wie er selbst als Kind? Kagome hätte bestimmt gewusst, was am besten für Shippo war. Aber Kagome war nicht mehr hier und sie würde auch nie wieder hierher kommen.

Inu Yasha knurrte leise und brummte: „Verdammte Scheiße, da kriegt man ja Kopfschmerzen.“

 

~*~

 

„Rin, wie weit müssen wir denn noch? Dieser ganze verdammte Wald hier ist voller Kräuter!“

„Weil die die ich brauchte zu einer ganz bestimmten Zeit geschnitten werden müssen und zwar an einem ganz bestimmten Ort“, erklärte die junge Frau, ohne stehen zu bleiben oder inne zu halten. Kohaku seufzte und ergab sich seinem Schicksal. Rin war so vital und ehrgeizig, da ging sogar ihm manchmal die Puste aus und nicht zum ersten Mal fragte er sich, ob er mit ihr überhaupt mithalten konnte… immerhin hatte er vor, sie irgendwann zu heiraten und da musste er schon etwas bieten können.

Von ihrem Glück wusste sie aber noch nichts. Genausowenig wie Sesshōmaru und vor dem hatte Kohaku wirklich Angst. Er seufzte und ergab sich in sein Schicksal. Immerhin konnte er Rin nicht alleine gehen lassen, das war viel zu gefährlich bei Dämmerung im Wald.

 

Während Rin sich wenig später endlich dazu bequemte, eine Stelle für würdig zu erachten, Kaedes Kräuter zu schneiden, blieb der junge Mann in Hab Acht Stellung. Sie waren doch recht tief im Wald und es wurde bald dunkel, das machte ihn etwas nervös. Viele Dämonen, die sich des Tags nicht zeigten, kamen erst in der Abenddämmerung heraus. Er dachte flüchtig an Shippos und Masarus Begegnung mit den Tengu und wie schlecht das laut Inu Yasha wohl beinahe ausgegangen wäre. Abwesend fummelte er an dem Griff seines Katana herum.

„Könntest du dich beeilen?“, rief er der jungen Frau zu. Seine Nackenhärchen kribbelten. Die Instinkte des Dämonenjägers versuchten, ihn zu warnen.

„Ja doch, ich habs ja gleich!“, erwiderte Rin ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. Sie schnitt mit sanfter Hand ein paar Kräuter knapp über dem Boden ab und schlug die dann in ein grobes Tuch ein, welches sie wiederum in ihrem Beutelchen verstaute. Dann erhob sie sich aus der Hocke und wischte sich über die Stirn, ihr war nun doch recht warm geworden.

„Warum hast du es denn so eilig, Kohaku-kun“, erwiderte sie lachend, „wir sind doch nicht auf der Flucht.“

Kohaku konnte sich eines leicht dümmlichen Lächelns nicht erwehren, als sie ihn so anstrahlte und als sie wieder in seine Nähe kam, da war er so kühn, ihre Hand zu ergreifen. Sie war nicht zart wie die einer Adelsdame es wohl sein mochte, sie war kräftig und konnte zupacken. Rin sah ihn überrascht an und einen Moment sahen sie sich in die Augen.

„Rin-chan, ich-“, plötzlich hielt er inne und wirbelte herum und keine Sekunde zu spät. Aus dem Strauchwerk traten drei Männer hervor – Yōkai, Kohaku schnell feststellte und leider keine von der niederen Sorte, mit denen ein Mensch mit Leichtigkeit fertig werden konnte, wenn er nur ansatzweise die passenden Fähigkeiten hatte.

„Ich glaube, wir haben sie gefunden“, tönte einer und Kohaku suchte in seinem Gedächtnis fieberhaft nach der Kategorie dieser Männer. Olivfarbene Haut, Augen von einem stark ins Rötliche gehenden Bernstein, schwarzbraunes, langes Haar, spitze Ohren, wie die Sesshōmarus und Kōgas. Und die Zeichnungen im Gesicht.

Langsam zog er sein Katana, während er versuchte, Rin hinter sich abzuschirmen. „Ihr seid Südhunde“, presste er dann hervor, „was habt Ihr hier zu verloren, das ist Westreich?“

„Sieh an, der Mensch hat seine Hausaufgaben gemacht. Willst du uns damit kitzeln?“, erwiderte der Wortführer belustigt.

„Wir sind wegen ihr gekommen.“

Er wies mit einem Kopfnicken auf Rin und Kohaku verengte den Blick. „Nur über meine Leiche.“

„Das ließe sich unter normalen Umständen einrichten“, erwiderte der Yōkai mit einem amüsierten Blitzen in den Augen. „Dummerweise brauchen wir jemanden, der dem Daiyōkai des Westens eine Nachricht von unserem Fürsten übermittelt.“

Kohaku war kein Feigling. War es nie gewesen. Aber auch er spürte, dass er alleine gegen drei Yōkai von solcher Stärke nicht ankam. Nicht, wenn er Rin noch beschützen musste. Also wägte er seine Möglichkeiten ab. Wäre selig gewesen, jetzt eine von Shippos Rauchbomben bei sich zu haben. Aber bevor er zuließ, dass diese Männer Rin…

Offensichtlich schien Rin zu derselben Überzeugung zu gelangen. Dass sie beide keine Chance hatten gegen diese Yōkai. Sie trat hinter Kohakus Rücken hervor und vor den Sprecher hin, furchtlos.

„Was genau wollt Ihr von uns?“, verlangte sie zu wissen und Kohaku kam nicht umhin, ihren Mut zu bewundern. Wieder einmal.

„Ich bin sicher, es lässt sich eine Lösung finden, bei der niemand zu Schaden kommt.“

Eine ihrer Hände umklammerte dabei den Trageriemen ihres Kräuterbeutels.

Die drei Yōkai warfen sich einen Blick zu. Offensichtlich hatte keiner von ihnen gedacht, wie einfach sie es hier haben würden. Offensichtlich hatte niemand erwartet, die Ziehtochter des Daiyōkai des Westens unter dem Schutz nur eines lächerlichen Menschen vorzufinden.

„Ihr könntet uns freiwillig begleiten“, sagte der Wortführer irritierend sanft, „dann wird niemandem etwas passieren. „Wenn nicht, dann müssen wir, so sehr ich es bedauere, Gewalt anwenden. Und das könnte dazu führen, dass jemand vielleicht nicht mehr alle Gliedmaßen beisammen hat, wenn er vor den Fürsten des Westens hintritt, um ihm mitzuteilen, wo sein geliebtes Töchterchen sich befindet.“ Rin schluckte schwer. Sie kannte die Stärke Sesshōmarus. Und wenn diese Männer nur ansatzweise so stark waren, wie er… und Kohakus verkniffener Miene nach waren sie das, wäre jeder Widerstand ausgesprochen dumm. Sesshōmaru selbst hatte sie gelehrt, Situationen richtig einzuschätzen. Und sie wollte ihm keine Schande machen. Und auch nicht, dass Kohaku etwas geschah, der ihr sehr ans Herz gewachsen war in den letzten Jahren.

Sie schluckte. „Ich werde mit Euch kommen“, sagte sie dann und sah dem Anführer in die Augen, „aber ich will Euer Wort, dass ihm nichts geschieht dafür.“

„Ihr habt mein Wort“, erwiderte der Yōkai mit feierlichem Ernst.

„Rin, nein!“, rief Kohaku verzweifelt aus, doch der Ruf wurde erstickt von einem Fausthieb in den Magen, der ihn keuchend in die Knie gehen ließ. Rin biss sich auf die Unterlippe und zwang sich dazu, den Blick abzuwenden, die Hand des Yōkai, der ihr das Versprechen gegeben hatte, schwer auf der Schulter spürend. Sie verdrehte den Kopf, um zu sehen, was der Zurückbleibende mit Kohaku tat, doch die Sicht wurde ihr versperrt und was ihr blieb, war die Hoffnung und das Vertrauen in ihren Ziehvater.

 

~*~

 

„Isst Onkel Kohaku denn heute nicht mit uns?“, wollte Masaru wissen, während er mit großen Augen bereits auf die Köstlichkeiten stierte, die seine Mutter zubereitet hatte.

Sango warf Miroku einen ratlosen Blick zu. „Eigentlich schon, dachte ich“, meinte sie dann zögerlich. „Ich weiß nur, dass er Rin begleiten wollte bei einem Botengang für Kaede.“

Miroku grinste plötzlich aus einem unerfindlichen Grund und setzte dann schnell das Schälchen mit dem Jasmintee an die Lippen. Aber seiner Frau konnte er so leicht nichts vormachen.

„Was?“, hakte Sango misstrauisch nach.

„Na…“, erwiderte Miroku gedehnt, „was glaubst du denn, was zwei junge Leute in dem Alter im Wald machen. So ganz allein. Bestimmt nicht nur Kräuter sammeln.“

Sango schnappte nach Luft und warf einen Blick zu ihren Kindern, die waren jedoch damit beschäftigt, sich um das schönste Paar Stäbchen zu streiten, dann erwiderte sie gedämpft:

„Kohaku würde Rin niemals in Schwierigkeiten bringen!“

Miroku zuckte mit den Schultern. „Dein kleiner Bruder ist auch nur ein Mann, meine geliebte Lotusblume und er schaut Rin doch schon lange hinterher.“

Sango warf ihrem Mann einen vernichtenden Blick zu, ließ dem jedoch keine Erwiderung mehr folgen. Nachdenklich kaute sie auf der Innenseite ihre Wangentaschen. Kohaku war ein Mann von Ehre. Selbst wenn er Rin mochte, so würde ihm – schon aus Angst vor Sesshōmaru - niemals im Traum einfallen, ihr zu nahe zu kommen. Was Rin betraf, nunja, das war schwer zu sagen. Fakt war aber, dass Kohaku niemals ohne triftigen Grund zu spät kam. Absprachen, Uhrzeiten, all das nahm er sehr ernst. Und nebenbei würde er sich niemals etwas zu Essen entgehen lassen, was seine Schwester gekocht hatte, denn Sango war im Lauf der Zeit zu einer begnadeten Köchin geworden. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass da etwas nicht stimmte. Und ihre Instinkte hatten sie noch nie getrügt. Sie hoffte, die beiden hatten wirklich nur die Zeit vergessen…

 

Dass tatsächlich etwas ganz und gar nicht stimmte, wusste sie spätestens dann als sie später mit Miroku und Inu Yasha in der lauen Abenddämmerung draußen saß und Kaede zu ihnen kam. Die alte Miko wirkte beunruhigt.

„Ist Rin bei euch? Ich bat sie, einige Kräuter für mich zu besorgen und sie nahm Kohaku mit zum Schutz. Das ist schon mittags gewesen, seither habe ich die beiden nicht mehr gesehen und die Dunkelheit bricht bereits herein. Ich muss gestehen, dass ich in Sorge bin…“

 

Das war vor einer halben Stunde gewesen. Inu Yasha hatte sich aufgrund der Sorge seiner Freundin zuliebe und in Anbetracht der Tatsache, dass Sesshōmaru sie alle einen Kopf kürzer machen würde, wenn Rin verschwunden blieb, auf den Weg gemacht, um die beiden zu suchen. Es war noch nicht dunkel, aber die Sonne neigte sich bedenklich. Von Kaede wusste er, wo Rin ungefähr hingewollt haben musste und irgendwann hatte er eine schwache Geruchsspur von beiden gefunden.

Der folgte er nun – und runzelte die Stirn als ihm plötzlich ein anderer Geruch in die Nase stieg. Ein Geruch, den er so ähnlich schonmal wahrgenommen hatte, ohne ihn jedoch jetzt zuordnen zu können. Nur sein Instinkt sagte ihm, dass hier irgendetwas nicht stimmte. Inu Yasha blieb stehen und witterte in alle Richtungen, bis ein leichter Geruch von Ningenblut an seine Nase drang. Kohaku, war sein erster Gedanke und er hetzte in die selbe Richtung. Es dauerte nicht lange, ehe er unruhige Schritte auf dem Waldboden hörte und er verengte die Augen als er eine Gestalt wahrnahm, die offensichtlich Mühe hatte, gerade zu gehen und sich an einem Baum abstützte.

„Kohaku!“, rief er bestürzt, als er den jungen Mann entdeckte, der aus einer tiefen Schnittwunde am Oberarm und an der Schläfe blutete. Kohakus Augen sprachen Erleichterung als er Inu Yasha bemerkte, doch wie als hätte sein Körper nur auf ein Signal der Sicherheit gewartet, verdrehten sich die Augen und er brach zusammen. Inu Yasha konnte ihn gerade noch mit sicherem Griff packen, um zu verhindern, dass er auf dem Boden aufschlug.

„Kohaku! Wo ist Rin?“, sprach er ihn mit lauter Stimme an, woraufhin die Lider des jungen Mannes flatterten. Er röchelte, sagte irgendetwas, das Inu Yasha nicht verstehen konnte. Der Hanyō knurrte und plötzlich fiel ihm schlagartig ein, wo er diesen Geruch schon einmal wahrgenommen hatte. Es war gewesen als er beim Westschloss gewesen war. Die Belagerung der Südhunde. Verdammt!

Kohakus schmerzerfülltes Stöhnen brachte ihn aus seinen Gedanken und ohne lange zu fackeln warf er sich den jungen Mann über die Schulter und trat schleunigst den Heimweg an.

 

~*~

 

„Also jetzt nochmal von vorn“, stieß Inu Yasha erregt aus. „Die haben euch überfallen und dann?“

Kohaku war bleich und er biss die Zähne so fest aufeinander, dass seine Halsschlagader hervortrat während Kaede die tiefe Wunde am Oberarm sorgfältig nähte.

„Sie haben… Rin … wegen Sesshōmaru…“

„Ja, soviel hab ich schon verstanden, verdammt!“

„Könntest du ihn vielleicht mal nicht so anbrüllen, er ist verletzt!“, schaltete sich Sango gereizt ein und schob sich schützend zwischen ihren Bruder und den zeternden Hanyō.

„Rin wurde entführt, verzeih mir, wenn ich da keine Rücksicht nehmen kann, du bist ja nicht diejenige, der Sesshōmaru das Fell über die Ohren zieht!!!“

„Ruhig jetzt, alle beide“, schaltete sich Miroku mit ernster Stimme ein, „Wir haben keine Zeit für Streitereien. Bis Kohaku dazu in der Lage ist, uns den genauen Wortlaut der Entführer wiederzugeben, sollten wir uns gedulden.“

Inu Yasha schnaufte ungeduldig, hielt jedoch den Mund. Miroku hatte ja Recht. Wenn Inu Yasha sich nicht solche Vorwürfe machen würde, wäre das vielleicht alles erträglicher. Wäre er mit Rin gegangen, er hätte sicherlich weitaus mehr ausrichten können als sein menschlicher Freund. Dann wäre der auch nicht so verletzt worden.

 

~*~

 

Eigentlich hätte sein Körper längst geheilt sein sollen. Es war äußerst ungewöhnlich, dass das so lange dauerte. Als Vollyōkai waren die Kräfte, von denen er zehren konnte, enorm. Er fühlte sich angeschlagen, so ungern er das zugeben mochte, und dieser Umstand sorgte nicht für besonders gute Laune. Um es freundlich auszudrücken.

Homoto war soeben gekommen und während sein Handgelenk in ihrer knochigen Hand lag, damit sie den Puls ertasten konnte, verwünschte er zum wohl tausendsten Male den Südfürsten und seine eigene Schwäche, einfach dem Instinkt nachgegeben zu haben. Gerade so verbiss er sich ein verstimmtes Knurren in Gegenwart der Heilerin.

„Euer Blut fließt ungewöhnlich schwach“, riss sie ihn irgendwann aus seinen Gedanken, „habt Ihr den Trank mit dem Eisenkraut regelmäßig zu Euch genommen, den ich Euch verordnet habe?“

„Ja.“

„Euer Yōki fühlt sich kühl an wie Euer Blut.“

Sie strich ihm dabei über den Unterarm, den Bahnen des Yōki folgend, das durch Sesshōmarus Körper zirkulierte. Überall, wo er ihre Berührung spürte, kribbelte seine Haut.

„Hat sich der Geburtskanal inzwischen wieder vollständig geschlossen?“

Der Daiyōkai antwortete nicht.

„Sesshōmaru-dono.“ Sie hatte schon wieder diesen Tonfall angeschlagen, den Kinderfrauen gegenüber bockigen Kindern anschlugen. Er hasste es, wenn sie das tat – weil es meistens Erfolg hatte.

„Ja.“

Homoto sah ihn schließlich direkt an und als sie nichts sagte, fragte Sesshōmaru ungeduldig: „Was ist?“

„Nun“, begann sie langsam und wägte ihre Worte ab, während sie in einer sanften Geste den weiten Kimonoärmel wieder zurückschob, „es wäre wohl an der Zeit, Ihr setztet Euch vernünftig mit Eurem eigenen Körper auseinander. Ich weiß, dass Eure verehrte Frau Mutter nicht viel davon hielt, mit solchen natürlichen Dingen offen umzugehen.“

Ihr Tonfall war nicht abfällig, aber Sesshōmaru konnte sehr wohl heraushören, was sie von der Art Erziehung hielt, die die Inu no Kami für die richtige gehalten hatte.

„Aber Ihr habt nun einmal diese Fähigkeit. Und es wird wieder passieren.“

Ihr Wort war eine Spur schärfer geworden und aus irgendeinem Grund wagte der Daiyōkai in diesem Moment nicht einmal, die Lippen verächtlich zu kräuseln.

„Ihr werdet wieder in Hitze geraten und eine Menge Artgenossen werden ihren Samen pflanzen wollen. Ob es Euch gefällt oder nicht.“

Sie sah ihn durchdringend an. „Es wäre von immensem Vorteil, einen Beschützer zu haben.“

„Ich brauche niemanden, der mich beschützt“, erwiderte Sesshōmaru kühl, „was für ein lächerlicher Gedanke.“

Unwillkürlich dachte er dabei an Inu Yasha. Oder besser gesagt, dessen Worte am Tag, als die Belagerung beendet wurde.

Ich beschütze dich.“

Und wie angenehm diese Worte sich in jenem Moment der Schwäche angefühlt hatten. Sesshōmaru schüttelte den Kopf kaum merklich, während sich die Augen verstimmt verengten.

 

Plötzlich spürte er ein nur allzu bekanntes Yōki sich nähern. Als hätte er ihn hergelockt mit dem kurzen Gedanken, den er soeben gehabt hatte. Sesshōmaru richtete sich ruckartig auf, den fragenden Blick Homotos ignorierend, denn Inu Yashas Yoki wirkte unruhig und ihn beschlich ein ungutes Gefühl.

Im nächsten Moment sah er sich schon dem Hanyō entgegen eilen und sie standen sich gegenüber, da hatte selbiger gerade die Palastmauern überwunden. Inu Yasha wirkte ein wenig irritiert und Sesshōmaru bildete sich sogar ein, eine Spur von Angst riechen zu können.

„Was ist passiert?“, verlangte er mit scharfer Stimme, zu wissen. Einen Augenblick schien es, als bekäme Inu Yasha seinen Mund nicht auf, dann jedoch riss er sich zusammen und erwiderte ohne drumherum zu reden: „Der Südfürst hat Rin entführt.“

Eisige Stille senkte sich um sie beide herab und Inu Yasha setzte im Geiste schonmal sein Testament auf.

„Wie bitte?“, kam es schließlich gefährlich leise von dem Daiyōkai.

„Es ist nicht meine Schuld, Kohaku…“

„Was will er?“

Wobei er sich das schon denken konnte. Inu Yasha, der eher mit einer Standpauke gerechnet hatte, blinzelte irritiert, dann biss er sich auf die Unterlippe und sagte: „Dich. Du sollst zu ihm kommen, alleine, ohne Bakusaiga-“

Das war doch wirklich nun ein schlechter Scherz. „Dieser elende Verräter“, knurrte Sesshōmaru unterdrückt und musste sich beherrschen, nicht sofort loszustürmen, um Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen, seine Ziehtochter zu befreien. Das war nicht seine Art. Und Rin war ein kluges Mädchen, dem so schnell nichts zustieß, er musste einen kühlen Kopf bewahren.

„Was hast du jetzt vor?“, wollte Inu Yasha wissen, der nicht ahnen konnte, was in Sesshōmarus Kopf gerade vor sich ging.

„Der Forderung des Südfürsten nachkommen“, kam die irritierend unterkühlte Antwort, doch sogar Inu Yasha sah, dass Sesshōmaru sich in seinem momentanen Zustand damit übernahm. Er schien immer noch geschwächt, zumindest soweit, dass er sicher nicht in der Lage war, es mit einem anderen Daiyōkai aufzunehmen – ohne Bakusaiga.

„Ich begleite dich“, sagte er dann verbissen, woraufhin eine von Sesshōmarus feingeschwungenen Augenbrauen in die Höhe wanderte.

„Da du mir die Forderung selbst vorgetragen hast, kennst du folglich auch deren Inhalt.“ Wäre die Situation nicht so ernst gewesen, hätte Sesshōmarus Stimme wohl spöttisch geklungen.

Inu Yasha knurrte gestresst, „Weiß ich doch, aber du kannst doch nicht wirklich als Einmannarmee diesem Scheißkerl in die Arme laufen.“

„Etwas mehr Vertrauen in meine Fähigkeiten, Bruder“, kam es nun doch leicht spöttisch, allerdings war Sesshōmaru sich tatsächlich selbst nicht sicher, inwieweit er in seinem immer noch geschwächten Zustand Takaitayō ohne Bakusaiga gewachsen war. Er kannte die Yōkaiform des Südfürsten, der seines Vaters beinahe ebenbürtig, keinesfalls zu unterschätzen.

Inu Yasha stockte einen Moment. Hatte Sesshōmaru ihn gerade mit Bruder angesprochen? Da hörte man doch Töne. Plötzlich kam ihm ein Gedanke.

„Was, wenn ich eine Möglichkeit wüsste, wie ein Begleiter unbemerkt bliebe?“

Sesshōmaru sah ihn musternd an, ihn still auffordernd, fortzufahren.

„Fuchszauber“, sagte Inu Yasha dann und Sesshōmaru verstand.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  miladytira
2020-01-12T16:03:53+00:00 12.01.2020 17:03
Hey Hey :)

Hab deine Story soeben gefunden... und eigentlich finde ich das Pairing SessxInu ein wenig merkwürdig (zwei Brüder - verüble es mir ned xD) aber und zwar ein ganz grosses ABER ich war schon immer
jemand die sich gerne auf Neues eingelassen hat und momentan echt angefressen ist von dieser Geschichte.

Ich bin froh dass du Sess nicht all zu weich darstellst, denn viele bringen ihn zu schwach rüber wobei man ganz genau aus dem Manga weiss, dass er dies nicht ist. Er soll seine kühle Art behalten. Es macht ihn aus.

Ich bin mal offen und lese deine FF gerne weiter! Lass dich nicht beirren wegen den nicht vorhandenen Kommis. Ich schreibe auch selten einen, weiss aber dass es runterziehen kann. Bleib dran und immer mehr stossen auf deine Geschichte 😊
Antwort von: abgemeldet
24.02.2020 12:25
Vielen lieben Dank für dein Feedback. Ich freue mich sehr darüber, dass dir meine Darstellung von Sesshomaru zusagt.


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