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Der Duft von Hyazinth

von

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Belagerung

„Inu Yasha, was ist denn los?“

Der Hanyō merkte auf und sah in das fragende Gesicht des kleinen Fuchswelpen, der ihn begleitete.

Er runzelte die Stirn. „Nichts, ich … riechst du das nicht?“

Shippo streckte das Näschen in den Wind und schnupperte angestrengt. „Nein, was meinst du?“

Inu Yasha schwieg. Eine Witterung lag in der Luft. Eine Witterung, die ihm nicht gefiel, eine Bedrohlichkeit von ungewisser Stärke. Er wusste nicht, was es war. Er wusste nur, dass er es nicht mochte und dass es Unruhe in ihm weckte.

„Shippo, geh zurück zum Dorf, ich muss mir das ansehen.“

„Was, aber ich will mit-“

„Du tust, was ich dir sage!“, schnauzte Inu Yasha gereizt, woraufhin der Fuchswelpe zusammenzuckte, nickte und dann schließlich auf flinken Pfoten davon huschte.

Inu Yasha wartete noch eine Weile lauschend, damit der Kleine nicht auf die Idee kam, umzukehren und ihm heimlich zu folgen und als er sicher war, dass das nicht der Fall war, wandte er sich in die Richtung aus der er den Geruch am stärksten wahrnahm und setzte sich in Bewegung, um seine Quelle zu ergründen.

Er folgte ihm eine Weile auf seine Art von Baum zu Baum und von Felsen zu Felsen zu springen, mit sicherem Tritt und es dauerte nicht lange, ehe ihn eine dunkle Vorahnung beschlich, wo die Witterung ihn hinführte. Zum Schloss des Westens, dorthin, wo sein Vater einst gelebt hatte, wo seine Wurzeln lagen. Dem Ort, dem er sich nie gewagt hatte zu nähern, wenn der Wind ungünstig stand, denn er wollte nicht, dass man ihn bemerkte. Dass er ihn bemerkte. Er hatte es sich meistens aus der Ferne angesehen und war wieder fortgezogen. Doch jetzt, jetzt lag da dieser Geruch in der Luft, der bald so überwältigend stark war, dass er sogar den Geruch der Westhunde, auch den seines Bruders, der dort lebte, überdeckte.
 

Gefahr!
 

Sein Instinkt warnte ihn. Es roch nach Hund, aber irgendwie … fremd. Noch ehe das Westschloss in Sicht kam, verlangsamte er seinen Schritt und schärfte seine Sinne. Instinktiv wusste er, dass er auf der Hut sein musste. Er tastete nach dem Wind. Der kam ihm entgegen und das war gut. So blieb er zumindest eine Weile unbemerkt.

Das erste, was er sah, war das Blitzen von Rüstungen und metallenen Waffen in der Sonne. Ein Heer. Ein fremdes Heer, das waren keine Westhunde. Der Geruch war ganz anders. Sie waren dunkler. Sie hatten Lager um das Schloss herum errichtet, schienen auf etwas zu warten.

„Was geht da vor…?“, murmelte Inu Yasha und ließ den Blick unruhig über die weite Fläche gleiten. Ein plötzliches Piksen ließ ihn zusammen zucken und reflexartig die flache Hand gegen die Wange klatschen.

„Myoga!“, empörte er sich im nächsten Moment, verspürte jedoch auch eine gewisse Erleichterung.

„Autsch. Dass Ihr immer so doll zuschlagen müsst, Inu Yasha-sama.“

„Sag mir lieber, was hier los ist“, verlangte der unruhig zu wissen.

„Das Schloss wird belagert.“

Augenrollen.

„Ja, DAS sehe ich auch.“

Der Flohdämon hüpfte, nachdem er sich einigermaßen erholt hatte von Inu Yashas Hand auf dessen Schulter und von dort zu einem der Hundeohren.

„Das ist das Heer der Südhunde. Niemand weiß, warum Daiyōkai Takaitayō plötzlich den hundertjährigen Frieden bricht und gegen den Westen zieht, aber es scheint ernst zu sein. “

„Sesshōmaru?“

„Hat alle bis auf seine fünf Generäle fortgeschickt und verschanzt sich seit fünf Tagen im Schloss. Und darauf kann ich mir selbst keinen Reim machen, denn das Westheer wäre spielend in der Lage es mit dem Süden aufzunehmen. Ich bin froh, dass Ihr hier seid, Inu Yasha-sama. Ich wollte gerade zu Euch aufbrechen.“

Inu Yasha schluckte trocken. Seine Kehle fühlte sich an, wie Sandpapier. Leise Wut keimte. Wut auf diesen Südfürsten, der es wagte, seinen Bruder zu belagern, schon geschlagene fünf Tage. Was fiel dem eigentlich ein? Wenn jemand seinem Bruder auf die Nerven gehen durfte, dann war ja wohl er das! Inu Yasha schnaubte und seine Hand zuckte zu Tessaiga, welches in seiner Scheide ruhte.

„Tut nichts Unüberlegtes, Inu Yasha-sama“, warnte Myoga.

„Was soll ich denn deiner Meinung nach tun, huh? Warten, bis diese Bastarde ihn ausgehungert haben?“

„So schnell wird das nicht passieren“, versuchte Myoga ihn zu beruhigen, „Euer Bruder wird einen triftigen Grund haben, diesen Zustand hinzunehmen, bedauerlicherweise ist es mir bisher nicht gelungen, dahingehend etwas aus ihm herauszubekommen. Er zeigt sich überraschend zugeknöpft.“

Inu Yasha rollte die Augen: Es war ja nun wirklich kein Geheimnis, dass sein feiner Herr Bruder nicht gerade der Gesprächigste war. Allerdings war das Dumme nun, dass ihn ernsthaft interessierte, was da los war. Einfach nur reine Neugier, nicht etwa, weil er sich plötzlich Sorgen machte. Das war doch lächerlich, er und sich um Sesshōmaru sorgen.

„Dieser Daiyōkai des Südens“, knurrte er dann, „welcher von denen ist das?“

„Derjenige, der sich gemütlich bei Wein und Weib in sein Zelt zurück gezogen hat“, erwiderte der Flohdämon zynisch, wie man es sonst von ihm nicht kannte.

„Ich kann den Kerl jetzt schon nicht leiden. Warum hat Sesshōmaru alle fortgeschickt?“

„Ich habe da zwei Theorien. Die eine wäre recht simpel, dass er schlichtweg die Seinen schützen wollte, die zweite wäre, dass er etwas zu verbergen hat, was ihn mit dem Südfürsten verbindet, das so wenig Zeugen wie möglich gebrauchen kann, wenn es zur Eskalation kommt. Vielleicht auch beides.“

„Und warum hat er sich selbst nicht aus dem Staub gemacht? Und warum überhaupt dieses ganze passive Versteckspiel, er hat Bakusaiga!?“

„Ich bin diesbezüglich ehrlich gesagt genauso schlau wie Ihr…“, antwortete der Floh verdrossen. „Sicher weiß ich nur, dass Sesshōmaru-dono sich da in eine Lage hinein manövriert hat, aus der er alleine nicht wieder herauskommt. Und da er aufgrund seines Stolzes da drin sitzen würde bis zum Sankt Nimmerleinstag, wollte ich mich eben ohne sein Wissen gerade auf den Weg machen, um Euch um Hilfe zu bitten. Auch Ihr seid ein Erbe Tōga-Os.“

„Ein Erbe von wem?“, fragte Inu Yasha geistesabwesend.

„Das ist der Name Eures Vaters, Ihr wisst doch, dass Inu no Taishō nur ein Titel war. Der Titel, den Euer Bruder im Übrigen nun trägt.“

„Ähm, klar wusste ich das.“
 

„He, Ihr da, was habt Ihr hier zu suchen, wer seid Ihr?“

Inu Yasha wirbelte wie von der Tarantel gestochen herum, die Hand zum Griff Tessaigas zuckend als er die barsche Stimme hinter sich vernahm - und sah sich zwei fremden Soldaten gegenüber. Hundeyōkai, sonnendunkle, wettergegerbte Haut, pechschwarzes, wildes Haar, das zu Hochzöpfen gebunden war, bernsteinfarbene Augen und bis an die Zähne bewaffnet und gerüstet.

Instinktiv spürte Inu Yasha, dass mit diesen Männern nicht zu scherzen war und er musste sich dazu zwingen, nicht einen Schritt zurück zu weichen. Seine Hand lag auf Tessaigas Griff. Wie hatte er nur derart unaufmerksam sein können? Innerlich schalt er sich einen Narren.

„Dasselbe könnte ich Euch fragen“, knurrte er angespannt und versuchte einzuschätzen, wie mächtig die Waffen waren, die die Yōkai bei sich trugen. Hellebarden mit verlängerter Klinge, Distanzwaffen, soweit er erfühlen konnte keine überirdischen Kräfte. Mit denen wurde er spielend fertig.

„Der ehrenwerte Fürst Takaitayō hat befohlen, jeden gefangen zu nehmen und zu ihm zu bringen, der sich dem Westschloss nähert“, begann der eine von ihnen ruhig, wobei er und Inu Yasha sich direkt in die Augen sahen, was letzteren leicht reizte, „Kommt Ihr freiwillig mit oder müssen wir Gewalt anwenden?“

Inu Yasha lag schon ein blöder Spruch auf den Lippen in der Richtung von kommt nur, wenn ihr euch traut, aber er besann sich eines Besseren. Die letzten Jahre hatten ihn Bedachtsamkeit gelehrt, taktisches Denken, Situationen einzuschätzen und meistens auch richtig zu beurteilen. Und vor allem hatte er gelernt, dass man oft schneller zum Ziel kam, wenn man nicht gleich drauf los preschte. So ließ er sich in aller Seelenruhe, flankiert von den beiden Soldaten in das Heerlager hineinbringen, wo man ihn misstrauisch und neugierig beäugte.

„Sagt dem Fürsten, dass wir einen der Westhunde gefangen genommen haben!“, bellte der eine einen jungen Mann an, der sofort die Beine in die Hand nahm.
 

Vor einem sehr großen Zelt blieben sie schließlich stehen. Es dauerte ein paar Minuten, ehe sich etwas tat und ein Mann heraustrat, der Inu Yasha noch um einiges überragte; Mindestens drei Köpfe größer und doppelt so breit wie er und ganz offensichtlich nicht sonderlich begeistert darüber, dass man ihn gestört hatte.

Die beiden Soldaten verneigten sich.

„Herr, wir haben diesen Hanyō hier um das Schloss herumstreunen sehen, was soll mit ihm geschehen?“

Der Südfürst ließ den Blick eine ganze Weile auf Inu Yasha ruhen und der versuchte dem standzuhalten, was jedoch gar nicht so einfach war, da dieser Mann eine absolut autoritäre und bedrohliche Wirkung auf ihn hatte. Das gebräunte Gesicht hatte beinahe schöne Züge, wurde jedoch von einer wulstigen Narbe auf der linken Wange entstellt und die Augen, in einem dunklen Bernsteinton, kalt und berechnend.

„Na sieh mal einer an“, sagte der Daiyōkai dann nach einer Weile unangenehmen Schweigens, „da ist uns der zweite Erbe Tōga-Os in die Hände gefallen.“

Die beiden Soldaten machten große Augen. „Aber Herr, das … das ist ein Hanyō.“

„Ach, was du nicht sagst“, machte der Daiyōkai des Südens trocken und wandte sich dann zum ersten Mal direkt an Inu Yasha.

„Warum seid Ihr hergekommen?“

„Warum belagert Ihr das Schloss meines Bruders?“, antwortete Inu Yasha mit einer Gegenfrage und machte sich unbewusst etwas größer.

Takaitayō schnalzte unzufrieden mit der Zunge. „Euer Bruder hat etwas, das mir gehört.“

„Und was soll das sein?“

„Meinen Erben.“

 

~*~
 

Reichlich verwirrt hatte Inu Yasha diese Information angenommen. Noch verwirrter war er, als man ihm sogar erlaubte, zum Schloss zu gehen, ohne dass er sich den Weg hätte freikämpfen müssen.

Auf dem Weg über das weitläufige Gelände erhielt er von Myoga zumindest die Erklärung, dass sein verehrter Herr Vater gewisse Vorkehrungen getroffen hatte zum Schutze seiner Familie, dass nur die das Schloss betreten konnten, die in direkter Blutlinie von ihm abstammten und die, die eine Erlaubnis oder eine Einladung von einem solchen ausgesprochen bekamen.

Das Tor war unbewacht. Angespannt drückte Inu Yasha dagegen – es schwang lautlos auf und binnen dem Hauch eines Augenblickes fühlte sich der Hanyō von Gerüchen, Empfindungen und Erinnerungen überwältigt, die nicht seine waren. Die Luft hier, alles fühlte sich vertraut an, obgleich er niemals hier gewesen war. Hier lagen seine Wurzeln. Hier hatte sein Vater gelebt und die Ahnen, die er nie kennengelernt hatte und hier lebte Sesshōmaru. Inu Yasha versuchte aus den vielen Gerüchen den seines Bruders herauszufiltern. Er fand ihn. Und mit ihm fand er noch etwas anderes. Etwas, das höchst besorgniserregend war. Den Geruch von Blut. Frischem Blut.

 

~*~
 

„Wer seid Ihr und wie seid Ihr hier herein gekommen?“, wurde er harsch von einem Krieger aufgehalten, der vor den Räumen, von welchen der Blutgeruch an seine Nase drang Wache hielt.

„Ich bin Inu Yasha und wenn Ihr mich nicht sofort zu meinem Bruder lasst, dann setzt es was, meine Geduld ist heute schon oft genug auf die Probe gestellt worden!“, knurrte Inu Yasha und stellte sich auf einen Kampf mit dem Mann ein, welcher die Hand schon am Schwertgriff gehabt hatte, zu seiner Überraschung gab der die Verteidigungshaltung jedoch sofort auf.

„Mein Name ist Akira-O, ich bin einer der Generäle Eures Bruders und sein ältester Vertrauter. Dass Ihr gerade unter diesen Umständen zu uns stoßt ist unerwartet, aber gewiss nicht unwillkommen…“

Er hielt einen Moment inne und lauschte, doch es blieb still, während sich Inu Yashas Kehle plötzlich anfühlte, wie Sandpapier.

„Geht hinein, Sesshōmaru ist viel zu stolz um es zuzugeben, aber ich denke, er könnte Euren Beistand gebrauchen…“
 

Nach diesen kryptischen Worten gepaart mit dem Weglassen des Namenssuffixes hatte Inu Yasha den Yōkai, der sich mit Akira-O vorgestellt hatte verwundert angesehen, ehe er sich abrupt losgeeist hatte und nun die Gemächer seines Bruders betrat. Er folgte dem Geruch von Blut, welcher hier drin am stärksten war und er musste nicht lange suchen, ehe er den Ursprung gefunden hatte. Hatte er sich doch nicht getäuscht.

„Was…“, entfuhr es ihm als er den Futon erspähte, auf dem sein Bruder lag, schlafend oder nicht bei Bewusstsein, das konnte er auf den ersten Blick nicht sagen. Bei ihm war eine Frau. Eine sehr alte Frau, die ihn mit kühlem Blick musterte und sich dann wieder ihrem Patienten zuwandte.

Da er offensichtlich nicht unerwünscht war, trat er näher.

„Was ist passiert?“, verlangte er zu wissen und ließ sich im nächsten Moment auf die Knie nieder. Sesshōmaru wirkte so blass. Nein, blass war er immer schon gewesen, aber jetzt wirkte er beinahe durchscheinend, zerbrechlich, wie er den jungen, kraftvollen Körper niemals erwartet hatte, zu sehen.

„Wir haben eine Abtreibung vorgenommen“, antwortete die Heilerin nur ohne ihn anzusehen, während sie gerade ein paar Pülverchen zusammenmischte.

„Eine was?“ Dabei fiel sein Blick auf einen Haufen von blutigen Tüchern, „Ist das nicht, wenn … wenn Frauen…“

„Der Welpe war ungelegen, Sesshōmaru-dono war nicht in der Lage, ihn zu behalten. Nicht unter diesen Umständen.“

Inu Yasha sagte überhaupt nichts mehr. Jetzt wusste er auch, was Takaitayō damit gemeint hatte, Sesshōmaru habe seinen Erben. Na der würde sicher nicht begeistert sein, wenn er erfuhr, dass … Moment, soweit er informiert war, wurden doch nur Frauen … Inu Yasha schüttelte den Kopf. Seinem Bruder ging es offensichtlich schlecht und das war nicht der richtige Zeitpunkt um sich über eine Sache aufklären zu lassen, die hier offensichtlich als natürlich gegeben hingenommen wurde. Unsicher biss er sich auf die Unterlippe, dann konnte er den Impuls nicht mehr unterdrücken, sich zu Sesshōmaru zu beugen und vorsichtig zu schnüffeln, ob er überhaupt noch lebte.

„Er ist nicht tot“, sagte die Heilerin trocken und Inu Yasha zuckte ertappt zusammen, „aber er hat viel Blut verloren, mehr als erwartet. Es wird etwas länger dauern bis er sich regeneriert hat.“

Die dunklen Augen der Heilerin ruhten plötzlich auf ihm. Die Frau schien genau zu wissen, wer er war, dabei hatte er sich weder ankündigen lassen, geschweige denn sich vorgestellt.

„Es war nicht der Zufall, der Euch ausgerechnet jetzt hierhergebracht hat. Hier ist Euer Platz, hier war er schon immer…“

Inu Yasha schwieg eine ganze Weile. Er fühlte sich plötzlich merkwürdig. „Kann ich … kann ich irgendetwas tun…?“, fragte er gedämpft, überspielte dabei Hilflosigkeit, Unsicherheit.

„Ihr könntet bei ihm sein, wenn er aufwacht. Ich werde mich in der Zeit etwas zur Ruhe legen, weckt mich, sollte etwas sein.“

Inu Yasha nickte und die Alte verzog sich in eine andere Ecke der weitläufigen Gemächer, um zu ruhen. Und so saß er hier und wachte und versuchte all die Fragen, die er hatte, beiseite zu schieben. Nie hatte er Sesshōmaru so schwach gesehen. Nie so zerbrechlich, das passte nicht zu ihm. Und das verunsicherte ihn. Sesshōmaru und er hatten nie das beste Verhältnis gehabt, zuletzt waren sie auf einer neutralen Basis geblieben, Inu Yasha jedoch hatte es nie gewagt – auch aus Stolz – dieses neutrale Verhältnis zu einem positiven zu machen. Sie waren einfach zu unterschiedlich. Sesshōmaru war stark und stolz und anmutig und schön und elegant und weltgewandt und er … er war nur Inu Yasha. Aber das war in Ordnung. Bisher war es immer in Ordnung gewesen. Bisher. Bisher hatte aber niemand es gewagt, seinen Bruder in eine so offensichtlich gefährliche Situation zu bringen und das ließ seinen Zorn wachsen.

Plötzlich ertappte er sich dabei, wie er Sesshōmaru zärtlich das Gesicht leckte, so wie Hunde es füreinander taten aus Zuneigung und wenn sie spürten, dass es jemandem nicht gut ging. Aber seine Instinkte sprachen zu ihm, sie sagten ihm, dass das richtig war und außerdem, Sesshōmaru war bewusstlos, oder er schlief, was auch immer er war, er würde es ohnehin nicht mitbekommen und Inu Yasha fühlte sich einen Ticken weniger nutzlos.

Er zuckte erst zurück als ein ganz leiser winselnder Laut aus Sesshōmarus Kehle kam – und hielt den Atem an. Doch die Lider geschmückt in ihrem Magenta, das nunmehr wirkte wie ein verfärbter Bluterguss, zuckten nur kurz und dann regte er sich nicht weiter.

Vielleicht war es auch besser so, wenn er vorerst noch schlief. Im Schlaf konnte man viel Kraft holen und wenn er schlief, dann konnte er sich auch nicht darüber aufregen, dass Inu Yasha plötzlich hier war.

„Sowas habe ich mir schon gedacht. Herrje, herrje…“

„Myoga, wusstest du, dass männliche Inuyōkai trächtig werden können?“

„Das weiß doch jeder, Inu Yasha-sama.“

„Ja, ich mittlerweile auch“, kam die süß-säuerliche Antwort.

„Nicht alle“, räumte der Flohdämon schließlich behutsam ein, „Hat Euch … niemals jemand gesagt, was der Sichelmond auf der Stirn bedeutet?“

Kopfschütteln.

„Er ist ein Zeichen für Fruchtbarkeit und ein Zeichen von großer Ehre. Welpen, die von männlichen Daiyōkai zur Welt gebracht werden, sagt man eine außergewöhnlich große Kraft nach.“

„Und deshalb belagert Takaitayō das Schloss“, schlussfolgerte Inu Yasha mit sturmumwölkter Miene.

„So wird es sein. Inu Yasha-sama, ich gehe mit Akira-O-sama sprechen, ich lasse Euch einen Moment allein.“

 

~*~
 

Als die bleierne Müdigkeit langsam wich, war das erste, das er wahrnahm ein vertrauter Geruch. Ähnlich seinem Vater, aber sein Vater war lange tot und vermutlich bildete er sich das nur ein aufgrund der seltsamen Kräutermixturen, die die alte Schamanin ihm zu trinken gegeben hatte. Aber dann drang in sein Bewusstsein, dass das nicht der Geruch seines Vaters war. Er war ihm ähnlich und vertraut, aber eben nicht er.

Sesshōmaru blinzelte und fühlte eine ungekannte Schwäche in seinem Körper. Eine Schwäche, die ihm nicht behagte. Dann sah er verschwommen roten Stoff. Er drehte den Kopf schwach, sodass er nach oben sehen konnte und noch ehe sich seine Sicht verschärfte drang eine nur allzu vertraute Stimme an sein Ohr: „Na, wieder unter den Lebenden?“

Es hatte neckisch klingen sollen, aber seine Stimme klang mehr besorgt und müde.

„Kannst du mir mal sagen, was du hier für einen Scheiß abziehst?“

„Was hast du hier verloren…?“ Die Stimme war tonlos, genauso durchsichtig, wie der Rest von Sesshōmarus Erscheinung. Der versuchte sich aufzurichten, doch ein Schmerz, der durch seinen Unterleib schoss wie glühendes Eisen ließ ihn zurück sinken, noch ehe Inu Yasha protestieren konnte.

„Möchtest du etwas Wasser?“

„Ich habe dir eine Frage gestellt.“

Inu Yasha hörte deutlich den missbilligenden Tonfall heraus und auch wenn es ihm in den Fingern juckte, er würde sich nicht in diesem Zustand mit Sesshōmaru streiten. So griff er zu der Wasserkaraffe und goss etwas davon in ein Schälchen.

„Ich hab mitgekriegt, dass sich hier ein fremder Gestank breit gemacht. Dann komm ich hierher und seh, dass dein feines Schloss belagert wird.“

„Dieser Sohn eines Knechtes ist immer noch da?“, knurrte Sesshōmaru plötzlich, was Inu Yasha innehalten ließ, denn er hatte den anderen noch nie auch nur den Hauch eines vulgären Wortes aussprechen hören. Kommentarlos hielt er Sesshōmaru das Schälchen mit dem Wasser hin und der stützte sich auf den Unterarm um einigermaßen trinken zu können.

„Er ist wohl der Auffassung, du hieltest seinen Erben hier gefangen. Aber der ist ja wohl nicht mehr, wie ich mitbekommen habe.“

„Nein, der ist nicht mehr“, erwiderte Sesshōmaru eiskalt, „und Takaitayō wird nicht erfreut darüber sein, wenn er es erfährt. Nun jedoch habe ich kein Hindernis mehr, gegen ihn in den Kampf zu ziehen-“

Sesshōmarus Blick flackerte automatisch zu Bakusaiga, welches nicht weit in einer kunstvollen Halterung ruhte.

„Kommt nicht in Frage“, hörte Inu Yasha sich sagen und war erstaunt darüber, wie autoritär seine Stimme klingen konnte, „du bist viel zu geschwächt. Ich werd das erledigen, wenn du nichts dagegen hast, Tessaiga wird kurzen Prozess mit dem Dreckskerl machen.“

„Das ist nicht… deine Sache, Inu Yasha“, erwiderte der Daiyōkai, doch der Jüngere empfand mit einem Mal tiefe Entschlossenheit.

„Es ist meine Sache“, erwiderte er ruhig, „wenn er dir wehtut, ist es meine Sache.“ Damit stand er auf und straffte die Gestalt.

„Es wird nicht lange dauern.“

„Untersteh dich-!“

Als er schon bei der Türe war, hielt er einen Moment inne und sah über die Schulter zurück und so schlicht die nächsten Worte waren, so erwachsen und stark klangen sie mit einem Mal aus seinem Mund und das war vielleicht auch der Grund, warum Sesshōmaru sich diese momentane Schwäche zugestand.

„Ich beschütze dich.“

 

~*~
 

Der Fürst des Südens war ein hochgewachsener, stämmiger Mann mit groben, charismatischen Gesichtszügen. Die Augen waren von einem dunkleren, wärmeren Bernstein als die der Westclans, die Haut von einem Olivton und das herbstbraune, gewellte Haar war zu einer traditionellen Frisur geformt. Das Clanzeichen war ein von der Stirn bis kurz über die Nasenwurzel gehendes sehr schmales auf dem Kopf stehendes ins Goldene gehendes, leicht gewelltes Dreieck. Und er war ungefähr doppelt so alt wie Sesshōmaru, was im Übrigen immer ein Grund gewesen war für Missbilligung, da Sesshōmaru in einem ungewöhnlich jungen Alter, noch nicht einmal volljährig, das durchaus große Erbe seines Vaters angetreten hatte. Der einer der mächtigsten Yōkai des ganzen Landes gewesen war. Und wer tat sich schon leicht, jemandem plötzlich auf Augenhöhe zu begegnen, den er als kleinen Welpen mal auf dem Schoß gehabt hatte? Es hatte durchaus Zeiten des Friedens und sogar der Freundschaft zwischen dem Westen und dem Süden gegeben, warum Daiyōkai Takaitayō den alten Zwist hatte ausgraben müssen, verstand keiner so genau.
 

Mit ihnen waren noch je ein Diener im Raum, ebenfalls Sesshōmarus Schreiber, ansonsten waren sie alleine und das war für eine solche Zusammenkunft schon eine ungewöhnlich private Atmosphäre.

„Nun, Sesshōmaru-dono, ich muss zugeben, dass Eure Einladung mich durchaus überrascht hat“, begann Takaitayō langsam und nippte an seinem Sake Schälchen. Dabei lagen die Bernsteinaugen prüfend auf der Gestalt des so viel jüngeren Daiyōkai. „Durfte ich doch davon ausgehen, dass es zwischen unseren Reichen zu keiner Einigung gelangt.“
 

Sesshōmaru erwiderte ruhig: „Eine Einigung sollte angestrebt werden in Anbetracht des Friedens, der nunmehr 1000 Jahre währt.“

Eine unmissverständliche Warnung schwang in den Worten, so ruhig sie auch geklungen hatten, mit.

„Dann gebt Ihr die oberen Südlande auf? Das erstaunt mich in Anbetracht der Vehemenz, die in Euren offiziellen Briefen durchdrang.“

„Ich wollte, ich könnte es, doch es ist mir unmöglich, die unteren Westlande aufzugeben“, erwiderte Sesshōmaru in einem diplomatischen Tonfall, die unteren Westlande wurden jedoch besonders nachdrücklich betont. „Ich habe sehr ausführliche Nachforschungen anstellen lassen und muss Euch mitteilen, dass die Urkunde, auf deren Verschwinden Ihr Euch beruft, nach wie vor existiert. Bedauerlicherweise war es dem alten Inu no Taishō, meinem Herrn Vater, dessen Freundschaft Ihr im Übrigen in früheren Jahren erstaunlich oft in Anspruch genommen habt, als Ihr Eure Kriege gegen die Schattenyokai führtet, nicht möglich, diese Urkunde an einem Ort zu hinterlegen, an welchem sie leicht auffindbar gewesen wäre. Wie Ihr wisst, kam sein Tod unerwartet, dementsprechende Vorkehrungen zu treffen war schlicht nicht möglich. Aber ich kann Euch versichern…“

Damit öffnete Sesshōmaru eine Mappe aus feinem Leder, in welches goldene Schriftzeichen und ein altes Datum gestanzt waren und löste das darin befindliche, leicht vergilbte Papier aus seiner Halterung, um es in einer eleganten Bewegung auf dem Tisch die Richtung seines Gegenüber zu schieben.

Der betrachtete das Papier einen Moment lang als sei es ein ekelerregendes Insekt, dann nahm er es in die Hand um es sich vors Gesicht zu halten.

„Das ist eine Fälschung“, knurrte er im nächsten Moment und Sesshōmaru verzog innerlich das Gesicht über diese Unbeherrschtheit. „Das kann unmöglich …“

„Es ist echt.“

Der Daiyōkai des Südens sah einen Moment so aus als würde er Sesshōmaru am liebsten ins Gesicht springen, dann jedoch glätteten sich seine Züge.

„Ich bitte um Vergebung, es lag nicht in meiner Absicht, Euch zu beleidigen, indem ich Euch einer Lüge bezichtige…“

Dieser Stimmungsumschwung kam unerwartet für Sesshōmaru, doch er ließ sich davon nichts anmerken. Aber er war auf der Hut. Takaitayō war kein Mann, der einfach etwas aufgab, von dem er überzeugt war, es stand ihm zu.

Eine Weile saßen sie sich lediglich gegenüber mit Schweigen im Raum und einer gewissen Anspannung. Dann beugte sich Takaitayō vor, wobei das Leder seiner Rüstungsgewandung leise knirschte.

„Gestattet Ihr mir eine Frage?“

Sesshōmaru nickte.

„Ist es Eure erste Läufigkeit?“

„Was erlaubt Ihr Euch!?“, erwiderte Sesshōmaru leise, während sich die Klauen seiner linken Hand nervös in die Ballen bohrten.

„Jetzt tut nicht so verschämt“, erwiderte der Mann ungerührt, „man riecht es.“ Ein lüsternes Schmunzeln umspielte die Lippen des Südfürsten. „Und so wie Ihr Euch benehmt, ist es wirklich Eure erste.“

„Ihr seid sehr indiskret“, erwiderte Sesshōmaru verärgert, wobei diese Verärgerung weniger dem Südfürsten galt, sondern diesem überaus nervigen Zustand, in dem er sich seit wenigen Tagen befand. Dummerweise hatte das Treffen mit dem Fürsten des Südens schon sehr lange festgestanden, es kurzfristig abzusagen wäre einer öffentlichen Beleidigung gleichgekommen. Allerdings war ihm bis zu diesem Moment auch nicht bewusst gewesen, dass andere Hundeartige, vor allem Männchen, diesen Geruch sehr wohl wahrnehmen konnten. Innerlich schalt er sich einen Narren. Der Blick, den ihm der Fürst des Südens gerade zuwarf gefiel ihm nämlich überhaupt nicht.

Der jedoch wechselte plötzlich das Thema und Sesshōmaru entspannte sich ein wenig.

„Gestattet Ihr mir eine Bitte, ehe ich abreise?“, sagte der Südfürst charmant nachdem er sein Sakeschälchen geleert hatte.

„Ich habe Euch das letzte Mal ein Schwert führen sehen, da reichtet Ihr mir bis zu den Knien. Erweist Ihr mir die Ehre eines Freundschaftskampfes?“

 

~*~
 

Die Nachmittagssonne glühte heiß und rot als Inu Yasha hinaustrat. Der Südfürst schien irgendwie auf so etwas gewartet zu haben. Denn er erwartete ihn, gerüstet und bewaffnet. Inu Yasha blieb in einiger Entfernung stehen und starrte ihn an. Eine Weile starrten sie sich beide in die Augen, ein stummer Kampf um die Dominanz.

„Es gibt hier nichts mehr für Euch“, sagte Inu Yasha mit lauter, harter Stimme, „Ich gebe Euch die Möglichkeit, diese Belagerung aufzugeben und Eurer Wege zu ziehen. Andernfalls wird Tessaiga Euer Gegner sein. Euer letzter Gegner.“

 

~*~
 

Die Klingen krachten laut und hart aufeinander. Sesshōmaru hielt dem Druck des anderen Schwertes eine Weile stand, dann wich er zur Seite hin aus und führte einen erneuten Hieb aus, doch der Südfürst hatte den längst kommen sehen und parierte.

Sie kämpfen nicht mit stumpfen Übungsschwertern, sondern mit Katana, die so scharf waren, dass sie ein melodisches Schwingen in der Luft hinterließen.

Sesshōmaru zeigte sich anfangs zurückhaltender, denn er kannte den Kampfstil des Südfürsten nicht, und er beobachtete seine Bewegungen, seine Technik, alles und Takaitayō war, wie er merkte und zu seinem Ärger eingestehen musste, ein starker Gegner – sein Kampfstil war brutal und zielte auf Stärke, jedoch standen Geschwindigkeit und Geschicklichkeit dem in nichts nach und zu seinem eigenen Ärger bemerkte Sesshōmaru, dass er doch recht bald ein wenig ins Schwitzen kam, da sein Gegner ihm kaum eine Möglichkeit ließ, sich eine Taktik zurechtzulegen.

Es rächte sich ganz offensichtlich, dass er sich so lange auf Bakusaigas Stärke verlassen hatte, die Schwerter, die er bisher geführt hatte, waren alles andere, nur nicht gewöhnlich gewesen.

Takaitayō führte plötzlich eine unglaublich schnelle Abfolge von Hieben aus und es war nur ein Wimpernschlag. Ein Wimpernschlag, den er zu langsam war, der ihm zum Verhängnis wurde und er fand das Schwert aus seiner Hand gedreht, sich selbst im Staub, eine Klinge an der Kehle.

Als er aufsah bemerkte er, dass Takaitayō nicht einmal ins Schwitzen geraten war. Ein zufriedener Zug lag um die Lippen des Südfürsten. Dann nahm er das Schwert zur Seite und ließ es einfach in den Staub fallen – Diener würden das später wegräumen – ehe er Sesshōmaru die Hand in einer versöhnlichen Geste hinstreckte um ihm aufzuhelfen. Der ergriff sie verstimmt und der Schwung war wohl etwas mehr als nötig gewesen wäre. Denn plötzlich waren sie sich so nahe, dass ihm der herbe männlich-dominante Geruch dieses Mannes in so einer Intensität in die Nase stieg, dass jeder Gedanke, den er eben noch begonnen hatte, dem Drang, sich zu unterwerfen Platz machte. Takaitayō hatte ihn eng an sich gezogen – ungehörig eng, enger als dass es einem Außenstehenden noch mit dem bloßen höflichen Aufhelfen zu erklären wäre, und näherte sich mit den Lippen seinem Ohr.

„Euer Geruch“, grollte er leise, „er erregt mich…“

 

~*~
 

„Was meint Ihr damit?“, erwiderte der Fürst mit einem gefährlichen Unterton in der Stimme.

„Ich meine damit, dass es keinen Erben gibt, der Euer Hiersein rechtfertigt!“

Inu Yashas Hand lag leicht angespannt auf Tessaigas Griff. Die Aura des Schwertes gab ihm Ruhe. Er vertraute Tessaigas Stärke, ja. Aber er konnte die Stärke seines Gegners nicht einschätzen und er hoffte, der würde es nicht zur Eskalation kommen lassen. Inu Yasha war sich nämlich auch nicht wirklich sicher, was man mit ihm anstellte, wenn er einen der vier Großfürsten tötete und darauf würde es letztendlich hinauslaufen.

„Ihr lügt“, sagte Takaitayō ruhig.

 

~*~
 

Er nahm ihn sich und er ließ sich nehmen, er hatte keine Wahl, der Instinkt war stark, stärker als er und er fiel in lustvolle Starre und ließ zu, dass sich die Manneskraft in ihn hämmerte, wieder und wieder und wieder und wieder, bist er sich taub fühlte und überreizt und schwindelig, bis er die Klauen in die Erde krallte, denn noch nie hatte er sich so hilflos gefühlt, nie so schwach und unterlegen.

 

~*~
 

„Er hat es verloren.“ Das war nicht einmal ganz gelogen und Inu Yasha hoffte, dass er ihm nicht auf die Schliche kam, „Die Belagerung war zu viel.“

Eine ganze Weile ruhte der durchdringende Blick des Südfürsten auf ihm. Dann jedoch, zu seiner grenzenlosen Überraschung, neigte der Fürst wie zur Zustimmung leicht das Haupt und erwiderte ruhig: „Dann gibt es vorerst nichts … was mich hier weiter hält…“

Daraufhin gab er seinen Truppen das Zeichen zum Rückzug. In dem Hanyō blieb jedoch das ungute Gefühl zurück, dass die Sache für Takaitayō längst nicht erledigt war.

 

~*~
 

„Ich begreife nicht, warum diese Belagerung, warum macht er sich die Mühe, nur um dann ohne Kampf wieder abzuziehen?“, sprudelte es aus Inu Yasha heraus, während er hin- und hertigerte, da er die Füße nie stillhalten konnte, wenn er aufgeregt war.

Sesshōmaru, welcher sich inzwischen in eine sitzende Position begeben hatte, folgte ihm eine Weile mit ungerührtem Blick und als er merkte, dass vorerst die Luft raus war, erwiderte er ruhig:

„Weil er nun keinen berechtigten Grund mehr hat, hier zu sein.“

„Häh?“

„Inu Yasha-sama, es ist so“, grätschte Myoga dazwischen, um präventiv einer hitzigen Diskussion der Brüder entgegen zu wirken, „Der Vater eines Welpen hat das Herrschaftsrecht über ihn. Und vor allem, und das ist der wichtigste Punkt, hat er einen Anspruch auf den Besitz der Mutter. Was in diesem Falle bedeuten würde, dass Takaitayō ungehindert die westlichen Lande für sich einnehmen und das Heer für sich befehligen könnte.“

„Ja und? Es ist doch nur Land!?“, erwiderte Inu Yasha ungeduldig.

„Dass du das nicht begreifst, war mir von vorneherein klar. Außerdem geht es dich ohnehin nichts an.“

Mit dem letzten Satz warf Sesshōmaru Myoga einen strafenden Blick zu. Inu Yasha wollte ihm eine hitzige Erwiderung entgegenbringen, schluckte die aber unwillkürlich herunter, als der Blick auf der immer noch recht mitgenommenen Gestalt seines Bruders zum Ruhen kam. Sesshōmaru hatte sich aufgesetzt, die gerade Haltung und der reservierte Blick vermochten es nicht, die Erschöpfung und die Strapazen der letzten Tage zu vertuschen, der Yukata mit dem Indigoblauen Farbverlauf an den Ärmelkanten unterstrichen seine ungesunde Blässe nur mehr und ohne Rüstung, ohne Pelz … ohne das alles … wirkte er beinahe schon zerbrechlich im jetzigen Zustand, obgleich er das eigentlich natürlich nicht war.

„Wenn der Fürst des Südens den Westen so offen ohne legitimen Grund angreifen würde, würde er den Zorn der anderen Reiche auf sich ziehen und solch einer Übermacht ist nichtmal er gewachsen. Nein, er wird anders vorgehen.“

„Und wie?“

„Hat er mich das gerade wirklich gefragt?“, wandte sich Sesshōmaru resignierend an Myoga, welcher verdrossen nickte.

„Wenn ihr jetzt mal aufhören würdet, mich als total verblödet hinzustellen“, schmollte Inu Yasha, „ich kann nunmal mit dem ganzen Fürstenscheiß nichts anfangen, ich bin im Gegensatz zu anderen Leuten nicht mit ner goldenen Gabel im Mund geboren worden.“

„Das heißt silberner Löffel.“

„Sesshōmaru, ich schwör es dir, wenn du nicht gerade aussehen würdest, wie zweimal tot und wieder ausgegraben, würde ich dir deinen Löffel dahin schieben, wo die Sonne nicht scheint und zwar quer!“

„Meine Herren, ich muss doch bitten“, schaltete sich Myoga hüstelnd ein, der genau das eintreffen sah, was er befürchtet hatte – egal, wie die Umstände waren, Sesshōmaru und Inu Yasha schafften es doch irgendwie immer einen Grund zu finden, Spitzen gegeneinander auszuteilen.

„Was ist das für ein Lärm hier!?“, ertönte plötzlich in unmittelbarer Nähe eine zeternde Stimme, die alle drei zum Zusammenzucken brachte.

Homoto mochte vielleicht gerade mal 1,45 m groß sein, aber sie war furchteinflößend wie ein Tengu, vor allem, wenn sie wie jetzt das zerfurchte Gesicht zu einer zornigen Fratze verzog.

„Euch, Sesshōmaru-sama habe ich Bettruhe verordnet bis Eure Kräfte sich regeneriert haben. Ihr, Myoga-san könntet Euch nützlich machen, indem ihr der Gefolgschaft ausrichtet, dass die unmittelbare Gefahr vorüber ist und Ihr-“ Dabei sah sie Inu Yasha an, dem das Herz plötzlich in Höhe des Adamsapfels klopfte, „Nun, Ihr seid eigentlich da gut aufgehoben, wo Ihr jetzt gerade seid.“



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