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Pictures of You

von

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Prolog

Noct lächelte.

Prompto suchte in seinen Augen eine Erklärung, doch er fand nur Gefühle, die sein Herz zum Krampfen brachten. 

 

„… Bist du dir da wirklich sicher?“

 

Er konnte den Zweifel kaum aus seiner Stimme verbergen – genauso wenig wie die Tränen, die er kaum mühsam hinunterschlucken konnte. Er löste den Blick von Nocts Gesicht, als er auch weiterhin keine Antwort dort fand, sah hinab auf die Ursache seiner Zweifel: Das Foto, das Noct als letzte Erinnerung an– an alles mitnehmen wollte.

Es hätte jedes Foto sein können. Prompto verstand nicht, warum sein Freund dieses ausgewählt hatte.

Selbst, wenn er sich die Gespräche in Erinnerung rief, die sie zuletzt geteilt hatten, statt zu schlafen, ergab es für ihn immer noch keinen Sinn. Sie waren gemeinsam über so viele Bilder gestolpert, die–

Die wertvoller gewesen wären. In Promptos Augen zumindest.

Aber Noct hatte eine Entscheidung getroffen; als Prompto den Blick wieder zu ihm hob, war das Lächeln immer noch auf seinem Gesicht, unerschütterlich, unbeirrbar.

 

Ich bin mir absolut sicher, sagte es.

 

Ohne nachzudenken fielen Prompto konkret an die zwanzig Bilder ein, von denen er eher verstanden hätte, wenn Noct sie mitgenommen hätte.

Wenn er auch nur ein paar Sekunden nachdachte, würden ihm wohl noch an die zwanzig mehr einfallen.

Aber es war nicht seine Entscheidung. Er verstand sie nur nicht.

Und so, wie die Dinge standen, würde er sie nie verstehen.

 

„Und dann zeigst du mir die Bilder.“

 

Aber er wollte.

„Erklär mir, warum!“, forderte er kurzentschlossen.

 

So viel musste ungesagt bleiben.

Zwischen ihnen beiden.

Er hatte es nicht gesagt. Immer noch nicht. Er hätte es sagen sollen. Er würde es nicht sagen. Noct wusste es. Reichte das nicht? Es wäre grausam, es laut auszusprechen.

Zwischen ihnen Vieren als Freunden.

Zwischen Noct und all den Menschen, die die letzten zehn Jahre auf seine Rückkehr gewartet hatten und kaum oder gar nicht mehr mit ihm hatten sprechen können. Die unbeirrbar an ihn geglaubt hatten, über all die Zeit hinweg. Aranea. Iris. Talcott. Cidney. Der alte Angler, mit dem Noct sich damals so dicke angefreundet hatte.

Prompto wollte nicht noch mehr ungesagte Worte.

 

„Hey, glaubst du wirklich, das ist der richtige Zeitpunkt dafür?“

 

Gladios Unterbrechung kam nicht unerwartet. Dass er mehr amüsiert als ernsthaft ungeduldig klang, auch nicht. Vor zehn Jahren… aber vor zehn Jahren war vorbei.

Sie waren alle da rausgewachsen.

„Zeit für eine kurze Erklärung sollten wir erübrigen können“, beschwichtigte Ignis sanft, „Außerdem wüsste ich auch zu gerne, für welches Foto Noct sich entschieden hat.“

Für einen Augenblick fühlte Prompto sich fast schlecht. Diese ganze Sache schloss Ignis aus – doch er klang nicht vorwurfsvoll, nur ehrlich interessiert. Er wollte Anteil nehmen, mehr nicht.

 

„Erinnerst du dich an die Aussicht vom Ravatogha?“

 

Ignis lächelte. Er sah nicht unglücklich aus. Oder wehmütig.

Wieder einmal fragte Prompto sich, ob er sich wohl immer noch nach der Zeit sehnte, bevor er sein Augenlicht verloren hatte. Auch wenn er nie etwas dergleichen gesagt hatte, er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass man irgendwann wirklich akzeptieren konnte, blind für die Welt zu sein, wenn man sich noch erinnern konnte, wie sie aussah.

Aber er sah nicht unglücklich aus.

Ignis hatte aber auch schon immer seltsame Prioritäten gehabt.

„Natürlich. Ich könnte sie niemals vergessen.“

„Ich auch nicht“, stimmte Noct zu. In seiner Stimme lag eine Zärtlichkeit, die Prompto an die leisen Gespräche der gestrigen Schlafenszeit erinnerten; eine Zärtlichkeit und Wehmut, die er nicht mit dem Ausblick über Lucis assoziieren würde.

Er seufzte hilflos.

 

Er wollte nicht, dass Noct irgendein Foto mitnahm. Er wollte, dass es wichtig war. Er wollte verstehen, warum es wichtig war.

„Ich ja auch nicht, Noct, aber–“

 

„Ich erkläre es dir, wenn alles vorbei ist.“

 

Für Noct war damit alles gesagt. Er steckte das Foto ein, den atemberaubenden Sonnenuntergang und das Land, das ganz in Gold getaucht war, die Umrisse ihrer kleinen Reisegruppe, die sich als kaum mehr als schwarze Silhouetten gegen das Licht abhoben. Man erkannte ihre Gesichter fast gar nicht.

Promptos Herz krampfte zu einem unseligen Klumpen zusammen und er biss sich von innen auf die Unterlippe, um nicht jetzt doch noch in Tränen auszubrechen.

Fassung wahren.

Falscher Zeitpunkt – er konnte jetzt nicht zusammenbrechen.

Sie mussten weiter. So kurz vor dem Ende gab es keine Zeit für Zusammenbrüche. Oder fruchtlose Endlosdiskussionen. Oder Schwäche. Das konnte er Noct nicht antun.  

 

Wenn alles vorbei war – Prompto konnte und wollte nicht darüber nachdenken, was alles alles einschließen würde.

Er wusste es.

Er wollte es nicht wissen.

Er wusste es nur viel zu gut, doch gerade – er wollte sich lieber an Nocts Worten festklammern, bis sie unweigerlich zwischen seinen Fingern zu Staub zerfielen.

Wenn alles vorbei war.

Noct würde wiederkommen. Es tat gut, sich selbst zu belügen.

 

Ein tiefer Atemzug, und er hatte sich gefangen. Boxte seinem besten Freund mahnend gegen die Schulter, grinste ihn an. Nicht halb so erbärmlich, wie er sich fühlte, immerhin. Sein Herz schmerzte, doch aller Schmerz verblasste vor dem Gedanken, wie schlimm es Noct erst gehen musste.

Er wollte es leichter für ihn machen, und sei es noch so wenig.

„Und wehe, wenn nicht! Das gibt die schlimmste Rache. Karotten im Essen oder so.“

Noct lachte. Gladio schnaubte amüsiert. Ignis schüttelte den Kopf, ein Grinsen im Mundwinkel.

 

Für einen herzzerreißenden Moment schien die Zeit stillzustehen, bot Prompto einen Ausblick auf das Was wäre wenn?, das sie alle heimlich und unerreichbar in ihren Herzen trugen.

Er sah die Zukunft, die niemals sein würde.

 

Prompto hätte alles dafür gegeben, diesen Moment für die Ewigkeit festhalten zu können.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  SuperCraig
2019-10-09T00:05:53+00:00 09.10.2019 02:05
Ein einzelnes Foto; jetzt fällt mir wieder der bescheuerte Spruch mit dem Bild und den tausend Worten ein.

Ich habe den Prolog jetzt zweimal gelesen, und ich komme mit einem Noctis noch immer nicht klar, der sich normal unterhält. Wenn man ihn nur aus Tekken kennt, wie ich, dann erwartet man, dass er irgendwas mit dem Bild macht - verzaubern oder so.

Ich weiß nicht wie du es geschafft hast, aber irgendwie war ich traurig nach dem Prolog, und das, obwohl ich kein FF spiele. Wie du die Aussicht beschreibst, wundervoll, dann der Blinde -zack, aus wars.

Gleiches mit dem Bild selbst, zuerst fühlst du mit Prompto, weil er was Anderes als wichtiger erachtet, dann freust du dich, weil er sich ja doch damit zu arrangieren scheint, dann wieder der Ausblick auf die Zukunft. :(

Bin jetzt auf das nächste Kapitel gespannt.


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