Bei der zweiten Flasche Rotwein
Olivier lehnte sich seufzend nach hinten, stützte sich auf und bedachte Yuriy mit einem Blick, den dieser nicht deuten konnte. Zwischen ihnen auf dem Boden lagen die Überreste eines Picknicks aus Oliven, Käse und Brot ausgebreitet. Die beiden Wasssergläser, die Yuriy besaß, dienten als Gläser für den Rotwein, von dem sie inzwischen die zweite Flasche leerten. Der Russe hob eine Augenbraue, stellte seinem Französisch-Lehrer eine stumme Frage. Der Kühlschrank in der Kochecke summte leise. Olivier wollte wohl nicht verstehen.
„Worüber denkst du nach?“, hakte Yuriy schließlich nach, strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn und nahm eine Traube, die Olivier mitgebracht hatte. Dabei beglückwünschte er sich zur offensichtlich grammatikalisch korrekt gestellten Frage. Ansonsten hätte sein Lehrer ihn korrigiert. Darin war er sehr penibel.
Olivier setzte an, brach ab, setzte wieder an, es verließ jedoch nur ein Seufzen seine Lippen. „Wie lange ist es her, seit du jemanden geküsst hast?“, frage er schließlich unvermittelt. Zu Yuriys Augenbraue gesellte sich die zweite. Das kam unerwartet; nicht, dass Olivier mit seinen unvermittelten, manchmal absurd direkten Fragen ihre langen Diskussionen begann. Das Thema der Frage vielmehr überraschte ihn. Normalerweise unterhielten sie sich über Paris, über Yuriys Eindrücke der französischen Kultur und über russische und französische Literatur. Diese Frage hingegen war seltsam persönlich. Yuriy wusste nicht, was er daraus machen sollte. Sie fühlte sich seltsam unangebracht an. Immerhin pflegten sie ihre Gespräche mehr aus pragmatischen Gründen. Abwechselnd sprachen sie miteinander Französisch oder Russisch, um dem jeweils anderen ihre Herkunftssprache zu vermitteln.
Wie sollte er darauf antworten?, fragte sich Yuriy und blickte zum Fenster hinaus in Richtung der Dächer Paris‘, die sich vor ihm erstreckten. Die Hitze des Tages klang langsam ab, trotzdem flimmerte die Luft noch. Der Wind, der durch das geöffnete Fenster hereinwehte, trieb den Duft von fremdem Essen und vielen schwitzenden Menschen auf einem Haufen herein. „Länger“, beschloss er schließlich, so vage zu bleiben wie es ging. Er verdrängte die Erinnerung an den plötzlichen Kälteeinbruch im sibirischen Frühling und die Lippen, die ihn gewärmt hatten. Das war vorbei.
Der Franzose, der seine Haare in einem Anflug von verspäteter Pubertät noch immer neongrün färbte, langte nach einer Scheibe Brot. Er bedachte ihn mit einem Lächeln. „Du hältst dich wie immer bedeckt, Yuriy“, stellte er fest. Yuriy beschloss, dass es Antwort genug war, demonstrativ sein Glas Wein auszutrinken und darauf nicht weiter einzugehen.
„Ich glaube“, fuhr Olivier unbeirrt fort, „ich habe vor zwei Tagen jemanden geküsst. Das war auf dieser Gala.“ Der Franzose wollte wohl einen Monolog über das führen, was ihm gerade durch den Kopf ging, vermutete Yuriy und entspannte sich etwas. Sollte er doch. Dann musste wenigstens er nicht weiter sprechen. Sein Französisch war noch zu schlecht, um lange Gespräche zu führen, und auch wenn sich Olivier alle Mühe gab, war sein Englisch noch grauenhafter als das von Kinomiya Takao, sofern das überhaupt möglich war. Olivier gab sich normalerweise Mühe, nicht zu komplizierte Wendungen zu verwenden. Dann konnte der Rotschopf ihm mühelos folgen. So auch jetzt. „Sie war nett. Sie ist die Tochter eines Diplomaten“, Olivier trank einen Schluck Wein und musterte den Russen ihm gegenüber mit einem eingehenden Blick, wie um zu prüfen ob er ihm auch zuhörte. Er formulierte wohl mit Absicht sehr kurze Sätze, denen Yuriy gut folgen konnte. Olivier überlegte kurz, dann lächelte er ihn traurig an. „Sie ist schön. Sie hat gut geküsst. Aber es war langweilig. Es war ohne Bedeutung.“
Olivier seufzte, und Yuriy nutzte die Pause, um sein schlechtes aktives Französisch zu erproben. „N'avoir aucune importance?“, hakte er also nach, wiederholte dabei die Phrase, die der Franzose verwendet hatte, und erntete dafür einen schiefen Blick. Die letzen Wochen hatten ihm gezeigt, dass diese Art der Nachfrage das Gespräch mit seinem Französisch-Lehrer am wenigsten störte.
„Ja, Bedeutung: Du weißt schon, wenn etwas sehr wichtig ist?“, versuchte Olivier zu erklären. Yuriy dachte darüber nach, wann ihm das letzte Mal etwas wichtig gewesen war. Auch das war, ähnlich wie sein letzter Kuss, länger her.
„Ich verstehe. Was ist schlimm, wenn ein Kuss keine Bedeutung hat?“, versuchte er das Gespräch wieder anzukurbeln. Er hatte die eine oder andere Affaire gehabt, mit Frauen und Männern. Es war unkompliziert gewesen. In Russland nur mit Frauen, in Paris mit beiden Geschlechtern. Hier war man freier als in Russland. Es hatte Spaß gemacht, mehr aber nicht. Es war nie mehr als Spaß gewesen. Auch die Lippen, die ihn im plötzlichen Kälteeinbruch wärmten, waren nur Spaß gewesen.
„Nichts ist schlimm daran“, antwortete Olivier ihm ehrlich, dachte kurz nach und fügte – noch ehrlicher – hinzu: „Manchmal habe ich das Gefühl, mein Leben ist eine Kette aus Taten ohne Bedeutung. Hattest du jemals das Gefühl, etwas wirklich Wichtiges zu tun?“
Yuriy schwieg, zunächst konzentriert, weil er den Sinn der Frage verstehen musste, dann betroffen, weil er ihn verstanden hatte.
„Beim ersten Mal lag ich falsch damit“, erwiderte er nach einigen Minuten, in denen er überlegt hatte, wie er die vielen Dinge, die ein Übersetzungsproblem für ihn darstellten, formulieren konnte. Er erinnerte sich an das Gefühl, nicht nur ein Bitbeast, das er kaum bändigen konnte, zu zügeln, sondern eine immense Zahl davon. Sie alle hatten ihn überwältigt – jedes auf seine spezielle Weise. Yuriy war berauscht gewesen von der Macht, und zugleich hatten die vielen aufschreienden Geister ihn fast um den Verstand gebracht. Darunter war auch Unicolion gewesen, das nach seiner Niederlage gegen Kinomiya zum französischen Beyblader zurückgekehrt war. Olivier hörte ihm gespannt zu, schien trotz der wenigen Worte, die er sprach, zu verstehen.
„Beim zweiten Mal habe ich das Richtige getan.“ Er hatte den Sport, dem er inzwischen den Rücken gekehrt hatte, vor Balkov verteidigen wollen. Sein ehemaliger Erzieher hatte ihn bis zu diesem Zeitpunkt noch als Albtraum verfolgt, und er hatte nicht ohne starke Medikamente schlafen können. Er hatte sich erhofft, durch den Kampf gegen Garland Sieblad, in den er vollkommen überstürzt gegangen war, zu verhindern, dass sich dasselbe Spiel wiederholte. Er war gescheitert, hatte jedoch den entscheidenden Impuls für den Widerstand gegen die BEGA gegeben.
„Seitdem … nein, nicht mehr.“ Das war auch gut so. Er hatte einen Schlussstrich unter dieses Leben gezogen, das ihn zwar von der Straße geholt, ihm seitdem jedoch nichts als Entbehrungen abverlangt hatte. Deshalb war er nach Frankreich gekommen: Er wollte sich im selbst gewählten Exil neu erfinden, Russland hinter sich lassen und sich eine andere Kultur zu eigen machen. Olivier schien nicht zu wissen, was er sagen sollte. Er trank einen Schluck Wein. Yuriy tat es ihm gleich, schenkte ihm ein halbherziges Lächeln, ein Schulterzucken. „Das ist nicht schlimm“, ergänzte er noch. Er verlor keine Kämpfe mehr, er wurde nicht dafür bestraft, weder durch Erzieher, noch durch die Blessuren, die ein Beyblade-Match mit sich brachte. Er war buchstäblich aus diesem Leben ausgetreten, ohne jemandem davon zu erzählen, was er tun wollte. Er brauchte den Neuanfang. Nun lebte er in Paris, wenn auch in beengten Verhältnissen. Das reichte fürs Erste.
Olivier lächelte als ahnte er, was in dem stillen Russen vor sich ging. Yuriy erwiderte einen ernsten Blick. Der reiche Franzose hatte keine Ahnung.
Olivier wurde plötzlich ernst. „Ich muss genau jetzt etwas Wichtiges tun.“, erklärte er und sah aus als würde er sich für einen Schlag wappnen. Der Grünhaarige war meist sanft, immer geduldig mit seinem Nachhilfeschüler. So ernst trat er selten auf, stellte Yuriy fest. „Und was tust du jetzt?“, erkundigte er sich.
Der Grünhaarige schien Mut zu fassen. „Ich liebe Männer“, erklärte er, immer noch ernst. Yuriy verschluckte sich an dem Wein, den er gerade hatte trinken wollte. Er hustete trocken. Das hatte er nicht erwartet. Wie sollte er reagieren?
Olivier fuhr unbeirrt fort: „Ich liebe Männer, und einen bestimmten Mann ganz besonders“
Yuriy hustete nicht mehr, sondern kippte unvermittelt den Rest seines Weins auf Ex. Der wollte ihm hier doch nicht etwa seine Liebe gestehen?
Olivier atmete tief durch. Noch immer angespannt führte er aus: „Er heißt Giancarlo. Er kommt aus Italien und ist fünfundzwanzig Jahre alt. Ich kenne ihn schon sehr lange. Er ist mein amour de coeur.“
Yuriy erkannte die Phrasen, die sie in ihrer ersten Tandem-Stunde gemeinsam eingeübt hatten. Auch wenn ihm das Thema unangenehm war, gaben ihm diese Sätze seltsame Sicherheit.
Olivier atmete nochmals durch. Er fixierte Yuriy, der den Blick offen erwiderte. Er wartete offensichtlich auf eine Antwort. Es war Yuriy egal, was sein Tandempartner trieb. Andererseits erwartete dieser vielleicht, dass er ein homophobes Arschloch war, weil man das über die Russen sagte. Dies hatte ihm einer seiner Sexualpartner in Paris schon einmal in beinahe unverständlichem Englisch an den Kopf geworfen.
Zunächst musste er das Übersetzungsproblem aus dem Weg räumen. Die letzte Phrase, die Olivier verwendet hatte, verstand er nicht. „Amour de coeur?“, wiederholte er also, in der Hoffnung, noch etwas Zeit zu gewinnen.
Olivier seufzte geschlagen. „Entschuldige, das kann ich nicht übersetzen“, meinte er dumpf, „Es ist jemand, bei dem oder der du dich sicher fühlst. Jemand, bei dem oder der du dich wohl fühlst. Es ist – entschuldige, das ist wirklich schwer zu erklären.“ Olivier runzelte konzentriert die Stirn.
Yuriy dachte eine Weile über seine nächste Formulierung nach, gab schließlich auf und wechselte auf Englisch. „Wie sagt man, wenn man jemand attraktiv findet?“, hakte er nach. Olivier blickte ihn überrascht an und erklärte ihm die Wendung. Yuriy nickte und wiederholte sie konzentriert: „Ich finde attraktiv … Männer und Frauen. Es ist mir egal.“ Er zog hilflos die Schultern hoch. Es war kein großes Ding.
Ein Gewicht schien von Olivier abzufallen, und er teilte den letzten Rest an Rotwein gerecht auf ihre Gläser auf. „Na dann“, er hob feierlich sein Glas. Yuriy tat es ihm nach. „À ta santé!“ Ihre Gläser klickten, sie tranken schweigend einen Schluck, dann noch einen Schluck.
Olivier schien Interesse an seinen sexuellen Interessen gefunden zu haben. „Tu as un petit ami?“, fragte er also. „Petit ami?“, wiederholte Yuriy schmunzelnd und deutete amüsiert auf seinen Schritt. Der Grünhaarige wurde mit einem Mal knallrot im Gesicht und hob abwehrend die Hände. „Nein, nein! Das ist … die Person mit der du ein Paar bist!“, erklärte er hastig. Yuriy runzelte unverständig die Stirn. „Ich bin ich. Ich bin kein Paar“, erklärte er. Olivier schien sich nicht sicher, ob er ihn richtig verstanden hatte. Irgendwie beschrieb das sowohl seinen aktuellen Beziehungsstatus als auch seine generelle Einstellung zu Beziehungen recht gut.
Olivier sah ein, dass er nichts Essenzielles mehr aus dem Rotschopf herausbekommen würde, und erkundigte sich mit einem Blick auf die Uhr nach ihrem nächsten Treffen. Dies signalisierte wie immer das Ende ihres Tandem-Treffens. „Nächstes Mal sprechen wir Russisch“, kündigte Yuriy an und maß seinen Gesprächspartner mit einem Blick. Olivier nickte. „Ich brauche Hilfe mit der Aussprache.“, gab er zu und lachte.
Bald hatte der französische Beyblader Yuriy auf dem Boden seiner kleinen Einzimmerwohnung zurückgelassen. Der Russe erfreute sich der Abendbrise, die zwar nicht erfrischend war, aber immerhin die Wärme etwas in Bewegung brachte. Von der Straße vier Stockwerke tiefer drang das Geräusch von vereinzelten Autos, die vorbeifuhren. In der Ferne klingelte eine Tram. Es war dunkel geworden im Zimmer, stellte Yuriy fest und schaltete die Lampe neben seinem Bett an. Sie warf warmes Licht auf das Kissen und das Handy, das er seit etwa drei Wochen nicht mehr eingeschaltet hatte. Ob Boris ihm wieder wie ein Uhrwerk am Freitag eine Nachricht geschrieben hatte? Sein ehemaliger Teamkamerad war fixiert darauf, ihn mit Neuigkeiten zu versorgen. Nach den ersten drei Wochen hatte Yuriy sich dabei ertappt, dass er fast sehnsüchtig auf Freitag wartete. Dass er wissen wollte, wie es seinen ehemaligen Teamkameraden ging. Er hatte das Mobiltelefon ausgeschaltet. Seinen ‚Neuanfang‘ hatte er sich in diesem Bezug leichter vorgestellt.
Yuriy zog sich das T-Shirt, das er getragen hatte, über den Kopf, und entledigte sich der Stoffhosen, streckte sich in Shorts auf dem Bett aus. Die Lampe schaltete er aus. Niemand hatte ihn gewarnt, dass der Sommer in Paris so heiß sein würde. Es erinnerte ihn an den letzten Sommer, als sie nach dem Camp in Sibirien auf der Krim für ihre letzte Weltmeisterschaft trainiert hatten. Team Neoborg hatte nach anfänglichen Schwierigkeiten – Hiwataris Russisch war nach all der Zeit in Japan miserabel, genauso wie sein, Boris‘ und Sergejs Englisch – überraschend gut zusammengefunden. Sie waren niemals herzlich miteinander umgegangen, aber sie hatten einander schätzen gelernt.
Yuriy seufzte, kämpfte kurz gegen die Erinnerung, doch es schien durch dieses seltsame Gespräch mit Olivier ein Damm gebrochen zu sein. Er gab sich der Erinnerung an heiße Lippen hin, die sich ihm aufdrängte.
Diesmal waren es heiße Lippen auf seiner verschwitzten Haut: Sie hatten ihm Gänsehaut verschafft, was er in der Hitze nicht für möglich gehalten hatte. Kais Augen hatten seine Reaktionen begierig verfolgt, während er saugte und leckte, dessen Atem auf der feuchten Spur, die er auf Yuriys Körper hinterlassen hatte, kitzelte. Yuriy hatte sich selbstverständlich revanchiert, ebenso Spuren mit Händen und Mund über den Körper des anderen gezogen, der manchmal vom anstrengenden Training hart und verspannt war und unter seinen Berührungen weich wurde. Das hatte Yuriy immer wieder aufs Neue fasziniert.
Das Ding zwischen ihnen war während der ganzen Weltmeisterschaft gelaufen. Es war nur Spaß gewesen, hatten sie gesagt. Ob Kai es sich auch manchmal hatte laut vorsagen müssen wenn er alleine war wie er selbst?, fragte Yuriy sich unwillkürlich. Es hatte sich gut angefühlt. Trotzdem hatten sie dieses Ding nicht vor den anderen ausgelebt, auch wenn Boris und Sergej sich bestimmt ihren Teil dazu gedacht hatten. Kai und Yuriy waren manchmal auffällig zeitgleich verschwunden. Sie hatten manchmal auch vergessen, dass die Wände ihrer Unterkünfte nur dünne Gipswände waren.
Der Sex war gut gewesen. Sie waren Freunde gewesen, mit ein paar Extras. Das musste nichts bedeuten, oder?
Yuriy drehte sich zur Seite, versuchte zu schlafen – er sollte für seinen Französisch-Kurs morgen früh wenigstens ausnüchtern und mehr als drei Stunden schlafen. Doch seine Gedanken kreisten weiter. Fakt war, es hatte begonnen etwas zu bedeuten. Irgendwann dazwischen. Yuriy wusste nicht, wann. Es war alles vom plötzlichen Auftauchen Balkovs überschattet gewesen. Nachdem die BEGA aus dem Weg geräumt war, hatte Yuriy ein seltsames Gefühl von Finalität überkommen. Vielleicht hatte er zu vorzeitig gehandelt damit, alles hinter sich zu lassen?
Seinen ‘Neuanfang’ hatte er sich doch anders vorgestellt: Er war nach Frankreich gekommen, weil ihm beim besten Willen kein Beyblader eingefallen war, der dort leben könnte. Dass er ausgerechnet in der Sprachschule, die er besuchte, auf die Anzeige für Russisch-Französisch-Tandem von einem Beyblader treffen musste, war eine Laune des Schicksals.
Yuriy drehte sich um, griff nach dem Mobiltelefon und schaltete es ein. Das Smartphone brummte in seiner Hand unter den eingehenden Mitteilungen von Boris. Sie waren pünktlich wie ein Uhrwerk exakt an jedem Freitag gekommen, seit er sein Handy ausgeschaltet hatte.
‚Ich habe gestern ein Spiegelei gemacht und es nicht anbrennen lassen. Serja singt schrecklich schief, wenn er glaubt es hört ihm niemand zu.‘
‚Serja hat Pussy Riot entdeckt. Ich glaube, ich suche mir eine eigene Wohnung.‘
‚Ivan war zu überraschend zu Besuch. Er ist um 10 cm gewachsen. Er lebt gern bei seiner Tante.‘
Neben diesen Nachrichten war – nichts. Yuriy fühlte sich seltsam leer, als wäre etwas nicht eingetreten, worauf er gewartet hatte. Doch er hatte nichts erwartet. Er wusste nicht, woher dieses Gefühl kam.
Er öffnete eine neue Nachricht.
Eigentlich wusste er, woher dieses Gefühl kam, das er meistens ignorierte. Er wollte Kai wiedersehen und sehen, ob das Ding zwischen ihnen nur deshalb existiert hatte, weil sie durch ihre gemeinsames Ziel, Balkov zu stoppen, verbunden war, oder ob es noch da war. Ein wenig wünschte sich Yuriy, es möge noch da sein. Auch wenn es zwischen ihnen immer wieder zu Übersetzungsproblemen gekommen war, zwischen den Brocken von Russisch, Englisch und Japanisch, die sie wechselten um zu kommunizieren.
Yuriy tippte: ‚Ich bin in Paris. -Y.‘
Er atmete tief durch, ähnlich wie Olivier vor seinem coming out vorhin, und schickte die Nachricht ab.
Später riss ihn sein vibrierendes Handy aus dem Halbschlaf. Desorientiert griff er danach und registrierte die neue Nachricht, die eingegangen war. Das Morgengrauen musste gerade anbrechen, es war verhältnismäßig kühl im Raum.
‚Es wird Zeit, dass du dich meldest. Wir sehen uns in zwei Tagen. -K.‘