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Aller Anfang ist schwer

Wichtelgeschichte für SarahSunshine
von

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Dann folgt der erste Schritt

Dunkel wie Blut und dicht wie Nebel hingen die stahlgrauen Wolken am Himmel und verschlangen das Licht, das tagtäglich als ein Hoffnungsschimmer über die Welt strahlte. Blitze zuckten hervor und der Regen fiel hinab auf die Erde. Einzelne Regentropfen prasselten aus Sakuras Gesicht, vermischten sich mit ihren Tränen, die lautlos über die Wangen rannen. Sie war nicht in der Lage ein oder zwei Wörter zu bilden, dafür sorgte ein Knoten in ihrem Hals. Ihre Augen verloren jeglichen Glanz. Ausgenommen das grüne Chakra, das außerhalb ihrer Hände leuchtete, gab dem Fenster zur Seele neue Lebenskraft.

Vor ihr lagen die zwei wichtigsten Menschen in ihrem Leben, am Ende ihrer Kräfte, aber frei von dem Hass zwischen ihren Herzen. Naruto grinste breit, spürte auf Anhieb, dass die Schmerzen am rechten Arm verschwanden. Davon befreit dankte er seiner besten Freundin mit einem einfachen „Ich danke dir, Sakura“ und genoss die Kühle des Regen. Als ob der Kummer fortgespült wurde, verlief sein Atem flach und ruhig. Sasuke sah Sakura schweigend an. Nachdem er keinen Groll, abgesehen von seiner Reue besaß, fand er keine Worte für seine Taten. Am besten er sagte nichts, wartete die Zeit ab. In dem Zustand passte keine Entschuldigung.

Ein bitteres Lächeln huschte über Sakuras Lippen. Natürlich galt die Form der Mimik dem blonden Ninja, während sie ihre Frustration an Sasuke weitergab. Starr blickt sie auf die Wunden, das Blut war inzwischen geronnen und färbte sich schwarz. Zum Glück kniete sie zwischen ihnen, versorgte die Verletzungen, um eine Blutvergiftung zu verhindern. Es schmerzte ihr sehr, dass sie diesen Kampf nicht selbst beendete. Die Chance damals hatte sie, den Kunai voll mit Gift, in der Hand und Sasuke für sich. Jedoch stimmte ihr Herz nicht zu, weigerte sich, den Akt der Rache zu vollziehen.

„Sakura, bitte hör auf zu weinen“, verschluckte sich Naruto beinah am eigenen Blut. „Der Kampf ist vorbei.“
 

Sakura hatte es gewusst. Selbst nach einem Kampf auf Leben und Tod dachte Naruto lieber an das Entschlossene, als an das Verzweifelnde. Leider schwamm sie nicht mit ihm auf einer Wellenlänge, eher sank sie mutlos in die Tiefe. Dann löste sich ein Gefühl der Wut und Erleichterung los.

„Du meinst wohl den Krieg. Ja, der ist vorbei“, raunte sie.

„Das meinte ich nicht“, warf er ein und hofft inständig, Team 7 bald vereint zu sehen.

Sein Blick wurde eine Spur gebrochener, schimmerte in der Hoffnung, dass die Schatten der Vergangenheit letztlich weg gingen. Bei dem Anblick biss Sakura sich auf die Unterlippe.

„Ich kann nichts versprechen“, äußerte sie sich unsicher. „Und jetzt halt die Klappe, Naruto. Spare dir die Energie für später auf. Verstanden!“

„Du bist die Beste“, sagte er grinsend.

Unbewusst lockte es ihr ein Schmunzeln hervor. Wieder konzentrierte sie sich auf Heilung, für sie hatte dies gerade die oberste Priorität. Beharrlichkeit zahlte sich bei ihr aus. Aus Sasukes Sicht verschwand das Bild der aufdringlichen und schwachen Sakura von damals. Tatsächlich wuchs sie zu einer unabhängigen und verantwortungsvollen Kunoichi heran, verfügte über viel Wissen und Heiltechniken. Trostlos schmeckte diese Einsicht in seinem Mund. Er lag falsch und traf ihn wie einen Tritt in die Magengrube.

„Sakura…“, rauschte das Wort an Sakura vorbei.

Für einen Moment vergrößerten sich ihre Augen, ihr Herz sprang wild umher und sie versuchte mit aller Macht, gegen ihr altes Ich anzutreten. Ebenfalls erhielt sie dabei eine Antwort. Auch wenn es sich nur um sechs Buchstaben handelte, waren sie gefüllt von Reue und Ungewissheit. Einmal atmete sie durch. Die Versorgung der Wunden stand an erster Stelle, dann kümmerte sie sich um die persönlichen Angelegenheiten. Nichtsdestotrotz strömten die Tränen ununterbrochen wie ein Wasserfall auf die Steinoberfläche.

„Schweig. Ich muss mich konzentrieren“, befahl sie, die grüne Aura um ihre Hände nahm an Größe zu.

Auf keinen Fall durfte sie ihm zu hören. Dafür hatte sie weder Kraft noch Zeit. Beide mussten danach schleunigst in ein Krankenhaus, denn ihre Leben hingen davon ab. Niemanden wollte sie verlieren. Durch ihre Adern kroch die Angst, als sie aus den Augenwinkeln erkannte, wie Sasuke die Lippen bewegte. Sie begann, leise zu schluchzen. Endlich waren sie wieder vereint, dennoch vertraute sie ihm nicht. So viel geschah zwischen ihnen.

„Sakura … es tut mir leid … für alles“, lauschte sie doch seinem Flüstern und dem Prasseln des Regens.

 
 

╰ ☆ ╮

 

Der schmale Grat zwischen den Baumkronen und dem Himmel dehnte sich im rubinroten Licht der Abendröte aus, als die Sonne am Horizont ihr Licht vergrub und die Dämmerung ihr Nachtgewand anzog. Zur selben Zeit warf der Sonnenuntergang lange Schatten, tauchte Konoha in einen blutorangefarbenen Schein ein und versank die Welt in der Dunkelheit. Leises Surren schallte durch die Abendstille, als die Straßenlaternen ihr Licht entzündeten, um einer Person den Weg zu leuchten. In der Straße war der Widerschall von unregelmäßigen Schritten, mal zögernd, mal entschlossen, zu hören.

Sakuras Blick traf den Boden. Die Schwärze breitete sich wie ein dunkler Teppich aus und wurde durch die goldene Klarheit der Straßenlaternen lichterloh. Zwischen der Handfläche und den Fingern klemmte der Henkel des Beutels, der beim Gehen hin und her schaukelte. Aus einem bestimmten Grund spannten sich ihre Gesichtsmuskeln an. Nach jedem Schritt schlug ihr Herz schneller, riet sie davon ab, heute die Tat nicht zu begehen. Dafür besaß sie weder Kraft noch den Mut. Sie tat es trotzdem. Nicht um den Willen des Herzens zu widerstehen, vielmehr wollte sie das Rad in ihrem Leben weiterdrehen.

„Sakura? Bist du das?“, drang eine Stimme in Sakuras Unterbewusstsein ein und holte sie aus der Gedankenwelt raus.

Kurz schreckte die Kunoichi auf, blieb stehen und schaute nach vorne. In einer der Lichtkegel winkte Ino zu. Überrascht hob Sakura beide Augenbrauen hoch und schwenkte etwas unsicher den Arm als Antwort. Sie wunderte sich, ihre beste Freundin so spät hier zu finden. Allerdings entlockte das Zusammentreffen ihr ein Lächeln.

„Schön dich zu sehen, Ino“, begrüßte Sakura sie. „Aber musst du nicht zu Hause sein?“

Über Inos Gesicht schlich sich ein breites Grinsen. Die Verlegenheit in der Stimme und die Anspannung in der Mimik verrieten Sakura auf Anhieb, zudem kannte sie Sakura schon lange. Eigentlich hatte sie einen anderen Plan für heute Abend, aber die Gelegenheit Sakura dabei zu erwischen, war einfach unwiderstehlich. Was wäre sie für eine beste Freundin, wenn sie nicht ihre Hilfe anbot? Aus Gewohnheit strich sie sich die Haarsträhne aus dem Gesicht.

„Ich mache gerade einen Spaziergang“, erklärte Ino schmunzelnd. „Und wohin führt dein Weg? Willst du ihn besuchen?“

„Oh! Ja. Warte, was? Ich …“, suchte Sakura nach einer Antwort, dabei wich sie Inos neugierigen Blick aus.

Direkt stellte sie sich vor Sakura, verschränkte die Arme vor der Brust, damit sie ihr Ziel nicht entkommen ließ. Bei Sakuras nervösen Verhalten dachte sie, wie einfach man ihre Gefühle erraten konnte, als ob ein offenes Buch vor ihr lag.
 

„Ja? Ich bin ganz Ohr“, verlangte sie nach Informationen, solange eine Chance dazu bestand.

Schwer schluckte Sakura. Mit der Situation rechnete sie nicht, eher vermutete sie, am Ende einen Rückzieher zu machen. Die Szene an Ort und Stelle war ihr ziemlich peinlich. Besonders Inos innerer Radar, Geheimnisse aufzuspüren, erleichterte dieses Problem kein bisschen. Rasch gewann sie die Beherrschung zurück und unterdrückt die Wärme auf den Wangen.

„Ganz einfach, Ino. Ich sorge mich immer noch um Narutos Zustand nach den Kämpfen im Krieg. Für seine Genesung bringe ich Medizin und moralische Unterstützung mit“, sprach sie zweifelsohne und hob den Beutel hoch.

Ein „Hmh“ glitt aus Inos geschlossenem Mund. Das Misstrauen war nicht verborgen, sodass die himmelblauen Augen schmal wurden. Zwar behielt Sakura die Fassung, doch die Unruhe sorgte dafür, dass ihre Augen zuckten. Aus diesem Grunde änderte Ino ihre Strategie, Sakura nicht weiter zu bedrängen, sondern eher zu überlisten. Sie nickte. Demzufolge nahm sie Sakura aufs Korn, während sie die weiße Fahne schwang und ihr gratulierte, dass sie zu einer verantwortungsvollen Freundin spross.

„Schon gut. Ich habe es verstanden“, steckte Ino ein und aus. „Du hast dich wirklich verändert.“

„Ino?“, klang Sakura verblüfft und blinzelte mehrmals.

Die junge Frau zwinkerte. Es war einfach himmlisch, ihre Reaktion zu sehen. Schließlich passierte es nicht jeden Tag, dass sie Sakura aus der Bahn warf. Jetzt musste der Schmetterling nur noch den Nektar riechen.

„Sei nicht so bescheiden, Sakura. Es ist die Wahrheit“, blieb sie bei der Überzeugung.

„Wenn du meinst“, murmelte Sakura und bekam einen Seitenhieb von Inos Ellenbogen.

 

„Und er denkt auch so über dich …“, platzte es aus ihr heraus, hielt dann die Hand vor dem Mund.

Sakuras Augen wurden groß. Sogleich kam der Verdacht, wenn Ino meinte. Eigentlich wollte sie nicht wissen, was er über sie dachte. Seit ihrem ersten Treffen sah er stets das kleine, schwache Mädchen in ihr, doch Naruto glaubte immer an sie. Als bester Freund konnte sie sich auf ihn verlassen. Brachte sie zum Lachen oder zur Weißglut. Sanfte Gesichtszüge lagen auf ihrem Gesicht, bis sie hart wie Stein wurden. Nach dem Endkampf durfte sie nicht in ihr altes Muster fallen, sonst litt sie weiter. Darauf schüttelte sie den Kopf.

„Das interessiert mich nicht.“

„Was? Aber Sakura …“, entrüstete Ino.

Die Unglücksbotschaft traf Ino erbarmungslos. Bei der Absage stieß sie auf ein Mienenfeld, musste vorsichtig an der Sache rangehen, bevor sie den falschen Weg einschlug. Von Sakura erhielt sie einen Eindruck, keine weiteren Fragen und Anregungen zu stellen. So leicht gab Ino sich nicht geschlagen. Diesmal ging sie ernster ran und räusperte mitunter.

„Bist du dir sicher? Was ist dein Problem?“

„Im Ernst? Du wirft mir Dinge an dem Kopf, wovon ich Schmerzen bekomme und dann hältst du mich davon ab, Naruto zu besuchen“, antwortete Sakura mit einem scharfen Unterton.

Damit unzufrieden schossen Inos Augenbrauen in die Höhe. Da steckte sicherlich mehr dahinter und sie wird herausfinden, welches Geheimnis sie verbarg. Hals über Kopf legte Ino ihre Hände auf Sakuras Schulter.

„Ist das wirklich alles? Wenn du Hilfe brauchst …“, wuchs Inos Sorge.

„Dann werde ich es dir schon sagen“, beendete sie den Satz und seufzte schwer. „Bitte, lass uns darüber nicht sprechen.“

Zwischen der Pflicht der Freundschaft und der Neugier im Herzen biss sich Ino auf die Unterlippe, hatte das Bedürfnis, ihre Freundin regelrecht darüber auszuquetschen. Andererseits konnte sie das Flehen in Sakuras Augen schlecht ignorieren. Da überkam ihr die Barmherzigkeit, zog einen Schlussstrich, wenn auch nur für heute. Leicht formen sich sie ihre Lippen zu einer Mondsichel. Für ihre Freunde sprang sie mal über den eigenen Schatten und zeigte sich verständnisvoll.
 

„Also gut. Du hast gewonnen“, sagte sie und spürte, wie die Schultern unter ihren Händen von der Strafe erlöst wurden.

„Danke Ino. Und … es tut mir leid. Niemals wollte ich dich so angiften“, bereute sie ihr Verhalten sehr.

Ino wies die Entschuldigung mit einem Kopfschütteln zurück, weil sie auch Schuld daran hatte. Zwar erfuhr sie von der stetig zunehmenden Anspannung zwischen Sakura und Sasuke. Aber mehr Wissen wieso und weshalb, besaß sie nicht.

„Mach dir keine Sorgen. Ich habe es auch ein bisschen übertrieben“, lachte sie kurz auf. „So funktioniert es zwischen uns.“

Für einen Moment fing das Lachen auch Sakura ein. Wärme durchströmte durch den Körper und verlieh der Kunoichi ein Gefühl der Linderung. Dagegen löste sich der Knoten nicht in ihrer Brust. Der Pfad vor ihr war lang und dünn, reichte bis zu der Grenze des Himmels, falls sie jemals dort hinkam. Aller Anfang war schwer, dass wusste Sakura zu gut.

„Dann sage ich mal, bis morgen“, verabschiedete sich Ino, aber nicht bevor sie Sakura fest umarmte.

Zögernd erwiderte sie die Umarmung. Ihr fiel auf, dass diese Geste in letzter Zeit häufig stattfand. Jedes Mal hämmerte Inos Herz dabei stark und sie legte die negativen Gefühle dabei aufs Glatteis. Kritik ersetzte sie durch hilfsbereite Tipps. Nach dem Krieg hatte sie sich sehr verändert. Trauer glänzte in ihren Augen. Von selbst dachte sie nicht weiter darüber nach, drückte Ino enger an sich, genoss die Ruhe vor dem Sturm. Folglich löste Ino die Umarmung und dann lächelte sie breit.

„Viel Spaß dich mit den Idioten zu ärgern“, stachelte sie Sakura an. „Gerne kannst du dich später bei mir den Frust entladen.“

Anstelle von einem „Danke“ oder „Bis später“ sagte Sakura kein Wort, eher schnappte sie nach Inos Hand und verhinderte somit den Abschied zwischen ihnen. Gerade verstand sie nicht, welcher Zwecke dahintersteckte. Der verzweifelte Blick von Sakura war auf sie gerichtet, blieb an ihr hängen, bis die Lippen sich bewegten.

„Warte Ino. Ich brauche vielleicht doch deine Hilfe.“

„Das habe ich schon erwarten, meine Liebe“, legte sie ihre Hand auf Sakuras. „Ohne mich bist du in der Sache vollkommen verloren.“

„Keine Ahnung wovon du redest“, errötete Sakura und legte ihr Kopf aus Verlegenheit schief.

 
 

╰ ☆ ╮

 

Sasuke massierte sich die Nasenwurzeln, kniff die Augen zu und wartete ab. Seit Tagen lief immer dasselbe Programm, schien kein Ende zu haben, obwohl es nur eine kleine Wohnung war. Zum ersten Mal fühlte er sich überfordert. Kein Scherz! Auf dem hellen Laminat lag das Übel, führte als eine Spur zu dem Schlafzimmer, dass von einem lauten Schnarchen heimgesucht wurde. In seiner rechten Hand hielt er einen Besen, hatte vor, die Wohnung seines besten Freundes in Ordnung zu bringen. Eine beinah unmögliche Aufgabe für ihn. Nochmals atmete er tief durch und folgte den Krümeln mit gefasstem Blick.

Die Tür stand einem Spalt offen. Dadurch entdeckte er Naruto schnarchend auf dem Bett. Ein Arm und zwei Beine umschlingen die Bettdecke. Ein Nuscheln gab er von sich. Sasuke seufzte leise. Nach dem Training und Rahmenessen schlief er wie ein Stein. Irgendwie wusste er nicht ganz, was er als nächstes tun musste. Als Gast konnte er ihn nicht aus dem Bett werfen. Kurz zuckten die Mundwickeln nach oben. Damals brachte seine Mutter ihn bei, die Gastfreundlichkeit einer Person mit Respekt entgegen zu bringen. Allerdings hatte er keine Lust, das Chaos ganz alleine zu beseitigen. Bevor er eine Entscheidung traf, verhinderte die Hausklingel dieses Vorhaben.

Davon bekam Naruto nichts mit und Sasuke schloss sachte die Türe zu. Den Besen stellte er gegen die Wand. Durch seine Adern rauschte ein beunruhigendes Gefühl, verlieh ihm eine Gänsehaut von den Zehnspitzen bis zum Haaransatz. Sein Blick wurde hart, hatte schon eine Vermutung, wer der Gast zu später Stunde war. Das Holz unter seinen Füßen knarzte, als er zur Tür lief. Gerade berühren die Fingerkuppen das kalte Metall, zögerte er für einen Moment. Wenn er sie warten ließ, verschwand sie bestimmt gleich.

„Naruto? Bist du da?“, ertönt die Stimme von Ino. „Ich habe etwas für dich mitgebracht.“

„Ino?“, stutzte er, als er hörte, dass nicht Sakura, sondern Ino vor der Türmatte stand.

Falls sie nur ein paar Sachen abgab und nichts Weiteres mochte, verschwand sie auch schnell wieder. Jetzt spürte er anhand von zwei Fingerspitzen die glatte der Fläche der Türklinke. Erneut haderte er mit sich selbst. Alle aus Konoha gaben ihn auf, weil er den Weg der Rache wählte. Jedes Mal brannten die Blicke der Dorfbewohner auf seinen Rücken, markierten ihn somit als einen Verstoßenen seiner Heimat. Dieses Gefühl plagt ihn seit einer Woche. Es war ungewohnt, noch nie dachte er darüber nach, wie andere über ihn redeten.

„Naruto? Ich weiß, dass du da bist. Licht brennt im Flur“, blieb Ino äußerst hartnäckig und hämmerte diesmal stärker.

Jetzt umklammerte seine Handfläche die Türklinke, drückte diese runter und zog die Tür nach Innen. Zwei oder drei Sekunden vergingen, wo er das Gesicht von Ino erblickte, zuerst ein Lächeln, dann entglitt es ihr. Vielmehr rechnete sie mit Naruto. Die Kiefer presste Sasuke zusammen, weigerte sich ein Wort loszulassen. Schließlich sah er sie zum ersten Mal seit seinem Verschwinden aus Konoha.

 

„Oh Sasuke. Ähm … lange nicht gesehen“, sagte Ino unbeholfen, behielt aber den Augenkontakt zu ihm. „Wie geht’s dir?“

Einmal, zweimal nickte er ihr zu. Noch ruhte seine Hand auf der Klinke, er besaß das Bedürfnis, sie zum Schließen der Tür zu benutzen.

„Ist Naruto da? Wir haben für ihn eine Überraschung“, erklärte Ino.

„Wir?“, rückte er aus heiterem Himmel heraus.

Sein Gefühl hatte ihn nicht getäuscht. Direkt vor ihm wartete Ino auf eine Antwort, schielte einige Male nach rechts, in der Hoffnung, dass jemand etwas sagte. Von Draußen spielte das Streichen der Grashüpfer und der Wind trug die Rufe einer Nachteule fort. Niemand wechselte ein Satz. Für Sasuke zerrte es an den Nerven, setzte dessen ungeachtet die Maske der Gleichgültigkeit auf, da die Gewohnheit die Stärke über die Schwäche noch fortbestand.

„Naruto hat keine Zeit“, sagte er knapp.

Plötzlich ertönte ein freudloser Laut um die Ecke und aus dem Schatten trat Sakura hervor. Wut loderte in den Augen. Sie konnte sich nicht mehr im Hintergrund halten, jetzt stand sie vor seiner Nasenspitze. Kälte gefror Sasukes Gesicht zu Eis, als Sakura ihn feindselig anfunkelte. Dieses Aufeinandertreffen durfte nicht geschehen. Nicht jetzt. Nicht hier. Die Muskeln strafften sich an, nahmen ihn die Möglichkeit, sich irgendwie zu bewegen. Anderseits erstarrte er nicht aus Angst oder Hass gegenüber Sakura. Um ehrlich zu sein! Ihre Zeit war nicht reif dafür.

„Das hast du nicht zu bestimmen, Sasuke“, herrschte sie ihn an.

Sasuke hatte es gewusst. Mit Sakura war zurzeit nicht gut Kirschen essen, denn Zorn tobte in ihrer Stimme und die Kunoichi konnte mit geballten Händen viel Schaden anrichten. Unbedingt hegte er kein Interesse, ihre Kraft am eigenen Leib zu erfahren. Beide tauschten beharrliche Blicke aus. Keiner von ihnen gab nach. Mittendrin schaute Ino ständig zwischen Sasuke und Sakura umher. Sie seufzte hörbar.
 

„Könnt ihr es nicht wie Erwachsene klären? Ihr zwei …“, mischte sie sich ein, wurde aber ignoriert.

Nach fünf Sekunden erhielt sie keine Antwort. Ino stemmte die Hände in den Hüften und kritisierte die Situation mit einer zuckenden Augenbraue.

„Kommt morgen wieder vorbei“, machte Sasuke dem Schweigen ein Ende.

Für eine Diskussion besaß er gerade keine Nerven, wollte seine Ruhe haben und ließ dem Ganzen viel Zeit. Auf einmal plagten ihn Kopfschmerzen, die er schon seit fast zwei Tagen hatte. Nach seinem Kampf mit Naruto brachte man die beiden nach Konoha und dank Sakuras ersten Hilfsmaßnahmen konnten die Jungs rechtzeitig operiert werden, sonst wären sie an Ort und Stelle durch den hohen Blutverlust verstorben. Tsunade berichtete nach der Operation, dass die Einnahme von den verschriebenen Medikamenten eventuell Nebenwirkungen wie Schwindelanfälle und Kopfschmerzen bereitete. Soeben traf dieses Gefühl ein.

„Sasuke?“, hörte er Inos Unruhe.

„Habt ihr euch beide eine Grippe eingefangen? Du siehst ziemlich blass aus“, vermutete Sakura und legte die Handfläche auf Sasukes Stirn.

Beginnend wich Sasuke einen Schritt nach hinten. Er rechnete mit einem Faustschlag, nicht mit einer pflichtbewussten Fürsorge. In den Moment kehrte die Erinnerung zurück, wo seine Mutter ihn liebevoll anlächelte, als er am Fieber erkrankte. Dieses Bild quälte ihn mehr als das Stechen im Kopf. Ohne vorher ihr zu sagen, dass dieser gut gemeinte Grund ihm eher schadete als half, schlug er ihr die Hand weg. Sakura zog den Arm ein und blickte ihn erzürnt an, dagegen reagierte Ino vielmehr mit einem empörten „Sasuke“.

„Jetzt geht endlich“, drückte er seine Bitte diesmal holperiger aus.

„Nein. Wir gehen nirgends wohin“, lehnte Sakura ab und spürte noch die Wärme auf der Hand. „Anscheint braucht nicht nur Naruto Hilfe.“

 

Der erste Satz schwang wie ein Kunai im Kampfgefecht, unerschrocken und kühn. Dafür entpuppte sich der zweite Satz wie ein Ersatzkunai, zwangsweise für alle Notfälle. Irgendwie musste sie an Sasuke vorbei. Jedes Mal schmerzte ihr Herz, wenn sie ihn wahrnahm, ob nah oder fern. Auf der einen Seite flatterten ihre Gefühle wie Schmetterlinge im Bauch, fühlte sich wie das naive Mädchen von damals an. Dann holte eine Erinnerung sie zurück in die Realität.

„Ich brauche keine Hilfe“, wendete Sasuke ein und holte die Tür zum Schließen aus.

„Nicht mit mir, Sasuke“, erboste Sakura und bis die Zähne zusammen.

In der offenen Spalte versperrte ihr Fuß Sasukes Vorhaben. Ein dumpfer Aufprall statt eines metallischen Klackens erregte Sasukes Aufmerksamkeit und er drehte sich um. Hat sie wirklich die Tür blockiert? Frauen waren verdammt stur. Der Shinobi runzelte die Stirn.

„Du kannst nicht einfach …“, fing er an.

„Hm! Du siehst doch, und ob ich das kann. Danke für das herzliche Willkommen“, sagte sie ungehalten und ging ohne weiteres an Sasuke vorbei.

Hinterher guckte Sasuke wenig erfreut darüber, weswegen Ino erst verdutzt, dann stolz über beide Ohren grinste. Das war ein Denkzettel für Sasuke. Ihr tat es schon weh, ihn auf ungewöhnlicher Art hilflos gegen Sakuras Temperament zu sehen. Kaum richtete er seinen Blick zu Ino, da lächelte sie ihn gewitzt an.

„Wenn Sakura hineindarf, hast du bestimmt kein Problem, mich auch rein zu lassen“, zwinkerte sie ihm zu und folgte Sakura vom Flur in die Küche.

Seine dunklen Augen wurden schmal. Heute Abend sehnte er sich nach Entspannung. Dauernd war er den Nebenwirkungen und Narutos Unordentlichkeit ausgesetzt. Zu seinem Leidwesen zerstörten Sakura und Ino seinen Plan. Durchaus verstand er Sakuras Verhalten, aber es gab auch Grenzen. Die Tür schloss er zu und schlug die Richtung zur Küche ein. Von dort aus hörte er ein Gespräch zwischen den jungen Frauen. Demnächst könnte es hier heiter werden.

„Wow, hier sieht es aber sauber aus“, schätze Sakura die hochpolierte Küche.
 

„Hier riecht es nach Rahmen“, bemerkte Ino und öffnete das Fenster. „Für Naruto aber das Normalste auf der Welt.“

Gewöhnlich besaß jeder Einwohner eine Topfpflanze oder einen Bund Blumenstrauß in einer Vase, dennoch vermutete sie am Ende, dass Naruto möglichenfalls Rahmenpflanzen züchtete. Schnell warf Ino den Gedanken weg und schmunzelte über diesen absurden Einfall. Wie vom Blitz getroffen, kam sie auf eine Idee. Damit die Wohnung gemütlicher aussah, kreierte sie schon mal im Kopf, welche Farben und Kombinationen an Blumen entsprechend passten. Zudem nahm sie auch Rücksicht, falls Naruto irgendeine Allergie hatte und die Düfte nicht zu stark wurden. Sie überlegte lange, dann tippte jemand sie auf der Schulter.

„Ino, ich rede mit dir. An was denkst du gerade?“

„Wie man die Wohnung etwas … lebendiger gestalten kann. Nicht so tonlos wie jetzt.“

„Na du kommst auf seltsame Gedanken“, meinte Sakura und schaute sich um. „Wo ist überhaupt Naruto?“

„Groß ist die Wohnung nicht“, fügte Ino hinzu.

Schließlich besuchten sie ihn, um ihn Unterstützung anzubieten. Auf frischer Tat standen ihre Nackenhaare zu Berge, als sie spürte, wie Sasukes Blick auf sie wie Feuer brannte und einen kalten Schauer bei ihr auslöste. Sakura wusste, dass nicht klein beigeben durfte. Als Kunoichi erlaubte sie sich keine Schwäche mehr. Neben ihr schwieg Ino und so widmete sich Sakura dann Sasuke zu. Zwischen ihnen baute sich eine Anspannung auf.
 

 
 

╰ ☆ ╮

 

Naruto schlug die Augen auf. Dunkelheit bedeckte seine Sicht und er blinzelte, bevor er gähnte. Genüsslich streckte er die Gliedmaßen. Noch im Halbschlaf saß er aufrecht im Bett, erkannte nach fast 10 Sekunden die ersten Umrisse seines Schlafzimmers. Weiß schimmerndes Mondlicht strahlte durch das Fenster. Nun dämmerte es ihn, dass er von irgendetwas wach wurde. Plötzlich hörte er einen lauten Rums und ein spannungsgeladenes Wortgefecht. Nach dem er kurz zusammenzuckte, gewann er seine Lebensenergie zurück, sodass er von dem Bett sprang.

„Was treibt Sasuke in meiner Küche?“, fragte er sich und beschloss nachzugucken. „Er hat Nerven. Echt jetzt!“

Das Gesicht zog er zu einer mürrischen Miene und stampfte aus dem Zimmer. Selbstverständlich nahm er ohne langes Zögern seinen besten Freund bei sich auf. Sozusagen hatte er kein Zuhause. Das Grundstück der Uchihas prägte ihn nur mit Leid und Einsamkeit. Am Anfang stimmte er zu, mit Sasuke dort zu übernachten, aber wenn da Geister spuckten, überlegte er sich zweimal. Und so wohnte Sasuke eine Weile bei ihm. Licht leuchtete aus der Küche und Naruto schwang die Tür auf, als er ein merkwürdiges Bild zu sehen bekam.
 

„Was ist …“, verstummte Naruto und ihm entglitten alle Gesichtszüge.

Sein Tisch war entzweit, die Stühle lagen in Einzelteilen herum und eine aufgebrachte Ino hielt Sasuke am Kragen. Verwirrung kreiste um Naruto. Zuerst war er fuchsteufelswild, dass jemand ihm aus dem Schlaf riss, dann fand er keine Worte dafür, wie seine Küche zu einem Schlachtfeld wurde. Allerdings fielen den Zweien Naruto auf, der die Situation nicht begriff. Peinlichkeit berührte Ino und zwang sie zu rosafarbenen Wangen. Von Sasuke ließ sie los. Dafür zeigte Sasuke kein bisschen von Reue, schien aber einen Funken Mitleid zu haben. Jetzt verlangte Naruto nach einer Antwort.

„Könnt ihr mir erklären, warum ihr meine Küche auseinander nehmt?“

„Ähm … Naruto … du hast …“, stotterte Ino und richtete ihren Zeigefinger auf ihn.

„Ich habe was?“, wiederholte Naruto diesmal als Gegenfrage.

Ein Raunen versetze ihn in Panik. Zu gut erkannte er das Geräusch und neigte den Kopf mit zittrigem Blick nach rechts. Die Tür als Mauer zwischen ihm und dem kommenden Unheil. Vorsichtig schiebt er die Tür zu sich. Dahinter glühten zwei hellgrüne Augen vor Unmut. Auf Sakuras Gesicht hing der rötliche Abdruck der Tür und eine Wut Ader pochte auf ihrer Schläfe. Soeben entfloh sein Geist aus dem Körper, suchte Zuflucht im Himmel, statt auf der Erde zu Brei verprügelt zu werden.

„Naruto!“, brummte Sakura.

„S-Sakura, tut mir leid. Das war keine Absicht. Echt jetzt“, bemühte er sich, die Sachlage zu erklären.

Um Erbarmen bittend, fuchtelte er wie wild mit den Armen, obwohl sein rechter Armstummel dabei etwas seltsam aussah. Kein Wunder, wenn er dem Tod gegenüber in Verzweiflung geriet. Wie oft litt er unter Sakuras Wutausbrüche? Mehr als er zählen konnte.

„Schon gut. Vergiss es einfach“, schluckte sie die Wut runter und ihre Körperhaltung entspannte sich.

In diesem Augenblick dankte Naruto dem Schicksal. Trotz allem hatte er das Recht zu erfahren, wie es zu diesem Chaos kam.

„Also Freunde“, forderte Naruto auf. „Was ist hier passiert?“

„Wir hatten vor, dich zu besuchen. Aber aus der Überraschung wurde ein Fiasko“, übernahm Ino die Erklärung.

 

Narutos Aufregung verflog, das Leuchten in seinen Augen verriet es. Ein fröhliches Grinsen deckte sein Gesicht und eine Wärme berührte sein Herz. Auf seine Freunde konnte er sich stets verlassen. Das er mal Besuch erhielt, war für ihn etwas Einzigartiges. Am anderen Ufer drückte jemand keine Freude darüber aus, sondern zeigte ein passives Verhalten zu den Besuchern.

„Das hättet ihr besser angekündigt“, gab Sasuke an.

Ino unterband das Reden, starrte ihn wie Sakura bissig an, aber reagierte ermessener. Eins liebte sie ihn, schwärmte und träumte von ihm als Ehemann. Heute betrachtete sie ihn als einen Kameraden, denn ihr Herz pochte für ihren zukünftigen Mann, der irgendwann in ihrem Leben auftauchten würde.

„Auch wenn wir es getan hätten, eine Abfuhr deinerseits bliebe dabei“, rüstete sie auf.

„Tchz“, hieß er ihre Ansage nicht gut.

„Wo ist dein Problem Sasuke?“, wollte Sakura wissen und stellte sich neben Ino hin.

Beide Seiten standen sich gegenüber. Naruto schaute verunsichert, gerade befand er sich zwischen zwei Stühlen. Niemand sollte bevorzugt oder benachteiligt werden. Er fühlte sich unwohl. Sein Magen verkrampfte sich und ein Würgereflex brach aus. Ihm wurde schlecht, kippte zur Seite um und zwei Arme hielten ihn fest. Stress durchflutete seinen Körper. Tsunade schrie ihn ausdrücklich an, sich nicht zu überanstrengen, trotzdem trainierte er heimlich, was jetzt schnell zurückkam. Auch emotionaler Druck durfte nicht auf seinen Schultern lasten.

„Geht es dir gut, du Idiot?“, fragte Sasuke.

„Verdammt! Naruto! Hast du trainiert?“, drang von der anderen Seite Sakuras Frage ein.

Unter Sakuras unduldsamen Blick schrumpfte Naruto in Gedanken auf Zwergen Größe. Immerhin war sie kein Dummkopf und erkannte sofort die Anzeichen von körperlichen Überanstrengungen. Ihren besten Freund kannte sie lange, konnte aus ihm schlau werden.
 

„Kann sein“, nuschelte er kleinlaut.

Die Kunoichi schnaufte belehrend. Mit gemischten Gefühlen dachte sie darüber nach, wie sie Naruto eine Strafe erteilten könnte. Kopfnüsse und Geschreie standen oben an der Tagesordnung, doch bei seinem Zustand beließ sie es dabei. Gleichfalls tat es Ino und zog ihm am Ohr.

„Aua“, jaulte er.

„Selbst Schuld. Du lernst wohl nie dazu“, tadelte Ino.

Bei Frauen hatte Naruto einfach kein Glück und schmollte vor sich hin. Wieso schlief er nicht weiter? Aber nein! Natürlich schaute er seinem Unglück nach. Von Hinten hob Sasuke ihn hoch, da er sich kaum auf den Beinen hielt. Mit dem Training übertrieb er wahrscheinlich ein bisschen, aber den ganzen Tag in der Wohnung festzustecken, kam ihm überhaupt nicht in den Sinn. Er brauchte Abwechslung.

„Ich werde weniger trainieren“, versuchte er die jungen Frauen zu besänftigen.

„Naruto, du wirst nicht mal eine Sekunde daran vergolden, irgendwo und irgendwann zu trainieren“, unterrichtete Sakura ihn zum tausendsten Mal.

Nachdem Naruto schwer seufzte, haderte Sakura mit sich, ihn nicht persönlich in einem Krankenzimmer einzusperren. Der Reihe nach sah sie zuerst Naruto enttäuscht an, dann zu Sasuke. Wie immer sagte er kaum etwas und dachte wahrscheinlich nicht daran, mit ihr über einige Angelegenheiten zu sprechen. Früh genug fiel ihr ins Auge, dass Sasuke sie einschätzend musterte. Unwillkürlich lief ihr ein kalter Schauer über dem Rücken und entfernte sich mit erglühendem Blick von ihm. Innerlich verfluchte sie die Niederlage, sie konnte die Gefühle einfach nicht abschalten.

„Ich kümmere mich um Naruto“, teilte Ino mit und schnappte den Shinobi am linken Oberarm. „Dann kannst du dich um ihn sorgen.“

Von Sakura und Naruto ertönte ein verwirrtes „Was?“. Folglich machte es bei Sakura Klick und sie nickte, dafür stand Naruto auf dem Schlauch. Bevor er reagieren konnte, brachte Ino ihn von den anderen Zwei weg. Zumindest herrschte jetzt zwischen ihnen eine gewisse Privatsphäre und Naruto funkte nicht dazwischen. Ansonsten endete ihr Plan bestimmt in einer Katastrophe.

„Also gut! Jetzt kannst du mir nicht mehr davonrennen“, ging Sakura darauf ein und nahm Sasukes Hand. „Wir können endlich ungestört sein.“

Ihr Blut rauschte in den Ohren, als sie das Kribbeln an ihrer Hand spürte, genauer gesagt Sasukes kalter Handfläche. War er schon immer so eiskalt? Ohne ihn auch eines Blickes zu würdigen, schritt sie voran. Sasuke beobachtete das Schauspiel insgeheim, ahnte schon, welches Glück oder Unglück auf ihn wartete. Die Szenerie zwischen Sakura und Ino war schon eindeutig klar, sodass er zum Entschluss kam, sich mehr oder weniger auf das Gespräch einzulassen. Dem Anschein nach rückte der richtige Zeitpunkt in den Vordergrund, mit ihr ein Gespräch anzufangen.

„Diesmal verschwindest du nicht einfach oder gehst mir aus dem Weg“, stellte Sakura klar.

„Eine andere Wahl habe ich wohl nicht“, versank der Gedanke in ihm.

Der Griff um seine Hand erhöhte den Druck, erzeugte bei ihm eine Welle aus Bedauern und Unbehagen. An Sasuke nagten Schuldgefühle, die er lange vor anderen versteckte. Innerhalb weniger Wochen hatte er Zeit über alles nachzudenken, aber nicht mit dem Kapitel abzuschließen. Dennoch beseelte eine Wärme seinen Körper, als Sakura seine Hand hielt. Vor einer gefühlten Ewigkeit nahm er die Hand seiner Mutter. Sie lächelte ihn liebevoll an und auf der anderen Seite befand sich Itachi. Wie lange empfand er kein Glück mehr? Hatte er es überhaupt verdient?

„Diesmal bleibe ich ...“, versprach er.

„Hmh ...“, brummte sie nicht ganz überzeugt und verschwand mit Sasuke aus der Küche.

 

Naruto, der die Situation nicht ganz verstand, schaute ihnen hinterher. Ohne sein Wissen betraten die jungen Frauen seine Wohnung. Obwohl er sich freute, wenn seine Freunde ihn besuchten, hörte seine Freude auf, als er seine Möbel in Einzelteilen vorfand. Dann haute Sakura einfach mit Sasuke in der Richtung seines Schlafzimmers ab.

„Haben die beiden vor … in meinem Schlafzimmer …?“, spekulierte er.

Narutos Gesicht wechselte die Farbe von kreidebleich zu feuerrot. Auch sein Herz setzte kurz aus. Hilflos blickte er zu Ino. Die Iryounin legte die eine Hand auf Narutos Schulter, um ihn aufrecht zu rücken und die andere auf seine Stirn. Perplex von ihrer Aktion verzog er angespannt sein Gesicht.

„Was ist Naruto?“, suchte sie nach einer Antwort. „Ich habe Sakura mein Wort gegeben, mich um dich zu kümmern.“

Das Shousen Jutsu wand Ino durchgehend an. Schließlich übernahm sie die Verantwortung, dass Narutos Kreislauf sich rasch stabilisierte. Dabei fiel ihr auf, wie er sie anschaute.

„Kannst du mir erklären...“, begann er.

„Sei ruhig. Ich behandle dich gerade“, unterbrach sie ihn.

„Aber Sasuke und Sakura … die ...“, fuhr er fort.

„Wage es nicht, jetzt wegzulaufen“, maßregelte sie ihn und sah deswegen wütend aus.

Gleichzeitig zogen beide die Augenbrauen zusammen und funkten den anderen mit Blitzen an. Auf keinen Fall duldete Ino, dass ihre Behandlung einfach so beendet wurde. Sakura hatte recht. Naruto war ein verdammter, sturer Idiot. Deswegen fiel Naruto das Stillstehen schwer. Er musste etwas unternehmen, bevor es zu spät war. Zu seinem Leidwesen ließ Ino nicht locker und er bescherte sich darüber.

„Mir geht es schon besser, Ino. Echt jetzt!“

„Sagst du das nicht immer und fällst dann um“, rief sie ihm ins Gedächtnis.

„Kann sein, aber ...“, erwiderte er, als ein kleiner Schwindelanfall ihn kurzzeitig verstummte. „Darum kannst du dich später kümmern.“
 

„Nein heißt nein.“ Ino seufzte schwer. Mit hartnäckigen Patienten hatte man kein leichtes Spiel, davon sang sie förmlich ein Lied. Daraufhin stellte sie seine Entschlossenheit fest. Hell und klar glühten seine Augen wie blaues Feuer. Zwei oder drei Sekunden lang war sie irritiert, doch gewann sie schnell die Fassung zurück. In den letzten Jahren schien er sich verändert zu haben.

„Du bist anstrengender als Sakura und …!“

Ruckartig blieb ihm die Spucke weg. Ein Schatten huschte über Inos Gesicht und sie schenkte ihm ein besorgniserregendes Lächeln. Zu gut kam ihm das Bild bekannt vor. Schwer schluckt er und spürte Inos kommende Aufregung.

„Und weiter? Ich bin ganz Ohr, wenn ich mit Sakura vergleicht werde.“

„Ähm … das war nicht so gemeint“, murmelte Naruto.

„Regel Nummer Eins. Ein Iryounin darf die Behandlung eines Patienten erst dann abbrechen, wenn dieser seinen letzten Atemzug getätigt hat“, zischte Ino und beruhigte sich dann.

Naruto hob eine Augenbraue hoch. Ino kannte er gelegentlich durch ein paar Missionen und Shikamaru. Persönlich hatte er mit ihr nie engen Kontakt und fragte sich daher, ob sie als Entschuldigung eine Schüssel Rahmen annahm. Immerhin wollte er nicht als Boxsack fungieren. Nach und nach zog ihn ein Duft in den Bann. Rahmen waren nun mal sein Geschmack. Zart und liebreizend. Verdutzt verspannte er sich und schüttelte den Kopf.

„Halt still, Naruto“, sagte Ino und kassierte von ihm einen neugierigen Blick. „Was ist?“

„Trägst du Parfüm?“

„Ja“, bestätigte sie, hinterließ eine Spur von Verwunderung zurück.

„Riecht genauso gut wie ein warm dampfende Rahmenschüssel.“

Über die Erkenntnis legte sie die Stirn in Falten. Wie kann man auf so einem Vergleich kommen? Andererseits glaubte sie vielmehr, es handelte sich um ein gut gemeintes Kompliment. Narutos Stärken verliefen ganz woanders entlang.

„Danke“ Inzwischen fühlte sich Naruto besser. Ino beendete die Behandlung, da es Naruto offensichtlich an nichts mehr fehlte. Zufrieden grinste er und es verflog geschwind, als er die Einzelteile in der Küche sah.

„Worüber haben sich Sasuke und Sakura gestritten?“

„Das … war etwas privates“, erklärte sie.
 

„Jetzt sag schon, Ino. Es geht hier um meine besten Freunde.“

Sehr gerne wollte sie es Naruto erzählen. Wenn sie darüber nachdachte, war es nicht ihre Aufgabe, Naruto darüber aufzuklären. Außerdem mussten Sakura und Sasuke zuerst untereinander ihre Probleme selber lösen.

„Sie sind deine besten Freunde und werden es dir auch anvertrauen. Nur nicht jetzt und hier“, formulierte sie strikt und einfach.

Seine Sorgen enthielt er nicht vor, respektierte aber auch ihre Privatsphäre. Schließlich liebte Sakura ihn und Sasuke war auf dem Weg, dass er das Gleiche tat. Naruto rieb seinen Kopf und seufzte. Zu Inos Glück bohrte er nicht weiter nach.

„Stopp! Beide sind in meinem Schlafzimmer und haben vor, etwas Privates zu lösen“, sprudelte es aus ihm heraus.

Fassungslos klatschte Ino die Hand gegen ihre Stirn.

„NEIN! Du denkst in die falsche Richtung“, sie konnte es nicht fassen.

Augenblicklich herrschte eine Stille zwischen ihnen. Genervt stöhne Ino auf und massierte sich die Schläfe. Jetzt wurde Naruto klar, es steckte mehr dahinter. Früher oder später machte für ihn kein Unterschied.

„Schon gut. Ich hab´s kapiert“, schwang er die weiße Fahne bei Inos Skepsis. „Ich warte einfach.“

„Das ist besser so. Solange reden wir über deinen Wohnungsstil“, beschloss sie das Thema zu wechseln.

„Echt jetzt?“
 

╰ ☆ ╮
 

Aus dem Herzklopfen entwickelten sich Donnerschläge. Zitternde Gefühlte erzeugten Blitze. Gedanken an das Kommende füllten das Herz mit Regentropfen. Chaos herrschte in Sakura, vergleichbar mit einem Gewitter. Mit Stolz und Wille hielt sie ihre Haltung aufrecht. Ihr Blick ruhte auf Sasuke, der ruhig vor ihr stand. Der Mondschein warf sein fahles Licht auf ihn und seine schattigen Umrisse schimmerten silbrig. Vor knapp einer halben Minute packte sie die Entschlossenheit, ihn zu dem Gespräch zu zwingen, jetzt war sie allerdings hin- und hergerissen.

Seit Sasuke seine Kameradin kannte, war sie eine gefühlsorientierte Person, die stets an andere dachte und sich dementsprechend oft um ihre Freunde sorgte. Ehrlich gesagt: Er las ihre Emotionen wie ein offenes Buch. Dagegen verschloss er seine Seiten mit sieben Siegeln. Der Gedanke führte zu einer Entscheidung. Hier und jetzt entfernte er für Sakura ein Siegel. Zumindest versuchte er es, denn leicht war es für ihn nie.

„Es tut mir leid, Sakura.“

Seine tiefe Stimme schallte gegen die Wände und wiederholte sich ständig in Sakuras Kopf. Statt Verwunderung zeigte sie Enttäuschung. Erneut sprach er diese Worte aus. Kann sie ihm glauben? Diesmal schreckte sie vor nichts zurück. Sasuke musste seine Loyalität beweisen. Davon war sie felsenfest überzeugt. Sakura hob den Arm hoch, ballte die Hand zu einer Faust und ein Klatschen folgte, nachdem Sasuke den Fausthieb ohne Probleme abwehrte.

„Mehr hast du nicht zu sagen?“, vergewisserte sie sich.

„Was willst du von mir hören?“

Die Kunoichi betrachtete sein Gesicht. Gleichgültigkeit verweilte dort sein Gesichtsausdruck, aber in seinen Augen sichtete sie einen Hauch von Milde. Zudem spiegelte sie sich darin. Früher verlor Sakura sich in der Finsternis seiner Seele. Neuerdings brach ein Glanz aus, der wie ein Spiegel funktionierte. Wieso fiel es ihr erst jetzt auf?

„Verschwindest du wieder aus Konoha?“

In Sasukes Hand zitterte leicht ihre Faust. Man merkte an, wie sehr sie Angst hatte, wieder den einen Satz zu hören. Sie verfluchte ihn dafür. Tag ein Tag aus.

„Nein“, antwortete Sasuke und lockerte den Handgriff.

„Nein? Das glaube ich dir nicht“, fauchte sie ihn an. „Ich kann und darf es nicht.“

Misstrauen und Zweifeln verbargen sich in Sakuras Sätzen. Freilich verstand er ihre Beweggründe, warum sie kein Vertrauen zu ihm aufbaute. Jedes Mal verletzte er ihre Gefühle, drohte sie beinahe umzubringen und zeigte dabei keine Gnade. Die Worte aus ihrem Mund stachen wie Nadeln in sein Herz ein.

„Es ist deine Entscheidung und ich werde sie respektieren“, stimmte er ihr zu.

„Warte! Was machst du da?“, schreckte sie auf.
 

Niemals im Leben klang Sasukes Stimme so sanft. Tatsächlich glaubte Sakura, sich hatte sich verhört. Dann erregte eine Geste von Sasuke ihre Aufmerksamkeit. Behutsam bewegten sich seine Finger, öffneten Sakuras Faust und beide Hände vereinten sich. Hitze stieg in Sakuras Gesicht auf. Im Bauch breitete sich ein Gefühl aus, als würde ein Schwarm Schmetterlinge ihre Runden fliegen. Ständig schob sie die Augen auf ihre Hände, dann hoch zu Sasukes Gesicht. Sie wollte sich losreißen, doch Sasuke gab ihr keine Chance.

„Es tut mir leid.“

Prompt gab Sakura ihre Fluchtversuche auf. Soeben gelangte sie an dem Punkt, wo sie nicht in der Lage war, so etwas wie Empörung und Zorn zu zeigen. Langsam löste sich die Steinschicht um Sakuras Herz. Es pochte wieder. Daraus wurde ein „Wieso?“ und die Frage ertönte dünn, aber auch erleichtert.

„Um deine Gefühle zu verstehen, muss ich meine erst kennen lernen“, offenbarte er, wirkte ehrlich und reumütig.

Kein Hass erwürgte ihn. Keine Rache vergiftete seinen Geist. Keine Dunkelheit formte seinen Weg. Frei von den Fesseln der Vergangenheit fing er von vorne an. Vor ihm befanden sich Türen, kein Abgrund nach unten. Er wollte seinen Clan neu aufbauen. Nach all der Zeit bekam er seinen Leben in den Griff, indem er seine Freundschaft zu Naruto endgültig akzeptierte und Sakura um Verzeihung bat. Endlich erhielt er seine Familie um Team 7 zurück.

„Fällt es dir wirklich schwer?“

„Rache und Tod begleiteten mich lange“, meinte er dazu und seine Mimik entfaltete ein Zeichen von Trauer.

„Ich weiß nicht ...“, gestand sie und senkte den Blick.

Ihm war bewusst, dass Sakura zögerte. Aus seiner Sicht bewies sie Stärke. Sakura entschied sich bedacht und rannte keiner falschen Hoffnung hinterher. Anders, als mit einem Zucken an den Mundwickeln, konnte er nicht reagieren.

„Ich weiß nicht, wo ich fangen soll, wie du alles wieder gut machen kannst.“

Ob ein Ende oder ein Anfang in Sicht war, wusste Sakura nicht. Dennoch wagte sie den ersten Schritt von niemanden abhängig zu sein. Für sie spielte sich diese Szene wie ein Klischee auf. Zum Schluss vergeben und vergessen. Nicht bei ihr! Dafür brachte Sasuke erst Beweise, wie ernst er das Leben mit ihnen in Konoha meinte. Bestimmt dauerte der Weg bis dorthin lange, war gepflastert mit Höhen und Tiefen.

„Ein Versprechen.“

„Was für ein Versprechen?“, fragte Sakura.

Sasuke redete nie um den heißen Brei herum. Kurz und knapp folgten seine Sätze. Damit schloss Sakura Frieden, aber oft entpuppte sich seine Wortwahl als ein Rätsel.

„Nächstes Mal nehme ich dich mit.“

Beide Hände entfernten sich. Daraufhin tippte Sasuke mit zwei Fingern gegen Sakuras Stirn. Erstaunt hebt sie den Kopf hoch. Groß und strahlend richtete sie die Augen auf ihn. Also verabschiedete er sich irgendwann von Konoha, reiste durch die Welt und entdeckte neue Orte. Und sie! Eigentlich rechnete sie nicht damit. Sie begleitete ihn das nächstes Mal. Genau an seiner Seite. Danach glühten ihre Wangen.

„Wenn nicht … heißt es Shannaro“, drohte sie ihm mehr flüsternd als kampflustig.

Sachte nickt er ihr zu.

„Du hast mein Wort, Sakura.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  DoD
2019-12-29T15:24:56+00:00 29.12.2019 16:24
Hi,


Der schmale Grat zwischen den Baumkronen und dem Himmel dehnte sich im rubinroten Licht der Abendröte aus, als die Sonne am Horizont ihr Licht vergrub und die Dämmerung ihr Nachtgewand anzog.

💜

Was für ein poetischer Satz!
Ich mag die Stimmung, auch wenn mich dein Schreibstil manchmal dazu gebracht hat, Absätze zweimal zu lesen, bin ich ein grosser Fan dieses OneShots.

GG
DoD
Antwort von: abgemeldet
29.12.2019 17:36
Aloha~,
vielen Dank für dein Kommentar. Es freut mich sehr, dass die einige poetische Sätze dir gefallen.
Ja ich weiß, oft schleichen sich Fehler bei mir ein.

LG^^Alien^^
Von:  franny
2019-10-13T06:15:39+00:00 13.10.2019 08:15
Ein schöner OS, mit einem noch schöneren Ende =)
LG franny


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