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Der Teufel kennt das Detail!

von

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„Das ist wahrhaft teuflisch!“
 

Erziraphael schnappte nach Luft. Er sah aus wie ein Teekessel kurz vor der Explosion mit seinem hochroten Kopf und den weit aufgerissenen Augen, die fast aus den Höhlen quollen. „Wie Gabriel es damals so schön formuliert hat, um die Menschen aus meinem Laden zu scheuchen. Pornographie! PORNOGRAPHIE!“
 

Er sah zu Crowley hin, der ihn die ganze Zeit gelassen, ja fast amüsiert beobachtet hatte.
 

„Sag mir … sag mir bloß wer von euch dahinter steckt? Wer aus der Hölle hat denen das eingeflüstert, um uns zu verunglimpfen, um diese Lügen über uns zu verbreiten? Über sechstausend Jahre verlieren sie kein Wort über uns, weil wir uns schön bedeckt gehalten haben… und jetzt das! So sehen uns die Menschen also und dieses Bild frisst sich garantiert in deren Köpfe ein!“
 

Er konnte sich gar nicht mehr beruhigen und schob den Laptop mit zitternden Händen von sich weg.
 

Der schlangenäugige Dämon schmunzelte in sich hinein. „Das ist leider der Preis des Ruhms. Wir hätten vielleicht den beiden Schreiberlingen vor ein paar Jahren unsere Geschichte nicht erzählen dürfen, nachdem wir die Apokalypse so fein abgewendet haben. Nun ja, ich muss ihnen zugestehen, dass Pratchett und Gaiman, uns und unsere jahrtausendealte Freundschaft würdig geschildert haben, und auch die Verfilmung war ganz in Ordnung …“
 

„Ja, ja, ich bin ja auch damit zufrieden gewesen – sie haben uns damit ja ein schönes Denkmal gesetzt … aber … aber warum muss das jetzt auf einmal so entsetzlich pervertiert werden? Wer steckt dahinter? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gabriel oder einer der anderen aus dem Himmel sich auf dieses Niveau herab lässt, um uns zu schaden. So etwas ist sicherlich nicht im göttlichen Plan vorgesehen.“
 

„Na ja, sieht man einmal vom Töten von Menschenkindern ab, wenn es dem Zweck dient, oder dem Mundtotmachen von all zu klugen Menschen, die dem Himmel und seinen kleinen Machenschaften auf die Schliche kommen könnten …“

Crowley zuckte mit den Schultern.

„Ehrlich gesagt, kenne ich auch keinen aus der Hölle, der so etwas verzapfen würde … selbst die schlimmsten unter den Lustdämonen legen nicht so eine abgedrehte Phantasie an den Tag, sehen das ganze körperliche Getue eher pragmatisch.“
 

„Wer aber dann, wer kann diesen Menschenkindern nur diese absurden Ideen, diese entsetzlichen Geschichten eingeflüstert haben, in denen wir nichts besser zu tun haben als wie dauerbrünftige Rammler über einander herzufallen und uns in allen möglichen Stellungen wollüstig zu paaren? Und womöglich auch noch anfangen …“ Erziraphael schluckte und schüttelte entsetzt den Kopf. Das Rot seiner Gesichtsfarbe wurde ein wenig dunkler.
 

„Ja stimmt … ich halte bestimmt nicht als Brutkasten für so ein quäkendes Balg her. Die Menschenfrauen mögen das ja als ihr größtes Glück ansehen, nachdem ihr aus dem Himmel ihnen das so wunderbar eingeredet haben, weil Eva ja den bösen, bösen Sündenfall beging … aber ich bin weder ein Weibchen, noch hormongesteuerter Sterblicher.“

Crowley kicherte leicht hysterisch.

„Und dann stell dir vor - Das ganze auch noch nach SECHSTAUSEND Jahren, in denen wir gar keinen Gedanken darauf verschwendet haben, überhaupt an so etwas zu denken!“ Er machte eine abschätzige Handbewegung. „Sich von nicht vorhandenen Hormonen beeinflussen zu lassen und dann auch noch seltsame Körperflüssigkeiten auszu ...“
 

„Crowley!“, unterbrach ihn Erziraphael hastig, den allein schon der Gedanke an Speichel und Sperma anzuwidern schien, wie man seinem Gesicht ansah. „Du bist keine große Hilfe, denn das beantwortet nicht meine Frage. Und ich finde einfach selbst keine Antwort!“
 

„Ich kann auch nur vermuten, was die Menschen umtreibt, die so was verzapfen …“ Der Dämon wirkte nachdenklich. „Was hat uns all die Jahre so an den Sterblichen fasziniert? Das war doch in erster Linie die Freiheit ihres Willens, mit dem sie schon so genügend Murks angestellt haben, so dass wir Jungs aus der Hölle einfach nur ihre Seelen einsammeln mussten, wenn sie ihre irdische Existenz ausgehaucht hatten.“
 

„Ja ich weiß, und dann gibt es auch noch ihre überbordende menschliche Phantasie mit der sie unglaubliche schöne Werke in Bild und Wort erschaffen haben“, schwärmte der Engel. „Gerade deshalb sind mir ihre Bücher so wichtig.“
 

Crowley beugte sich vor und zwinkerte verstohlen.
 

„Na ja, das was du da eben gesehen hast, ist leider die Kehrseite der Medaille … denn leider hat nicht jeder Mensch diese kraftvolle und vielschichtige Imagination, die die so schätzt, nicht jeder ist ein Philosoph.“

Er grinste schief.
 

„Sieh es so, die meisten der Sterblichen schaffen es einfach nicht über den Tellerrand ihrer irdischen Existenz und körperlichen Begierden hinauszublicken und das Tiefgründige in all seinen Facetten zu erkennen. Stattdessen geben sie sich mit Plattitüden und Oberflächlichkeiten zufrieden oder schließen von sich und ihren Wünschen auf andere.

So ist das, eben, wenn diese hormongesteuerten Weibchen in ihren Gelüsten gefangen anfangen zu schwafeln. Sie schreiben ihre feuchten Träume für die anderen nieder und ergehen sich dann gegenseitig in Verbalorgasmen, weil sie das in der Realität wohl niemals erleben werden oder auf den Boden der Tatsachen geholt wurden.

Normalerweise können die dann damit ja schon machen was sie wollen, aber es ist schon seltsam, dass sie dann schon wieder so wenig Phantasie haben, dass wir dafür herhalten müssen, warum auch immer …“
 

„Aber … aber … sie bringen uns damit in Verruf!“ Erzirapahel rieb sich über das Gesicht. „Was sollten nur Himmel und Hölle von uns denken?“
 

„Das was sie ohnehin schon die ganze Zeit von uns denken. Du und ich sind denen doch eh ein Dorn im Auge, weil wir unseren Kadavergehorsam abgelegt haben. Und wer weiß, ob sie überhaupt an das sterbliche Geschwafel glauben werden“, versuchte er Erziraphael aufzumuntern.
 

Nach einem kurzen Moment sprach er weiter. „Ich habe übrigens noch ein bisschen weiter recherchiert, es gibt auch einige Menschen, die das nicht so sehen, wie diese armen Mädchen und sich auch entsprechend dazu äußern.

Die meinen aber auch, dass in ein paar Wochen und Monaten keiner mehr nach diesen Geschichten kräht, nämlich dann, wenn diese armseligen Schreiberlinginnen ein paar neue Opfer gefunden haben.

Klar bleiben die Stories … aber irgendwann interessieren die keinen mehr. Und schon jetzt ist es nur eine kleine Gruppe von Lesern, die bei diesen Geschichten wirklich vor sich hin sabbern und einen Orgasmus bekommen.“
 

„Ich weiß nicht!“ Erziraphael war davon ganz und gar nicht überzeugt, so dass Crowley kurzerhand den Laptop zuklappte.
 

„Warts nur ab! Schließlich haben wir auch schon so manches andere Pamphlet aus den früheren Jahrhunderten überlebt. Und das hier ist schneller weg als du denkst … da es nicht mal auf Stein oder Papier geschrieben existiert. Spätestens, wenn die Menschheit sich selbst in die Luft jagt sind das hier nur noch Elektronen, die im Nichts verpuffen. Und was sind ein paar Jahrzehnte gegenüber den Jahrtausenden, die wir schon hier sind?“
 

„Dein Wort in das Ohr der Ewigkeit!“ Erziraphael holte tief Luft. „Aber du hast recht. Wenn ich mir die Welt so ansehe, braucht niemand von uns mehr die nächste Apokalypse anzustoßen, das schaffen die Sterblichen schon allein mit ihrer Umweltzerstörung, ihren Kriegen … und diesen dekadenten Perversionen.“
 

„Das denke ich nämlich auch, denn denke an das Ende des römischen Reichs. Irgendwann war mit dem ganzen Kram, den sich die Römer ausgedacht haben, um nichts von ihrem Untergang mitzukriegen, auch Schluss, da funktionierten Blut und Spiele, Orgien und Gelage nicht mehr.“

Der Dämon grinste von einem Ohr zum anderen. „Und so lange genießen wir ihre Eskapaden und ärgern uns nicht mehr drüber, sondern lachen uns über die menschliche Beschränktheit in manchen Dingen schlichtweg tot!“
 

Das brachte den Engel wieder zum Lächeln und dann sogar zum Strahlen. „Du hast Recht! Ja, so machen wir es. Lachen wir drüber … und erfreuen wir uns der Dinge, die uns wirklich gefallen. Der wahren, schönen und edlen … “
 

„Apropo Gelage.“ Crowley wedelte fordernd mit der Hand. „Jetzt lass uns zur Feier des Tages doch mal wieder ein paar Flaschen aus deinen Weinvorräten köpfen. Damals bei der Apokalypse hat das auch wunderbar funktioniert. Vielleicht sieht es dann schon besser aus und du musst dich nicht mehr aufregen … denn der Krampf aus dem Internet hat in ein paar Monaten oder Jahren bestimmt schon virtuellen Staub angesetzt und ist Schnee von gestern.“
 

Erziraphael nickte. „Danke vielmals … dass du mich runter geholt hast.“
 

„Das mache ich doch gerne … du weißt doch, der Teufel steckt im Detail … oder in diesem Fall – der Teufel kennt das Detail“, grinste Crowley und machte es sich nun erst recht im Sessel bequem, nachdem er ein Weinglas entgegen genommen hat. „Auf unsere Freundschaft und unsere unsterbliche Liebe!“
 

„Die nämlich genau so nicht ist, wie sie sich diese armseligen Sterblichen vorstellen!“, bekräftigte Erziraphel und stieß mit einem zufriedenen Lächeln an. „Denn schließlich sind wir keine Menschen!“
 


 

- - - THE END - - -


Nachwort zu diesem Kapitel:
Stellt euch mal vor, Erziraphael und Crowley würden tatsächlich all die Fanfictions in die Hände bekommen, die seit der Fernsehserie über sie geschrieben werden – oder zumindest eine Ahnung davon.

Ist es wirklich fair, eine interessante Beziehung auf „das Eine“ zu reduzieren, sie wirklich nur als eines von X-beliebigen Pärchen die bei jeder Gelegenheit miteinander ins Bett hüpfen, darzustellen?

Neil Gaiman sagt selbst: „Ja natürlich, die beiden lieben sich. ABER sie sind keine Menschen!“ - und genau diesen Gedanken habe ich in dieser Geschichte einfließen lassen.

Ich hoffe, ihr habt Spaß an diesem kleinen satirischen One-Shot, der gewisse aktuelle Auswüchse auf die Schippe nimmt. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Salix
2019-11-02T20:57:16+00:00 02.11.2019 21:57
Mir gefällt sie super. Und ich sehe es ähnlich wie du. Im Buch wird sogar drauf hingewiesen, dass Engel und Dämonen nichts an Sex finden, allerdings etwas indirekt, als es um das Tanzen auf der Nadel geht.
Antwort von:  kiriOkami
17.11.2019 18:49
Nur eine anmerkung. :)
Im Buch heißt es " Engel haben kein Geschlechtsleben, außer sie strengen sich wirklich an". Das mit der Stecknadel kommt doch nur in der Serie? Bin mir nichtmehr sicher. Und was wird da gesagt?
Antwort von:  Salix
17.11.2019 19:32
Soweit ich weiß kommt im Buch das Tanzen auf der Stecknadel vor, allerdings in einer Fußnote, aber ebenfalls in der Szene, wo Crowley durchs Telefonkabel abhaut und Hastur auf dem Kassetenmagnetband einfängt.
In der Serie habe sie die Szene ziemlich eins zu eins aus dem Buch übernommen, abgesehen davon, dass aus der Fußnote ein Erzählrspechtext von Gott geworden ist.
Ich müsste allerdings ins Buch gucken. Nach einem Bick ins Buch.
In meiner deutschen Ausgabe findet sich die Szene aus S.296-299. Und die Erklärung zum Tanzen auf einer Stecknadel ist sogar im Text und nicht in einer Fußnote. Außerdem heißt es dort "Für Engel und Dämonen sind Größe, Form und Struktur der leiblichen Existenz nur Auswahlmöglichkeiten ohne Verpflichtungen." GO Seite 297.
Antwort von:  kiriOkami
17.11.2019 19:47
Ahhh danke :)
Ich hab zwar beides schon mehrmals durch, aber man weiß dann trotzdem ab und an nichtmehr wo und wie :)


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