Zum Inhalt der Seite

True Heart

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Je weiter sie sich vom Licht der Bewahrer entfernten, desto schwerer fiel es ihr, ihre Umgebung noch erkennen zu können. Wie ein alter Bekannter schlich sich erneut eine nahezu unerträgliche Furcht in ihre Glieder und lähmte sie beinahe. Was würde der nächste Schritt für sie bereithalten? Ein Sturz, gebrochene Knochen, Schlimmeres? All dies ging ihr durch den Kopf und die Ungewissheit bereitete ihr beinahe noch mehr Angst, als die Gegenwart des enormen Wesens an ihrer Seite. Als sie stolperte, streckte sie reflexartig die Hände aus, suchte nach Halt und fand ihn in Form von glatten, unglaublich warmen Schuppen.

 

„Habe ich dir erlaubt, mich anzufassen?“, zischte die Drachin, hörte sich nun nur noch mehr wie eine Schlange an. Diana atmete erschrocken ein, hatte die Hand längst wieder zurückgezogen und sich klein gemacht.

 

„Tut … tut mir leid, es ist nur … meine Augen, sie …“ Wieder zuckte sie zusammen, als sie plötzlich etwas Glattes, Warmes an der Schulter berührte.

 

„Komm jetzt, ich führe dich.“

 

Diana erschauerte und musste sich davon abhalten, sich nicht näher an die Wärme zu schmiegen, die sie nun umgab. Die Drachin musste eine ihrer Schwingen um sie gelegt haben, vermutete sie, als sie den fast sanften Druck spüren konnte, mit dem sie nun voran geschoben wurde. Leise seufzend schloss sie die Augen, die gerade eh zu nichts zu gebrauchen waren und ließ sich führen. Vermutlich hätte sie nicht so vertrauensvoll sein sollen, ja, womöglich hätte sie diesem wilden Geschöpf nicht einmal folgen sollen, aber trotz ihrer bizarren Lage und dem unberechenbar aufbrausenden Temperament der Drachin fühlte sie sich in ihrer Gegenwart auch seltsam … geborgen. Schweigend gingen sie voran, immer tiefer in den Berg hinein. Längst hatte sie den Versuch aufgegeben, sich die Anzahl der Biegungen einzuprägen, wusste sie doch, dass sie hier ohne die Hilfe ihrer unfreiwilligen Gastgeberin den Weg nach draußen nie wieder würde finden können. Eine gewisse Resignation legte sich schwer auf ihre Schultern, aber sie verbat sich, die Hoffnung aufzugeben. Noch war sie am Leben, noch war ihr nichts weiter passiert, also bestand noch immer die Möglichkeit, dass die Drachin ihr wohlgesonnen war und sie wieder in die Freiheit führen würde. An andere Konsequenzen oder gar daran, was mit ihrer armen Mutter geschehen würde, würde sie hier in den Höhlen ihr Ende finden, wollte sie gar nicht erst denken.

 

„Wie … heißt du?“, traute sie sich eine ganze Weile später zu fragen, erhielt aber zunächst keine Antwort. Unwillkürlich rieb  sie sich über die Oberarme und versuchte gleichmäßig weiter zu atmen, was ihr die immer drückendere Stille nicht leicht machte. Gerade öffnete sie erneut den Mund, wollte fragen, wohin sie ihre Begleiterin brachte, da blieben sie mit einem Mal stehen und ein Feuerstoß durchschnitt die Dunkelheit. Mit einem schmerzerfüllten Keuchen, der plötzlichen Helligkeit wegen, kniff Diana die Augen zusammen und wandte sich ab.

 

„Leija“, hörte sie nun doch noch  leise gemurmelt und dann verschwand die angenehme Wärme von ihren Schultern, als das dunkle Wesen ihre Schwinge zurückzog. Diana blinzelte, bis sie sich an das Licht gewöhnt hatte, das nun von einem Feuer in der Mitte des kreisrunden Gewölbes ausging, in das sie geführt worden war. Die Drachin, nein Leija, hatte sich daneben niedergelassen und obwohl Diana ihr Gesicht nicht sehen konnte, so sehr war sie nach all der Dunkelheit noch immer geblendet, hatte sie das Gefühl, den Blick aus roten Augen erneut auf sich spüren zu können.

 

„Leija.“ Dianas Lippen bewegten sich zwar, aber ihre Stimme war kaum zu hören, so leise hatte sie gesprochen. Am liebsten hätte sie gesagt, wie schön der Name doch sei und dass er in ihren Ohren unglaublich gut zu der stattlichen Drachin passte, aber vermutlich würde ein so mächtiges Wesen auf derartige Schmeicheleien keinen Wert legen. Zögerlich ging sie näher auf das Feuer zu und rieb sich über die bloßen Arme, als sie erneut eine Gänsehaut packte. „Mein … mein Name ist Diana.“

 

„Die Göttin der Jagd, wie überaus vielsagend.“

 

Ein dunkles Grollen war zu hören und sie wollte schon zurückschrecken, bis sie glaubte, das Geräusch als eine Art Lachen identifizieren zu können. Abweisend verschränkte sie die Arme vor der Brust und für einen Moment war ihre ängstliche Zurückhaltung wie weggewischt, als sie Leija finster anfunkelte.

 

„Mach dich nicht lustig über mich. Ich kann nichts dafür, dass ich blind wie ein Maulwurf bin.“ Das Grollen stoppte abrupt und die roten Augen fixierten sie erneut so durchdringend, dass ihr trotz der Wärme des Feuers ein eiskalter Schauer über den Rücken rann.

 

„Meine Feststellung war anders gemeint. Verzeih, wenn ich dich damit gekränkt habe.“

Der große Echsenkopf senkte sich leicht, ganz so, als würde Leija sich vor ihr verneigen. Eine zarte Röte schlich sich auf Dianas Wangen und sie befürchtete, dass ihr Mund leicht offen stand, aber mit einer Entschuldigung hätte sie nun wirklich nicht gerechnet.

 Sie war es schließlich gewohnt, verspottet zu werden. Manchmal nur im Scherz, auch wenn sie nicht leugnen konnte, dass selbst dies an schwachen Tagen schmerzhaft kränkend sein konnte, meist jedoch mit voller Absicht. Wie oft hatte man ihr schon gesagt, dass sie zu nichts nutze sei? Wie oft hatte man ihr vorschreiben wollen, was sie konnte und was nicht? Diana seufzte und schüttelte sacht den Kopf.

 

„Schon gut. Mir tut es leid, ich hab überreagiert.“ Noch immer lag der Blick der Drachin auf ihr, aber wo ihr dieser anfangs noch die Angst in die Knochen getrieben hatte, fühlte sie sich nun beinahe verstanden, mit Wärme bedacht.

 

„Was genau ist mit deinen Augen nicht in Ordnung?“

 

Diana hatte fast mit einer solchen Frage gerechnet, konnte darauf jedoch nur mit den Schultern zucken und ließ sich leise seufzend vor dem Feuer nieder.

 

„Ich weiß es nicht. Unser Dorfpfarrer sagt, es wäre die Strafe Gottes für die Sünden, die ich in meinem früheren Leben begangen habe.“ Leija schnaubte und sie glaubte fast, einen verächtlichen Unterton heraushören zu können, was ihr ein Lächeln auf die Lippen zauberte. „Ja, ich glaube auch nicht wirklich daran.“ Nun weitete sich ihr Lächeln. „Warum sollte Gott mich auch bestrafen wollen und so dafür sorgen, dass ich ein unglückliches Leben führe? Unzufriedene Menschen sündigen doch erst recht, weil sie gegen all diese Ungerechtigkeit rebellieren. Nein, ich will es lieber als Herausforderung sehen, als etwas, das mich meine anderen Sinne mehr wertschätzen lässt.“ Sie verstummte, als sich die Drachin neben ihr bewegte, ihren Kopf senkte und auf den Vorderpranken ablegte. Ihre Wangen brannten erneut verräterisch und sie wandte den Blick ab, verfolgte stattdessen lieber den Tanz der Flammen. „Verzeih, ich rede zu viel.“

 

„Mitnichten. Du bist weise für deine Jugend.“ Für eine ganze Weile trat Stille ein, während derer Diana das Gefühl nicht loswurde, Leija würde versuchen bis auf den Grund ihrer Seele zu blicken. „Aber sag …“, ergriff die Drachin dann erneut das Wort und ihre durchdringenden Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Dachtest du wirklich, ein Drachenei würde deine Mutter heilen?“ Die Frage klang beinahe spöttisch und es hätte sie nicht gewundert, hätte Leija noch so etwas wie, ‚wo du doch so klug zu sein scheinst‘, hinzugefügt. Aber weitere Worte blieben aus. Ein Kloß hatte sich in Dianas Kehle geformt, als sie wieder an ihre Mutter denken musste und daran, dass sie versagt hatte, ihr nicht würde helfen können. Verstohlen wischte sie sich über die brennenden Augen und räusperte sich leise.

 

„Ich wollte daran glauben.“ Sie seufzte und senkte den Blick auf ihre Hände, die begonnen hatten mit dem schmutzigen Stoff ihres Kleides zu spielen. „Heute Morgen noch hatte ich es nicht einmal für möglich gehalten, dass Drachen überhaupt existieren könnten und doch musste ich es einfach versuchen, verstehst du? Ich konnte die Geschichten nicht einfach als dummes Geschwätz eines Betrunkenen abtun, weil ich mir nie verziehen hätte, hätte ich nicht alles versucht, wenn meine Mutter doch …“ Sie verstummte, wollte nicht weitersprechen, nicht aussprechen, was nun unumgänglich war. Ihr Herz schmerzte, schlimmer noch als ihr Körper, der mit regelmäßigem Zittern nur zu deutlich machte, wie ausgelaugt er von den Strapazen der letzten Stunden war.

 

Eine sanfte Berührung an ihrer Schulter ließ sie leicht zusammenzucken, den Blick wieder auf Leija richten, deren Echsengesicht nun so nahe war, das sie sogar einige der feinen, schwarzen Schuppen im Feuerschein schimmern sehen konnte. Sie schluckte, konnte für den Moment nur diesen Anblick in sich aufnehmen. Ihre Finger zuckten und noch bevor sie sich hätte zurückhalten können, hatte sie ihre Hand schon gehoben, stoppte aber, kurz bevor sie die Schnauze der Drachin berühren konnte. Für einen Augenblick stand die Zeit still, schien selbst ihr Herzschlag innezuhalten und gespannt auf eine Reaktion zu warten, während sie den Blick nicht von den schönen Augen nehmen konnte, die sie regelrecht gefangen hielten.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück