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TETSUO

When one person changes everything
von

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Decisions

Es war unglaublich still in dem Gebäude geworden.

Die anfängliche, gespenstische Stille, dieses Giganten aus Marmor und Glas, verwandelte sich mehr und mehr zu einer eisigen Kälte. Eine die sich immer mehr in den Gängen ausbreitete und deren Ursprung man nicht mehr ausmachen konnte. Und das lag nicht an der Nacht, die noch immer draußen aktiv war. Sondern an der Atmosphäre die sich nach diesem Horror vorhin gebildet hatte.

Noch immer lagen die Leichen der ehemaligen Anhänger der neuen Kinder in diesem Raum in einer unteren Etage rum. Völlig unangetastet und mit leeren Augen ins Nichts starrend. Das Blut, das sie in ihrer Qual vergossen hatten, fing schon bereits an zu gerinnen, da es mit der Luft reagierte. Und nach einer Stunde wandelten sich die roten Flecken am Boden in das Bräunliche um. Zeugen der vergangenen Zeit seit ihrem Tod. Ein schrecklicher Geruch fing an sich über diesen Raum zu legen. Die Türen da rein waren verschlossen und sperrten den Gestank des Todes damit aus. Die Fäulnis. Aber das waren alles Dinge von denen die Jungs nichts mitbekamen.

Sie befanden sich in einem Labor, weiter oben im Gebäude und Yamagata sah aus dem Fenster raus, an dem er es sich gemütlich gemacht hatte. Sein Schrotgewehr im Schoß. Er behielt die Gegend draußen im Auge, da er hoffte nicht kämpfen zu müssen. Er wollte schnell vorgewarnt sein, falls noch mehr Idioten auf die Idee kam an diesen Ort zu kommen. Das Militär oder noch mehr der neuen Kinder. Oder einfach nur Rumtreiber. Er hatte nichts gegen einen guten Kampf. Aber in der momentanen Situation war das vielleicht nicht so gut.

Ihm direkt gegenüber, am Fenster, saß Kai und hatte die Beine angewinkelt, so dass er sie umklammern konnte. Er wirkte noch immer leicht geschockt aber auch sehr in Gedanken versunken. Und das seit er einen Fuß in diesen Raum unten getan hatte. Die Leichen gesehen hatte…Genau das meinte Yama mit der Situation.

Kaneda stand dagegen angelehnt rechts neben der Tür und sah mit verschränkten Armen immer mal wieder unsicher zu Tetsuo rüber, der auf einem der Tische in der hintersten Ecke saß und auf den Boden starrte. Keiner wusste so wirklich was er sagen sollte. Vielen hing der Schock noch in den Knochen. Und einem unter ihnen sogar schwere Fragen die den Verstand teils blockierten. Widerliche Stille. Es war nicht zum aushalten. So das Yamagata erstaunlicherweise der Erste war und diese Stille durchbrach. In den Raum fragte:

„Und? Wollen wir uns jetzt weiter alle anschweigen, oder reden wir über den scheiß riesen Elefanten hier im Raum?“

Und bei dem Satz sahen doch tatsächlich alle erstaunt zu ihm. Er sagte das sehr ernst, aber auch gleichzeitig klang ein Unterton der Besorgnis aus ihm heraus. Etwas was Kai tatsächlich ein kurzes Lächeln auf die Lippen zauberte. Yamagata hatte sich wirklich verbessert und lernte mehr Mitgefühl für andere zu zeigen. Das tat gut. Es war gut erkannt das sie offensichtlich alle Probleme hatten und nur keiner wusste wie sie den Elefanten im Raum ansprechen sollten, der noch dazu bedrohlich über ihnen hing und drohte sie zu erdrücken wenn keiner was sagte. Erstaunlicherweise war es bei jedem der selbe Fakt der sie belastete, obwohl keiner was gesagt hatte. Und schließlich war Kaneda der jenige der zu ihm sprach:

„Wie habt ihr uns überhaupt gefunden?“

Auf diese Frage drehte sich der Große zu ihm rüber und stellte das Schrotgewehr neben sich rechts auf den Boden. Es sah aus als würde keiner mehr draußen rumschleichen, also war es okay seinen Schutz gerade mal runter zu lassen. Er kam wieder hoch und sah zu Kaneda als er antwortete:

„Dazu muss ich erst mal weiter ausholen: Als wir wieder zurückkamen, waren du und Tetsuo ja bereits verschwunden. Wir dachten ihr wärt noch bei Joker drin und Kai ging deswegen rein. Wart ihr aber nicht mehr. Darauf gab es einen Zwischenfall indem Joker sich von seinen Fesseln befreien konnte und Kai angriff.“

Das war ein Schocker und traf ganze besonders Kaneda auch so. Er griff ihn an?! Erschrocken sah er zu dem Jüngsten im Raum, der nun auch zu ihm rüber sah. Besorgt fragte er:

„Was?! Wie konnte das passieren?! Hat er dich verletzt?!“

„Er konnte seine Fesseln lösen in dem er über einen längeren Zeitraum sie durchgerieben hatte. Wahrscheinlich an seinem Stuhl und da er eh so ein Hüne war brauchte er auch nicht viel an dem Seil kaputt zu machen. Nur etwas Kraft. Aber es geht mir gut. Es ist nichts passiert.“

Kam es von Kai beschwichtigend und wollte das nicht so hoch spielen. Er hatte ihm natürlich nicht alles erzählt. Wäre er mit der Sache um die Ecke gekommen, dass Joker ihn noch fast erwürgt hätte, wäre Kaneda vielleicht voller Schuld zusammengebrochen. Er wollte seinen Boss nicht weiter belasten. Denn man sah ihm schon an dass etwas schwer auf seinem Gemüt ruhte. Ihm ganz besonders…

Yamagata sah zu dem Kleinen neben sich. Er bemerkte dass Kai nicht alles sagte und verstand auch wieso. Also ging er auch nicht weiter darauf ein und erzählte:

„Bevor er Kai was tun konnte hab ich ihn erschossen.“

Erstaunt sah der Kleine zu ihm. Er…spielte mit? Das machte ihn sehr froh. Es gab Dinge die mussten nicht erzählt werden. Das war einer davon. Er kam mit dem Erschießen um die Ecke, obwohl Kai dem Clown ja mit einem Messer ein Gesichtslifting gegeben hatte. Das tat aber nichts mehr zur Sache denn sie hatten sich des Fettsacks auch schon längst entledigt. Verbrannt und die Knochen vergaben. So das ihn keiner mehr wieder fand. So gesehen war er es nicht mal wert gewesen, also die Arbeit wert gewesen. Dann wand Kai sich wieder an Kaneda und sprach für Yama weiter:

„Ich habe von Joker gehört dass er euch in eine Falle laufen lassen würde. Also haben wir uns nach seinem Tod sofort auf den Weg gemacht. Wir haben uns eine Gruppe von neuen Kindern vorgenommen. Vier haben wir getötet und einen ausgehorcht und…naja hier sind wir. Man kann aber echt sagen das wir Glück hatten dass es so einfach war.“

Ja da schien wirklich viel Glück mitgespielt zu haben. Fast unmöglich. Der Kleine sah unsicher zu Tetsuo, der auch gleich den Blick abwand als Kai sprach:

„Aber ihr wart ja zum Glück sicher…“

Und dann sah er wieder zu Kaneda.

„…Was ist da unten passiert Kaneda?“

„Das frag ich dich Kai.“

Kam es sofort zurück und der Jüngste schien überrascht.

„Mich? Warum mich?“

Endlich bewegte sich ihr Anführer von der Wand weg und kam auf sie zu. Er blieb an einem der alten Tisch neben ihnen stehen und setzte sich lässig auf diesen, als er weiter sprach:

„Du bist viel bewanderter als ich in sowas. Du hast die Leichen unten gesehen. Was denkst du woran sie gestorben sind?“

Er wich der Frage aus? Das machte Kaneda sonst nie…Es stimmte das Kaisuke sich mit Biologie und Krankheiten, oder Verletzungen besser auskannte als der Rest. Er war lange der Medic und teils auch Mechaniker der Gang gewesen und hatte in seinem Leben viele Verletzungen oder Krankheiten mit behandeln müssen. Sicher hatte er da so seine Erfahrungen gesammelt, auch weil er sich belesen hatte in sowas. Er sah auf den Boden und überlegte kurz. Yamagata verstand nicht ganz was sein Boss damit erreichen wollte und sah zu ihm.

„Was soll denn die Frage Kaneda? Er hat noch nicht mal die Möglichkeit gehabt das genau zu überprüfen und du stellst ihm so ne Frage?“

Kaneda sah aber weiterhin nicht von Kai ab und wartete stumm auf dessen Antwort. Und instinktiv gab ihm der Jüngste auch gleich eine:

„Ich müsste sie eigentlich noch mal genauer sehen…Aber wenn ich meinen Hut so in den Ring werfen darf sah es für mich nach Organversagen aus. Vielleicht auch innere Verätzungen ausgelöst durch eine Chemikalie oder ein sehr potentes Gift. Aber wie gesagt: ich müsste sie mir genauer ansehen. In der Regel haben Opfer durch Vergiftungen bestimmte Merkmale wie: blutunterlaufende Augen. Aber meist erkennt man sowas vor dem Tod. Haben sie was Bestimmtes gemacht? Also wie sie die Symptome äußerten.“

„Sie schienen alle Schmerzen zu haben. Krämpfe und starken Husten. Bis sie angefangen haben Blut zu spucken. Und das innerhalb weniger Minuten.“

Gab ihm Kaneda als Antwort und er blickte dabei nur leicht und sehr kurz zu Tetsuo rüber, der wieder auf den Boden sah und in Gedanken zu sein schien. Kai war dieser kurze Blick nicht entgangen…

„Nun das spricht eher für eine starke Vergiftung und Schädigung der Organe. Aber sowas braucht eine Weile bis es wirkt. Minuten reichen da nicht aus. Selbst das potenteste Gift wirkt innerhalb von einer halben Stunde erst mit seinen Anfängen. Bis zum Tod dauert das noch in der Regel. Obwohl ich mal von einer Kegelschnecke gehört habe die innerhalb von Sekunden jemanden tötet mit ihrem Gift.“

„Was soll das alles überhaupt?!“

Sprach Yamagata plötzlich genervt dazwischen, so dass alle zu ihm sahen.

„Warum stellst du ihm diese Frage Kaneda?! Du und Tetsuo ihr wart doch dabei! Ihr müsst doch gesehen haben was passiert ist! Verdammt ihr wart die einzigen Beiden die innerhalb dieses Massakers gestanden haben und wohl auf waren! Eigentlich sind WIR die Zwei die Fragen ohne Ende haben sollten!“

Kai wand sich sanft näher an ihn und legte ihm eine Hand auf die linke Schulter. Wollte ihn damit beruhigen, auch wenn er eigentlich recht hatte. Es musste aber nicht noch laut werden und ausarten. Die Spannung war schon genug in der Luft. Es gab bestimmt einen Grund warum Kaneda der Frage ausgewichen war. Und der besorgte den Jüngsten etwas.

„Yamagata es ist okay. Es muss nicht noch…“

„Nein nichts ist okay Kaisuke! Wir hatten eine Vereinbarung! Wenn zwei draußen sind, bleiben zwei zurück und bewachen die Bude! So haben wir uns geschützt! Nicht indem einfach zwei ihr eigenes Ding machen und dann noch still und heimlich verschwinden! Wir wussten nicht wo ihr wart! Wir hatten Glück das wir den ehemaligen Clown ausquetschen konnten! Und es hätte hier alles viel schlimmer Laufen können! Euch beiden hätte was passieren können! Und zudem habt ihr Kai und mich auch noch unnötiger Gefahr ausgesetzt! Alles weil IHR euch nicht an unsere Regelung gehalten habt! Weil ihr nen scheiß egoistischen Trip gefahren seid! Und ich will jetzt verdammt nochmal wissen was hier passiert ist!“

Und er hatte es auch verdient. Es stimmte das sie durch ihre egoistische Aktion die Gruppe unnötig in Gefahr gebracht hatten. Das mit Kai war der beste Beweis dafür gewesen. Und das war alles auf dem Mist des PsyKI gewachsen. Dessen war er sich auch selber bewusst. Was dazu führte das Tetsuo endlich den Mund aufmachte und zu ihnen kam. Er musste sich seiner Angst stellen und kam schließlich zwischen Kaneda und Yamagata.

„Ich bin daran schuld.“

Er sagte diese Worte sehr gefasst und ruhig, auch wenn er das innerlich nicht wirklich war. Und bei dieser Aussage sahen ihn alle erstaunt an. Kai und Yamagata weil sie nicht verstanden was er damit meinte und Kaneda weil er sich das gedacht hatte. Er zog es erneut auf sich. Sah es als seinen Fehler an. Das war inzwischen typisch Tetsuo. Und dieses Mal…stimmte es wahrscheinlich sogar. Es gab keine andere Erklärung für das was da unten passiert war. So stand Tetsuo da und sah auf den Boden. Fing an zu erzählen:

„Es ist meine Schuld. Wir waren wegen Joker hier. Aber sie hatten Kaneda und mich in einen Hinterhalt gelockt und nahmen uns gefangen. Es ging alles so schnell und…ich konnte das alles nicht verhindern…“

Er konnte wirklich nichts tun. Da war die Sache mit den plötzlichen Schmerzen gewesen. Was ihn hinderte ordentlich zu kämpfen und dessen Ursprung er nicht kannte. Etwas was er aber bewusst ausließ und einfach weiter sprach:

„Sie sprachen immer wieder davon dass sie so werden wollten wie ich. Angeblich war das auch Jokers ursprünglicher Plan gewesen. Bis er von diesem abdriftete und nun Saya versuchte das umzusetzen.“

Yamagata sah ihn fassungslos an.

„Saya?! Warte mal! Saya war auch da unten?!“

In all der Aufregung und weil er nicht in den Raum ging, hatte er sie natürlich nicht gesehen. Kaisuke aber schon und er sah traurig auf den Boden. Ja…er hatte sie erkannt. Sie sah schrecklich aus als er sie sah. Kaneda nickte zustimmend und sagte auch endlich was zu der Lage:

„Es hat sich herausgestellt das sie Joker seine Freundin war. Und anscheinend kam sie auf den Trichter sich gegen ihn erheben zu müssen. Vielleicht für all den Mist den sie bei ihm erlebt hat. Wer weis das schon? Fakt ist dass sie die Leiterin von dem Kult da unten war und wie jeder andere in dem Raum eine Flüssigkeit getrunken hat…Und…“

Keine Lügen und Ausflüchte mehr. Sie hatten alle die Wahrheit verdient. Und deswegen sprach Tetsuo:

„Es war mein Blut.“

Sie sahen ihn erschrocken an. Besonders Kaneda der sich fragte warum der Kleine nicht damit hinter dem Busch blieb. Es war aber offensichtlich: Tetsuo war verängstigt und wollte Antworten. Er wollte ehrlich zu der Situation sein und nichts vor dem Team verheimlichen. Damit…war er sogar ehrlicher und mutiger als Kaneda selbst. Denn der hätte es verschwiegen. Yamagata schüttelte ungläubig kurz den Kopf und sprach dann lauter:

„Was?! Was meinst du damit die haben dein Blut gesoffen?! Wie krank ist das denn?!“

Kai nahm die Hände erschrocken vor seinen Mund und kam gleich zu Tetsuo gelaufen. Er nahm ihn danach, besorgt und sanft mit beiden Händen an einer Hand und fragte:

„Oh mein Gott! Geht es dir soweit gut Tetsuo?!“

Der PsyKI nickte nur und löste die Hände von seiner eigenen Hand. Er konnte dem im Moment nicht wirklich standhalten. Es ging einfach nicht.

„J-ja. Ja. Alles okay. Sie haben mich etwas ausbluten lassen. Aber ich regeneriere mich schneller als ihr. Das weist du doch. Was bedeutet es geht mir schon wieder besser.“

Er schob sich seinen Ärmel hoch und zeigte die Wunde am Arm, die aber bereits wieder verschlossen war und bald gänzlich verschwinden würde im Fleisch. Inzwischen hatte er sich nämlich wieder mit seinem Hoodie bekleidet, nachdem dem was unten im Labor passiert war. Zeigte dass alles gut war. Kai bemerkte dass der PsyKI im Moment keinen Kontakt wollte und ließ deswegen von ihm ab. Setzte sich neben ihm auf den Tisch und sah ihn weiter an, während Tetsuo wieder den Ärmel runter fallen ließ und den Arm bedeckte. Ihr Chef allerdings schüttelte den Kopf. Wollte es nicht wirklich wahr haben und sprach dann zu Tetsuo:

„Das können wir nicht wissen Tetsuo! Vielleicht haben die vorher schon irgendwelche Drogen genommen und sind dann daran gestorben! Es muss nicht dein Blut gewesen sein!“

Tetsuo sah zu ihm. Er war…so gut zu ihm. Er wollte ihn schützen, aber das war nicht notwendig. Sie mussten sich der Möglichkeit, die sehr wahrscheinlich erschien, stellen. Und die war nun mal, dass es das Blut des PsyKI gewesen sein könnte. Das es giftig war…Und das es Kaneda seltsamerweise nichts getan hatte…Er lächelte schwach und ganz kurz, sprach danach aber wieder ernster:

„Lass es Kaneda. Es ist gut. Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dass mein Blut für ihren Tod verantwortlich war. Das müssen wir nicht schönreden.“

Und tatsächlich stellte Yamagata danach Fragen und nicht Kai.

„Okay…Mal abgesehen dass das der krankste Scheiß wäre den ich je gehört habe, stellt sich mir noch die Frage: Warum ihr überhaupt in diesem Laden hier seit! Was wolltet ihr denn hier?! Ich meine ihr seid doch beide nicht bescheuert! Ihr hättet doch ahnen können dass es von Joker eine Falle ist! Warum seid ihr dennoch hier her gefahren?! Dazu möchte ich erst mal eine Antwort!“

Und ehrlich gesagt waren die Fragen gar nicht mal so blöd. Sie waren sehr gut für seine Verhältnisse. So dass Kai ihm nur zustimmend zu nickte.

„Das hier ist ein Labor. Warum sollte Joker euch in ein Labor locken wollen?“

Fragte der Jüngste und Tetsuo antwortete ihm:

„Weil ich dachte hier herauszufinden wer ich bin. Ich…habe mich davon verführen lassen eine Frage beantworten zu können. Eine nach der ich schon so lange suche.“

Kai sah ihn an und Yamagata verschränkte neben ihm die Arme vor sich, als er fragte:

„Hast du wenigstens bekommen was du wolltest?“

Tetsuo sah auf den Boden. Was er wollte…Das war eine gute Frage. Hatte er bekommen was er wollte? Es stimmte das er nun endlich erfahren hatte wo er her kam. Er kam aus diesem Labor. Er hatte seine Eltern gesehen. Er wusste dass er hier geboren wurde und wie er in seine neue Heimat kam, wo Miyako ihn fand. Aber…hatte er dadurch bekommen was er wollte? Es fühlte sich nicht danach an. Er dachte…er dachte wenn er erfahren würde woher er kam, würde sich etwas lösen. Etwas in seinem Herzen würde sich lösen und ihn beruhigen. Als würde etwas von seinen Schultern fallen und es würde ihm besser gehen…Aber nichts war der Fall. Es ging ihm nicht besser dadurch. Ganz im Gegenteil. Er fühlte sich…noch genauso verloren in der Hinsicht wie vorher. Es änderte nichts in seinem Herzen. Wo war seine Heimat? Er wusste dass er bei Kaneda zuhause war. Aber wo war seine Heimat? Wo wollte er leben? Er suchte nach einem Ort an dem er ohne Angst leben konnte. Wo er glücklich alt werden konnte. Des war ebenfalls einer der Gründe gewesen warum er aus seinem Dorf verschwand. Er suchte eine Heimat.

Kaneda kam der weil zu ihm und stellte sich rechts neben ihn. Legte den Arm sanft um seine Schultern und zog ihn schützend an sich ran. Es stärkte den kleinen zusätzlich, zu wissen dass jemand neben ihm stand und ihn sogar etwas schütze mit der Geste. Und dann fing Tetsuo an zu erzählen:

„Wir haben herausgefunden das ich hier geboren wurde…Offenbar haben sie mich hier erforscht und mich Experimenten unterzogen. Meine…meine Mutter konnte mich noch in Sicherheit bringen bevor hier alles den Bach runter ging. Ich weis nicht warum aber es gab einen Unfall in diesem Labor und mehrere meiner Art randalierten hier…Kai, Yamagata…ich habe euch nie erzählt das ich nicht aus Neo Tokyo komme. Vielleicht habt ihr es schon geahnt, aber ich wollte es hier mit noch mal klarstellen: Ich bin nicht von hier. Ich kam hier her weil ich ein Zuhause suchte. Weil ich aus dem Dorf, in dem ich großgezogen wurde, geflohen bin. Einer meiner Art machte mir Angst. Er ist sehr mächtig und ich wollte nur weg von ihm.“

Er löste sich aber schließlich doch von Kaneda und ging einige Schritte von den drei Jungs weg. Sie sahen ihm nach, als er zu der alten Tafel an der Wand vor ihnen ging und dann vor dieser stehen blieb, sie nur anstarrte und in seinen Gedanken war, als er weiter sprach:

„Am Anfang dachte ich es würde alles besser werden. Ich hasste meine Heimat weil ich dort von den Meisten wie Dreck behandelt wurde. Ich behandelt wurde wie ein Außenseiter und man mir keine Chance gab dazugehören zu können…Ich denke jetzt weis ich auch warum. Weil ich ein Außenseiter war. Weil ich aus eurer Welt in ihre gekommen bin…Weil ich hier geboren wurde und dann zu ihnen kam. Ich wollte alles hinter mir lassen und hier neu anfangen. Egal wie sehr man mich hier hasste, zuhause war es für mich speziell nicht anders. Doch je länger ich bei euch geblieben bin, umso mehr wurde mir klar dass etwas nicht stimmt. All diese Dinge die passiert sind. Alles was meinen Artgenossen passiert ist. Watanabe, Kuwata Takeyama…Ich habe sowas noch nie zuvor gesehen. Diese Art von Kontrollverlust…Nein…Das stimmt nicht…Ich habe was Ähnliches gesehen.“

Als er das sagte legte Kaneda den Kopf schief und sprach leicht erschrocken:

„Was? Was meinst du damit? Ich dachte das wäre alles neu für dich! Diese Mutationen meine ich.“

Tetsuo drehte sich zu ihm um und nickte, umschlag dabei deinen Oberkörper sanft und schützend.

„Ich habe lange damit gekämpft ob ich es sagen soll. Ob ich mich nicht vielleicht doch irre oder es nur ein purer Zufall war. Aber…Fakt ist dass ich was ähnliches Mal gesehen habe. Als ich klein war wurde ich im Wald zeuge wie ein Monster einen meiner Artgenossen gefressen hat. Ich habe mir nie was dabei gedacht und versuchte es als Geheimnis in meinem Kopf wegzusperren. Keiner hatte mir als Kind geglaubt. Warum auch? Ich war ja ein Angsthase und hätte mir das nur eingebildet. Aber ich wusste es war echt. Es wollte mich ebenfalls verschlingen…aber es tat es nicht. Es stoppte plötzlich und verzog sich dann wieder in den Dschungel. Ich dachte immer es wäre ein Monster gewesen was durch die Atombombenangriffe vor vielen Jahren entstanden sei. Aber nach dem ich Kuwata gesehen habe…wusste ich das ich mich geirrt hatte. Dieses Ding damals…sah genauso aus wie er als er mutiert war. Ich hatte mich so sehr geirrt.“

„Warte mal! Du willst mir sagen dass dieses Ding in deiner Heimat vielleicht ebenfalls ein mutierter PsyKI gewesen ist?! Aber das würde ja bedeuten…!“

Sprach Kai laut dazwischen und der PsyKI nickte zustimmend.

„Genau. Das würde bedeuten: das was auch immer hier in Neo Tokyo mit meiner Art passiert, schon vor vielen Jahren in meiner Heimat passiert war. Das Joker und Mad nicht die Urheber dieser Mutationen und Versuche waren, sondern was anderes. Vielleicht hat schon früher jemand solche Versuche gemacht und das in meiner Heimat war ein Misserfolg der über geblieben ist.“

„Aber wir reden hier von deiner Heimat! Das würde bedeuten das dort jemand ist der den selben Scheiß praktiziert wie hier! Warum hast du mir das nicht schon viel früher gesagt?!“

Brüllte Kaneda dazwischen und machte einen Schritt auf ihn zu. Warum…ja warum nur…

„Ich kannte dich nicht gut genug. Und später hatte ich dann selber Angst vor dieser Erkenntnis.“

Und genau das war der Knackpunkt gewesen. Genau das dachte sich Tetsuo nämlich auch. Aber er verstand es nicht. Er suchte die Zusammenhänge. Ihm war schon länger der Gedanke gekommen dass das alles keine Zufälle mehr waren. Es fühlte sich alles wie ein riesiges Puzzel an. Aber es fügte sich nicht zusammen. Es schien ein wichtiges Teil zu fehlen. Eines dass, wenn er dieses fand, dann alle anderen Teile verknüpfen würde. Er hatte so viele Dinge erlebt und gesammelt…aber er hatte das Gefühl das er die Lösung…nur in seinem Dorf finden könnte. Und er hatte nun Fragen…viele Fragen die beantwortet werden müssten.

Yamagata sah ihn ernst an. Im Gegensatz zu den anderen Beiden war er die ganze Zeit über still gewesen und hatte nur gelauscht. Seine grimmige Mine war stechend und schließlich bemerkte Tetsuo diese Piekser und sah zu ihm. Sie sahen sich einige Sekunden lang an, bis der Größte im Raum dann auch endlich was sagte:

„Du willst gehen, oder?“

Und als er das sagte sahen Kai und Kaneda erstaunt und auch teils erschrocken zu ihm. Es traf schwer wie ein Stein. Was sagte er da? Es dauerte nur Sekunden da sah Kaneda wieder zu Tetsuo rüber…der verdächtig den Kopf und Blick zum Boden gesenkt hatte. Nein, nicht verdächtig…bestätigend passte besser. Und das verschreckte Kaneda und er machte wieder einen Schritt auf den Kleinen zu. Dieses mal aber zögernd. Yamagata sprach weiter:

„Ich weis ihr denkt immer mal von mir dass ich bestimmte Dinge nicht mitbekomme. Ich bin vielleicht nicht der Hellste, aber ich sehe wenn einem meiner Brüder was auf der Seele lastet. Und bei dir habe ich schon lange das Gefühl dass du etwas planst. Seit dem Tag an dem du diesen Kuwata umgebracht hast hat sich etwas in dir verändert. Deine Aggressivität, die du damals oft an den Tag gelegt hast, hat nachgelassen und du bist mehr in Gedanken versunken. Ich wusste nicht was in deinem Schädel vor sich ging, aber ich wusste dass es dir Sorgen bereitet hat. Das sagte alle dein Blick jeden Tag aufs Neue.“

Er war ihm also aufgefallen? Tetsuo war erstaunt das Yamagata doch so aufmerksam war. Er hielt ihn immer nur für einen Rüpel. Heh…er hatte sich geirrt. Und auch Kaneda war erstaunt das der Große so aufpasste. Also im bezug auf Tetsuo seine Gefühle. Er dachte es wäre nur ihm aufgefallen und Kai. Aber Moment mal…sagte er Brüder? Tetsuo sah wieder auf und Yamagata an, der erneut sprach:

„Ich weis nicht was du vor hast. Aber ich denke es ist an der Zeit das du anfängst für dich selbst gerade zu stehen und selber zu entscheiden was DU willst. Als ich dich kennengelernt habe warst du ein freches Rotzgör. Du warst wie ein Kleinkind und obwohl du Entscheidungen fällen kannst, warst du nie erwachsen genug für diese einzustehen. Du hast dich viel im Schatten und Schutz von Kaneda aufgehalten. Und das war okay. Aber nun denke ich bist du, durch all das was passiert ist, erwachsener geworden. Und ein Erwachsener trifft dann auch Entscheidungen alleine und steht zu diesen. Und jetzt ist es an der Zeit das du dich entscheidest was zu tun ist. Was DU tun willst. Du hast Fragen. Aber die Antworten kann dir keiner von uns geben. Noch kann dir einer von uns vorschreiben wie du dein Leben zu leben hast. Die Antwort findest du nur allein.“

Kai lächelte. Genau das war der Yamagata den er kannte. Den nur ER unter der Oberfläche kannte und wie er ihn kennengelernt hatte. Er kam zu ihm gelaufen und stellte sich dicht neben ihn. Sah lieb zu Tetsuo rüber und stimmte zu:

„Er hat recht. Du hast dich verändert und das ist auch gut so. So sind wir Freunde geworden. Das war auch Veränderung. Und das ist nichts schlimmes Tetsuo. Du gehörst jetzt zu uns. Du bist ein Teil unserer Gang. Aber wenn du Antworten in deiner Heimat suchst dann kannst nur du diese finden. Das ist etwas was wir dir nicht abnehmen können. Ich habe auch so viele Fragen. Ich würde gerne mehr über dich und deine Art erfahren. Über all das was hier im Labor passiert ist. Vielleicht können wir ja doch alle friedlich zusammen leben. Wenn wir nur lernen uns zu verstehen. Und ich habe mich auch für etwas entschieden: Ich bleibe hier und werde versuchen das herauszufinden. Ich möchte alles über euch wissen. Und vielleicht finden wir ja so gemeinsam eine Wahrheit über uns Menschen und euch PsyKI.“

Tetsuo lächelte beide an. Er war…sehr glücklich. Er hatte…nun endlich Freunde. Das was er als Kind immer haben wollte…Diese Art von Freunde die er immer haben wollte. Und dann sah er zu Kaneda. Und er wusste nicht warum aber…aber er konnte dem Blick des Älteren nicht standhalten. In seinem Blick lag Sorge und…Trauer. Und diese Trauer fühlte er und sein Herz wurde ebenfalls sehr schwer. Es trieb ihn fast die Tränen in die Augen und als Kaneda noch näher kam machte der Kleine eine Drehung und lief fluchtartig schnell aus dem Raum. Kaneda sah ihm still nach. Es fiel ihm nicht leicht. Aber er wusste was er zu tun hatte. Und dann folgte er ihm aus dem Raum.

Kai sah zu Yamagata neben sich hoch und der zu ihm runter. Wirkte etwas verdutzt und fragte:

„Du willst hier bleiben und mehr über diese Freaks lernen?“

Kai nickte.

„Ja. So habe ich mich entschieden. Etwas muss getan werden. Und vielleicht kann ich auch dazu meinen Beitrag leisten, dass alles besser wird. Vielleicht…können wir diesen Ort statt einem Ort der Spaltung, in einen Ort des Zusammenfindens verwandeln. Wenn er recht hat und PsyKI hier vielleicht „erschaffen“ wurden, dann können wir hier auch etwas finden um wieder zueinander zu finden. Das wäre doch toll, oder?“

Yama schüttelte den Kopf.

„Das ist total bescheuert.“

Aber dann lächelte er.

„Aber ich denke du wirst einen Bodyguard brauchen um diesen Wahnsinn und Angriffe von Psychos durchstehen zu können. Also bin ich dabei. Ich weiche dir nicht von der Seite.“

Kai lächelte zurück und drückte sich an ihn. Und genau das Selbe würde auch Kaneda tun. Da war er sich sicher.
 

Tetsuo stand draußen in der großen Halle, am Geländer des Stockwerks, in der sie sich befanden. Sein Blick war nach unten gerichtet und er sah in die Tiefe und Schwärze unter sich.

Alles was er da drin gehört hatte war wie Balsam für seine Seele. Sogar das was Yamagata sagte hatte ihn sehr berührt und geschmeichelt. Er hätte das nie von ihm erwartet. Und inzwischen war er auch sein Freund geworden. Es war alles so schön. Und es könnte noch besser sein. Ohne all diese Gewalt in den Straßen und ohne die neuen Kinder. Ohne das Militär und diese Abneigung seiner Art gegenüber. Es könnte…ja es könnte. Aber er war kein Träumer mehr. Nicht in dieser Hinsicht. Er war da realistisch geworden. Er sah für seine Art und normalen Menschen keine Zukunft zusammen. Nicht für alle zumindest und nicht überall. Diese Wunden waren über die Jahre zu tief geschlagen worden. Dessen wurde er sich immer mehr bewusst. Denn wenn es stimmte…was immer mehr den Anschein machte, dann würden Menschen und seine Art sich nie verstehen. Denn Menschen würden se nur als Ausrutscher ansehen. Als Monster die sie geschaffen hatten und nicht als Menschen. Und das resultierte zu einem Hass der nie aufhören würde und immer wieder neu Feuer fing. Menschen mit ihren Angriffen auf sie und seine Art die sich im Zorn wehren würde. Und wenn er ehrlich war…er stand mehr auf der Seite seiner Art in der Beziehung. Immerhin…warum sollte seine Art dafür leiden und ausgerottet werden was die anderen verursacht hatten? Das war nicht gerecht. Aber was war schon im Leben gerecht? Gerechtigkeit war eine Perspektive und zu jedem Lebewesen individuell angepasst. Jeder hatte seine Sicht von Gerechtigkeit. Und genau deswegen gab es Regeln. Aber ohne diese Regeln…was war da Gerechtigkeit? Doch er musste auch zugeben das er di andere Seite auch verstand. Menschen hatten Angst vor ihnen. Sollten sie auch, dass war natürlich. Sie waren stärker als normale Menschen und standen, so gesehen, in der Nahrungskette automatisch weiter oben. Dennoch gab es nicht das Recht deswegen zu töten. Vielleicht aus Angst die Spitze der Nahrungskette abgeben zu müssen? Monster…Menschen sahen sie als Monster und Tiere an. Ein schrecklicher oberflächiger Begriff. Für eine Maus ist eine Katze ein Monster. Nur…Menschen waren es meist gewohnt die Katze in der Situation zu sein. Und deswegen handelten sie vielleicht so. Wer wusste das schon? Aber…in einem war er sich sicher: es gab eine Zukunft für ihn…nämlich mit Kaneda. Daran glaubte er. Doch um diese Zukunft passieren zu lassen…musste er nachhause. Zurück in sein Dorf. Es war der einzige Weg. Er würde mit Kaneda leben. Aber dazu musste er erst was erledigen.

Er sah rechts hinter sich, als er vorsichtige Schritte hörte und sah dann seinen Liebsten. Der ihm ein schwaches Lächeln zuwarf. Tetsuo aber verzog nur das Gesicht etwas traurig und sah wieder am Geländer nach unten, während Kaneda sich rechts neben ihn stellte und sich locker auf das Geländer stützte. Er sah nach vorne und atmete tief durch die Nase ein. Es fiel ihm nicht leicht und das strahlte er auch aus. Er war unruhig. So standen sie für einige Sekunden einfach da. Aber das konnte halt nicht so bleiben. Das Kind im Raum musste beim Namen genannt werden. Also atmete er langsam und laut aus. Gab sich einen innerlichen Ruck und sah dann zu Tetsuo. Sprach:

„Können wir darüber reden?“

Er wusste genau worüber. Also nickte der PsyKI darauf.

„Wir müssen darüber reden. Dass passt besser Kaneda.“

Der Ältere sah zu ihm. Stimmt. Es musste sein. Es sollte sein. Dennoch holte er etwas aus und fing nicht gleich an in die Vollen zu gehen:

„Weist du…Yamagata hat mich eben voll aus den Latschen gehauen. Also mit dem was er gesagt hat.“

Tetsuo schnaubte dadurch ein unterdrücktes Lachen und nickte ihm zustimmend zu, auch wenn er nicht zu ihm sah.

„Ja mich auch.“

„Weist du…das ausgerechnet ER auf die Idee kommen könnte, dass DU vielleicht gehen willst, wäre mir nie in den Sinn gekommen…Aber stimmt es? Willst du wirklich gehen?“

Und es wurde beim Namen genannt…Endlich sah Tetsuo ihn an und drückte sich vom Geländer weg. Hatte nur noch seine Hände darauf ruhend. Man sah ihm an dass es ihm nicht leicht fiel.

„Weist du…Ich WILL nicht gehen. Warum sollte ich gehen wollen, wenn ich doch bei dir zuhause bin? Wenn ich mich nur bei dir wohlfühle. Aber…aber Yamagata hat recht damit. Es gibt Dinge die ich wissen muss Kaneda. Und ich denke…ich denke nur Miyako kann mir diese Fragen beantworten. Also…ehrlich gesagt ich hoffe es. Ich bin jetzt vielleicht auch endlich in der Lage von ihr Antworten zu bekommen.“

„Deiner Ziehmutter?“

Tetsuo nickte. Sein Kopf senkte sich und der Blick fiel auf den Boden zwischen ihnen.

„Ich wollte es dir nicht sagen weil…weil ich Angst hatte du könntest dich noch mehr sorgen. Ich wollte dich nicht noch mehr belasten, als ich es schon tue. Ich hatte immer mal wieder den Gedanken zu gehen. Aber durch da was vorhin passiert war…das mit meinem Blut. Dass dir nichts passiert ist…Das hat mich in meinem Entschluss endgültig bestätigt. Ich muss gehen. Ich habe so viele Fragen. Und ich brauche Antworten. Für uns beide.“

Kaneda sah ihn an. Es war nicht so als würde ihn die Situation von vorhin nicht auch beunruhigen. Er machte sich auch seine Gedanken dazu.

„Vielleicht hatte ich nicht genug Blut von dir zu mir genommen. Schon mal daran gedacht? Vielleicht war es nichts Besonderes und ich hatte einfach nur Glück.“

Doch beide fühlten das dies zu einfach wäre.

„Ja…Vielleicht…Aber auch ohne diesen Vorfall habe ich den schlimmen Verdacht das mein Dorf und meine Art in Gefahr sein könnten.“

Kaneda sah ihn nur an…Dann war da also doch mehr gewesen was ihn beschäftigte. Aber…

„Was kümmert es dich?“

Und da sah Tetsuo wieder auf und war verwirrt.

„Was?“

„Ich meine: Was kümmert es dich? Du hast mir mal gesagt wie du behandelt wurdest. Wie du über dein Dorf und die Leute dort denkst. Und ich hatte nicht das Gefühl das es dir besonders wichtig schien was dort passieren könnte oder los ist. Also warum jetzt? Warum machst du dir plötzlich solche Gedanken darüber? Warum klammerst du dich so sehr an diesen Ort und deren Lebensstil? Denkst du mir wäre das nicht aufgefallen?“

Er sagte das sehr ruhig und gelassen. Aber spitz wie eine Nadel. Gezielt. Und Tetsuo überlegte kurz…wie er darauf antworten sollte. Und dann wusste er es:

„Ich denke mir ist inzwischen auch etwas klarer geworden… Das nicht unsere Vergangenheit bestimmt wer wir sind. Sondern wir selbst mit dem was wir tun. Das ist etwas was du mir klarmachen wolltest. Und…und ich denke ich bin über den Hass hinaus. Ich hasse sie nicht mehr Kaneda. Ich habe etwas sehr wichtiges bei dir gelernt. Von dir gelernt, auch wenn du das vielleicht selber nicht mitbekommen hast…Es nennt sich Verzeihen. Ich weis nicht wie es mit dir ist. Aber ich bin bereit meine Vergangenheit hinter mir zu lassen und zu verzeihen. Ich will nach vorne schreiten. In die Zukunft. In eine Zukunft mit dir. Aber um das zu tun…muss ich alle losen Enden verknüpfen und heilen lassen. Ich muss mich ihnen stellen und sie selber heilen. Und das kann ich nur…wenn ich in mein Dorf zurückkehre. Wenn ich mich meiner Vergangenheit stelle.“

Und das war etwas was er Kaneda weit voraus hatte. Und das wusste dieser auch. Der Ältere sah von ihm weg und nun war er der Jenige der vor sich in die Tiefe der Halle starrte. Er lächelte schwach, aber es war ein verkrampftes Lächeln. Warum war es das?

„Du bist mir da weit voraus Tetsuo…Ich dachte auch immer wieder daran meine Vergangenheit einfach ruhen zu lassen und weiter zu gehen. Aber…aber mir fällt auch immer wieder auf dass es so schwer ist. Ich sehe die Menschen um mich herum. Ich sehe wie sie sich entwickeln. Und ich bleibe stehen…sie gehen weiter. Es ist etwas was ich nicht kann Tetsuo…Eine Narbe die ich tief in meiner Seele habe und die einfach nicht heilt, egal wie viel ich da drauf stapel und versuche sie damit zu vergraben. Dieser Schmerz kommt immer wieder in mir hoch. Immer wieder…“

Es war die Angst vor Verlust. Das war der Schmerz. Das wusste Tetsuo. Und er wusste auch warum. Wegen dem was seine Eltern getan hatten. Sein Vater der ihn in das Waisenhaus gesteckt hatte. Das war die Narbe auf seiner Seele. Und das war es auch was seine Zeit stillstehen ließ. Warum er nicht in der Lage war loszulassen und nach vorne zu gehen. Er war irgendwo noch immer das kleine Kind…was auf dem Hof allein gelassen wurde. Und noch immer dort wartete dass es jemand abholte. Und Tetsuo wollte der sein…der ihn von dort abholt.

„Du bist kein Kind mehr Kaneda.“

Und als er das sagte, sah ihn der Älter erstaunt an. Tetsuo dagegen sah ihn ernst an, aber weich und fürsorglich zugleich in seinem Blick.

„Jeder von uns muss sich seinen Dämonen alleine stellen. Ich sagte dir schon einmal das Schmerzen zum Leben dazugehören. Und manchmal können wir nur weiter gehen wenn wir mit genau diesen Dämonen Frieden schließen die uns quälen. Und genau dieser Schmerz gehört zu dir! Er ist ein Teil von dir und er hat dich zu dem gemacht der du bist! Also akzeptiere ihn doch einfach! Du bist nicht schwach in der Hinsicht Kaneda! Du hast nur Angst dich in eine Welt zu begeben die du nicht kennst! Weil es etwas Neues ist! Aber das musst du nicht! Du bist der geborene Anführer! Du bist fürsorglich und umsichtig auf deine Art. Du schützt die Menschen die du liebst mit deinem Körper. Das allein zeigt wie wichtig dir Familie ist. Aber das konntest du nur lernen weil du genau das einmal verloren hast! Das hat dich zu dem gemacht der du jetzt bist! Und das ist etwas sehr gutes! Es…es tut mir leid was dir passiert ist. Ich will niemanden seine Eltern verlieren sehen. Aber du musst darüber hinwegkommen Kaneda. Du musst lernen diesen Teil von dir zu akzeptieren.“

Aber wem machte er was vor? Auch ihm fiel das selber nicht leicht und er tat sich noch schwer damit. Kurz darauf sah Kaneda aber wieder weg. Ein eindeutiges Zeichen für Tetsuo das er unsicher war und es anscheinend wirklich nicht so leicht viel sich zu lösen. Einfach alles hinter sich zu lassen. Das konnte er sogar verstehen. Denn immerhin hatte es bei ihm ja auch gedauert. Aber das musste aufhören…Kaneda musste damit aufhören sich so zu quälen. Er geißelte sich damit selbst und verhinderte somit seine eigene Entwicklung. Seine Entwicklung…seine Entwicklung in was? In was würde ihn das verändern, wenn er weitergehen würde? Wäre das zum Guten? Oder vielleicht zum Schlechten? Tetsuo wusste es nicht. Das konnte keiner wissen. Man sah es erst wenn man es versuchen würde.

Er sah seinen Liebsten weiter an. Bis er eine Entscheidung fällte und sich bewegte. Er ließ das Geländer los und kam neben den Älteren, der das auch bemerkt hatte und dann zu ihm sah. Kurz darauf wurde er auf den Mund geküsst. Zart und etwas dort verweilend. So das beide ihre Augen schlossen und so blieben. Sekunden sollten ewig währen. So wie jedes Mal wenn sie sich küssten. Und dann löste der junge PsyKI den Kuss und sie sahen sich mit halbgeschlossenen Augen an. Bis Tetsuo wieder zurück ging und dann sagte:

„Ich liebe dich…Aber das ist etwas was ich tun muss. Ich brauche diese Antworten. Das ist es was man Bauchgefühl mir sagt. Und ich habe mich schon immer darauf verlassen können. Bitte verstehe das…Bitte Kaneda.“

Das stimmte. Nur weil er seinem Instinkt und seinem Bauchgefühl gefolgt war waren sie überhaupt hier. Und hatten sich überhaupt kennengelernt. Nie würde der Ältere an diesem Gefühl zweifeln. Aber er konnte…er konnte ihn nicht einfach gehen lassen. Er war in der Hinsicht egoistisch. Er wollte nicht den verlassen den er liebte. Egal was auf dem Spiel stand. Nicht schon wieder wollte er das wichtigste in seinem Leben verlieren. Denn genau das war Tetsuo geworden. Ein Teil seines Lebens. Ihn zu verlieren. Nur der Gedanke daran…gab ihm das Gefühl in der Brust als würde sein Herz zerspringen. Nein. Als würde seine Seele leer werden.

Er ließ auch von dem Geländer ab und drehte sich endlich vollständig zu dem Kleinen um. Sie sahen sich nur an. Man sah in Tetsuo seinen Augenwinkeln den leichten Anflug von Tränen. Er wollte nicht gehen. Das sah man ihm so deutlich und klar an. Aber er musste es tun, genau wie er gesagt hatte. So sprach er auch inzwischen leicht erstickend durch die Entscheidung:

„S-sobald ich meine Antworten habe…komme ich zurück. Du weist ich werde zurück kommen. Ich würde dich nie verlassen. Wir…wir gehören zusammen. Du und ich. Und nichts wird das ändern.“

Natürlich wusste er das. Er musste ihm das nicht sagen. Aber es war dennoch schön dies zu hören. Es stimmte. Sie gehörten zusammen. Noch immer war es etwas was nicht zu beschreiben war. Was nur die Zwei fühlten. Kaneda, ohne ein PsyKI zu sein, auch klar und sicher fühlte. Es war eine Verbindung. Man konnte es wie mit einem Gummiband vergleichen. Wenn der eine sich entfernte, und zu viel Spannung erzeugte, zog es den Anderen automatisch hinterher. Und wenn Tetsuo gehen musste…dann gab es nur eine, für Kaneda, richtige Lösung…

Er nahm die Hände des Kleinen. Sie…sie zitterten leicht. Nicht schwer zu erraten. Es fiel ihm anscheinend schwerer zu gehen, als es in seinen Worten zu hören war. Und bei der Aktion sah Tetsuo verwirrt zu seinen Händen runter. Spürte wie Kaneda sie feste umschlang mit seinen warmen und etwas größeren Händen. Und dann sah er wieder zu ihm rauf. Er…er lächelte. Sein Liebster warf ihm ein sanftes Lächeln zu. Aber es war auch ein entschlossenes Lächeln. Genauso wie die Worte die er dann sprach:

„Das weis ich doch alles Tetsuo. Es ist okay. Wenn du gehen willst dann werde ich dich nicht aufhalten. Du solltest deinem Gefühl folgen. Das war bisher immer der richtige Weg. Aber…du wirst das nicht alleine machen.“

Tetsuo runzelte die Stirn.

„Was? Wie meinst du das?“

„Ich gehe mit dir.“

Und als er das sagte sah ihn der PsyKI erschrocken an. Er will was?! Es kam reflexartig und er schüttelte schon gleich energisch den Kopf von links nach rechts, als er ihm antwortete:

„Nein! Das geht nicht Kaneda!“

Irgendwie kam das für den Älteren nicht unerwartet. Er dachte sich das Tetsuo damit Probleme haben könnte. Wusste auch vielleicht warum. Dennoch fragte er ihn:

„Ach und warum nicht?“

„Weil es dir genauso ergehen würde wie mir!“

Diesen Satz sagte er sehr laut, aber nicht so laut das ihn die anderen Zwei hören konnten. In der Stimme lag Sorge und Schrecken. Was auch immer in seinem Hinterkopf sich abspielte, es schien nichts Gutes zu sein. Und wie gesagt: Kaneda konnte sich auch einen Teil denken an dem es lag. Diesen hielt er aber noch zurück. Er ließ die Hände des Kleinen los und verschränkte locker die Arme vor seiner Brust, lächelte sogar etwas und sprach dann:

„Hast du angst dass mich deine Artgenossen mobben könnten?“

Wenn es nur das wäre…Mobben wäre ein Kinderspiel oder eine Lappalie. Unsicher griff Tetsuo mit der linken Hand an seinen rechten Oberarm und krallte sich dort in den Hoodie, der dabei Falten zog. Es war nicht dieser Grund. Nein. Es war ein viel schlimmerer. Etwas was er selber am eigenen Leib erfuhr. Jeden Tag seit er hier war. Er schluckte und sprach:

„Nein das ist es nicht. Sie…sie würden dich so behandeln wie man mich hier in Neo Tokyo behandelt. Sie würden dich nicht haben wollen.“

Das war noch „nett“ ausgedrückt. Aber Kaneda nahm da kein Blatt vor den Mund:

„Meinst du sie würden mich mit Fackeln und Mistgabeln jagen und erlegen wie ein Tier? Wer hätte das gedacht?“

Tetsuo sah ihn wieder an. Sein Gegenüber sagte das mit einer frechen und ruhigen Art. Bedrückte ihn das so gar nicht? Wie konnte er nur so locker bei der Tatsache bleiben? Und schon sprach der Ältere weiter:

„Ich dachte ihr seid ein friedliches Volk, bis auf einige spezielle Dinge. Ich hätte nicht gedacht das ihr so aggressiv gegen Ausländer vorgehen würdet, hehe.“

„Das ist es nicht! Es hat nichts damit zu tun das sie aus Wut töten würden, oder aus Hass! Sie sind einfach nur verängstigt und haben kein Vertrauen mehr in Menschen von deiner Sorte!“

„Du schützt sie? Warum?“

Kaneda hatte das nicht vorwurfsvoll gesagt, sondern ruhig. Er wollte es wissen. Denn nie schien der Kleine den Eindruck gemacht zu haben dass sie ihm viel bedeuteten. Die PsyKI aus seiner Heimat. Und Tetsuo blieben tatsächlich die Worte im Hals stecken. Stimmt…Warum machte er das? Er hatte vollkommen recht. Er hatte immer Probleme mit den Riten und Lebensgewohnheiten des Dorfes. Und dennoch…schien er daran festzuhalten. Warum hielt er sich so sehr daran fest? Das selbe hatte ihn Kaneda eben schon gefragt…Warum schützte er eben die Menschen, die doch Kaneda nicht akzeptieren würden? Ihn selbst auch nie wirklich akzeptiert hatten. Er sah wieder zum Boden vor sich und sprach leise:

„Ich…ich weis es nicht.“

Es wurde still zwischen ihnen. Aber ehrlich gesagt…konnte sich Kaneda denken warum. Es war ganz simpel in seinen Augen. Er lächelte sanft und antwortetet für ihn:

„Ich denke ich weis es: Weil dieser Ort dennoch deine Heimat ist. Egal wie weit weg du davon zu versuchen rennst, oder du dich davon distanzierst. Irgendwo in deinem Herzen ist es noch immer dein Zuhause.“

Etwas worum er ihn sogar beneidete. Wenn er selbst Neo Tokyo verlassen würde…ihm wäre alles egal. Er würde diesen Ort sogar am liebsten vergessen wollen. Und sicherlich nach einer Weile würde das auch passieren. Nur seine Freunde hielten ihn hier. Sonst nichts. Wenn sie nicht hier wären, dann würde er auf diesen Ort scheißen. Tetsuo hatte immerhin etwas was er mit etwas Gutem verband. Seine Freundin und seine Ziehmutter. Es waren für beide die Menschen die den Unterschied ausmachten. Nicht der Ort. Man war da zuhause…wo die Menschen waren die man liebte. Tetsuo hatte recht. Aber Kai und Yamagata waren hier...Hielt ihn hier also nicht auch etwas?

Der PsyKI sah ihn wieder an. War dem so? Sah ein Teil seines Herzens diesen Ort noch immer als Zuhause an? Das…hätte er nicht gedacht. War es wirklich so tief in ihm verwurzelt? Aber es änderte doch nicht wirklich was an der Situation:

„Ich kann dich nicht mitnehmen Kaneda. Ich möchte dich nicht dem aussetzten was ich hier bei dir erfahren habe. Ich möchte das nicht.“

„Weist du: Du möchtest viele Dinge nicht.“

„Hm?“

„Naja, seit ich dich kenne gibt es viele Dinge die du nicht möchtest oder gegen die du dich sträubst. Und dennoch hast du einigen eine Chance gegeben. Und das war auch gut so. Du hast mir eine Chance geben und bereust es nicht, oder? Vielleicht wäre dies wieder so ein Fall. Lass es uns einfach machen und sehen was passiert.“

Tetsuo schüttelte nun sanfter den Kopf verneinend.

„Ich denke es ist dennoch keine gute Idee. Ich will dich bei mir haben Kaneda. Wirklich. Aber ich möchte dich auch beschützen und…“

„Vor den Bewohnern deine Heimat? Oder vor Akira?“

Und als Kaneda das sagte war es als würde Tetsuo ein Geschwür im Hals entstehen, dass seine Luftzufuhr abschnürte. Versuchte dieses nun durch Schlucken wegzubekommen, aber natürlich brachte das nichts. Er hatte voll ins Schwarze getroffen. Es waren nicht nur die Bewohner vor denen er Sorge hatte. Das war nur leicht der Grund. Vielleicht ihr Oberhaupt könnte problematisch werden. Aber…es war ganz BESONDERS Akira vor dem er sich sorgte. Was wenn er da war? Wenn er genau in dem Moment im Dorf war? Normalerweise tendierte er dazu sich in der Außenwelt zu bewegen und kam nur gelegentlich wieder heim. Doch was wenn er, genau in dem Moment da war, wenn er mit Kaneda ankommen würde? Nicht vorstellbar was passieren könnte. Es würde in eine Situation ausarten in der zwei Männchen sich um ein Weibchen schlagen könnten. Und Akira ist im Vorteil. Klare Sache. Er würde Kaneda mit nur einem Wimpernschlag töten. Nein. Nein das konnte er nicht zulassen.

Da er einige Sekunden nichts gesagt hatte wusste auch Kaneda das er einen Volltreffer verbuchen durfte. Er legte die Hände an seine Hüfte und sprach:

„Ich wusste es…Du hast Angst das er mir was antun könnte, oder? Dachtest du echt ich hätte vergessen was du mir über ihn erzählt hast? Wie er dich damals bedrängen und vergewaltigen wollte? Was für ein Typ er anscheinend ist?“

„Nein! Das ist es nicht! Ich…“

„Doch genau so ist es. Ich kenne dich inzwischen sehr gut Tetsuo. Ich glaube ich weis langsam was in deinem Schädel abläuft wenn ich dir ins Gesicht sehe…Ich hatte dir damals gesagt dass deine Probleme nun auch meine Probleme sind. Und ich habe keine Angst vor diesem Akira. Egal wie stark er ist.“

Tetsuo sah ihn an. War er…wirklich so blöd in der Hinsicht? War das Mut? Oder einfach nur Größenwahn? Er hatte erzählt dass Akira der stärkste in seiner Heimat ist. Er würde Kaneda in Sekunden zerreißen. Und dennoch stand er hier und meinte: er hätte keine Angst vor ihm? Sogar Tetsuo hatte Angst, obwohl er sich wehren könnte. Aber Kaneda war komplett ausgeliefert! Was war der Grund für diese lockere Art? Sein Gegenüber lächelte ihn nun frech an.

„Und wenn er was Krummes versuchen sollte…tja dann beschützt du mich einfach im Notfall mit, hehe.“

Das war es also…Naivität.

„Du machst dir das echt einfach oder?!“

Fauchte Tetsuo etwas beschämt zu ihm und Kaneda lachte leicht. Er hatte mal wieder erfolgreich das Gespräch etwas gelockert. Typisch Kaneda eben. Und als ihm das dämmerte wurde Tetsuo wieder ruhig und sah ihn dann nur an. In seinem Blick lag…Unsicherheit. Was sein Gegenüber spürte.

„Wie…wie kannst du nur so locker damit umgehen? Hast du denn keine Angst das dir was passieren könnte? Hast du…keine Angst sterben zu können?“

Der Kleine sagte das mit einem traurigen Unterton. Er wollte ihn nicht verlieren. Er wollte ihn nie wieder verlieren. Doch Kaneda zuckte nur mit den Schultern locker und lächelte.

„Nein habe ich nicht. Komisch oder? Ich habe…ehrlich gesagt keine Angst mehr zu sterben. Mehr davor…jetzt allein und ohne dich leben zu müssen.“

Tetsuo sein Herz machte einen Hüpfer als er das hörte. Er war so glücklich. Jemand liebte ihn und wollte mit ihm leben. Er kam sich nicht mehr wertlos vor…Und dann schlurzte er doch leicht, wenn auch ohne Tränen:

„D-der Gedanke…das ich dich verlieren könnte…das…das ist für mich schlimmer als selber sterben zu müssen. Ich möchte dich nicht verlieren Kaneda. Ich habe solch eine Angst davor. Und ich bin nicht stark genug um dich vor ihm zu beschützen. Das bin ich nicht…“

Er klang aber als müsste er doch noch weinen. Aber dieses Mal schien er sich zusammen zu reißen. Was lieb war. Er wusste das Kaneda ihn nicht weinen sehen wollte. Deswegen hielt er sich zurück. Er musste das aber nicht tun…

Der Ältere machte einen Schritt auf ihn zu und umarmte ihn dann sanft. Umschlang ihn mit den Armen und schmuste sich mit dem Kopf an den seines PsyKI. Instinktiv wurde das erwidert und sie schmusten mit geschlossenen Augen miteinander. Ein wunderschönes Gefühl. Und Tetsuo hatte das Gefühl als würden ihre Herzen gleichzeitig schlagen. Bildete er sich aber sicherlich nur ein. Schließlich löste sich Kaneda etwas von ihm und sah zu ihm runter, noch immer die Arme um ihn geschlungen und sprach:

„Du bist viel stärker als du glaubst. Ich vertraue dir und ich weis das du alles tun wirst um uns zu beschützen. Du kannst das. Ich habe keine Angst weil du bei mir bist. Mit dir habe ich das Gefühl alles schaffen zu können. Wir schaffen alles gemeinsam.“

Witzig. Eigentlich ging es Tetsuo auch so. Nur war er selber nicht so von sich uns seinen Kräften überzeugt. Zumindest in der Hinsicht zu Akira. Er wusste was er konnte und wusste dass er stark war. Aber an Akira…kam er nicht dran. Da zweifelte er. Denn DAS hatte er damals an sich erlebt. Akira konnte mit ihm tun was er wollte, wenn er wollte. Der Zwang damals war eindeutig gewesen. Unsicher sah er Kaneda an.

„Du…du vertraust mir so sehr? Kaneda…bist du dir sicher das du das willst? Dich dieser Gefahr aussetzten willst? Ich weis nicht was passieren wird, wenn wir in meiner Heimat ankommen.“

Oh? Ein Wind der sich leicht drehte?

„Das ist egal. Ich gehe lieber das Risiko ein, mich in deiner Heimat Gefahren auszusetzten, als dich nicht mehr jeden Tag um mich haben zu können…Ich habe nichts starkes mehr was mich in Neo Tokyo hält. Kai und Yamagata können auf sich selbst aufpassen, im Notfall, bis wir wieder da sind. Die bekommen das hin. Ich denke jetzt ist ein guter Zeitpunkt deine Welt einmal zu sehen. Und damit ich dich noch besser verstehen lerne.“

Seine Welt. Tetsuo hatte sich schon immer mal gewünscht Kaneda seine Heimat zu zeigen. Er hielt es aber wegen der Umstände unmöglich. Doch…vielleicht war das wirklich eine Chance. Und dann lächelte der Ältere noch frecher und sprach:

„Wie gesagt: ich würde es vermissen wenn ich nicht jeden morgen mit deinem Dickschädel und deiner frechen Art um mich aufwachen würde!“

Tetsuo sah ihn muffig an und trat ihm leicht auf einen Fuß dabei, so das sein gegenüber etwas zuckte und dann kurz lachte. Der PsyKI aber schnaufte etwas genervt. Er musste sich eingestehen dass er den Älteren nicht mehr von seinem Kurs abbringen würde. Er hatte sich so entschieden. Sicher könnten sie noch Stunden lang sich darüber streiten, aber das wollte keiner der Beiden. Also gab Tetsuo schweren Herzens nach. Und innerlich trat er sich selber auch in den Arsch. Setzte sich selbst unter Druck damit. Er musste nun beweisen was er konnte. Er musste sich zusammenreißen. Und irgendwie…wollte er auch glauben dass alles gut wird. Wenn sie nur zusammen sind.

Er nahm wieder Kaneda seine Hände und sah auf diese vor sich. Sie waren so schön warm, dass sie auch automatisch anfingen ihn zu wärmen. Immer wieder wurde ihm bewusst wie sehr er diesen Mann liebte. Er würde ihn vor allem beschützen. Versuchen ihn vor allem zu beschützen…

„…Wie willst du es ihnen sagen? Kai und Yamagata.“

Erstaunt sah ihn Kaneda an und sprach sogar überrascht etwas lauter:

„Du stimmst mir zu!? Einfach so?!“

Nun sah ihn doch tatsächlich Tetsuo überrascht an und runzelte die Stirn. Offenbar hatte Kaneda nicht gehofft damit durchzukommen? Konnte das sein? Schon witzig.

„Warum bist du so überrascht? Ich könnte es dir eh nicht ausreden, egal was ich tun würde. Also warum weiter im Streit Energie verschwenden? Ich habe langsam begriffen das es nichts bringt lange mit dir zu diskutieren. Du machst eh was du willst, wenn du dir was in den Kopf gesetzt hast. Egal wie unvernünftig es auch sein könnte.“

Er sagte das mit einer leicht genervten Art, was ihn wieder so frech erscheinen ließ wie damals als sie sich kennen gelernt hatten. Ehrlich gesagt hatte sich der Ältere wirklich auf eine längere Diskussion eingestellt gehabt. Er war froh das Tetsuo so schnell nachgegeben hatte und atmete kurz aus vor Erleichterung. Den Dickschädel vor sich zu brechen war nie leicht. Daher kam ihm das gerade gelegen. Ulkig. Was Tetsuo sagte…hatte Kaneda auch schon mal zu ihm gesagt.

Er sah dann auch zu seinen Händen runter. Sah wie Tetsuo diese noch hielt und wie sie Wärme austauschten. Es ihnen sagen…wie sollte er das tun? Es würde ihm nicht leicht fallen. Die Jungs waren seine Familie und es fiel ihm dennoch nicht leicht sie zurück zu lassen. Er sah wieder zu Tetsuo.

„Ich weis nicht wie ich es ihnen sagen soll…Mitkommen können sie nicht, oder?“

Tetsuo schüttelte den Kopf.

„Du bist schon ein Risiko. Mit noch mehr Menschen würden wir nur noch mehr Probleme bekommen. Dich könnte ich vielleicht mit viel Überzeugung noch durchboxen. Also das dir keiner was tut. Aber drei Menschen deiner Art wären zu viel. Mein Volk ist deiner Art sehr verängstigt und unsicher gegenüber. Ich möchte das nicht ausreizen.“

Klang plausibel und war auch richtig so. Man sollte nicht sein Glück strapazieren. Was an sich aber komisch war, denn PsyKI waren normalen Menschen ja locker im Vorteil. Dennoch hatten sie Angst? Es tat derweil dem Kleinen schon leid. Er würde gerne alle mitnehmen, allein weil er wusste dass es Kaneda viel bedeuten würde. Er wollte nicht noch mehr seiner neuen Familie einer Gefahr aussetzten als es nötig war. Hier waren sie sicherer als in seiner Heimat.

„Tut mir leid Kaneda…“

Er sagte das aufrichtig und etwas traurig. Aber sein Gegenüber nickte nur bestimmt und löste seine Hände von ihm. War nichts zu machen. Er musste es mit ihnen besprechen.

„Dachte ich mir. Vielleicht ist es auch besser…Ich möchte sie keiner Gefahr aussetzten.“

Tetsuo nickte ihm zu. Es war wirklich besser so. Kaneda lehnte sich wieder vor auf das Geländer und sah nach unten in die Tiefe, als er fragte:

„Ich brauche noch eine Minute…Ist das okay?“

Er klang sehr traurig und schwer dabei. Es machte ihm zu schaffen und offenbar musste er noch die Worte finden. Die Worte an seine Jungs. Tetsuo sah ihn traurig an und kam dicht neben ihn. Er schmiegte sich an ihn und schmuste seinen Kopf an den des Älteren. Spendete ihm Trost. Es ertönte ein leichtes Schlurzen. Er hatte sich geirrt. Es war doch nicht leicht Neo Tokyo hinter sich zu lassen. Tetsuo küsste ihn dann kurz auf die linke Wange…Denn Kaneda weinte leicht.
 

Sie waren vielleicht schon gute 20 Minuten weg und Kai hatte in der Zwischenzeit einiges herausgefunden und gelesen. Es war nicht viel, aber schon mal ein Anfang.

Er stand an dem Pult vor der Tafel, die hinter ihm an der Wand hing und blätterte noch immer in einem alten Labordokument rum. Yamagata saß der weil wieder an dem Fenster und hielt nach draußen wache. Und immer mal wieder flüchtig schlich sich der Blick des Jüngsten zu ihm rüber. Er war sehr beeindruckt gewesen wie er vorhin reagiert hatte. Wie er allgemein mit der Situation mit Tetsuo umgegangen war. Er war so sichtig erwachsen gewesen. Das hatte Kai wirklich imponiert, da er ja eigentlich weniger diese Seite von sich zeigte. Yamagata zeichnete sich mehr durch seine Hitzköpfigkeit und Spontanität aus. Er war ein guter Mann. Nur manchmal etwas zu unüberlegt. Aber ehrlich gesagt war nun etwas das Verlangen mit ihm Sex zu haben in Kai entflammt. Er mochte es wenn sein Partner so stark und erwachsen war. Das ließ ihn hochfahren.

Aber das war momentan ein sehr ungünstiger Moment für solche Gedanken oder den Akt an sich. Denn das was er in den 20 Minuten, in der Akte gelesen hatte, war einfach unglaublich gewesen. Und erschreckend. Es bestätigte einen finsteren Verdacht den er schon lange hatte. Und ein Gerücht das es gab. So klappte er schließlich das Dokument wieder vor sich zu und das Umschlagen der Seiten an sich riss Yama aus seinen Gedanken und er sah zu ihm rüber. Kai sah etwas schockiert aus. Er konnte es nicht wirklich verstecken, so dass er ihn besorgt fragte:

„Alles okay Kaisuke? Du bist etwas blass um den Zinken.“

Kai sah darauf erschrocken zu ihm rüber. War das wirklich so offensichtlich gewesen? Naja bei der Bombe die er entdeckt hatte war das auch kein Wunder. Etwas musste nach außen gelangen. Er seufzte und sah wieder auf das Pult vor sich. Wie sollte er Anfangen? Und besonders…wie sollte er das Tetsuo sagen? Das schien der schwierigere Part zu werden. Er wollte ihn nicht verstören.

„Wirklich? Ich dachte eigentlich ich könnte das besser verstecken.“

„Nein kannst du nicht. Was ist denn los?“

Yamagata kam langsam zu ihm und schnallte sich die Waffe über die rechte Schulter dabei. Natürlich war er besorgt wenn er den Kleinen so sah. Kai neigte zu „Überfröhlichkeit“ oder zum ZU positiv sein. Wenn er nicht so war, dann stimmte etwas gewaltig nicht. Dann gingen jedem Mitglied er Gang die Alarmglocken an. Er war sowas wie der emotionale Kompass von allen. Wenn der aus dem Gleichgewicht geriet, dann war die Kacke am dampfen. So kam er vor ihn und auf der anderen Seite des Pults an. Fragte dann:

„Sagst du es mir, oder muss ich dir alles aus der Nase ziehen?“

Kai sah zu ihm auf.

„Ich weis nicht wie ich es sagen soll…Ich denke es wäre besser zu warten bis Tetsuo und Kaneda wieder da sind…Es betrifft sie au…“

Schritte klangen genau in dem Moment rechts von ihm in den Raum, was Kai in seinen Worten abschnitt und beide sahen hin. Nach der lange Zeit kamen Kaneda und Tetsuo auch langsam in den Raum und man sah ihnen an das etwas schwer auf ihren Schultern lastete. Wirklich? Inzwischen kam sich Yamagata wie der Einzige vor der keine fucking Probleme hatte. Er sah wieder zu Kai und sprach:

„Perfektes Timing.“

Als er das gesagt hatte sah ihn Tetsuo etwas verwirrt an.

„Was? Wofür?“

Sie stellten sie zu den Beiden und sahen ebenfalls zu Kai, der wieder seinen Blick gesenkt hatte. Oh je…den Ausdruck kannte Kaneda. Auch er hatte inzwischen geschnallt das etwas nicht stimmte wenn Kai so war. Dann sah er die Akte und das darin verstaute Dokument vor ihm liegen und zählte einfach zwei und zwei zusammen. Er schnaufte leicht. Anscheinend musste er mit seiner Sache noch warten. Augenblicklich wurde ihm klar: das es noch schwerer wurde als es schon war. Er fragte sanft:

„…Was hast du gefunden Kai?“

Und inzwischen wusste auch Tetsuo dass etwas nicht stimmte. Er konnte es von jedem hier spüren. Musste er noch nicht mal, wenn er in die Gesichter um sich sah. Aber was konnte es nur sein was so schlimm war? Er sah nachdenklich zu Kai und verschränkte die Arme vor sich. Auch ihm war nicht die Akte vor der Nase des Jüngsten entgangen und er wusste ebenfalls dass es damit zu tun haben musste. Es war hier aus dem Labor…also hatte es etwas mit seiner Art zu tun…Oder mit ihm.

Er kam zwischen Kaneda und Yamagata wartete dort und dann sah ihn Kai an. Tetsuo lächelte tatsächlich kurz und sprach dann:

„Du musst auf mich keine Rücksicht nehmen. Sag einfach was du herausgefunden hast.“

Irgendwie fühlte er sich in der Lage alles zu verarbeiten. Was auch immer man ihm entgegen warf. Und das gab Kai doch tatsächlich Mut. Er seufzte aus und nahm sich dann das Dokument vor sich, das in der Akte untergebracht war. Er zeigte es, indem er es kurz anhob und senkte es dann wieder auf das Pult unter ihnen.

„Es geht um das Ding hier…Es ist nicht viel, aber ich habe etwas erfahren was hier im Labor gemacht wurde. Viele der Akten waren stark verdreckt oder unleserlich geworden. Also die die ich mir ansehen konnte zumindest. Aber die hier war noch einigermaßen okay zu lesen. Es ist nicht besonders viel, aber das was drin steht ist eine Bombe…Leute…ich glaube hier in diesem Labor wurden PsyKI künstlich erschaffen.“

Kaneda sah ihn erschrocken an. Das war etwas was er nicht hören wollte. Überraschenderweise waren die anderen Beiden aber sehr ruhig und gefasst. Bei Yama ergab das Sinn, aber bei Tetsuo wirkte es schon auf eine Art beunruhigend das es nicht auszusprechen war. Er stand nur da und sah die Akte vor ihnen an. Nicht auszudenken was in seinem Kopf gerade vorgehen musste. Doch der Jenige der etwas sagte war Kaneda. Und das nicht gerade ruhig, sondern besorgt:

„Wie meinst du das? Willst du mir etwa sagen dass all die Gerüchte, die wir unser Leben lang gehört haben, etwa wahr sind?! Das WIR Menschen schuld an dem Schlamassel mit den PsyKI haben?! Das WIR sie erschaffen haben und uns dennoch anmaßen sie wie Abschaum zu behandeln?! Das…das glaub ich nicht!“

„Ich wollte es auch nicht glauben Kaneda. Es steht hier nicht explizit drin das ALLE PsyKI von Menschen erschaffen wurden. Aber die hier im Labor schon! Was bedeutet…“

Er sah unsicher zu Tetsuo rüber, der den Satz sehr kühl beendete:

„…das ich künstlich erschaffen wurde?“

Kaneda sah zu ihm und fasste ihn besorgt an der rechten Schulter.

„Nein! Red dir das bloß nicht ein! Das wissen wir nicht Tetsuo!“

Kai warf sich auch gleich wieder dazwischen. Er wollte den Schlamassel gleich etwas entschärfen den er losgetreten hatte:

„Kaneda hat recht! Du darfst nicht denken dass hier Kinder künstlich erzeugt wurden! Das ist laut der Akte nicht der Fall! Die Kinder wurden während der Schwangerschaft mit bestimmten Proben behandelt. Ich weis nicht genau was es ist, da ich die Bezeichnungen nicht kenne. Aber du bist kein künstlicher Mensch! Du bist ein normaler Fötus gewesen der im Mutterleib eine neuartige Behandlung bekommen hat. Und offenbar hast du dadurch deine Kräfte erlangt!“

„Aber auch das wissen wir nicht!“

Protestierte Kaneda auch schon gleich lauthals dazwischen, so das Tetsuo zu ihm sah. Warum versuchte er diese Möglichkeit so vom Tisch zu fegen? Sicherlich tat er das nur ihm zur liebe. Um ihm Schmerz zu ersparen. Aber das musste er nicht tun. Zugegeben es klang schrecklich und machte ihm Angst. Aber…wenn es so war…ergab vieles einen Sinn. Auch seine Visionen von damals, als er seine Mutter sah, würden so Sinn ergeben. Er wusste nur noch nicht was er davon persönlich halten sollte. Ob es stimmt oder nicht. Bisher waren alles nur Vermutungen. Welche die er auch nicht mehr vom Tisch schob. Das Beste war es erst mal diese Sache beiseite zu schieben. Er brauchte mehr als nur eine Akte aus diesem Labor. Vor allem etwas wo auch sein Name drauf stand und nicht etwas was die Situation im Labor allgemein zeigte. Er könnte wirklich schon immer so gewesen sein und andere wurden mit den Kräften künstlich erschaffen. Das wusste er nicht. Und momentan hatte er auch keinen Kopf sich darüber Gedanken zu machen. Es gab momentan etwas Wichtigeres.

Er schubste Kaneda leicht mit seinem Körper an. Locker und frech so das dieser zu ihm sah. Überrascht wenn er ehrlich sein sollte. Tetsuo…lächelte leicht.

„Du hast recht. Ich denke wir machen uns später darüber Gedanken. Es stimmt das es wirklich beunruhigend ist was du in dieser Akte gefunden hast. Sogar sehr erschreckend wenn wir von euch normalen Menschen künstlich geschaffen wurden. Dahinter müsste auch ein Plan gelegen haben…Aber momentan kann ich mir nicht auch noch Gedanken darüber machen. Vor allem brauchen wir mehr Hinweise und Fakten als nur diese eine Akte. Ich denke das Beste ist es jetzt erst mal wenn ich meine Gedanken auf MEIN Ziel richte. Ich überlasse dir und Yamagata das mit dem Labor hier. Wenn wir wiederkommen habt ihr vielleicht schon mehr rausgefunden.“

Yamagata sah ihn erstaunt an.

„Wir?“

Der Zeitpunkt war gekommen. Und da schaltete sich Kaneda schwer aber sicher ein:

„Ja WIR. Ich gehe mit ihm.“

Er nutzte diese Vorlage von Tetsuo und kam direkt zum Punkt. Aber man musste erstaunt sein wie locker Tetsuo doch die Tatsache von eben annahm. Eigentlich hatte er gedacht dass er viel emotionaler und niedergeschlagener reagieren würde. Ihn so zu sehen ließ Kaneda stolz werden. Er war stark geworden. Er sah Dinge rationaler und lernte sich und seine Gefühle kontrolliert zu beherrschen. Ist es das was Erwachsensein bedeutete? Da schien er Kaneda wieder einen Schritt voraus zu sein. Wenn vielleicht auch nur einen kleinen. Aber nun musste der Löwe am Schwanz gepackt werden…Das wurde Scheiße. Er sah zu Yamagata und sprach:

„Wir haben darüber nachgedacht und ich halte es für das Beste…Ich weis ich überrenne euch jetzt gerade und verlange eine Menge von euch beiden damit ab. Aber das ist etwas was ich tun muss. Er sollte das nicht alleine machen und wir können nur gemeinsam eine Lösung für uns alle finden.“

Kai kam um das Pult herum und stellte sich links neben Yamagata. Sah etwas traurig und überrascht zu ihm. Anders als der Größte im Raum, der grimmig drein sah. Yama verschränkte die Arme vor sich und sprach etwas was noch härter einschlug als die Sachen die Kai herausgefunden hatte:

„Du lässt uns also im Stich?“

Erschrocken sah Kaneda ihn an.

„Was?! Nein! Ich würde euch nie im Stich lassen!“

„Aber genau das tust du damit. Du verlässt Neo Tokyo und lässt so gesehen alles hinter dir, was damit zusammenhängt. Was aus uns hier wird ist dir also anscheinend egal. Ich habe vieles von dir erwartet Kaneda, aber nicht das du deine Brüder fallen lässt wie heiße Kartoffeln und das ohne mit der Wimper zu zucken.“

„Du weist das es nicht so ist!“

„Ach und wie ist es dann?!“

Yamagata brüllte das nun laut zu ihm rüber und Kai zuckte neben ihm erschrocken zusammen. Sah ihn an. Er…er bekam das in den falschen Hals. Und sogar Kaneda war erstaunt das sein Bruder so die Stimme gegen ihn erhob. Das hatte er noch nie gemacht. Nicht mit diesem ernsten Blick und dem Vorwurf darin. Er schien wirklich sauer zu sein. Genau das was Kaneda nicht wollte. Es sollte nicht so eskalieren. Er wollte nicht im Streit auseinander gehen. Doch wie es schien fuhr der Größte gerade erst auf:

„Du wendest dich von uns ab! Egal was SEINE Entscheidung auch ist, dass hat nichts mit deiner zu tun! Du bist unser Anführer verdammt! Wenn du jetzt gehst, ist es als würdest du uns verraten! Du überlässt uns hier der Unsicherheit und den Gefahren auf der Straße allein! Gerade jetzt wo hier Krieg herrscht lässt du uns im Stich?! Ist das dein Ernst Kaneda?!“

Aber der ließ das nicht auf sich sitzen. Das stimmte alles gar nicht! So machte er einen Schritt auf den Größten im Raum zu und zeigte auf ihn, sprach sauer zurück:

„Das stimmt nicht! Gerade weil ich euch so vertraue mache ich das! Ich weis das es scheiße von mir ist! Und ich weis dass ihr mich lieber bei euch haben wollt! Aber ich kann Tetsuo nicht alleine gehen lassen! Er braucht Unterstützung! Er würde bei sich in der Heimat ganz allein sein!“

„Also ist er wichtiger als wir!“

„Ihr seid mir alle wichtig! Ich kann mich nicht zerreißen verdammt!!“

Er brüllte das nun sehr laut und alle sahen ihn erschrocken an. Sogar Yamagata. Denn in diesem Schrei kam der Unterton von Trauer raus. Er wollte nicht. Er war so hin und her gerissen. Er wollte dass sie alle zusammen bleiben. Für immer. Aber dieses Mal mussten sie sich trennen. Es gab keinen anderen Weg. Und genau das schmerzte Kaneda sehr. Es zerriss sein Herz innerlich. Nie würde es ihm egal sein.

„…Ich wünschte es müsste nicht sein. Ich wünschte ich könnte einfach weiter mit euch dreien leben. Frei auf den Straßen nach unseren Regeln. Ich wünschte mir das Tetsuo keine Angst mehr haben muss auf unseren Straßen. Oder das ihr zwei mehr bekommt als ihr jetzt habt. Ich wollte euch immer mehr geben als ihr bekommen habt. Ihr hattet so viel mehr verdient! Aber nie konnte ich euch das geben. Ich habe versagt Yamagata…Ich habe bei meiner Gang versagt. Und ganz besonders habe ich bei euch beiden versagt. Immer und immer wieder. Es…es tut mir leid.“

Er klang so verletzt…Tetsuo fühlte den Schmerz und ihm tat plötzlich ebenfalls sein Herz weh. Aufhören…er sollte aufhören damit…Kai lief eine Träne aus dem rechten Augenwinkel bei der Ansage. Es tat ihm ebenfalls weh, zu wissen das Kaneda gehen würde, aber er wusste auch dass es seine Entscheidung war. Sie war richtig. Tetsuo brauchte Unterstützung, dass stand außer Frage. Sie waren noch immer zu zweit. Aber wenn Kaneda blieb würde Tetsuo allein sein. Das war nicht richtig. Und daran konnte er nichts ändern. Aber noch mehr tat es ihm weh seinen Anführer so zu sehen. Nur Yamagata schien nicht locker zu lassen, oder den Schuss gehört zu haben und sprach noch immer laut zurück:

„Und das macht es jetzt besser oder was?! Denkst du wirklich dass es so einfach ist Kane…?!“

Aber weiter kam er nicht denn etwas traf ihn scharf. Wenige Sekunden danach zischte es über seine rechte Wange und hinterließ eine rote Stelle auf dieser. Er zog dadurch den Kopf zur Seite und sah aber dann wieder vor sich. Sah zu Tetsuo der vor ihm stand und ihm sauber mit der einen Hand eine Schelle erteilte hatte die sich gewaschen hatte. In Tetsuo seinem Gesicht lag Wut und Trauer zugleich. Er verzog den Mund zu einem Knurren und fauchte ihn dann an:

„Es reicht!! Bist du wirklich so bescheuert oder einfach nur verzogen und dickköpfig das du es nicht sehen willst?! Es kann nicht alles immer nach deiner Nase gehen! Denkst du ihm fiel das leicht?! Denkst du das?! Er ist dein Freund verdammt noch mal!! Ihr seid eine Familie!! Er würde nie etwas tun was euch schaden würde!! Ich wollte nicht dass er für mich mitgeht! Er sollte bei euch bleiben! Aber es ist seine Entscheidung was er macht! Nicht unsere! Er leidet mehr als du es dir vorstellen kannst!! Und du stellst dich hier hin und machst es ihm noch schwerer mit deinen Worten!! Als hätte ich ihn manipuliert! Fick dich Yamagata! Ich lasse nicht zu das du ihm noch weiter mit deinen unbedachten Worten verletzt!!“

Noch nie war Tetsuo so laut geworden. Er krisch ihn förmlich zusammen und der Größte machte sogar einen Schritt zurück. Er hatte keine Angst vor ihm…sondern Respekt. Und es beeindruckte ihn. Er setzte sich so sehr für seinen Boss ein…das war beeindruckend. So sehr das er auf den Boden sah und schwieg.

Kai selber konnte in der Situation nichts tun. Er konnte keine Seite ergreifen. Wollte er auch nicht. Denn er verstand beide Seiten und das machte es nicht gerade einfacher. Und als er zu Tetsuo sah, der schnell und wütend atmete und dann wieder zu Yama, der weiter auf den Boden sah…und dann zu Kaneda der selber überrascht von der Aktion des PsyKI war…da reichte es auch dem Jüngsten. Er kam zwischen Tetsuo und Yamagata, sprach dann zu allen:

„Bitte hört auf…Ich möchte nicht das wir im Streit auseinander gehen…Seht uns an. Wir streiten uns hier obwohl wir alles sind was uns noch am Leben hält. Nur weil wir zusammengehalten haben und uns vertrauen sind wir noch hier…Ich kann jeden von euch verstehen. Tetsuo…du musst deine Antworten finden und ich kann verstehen das Kaneda dir dabei helfen will. Er liebt dich und ihr gehört zusammen. Das zwischen euch beiden ist etwas was Yamagata und ich nicht verstehen. Es ist anders als unsere Beziehung. Und genau deswegen müsst ihr gehen. Das ist sehr wichtig, ich weis das. Aber…aber ihr müsst auch Yamagata verstehen. Er meint das nicht böse. Er…er macht das nur weil er euch genauso liebt wie ich auch. Und weil er Angst um euch hat.“

Yama sah erstaunt zu ihm. Kai weinte, das war nicht zu überhören, auch wenn er es nicht sehen konnte, sondern nur seinen Rücken. Dafür konnten das aber die anderen Beiden. Denen der Anblick nicht gefiel und leid tat. Er hatte recht…sie duften nicht mehr streiten. Und Tetsuo machte einen Schritt näher zu ihm und schlang seine Arme um den Nacken des Jüngsten. Drückte ihn fest an sich und strich ihm mit einer Hand dabei über den Rücken, der leicht bebte durch das bitterliche Weinen. Kai schlurzte und umarmte ihn zurück. Ließ sich von ihm drücken und weinte nur weiter still. Somit war auch klar das er nicht wollte das Kaneda und Tetsuo gingen. Aber manchmal…muss man Menschen gehen lassen wenn man sich um sie sorgte oder liebte. So funktionierte das. Und noch nie zuvor war ihm Tetsuo so offen und nahe gewesen. Und in der Situation verstand es Kaisuke: Es fühlte sich nicht anders an…Einen PsyKI zu umarmen fühlte sich nicht anders an als bei einem Menschen. Und ihm wurde noch klarer…das einen Menschen zu töten sich genauso einfühlte wie einen PsyKI. Es machte keinen Unterschied. Sie waren alle Menschen. Mit nur leichten Unterschieden. Es tat gut so von Tetsuo umarmt zu werden. Sie waren sich näher als je zuvor. Und nach einigen Sekunden hatte er sich auch wieder gefangen und löste sich sanft von dem PsyKI. Rieb sich die Tränen schnell mit dem rechten Arm weg und sah ihn an. Tetsuo lächelte traurig aber auch aufmunternd. Das hier…das war kein Abschied für immer. Nur für eine Weile. Und er wollte sein Bestes tun um sie zu unterstützen und herauszufinden was er konnte. So tat er etwas Ungewöhnliches…Er gab den Jüngsten einen Kuss auf die rechte Wange. Und als er sich löste lächelte er ihn lieb an. Kai war erst erschrocken…aber dann lächelte auch er lieb wenn auch traurig. Sie waren Brüder geworden.

Kaneda kam nun auch dazu und fasste Kai auf die rechte Schulter. Es war seiner Meinung nach genug von Tetsuo gesagt und getan und er lächelte ihn lieb an. Der Jüngste nur zurück. Und dann sprach Kaneda:

„Ihr zwei haltet hier die Stellung. Ich weis dass ihr gut auf euch aufpassen werdet so lange ihr zusammen seid. Ich vertraue euch. Das habe ich schon immer. Und wenn wir wieder da sind, bin ich mal gespannt was ihr herausgefunden habt und wie es gelaufen ist.“

Er sah dann zu Yamagata rüber, der seinen Blick und sich komplett abgewendet hatte und zum Fenster starrte. Er sagte kein Wort. Was wohl wirklich in ihm vor ging?

Kai griff plötzlich hinten an seinen Hosenbund und zog dann etwas hervor. Es war ein Walkie und er reichte es Kaneda, der es etwas verdutzt ansah im Moment. Mit den Dingern hatten sie die letzten Wochen und auch schon davor viel kommuniziert. Aber warum reichte er ihm jetzt gerade eins? Der Jüngste lächelte.

„Nimm es. Ihr wusstet es nicht, aber ich habe in den letzten Wochen auch mal in meiner Ruhezeit durchgearbeitet und an denen hier rumgebastelt. Dieses und das was ich hier noch bei mir habe, sind spezielle Anfertigungen von mir. Die Batterien halten viel länger und wir können in Kontakt treten wo auch immer wir uns aufhalten. Sie haben eine sehr gute Verbindung. Hat etwas gedauert bis ich die zusammengebastelt hatte, aber ich denke jetzt ist es das alle mal wert. Ich dachte wenn wir mal in Schwierigkeiten sein sollten, können wir uns überall erreichen. Trifft sich gut oder? So können wir jetzt noch im Kontakt bleiben, wenn was sein sollte. Wir sollten nur nicht so viel darüber sprechen. Ich konnte keinen Störfaktor einbauen um zu verhindern dass wir abgehört werden. Leider kann man die Verbindung leicht hacken und nachverfolgen, wenn man etwas Talent und die Technik dazu hat. Jetzt sollte nur das Militär dazu in der Lage sein, aber ich denke die haben momentan genug zu tun, als das sie einfach mal willkürlich fremde Verbindungen hacken würden.“

Er war einfach klasse. Kaneda hatte nichts davon gewusst. Geschweige denn bemerkt dass er heimlich an einem speziellen Walkie tinkerte. Er nahm es aus der Hand des Jüngsten und sah es an. War sogar kleiner als ein normales Walkie. Deswegen also…Weniger Platz deswegen auch eine Funktion weniger. Das ergab Sinn. Aber so konnte es gut verfrachtet und überall mit hingenommen werden. Das würde ihnen noch nützlich sein. Und so blieben sie immer im Kontakt. Er sah wieder zu Kai. Dankbar.

„Ich…weis gar nicht was ich dazu sagen soll Bruder. Du bist einfach der Wahnsinn. Immer einen Schritt bedachter und weiter als wir.“

„Ein einfaches „Danke“ reicht völlig Kaneda.“

Sagte er lieb zurück und sein Blick fuhr dann zu Tetsuo. Der diesen erwiderte. Ohne lange zu überlegen nahm Kai eine der Hände des PsyKI und hatte sie fest mit seinen Beiden gefasst. Drückte etwas zu und sprach dann etwas flehend und traurig zu ihm:

„Bitte. Bitte versprich das du gut auf ihn aufpasst…Bring ihn uns heil zurück. Ja Tetsuo?“

Der PsyKI sah ihm in die Augen. Was sollte er dazu noch sagen? Er lächelte und nickte entschlossen. Seine Unsicherheit von vorhin war schlagartig verflogen. Man verließ sich auf ihn. Und er würde nicht enttäuschen. Das waren nämlich schon zwei die auf ihn zählten. Mehr als je zuvor.

„Das mache ich. Keine Sorge. Ich passe schon auf das er nichts dummes anstellt.“

Er sagte das sehr frech und sah dann mal neben sich zu Kaneda, der sich am Hinterkopf kratzten musste deswegen. Das machte er immer wenn er etwas beschämt war.

„Kommt schon. Ich bin doch kein Kleinkind mehr auf das man aufpassen muss.“

Er lächelte auch etwas frech deswegen.

„Nein. Aber du bist quasi ein großes Kind auf das man aufpassen muss.“

Kam es schließlich von Tetsuo frech zurück. Passender hätte er es nicht sagen können. Darauf bekam er einen leichten Schubser seines Liebsten und lachte kurz. Es war nur Spaß. Dennoch neigte Kaneda öfter gerne mal zu unüberlegten kindlichen Aktionen. Das war ein Fakt. Und dennoch war er in mancher Hinsicht erwachsener als die Anderen.

Yamagata blieb noch immer merkwürdig still am Fenster stehen und sah nicht zu ihnen. Er brauchte offenbar noch etwas. Er schien noch nicht bereits zu sein sich zu verabschieden, wenn überhaupt. Aber das war auch okay, denn erst Mal mussten sie in das eingeweiht werden was sich Tetsuo gedacht hatte. Noch bevor ihn jemand fragen konnte: Wie das jetzt laufen würde, fing er schon an zu erzählen. Machte die Hände in die Hosentaschen dabei.

„Es wird nicht so leicht werden.“

Kaneda sah zu ihm.

„Wie hast du dir denn gedacht wie es ablaufen wird?“

„Naja wenn ich alleine gegangen wäre, dann wäre der Schritt in meine Heimat zu kommen wesentlich leichter gewesen. Ich wäre hingekommen wie ich hier her kam. Einfach in der Nacht durchgeflogen. Aber mir dir kann ich diesen Plan nun über Bord werfen. Und ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung wie ich dich da hinschiffen soll. Tragen kann ich dich ja schlecht.“

Kai ließ seine Hand los und fragte:

„Ist deine Heimat denn weit weg von Neo Tokyo?“

Tetsuo schüttelte den Kopf.

„Eigentlich nicht. Ich brauche nur eine halbe Stunde in meinem vollem Flugtempo. Meine Heimat ist am Fuji in der Sperrzone.“

„Du meinst das Gebiet das radioaktiv verseucht ist?! Da lebt ihr?!“

Er bekam ein Nicken.

„Es ist gut dass die Menschen weiterhin so denken und diesen Ort meiden. Sonst hätten wir nur Probleme.“

Kai erinnerte sich das dieses Gebiet vor sehr langer Zeit als für immer unbewohnbar abgestempelt wurde. Sogar noch vor seiner Geburt. Es war ungefähr so wie damals in Fukushima. Das inzwischen auch nicht mehr bewohnt wurde und dessen radioaktiver Einfluss sich inzwischen sich noch weiter im Land verbreitete als nur an dem Unfallort und darum. Verseuchtes Wasser drang aus dem Gebiet raus und verseuchte weitere Landmassen weiter weg. Es wurde sehr spät entdeckt und so konnte man nur Teils alles aufhalten. Der originale Ausbruch war im März 2011 passiert. Aber reichte noch bis heute. Und wer weis wie lange es noch unbewohnbar blieb. Aber die Katastrophe die sich um den Fuji befand war schlimmer und gefährlicher gewesen als das in Fukushima. Dieses Gebiet war absolut verboten für Menschen. Bereits Kilometer vor dem Berg waren die Landschaften schon abgesperrt mit Zäunen. Schildern die auf Verseuchung hinwiesen. Er zeugte davon wie sehr die Menschen doch daran arbeiteten den Planeten zu zerstören. Bewusst oder unbewusst dass bleibt mal hingestellt. Aber was Tetsuo da sagte…Wie konnten PsyKI dort leben? Sie waren doch wie Menschen. Machte ihnen Strahlung nichts mehr aus? Das besorgte ihn so schaltete er sich ein:

„Moment mal! Wenn euch die Strahlung nichts aus macht, was ist mit Kaneda?! Er ist nicht wie du und die anderen PsyKI!“

Tetsuo und Kaneda sahen sich an. Stimmt. Er wusste davon ja nichts. Also erlöste ihn Tetsuo auch gleich und brachte damit auch Beruhigung:

„Das Gebiet ist nicht mehr verseucht. Mach dir darüber keine Gedanken. Unser Oberhaupt hat vor langer Zeit, mit seinen Kräften, den Boden und das Wasser dort gereinigt. Frag nicht wie, denn ich habe keine Ahnung. Aber es besteht kein Grund zur Sorge. Kaneda wird nichts passieren.“

Das erleichterte Kai zu hören. Aber erstaunte ihn auch gleich dass es einen so starken PsyKI da draußen gab.

„Wirklich? Da bin ich aber erleichtert…Aber…sobald ihr dort ankommt, wie geht es dann weiter? Hast du dir schon was zu Recht gelegt? Also was ist genau dein Plan?“

Sein Plan…Was war sein Plan? Er hatte nur ein Ziel, aber sich nicht einen genauen Plan ausgedacht.

„Ich weis es noch nicht genau. Das überlege ich mir wenn ich da bin. Fakt ist: das wir nicht ungesehen dort ankommen werden. Unser Oberhaupt hat in einem großen Umkreis um unsere Heimat einen Schutzwall gelegt. Hauchdünn und nicht sichtbar für das bloße Auge. Sobald ein Mensch durch diesen schreitet ist das als würden unserem Oberhaupt die Ohren klingeln. Er wird sofort alarmiert und dann schickt er einige von uns los um das zu regeln, oder zu überprüfen. Mit Kaneda wird das definitiv passieren. Ich werde mich also darauf gefasst machen müssen zu kämpfen, wenn man mit ihnen nicht reden kann. Ich weis nicht wie sie reagieren werden. Auf mich oder auf Kaneda.“

Es klang also sehr riskant. Er riskierte viel mit ihm da hin zu gehen. Das wurde Kaneda in dem Moment bewusst.

„Vielleicht sollte Kaneda sich besser bewaffnen zum Schutz?“

Fragte Kai. Er musste die Waffe ja nicht einsetzten aber dennoch…Aber gleich schüttelte Tetsuo den Kopf.

„Nein. Auf keinen Fall. Sie sind auch so schon nervös genug wenn ein Mensch ohne Kräfte in ihre Heimat eindringt. Mit Waffen bekommen sie nur noch mehr Angst und werden unberechenbarer. Sie könnten angreifen ohne zu überlegen. Eher legen sie ihn um, als das sie das Risiko einzugehen das er zuerst angreifen könnte. Nein das dürfen wir nicht riskieren.“

Das kam überhaupt nicht in Frage. Einen normalen Menschen mitbringen war ein Ding. Aber dann auch noch bewaffnet ein Anderes! Nein. Kaneda musste wenn dann unbewaffnet auftauchen. Er musste zeigen dass er keinem was tun wollte und friedlich gesinnt war. Tetsuo allein musste ihn im Notfall beschützen. Einen Notfall von dem er hoffte dass er nicht eintreffen würde. Doch besser war es vorbereitet zu sein. Also stellte er sich schon mal darauf ein. Es stand außer Frage das Kaneda keine Gefahr war. Darüber sorgte er sich nicht. Tetsuo seine Unsicherheit kam mehr von seinem Volk her. Sie waren noch nie einem normalen Menschen begegnet. Hörten nur von ihnen und mehr nicht. Keine Ahnung wie sie reagieren würden. Die Einzigen die jemals Kontakt mit Menschen, ohne Kräfte, von Außerhalb hatten im Dorf, waren Ryu ihr Oberhaupt und Miyako. Den Kontakt zu Kaori zählte er nicht. Sicher war sie ein normaler Mensch, aber sie lebte schon immer im Dorf und war kein Außenseiter mehr. Kein Mensch von Außerhalb. Keine Gefahr also und irgendwie war sie auch ein Teil des Stammes geworden.

Er sah zu Kaneda.

„Du wirst mir vertrauen müssen.“

Aber das stand für Kaneda auch völlig fest. Warum sollte er ihm nicht vertrauen? Keiner konnte die PsyKI in seinem Dorf besser einschätzen als er. So das er zurück lächelte und sprach:

„Es ist okay Tetsuo. Natürlich vertraue ich dir. Ich habe keine Angst vor deiner Heimat. Alles okay.“

Er bekam ein Lächeln des PsyKI zurück. Das war gut zu hören. Dann sah er wieder zu Kai.

„Ich werde dafür sorgen dass alles gut läuft. Und ich verlasse mich auf euch dass ihr etwas mehr herausfindet was hier passiert ist. Ich habe das Gefühl…dass das was hier passierte und das was ich vielleicht in meiner Heimat erfahren könnte, den Nebel lichten können der über uns liegt. Ich denke wir könnten so Antworten finden warum das alles so ist wie es momentan läuft. Warum unsere Arten so verfeindet sind.“

Und das aus seinem Mund zu hören, war erstaunlich. Als sie Tetsuo kennenlernten wirkte er als wären ihm Menschen egal. Nicht nur seine Rasse sondern auch normale Menschen. Aber nach und nach schien er sich immer mehr zu öffnen. Und er schien jeden mit seinen Fehlern akzeptieren zu lernen. Besonders normale Menschen. Vielleicht suchte er unbewusst, genau wie Kai, inzwischen einen Grund warum die zwei Arten so verfeindet waren. Würden sie vielleicht den Grund finden? Aber die entscheidende Frage wäre doch: würde sich was ändern wenn sie wissen warum? Können so die zwei Arten zueinander finden? Weil es ist möglich. Tetsuo und Kaneda waren das perfekte Beispiel das es möglich war. Das die zwei Arten zusammen leben können und sich auch lieben lernen dadurch. Kaneda war ein Mensch und Tetsuo ein PsyKI. Es funktionierte doch.

Kaneda sah hinter zu Yamagata, der sich immer noch nicht gerührt geschweige denn etwas gesagt hatte. Es tat ihm leid seinen Bruder so sehen zu müssen. Aber das war etwas was nicht Yama zu entscheiden hatte, oder an dessen Ausgang er was ändern konnte. Und während er zu ihm sah, sah er wie durch das Fenster vor Yamagata die Sonne langsam aufging. Die ersten Strahlen sich schon langsam über das Brachland der alten Stadt schlichen und Streifen über diese zogen. Als wollte die Sonne die kalte Welt erwärmen, aber die tote Erde und Gebäude antworteten nicht darauf. Und langsam wurde es dem Anführer der Capsules klar…dass es an der Zeit war. Er fasste sich ein letzte mal schweren Herzens und sprach zu seinem Bruder hinter:

„Die Sonne geht schon auf und ich möchte, bevor sie zu hoch am Himmel steht, aus diesem Stadtteil raus sein. Und am Besten schon so weit wie möglich aus dem Radius von Neo Tokyo raus…Yamagata…Ich weis du willst das nicht verstehen, aber ich will es tun. Und während ich weg bin möchte ich dir Kai anvertrauen. Nein…das ist nicht richtig. Ich möchte das ihr beide gut auf euch aufpasst und gesund bleibt, bis Tetsuo und ich wieder da sind…Das ist meine Bitte an dich Bruder.“

Letztendlich sahen alle zu dem Größten im Raum hinter, der sich noch immer nicht bewegt hatte. Was sehr besorgend war. Er war für seine Verhältnisse viel zu still. Und als weiterhin nichts kam sagte Kai leise zu sich selbst:

„Yamagata…“

Und wollte am liebsten zu ihm hin. Aber er riss sich zusammen. Yamagata war alt genug und brauchte keinen der ihm das Händchen hielt. Auch Kaneda sah darin keinen Sinn mehr, so sehr es ihm auch leid tat so auseinander zu gehen fürs Erste zumindest. Sie würden sich alle wiedersehen, nur wusste keiner wann genau. Er sah traurig zum Boden und nickte dann langsam.

„Wir müssen los…Ich verlasse mich auf euch. Bis dann…Yamagata.“

Und er drehte sich doch tatsächlich um und verließ den Raum. Im ersten Moment wirkte es eiskalt und als wäre es ihm egal. Vielleicht sogar überstürzt und plötzlich, aber es musste so sein. Nur so konnte er mit der Situation selbst umgehen. Ansonsten würde er nämlich mit sich kämpfen müssen zu gehen. Er würde sich innerlich zerreißen und zusammenbrechen daran.

Tetsuo und Kai sahen ihm nach. Der junge PsyKI mit schmerzhafter und trauriger Mine. Er fühlte genau was los war. Kai machte einen Schritt auf ihn zu und stand dann direkt neben ihm sagte, noch immer den Blick auf die Tür des Raumes gerichtet:

„Er ist sich sicher. Aber es fällt ihm dennoch nicht leicht.“

Er sah wieder zu Tetsuo und der zu ihm.

„Bitte pass auf ihn auf und kümmere dich um ihn. Ich weis ich habe das schon mal gesagt, aber bitte mach das für mich. Für uns beide.“

Er sah dann wieder hinter zu Yamagata, der sich inzwischen an das Fenster gestellt hatte und sich dagegen lehnte. Er schien verzweifelt zu sein. Keiner der Beiden wusste dass er in dem Moment tiefe Trauer in sich fühlte. Und selber Schuld. Dann ließ der Jüngste von dem PsyKI ab und lief aus dem Raum raus, Kaneda hinterher. Tetsuo dagegen blieb stehen und sah zu dem Größten hinter. Er wusste nicht was in seinem Kopf vor ging. Aber er konnte fühlen dass er sehr aufgebracht war. Dazu musste er nicht mal seine Kräfte benutzten, selbst wenn das so einfach ginge über die Entfernung. Und während er kurz zu seinen Füßen runter sah und dann wieder zu dem Menschen am Fenster…wusste er was noch zu tun war.

Also lief er langsam zu ihm hin und stellte sich rechts daneben ans Fenster. So das nun beide raus sahen. Das Sonnenlicht wurde stärker und die Wärme erreichte nun auch langsam ihr Gebäude, auch wenn es weniger lebendig dadurch wurde. Dazu war zu viel Tod an diesem Ort. Der Kleine sah zu Yamagata und erblickte die ernste aber auch traurige Mine, die der Große nach draußen in die Ferne warf. Er wusste was zu tun war.

„Du hasst mich dafür…oder?“

Keine Reaktion von Yama und Tetsuo sprach weiter:

„Weist du…Es tut mir leid das ich dich vorhin so angemacht habe. Es ist nur…Kaneda trägt ebenfalls eine so große Last auf seinen Schultern. Eine von der du nichts weist. Ich wollte nicht dass er noch mehr unter der Last zu gehen leiden muss. Es ist seine Entscheidung. Aber ich wollte sie ihm etwas leichter machen und davor schützen. Es…es war nicht richtig dir eine zu knallen. Tut mir leid. Ich…ich kann nicht mehr tun als dir zu versprechen das ich ihn euch so schnell wie Möglich wieder bringe. Ich hoffe du kannst damit umgehen Yamagata.“

Und da er weiter keine Reaktion bekam, wand er sich schließlich auch von dem Größten ab und lief zu der Tür des Raumes. Er hoffte dass er in seiner Heimat schnell alles regeln könnte. Wollte nicht noch länger die Freunde trennen. Was nun wegen ihm passiert war. Dessen war er sich bewusst. Als er an der Tür an kam blieb er noch mal kurz stehen, da eine Stimmte hinter ihm sprach:

„Ich hasse dich nicht dafür.“

Er sah über seine linke Schulter hinter zu Yamagata, der sich endlich bewegt hatte und sich zu ihm drehte. Den Blick auf den Boden gerichtet, aber endlich sprechend:

„Am Anfang konnte ich dich nicht leiden. Ich dachte du wärst ein Monster und würdest uns bei der ersten Gelegenheit alle töten. Ich habe dir Misstrauen und böse Absichten entgegengeworfen weil ich Angst vor dir und deinen Kräften hatte. Dessen bin ich mir nun endlich bewusst geworden… Aber nachdem du Kai gerettet hast konnte ich dich nicht mehr hassen. Nenn mich egoistisch, aber es ist so. Du hast das beschützt und gerettet was ich liebe. Und wer bin ich…das ich jemanden vorschreibe sich von dem zu trennen den man liebt? Es war von mir nicht richtig Kaneda solch eine Scheiße an den Kopf zu werfen. Besonders da ich weis dass er uns nie im Stich lassen würde. Es ist nur…er ist mein Bruder und mit Kai meine Familie. Ich möchte keinen aus meiner Familie verlieren. Und das hat mich vorhin den Kopf verlieren lassen. Und selbst jetzt…bin ich zu feige ihm das zu sagen. Was bin ich doch für ein Schlappschwanz, oder?“

Noch nie zuvor war er so gewesen. Er sprach aus seinem Herzen und offener würde er vielleicht auch nie wieder sein. Allein dem PsyKI gegenüber. So das Tetsuo leicht lächelte und sich zu ihm umdrehte, antwortete:

„Wir sind alle nicht perfekt. Deswegen sind wir Menschen. Und es ist okay, wenn du ihm das nicht sagen kannst. Denn ich denke er weis das schon längst. Weis dass du Angst hast ihn zu verlieren. Kaneda ist zwar immer mal etwas blöd und leicht unbedacht, aber er ist nicht unsensibel. Er weist das du es nicht so gemeint hast. Und er ist jetzt gegangen weil er sonst nicht mehr kann…Ich danke dir Yamagata. Und ich…ich bin sehr froh das du und ich uns inzwischen verstehen. Wir wollen beide das Gleiche. Nämlich Kaneda beschützen. Und vielleicht sind wir uns doch etwas ähnlicher als wir zugeben wollen, oder?“

Er lächelte dabei etwas frech, so dass der Große zu ihm sah und frech zurück lächelte. Gleich schüttelte er den Kopf und sprach arrogant, wie man ihn kannte:

„Vergleich mich nicht mit einem PsyKI und Spinner wie dir.“

Und alles war geklärt. Sie sahen sich nur an. Aber kurz bevor der junge PsyKI gehen wollte sagte Yamagata aufrichtig und aus seinem Herzen zu ihm:

„Tetsuo…Bitte pass auf ihn auf. Ja? Bring ihn uns heil wieder zurück, okay?“

Tetsuo nickte ihm zu. Glücklich.

„Das mache ich. Versprochen.“

Und dann verließ der junge PsyKI den Raum und ließ Yamagata zurück. Der auf den Boden vor sich sah und wusste dass er das Richtige getan hatte. Auch wenn es weh tat. Und dann tropfte eine heiße Träne auf den Boden vor ihm. Und er ließ seine Tränen einfach laufen. Er würde beide vermissen. Und genau wie Kai auf ihre Rückkehr warten. Menschen kamen zusammen. Wurden eine Familie und gehen dann getrennte Wege. Ohne einander zu vergessen. Das war es was man erwachsen nannte. Nämlich Menschen gehen zu lassen die man liebte.



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