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Verborgene Liebe

von

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5. Kapitel

 

„Uhem, Chefchen? Was ist los? Haben wir etwas falsch gemacht?“

„Was?“ Unsanft aus seinen Gedanken gerissen, starrt Shredder sie an – wieder! - doch dann wendet er den Kopf beiseite.

„Nein“, murmelt er und fügt dann, etwas lauter und vor allem barsch hinzu: „Hört auf, so herum zu trödeln!“

Mit diesen Worten wirbelt er herum, dass sich sein Mantel theatralisch hinter ihm aufbauscht und der Schnee unter seinen Stiefeln nur so aufstiebt. Doch schon nach ein paar Schritten hält er inne und starrt mit abwesenden Blick in die Ferne.

Rocksteady und Bebop wechseln einen langen Blick. Sie trödeln doch nicht. Sie angeln sich ihr Abendessen und dafür braucht man bekanntlich Geduld. Die Fische in Grönland beißen auch nicht schneller an als die in New Jersey.

Shredder war schon den ganzen Tag über so merkwürdig. Er ist immer unausstehlich, wenn er nicht geschlafen hat, aber heute kommt eine ungewöhnliche Schweigsamkeit hinzu. Und ständig starrt er sie so merkwürdig an. Das wird ihnen langsam unheimlich.

Solange Krang mit seinen kleinen privaten Projekten beschäftigt ist – von denen sie gar nicht wissen wollen, worum es sich da dreht – haben sie nicht viel zu tun und normalerweise können sie diese kostbare Freizeit auch genießen, denn wenn Shredder schlecht gelaunt ist, lässt er sie üblicherweise in Ruhe, weil er genauso wenig Lust auf Streit hat wie sie. Aber heute ist er wirklich nicht er selbst. Irgendetwas scheint ihm auf dem Herzen zu liegen, doch er ist zu stur und stolz, um damit herauszurücken.

„Chefchen?“

Rocksteady als der Mutigere von ihnen, kann es nicht lassen und nähert sich ihm zögernd, stets bereit, beim geringsten Anzeichen von Aggressivität zurück zu springen.

Shredder starrt nur weiterhin in die Dunkelheit der Polarnacht. Er sieht nicht aus, als wolle er ihm antworten. Sie wissen, dass die ununterbrochene Dunkelheit Shredder aufs Gemüt drückt und hoffen nur, dass dies nicht die Vorboten einer depressiven Verstimmung sind.

Rocksteady tritt noch einen Schritt näher und öffnet schon den Mund, um ihn erneut anzusprechen, als Shredder plötzlich von einem heftigen Hustenanfall geschüttelt wird. Das erinnert sie alle – Shredder schmerzhafter als die beiden Mutanten - daran, dass er erst vor kurzem gegen die Grippe kämpfte und sofort vergisst Rocksteady all seine Zögerlichkeit und legt besorgt einen Arm um ihn.

„Du solltest nicht hier draußen in der Kälte sein.“

Dankbar lehnt sich Shredder an ihn.

„Okay“, meint er, als er wieder einigermaßen schmerzfrei atmen kann. Doch anstatt die fünfzig Meter zurück zum Technodrome zu gehen, lehnt er sich nur erschöpft weiter gegen den Nashornmutanten.

„Was würdet ihr sagen“, meint er irgendwann, das Gesicht nur widerwillig aus Rocksteadys weicher Felljacke hebend, „wenn ich euch erzähle, dass es ein Paralleluniversum gibt, in dem wir drei zusammen Sex haben?“

„Was?“ Rocksteady lässt ihn los und weicht instinktiv einen Schritt zurück.

Shredder gibt ein kurzes, bitteres Lachen von sich, das wegen seiner zunehmenden Erschöpfung jedoch schnell erstirbt.

„Ja“, erwidert er und streicht sich mit der behandschuhten Hand über die müden Augen. „Und nicht nur das. In einem seid auch nur ihr zusammen und ich dafür mit meinem Bruder. Oder mit Krang. Oder nur mit einem von euch. Oder mit dem Rattenkönig. Oder mit...“ Er erschaudert sichtlich: „Splinter.“

Rocksteady und Bebop gelingt es, ihren Abscheu nicht laut zu äußern. Sie wechseln wieder einen langen Blick, doch diesmal voller Verwirrung und Besorgnis.

„Sind wir da glücklich?“ fragt Bebop schließlich vorsichtig und schiebt dann noch mit mehr Nachdruck hinzu: „Bist du da glücklich?“

Und als Shredder und Rocksteady ihn daraufhin nur erstaunt anstarren, zuckt Bebop mit den Schultern und verteidigt sich:

„Ich meine: das ist am Ende alles, was zählt, oder?“

 

 

Wie gebannt sitzen Rocksteady und Bebop vor ihrem großen Bildschirm, an dem sie sonst ihre Videospiele zocken. Sie haben sich über ihre Konsole in X-Zone eingeklinkt.

„Dürfen wir auch einen Account erstellen und dann mit unseren Doppelgängern chatten?“ erkundigt sich Bebop vorsichtig.

Shredder, der es sich hinter ihnen auf der alten Couch bequem gemacht hat, öffnet nur sehr widerwillig seine Augen und blinzelt müde Richtung Monitor, der gerade die Standard-X-Zone Startmaske in all ihrer pastellfarbenen Pracht zeigt.

„Natürlich dürft ihr das. Aber vergesst nicht, dass ihr zwar mit allen Kontakt aufnehmen könnt, aber sie nicht untereinander. Sie wissen nichts von den anderen. Macht euch Notizen, nicht, dass ihr im Chat etwas durcheinanderbringt. Und wählt bloß andere Farbvorlagen, davon wird einem ja schlecht.“

Bebop und Rocksteady werfen sich einen kurzen Blick zu und drehen sich dann beinahe synchron zu ihrem Chefchen um. Beide zeigen sie sehr verdutzte Mienen.

„Du hast ihnen doch nicht wirklich gesagt, wer du bist, oder?“ will Rocksteady geradezu geschockt wissen. „Du weißt aber schon, dass du nicht verpflichtest bist, deinen richtigen Namen zu nennen?“

„Ja“, stimmt Bebop ihm zu, „du kannst dich sogar als Frau ausgeben. Oder als Teenager.“

„Ja, warum hast du das nicht gemacht, Chefchen?“

Warum? Shredder schießt ihnen einen bösen Blick zu. Weil er, als er versuchte, sich anzumelden und ihm das Programm sagte, dass dieser Benutzername schon existiert und als er den Account dieses unverschämten Kerls, der es wagte, ihm seinen Kampfnamen zu klauen, genauer unter die Lupe nahm und das Profilfoto sah, zu geschockt war, um noch vernünftig reagieren zu können. Deshalb.

Die erste Version von sich, auf die er da stieß, musste ja ausgerechnet jene sein, die sich mit Rocksteady und Bebop das Bett teilt.

Und bis auf diese gottverdammten Ohrringe gleichen sie sich auch noch wie ein Ei dem anderen! Sie haben sogar dieselbe Frisur – weshalb er auch beschlossen hat, sich die Haare so lang wachsen zu lassen, bis er sie sich zu einem Zopf hochbinden kann. Das macht nur einer seiner Doppelgänger, aber der sieht ihm dank spitzer Ohren und grüner Augen auch nicht mehr wirklich ähnlich.

Rocksteadys und Bebops neugierige Gesichter erinnern ihn daran, dass er ihnen noch eine Antwort schuldig ist.

„Ich wollte eben mehr über sie erfahren“, überlegt er sich schnell eine passende Ausrede. „Und ich weiß, daß ich meinem Ich aus einem Paralleluniversum mehr Privates erzählen würde als irgend einem Unbekannten.“

Aus irgendwelchen Gründen bringt seine Antwort die beiden dazu, zu grinsen.

„Ach, lasst mich doch einfach in Ruhe!“

Mit diesen Worten dreht er sich auf die Seite und ihnen damit den Rücken zu.

Wieder wechseln die Mutanten einen Blick. Das hier ist immerhin ihr Quartier und erst recht ihre Couch. Aber sie verkneifen sich lieber jegliches spitze Kommentar in dieser Richtung. Die ersten vier Wochen, die sie hier in Grönland gestrandet waren, mussten sie sich aus energietechnischen Gründen ein Quartier teilen und auch wenn das jetzt nicht mehr nötig ist, kommt Shredder immer noch oft zu ihnen hinüber. Und als diese dämliche Grippewelle erst sie und dann ihr Chefchen flachlegte, haben sie sich auch umeinander gekümmert.

Wenn Shredder jetzt also auf ihrer Couch vor Erschöpfung einpennt, soll es ihnen Recht sein.

„Ich hoffe, wir drei sind in jedem Universum Freunde“, flüstert Bebop Rocksteady ins Ohr und wirft dabei einen vielsagenden Blick über seine Schulter hinweg zu ihrem Chefchen hinüber.

„Kann ich mir nicht anders vorstellen“, brummt Rocksteady und stupst mit seiner Nase gegen Bebops Wange, was diesen leise kichern lässt. „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir in jedem Universum auf dieselbe Art miteinander verbunden sind. Sieh mal: Wenn unsere Eltern keinen Sex miteinander gehabt hätten, gäbe es uns doch gar nicht. Jedenfalls nicht so.“

Sie haben sich erfolgreich angemeldet, und als erstes springt er zur Seite ihrer Gegenstücke, die wieder Menschen sind. Vielsagend deutet er auf eines der Fotos.

„Da, siehst du? Die gleichen uns aufs Haar. Also, wenn wir noch Menschen wären. Und das heißt doch: Das Wesentliche muß in unserem Universum und den anderen genau gleich sein. Hey, wir haben sogar alle dieselben Namen.“

„Wow, Nasi“, haucht Bebop bewundernd. „Du bist so schlau.“

Rocksteady grinst geschmeichelt.

„Nah“, wehrt er bescheiden ab, „ich bin nur ein Trekkie, das ist alles.“

 

 

Selbst eine Mütze Schlaf bringt nicht mehr die nötige Erholung. Träge blinzelt Shredder gegen den rostroten Stoffbezug der Couch, während ihm ganz langsam ins Hirn tröpfelt, was ihn da aufgeweckt hat.

Missmutig dreht er sich um und hievt sich langsam in eine sitzende Position.

„Was flüstert ihr da so? Und was machst du hier, Krang?“

Krang, diesmal in seiner Plexiglaskugel, dreht sich zu ihm um und macht eine ungnädige Tentakelgeste.

„Mir gehört das Technodrome, ich bin gewissermaßen euer Vermieter. Da ihr aber keine Miete bezahlt, seid ihr quasi Hausbesetzer und damit habe ich jedes Recht, mich zu jeder Party selbst einzuladen.“

„Party?“

„Eine X-Zone-Party.“

Shredder starrt erst ihn, dann seine Mutanten, die noch immer da sitzen, wo er sie zuletzt gesehen hat, fragend an.

„Muss ich das verstehen?“

Es ist Rocksteady, der ihm antwortet.

„Er hat dich gesucht und ist dann gleich hiergeblieben.“

Shredder schnauft nur, doch das Geräusch geht in einen kurzen Husten über. Wie lästig. Im Moment ist einfach nur alles lästig!

„Plant ihr, wie ihr mich am besten den Eisbären zum Fraß vorwerfen könnt, oder was?“

„Nein", gibt Krang fröhlich zurück. „Wir diskutieren nur, welches Pairing deiner Doppelgänger wir uns für dich wünschen.“

Shredder, der sich schon überlegt hatte, sich zu ihnen auf den Teppich zu gesellen, sinkt schockiert wieder zurück auf die Couch.

„Da gehe ich lieber freiwillig zu den Eisbären.“

„Also, ich wurde schon inspiriert", trällert Krang munter. „Bei mir sprudeln die Ideen nur so, wie ich an einen neuen Körper kommen könnte. Ich denke, ich nehme mal mit diesen Krangs Kontakt auf und lasse mir ihre Forschungsergebnisse geben.“

„Na ja, und Nasi und ich, also wir...“ beginnt Bebop und reibt sich dabei verlegen den Nacken, nur um von seinem Nasi unterbrochen zu werden.

„Können es euch jetzt ja ruhig sagen", Rocksteady legt seinem Kumpel den Arm um die Schultern und grinst bis über beide Ohren. „Wir sind schon eeeewig Sex-Buddies. Also, gelegentlich jedenfalls.“

„Jaaa", ergänzt Bebop, dreht den Kopf etwas und streicht neckisch mit seiner Schweineschnauze gegen Rocksteadys Wange, „und bis wir wieder von euch unsere menschliche Gestalt zurück bekommen, da können wir es uns doch auch schön machen und … na ja, ganz offiziell und fest zusammensein. Oder?“ Er wirft seinem Chefchen einen fragenden Blick zu, aber der blinzelt ihn nur verdutzt an.

„Äh … was fragt ihr mich das?" bringt er schließlich hervor und zuckt dann mit den Schultern. „Ist doch eure Entscheidung.“

Er verbeißt sich die spöttische Bemerkung, dass er ihre tiefe Zuneigung zueinander schon längst mitbekommen hat, immerhin ist er kein ignoranter Idiot!

Aber es ist schon irgendwie niedlich, dass sie wert auf sein Einverständnis legen.

„Nur ...", es tut ihm so leid, das jetzt sagen zu müssen, fühlt sich als ihr Chef aber dazu verpflichtet, „wir haben kein Gegenmittel für eure Mutation, habt ihr das etwa vergessen? Ihr solltet eure Hoffnungen in der Richtung also etwas herunterfahren.“

„Och", lacht Rocksteady nur verschmitzt, „wenn Krang seine anderen Krangs kontaktiert, kann er sie doch auch gleich darum bitten, oder?“

„Das hängt davon ab, wie gut ihr endlich mal euren Putzdienst erledigt", feixt Krang, geradezu unheimlich gut gelaunt. „Wenn es diesmal überall blitzt und blinkt... mal sehen. Vielleicht.“

Die drei grinsen sich so verschwörerisch zu, dass sich Shredder unwillkürlich fragt, worüber sie sich in der Zeitspanne, während er schlief, wohl noch so unterhalten haben. Für seine Paranoia sind solche Gedanken nicht gerade sehr hilfreich.

„Ja, und, Chefchen, was ist denn jetzt nun?“ Penetrant wie immer, kommt Bebop auf ihr eigentliches Hauptthema zurück. „Wenn du die Wahl hättest, mit wem deiner Doppelgänger würdest du gerne tauschen?“

„Mit keinem!“ kommt es wie aus der Pistole geschossen und sehr entschieden zurück. Selbst wenn es da etwas gäbe, ginge das niemanden etwas an!

Bebop nickt, als hätte er mit dieser Antwort gerechnet. „Ja, wir haben dich auch immer nur mit April gesehen. Sie passt am besten zu dir.“

Shredder spürt, wie ihm alles Blut erst aus dem Gesicht weicht, um dann mit aller Macht zurückzuschießen. Ehe er es sich versieht, ist er aufgesprungen und schnauzt sie unbeherrscht an.

Was redet ihr da für einen Scheiß?

Keiner der drei zuckt auch nur mit einer Wimper, und er weiß nicht, wofür er sich jetzt mehr schämen soll: für seine miese Beherrschung oder dafür, dass er so berechenbar geworden ist?

„Aber sie gefällt dir doch, oder?“ bohrt Krang geradezu lauernd nach.

Shredder hört sich selbst nach Luft schnappen und hasst sich dafür.

„Das ist hier nicht das Problem“, versucht er so viel von seiner Würde zu retten, wie noch irgend möglich. „Sie ist die Freundin der Turtles! Meiner Erzfeinde!“

„Na und?“

Und nur, weil er diese lächerliche Unterhaltung so schnell wie möglich beenden und zurück in sein Quartier will, lässt sich Shredder zu einer, wie er hofft, alle Fragen beseitigenden Antwort herab. Einer ehrlichen.

„Deshalb ist sie tabu. Ich denke darüber nicht einmal nach! Und dieser ganze Liebesquatsch kann mir sowieso gestohlen bleiben!“

Mit diesen Worten stapft er zur Tür. Erstaunlicherweise lassen ihn die drei ohne Widerworte oder sonstige Kommentare ziehen. Aber er kennt sie. Sie haben Blut geleckt. Die nächsten Tage werden das reinste Spießrutenlaufen.

Vor allem Krang ist gut darin, den Tentakel immer wieder in die offene Wunde zu legen. Und eine offene Wunde ist es fürwahr.

 

 

Als er April die ersten Male traf und als Geisel nahm, fiel sie ihm viel zu oft in Ohnmacht und er nicht auf diese Fake-Anfälle herein. Er wusste sofort: diese Frau hat ihren Ruf als gute Reporterin nicht ihrem ansprechenden Äußeren zu verdanken. Sie ist Stahl, gehüllt in Samt und dazu noch mit einem messerscharfen Verstand gesegnet. Wären da nicht die Turtles, hätte er sie schon vor Jahren zu einem Date eingeladen. Aber so blieb ihm nichts anderes übrig, als jegliche in dieser Richtung aufflammenden Gefühle im Keim zu ersticken. Außerdem fehlt ihm für so etwas sowieso die nötige Freizeit.

Und wenn ihn sein Körper dann doch mal daran erinnert, dass auch in ihm primitive Gelüste schlummern, greift er eben zur Selbsthilfe. Er hat zwei gesunde Hände, verdammt, und eine Menge Fantasie.

Er weiß selbst, dass das das Loch in seinem Herzen nicht stopft, aber er kommt damit zurecht. Meistens jedenfalls.

Manchmal ist er etwas deprimiert, aber daran ist jetzt nur diese dunkle, kalte Polarnacht schuld. Oder – wie es noch vor zwei Monaten der Fall war - die Entfernung von der DimensionX zur Erde. So fern von seinem Heimatplaneten – wer wird da bitteschön nicht schwermütig?

So, und jetzt Schluss mit diesen lächerlichen Gedanken. Entschlossen stellt Shredder seine Zahnbürste zurück und verlässt sein kleines Badezimmer. Er ist todmüde und sein Bett sieht sehr verlockend aus.

 

 



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